Sternstunden des DDR- Humors / 1953 - 1954

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Die Jahre 1953 1954: Beim Barte des Propheten

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4•

Harald Kretzschmar: Jeder 'n Kopp für sich

1 Kapitel Beim Barte des Propheten

Renate Holland-MoritzAusnahmen

Gerhard RutschImmer wieder dasselbe

Edgar Külow

Die Mongolen

Ralph Wiener

Der Gast

Hansgeorg Stengel

Besuch von drüben

Lothar Kusche

Zwei Frauen um Norbert Feder

Rudi StrahlDie Struktur meiner Persönlichkeit

2 Kapitel Alles zum Wohle des Volkes

Humorvolles aus dem Alltag

Fritz BernhardDas Elektroöfchen

Hans-Joachim Stein

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Die Wunderschreibmaschine 26

John Stave

Der Kai Pfen Ottokar 29

Nils WernerDer Konsum kimmt 30

Paul Schwarz

Ein morsches aß hält selten dicht 32

Eva SalzerAlfons und sein Motorrad 34

Renate Holland-Moritz

So wat Jemeinet 37

Wolf D. BrenneckeDer Mann, der kein Trinkgeld mehr geben wollte 38

Fritz BernhardDer Mieterschreck 40

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 nhalt. -  . ~ ~ · -· ..... , -   -

John StaveWir hatten mal Durst

3 Kapitel: Lernen, lernen, nochmals lernen

Als wir Schüler und Pioniere waren

Fritz Bernhard

Der Kre11zwortonkelRenate Holland-Moritz

Ansprache eines betrogenen Vaters

Jo Schulz

Jugendfrage

John Stave

Vater wird das Kind schon schaukeln

Alfred Brandl

Der GewinnerB Idamann

Auf dem Heimweg

4 Kapitel: Was des Volkes Hände schaffen

Wir Werktätigen in Stadt und Land

Erich Brehmrühjahr

Hansjoachim Riegenring

Menschen auf dem Holzweg

Ulrich Speitel

Der Mann mit dem Fahrrad

Erich Brehm

Auf der Höhe

5 Kapitel: Heißer Sommer

Von Ostseestrand, Datsche und Jugendclubs ...

Erich Hanko

Wieder daheim

Fritz Bernhard

Die Eigenbaukapelle

Rudi Strahl

Schrebergartensommer

Lothar Kusche

Abenteuer im Zauberladen

Erich HankoWolkig bis heiter

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6 Kapitel: Höher, schneller, weiter

Sportlich sportlich

Hansjoachim Riegenring

Kaum zu glauben

Erwin F B Albrecht

Der Kampf mit den BretternAchim Fröhlich

Auf der Kippe zum Ruhm

7 Kapitel: Unter vier AugenÜber Verliebte und Verheiratete

Heinz FischerSpaziergang mit Ziege

Hans-Joachim Stein

Liebesbriefe eines GartenfreundsRolf Pester

Der blaue Tag

Erich Brehm

Oskar und Lenchen

Hansjoachim RiegenringAmor unterm Kanapee

8 Kapitel: Wo wir sind, ist vorn

Es geht seinen sozialistischen GangHans KrauseWie hätten Sie s denn gern?

Nils WernerKleine Kundendienst-Romanze

John StaveVerkehrsmittel der Zukunft

Edgar Külow

AdventLothar KuscheAlter Mann was nun?

John StaveIm Zusammenhang

Achim FröhlichIch bin gestorben

Zeittafel

Rechtliches

Inhalt

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Ein kollektives orsett

pp ~ s i eDas Porträtieren von prominenten Personen hat im Tätigkeitsfeld des Humors immer einen Platz gehabt. Zumal mit etwas

Ironie und Satire gewürzt schnell ein charakteristisches Bilddabei herauskommt. Aufs Wesentliche verknappte Gesichtszüge bringen den mit Aha hinlänglich beschriebenen Effekthervor.

Es war nur eine Wiederbelebung einer guten Tradition als so

peu apeu das Karikieren von Köpfen m Lande DDR zunehmend in Mode kam. Am Anfang ohne Unterschied der Personalso politische Promis inklusive. Im Zuge der Verfestigung aller

Strukturen verabschiedeten sich allerdings die führenden Po-

litniks von dieser probaten Methode sich beliebt zu machenbei der man nur sein wertes Antlitz der Erheiterung preisgibt.Spätestens seit Rückzug ins Ghetto von Wandlitz waren sietabu dafür. Zum Ausgleich durfte die Prominenz aus der bür

gemahen Kulturszene eine wahre Orgie der ironischen Verherr-

lichung mittels Gesichtsstenografie erleben. Ein förmlicherWettlauf setzte ein. Wer keine Porträtkarikatur vorzeigen konn-

te mußte sich zweitklassig fühlen. Der Top-Kameramann derDEFA Werner Bergmann brachte es auf den Punkt: »Von

Kretzschmar karikiert zu werden ist wichtiger als ein Natio-

nalpreis.« Damit hob er nur den Künstler hervor der die Mehr-zahl der in Presse und Literatur gedruckten treffenden Konter-

feis hergestellt hatte. Elizabeth Shaw und Herbert Sandberghatten das originelle Genre begründet und auch Leo Raas undRolf Kiy, Otto Damm und Gerhard Bläser Harri Parschau und

Horst Alisch taten sich darin hervor. Jeder hatte seine indivi-duelle Methode des humorvoll zugespitzten Gesichterzeichnens. Und die Modelle erst - sie waren immer ein wahrerAusbund von verschiedenartigem Aussehen von besonderer

Mentalität und extremem Temperament. Ein merkwürdigerWiderspruch in einer Gesellschaft der ein kollektives Korsett

verpaßt werden sollte. Dieses Phantom bemüht man heuteoffiziell gern als Tatsachenbehauptung. Vergebens liebeGeschichtsfälscher. Dem war nicht so. Das versichert Ihnen

der zeichnende Gesichterentdecker vom Dienst

Harald Kretzschmar

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1 • eim arte des Propheten1 = 1 ' 'W · 

Renate Holland-Moritz

Keiner sage, es sei belanglos, womit ein Herr eine soeben ken

nengelernte Dame beim Tanz unterhält Die jahrzehntealtenFloskeln vom besonders glatten Parkett, dem minderwertigenübrigen Publik11m und (etwas später) von der schwülen Luft im

Saal ziehen nicht mehr. Wir sind moderne Frauen und verlangen Originalität. Außerdem sind wir gleichberechtigt und kennen den Dreh.

Der Herr, mit dem ich neulich tanzte, war keiner von denen.Im Gegenteil. Männlich-kraftvoll drückte er mich beim Slowfox

an sich, sah mir tief in die Augen und fragte: »Welchen Film

haben Sie zuletzt gesehen?« Diese Art kannte ich noch nicht.Wollte er anspielen? Wenn ja, worauf? Trotzdem antworteteich wahrheitsgemäß: »Treffpunkt Aimee.« - »Und?« fragte er.

Nach unserer dritten Flasche Sekt

hatte die Bardame Feierabend

»Miserabel«, antwortete ich. »Na ja«, sagte er, »DEFA,

altes Thema. Lohnt sich schon gar nicht mehr. Bisauf die Ausnahmen.«

Wir empfanden unsere Seelengemeinschaft. Für ihn

Anlaß genug, nunmehr Sekt zu bestellen. »Wissen Sie«, sagte

er nach dem ersten Glas, »die meisten Mädchen in Tanzloka

len sind Konsum-Konfektion : doof, langweilig und von gestern.Sie haben weder von irgendwas eine Ahnung noch zu irgend

etwas eine Meinung.« Er trank mir zu. »Auf die rühmlichenAusnahmen«, kommentierte er galant.

Er war ein Mann, wie er in Frauenzeitschriften gebacken wird:Er plauderte geistvoll, flirtete mit Takt und Anstand, trank wie

ein Seemann, tanzte wie Fred Astaire und sah aus wie MarlonBrando. Ich kann nicht verhehlen, daß ich voller Stolz aufmeine Errungenschaft blickte.

Im Laufe des Abends wälzten wir noch viele gewichtige Probleme. Wir verstanden uns als unerbittliche Gefährten im

Kampf gegen den Bürokratismus, verurteilten gemeinsam Heu

chelei und Karrierismus, zogen zu Felde gegen Dogmatismus

und Personenkult und wünschten dem Geld, das in unseremStaat noch für so mancherlei zum Fenster hinausgeworfen

wird, eine bessere Verwendung. Es geschah nicht zum erstenmal, daß ein Mensch diese meine Anschauungen teilte. AberER war sogar Mitarbeiter des Staatsapparates, nämlich Abtei

lungsleiter in irgendeinem Ministerium. Das imponierte mir.

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  eim arte des Pro heten

Gleich morgen würde ich meinen Kollegen im Büro erzählen,

daß die Leute in der Regierung genauso denken und reden wie•

wrr.

Nach unserer dritten Flasche Sekt hatte die Bardame Feier

abend. Weil wir sie nicht um ihre verdiente Tagesruhe bringen

wollten, verabschiedeten wir uns. »Was nun?«fragte ich, denn

meine erste S-Bahn fuhr noch nicht. Ein Taxi wollte ich ihm

nach dem teuren Sekt nicht zumuten, ich wohne ein bißchen

weit. Aber der gestrenge Kritiker der Bürokraten und Ver

schwender hatte vorgesorgt. Mit konspirativem Augenzwin

kern flüsterte er mir zu: »Ich bringe dich wohlbehalten nach

Hause, mein Dienstwagen steht vor der Tür.«

Die Wirkung des Sekts war im Nu verflogen. »Ich möchte nicht«,

bemerkte ich unangenehm betroffen, »daß Sie sich des Delik

tes der Trunkenheit m Steuer schuldig machen.«

»Aber Kind«, sagte er väterlich-milde, »wo werde ich denn gegenunsere demokratische Gesetzlichkeit verstoßen Im Wagen

wartet natürlich der Fahrer «

Tisch und Stühle. Ein Herr im Hintergrund, ein anderer betritt

den Raum und sieht sich unentschlossen lJm

1: Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen, mein Herr?

2: Ja weischt, isch mescht net z'lange bleibe.

1: Entschuldigen Sie, wäre es nicht viel bequemer für Sie?

2: Sehr freindlich. Ha lass'n Se no. Vielleicht gewe Se mir e Ka-

talog.

1: Katalog??? Wieso?

2: (weist auf die Bilder)

1: Ach so Das ist doch unser Präsident, das unser Kulturmi

nister, dort unser Ministerpräsident, das der Minister fürHandel und Versorgung und das dort ist unser stellvertreten

der Ministerpräsident.

2: Danke schön, Herr Auschstellungsleiter

1: Ausstellungsleiter?? - Ich bin der Objektleiter dieser HO

Gaststätte.

erhard Rutsch

1 1

Worin besteht der

Unterschied zwi

schen der Theorie

und der Praxis im

Marxismus-Leninismus?

Theorie ist, wenn

man alles weiß und

nichts funktioniert.

Praxis ist, wenn

alles funktioniert

und keiner weiß,

warum.

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  2 • eim arte des Propheten---------------============================

dgar Külow

Es war kurz vor Pfingsten, als im VEB Handbesamungstech

nik »Lotte Ulbricht« in Königs Wusterhausen ein Ferngesprächaus dem Ministerium für künstliche Besamung und Motorradzubehör für gewaltige Aufregung sorgte. Dem Betrieb wurde

mitgeteilt, daß am kommenden Mittag eine Delegation aus

Ulan Bator zu einem Freundschaftsbesuch in Königs Wusterhausen eintreffen würde. Der Hauptbuchhalter raste wie vonder Tarantel gestochen durch die Halle und schrie: »Die Mon

golen kommen Die Mongolen kommen «

In der Parteileitung sagte der Sekretär: »Genossen Das ist

eine hohe Ehre für unsere Parteiorganisation. Immerhin kommtder 1. Sekretär der Kreisleitung mit, und ihr wißt, was das für

ein scharfer Hund ist. Der war schon drei Mal in Moskau aufdem Roten Platz und hat im Mausoleum mit dem toten Leningesprochen. Also, erst mal raus mit den Transparenten >Es lebe

Der Chor sang zum dritten Mal Suliko der Chor-

leiter dirigierte dazu Stille Nacht heilige Nacht.

der Genosse Stalin<.«

»Der ist doch auch schon tot «

»Na, um so besser. Zwei Mann mit

dem Kleintransporter in die Paten

LPG und einen Hammel aufreißen - Willi, du warst doch schonmal in der Mongolei? Was trinkt man da so?«

»Na, Wodka. Und Stutenmilch.«

»Haben wir Wodka?«

»Hektoliter.«»Haben wir eine Stute?«»Die dicke Semmelrogge.«

»Laß die Witze, Harschte. Es geht um unsern Kopp. Die sprechen doch Russisch in der Mongolei?«

»Nein, Mongolisch.«»Aber die haben sicher einen Dolmetscher mit. Ach, übrigens:Die bringen für den Werkdirektor den >Suche-Bator-Orden< mit.Wrr müssen den Anführer von den Mongolen auch hoch deko-

•neren.«

»Aber wie willst du auf die Schnelle einen hohen Orden herkriegen, ja - Eugen?«

»Ich habe von meinem verstorbenen Schwager - der war doch

Panzerfahrer in Afrika - noch ein Ritterkreuz liegen.«

>>Nee, das geht nicht «

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  eim arte des Pro heten

»Das geht. Tun wir in eine rote Mappe, erkennen die gar nicht.

Und unser Volkskunst-Ensemble die kriegen so viel Geld, die

sollen gefälligst was Russisches singen «

»Das Kälbchen sitzt am Weiher und summt ganz leis das Lied

vom Don und vom Kosaken.« -

  mnächsten Mittag spuckte ein Bus 28 Mongolen aus.

Jeder bekam ein Wasserglas voll Wodka und eine Flasche Bier

zum Empfang.

Der Werkleiter begrüßte seine Gäste und wunderte sich daß

der Dolmetscher offenkundig sehr gut Mongolisch aber sehr

schlecht Deutsch sprach. Trotzdem begann er: »Liebe Freun

de, wir haben uns ...«

Die Freunde schrien: »Urrah «

» .. wir haben uns sehr gefreut.«

Die Freunde schrien: »Urrah «

Der Werkleiter schnäuzte sich: »Mein Gott, das geht aber blödelos «

Die Freunde schrien: »Urrah «

Da gab er es auf und lud zum Hammelessen ein. Die 28 Gäste

übergaben 28 Ein7Liter-Flaschen Alkohol. Das erste Glas wurde

3

Auch die Tagespresse

bildet die >vier Klassi-

ker < es Marxismus ab;

1956 nach dem XX.

Parteitag der KPdSU

sind es nur noch drei

bärtige Herren.

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von allen auf die DDR geleert das zweite auf die Mongolei, dasdritte auf die Sowjetunion das vierte auf Täve Schur das fünf-

te auf die DDR, das sechste auf die Mongolei - und alles im

Minutentakt sechsundneunzigprozentiger Wodka

Die erste die schon beim dritten Glas umfiel, war die Genos-

sin Sirupkovic vom Betriebsfunk.Viele folgten ihr.

Nach dem sechsten Glas sang der BGLer »Bomben auf Enge-

land« und trank aus einer Bodenvase fünf Liter Blumenwassernach.

Der Kampfgruppenkommandeur wollte vom Dolmetscher unbe-

dingt wissen ob es stimme das die Mongolinnen sie quer sitzen hätten?

Der Kreissekretär wollte wissen natürlich ganz vertraulich ob

die Mongolei eine Atombombe besitze? Als der Dolmetscher be-jahte lud er ihn zu sich nach Hanse ein nachdem er ihm er-

klärt hatte daß bei einem Atomangriff der Bürger sich sofort

auf den Boden schmeißen und sich die Aktentasche über denKopf stülpen müsse.Der Chor sang zum dritten Mal »Suliko«, jetzt aber schon als

Kanon. Der Chorleiter dirigierte dazu »Stille Nacht heiligeNacht«.

Als alle dachten: Jetzt gibt es keine Steigerung mehr, zogen sich

zwei Mongolen völlig aus und rieben ihre braunen nacktenKörper mit Hammelfett ein.Der Genosse Rothstein fünfzig Jahre in der Partei wußte nichtdaß ein Ringkampf zelebriert wurde. Er zog sich solidarisch

auch sofort aus schmierte sich aber mit Butter ein.Da flog die Saaltür auf und der Hetman der Mongolen kam auf

einem struppigen Pony in den Saal geritten und - vom Krachgereizt - schiß es nervös auf das Parkett ...

m nächsten Tag stand ein großer Artikel über die deutschmongolische Freundschaft im ND:

In Königs Wusterhausen sei die erste Grundorganisation insLeben gerufen worden.

Dazu ein Bild von einer Frau aus der Delegation.Woher das Bild kam blieb bis heute unerklärlich.

Egal die Mongolen sehen ja alle gleich aus.Bis aufs Pferd.

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  eim arte des Pro heten

alph Wiener

»Sie haben doch sicherlichvon den Märzkämpfen gehört«, sagte

Fritz Tüngler zu dem westdeutschen Besucher, der sich zumersten Mal in der DDR befand, »und einige Ereignisse haben

sich auch hier in unserer Gegend abgespielt.«

»Ich weiß nichts von Märzkämpfen«, sagte Herr Burli. »Die gro-

ßen preußischen Kriege fanden meistens im Sommer statt.«

»Aber vielleicht wissen Sie, daß Max Hölz ...«

»Unbekannt«, unterbrach Herr Burli und zeigte, ein neues

Thema anschneidend, durch das Fenster auf ein Denkmal. »Was

ist denn das?« Fritz Tüngler sah kurz hinaus.

»Ein Mahnmal für die Opfer, die im Anschluß

an den Reichstagsbrandprozeß ...«

»Reichstagsbrandprozeß?« murmelte Herr Bur-

li. »Ach so, ich entsinne mich dunkel. Wissen

Sie, ich befasse mich mit den Reden, die Bis-

marck im Reichstag gehalten hat. Die liegen

uns ja auch viel näher.«»Ich dächte«, meinte Fritz Tüngler, »die Kon-

zentrationslager in der Nazizeit ...«»Ach, hören Sie auf « unterbrach wieder Herr

Burli. »Wer weiß, ob das alles so schlimm war.

Und dann höre ich immer >Nazizeit< - das ist

doch ein ziemlich laienhafter Ausdruck, nicht?«»Erlauben Sie mal « stieß Fritz Tüngler hervor.

»Die Bezeichnung ist im Nürnberger Prozeß ...«

»Kenne ich nicht«, winkte Herr Burli lässig ab. »Der Prozeß

des Müllers Arnold gegen Friedrich den Großen erscheint mir

wichtiger.<<

»Wenn Sie schon diesen Monarchen erwähnen<<, meinte Fritz

Tüngler, »dann wissen Sie ja auch, daß er die grausamstenStrafen in der Armee verhängen ließ und daß ... «

»Gar nichts weiß ich « entgegnete Herr Burli grob.

»Aber Franz Mehring hat das doch eingehend geschildert « be

kräftigte Fritz Tüngler.»Mehring?« fragte Herr Burli. »Wer ist das?«

»Ein berühmter Historiker«, klärte ihn Fritz Tüngler auf. »Au-

ßerdem gilt er als Begründer der marxistischen Literaturbe

trachtung.« .

5

»jetzt soll mir noch

jemand sagen daß ich

mich nicht ufdieKl.assiker stütze <<

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  6 eim arte des Pro heten

»Ach so«, meinte Herr Burli und spuckte geistig aus. Dann saher seinen Gesprächspartner aufmerksam an: »Sagen Sie mal,jetzt interessiert mich doch, woher Sie das alles wissen, wassind Sie eigentlich von Beruf?«

»Brigadier im Kupferbergbau«, antwortete Fritz Tüngler. »Und

Sie?«Herr Burli lächelte mokant: »Professor für Geschichte «

Man spürt es gleich am sanften Hub der Schritte,am Schal des Mannes und am Duft der Frau:

Hier handelt s sich um eine Stippvisite

der Bundesrepublik in Crimmitschau.

Sie kämen, sagen sie, aus Ludwigshafen.Nun üben sie ihr Gastspiel-Rollenfach,

stolzieren übers Pflaster wie Exklaven

und halten so ihr Westbewußtsein wach.

Das mindeste: Die Dame ist Komtesseund er Besitzer einer Tuchfabrik.

Sie haben Geld wie Heu und Auslandspässe,und ihre Fotos stehen in der »Quick«.

Man würde beide schrecklich gern befragen.Doch geht man ganz behutsam auf sie zu,

hört man den Dünkel der Gesäße klagen:»Wir sind zu vornehm für ein Interview.«

Nur der Hoteldirektor Heinrich Lehmann

weiß, weil sie auf dem Meldezettel stehn:Es sind die Gerbersgattin Koch plus Eh mannaus Hof, die schwänzelnd durch die Straßen gehn.

ansgeorg Stengel

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Beim Barte des Pro heten

Lothar Kusche

wei ra t t „ .

r rt or

Der Norbert Feder unterhält intime Beziehungen zu zwei Frau

en, genauer gesagt zu zwei jungen Mädchen. Die erste namens

Maria, ist achtzehn alt und zeichnet sich nicht etwa wie die

gleichnamige Jungfrau durch fromme Demut sondern vielmehrdurch forsches Kämpfertum aus. Maria ist aktiv. Mehr noch

sie ist Aktivistin in einem für den Bestand unserer Republik

und somit auch für die Existenz des Nor-

bert Feder) ungemein wichtigen Betrieb der

Schwerindustrie. Sie ist ein politisch wiemoralisch einwandfreies Mädchen, daß man

sie eigentlich ein blitzsauberes Mädchen

nennen möchte was Norbert Feder auch oft

genug tut.

,

,,

Das blitzsaubere Mädel ist für alle fort

schrittlichen Gedanken aufnahmefähig; sol

che Gedanken werden von ihr aufgesaugt

als wäre sie Löschpapier. Versuchungenaller rt hingegen gleiten von ihr ab, wer

den förmlich abgestoßen wie das Wasservon der Perlonfaser. Im übrigen besteht

kein Kontakt zwischen Maria und Perlonweil sie zumeist blitzsaubere Kniestrümpfe

mit lustigen farbenfrohen Mustern trägt

und natürlich - Norbert Feder plaudert gern

darüber - zum schlichten Rock die leuch

tend blaue Bluse der Freien Deutschen Ju

gend. Nach dieser Beschreibung läßt es sich

unschwer erraten was unter Marias wu

scheligem Blondhaar strahlt: nämlich ein

p r blanke Augen.

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Marias Hand ist zart; doch hat mir Norbert Feder eindringlich

versichert daß sie kräftig zupacken kann. Von ihrer Figur wäre

zu sagen daß diese rank ist worunter sich der Leser ganz

nach Belieben alles oder gar nichts vorstellen mag. Mit festem

Schritt eilt das blitzsaubere Mädel den lieben langen Tag im Be

trieb umher, um ~ e denen sie begegnet ob diese es nun hören

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Sechs kleine Ne„ . .. . .

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das eine hat man .. . . . .

, abgeholt, da waril .·

·; es nur noch fünf. r ;  

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wollen oder nicht, vom Neuen zu überzeugen, als dessen geläufige Repräsentantin wir sie, laut Norbert Feder, zu betrach

ten haben. Ob Maria ein Nachthemd besitzt, wissen wir nicht,

ob sie schläft und was sie dabei träumt - darüber lastet geheimnisvolles Dunkel.

Marias Hang zum Laster äußerte sich nach Norbert Federsvertrauenswürdiger Mitteilung lediglich darin, daß sie am

Nachmittag des Ersten Mai von einem Schoppen köstlichenObstweins nippte, worauf ihre Wangen wie rotbackige Äpfelglühten.

Die zweite junge Dame, welche ich in engem Zusammenhang

mit Norbert Feder kennenlernte, heißt Anneliese, läßt sich abergern Lisa nennen. Ich weiß nicht genau, was Lisa für einen

Beruf hat und wie alt sie ist. Ich halte sie für Anfang zwanzig;

und ihr Beruf, falls sie einen ausübt, scheint ihr genügend Zeitdafür zu lassen, sich der sorgfältigen Pflege ihrer Garderobe

und ihres Teints zu widmen. Sie besitzt ein auffälliges Talent,

teure Cocktails zu bestellen, wenn Norbert Feder diese bezahlt,

und sich für etwas zu begeistern, das sie »schräge Musik«nennt. Auf den Vorschlag Norbert Feders, gemeinsam auszu

gehen, geht sie stets gern ein. Hierzu macht Lisa in aller Ruhe

mehk-ab, weil Norbert Feder das an ihr außerordentlich

schätzt. Sie könnte, ihrer äußeren Erscheinung nach, durchaus

ein Mannequin sein und trägt beinahe so schöne Kleider wieein Mannequin. Falls ihr Busen echt ist, so darf man ihn getrost hervorragend nennen. Lisa wirft einem beim Tanzen Blikke zu, die einem auf verschiedene Gedanken kommen lassen.

Außerdem geht sie auch gern ins Kino. Hier bevorzugt Lisa den

Liebes- oder Kriminalfilm. Im Augenblick wüßte ich kein Buch

zu nennen, das sie bestimmt gelesen hat. Mit ihren schlanken,

langen Beinen steht Lisa zwar nicht direkt auf dem Boden unserer Gesellschaft, aber doch fest auf sehr hohen modischen

Absätzen.

Dies wäre eine ungefähre, skizzenhafte Beschreibung der zweiFrauen, die im Zusammenhang mit dem Schriftsteller Norbert

Feder eine wichtige Rolle spielen.Interessant ist vielleicht noch, daß die erste die Heldin seines

neuen Romans, die zweite hingegen seine ständige Freundin

ist.

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  eim arte des Pro heten

udi Strahl

io tr„ t„r HtOiHOI

Porsö t ie o t

Nichts stimmt mich beklemmender als der Gedanke, daß alle

Menschen sterben müssen. Also auch ich. Und obgleich ich

sonst kein Phantast bin, ertappe ich mich immer wieder in

der Hoffnung, daß man eines schönen Tages dem Tod ein

Schnippchen schlagen könnte. Die Wissenschaft hat schon

so viele Wunder vollbracht; warum sollte ihr nicht auch die-

ses gelingen?

Desto begeisterter war ich, als mir ein gelehrter Artikel in die

Hände geriet. Er behandelte nichts Geringeres als die Frage,wie unserem Dasein der Sprung ins ewige Leben zu ermögli-

chen sei. Theoretisch, hieß es, schiene das heute schon ganz

einfach. Praktisch bedürfe es noch einiger Voraussetzungen, die

aber theoretisch ebenso einfach zu schaffen wären.Zugegeben, ich verstand nicht alle Einzelheiten des erwogenen

Verfahrens. Die Sprache der Forschung ist komplizierter, alsunsere Schulweisheit sich träumen läßt. Immerhin glaubte ich

das Prinzip zu begreifen. Danach müßte man auch dann eines

Tages sterben, doch mittels einer künstlichen Lebenssubstanzund der vorher aufgezeichneten Persönlichkeitsstruktur könn

te jedes beliebige Individuum funkelnagelneu erschaffen wer

den. Haargenau so, wie es früher ausgesehen hat. Mit allen per-

sönlichen Eigenarten, allen Neigungen und Abneigungen, Wün-

schen und Sehnsüchten, ja sogar mit allen Erinnerungen an die

bisherige Existenz.

Und nicht nur einmal, sondern beliebig oft.

Kaum würde der alte Adam zu Grabe getragen, läge der neue

schon in der Wiege.Welch eine Aussicht Freilich riet mir der gesunde Menschen

verstand, meine jauchzende Freude im Zaum zu halten. Gewiß

dürften noch fünfhundert oder tausend Jahre vergehen, ehe

man ein Abonnement aufs ewige Leben erhoffen könnte. Selbst

dann würde nicht gleich jeder gewöhnliche Sterbliche Unsterb

lichkeit erlangen; zuerst kämen gewiß die ganz großen Persön

lichkeiten an die Reihe, dann Leute mit Verbindungen, Hand-

werker, Kunstpreisträger, Behördenangestellte, Rennfahrer

und dergleichen . . ch wäre sicher erst dran, wenn jede Spur

9

·Fünf kleine Neger-

lein, die saßen amKlavier; das einespielte Musical, da

warn es nur noch•

vier.

Vier kleine Neger-

lein verhöhnten die

Partei; das einegriff der SSD, da

.warn es nur nochdrei.

Drei kleine Neger-

lein, die hörtenRadio; das eine

· stellte RIAS ein, da

warn es nur noch

'ZWO.

Zwei kleine Neger-

lein, die glaubten,· es hört sie keiner;

das eine hat nen

Witz erzählt; dawar es nur noch

•emer.

Ein kleines Neger-

lein ließ diese Ver-

se sehn; da sperrt

man es in Bautzenein, und nun -

· sinds wieder zehn

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2

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von meinen Erdentagen erloschen und vergessen wäre. Doch

wie wenn ich selber die Struktur meiner Persönlichkeit auf

zeichnete und sie zu späterer Verwendung an einem sicheren

Ort deponierte? Zwar würde ich tausend aufregende Jahre nicht

miterleben, aber desto überwältigender wäre das Wiederauftau

chen in einer Welt die in tausend Jahren längst zur Vollkommenheit gediehen ist.

Mit fliegenden Fingern griff ich zu Papier und Bleistift. Zu

nächst notierte ich die feststehenden Daten meiner Existenz:

Größe, Gewicht Haar und Augenfarbe, besondere Kennzeichen

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(keine), Schulbildung, berufliche Qualifikation, Parteizugehö

rigkeit, Steuergruppe. Auch schrieb ich auf, daß ich Bierfilze

sammle, Angst vordem

Zahnarzt habe und wöchentlich einmalins Kino gehe.

Das heißt, die letztere Behauptung strich ich gleich wieder

durch und ersetzte sie durch die Bemerkung, daß ich mir immer

wieder vornehme, wöchentlich einmal ins Kino zu gehen, dann

aber doch in der Stammkneipe hocken bleibe. Allerdings brach

te diese einfache Korrektur eine Walze ins Rollen, die mich

fortan von einer Kalamität in die andere stolpern ließ. Denn zu

meinem wachsenden Schrecken stellte ich fest, daß ich mich

. immer ganz anders eingeschätzt hatte als jetzt, wo es auf ab-

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  eim arte des Pro heten

solute Genauigkeit ankam (wollte ich doch wieder als ich selbst

zur Welt kommen ).

Ich biß die Zähne zusammen und wappnete mich mit dem Mut

eines Tauchers, der an Riffen und Klippen vorbei in tiefste Abgründe gelangen muß. Und wie dort die Ungeheuer des Mee

res den Eindringling umdrängen, belauerten mich hier die Fratzen meiner eigenen Untugenden. Umsonst versuchte ich, ihnen

meine Vorzüge entgegenzuhalten. Sie erwiesen sich nicht halt

barer als Karnevalsmasken am Aschermittwoch. Auch halfen

mir keine bisherigen Erfahrungen der Selbstkritik; wollte ich

mich in tausend Jahren wiedererkennen, mußte ich wohl oder

übel Farbe bekennen. Ich konnte mich nicht einmal in den Pan

zer.des Selbstmitleids hüllen, der einem sonst die Ansicht bewahrt man sei trotz allem ein ganz famoser Kerl.

Denn da wäre später ein ganz anderer Kollege ins Leben zurückgekehrt ...Mit Rücksicht auf die öffentliche Moral muß ich darauf verzich

ten, meine Persönlichkeitsstruktur mit besonders treffenden

Beispielen zu belegen. Auch brach mir der Bleistift ab, als ich

erst bei den harmlosesten Fällen angelangt war. Etwa bei meiner Neigung zum Schwindeln, die ich mir bisher als Quelle unzähliger reiner Vergnüglichkeiten gerechtfertigt hatte. Nun aber

stellte sich heraus, daß ich immer aus ganz profanen Gründen

gelogen hatte.••

Aus Angstlichkeit, die Wahrheit zu sagen.

Um es mit niemand zu verderben.

Um mich aufzuspielen.

Oder um andere Fatalitäten zu kaschieren. Beispielsweise die

Faulheit, die ich stets für zähes Nachdenken ausgegeben habe.

Oder den Geiz den ich als Sparsamkeit betrachtet wissenwollte. Oder die Gleichgültigkeit gegenüber anderen Leuten - ich

hatte sie Rücksicht und Achtung vor der Intimsphäre genannt.

Kurz worin ich mich auch überprüfte, überall stieß ich mich

an den Ecken und Kanten meines Charakters und der entspre

chenden Verhaltensweisen.

Ich hatte den Bleistift längst wieder angespitzt und mehr als

dreizehn Seiten niederschmetternder Erkenntnisse verfaßt, als

mich jäh der Gedanke überfiel, wo ich sie für die nächsten tau

send Jahre sicher deponieren könnte?

Vergrübe ich sie einfach im Garten, bestünde die Gefahr daß

ein d11mmer Zufall sie schon zu meinen Lebzeiten an die Öffentlichkeit brächte. Wie entsetzt wären alle meine Freunde und

21

Ein Westdeutscher

; reist in die R· "Er wird ein eFs:tes- Mal von der Grenz-

.polizei kontrolliert,. passiert eine Sper < re und soll erneut

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k o n t r o l l i e r t werde... _

Er sagt zu demGrenzpolizisten:Da vom der Beam-

  _te hat mich schon:. kontrolliert.<< Dar-

u f h i n der Poli iist:

;  Bei uns gibt es ·keine Beamten. Wrr

- sind ein Arbeiter-0--·

_und-Bauern-Staat.«

:_-;- »Na dann hat·-·

· mich eben da vernder Bauer kontrol

 · liert.«

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22

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Beim Barte des r o ~ h e t e nlliil,•I•MW:N ii W? • • 11wit1 ;u ;rr•• 1 •••• 1 IUJl IM 1 ll ?  l •T 01 .'WllVUP

1

Bekannten Und wie würden die Leute triumphieren, die mich

sowieso nicht leiden mögen? Der Rest meines jetzigen Daseins

wäre jammervoller als das Grab

Fand ich aber ein sicheres Versteck, würde meine papierene

Persönlichkeitsstruktur vielleicht auch in tausend Jahren nicht

gefunden. Ganz umsonst hätte ich die Abgründe meiner selbstausgelotet und aktenkundig gemacht. Nur, daß ich nie wieder

guten Gewissens lügen oder herumschlawinern könnte, weder

in der Gegenwart noch in der Zukunft. Und wer garantierte

mir, daß der glücklichste Fall - die tatsächliche Auffindung

meines Dokuments zum richtigen Zeitpunkt - zu meiner Rekon

struktion führen würde? Mußte ich nicht befürchten, daß die

entsprechende Kommission und damit Nachwelt erschrocken

darauf verzichtete, mich ins Leben zurückzurufen? Denn in tau

send Jahren dürfte die Welt und die Menschheit einen Grad derVollkommenheit erreicht haben, den unsereiner sich nicht ein

mal träumen läßt. Und vorausgesetzt, man ließe Gnade vorRecht ergehen und rekonstruierte mich wirklich - wie würde

ich mich unter den Kindern jener Zeit ausnehmen? Mir schauderte, als ich daran dachte. Allenfalls sah ich die Chance, in

einer Art Museum gezeigt zu werden oder als Kleindarsteller

in historischen Filmen mitzuwirken.

Aber nicht allein wegen dieser mißlichen Aussicht zerriß ich

meine Aufzeichnungen rascher, als ich sie sie verfaßt hatte.Denn glücklicherweise fiel mir ein, daß es noch nicht zu spät

war, meine Persönlichkeitsstruktur rigoros zu ändern. Nein,

nicht auf dem Papier, das hätte keinen Sinn.

In der Wirklichkeit Daß ich einerseits ich selber bliebe und an

dererseits doch ein ganz anderer Mensch würde Noch dürfte

ich dreißig, vierzig Jahre Zeit haben, mich von einem leicht ver-••

lotterten Individuum der Ubergangsepoche zu einem auch in

Zukunft brauchbaren Geschöpf zu verwandeln.

Staunen sollen sie, die SpäterenStaunen werden freilich auch meine Freunde und Bekannten

sowie jene Leute, die mich nicht leiden können. Manche wer

den sogar glauben, ich sei verrückt geworden. Da muß ich

aufpassen, daß ich nicht nur an die Zukunft in tausend Jah

ren denke. Auch eine Menge jener Vorzüge, die man dann

vorweisen muß, kann man garantiert auch heute schon verwenden.

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  4

Auf einem kleinenDorf kommt einMütterchen zumBürgermeister.»Bürgermeistersag mal im Sozialismus gibt es dadiese Dinger na

am Dach wo dasWasser reinläuft? «»Ach Frieda dumeinst Dachrinnenja die gibt es.«»Und das was amHaus so nachunten geht ... «

»Du meinst Fallrohre ja die gibt es.«

»Und unten duweißt schon wasso geknickt istgibt es das auch imSozialismus?«»Das sind die Knieselbstverständlichgibt es auch die imSozialismus.«»Jetzt bin ich aber

froh dann ist es jfast wieder wie zuKaisers Zeiten.«

l les zum Wohle des Volkes

Fritz Bernhard

Hätte meine Frau mit ihren ewig kalten Füßen nicht diesen

ekelhaften Schnupfen gekriegt - nie wäre ich auf den Gedanken gekommen ihr ein Elektroöfchen zu versprechen. So abereilte ich sechs Tage durch die Berliner Spezialgeschäfte zwarohne Erfolg aber doch freundlich von den Verkaufskräften beraten die mir teils empfahlen meine Frau nach Hawaii zu verschicken teils auch zur Anschaffung mehrerer Kaffeewärmerrieten die in die Ofenröhre gesteckt und über die Füße gezogen hervorragende Heizeffekte gezeitigt haben sollen.Endlich am siebenten Tag fand ich in einem großen HO-Elek

troladen in der Dingsbumsstraße nahe Berlin-Nordbahnhofdas ersehnte Öfchen. Gewiß sein Äußeres erinnerte stark andie Heimarbeit eines Bastlers der eine Eigenbau-Klavierlampe weil sie zu plump geraten in einem Anfall von Schwermutzur Erheiterung seiner Hühner auf einen alten Kochtopfdeckelgelötet haben mochte. Aber immerhin es war ein Öfchen .Flugs überschlug ich die Gestehungskosten des Apparates. Einige Stückchen Blech etwas Abfall von einem Drahtzaun einSchräubchen eine Heizspirale und der Topfdeckel -

»Wenn man die Akzise hinzurechnet mag dieser Artikel so andie fünf bis sechs Mark kosten was?« wandte ich mich schüchtern an einige Herrn hinterm Ladentisch.Dem Verkäufer fiel vor Schreck die Zigarette aus dem Mundedie er angezündet haben mochte weil er elektrotechnisch gesprochen damit seinen Riechkolben anzuheizen trachtete. »DasÖfchen kostet 21 95 DM mein Herr« sagte er entsprechendkalt »aber Sie brauchen es nicht zu kaufen. Es sind die letzten. Wir werden sie reißend los.« - Als der Geburtstag meiner

Frau und damit auch unser lieber Onkel Willi gekommen warschenkte ich meiner Frau das Öfchen. Onkel Willi ist von BerufReklameversdichter der Likörfabrik die das bekannte »Wurzelwunder« herstellt.Mitternacht war vorüber. Wir saßen beim Geburtstagsskat unddas Öfchen brannte zum erstenmal. Plötzlich verbreitete sichein Geruch was sage ich ein Gestank von so infernalischerWiderwärtigkeit daß ein verwesender Walfisch dagegen als einWölkchen Veilchenparfüm erscheinen mußte. Sprachlos sahen

.wir uns an. Dann stürzte meine Frau in Richtung Badestubedavon  während ich alle Fenster aufriß und Onkel Willi lako-

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  lleszu Wohle des Volkes

nisch meinte: »Kein Zweifel Dieses Öfchens Mief - beleidigtjede Nase tief « Und sachlich fügte er hinzu: »Das kommt vondem Anstrich. Vermutlich hat die Herstellerfirma auch dazuein Abfallprodukt verwendet. Es riecht deutlich nach Schwefelwasserstoffbenzolf om1aldehydhexamethyltetrachloridazetatoder nach etwas anderem.«Von Hustenanfällen unterbrochen, erzählte ich die Geschichtevom Kauf des Öfchens. Onkel Willi goß sich mehrere Wurzelwunder ein und sprach: »Zuweilen grenzt ans Wunderbare - derPreis, doch leider nicht die Ware «Wir schalteten das Öfchen aus, aber der entsetzliche Mief blieb.Ka11m zurückgekehrt, begann meine Frau aufs neue zu würgen.»Nun denn«, sagte Onkel Willi entschlossen, »da der Aufenthaltin eurer Wohnung menschlichen Lebewesen in den nächstenvier bis sechs Stunden nicht zugemutet werden kann, gehen wirin >Danzemeiers Bierstuben< Danzemeierist ein Kunde vonuns und hat sicher noch auf. Er hat nämlich morgen Geburtstag und pflegt ihn am Abend vorher anzugießen.«Als wir uns den Bierstuben von Danzemeier näherten, fiel unsschon von weitem auf, daß alle Fenster und Türen weit offenstanden. Dann begegnete uns ein Feuerwehrmann, der achselzuckend erklärte: »Die Wiederbelebungsversuche waren zwarerfolgreich, aber wir mußten Familie Danzemeier nebst sieb

zehn Gästen zwecks Auslüftung vorübergehend in das nahegelegene Teppichreinigungsinstitut von Pardubitzer Co. einliefern, das wir zum Glück alarmieren konnten.«»Um Gottes willen, was ist denn geschehen?« fragte meine ahnungslose Frau.»Herr Danzemeier hatte ein Elektroöfchen in Betrieb gesetzt«,sagte der Mann mit warmem Mitleid in der Stimme, »das er vonseiner Frau zum Geburtstag gekriegt hat. Weil er an kaltenFüßen leidet. Es soll von der HO in der Dingsbumsstraße am

Nordbahnhof sein .. . «So kam es, daß Onkel Willi, meine Frau und ich den Rest unserer Geburtstagsfeier begingen, indem wir mit der Ringbahnum Berlin herumfuhren. Vielleicht haben einige Leser uns zufällig gesehen, wir waren unschwer zu erkennen. Meine Frauhielt ihre Füße auf die in unserer Ringbahn Gott sei Dank geruchlose Heizung, ich versuchte, sie mit HO-Witzen zu erheitern, und Onkel Willi murmelte jeweils zwischen zwei Schlukken aus einer Flasche »Wurzelwunder«:

»Freund, merke dir, daß nur die Doofen•

im Wmter einen Ofen koofen «

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26 l les zum Wohle des Volkes

Hans-Joachim Stein

Eines Morgens - ich schrieb gerade an meinem später so be

rühmt gewordenen Aufsatz: »Vorsicht mit der Technik« - rasselte plötzlich etwas in der Schreibmaschine, und mit einem

kurzen, trockenen Seufzer blieb sie stehen. »Was h t denn das

liebe Maschinchen?« fragte meine Frau. »Was wird sie schon

haben«, entgegnete ich, »wahrscheinlich einen Tick.« Und dar-••

aufhin gossen wir 1 in die Maschine, wuschen sie in Seifen-

lauge, trockneten sie mit dem Fön, und ls all das nichts half,

schaffte ich sie zu einem Reparateur.

Der Reparateur w r ein freundlicher, alter Herr. »Sie müssen

j allerhand blödes Zeug geschrieben haben, d ß sie kaputtgegangen ist«, sagte er. Und dann nahm er die Maschine, schleu

Zwei Tage später wurde Fräulein Müller vom Dienst

suspendiert Grund: ein Protokoll auf dem acht

Seiten nichts weiter stand als: Brabrabrabrabrabra.

derte sie fünf-, sechsmal uf den

Boden, tr t einige Male mit beiden

Füßen drauf, horchte sie mit einem

großen Hörrohr ab und fuhr fort:

»Wir werden sie etwas reparieren

müssen. Kommen Sie nächste Woche wieder.« Dabei lächelte

er vielsagend, und ich verließ ihn nicht ohne noch einen Blick

uf d s zerbeulte Jammergebilde zu werfen, das einstmalsmeine Schreibmaschine gewesen war.

Niemand wird es mir also verdenken, d ß ich äußerst über

r scht war, in der nächsten Woche meine Maschine blitzsau

ber und tadellos überholt zurückzuerhalten. »Was macht das?«

fragte ich. Der alte Herr lächelte seltsam: »Eigentlich ist meine

Arbeit unbezahlbar«, sagte er, »aber - na, geben Sie mir hun

dert Mark, dann sind wir quitt.« Ich w r etwas erst unt über

den Preis, zahlte jedoch und ging.

Und nun ereignete sich etwas Seltsames: Zu Hause angelangt,stellte ich fest, d ß die Maschine zwar hervorragend funktio

nierte, aber d ß sie nicht mehr das aufschrieb, w s ich eigent

lich sagen wollte, sondern das, w s ich dachte

Zum erstenmal stellte ich diese unglaubliche Tatsache beim

Schreiben einer Theaterkritik fest. Folgenden vorsichtig-kriti

schen Satz h tte ich mir überlegt: »Gewisse Fehler, die den

Eindruck der Aufführung gewissermaßen allgemein etwas ab

schwächten, konnte der n sich nicht unbegabte Regisseur so

zusagen leider mitunter nicht vermeiden.«

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  lles zum Wohle des Volkes

Und was schrieb die Maschine? »Ich halte den Regisseur für

eine totale Null und die Aufführung für völlig vorbeigeraten.«

Das war peinlich. Ich ließ die Sache liegen und setzte mich anein Gedicht.

Das Gedicht sollte ein Liebesgedicht werden und meiner Frau

gewidmet sein. Der Anfang lautete schlicht-einfach: »Ich liebedich.« Aber diese satanische Maschine schrieb doch tatsächlich:»Eigentlich stimmt's ja nicht

mehr so mit der Liebe, wir , ,

haben uns eben aneinander . - „ -· ·- ..

gewöhnt.« Und unangeneh

merweise vergaß ich, das

Blatt auszuspannen.

Am nächsten Morgen kam

ein Brief von einer Akademie: »Werter Herr Dichter«,

hieß es, »wir haben Ihre

werte Arbeit, die 80. Umar

beitung Ihres werten Film

szenariums betreffend, gele

sen und bitten Sie, dochauch noch die 81. Umarbei

tung vorzunehmen.« Ich war

ganz ruhig, wirklich, ganz

ruhig. »Frau«, sagte ich,

»komm her. Ich will dir die

Antwort diktieren.« Und

dann diktierte ich: »Sehr ge

ehrte Herren In dankendem

Erhalt Ihres wertgeschätz

ten Schreibens beeile ich

1\

'• -   · - -- . 1-.e.l:t

mich, Ihren überzeugenden Argumenten zuzustimmen. Gernbin ich bereit, auch noch die 96. bzw. 98. Umarbeitung vorzu

nehmen.«

Nie habe ich früher einmal diktierte Briefe nochmals gelesen,

ehe ich sie abschickte. Glücklicherweise tat ich es, durch die

vertrackte Maschine unsicher geworden, in diesem Fall. Der

Brief wurde sofort von mir verbrannt. Er enthielt nur einen

Satz: »Sie können mich mal am ... «

Was war zu tun? Mit der Hand schreiben? Unmöglich Ich woll

te nicht, daß der Empfänger in einem Sanatorium für Augen

kranke aufgenommen werden muß. Die Maschine verkaufen?

27

i

1  --1- 1„„ ~--„- \

\ :' \ 1 f

Montag Schulung

Dienstag Parteilehr-gang Mittwoch Zirkel

Donnerstag Selbst-

studium Freitag

Seminar Sonnabend

frohes Jugendleben.

Gott sei Dank nichts

vergessen.«

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28

Ein Reporter be-fragt die Arbeiter

in einem v o l k s i ~nen Betrieb, wie · .sie sich in det? . ·  ·neuen Zeit l l l ~ n l : ;Ein alter Arbeiter ·

gibt ihm die Aus-kunft: »Früher giilges uns gut, heutegeht es uns besser.Es wäre besser

 

wenn es uns baldwieder gut ginge.<t

lles zum Wohle des Volkes

Ja, das ist gut gesagt Trennen Sie sich mal von dem, was Ihnen

ans Herz gewachsen ist. Aber einen Ausweg gab es - verbor

gen Sehen, ob nur mich der Maschine Fluch betraf.

Glücklicherweise bot sich bald eine gute Gelegenheit, Fräulein

Müller mußte dringend Protokoll schreiben; es fand im nahen

Bürgermeisteramt eine wichtige Sitzung statt, und die dortigeMaschine war kaputtgegangen. Mit Freuden borgte ich ihr das

Teufelsding. Und freudestrahlend brachte Fräulein Müller dieMaschine zurück. »Vielen Dank auch noch«, sagte sie, »es ist

eine herrliche Maschine, so leicht Im Handumdrehen habe ichzwölf Seiten mitgeschrieben, vielen Dank.«

»Bitte, bitte«, sagte ich, »haben Sie übrigens gelesen, was Sie

geschrieben haben?« Fräulein Müller verneinte. Und zwei Tage

später wurde sie vom Dienst suspendiert, Grund: Ein Protokoll,

auf dem acht Seiten nichts weiter stand als: Brabrabrabrabrabra. Und am Ende der Satz: »Jetzt hat er drei Stunden lang dus

selig gequatscht. Dieser Abteilungsleiter ist eine Pfeife.« Dasgenügte.

Mich packte ehrliches Entsetzen: Wohin sollte es denn führen,

wenn dauernd ruchbar wurde, was eigentlich man dachte?

Schließlich ist kein Mensch fehlerfrei, und gerade ich habe

manchmal so unanständige Gedanken. Beruf, Existenz stan

den auf dem Spiel Ich beschloß, einen guten Freund um Rat

zu fragen.Umsonst Selbst in Privatbriefen war die vermaledeite Maschi-ne unerbittlich: »Lieber Freund«, las ich, »eigentlich halte ich

Dich j für einen Idioten, S Mark kriege ich auch noch von Dir,

und überhaupt: Man sollte Dir gar nichts anvertrauen, Du

quatschst j doch alles weiter.«

Es ist gräßlich, wenn man einen solchen Aufpasser hat. Aberich konnte nicht anders, es zog mich unwiderstehlich an die

Maschine. Und die Maschine machte mich zu einem anderen

Menschen: Ich bin ehrlich, lüge nicht mehr, äußere stets meineMeinung, sage niemandem Schmeicheleien, verschweigenichts.

Aber es ist ein sehr schwerer Kampf, ich leide unsäglich. Und

deshalb habe ich alles einmal aufgeschrieben. Jawohl, auf eben

dieser Maschine Und wenn Sie zehnmal glauben, dies sei eine

erfundene Geschichte, so sage ich Ihnen: Das ist keine wahreGeschichte

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Alles zum Wohle des Volkes

John Stave

»Halt, Mensch Tiefer runter - soooo. Nu 'n Haken schlagen,

richtich. Jetzt schnell nach links, ja - jut «

Der dicke Mann vor dem Fenster des HO-Fischgeschäfts in der

Stalinallee wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er war zu

sehends erleichtert. Jetzt winkte er mit dem Taschentuch,

machte »dudududududu«, und all sein Gebaren galt augen

scheinlich diesem großen Karpfen, der das Schaufensterbek

ken mit seinen weniger stattlichen Artgenossen teilte. Jetzt

zog er ruhig seine Bahn - aber wieder war Gefahr im Anzuge

»Ottokar, Junge, schnell nach links « riet ihm der schwitzendeMann am Schaufenster.

»Tiefer, Mensch Tiiiiefer «Doch der Karpfen Ottokar

schien taub zu sein. Blind

lings schwamm er in seineKatastrophe.

- •

»Halt Halt « schrie da der

Dicke noch und fuchtelte

mit den etwas kurzgerate

nen Armen. Dann war es zu

spät. »Nein - nein - neinFurchtbar, der arme Kerl

. . ,„ . . ; ~ ~ i l < ~ •• • e 1 1 e · ~ ~ ~ · . . „. .. . ._, i, . . ,„

' .

• • · „•• .... .. .. . . ••„.„,.,._„ ..„. . .......

Grauenvoll « . .„ •

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29

........„ ' ~ - ~ · ·

- ·

.... ... .Der dicke Mann wandte sein .___ _ ___

gramzerfurchtes Antlitz ab. Tränen standen ihm in den Augen.

»Sie kannten ihn wohl schon länger?« versuchte ich Trost zu

spenden, als Ottokar bereits zappelnd auf der Wiegeschale lag.

»Ich beobachte ihn bereits zwei Stunden«, seufzte der Dicke.

»Immer hatte er Glück gehabt und war mit dem Schrecken da-

vongekommen. Und jetzt - - -«, der Dicke schluchzte, »undjetzt ist er der Verkäuferin doch ins Netz gegangen. Ich frage

Sie, lieber Tierfreund, möchten Sie in der Haut eines so bedau-

ernswerten Karpfens stecken?«

Der dicke Mann schaute mich mitleidheischend an.

Ich verneinte: Mir bereite das Rasieren schon so immer erhebliche Schwierigkeiten. Er strich sich nachdenklich übers Kinn.

Wrr gingen in Richtung Strausberger Platz.

»Ich hatte den Eindruck«, sagte der Dicke, »daß es ein zu früher

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3 Alles zum Wohle des Volkes. a;JIM:o:CA:Ml W i J i ~ : • • • i • 1

1z&,•&n1a,,„•.• u :a

Tod war. Ich habe es seinen Augen angesehen, seinen wunder-

vollen treuen Augen, daß er es bis Silvester machen wollte.«

Ich nickte beiläufig. »Sie machen sich wohl nichts aus Fisch?«

forschte ich, um ihn auf andere Gedanken zu bringen. Er schüt

telte den Kopf.

Stumm erreichten wir den U-Bahneingang. Der Dicke strecktemir die Hand entgegen. »Aus Fisch - nein«, sagte er mit fester

Stimme. »Allerdings«, setzte er entschuldigend hinzu, als wir

uns die Hand schüttelten, »aus Fischkonserven - ja. Aus ihrem

Inhalt kann man aber auch nicht so sehr die Seele des Tieresherauslesen «

Dann schritt er langsam die Treppe hinunter - ein erschütter

ter Mann, der einen teuren Freund verloren hat. Das Pfund zu

2,20 Mark.

Still liegt das Dörfchen in der Runde,

als hätte es die Nacht durchzecht.

Es jubelt selbst am Schwanz der Schlange:

»Seht hin, das Gute liegt so nah «

Ein Heupferd schnarcht mit offnem Munde.

Nicht schlecht.

Der Dorfplatz gähnt, es ist noch früh.

Zum Brunnen schlurft ein alter Mann.

Ein Fuhiwerk naht mit hott und hüh.Guck einer an

Der Fuhrmann nickt und rumst vorbei,

das Rot der ersten Sonne glimmt.

Da plötzlich irgendwo ein Schrei:

»Der Konsum kimmt «

Da kommen sie in hellen Hanfen

so hoffnungsschwanger angehaucht:

»Vielleicht gibts diesmal das zu kaufen,

was man so braucht.«

Voll Zuversicht fragt eine Lange:

»Was ham'sen da?

Ich brauche eine Badewanne

und Wassereimer für den Stall,

zwei Schüsseln und ne Bratenpfanne.

Das wär man Fall «

»Gemach, ihr lieben Dorfbewohner.

Kauft Nippes-Schmuck fürs Vertiko,

Ersatzzimt, Zwirn und Sohlenschoner

und Schnaps engros -

»Ich wollte einen Eisenrechen«,

ruft einer, und dann flucht er stumm:

»Das Angebot ist zum Erbrechen «

Und alle kehrten um.

Still lag das Dorf nach einer Stunde,

als hätte es die Nacht durchzecht.

Ganz leise jaulten ein paar Hunde.

Mit Recht ils Utemer

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-.

Schon gehört? In der DDR soll

zweilagiges Klopapier eingeführt ·

werden.

· arum denn das?

Weil von jedem Scheiß eine Kopie .nach Moskau geht. ·

: .·

r

_.,.-'.•

„Ja, Kinder, was soll ich denn machen, der Kunde

wollte durchaus so eine Hose, wie ich sie trage ''

. •

Brenn naterial

erhält derjenige welcherPersonen namhaft macht;

· die Schutt Asche und dergleichen im Wald·e abladen.

Staa l. Forstwirtschaftsbetrieb DresdenDresden-N. 15

Dr.-Kurt-Fischer-Platz 3

,

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3

. ' . . ~ . .. ' .,

. Eiri jtµigei- Pfarrer : .•.·soll ·seine erste· , .. .Predigt m der t . ; : ~ : :· .ehenge'meinde lial- •· •

.. ten und ist au,Ige- · · :

· regt, Der a;Ite Pfar- ·

··. rer„ ät ihm: '»Trink .· '.• .. ·G1·· ...h.. . ·· . ; .·em · asc ·en ·: .

• .. .

' ~ c h l l a . p , aas beru- ' '· : fügt.« ne:r junge : · · .· Pfarrer trin tt eine ... ganze Flasche und ·' i ;:·1t . 'b  ' '

J :ldi eme e.:. . . .'

· s c b w i ~ g t e r e a l g t . .

; Am nächs.ten rfag · · .' "

· nimmt ihn der alte ·... ZUL Seite und sagt: '. . . .

·. »E.iir den Anfang . ·' ' '

.nicht scltlecltt; aber· ein pi(ar . a c h l l e l i ~ ·.

Fehlet sind ···dif U11- ··:·.. t e r l a u f e h Dä.s a l · „.

.. e l u j a Wird gesiili- · •. ?

. g e n ~ lliciit gepfi.f- · · . .

···. fent es. eißt A.-ftjen .

. und nicht Prost, .. . ~ · ····• µnd ,Jesus .isuin den ·.

c' H 1nifil..yl gefahren 'und niclit '1r1.den ' '

· Westen a o g e u . · , ,, :. ·.··· „._. . . · . ; -;.·' . ~ , . ··. i

. '

Alles zum Wohle des VolkesX ••

Paul Schwarz

' tOtse S

tso to 'e

Frau Behrend hatte eine unangenehme Art, ihren UntermieterLudwig Meyer mit Sprichwörtern zu quälen. Wenn er zum Bei

spiel einmal später nach Hause kam und etwas nach Bier roch,

sagte sie am nächsten Morgen finster und prophetisch: »Der

Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.« Wurde Lud

wig von seiner Freundin Elsa zum Kino abgeholt und pfiff diese

Freundin beim Hinausgehen leise vor sich hin, so sagte Frau

Behrend bei der nächsten passenden Gelegenheit mit ziemli

cher Schärfe: »Mädchen, die pfeifen, und Hühnern, die krähen,soll man beizeiten den Hals umdrehen.«

Ludwig Meyer hatte diese Weisheiten bereits vor vielen Jahren

von seiner Großmutter gehört. Sie waren inzwischen nicht

geistreicher geworden und hingen ihm, sprichwörtlich gespro

chen, zum Halse heraus. Aus diesem Grunde sann Ludwig auf

Rache.

Er kaufte sich das Werk >>Sprichwörter und sprichwörtliche Re

densarten, gesammelt und mit Anmerkungen versehen von

Josef Archibald Hintergruber«, zum Preise von 4,85 DM undstudierte eifrig darin, um den Spruchweisheiten der Frau Beh

rend gewachsen zu sein. Wenn sie nun um den Monatserstenherum beiläufig sagte: »Geld im Beutel vertreibt die Schwer

mut«, so antwortete Ludwig ebenso beiläufig: »Einen Nackten

kann man nicht ausziehen.«

Schließlich bestand ihre Unterhaltung fast nur noch aus

Spruchweisheiten. Dadurch wurde Ludwig Meyers Vorrat an

Sprichwörtern allmählich knapp, und auch Josef Archibald Hin

tergruber konnte bald nicht mehr den notwendigen Nachschub

liefern. Katharina Behrend aber buddelte aus den unerschöpf

lichen Archiven ihres langen Lebens immer wieder neue

Spruchperlen ans Tageslicht und freute sich, wenn ihr Unter

mieter passen mußte, ohne »Kontra « sagen zu können .

Da hatte Ludwig eine Idee. Er fing auf eigene Faust an, Sprich

wörter zu erfinden. Eines Tages fragte er Frau Behrend, wer

der Frau Müller aus dem 1. Stock erzählt haben könnte, daß

er nur über zwei Nachthemden verfüge und daß seine Socken

hauptsächlich aus Löchern bestünden, die nur notdürftig von

einander abgegrenzt waren.

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Alles zum Wohle des olkes

»Die Wahrheit will niemand gern hören«, meinte Frau Behrend.

»Ein morsches Faß hält selten dicht«, meinte Ludwig. Katha-

rina Behrend stutzte und erwog den tieferen Sinn des Zitates,

das ihr unbekannt war. »Was wollen Sie damit sagen?«

»Nichts Besonderes. Es ist ein arabisches Sprichwort. Aus der

Gegend von Mekka.«Frau Behrend schwieg und ging hinaus. Den ganzen Tag über

machte sie einen zerstreuten Eindruck und schüttelte manch

mal geistesabwesend den Kopf.

Sein Erfolg gab Ludwig Meyer neuen Auf

trieb. Er fing an, Sprichwörter aus allen Tei

len der Weltkugel zu zitieren, die ihm auf

Frau Behrend und bestimmte Vorfälle ihresZusammenlebens zu passen schienen. Zum

Beispiel diese: »Ein altes Kän ist nichtimmer ein weises Känguruh.« Australien)

»Wenn eine Kokosnuß auf einen Kopf fällt,

und es klingt hohl, so ist nicht immer, die

Nuß daran schuld.« Salomon-Inseln) »Zahn

lose Krokodile sind noch keine Engel.<< Nil

Delta) »Kobras soll man nicht auf den

Schwanz treten.« Indien) »Kühe, die viel

brüllen, geben am wenigsten Milch.« Ar-

gentinien) »Es schlägt nicht immer ein,wenn es donnert.« Nordpol)

Katharina Behrend schien dieser neuen

Wunderwaffe nicht gewachsen. Jedesmal,wenn Ludwig Meyer einen neuen sprich-

wörtlichen Volltreffer erzielt hatte, zog sich

seine Wirtin in ihr Zimmer zurück. Geschlagen und hilflos, wie

Ludwig annahm. Den wahren Grund entdeckte er eines Sonn

tags in der Unterhaltungsbeilage der »Neuenhagener Volks

zeitung«. Dort fand er alle seine schönen, mühsam ausgekno-belten Sprichwörter wieder, sauber nach Erdteilen geordnet.

Und darüber stand: >>Sprichwörter der Nationen. Gesammelt

von Katharina Behrend.«

Der Untermieter Ludwig Meyer begab sich unverzüglich zu der

Sammlerin. »Was haben Sie als Honorar bekommen?« fragte

er und dachte mit Erbitterung daran, daß er bald wieder Miete

bezahlen mußte.

»In diesem Punkte«, sagte Frau Behrend mit ruhiger Würde, »in

diesem Punkte hält auch ein morsches Faß ausnahmsweise•

mal dicht.«

33

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  4

Im KaP.itafismus , ,r e g ~ l t sic·h alles . .·duFch Einnahinen

• . - r

..und Ausgaben im

. ·Sozialismus durchEingaben und Aus

· nahlnen.

Alles zum Wohle des Volkes

va Salzer

O S ~ OI otorr

»Ich habe in der Lotterie gewonnen und mir ein Motorrad ge

kauft«, sagte Alfons (er sagte »Mo-torrad« wohlgemerkt, mit

der Betonung auf der ersten Silbe), »fast neu, tadellose Maschi

ne. Willst du morgen einen Ausflug ins Grüne mit mir machen?«

Natürlich wollte ich: Wer könnte sich etwas Besseres wün

schen, als mit Alfons und seinem fast neuen, tadellosen Mo

torrad ins Grüne zu fahren?

Früh um 6 Uhr trafen wir uns. Wie eine Rakete schoß das Vehi

kel vorwärts, für die auf der Landstraße zurückbleibenden Rad

fahrer hatten wir heute nur einen Blick wohlwollenden Mitleids.

»Prima Sache, so ein Mo-torrad, was? Man spart Zeit, Geld und

Kalorien. In einer Stunde sind wir am Ziel.«

Zehn Minuten später hatten wir eine Panne.

»Nicht der Rede wert«, versicherte Alfons, »der Motor hat bloß

mal ausgesetzt. aß auf, gleich geht s weiter.«

Ich paßte auf, aber es ging nicht weiter.

»Dumm« meinte Alfons, »wir werden ihn bis ins nächste Dorf

schieben müssen.« Er sagte » e r « nicht »es« . »Es« zu sagen,

wäre geradezu eine Beleidigung für ein solches Motorrad ge

wesen. Außerdem hieß er Anton.

Also schoben wir. Doch Anton war schwer und der Tag heiß.»Ich muß doch mal versuchen, ob ich ihn wenigstens bis zur

nächsten Reparaturwerkstatt flott kriege ... «

Diesmal sprang der Motor ohne Widerrede an.

»Siehst du« triumphierte Alfons, »er ist prima, ich sagte es

gleich. Jetzt braucht er natürlich nicht zur Reparatur.«

Er besah kritisch seine Hosenbeine, die eine leichte Färbung

angenommen hatten, und schwang sich Anton auf den Rücken.

Ich tat das gleiche, und schon rasten wir wieder die Chaussee

entlang, quer durch den Ort an der Tankstelle vorbei, bis insübernächste Dorf.

»Warum hältst du hier, Alfons?«

Ich möchte ein Eis kaufen.«

Das war eine fromme Lüge. In Wirklichkeit hatte nämlich nicht

Alfons, sondern Anton angehalten.

Als ich mit zwei Eiswaffeln zurückkehrte, sah ich Alfons tre

ten, daß die Schweißperlen nur so an ihm herunterrannen.

Seine Stirn war gerötet, seine graue Sonntagshose noch um

eine Nuance dunkler geworden. Ringsum hatten sich eine An-

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Alles zum Wohle des Volkes

zahl Männer und Knaben versammelt, die sachverständig Rat-

schläge gaben. Aber der Motor schwieg.»Es ist nichts«, rief mir Alfons entgegen und wischte sich mit

der öligen Hand über das erhitzte Gesicht, »es sind nur die

Gänge, die immer herausspringen. Gibt es hier eine Reparatur-

werkstatt?« wandte er sich an die Volksmenge.»Ja, gleich in der Nebenstraße«, rief einer der Knaben und lief

voran, um uns den Weg zu weisen. Wir folgten langsamer mit

dem schweren Anton. Die Kirchturmuhr schlug 9, und unser

Ziel war noch weit. Alfons fluchte heimlich, aber ich hörte es

trotzdem. Wütend trat er auf den Anlasser. Plötzlich knatter-

te Anton los.

»Na, bis zur Reparaturwerkstatt wird er's schaf-

fen«, meinte ich.

»Was heißt Reparaturwerkstatt?« fragte Alfonserstaunt. »Die Maschine ist doch in Ordnung

Mußte sich nur etwas erholen ...«

Er warf einen flüchtigen Blick auf seine gut ein-

geölten Ringelsöckchen, dann kletterten wir

Anton wieder auf den Rücken.

Das nächste Mal war es mitten im Walde. Wäh-rend Alfons wie ein Besessener an der Maschi-

ne herumarbeitete, photographierte ich ihn von

allen Seiten, denn es ist immer schön, wenn

man später eine liebe Erinnerung hat. Dann

frühstückten wir, denn es war mittlerweile 10

Uhr geworden.

/

a1 (

'

»Weißt du«, erklärte Alfons kauend, »es kommt nur davon, daß

ich zu schnell vom 4. auf den 1. Gang zurückgeschaltet habe.

Ich muß mich erst mal richtig mit Antons Eigenarten vertraut

machen. Im Grunde genommen ist er prima. Und schließlich

spart man ja auch Geld, Zeit und Kalorien.«

Er streifte sein wunderschönes, blaues Oberhemd ab und wrang

es vorsichtig aus. Dann näherte er sich Anton mit energischen

Schritten. Nach einer halben Stunde eifrigen Tretens brachte

er den Motor in Gang.»Sieh, da unten liegt der Werbellinsee « rief Alfons nach eini-

ger Zeit. »Keine 5 Minuten mehr, und ... « Hier setzte der Motoraus. »Ach, da ist nur die Schwimmemadel verklemmt. Kein

Grund zur Beunruhigung. aß auf ...«»Weißt du was?« unterbrach ich Alfons, »jetzt schieb ich dich

den Berg u n t r ~ Und dann gibst du Anton endgültig zur Repa-ratur «

35

.

Reiß dich zusammen,

keine Panik wegen

der paar verlorenen

Schrauben <<

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  6 lles zum Wohle des Volkes

Nach hundert Schritten sprang der Motor wieder an, und wir

fuhren beide bis zur Tankstelle. Der Mechaniker untersuchte

die Maschine und machte eine Probefahrt. Er fand nichts.

Anton benahm sich musterhaft und zeigte keinerlei Mucken.»Siehst du « rief Alfons, »ein tadelloses Mo-torrad, ich habe es

immer gesagt Im übrigen habe ich einen Bärenhunger. Es istnämlich keine Kleinigkeit, mit Anton fertig zu werden «

Bei diesen Worten warf er sich in die ölige Brust und sah micherwartungsvoll an. Er war hoffnungslos verschmiert, von oben

bis unten, total verschwitzt und roch nach Motorenöl. Und nun

forderte er meine Bewunderung.»Du bist ein ganzer Mann«, sagte ich. »Nur Männer können so

sein.« Abgesehen davon, daß der Kartoffelsalat, die Brötchen

und der Kuchen nach Schmieröl rochen, die am Sattel befestig

ten Aktentaschen zerschrammt und tiefschwarz eingefärbtwaren, hatten wir beide unser Vergnügen am Ausflug, jeder

auf seine Weise.Am Abend lief Anton recht brav.

Ein einziges Mal blieb er stehen, das war, als

Diesmal half kein Zureden. Wer kennt sich das Gewitter aufzog. Vielleicht hatte Alfons

schon in der Seele eines Motorrades aus? wieder mal zu schnell vom 4. auf den 1. Gang

geschaltet, vielleicht lag's auch an der

Schwimmernadel oder am Wetterleuchten. Wer kennt sichschon in der Seele eines Motorrades aus?

Diesmal half kein Zureden - Anton streikte, und wir wurden

pudelnaß. Zum Glück trafen wir einen Fuhrmann, der uns alle

drei auf seinen Wagen lud. Langsam, aber sicher zuckelten diePferde heimwärts. Vielleicht schämte sich Anton, denn als wir

ihn wieder auf die Räder setzten, knatterte er durch die Nacht,

daß es eine Lust war. Alfons strahlte.»Gute Nacht, Evilein Hoffentlich hat dir unser erster Mo-tor

radausflug gefallen ... Was ich dich noch fragen wollte« - er zö

gerte und sah einen Moment rührend verlegen aus - »magst du

Anton noch leiden?«

Ich hätte ein Herz von Stein haben müssen, um auch nur den

geringsten Verdacht einer Antipathie gegen Anton aufkommenzu lassen. Freundschaftlich patschte ich ihn auf den Sattel undgab Alfons einen Kuß. »Wer sollte euch beide wohl nicht lie

benswert finden ...«

»Aber«, fügte ich hinzu, »wenn ich mal in der Lotterie gewin

ne, dann kauf ich mir lieber ein Pferd. Das lassen wir im Bei

wagen mitfahren, der Sicherheit halber, weißt du ...?«

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Alles zum Wohle des Volkes

Renate Hol land Moritz

»Rach, juten Tach, Buntzeln Det man sich imma in de S-Bahn

treffen tut -Neu, der Mantel? Todschick Leineweber, wenn ickmir nich irre. - Wat sagen Se, HO? Da staun ick aber. Ach Jott,

uns jeht et soweit janz danke. Bloß, det wa keene Pakete mehr

von mein Schwager aus Köln kriejen. Nu wird sich der Großedet Moped doch noch nich koofen können, weil ick ja nu wie

der mehr Kostjeld brauche. Naja, det is ne lange Jeschichte. Die

Pakete kriejen wa schon seit neunundvierzich. Da hat mein

Oller sein Bruder Justav, der, wo vor Jahren nach Köln jemachtis - kenn' Se den noch? Der hat doch det blonde Manneköng

aus den jroßen Modesalon jeheiratet - also, den hatta mal jeschrieben, det er Tach und Nachtschubbern jehn muß, damit

ta seine Norm schafft, und det wa uns trotzdem keene Butter

uffs Brot leisten können. Und der Justav hat doch denselben

Beruf wie meiner, der is ooch Dreher. Und außerdem isser 'n

juter Mensch, und weil er sein eenzijen Bruder nich hungern las

sen will hatta uns jeden Monat 'n jroßet Freßpaket jeschickt.

Na, und wat soll ick Sie sagen, neulich war der Justav mit sone

Jewerkschaftsdelejation aus Köln bei uns in Osten. Da hamse

denn Betriebe besichtigt und konnten ooch janz frei mit die Arbeeter quatschen. Anschließend hatta uns ooch noch für een

Tach besucht. Nu hat sich det dumm jetroffen, det wa uns jrade

ne Musiktruhe und een Eisschrank uff Teilzahlung jekooft hat

ten. Bei uns war er ja noch janz stille, aber zwee Tage später

kam 'n Brief. Und da schrieb er, nu hätta sich ja übazeujen kön

nen, wie die Arbeeter im Osten schuften müssen, und wenn er

in sein Betrieb in Köln son Tempo vorlejen würde, denn hätten

sen schon längst rausjeschmissen. Mit sone Norm möchter seine

Kohlen ooch ma verdienen. Und denn stand noch so janz zinischals P. S. unten drunter, wenn wa mal janischt mehr in unsern

Eisschrank zu packen hätten, denn will er uns jerne wieder

unter die Arme jreifen. Wat sagen Sie zu so wat, Buntzeln? Aber

det ha' ick mir ja gleich jedacht, wenn eener schon mit Jewerk

schaft und Delejation und sone politischen Sachen zu tun hat,

denn isser nich astrein. Na, von uns hört der jedenfalls keen

Sterbenswörtchen mehr. So wat Jemeinet is mir lange nich vor

jekomm. Wat denn, schon Sonnenallee? Da muß ick aussteijen.

Na, denn machen Sie't manjut, Frau Buntzel, und nich die Hoff

nung uffjeben Es kommen ooch wieder andere Zeiten «

37

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38 lles zum Wohle des Volkes

Wolf D rennecke

Schuld an allem ist der Kellner, der mich solange auf mein

Essen warten ließ. Ich saß und saß, studierte die Speisenkar

te und stieß auf einen Satz: »Unser Personal ist gehalten, auf

Pfennigabrechnung zu sehen.« Darunter: »Unser Personal be

zieht auskömmliche Gehälter und ist auf 'llinkgelder nicht an-•

gewiesen.«Welche Beschämung für mich 'llinkgelder hatte ich gegeben,

hatte Menschen wie Lakaien behandelt und gedemütigt. Der

Kellner kam. Ein Mensch mit festem Gehalt. Ein Kollege. Nein- einem Kollegen gibt man kein Trinkgeld. Er machte die Rech

nung und steckte mein Geld ein. »Bitte, Herr Kollege«, sagte

ich zu ihm, »ich bekomme noch acht Pfennig zurück.«

Er sah mich einige Sekunden lang starr an und schien aufs

höchste verwundert. Ich lächelte ihm freundlich zu.»Acht Pfennig, hm«, murmelte er. »Acht Pfennig Na, bitte -

wenn Sie absolut Wert darauf legen. Pfennige hm. Ich habe

keine. Wenn Sie zwei Pfennige haben, können Sie 'n Groschen

von mir kriegen. Aber ich schenke Ihnen die zwei Pfennje auchgerne - bitte «

Ich legte Wert darauf. Ich gab ihm zwei Pfennige und bekam

einen Groschen. Der Kellner stand wie erstarrt. Der Pikkolo

aber sprang diensteifrig herbei und machte mir die Drehtür auf.

»Der hat sich acht Pfennje rausgeben lassen « sagte der Kell

ner. Da ließ der Pikkolo vor Verwunderung die Tür los. Sie

schlug mir ins Kreuz oder auch etwas darunter und ließ mich

auf den Fahrdamm fliegen.

Ich gab von nun an nie mehr Trinkgelder und erregte Aufse

hen mit dieser Methode. Sie war nicht ganz ungefährlich. Ein

Taxichauffeur war derart angetan von der Methode, daß er mir

beinahe zwei Finger abquetschte, so heftig knallte er die Tür

hinter mir zu.

Ich mußte bald erkennen, daß noch viel Erziehungsarbeit auf

diesem Gebiet zu leisten war, besonders bei den Kollegen Fri

seuren. Ich wurde nicht mehr abgebürstet, ich mußte mir äl

lein in den Mantel helfen, keine Tür wurde mir geöffnet, mein

Abschiedsgruß blieb unerwidert. Als man mir die Haare aber

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  lles zum Wohle des Volkes

nur noch stufenförmig schnitt und mir Seifenschaum in die

Augen rieb, wechselte ich den Salon.

Auch die Gaststätte mußte ich wechseln. Ich war dort zu be

kannt geworden. Kein Kellner ließ sich mehr herbei, mich zu

bedienen. Wenn aber, dann fehlte bestimmt die Gabel; und bis

ich sie bekam, wurde mein Essen kalt. Und Taxis bekam ichüberhaupt nicht mehr. Sie waren immer gerade bestellt oder

nicht im Dienst oder soeben kaputtgegangen.

Ich wurde ein einsamer Mensch. Meine Freunde begannen sich

zu genieren, mit mir ein Lokal zu betreten. Ich wurde gemie

den und kam mir selbst wie ein Ausgestoßener vor - und alles

nur, um das Ehrgefühl bestimmter Berufsgruppen nicht zu be

leidigen. Eines Tages ertappte ich

mich dabei, daß ich begann, auf

den Speisenkarten nach Zusammenstellungen zu suchen, die

runde Markbeträge ergaben. Errö

tend dachte ich: Nein, du darfst

nicht klein beigeben, wenn du die

Menschen erziehen willst. Du hast

nun einmal beschlossen, keine

Trinkgelder mehr zu geben, also

gib auch keine mehr

1

o

Aber etwas mußte geschehen. Und ""deshalb mache ich es jetzt anders.

Ich gehe in eine Gaststätte, bestel-

le mein Essen und lasse mir meine Pfennigbeträge herausge

ben. Dann aber erhebe ich mich von meinem Platz, ergreife die

Hand des mürrischen Kollegen Kellner und sage: »Es ist mir

ein Bedürfnis, Ihnen kundzutun, daß es mir in dieser Gaststät

te ausgezeichnet gefallen hat, daß das Essen gut und Ihre Be

dienung hervorragend war. Gestatten Sie bitte, daß ich Ihnen

meinen wärmsten Dank ausspreche « Dann schüttele ich ihm

die Hand, schreite hinaus und bekomme keine Tür mehr ins

Kreuz. Zum Kollegen Friseur sage ich: »Der Haarschnitt ist

vorzüglich geraten. Meinen besten Dank « Ich schüttele ihm,

der mich anstaunt, die erschlaffte Hand und gehe hinaus. Ahn-

lich spreche ich mit jedem Taxichauffeur, jedem Eilboten,

jedem ... Das wirkt Das wirkt besser als fünfzig Pfennig Trink

geld. Ich werde dabei bleiben. Bis man hinter meinen Trick

kommt. Deshalb bitte ich den Leser, diese Geschichte keinen

Kellner, Friseur, J'axichauffeur und so weiter lesen zu lassen ...

»Entschuldigen Sie

bitte st mein Otto

vielleicht noch hier?

9

-

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4

„.

..P.' ' '

>>Erst hatten wir aus-

geschachtet Nun will

er kein Haus mehr und

hat sich einen Kahngekauft <<

l les zum Wohle des Volkes

Fritz Bernhard

Er hieß Fürchtegott Süßmilch und sah aus wie eine Mischung

aus Missionar und wilhelminischem Oberlehrer. Ging er aufsFinanzamt, überwog der Missionar. Schurigelte er seine Mie-

ter, schlug der Oberlehrer durch. In der Nachbarschaft nannteman ihn »die Kotzkanne«, zuweilen auch »den Großmogul«.Seine Bekanntmachungen pflegte er nach dem Vorbild hoher

Amtspersonen - »Der Generalstaatsanwalt«, »Der Oberbürgermeister« - mit »Der Hauswirt« zu unterzeichnen.Mit einiger Beklemmung stand ein älteres Ehepaar vor dem

< •

' .1' -

-

kurzgeschorenen Vorgarten und las:»Das Abstellen von Fahrrädern am

Zaun sowie das Werfen von Bällen, · *  und Schatten auf den Rasen ist

streng verboten.«Das Paar trat näher. Neben der Haus-tür hing ein Schild:»Das Spielen der Kinder vor, in oderhinter dem Hause ist strengstens un-tersagt. Radfahrer absteigen Die

Benutzung des Hausflurs ist verbo-

ten, Handwagen sind zu tragen. DieHoftür bleibt geschlossen. Der Haus-wirt.«

Kopfschüttelnd durchquerte das Ehe-

paar den Hausflur und warf einen Blick auf den Hof. In einerEcke stand eine Tafel: »Teppichklopfen verboten Nicht rauchen Nicht spucken Ausrufen und Handeln untersagt Hu-

sten und Niesen in der Zeit von 12 bis 15 Uhr strengstens ver-

boten Der Hauswirt.«

»Das scheint ja ein reizender Mensch zu sein«, sagte die Fraukleinlaut zu dem Mann, »wollen wir nicht lieber wieder umkeh-

ren, Georg?«

»Kommt nicht in Frage«, gab der Mann zurück und nahm dieFrau unter den Arm, »wir gehen rauf.«

»Tür leise schließen « mahnte eine Aufschrift an der Haustür.Füße abtreten Abtreter schonen « befahl ein Schild auf der an-

deren Seite.Im Treppenflur schrie eine Tafel: »Ruhe Das Passieren der

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  lles zum Wohle des Volkes

Treppe ist verboten a) mit Kinderwagen, Rollern und sonsti

gen Gefährten, b) ... «

Es folgten Einzelanweisungen bis zum Buchstaben k), aber

schon fesselte die Augen ein kleines Standschild auf der ersten

Stufe: »Treppe frisch gebohnert Bitte den Läufer benutzen «

Zwei Stufen höher besagte ein anderes Schild: »Das Betreten

des Läufers mit Nagelschuhen oder mit Absätzen ist streng

verboten «

Auf dem Treppenabsatz befand sich eine Tür, über deren Klin

ke in einem Ausschnitt das Wörtchen »FREI« zu lesen war. Be

herzt öffnete der Mann die Tür. An der Wand hing eine Papp

tafel, mit Rundschrift in schwungvollen Lackbuchstaben

bemalt: »Benutzung der Retirade nur vormittags 8 bis 10 Uhr

gestattet. Außerhalb dieser Zeit ist das Wasser abgesperrt. Rau

chen und Zeitunglesen verboten Sparsam spülen Der Aufent

halt ist auf zwei Minuten zu beschränken Licht ausknipsen «»Das ist ein Hauswirt, vor dem man lieber ins Wirtshaus geht«,

brummte der Fremde.

»Was haben Sie denn da zu suchen?« unterbrach ihn eine Stim

me von oben, die unangenehm scharf klang und in der Höhe

kickste, »wie kommen Sie überhaupt ins Haus, wie? Ich habe

doch ausdrücklich angeordnet, daß die Haustür auch am Tage

verschlossen zu halten ist, zweimal herum «

»Wrr kommen wegen der Wohnung«, sagte der Mann. Gleich

zeitig stieß die Frau einen kleinen Schrei aus. Das Treppenhausverdunkelte sich. Draußen, vor dem Fenster, glitt langsam und

an Seilen hängend eine Oma im Lehnstuhl abwärts.

»Tja«, rief der Hauswirt, »qa staunen Se, was? Bei mir herrscht

Ordnung Krankentransporte über die Treppe sind in meinem

Hause verboten, und wehe, wer sich meinen Anordnungen nicht

fügt Dem entziehe ich den elektrischen Strom Nun los, kom

men Se rein und sehen Se sich meine Hausordnung an. Die haben

Sie zu unterschreiben, bevor ich entscheide, ob ich Sie nehme.«

Auf vier eng beschriebenen Seiten war es u. a. streng verboten, Kanarienvögel zu halten, Kohl zu kochen, Kinder zu

kriegen oder Grands mit vieren zu spielen. Die Miete war am

Monatsersten bis 11 Uhr vormittags zu zahlen, doch verpflich

tete das den Wirt nicht zu Gegenleistungen.

Als der Besucher die Hausordnung gelesen hatte, sagte er kühl:

»Sehr schön, Herr, aber für uns nicht maßgebend. Hier haben Sie

meine Einweisung vom Wohnungsamt. Sie ist unwiderruflich ... «

Süßmilch schn?-ppte nach Luft. »Haben Sie etwa Kinder?«

:r ..

· n de FrHO-Gasif-stätte: Der Gast

f i n e ~ Fliege. „ · ? -J .  : " ·"' N .

- in der Suppe und

ruft den Ober• »HemObet was

- -   · . - «

hat die Fliege inm e i n ~ r Suppe:zu

- s u c h ~ « _ .Ober: »Mein Herr,

ich bin.hier als

41

·· ·Kellnet:,besch ältigt,

nicht als Wahf- _

sager.:«

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4

• ••

und hier, meineDamen und Herren,

sehen Sie die herrliche

gotische Fassade des

alten Rathauses ((

Alles zum Wohle des Volkes

»Nur sechs«, sagte der Fremde sanft, »aber das siebente ist

unterwegs - na und ein paar sollen ja noch dazukommen.«

»Schikane Schikane « brüllte der Großmogul, »Schi « Da

platzte er mit scharfem Knall.

Die Obduktion ergab: Abnorme Vergrößerung der Galle - völ

liger Mangel an Herz.

Wegen Mangel an Leidtragenden kürzte der Geistliche seine

Rede stark ab. Lediglich ein Bläserquartett, das von nieman

dem bestellt, aber n froher Hoffnung auf Geschäfte erschienen

war, trat nach dem Segen an die Grabstelle. Kaum hatten sie

die ersten Takte geblasen, als der erste Trompeter erbleichend

sein Instrument absetzte. Eine scharfe Stimme, die in der Höhe

kickste, hatte aus der Tiefe gerufen: »Das Musizieren ist auf

dieser Stelle strengstens verboten «

•frwrudet denltigpa:SSOllV '„

a c : k ( . l ~ l f f i o l vtth Stn1 1111Js ~ u n ~ g m 5 0 ~ ~

~ : A · i f . \ltoch in1 1nl1Pe 95JtJc, dezn 13il1·9aP der •DOR ~ e i r Sr)nt W.ittfJ;

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Alles zum Wohle des Volkes

John Stave

Bullerjahn nahm das Thermometer von der Wand stellte es in

ein Glas mit eisgekühltem Wasser und sprach die folgenschweren Worte: »Höchste Zeit daß wir mal ne Weiße mit n Schußtrinken j ehn. «

Das waren gute treffende Worte. Wrr setzten uns einen Tropen

helm auf und zogen los.Bullerjahn immer vorneweg, ich immer hinterher.

Ohne ernstliche Hitzschläge gelangten wir in unser vegetarisches Stammlokal, wo außer Gemüse immer

alles zu haben ist.»Weiße« beruhigte uns die Bedienung freund

lich, »bekommen wir wieder rein, wenn der

Brauereiwagen angekommen ist. Vor vierzehn

Tagen haben wir antelefoniert, da war er näm

lich schon unterwegs.«

Bullerjahn meinte, wir sollten inzwischen

ruhig etwas Helles trinken. Wrr tranken fünf.

»Höchste Zeit daß wir mal ne Weiße mit n

Schuß trinken jehn«, sprach Bullerjahn.

An und für sich hat er eine Nase für Weiße.

Selbstsicher nahm er die Fährte auf, abernachdem wir in einem halben Dutzend be-

stens renommierter Lokale außer bedauernden Antworten nur

Pilsner aus Pilsen, Riesling aus Rumänien, Wodka aus Adlers

hof Kognak aus Armenien, Helles aus Radeberg, Rotwein aus

Frankreich bekommen hatten - und keine Berliner Weiße -

da ließ Bullerjahn die Nase hängen wie ein pensionierter Hüh

nerhund.»H-höchste Zeit, daß wir mal ne Weiße mit n Sch-Schuß trin

ken jehn täten«, sprach Bullerjahn. Wrr machten uns auf zurStalinallee, denn dort konnte es ja gar nicht schiefgehn.

Im Cafe Warschau tranken wir schätzungsweise mehrere Helle

ohne einen einzigen Schuß. Wrr saßen im Freien, und die Sonne

meinte es gar nicht so gut mit uns. »Weiße« dozierte Buller

jahn, »is ein köstlichet Getränk, insofern man et hat, es macht

nich besoffen, und du kannst von ihr so ville trinken, wie de

willst.« Er bekam Augen wie aus Milchglas, und ich zahlte ganz

rasch.

4

Der Gast meint, die

Gänsebratensoße

schmeckt nach Hammel-

bratensoße. -  }Komisch, dasselbe

sagte ein Gast auch

schon von der Kalbs-

bratensoße.<<

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44 l les zum Wohle des Volkes

Die Stalinallee kam uns merkwürdig krumm vor, als wir eine

Hütte erreichten, die aber nur so heißt. Es war die »Frankfurter Hütte«. Das Bier dort war stark und wohltemperiert. Bul

lerjahn sah dem Ober traurig ins Gesicht und bemühte sich mitschwerer Zunge, ihm etwas klarzumachen. Er röchelte: »

weiii-ßßee « Der Ober verstand und erklärte uns, wir möchtendie Straßenbahnlinie drei nehmen.

Als wir am Weißen See ankamen, hatten wir ein gutes Dutzend

Weißenseer Kneipen hinter uns gebracht. Dieser Stadtteil heißtaber nicht so, weil es dort etwa Weiße gibt, sondern im Gegen

teil. Bullerjahn stand am Ufer des Teiches - Verzeihung - desSees und trocknete immer mehr zusammen. »Alo-koholl«, er

klärte er, »entz-zizieht dem Körper die Feusch-feuchtichkeit «

und sprang mit einem gewaltigen Satz ins Wasser. Mir bliebnichts anderes übrig, als einen Raddampfer zu mieten und ihn

Bullerjahn intoni rt einen Wirtinnenvers

der sich auf Weiße und Schuß reimte.

zu retten. Ich schleppte ihn ins »HO-Milchhäuschen« und goß ihm, obwohl er flehent

lich um eine »Wwwweii-weii« bat, einen an

gewärmten Wodka in den Rachen, um einerErkältung vorzubeugen.

Als der Anzug wieder trocken war, machten wir einen letztenverzweifelten Versuch. Wir nahmen eine Taxe und langten zur

schwülsten Abendstunde im Spezialausschank der Willner-Wei

ßen-Brauerei, Pankow, Berliner Straße, an.

Bullerjahn intonierte einen Wrrtinnenvers, der sich auf Weißeund Schuß reimte.Dann hauchte er die Thekenfrau energisch an: »Aha Sie ham

also ooch keine Weeße, wa?«

Die Frau fand das Benehmen natürlich unerhört, langte abernichtsdestoweniger sofort zwei kleine Flaschen unter der

Theke heraus. Eine halbe Minute später standen vor uns zwei

riesige Gläser voll des schäumenden, säuerlichen Getränks,das Bullerjahn liebt wie sonst keins auf der Welt. Seine stump

fen Augen bekamen plötzlich wieder Glanz, mit letzter Krafthob er den Kelch an den Mund und trank, trank ...

Dann fiel er vom Stuhl.»Weiße würft dir nich um « sagte Bullerjahn, als ich ihn unter

dem Tisch vorzog. Dann lächelte er selig und schlief endlich•

em.

Höchste Zeit, daß wir wieder mal 'ne Weiße mit 'n Schuß trin

ken jehn.

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46 Lernen lernen nochmals lernen

Fritz ernhard

roi zworto1t

Wenn Onkel Adalbert, genannt Adi, zu Familie Mehlmann aufBesuch kam, war seine Aufnahme bei den Kindern nicht immerdie gleiche. Brachte er eine Tüte Bonbons mit, freuten sie sich.Brachte er nur ein neues Kreuzworträtsel mit - Onkel Adi nann-te sich selbst gern einen Kreuzworträtselpro:fi-, freuten sie sichebenfalls; aber nur mit dem Mund. In Gedanken sehnten siejedesmal das Ende der Raterei herbei, die Onkel Adi mit pein-

licher Gewissenhaftigkeit zuendezuführen pflegte.Heute hatte er wieder mal ein Kreuzworträtsel mitgebracht,

und Kurti, der Sechsjährige, durfte zu seinem Kummer erstmalig daran teilnehmen.

»Weißt du überhaupt schon, Kurti«, begann Onkel Adi, nach-dem er die Kinder um den Tisch versam

Nun was ist denn die Ehe fragte Onkel melt hatte, mit einem scharfen Blickdurch die schwarze Hornbrille, »wozu einKreuzworträtsel da ist?«

Adi. Die Ehe ist eine Sache der Entwicklung.

>>Klar Mann«, erwiderte Kurti harmlos, »damit man es ratenkann.«»Falsch«, sagte Onkel Adi, »total falsch. Ein Kreuzworträtsel

ist dazu da, daß Menschen mit einem unentwickelten Bewußt

sein - wie zum Beispiel ihr - ihre Allgemeinbildung in fort-schrittlichem Sinne fördern können. Und nun aufgepaßt, wirbeginnen Eins waagerecht: ein Inselbewohner.«

Da der Ire den Kindern schon geläufig war, konnte Onkel Adi

sogleich weitergehen. Die Hafenstadt in Südfrankreich, derHirsch des Nordens, die dem Winde abgewandte Schiffseiteund der Ern, jener unvermeidliche Hausflur, machten keinerleiSchwierigkeiten. Die Förderung der Allgemeinbildung in fortschrittlichem Sinne marschierte. Mehr und mehr hellten sichdie Gesichter Wolfgangs, Monikas und Kurtis auf. Ihre Entlassung zum Versteckspielen im blühenden Garten schien näherzurücken.

Da stutzte Onkel Adi. »Nanu? Was ist denn das? Ist der Kerl

verrückt geworden? Wahrhaftig, der scheint Tinte gesoffen zu

haben.«

»Was ist denn?« erkundigte sich Wolfgang ungeduldig.»Man sollte an die Redaktion schreiben«, wetterte Onkel Adi,

»nein, man sollte sich an die Regierung wenden Das ist dochgeradezu bodenlos ist das doch So was «

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Lernen, lernen nochmals lernen

»Stimmt denn was nicht?« drängte Monika. .

»Natürlich stimmt was nicht«, schimpfte Onkel Adi, »bei 14

senkrecht muß >Ehe< rauskommen, und wie definiert das die

ser Dummkopf von einem Rätselmacher? Ganz einfach als >Ver-

bindung<. So ein Trottel So ein Versöhnler So ein Reaktio

när «»Was hat er denn dabei falsch gemacht?« bemühte sich Wolf

gang die Philippika etwas abzukürzen.»Nun, was ist denn die Ehe, hä?« fragte Onkel Adi dagegen.

»Die Ehe ist, wenn ein Mann und 'ne Frau heiraten«, erklärte

Monika.

»Falsch.« Onkel Adi warf einen

strafenden Blick durch die Brille.

»Total falsch. Die Ehe ist eine

Sache der Entwicklung. NachFriedrich Engels gibt es nämlich

drei Hauptforn1en der Ehe, die -

ich zitiere - im ganzen und gro

ßen den drei Hauptstadien der

menschlichen Entwicklung entsprechen.«

f i1 l  t : : : : : : · · ::: : : :: ::J-d

. ·r--- ............,;

»Wie hätte der Rätselmacher das

aber ausdrücken sollen?« warfWolfgang ein.

»Ganz einfach«, meinte Onkel Adi,

»er hätte etwa sagen können: 14

senkrecht, Gegenstand der Ent

wicklung, für den es nach Fried

rich Engels, Der Ursprung der Fa

milie, des Privateigentums und

1

f1•

l1

des Staates (Marx und Engels, Ausgewählte Schriften, Band

II, Seite 216) drei Hauptformen gibt.«

»Aha«, sagte Wolfgang artig.

»Und nun weiter«, fuhr Onkel Adi fort. »18 waagerecht: papie

renes Erzeugnis mit 8 Buchstaben und hinten ein I. «

Gespannt blickte er auf die Kinder. Ob sie die Lösung »Konfet

ti« wohl herausbekommen würden?

Da hob zum erstenmal Kurti die Hand und rief triumphierend:» ck weeß «

»Na und?« ermunterte Monika den Kleinen, »wie heißt das pa

pierene Erzeugnis?«»Onkel Adi. «

-\.._ ]   --  ·

u-

  interlistigeKon-

kurrenz

47

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48

RGANG l H l'T '/ 8

i J

Die ABC-Zeitung die

Monatszeitschrift jü.r

Jungpioniere  

Lernen lernen nochmals lernen

Renate Holland-Moritz

Hsprae OI OS

otro O O tttors

Ick habe in mein Leben als Buchmacha vom Alexjewiß schon

manchet Schwere durchjemacht, wovon der jewöhnliche

Mensch nüscht ahnen tut. Wenn son Penner oder meinswejen

och een ehrlicher Famililenvata mit seine Wette wieder mal

•e un

rinjefallen is, denn schmeißt er mir

seine Salem an Kopp und macht een

Krakeel in mein Laden, als wiewenn ick die Schuld dran hätte, det

sein Steppenjaul een büßken zu

langsam jeloofen is.Keener von die Brüder denkt dran-

ne, det son Buchmacha ooch ne

Seele hat und detta nüscht weita

will, als wie jutet Jelt vadienen und

mit die Seinen een scheenet Famil-

jenjlück flejen. Und da bin ick schon

bei den wunden Punkt in mein

Leben anjelangt. Wat meine Olle.be-

trifft, die is j nu anno dreiundfuff-zich mit son vahungerten Jockei

durchjebrannt. Aba mein Junge ismir doch imma noch jeblieben, mein

Klausi, der Sonnenschein in mein

dusteren Alltach.

Also, den hätten Se kennen müssen,

wo er noch een Kind war Jewiß,

seine Demlichkeiten hatta ooch je-

macht, und die Vasichrung hat fürmanch eene Schaufensterscheibe berappen müssen. Solla ru-hich, hab ick damals imma zu meine Olle jesacht, wennse de-

sterwejen ze flennen anfing, wenna in jede andre Beziehung

nach sein Vata kommt, denn is mir um Klausin nich bange.Und so war et ooch. Papa, hatta imma gesacht, als er so elwe,

zwölwe war, wenn ick ma jroß bin, komm ick bei dir in Laden.

Denn wem wa die Leute ma zeijen, wat zwee richtije Männa

können. Und eines Tages steht üba een jroßet Haus am Ku-

damm »Buchmacherei von Otto und Klaus Lemke« . Jawoll, so

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Lernen lernen nochmals lernen

war mein Junge det hatta gesacht so wahr wie ick hier sitze.Und denn hatta sich am Abend den Besenjegriffen und hat den

Laden aufjefecht als wie wenn det janüscht wäre für een zu

künftjen Buchmacha vom Kudamm.

So war allet herrlich und in Freuden bissa eines Tages die

Roten uffen Leim jekrochen is. Wie det anjefangen hat weeßick noch wie heute. Een Sonnabend kommta aus Schule und isso stille. Ick sage Klausi sag ick dir is wat über die Leber jeloofen rück raus mit die Sprache vertrau dir dein alten Vata

an. Druff er: Weeßte Papa unsa Lehrer hat uns det heute mal

so richtich erklärt mit die Kaptali

sten und die Ausjebeuteten und ickwill keenen ausbeuten und uffenKudamm bei die feinen West-Pin

kels wer ick ooch nich jehn.Ick denke mir trifft der Schlach.Klausi sage ick willste dein Vata

beleidijen? Hab ick dir villeichs aus

jebeutet weil du imma mal denLaden ausjefecht hast?Dadruff konnte er nüscht sagen

aba ausjefecht hatta den Abend

ooch nich. Da issa det erste Mal in

son. Jugendklub jejangen. Wie ickihm frage wattajemacht hat sachta er hat Tischtennis jespielt. Ick

sage Klausi sag ick wenn et detis een Tischtennis wer ick dir koo

fen sollste haben mein Junge.

Aber nee er will bei die andern ljehn da spieln sie Volleyball und

lesen sich Jeschichten vor undsonntachs fahrnse mit Zelte int

Jrüne.Da wart ja nu aus mit meine langmütje Jeduld. Ick hau ihm kurzund zackich eene runter und sage: »Jetzt wer ick dir mal ne Je

schichte erzähln denn kannste dir anschließend int Jrüne va

drücken und von mir aus Volleyball spieln. Ick wer dir enterben mein lieber Sohn meine Hand wer ick von dir abziehndenn sollste zusehn wo de mit deine Klubbrieda bleibst.«

Natürlich hab ick imma wieder mit all meine Vataliebe vasuchtden Bengel uff qen rechten Weg zu führm. Jut hab ick jesachtwenn de nich uff Buchmacha lernen willst brauchste nich ob-

  9

,'

'

'

Titelblatt der Zeitschriftugend und Technik«

mit dem EntwuifeinesRegierungspalastes für

den einstigen Schloß-platz in Berlin

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5

~ ' O

>>Dumm biste gelernt

haste nischt am besten

wir schicken dich aufs

Landl

Lernen lernen nochmals lernen..........,,, f ' , ~ ' I r r t ' f ' ~ · · ~ ~ < ~ -   t: r ; - . • . ' • ' • • •m::... ..c \ = a c ; A o a a ~

wohl mir det Herze brechen tut. Jehste ebent bei Kolonialwa-

renhändler Schmidt aus de Dimitroffstraße in die Lehre und

schlägst im kaufmännischen Fach. Aba nee, da hatten ihm die

Funzenäre einjeredet, er könnt uff Obaschule jehn und spätastudiern. Ick sage, Klausi, sag ick, die Bildung vadirbt den

Menschen.Beim Turf

issetooch

ejal,ob

een Akademicker odereen Schornsteinfeja wettet. Jlück mußte haben. Und denn nocheen Laden, det is wat Reellet.

Aba er hat ja nich hören jewollt. Jetzt studiert er uff Landwirt

schaft, mit det Jrüne hattas ja schon immajehabt. Wenn ick ihm

auslache, von wejen Kuhbauer••

denn machtan Ubaheblichenund sacht, in die moderne

Landwirtschaft hatta mit mehrMaschinen ze tun als wie ick in

meine Buchmacherei.•

Wie er mit die Kunden in mein

Laden umjeht, is ja nich wieda

jutzumachen. Mein alta Jrundsatz is: Wat der Kunde sacht,

hat Jott jesacht. Det jebietetschon die Höflichkeit. Aba er

disketiert mit die Leute undsachtse, wenna ne andere Mei-

nung hat.Det schärfste Ding hatta sich ja nu mit Herrn Schnalle erlaubt.Dem sind doch vorichte Woche een paar dicke Wetten danebenjejangen, und sein Valust war nich von Pappe. Klausi, der

Strolch, jrient natürlich, und ick jeb mir Mühe den Herm ze

trösten. Aba der meent, so schlimm wäre det nu wieder nich,

denn wird er ebent die Mieten in sein Haus een bißken erhö-

hen und die Flaumen von Mieter wat von erhöhte Reparatur

kosten erzähln. Da wird doch Klausin gleich über ihm herfal

len, det wäre unjesetzlich und Betruch und wat weeß ick. HerrSchnalle zeicht ihm einfach een Piepvogel. Und wat macht der

dadruffhin? Er jeht bein Volksvatreta, weila anjeblich die Mie-

ter zu ihm Recht vahelfen muß.

So weit isset nu jekommen. Aber die Schuld trifft allene die daoben. Ick for meine Person hab jetan, wat in meine Macht

stand, detta een brauchbara Mensch wem tut.

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„Hab ich dir nicht tausendmal gesagt

wie man sich bei Tisch benehmen soll "

2 Derufsweftbewerbder deutschen Jugend

chenbude und wundem sich daß auf einemSchild steht »Senf umsonst« auf einem anderen»Senf kostenlos«. Der Unterschied will ihnennicht einleuchten. Sie wenden sich an einenStudenten und fragen ihn Seine Antwort:

»Wenn ich studiere ist das kostenlos  wenn ihr ·studiert ist das umsonst.«

ionierlagerUnbefugtes Betreten

v e r R l l i ~ n t e t zu _ ;; ' .lreiwil\igem r b e i t s ~

einsatz für das LafJerLa erte1tu11

1

'Ji.lhlid1s in 1sl en

FDJ Schuljahr1953/54 llil ·

Kumpel studiere impolitischen Zirkel der FDJ

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52

»Mein Sohn«, sagt

stolz eine Mutter,»kommt nachMarx. Er hat einengewaltigen Bart,studiert und hatschon eine Entdekkung gemacht.« -»Mein Sohn«, sagt

eine andere,»kommt eher nach

Lenin. Er hat schoneine Glatze, undkaum ist er ausdem Knast raus,muß er auch schonwieder rein.«

Lernen lernen nochmals lernen

Jo Schulz

O '»Sie verzeihen, meine Dame,

daß ick Ihnen nähertrat -Fritze Priemel ist mein Name,

Fritz - vom Lehrlingskombinat.

Ick bin eene dufte Biene,

aber sicher, janz jewiß -daß ick ooch schon wat verdiene

ist vielleicht keen Hindernis.

Und ick sag das nicht von wegen ...wie Sie denken keinesfalls ...

doch ... na j Zusammenlegen

kostet schließlich nicht den Hals.

Paddelboot -   mWasser zelten,

für uns zwei der rechte Wind -keine Bange vorm Erkälten ...

weil wir doch alleine sind.

Sie sind eine schnieke Puppe ...ehrenwörtlich ... alles dranMeine Kumpels? Auch ne Truppe,die sich sehen lassen kann.

Freilich gibt es solche Brummer,die noch Ausschuß produziem.Auch der Meister macht mir Kummer,

denn er sagt, ick soll studiem

Und er will mich vorbereiten,

und er wäre für mich froh -

heute wären andre Zeiten ...

Und nu frag ick Sie, wieso?«

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Lernen lernen nochmals lernen

John Stave

llator wir as i

se OH se al a I

»Tja, mein lieber Herr Treuber, natürlich kann ich Ihnen da hel

fen Man geht ja schließlich als Vater nicht blind durch das

Leben, man begutachtet, man beobachtet ja, man sammelt

seine Erfahrungen. Schaun Sie, lieber Treuber, bei meinem

Sohn ließen sich noch vor recht kurzer Zeit ähnliche Sympto

me wie bei Ihrem Knaben feststellen. Auch mein Herr Sohnfrönte des öfteren in der Woche dem westlichen Kinogang.

Durch meine kolossale Arbeitsüberlastung kam ich erst ziem

lich spät den Abwegen meines Kin-des auf die Spur. - Nehmen Sie

noch einen Kognak, Herr Treuber

Zigarre? - Ich stellte meinen Sohn

demokratisch zur Rede. Sprach

von Raubüberfällen als Folgeer-scheinung von Gangster-Filmbesu- ®

chen, sprach von Sittlichkeitsde

likten - mit dem nötigen Feinge

fühl selbstverständlich - kurzum,

ich opferte dem Buben eine ge

schlagene halbe Stunde für diese

für sein späteres Leben so eminent

wichtige Unterhaltung. Man kann

sich ja mit der Jugend nicht genugbeschäftigen

• •

t •

- .

. .. „

---.  

' 1

' \,i ,.. ..

Heute nun, lieber Treuber, kann ich Ihnen mitteilen, daß meine

Bemühungen auf fruchtbaren Boden gefallen sind. Danke

schön Der Junge besucht regelmäßig den Jugendklub in der

Westemannstraße. Und jeden Abend erstattet er mir wahrheits

gemäß Bericht, ob es ihm gefallen hat. Sehen Sie hier, Herr

Treuber, habe ich mein Notizbuch. Schauen Sie hier. Montag:

Ein Buch spricht zu uns. Ein Leseabend. Hier rechts die Beur

teilung Haralds: Sauber - Naja, die Jugend von heute spricht

ihre eigene harte Sprache. Oder Dienstag: Vor dem Jugendge

richt wurde verhandelt, ein Ausspracheabend mit einem Staats

anwalt. Haralds Urteil: Mittelprächtig bis interessant - Mittwoch: Rund un;i den Schlager, Diskussion mit Beispielen:

i .1 f I ·I \\\1 \ 11 1

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»Wahrhaftig - ganzder Papa

1 11 .

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54 rnen , lernen, nochmals lernen• •. . •• .• • 1 • 1 • aaum mt : 1 a 22 , ' ' ' . ... 2 2 3 t Flll l&TPf'l l•=•=4 = 2 f l l ~ 1 C „

>>Deine schlechte

Heftführung werde

ich im Klassenbuch

vermerken <<

Doll - Donnerstag: 2 x 5 Wochen in Moskau, ein Reisebericht:Dufte - Freitag: Der erste künstliche Planet, Lichtbildervortrag: Sehr gelungen ...«In einem anderen Notizbuch lesen wir über dieselben Tage :Montag, Rixi »Am Rande der Unterwelt«; Dienstag, WBT »Der

Weiße Teufel von Arkansas«; Mittwoch, Metropol »SchwarzeNylons, heiße Nächte«; Donnerstag, Bonbonniere »Eddie, Tod

und Teufel«; Freitag, Aladin »Duell im Morgengrauen«. Auf dem

Umschlag des Notizbuches steht der Name Haralds.»Na, mein lieber Treuber, stecken Sie sich man noch eine von

den guten Zigarren an Jetzt haben wirs zehn. Gleich muß der

.••

Junge kommen. Wissen Sie, Herr Treuber, man darfdiese Erziehungsmaßnahme - soll sie dauerhaft von

Erfolg gekrönt sein - natürlich nicht übertreiben

Deshalb habe ich Harald erlaubt, heute mal ins Kinozu gehen. Wohin er immer will. Er soll den Unter-

schied merken. - Ach, da ist er ja schon. Nun, mein

Kind, wie wars? Mäßig und langweilig? Soso Mer-

ken Sie was, Herr Treuber? Beharrlichkeit führt1\ zum Ziel «

In Haralds Notizbuch lesen wir über diesen Sonn-

abend: Versuchsweise Jugendklub »Ein Buch sprichtzu uns« ...

Der Qewi er

Der gute Onkel kam an einen Sandkasten. DreiSteppkes stritten sich. »Nun«, fragte der gute Onkel,

»warum zankt ihr euch denn so?«

»Ach, es ist bloß«, antwortete der Älteste, »weil wir gewettethaben, wer das schönste Märchen erzählt ... «»Ich«, riefen die beiden anderen wie aus einem Mund.

»Nein, ich«, gab der dritte zurück und begann, seine Gefährtenmit Sand zu bewerfen. Da griff der gute Onkel in seine Rock-

tasche, fingerte ein paar Fünfer hervor und sagte: »Da, Jungs,lauft in die HO und holt euch jeder eine Zuckerzigarre oder eineGummischlange oder sonstwas Süßes füm paar Pfennige ...«»Gewonnen, Onkel, du hast gewonnen « krähten alle drei inschönster Eintracht.

Alfred Brand

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Lernen lernen nochmals lernen 55= = = = ~ = = ~ ~ = = = = = = mB ldamann

OI IWO

... vom Seminar gelang es dem jungen Mann endlich den Platz

an ihrer Seite zu gewinnen.»Es war sehr kollegial von Ihnen daß Sie mir während meiner

Krankheit Ihre Schulungshefte gebracht haben. So konnte ichheute mühelos dem Seminar in Stilistik folgen « sagte das junge

Mädchen anerkennend zu ihm.

Der junge Mann errötete verlegen und zupfte einen Blüten-

zweig vom Strauch der doldenschwer über den Zaun hing andem die beiden entlanggingen.

»Das mit den Heften ist nicht

der Rede wert« sagte derjunge Mann zögernd »doch ich

habe Ihnen nicht nur Schu-

lungsmaterial gebracht son-

dern auch ein paar Blümchen.

Damit wollte ich Ihnen gewis-

sermaßen andeutend durchdie Blume sagen ... «

»Ha, ha«, unterbrach ihn das

junge Mädchen fröhlich »wel-che Tautologie ist Ihnen da

passiert: andeutend durch die

Blume sagen «

»Lachen Sie mich bitte nicht

aus«, entgegnete der junge Mann mit Würde, »ich glaube meine

Anteilnahme an Ihrem Befinden ging doch etwas über das all-

gemeine Interesse aller anderen Kursteilnehmer hinaus.«»Noch eine Tautologie << jubelte das Mädchen »das allgemeine

Interesse aller der klassische Fall einer Tautologie ist das «»Jedenfalls wollte ich mit den Blumen zum Ausdruck brin-gen ...« versuchte der junge Mann fortzufahren doch das Mäd-

chen unterbrach ihn wieder: »>Zum Ausdruck bringen< ist eine

analytische Wortverbindung die ihres Schablonencharakters

wegen zu den Stilverstößen zu zählen ist. Das Verb >ausdrük-

ken< drückt das gleiche besser und kürzer aus.«

Der junge Mann war ob dieser Korrekturen sichtlich zer-

knirscht. »Sie waschen mir aber stilistisch gründlich den Kopf«,

klagte er.

»Wissen Sie in seiner

stillen und gutmütigenrt kommt der junge

ganz nach mir <<

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  6 Lernen lernen nochmals lernen

»Auch diese idiomatische Redewendung ist keine periphrastische Einmalbildung, sondern, stilkritisch betrachtet, eine mit-

samt ihrer drastischen Expressivität plattkonventionelle Aus-

drucksformel«, gab das junge Mädchen sachlich zu bedenken.

Der junge Mann blieb verzweifelt stehen ... »Sie verstehen es,

ein himmelhoch jauchzendes Herz zu Tode zu betrüben «Nun wurde das junge Mädchen aber ernstlich ungehalten: »Mit

diesen beiden letzten charakteristischen Erscheinungsformentraditioneller Periphrasentypen, auch Hyperbeln genannt, krönen Sie gewissermaßen die Hypertrophie Ihrer Tropen Dazu

noch das doppelte >ZU< Es scheint mir, Sie haben während der6 Wochen meiner Krankheit in Ermangelung des Studienmate

rials überhaupt nichts gelernt ?«»Doch, ich habe « erwiderte der junge Mann düster, aber ent

schlossen. »Allerdings zu spät. Denn erst jetzt erkenne ich,daß ich mich falschen Illusionen hingegeben

r gebrauchte keinen einzigen Neologis-

mus der sich semantisch von adäquaten

Konversationsfloskeln unterschied.

habe, und das Engelsbild, das ich im strahlenden Goldrahmen Ihrer blonden Locken in

der Brust trug, enthüllt sich mir nun als Frau

Herzeleid. Vergessen Sie mich, mein Fräu-

 

lein, und leben Sie wohl «

So sprach der junge Mann und enteilte.

Das Mädchen blickte ihm kopfschüttelnd nach. Dann ging esauf das nahe Haus zu, wo an der Gartentür die Mutter seiner

voll Ungeduld wartete.»War das nicht der nette junge Mann, der täglich Blumen brachte und sich so teilnehmend bei mir nach deinem Befinden er-

kundigte? Er ging so eilends fort, was sagte er denn?« fragtedie Mutter.»Ach, er brachte eine ganze Menge allegorische Metonymienund Metaphern, bildhafte Umschreibungen, Synonyma und Ver-

gleiche durcheinander, daß mir der Kopf davon noch dröhnt.Das pleonastische Epitheton >falsch< in Verbindung mit >Illu-

sion< ist mir besonders deutlich in Erinnerung geblieben«, antwortete das junge Mädchen.»Sonst hat er dir nichts gesagt?« forschte die Mutter beim Her-

eingehen. »Ich meine, etwas Besonderes?«»Eben nicht«, entgegnete das Mädchen. »Ich sagte dir doch, er

gebrauchte keinen einzigen Neologismus, der sich semantischvon adäquaten Konversationsfloskeln unterschied.«»Schade«, seufzte die Mutter, »ich hatte bestimmt geglaubt,

daß er dir etwas Persönliches sagen würde. So ein netter jun-ger Mann ... «

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58 Was des Volkes ände schaffen

Erich rehm

,

Breit und wuchtig lag die Maschinen-Traktoren-Station im Wm

tersonnenschein.Thomas, der Leiter der MTS, griff sich einen Schraubenschlüs

sel und ging pfeifend über den Hof. Die MTS war in Ordnung

und das Reparaturprogramm so gut wie beendet, was nur dank

der guten Planung und angestrengten Arbeit aller seiner Mit

arbeiter möglich gewesen war.

Vor der Reparaturwerkstatt blieb Thomas einen Augenblick

stehen und hob schnuppernd die Nase. Das riecht j fast wie

Frühling dachte er und fügte laut hinzu: »Soll er kommen, derFrühling «

Es kam aber nicht der Frühling, sondern eine Kommission

Den vorfahrenden zwei Autos entstiegen fünf Männer und eine

Frau, die Thomas freudig begrüßten.

Bevor die Einmann-Kommission abfuhr, entschul- »Wir haben gehört, daß Ihre MTS geradigte sie sich noch mal, daß sie so klein war. dezu vorbildlich arbeitet, und das inter-

essiert uns natürlich «

Thomas legte also den Schraubenschlüssel wieder weg und

zeigte stolz und geduldig die MTS.

»Wunderbar - »Ausgezeichnet « - »Großartig « - riefen die

Kommissionsmitglieder.»Können wir Ihnen irgendwie helfen?« fragten sie dann.

»Bei uns ist das nicht nötig«, antwortete Thomas, »aber wie

wäre es denn, wenn Sie die MTS Bruchwitz besuchten? Ich

weiß, daß bei denen manches nicht klappt, und es sind nur

zweiundzwanzig Kilometer bis dahin.«

»Keine Zeit mehr « riefen die Kommissionsmitglieder wie aus

einem Munde und schlüpften eilig in die Autos.

Thomas nahm verblüfft den Schraubenschlüssel wieder auf.

Gerade als er in die Werkstatt wollte, gab es neuen Besuch.Diesmal war es aber nur ein einzelner Autofahrer.

»Ich bin die Kommission von eurem Patenbetrieb « stellte er

sich vor. »Wir sind eigentlich vier Mann, aber die andern drei

sind verhindert. Da wir in unserem Verlag gehört haben, daß

ihr so vorbildlich arbeitet, wollenwir euch ganz groß in der Zei

tung herausbringen «Er blieb über Nacht und photographierte am nächsten Morgendas Tor, die Traktoren, die Katze, Thomas mit Schraubenschlüs-

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Was des Volkes ände schaffen

sel Thomas ohne Schraubenschlüssel kurz wenn er alles mit-

genommen hätte was er photographiert hatte wäre anstelle

der MTS eine Wüstenei zurückgeblieben.

Bevor die Einmann-Kommission abfuhr entschuldigte sie sichnoch einmal daß sie so klein war und fragte ob die MTS Hilfe

brauche. Thomas bot noch einmal die MTS Bruchwitz an al-lerdings wieder ohne Erfolg. »Ist ja nicht unser Pate << erklär

te der Kommissions-Robinson und brauste davon.

Bevor Thomas nach dem Schraubenschlüssel greifen konnte

erschien ein Autobus aus dem sich siebenundzwanzig Perso-

-.

nen über die MTS ergossen. Es war eine Kommission die dieVdgB auf die Reise geschickt hatte als die Kunde von der vor-

bildlichen MTS zu ihr gedrungen war.

Thomas wollte zunächst etwas unwillig werden beschloß dann

aber sich über seinen jungen Ruhm zu freuen.Nachmittags saß überall wohin man auch guckte ein Kommis-

sionsmitglied und schrieb eifrig an einem Bericht über die vor-

bildliche MTS.

Am vierten Tag, als. sich die achte Kommission verabschiedet

9

ufw it r ifolge

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60

Ein Hengst betrenthundert Stuten. . .

·

Eines Tages sielit--?= - -

er traurig aus. ;.· ·Fragt ihn eine _'; .Stute, was der . · .·

....

Grund sei. »Acli ·c1 ·; ··; · ·..

ich muß zur u · : ' ? ~ -fizierung. «

»Und was ist so .. ·.

schlimm daran?  { .fragt die t u t e ~ ·»Weil in der Zwi- .·.

schenzeit irgend .so ein Esel mit .

.

Diplom kommtw<f .· · .

as des Volkes Hände sch ffen

hatte, war Thomas doch etwas müde, und da jede Kommis

sion beim Eintreffen erklärte, sie habe des schönen Wetterswegen gerade jetzt die Gelegenheit ergriffen, begann er, den

Himmel nach Wollren abzusuchen. Auf seinem Bürotisch lagenAnmeldungen vom Rundfunk, der einen Abend in dieser vor

bildlichen MTS veranstalten wollte, von zwei Staatssekretariaten, von Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen usw. Alle woll

ten die vorbildliche MTS besuchen, um daraµs neue Kraft für

ihre Arbeit zu schöpfen.Als die neunte Kommission auftauchte, erklärte Thomas kurzentschlossen: »Liebe Kollegen, ich freue mich, daß ihr gerade

zu uns gekommen seid, obwohl wir doch noch so viele Mängelund Schwächen haben « Die Besucher sahen sich erstaunt an.»Die MTS Bruchwitz«, fuhr Thomas fort, »hätte euem Besuch

viel eher verdient rr werden übrigens oft mit ihr verwechselt,

weil wir nur zweiundzwanzig Kilometer auseinanderliegen «Wieder gab es verdutzte Gesichter. Sollte hier ein Irrtum vorliegen?

»Also, dann will ich euch mal aufzählen, woran es bei uns nochhapert « fuhr Thomas ungerührt fort. »Zeit habt ihr euch doch

genug mitgebracht, nicht wahr?«

Der Leiter der Kommission räusperte sich. »Ich fürchte, Kolle

ge, wir sind ...«, sagte er, »wir wollten eigentlich nur fragen,

wie weit es noch bis Bruchwitz ist. Zweiundzwanzig Kilometer

also Ja, da müssen wir schnellstens weiter, vielleicht klapptes ein andermal besser «

»Wird schon einmal klappen « antwortete Thomas und sah ver

gnügt zu, wie die Kommission die Autos bestieg und nachBruchwitz weiterfuhr.

Bei den folgenden Kommissionen war es einfacher. Denen

brauchte er nur zu erzählen, daß die Vorgänger nach Bruchwitzweitergefahren waren - schwupp - sausten sie hinterher.Am nächsten Abend rief der Leiter der MTS Bruchwitz an und

zählte erfreut auf, was er alles an Hilfe bekommen würde.»Wenn das so weitergeht«, meinte er, »wird auch bei uns die

Frühjahrsbestellung planmäßig geschafft werden «

»Das müßt ihr auch schaffen « antwortete Thomas ernst, »du

weißt ja, was die BevöTh:erung von uns erwartet.«

Dann nahm er fröhlich seinen Schraubenschlüssel und ging indie Reparaturwerkstatt. Auf dem Hof sah er sich noch einmalden Himmel an. Hoffentlich hält sich das gute Wetter ein paar

Tage dachte er

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Wll WIR HEUTE ARBEITEN SOWERDEN WIR MOlGEN LlBEN'

· ·w PRODUZIEREN

fmMonat der Deutscll-Sowjetischen Freundschoh 1954In der

• STALINALLEEECKE FRUCHTSTRASSE

Der Ersteln unserer Deutschen Demokratischen Republik

noch den Plänen unserer sowjetisch en Freundegebaute

„ escherVOii yp STägtich zu besichtigen b 1 Novembervon 10 bis 20 Uhr

Ein alter Thüringer Bauer will sich zur Ruhe setzen und gibt seinen Hof

an die neugegründete LPG. Zum Inventar gehören ein Huhn, ein Hundund ein Ochse. Eine Weile geht alles gut, aber eines Tages kommt das

Huhn zu seinem alten Besitzer zurück. »Warum kommst du zurück?«

fragt der Bauer. »Ach«, sagt das Huhn , »bei dir wars zum Aushalten. Ich

legte jeden Tag ein Ei. In der LPG soll ich zwei pro Tag legen .« Nach

einer Weile kommt auch der Hund zurück. »Ach « klagt er sein Leid, »das

ist doch kein Leben in der LPG. Ich soll alles bewachen. Bei dir wurde

nur in der Nacht geklaut, dort klauen sie Tag und Nacht.« Nun vergehtein ganzes Jahr aber der Ochse lässt sich nicht blicken. Aber eines Ta-·

ges, als der Bauer vor der Tür steht, rast er vorbei. »He , warte «ruft der

Bauer. »Erzähl mir doch , wie es dir geht «-   Keine Zeit«, ruft der Ochse,ieh bin LPG -Vorsitzender geworden.«

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6 Was des Volkes Hände schaffen- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - ~ l l l l l l l l m l : : : : i i m : : : : - : : . : S ~ l ; e : l l l l l r ~ & R R F J U l l • * ' 9 1 W ß

Hansjoachim Riegenring

»Holz ist knapp«, sagte mein Freund Eduard und setzte die

Säge an.»Was wird denn das?« fragte ich neugierig.»Ein Kaninchenstall. Einer ist mir mißlungen, weil ich falsch

gemessen habe, beim zweiten habe ich die Türen vergessen,und bei dem hier fehlen noch ein paar Bretter.«

Das Dach des halbfertigen Stalles stand nach beiden Seiten un-

gefähr einen halben Meter über. Eduard prüfte die Zähne derSäge, biß seine Zähne zusammen und machte die Sache glatt.

Ich holte ganz tief Luft, mit Sägespänen vermischt. »Mensch«,

nieste ich, »wenn du immer so arbeitest, muß j Holz knapp

Wir erfüllen unseren Plan bis zum letzten Ast-

loch Die Holzindustrie ist immer auf dem Kien.

werden. Gut vorbereiten, das Materialstets restlos ausnützen - das sind die

Grundlagen der modernen Holzverar-beitung Denn du kannst doch nicht an

einem Kaninchenstall Holz für drei verschwenden «

Damit er mal sehen konnte, wie man mit Holz umgeht, besuchten wir den VEB »Holzwurm«.

»Tut mir leid«, sagte der Meister, »Bretter kann ich Ihnen lei-

der nicht geben.« Eduard sah traurig auf die vielen Bretter im

Hof. Holz aus aller Hölzer Ländern, ringsumher hochgestapelt.»Dieses Holz«, erklärte der Meister, »ist unsere eiserne Reser

ve. Und natürlich restlos eingeplant.«»Sie arbeiten doch sicher nach den strengsten ökonomischen

Grundsätzen?« fragte ich.Wie da der Meister überlegen lächelte »Das ist doch selbstver

ständlich. Wir erfüllen unseren Plan bis zum letzten Astloch «

»Nach dem Leitsatz: Die Holzindustrie ist immer auf dem Kien «

schmunzelte Eduard und hob zwei glattpolierte kaukasische

Nußbaumbretter auf, die von einem hochhaushohen Haufenheruntergerutscht waren.»Abfall«, warf der Meister die wunderschönen Bretter verächtlich in die Hofecke.

»Wir haben j so enorm viel Verschnitt.«»Rum?« horchte Eduard auf. Der Meister zeigte auf zwei Arbei-

ter, die gerade Bretter mit der Kreissäge der Quere nach zer-schnitten. »Wir bekommen Bretter von fünf Meter Länge gelie-

fert, brauchen aber für unsere Produktion welche von zwei

sechzig. Bleibt jedesmal ein Rest von zwei vierzig.«

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Was des Volkes Hände schaffen 63PIFFIF J &« * 4'1 9 B lll Jll 1 I UN Wi IC 5 a• •« MllC ...... . .• „.z 5 WWCS ll] 5&1 I 1 l tff • .• ll II

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7 J   22

Eduard faßte sich an die Stirn, wo sie am heißesten war.»Aber die schönen Bretter, die kann man doch nicht astlos bei

seite werfen. Das sind doch die Bretter, die das Geld bedeuten «

Er rechnete aus, was man aus dem »Abfall« für herrliche Dinge

bauen könnte: 200 große oder 387 kleine Tische oder 187

Schuhschränke oder 456 Rodelschlitten oder 345678 Frühstücksbrettchen oder 2495724 Streichhölzer, oder ...

»Und wann sollen wir unseren Plan erfüllen?« zersägte der Mei

ster seine Berechnungen.»Das ist j schrecklich«, seufzte Eduard. »Der eine braucht einBrett und der andere hat s vorm Kopf.« Er ließ noch eine langeRede über fehlendeBretter vom Stapel.»Wir waren auf dem

falschen Holzplatz«,versuchte ich, ihn zu

beruhigen. » rr müs-•

sen uns nur einengutorganisierten In

dustrie betrieb ansehen.« Wir gingen ineine Möbelfabrik. Ti

sche standen da und

Schränke und Bet-

_

ten, und das möbel- ·· ·te uns richtig wieder · ·

~

1

• J

- „

/\

auf. Die Tischer, Schränker und Bettenmacher (hoffentlieh sinddas die richtigen Berufsbezeichnungen) sahen uns neugierigentgegen.»Gut Holz«, grüßte ich, »wir möchten uns gern einmal fort

schrittliche Produktionsmethoden ansehen.« Eduard lehntesich gegen einen Küchenschrank, der daraufhin erschrocken

zusammenbrach.»Macht gar nichts«, lachte der Transportabteilungsleiter. »Er

wäre unterwegs sowieso entzweigegangen.« Er zeigte auf einen

großen Haufen Brennholz im Hof.

»Alles Ausschuß. Manches geht hier kaputt, und manches geht

beim Verladen kaputt, und vieles geht auf der Bahn kaputt.«Er wollte sich kaputtlachen.Wir guckten uns die Abteilungen an, in denen Radiogehäusegebaut wurden und Standuhren und Fernsehtruhen. Tempo hat

ten sie ja.W e n ~

ein Stück nicht paßte, verloren sie keine Zeitdamit, es an einer anderen Stelle zu verwenden oder es neu ab-

/

,

I

>>Alles eingespart mein

Lieber das werden die

Griffe fü.r meinen Kar-

nickelstall.

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64 Was des Volkes Hände sch ffen

zumessen. Sie warfen es beiseite und ruck-zuck hatten sie einneues Brett angesägt. Über den Hof führte ein schöner Knüp-peldamm aus Weißbuchenbalken damit man nicht in die Pfützen trat in denen das Sperrholz lag.»Der Abfall ist j so schrecklich groß in der Holzverarbeitung«

sagte der Werkmeister. »Man müßte eben mehr Ersatzstoffeverwenden.«»Meine Meinung« stimmte ich zu. »Vor allem müßte man dievielen Holzköpfe durch richtige ersetzen.«»Die schönen Bäume<< seufzte Eduard. »Erst schlägt man sie.Dann macht man sie zu Treibholz Schnittholz Rundholz undwenn es an Hirnholz fehlt auch noch zu Kleinholz.«Dann war er still und dachte an seinen Kaninchenstall. Ichmerkte es daran wie er schnuppernd die Nase bewegte.

Auf der Straße stießenwir

gegen ein Baugerüst. Es erzitterte

Der Polier sah versöhnt den drei laufen-

den Metern Dachlatten nach die ein

Maurer für seinen Hühnerstall wegtrug.

bis ins dritte und vierte Glied denn es warmorsch und seit drei Jahren war kein Bau-leiter über die Bauleiter geklettert.»Diese Rüstung« machte ich höflich den ne-benan arbeitenlassenden Polier aufmerksam

»ist eigentlich schon eine historische Rüstung. Hätte man sienicht schon woanders verwenden können? Ein ganzer Waldsteckt in ihr und stellenweise fault sie schon.«»Verfault und zugenäht« erwiderte der Polier freundlich. »Istdas mein Wald? Oder Ihrer?«»Nein« sagte Eduard bescheiden »er ist nur volkseigen.«»Na also« brummte der Polier versöhnt und sah drei laufendenMetern Dachlatten nach die ein Maurer für seinen Hühner-stall wegtrug. »Das machen sie alle« winkte er ab.»Da kommt doch mit der Zeit eine ganz schöne Latte zusam-men« wollte ich sagen doch er überwachte das Abladen vonMauersteinen von denen die meisten auf einen Stapel neuerFensterrahmen fielen.Wir stolperten über Gerüststangen Balken Bohlen DielenFurnierhölzer die in großzügiger Streuung zwischen Kalkhau-fen und Disteln ihrem Ende entgegenfaulten. Eduard sagtenichts mehr.Gestern traf ich Eduard im Wald. Er suchte neun große starke Bäume aus. »Ich will mir ein Tischkegelspiel bauen lassen«grinste er »und das hier« - er zeigte auf eine riesige Eiche miteiner gewaltigen Krone - »wird der König.«

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  asdes olkes Hände schaffen

Ulrich Speitel

''Josef Schiliol ist von Beruf Erfasser, also besitzt er die Meinung

»Alle Bauern sind schlecht « und außerdem ein nicht mehr ganzneues Fahrrad.Damit fährt er allmorgendlich seiner Arbeit nach, um landwirt

schaftliche Produkte zu erfassen: Getreide, Fleisch, Erbsen

und dergleichen und ferner, um darüber zu wachen, daß die

Bauern ihr Soll erfüllen, und zwar schon vorgestern.

Josef nähert sich also im 18er Schnitt dem Hof des NeubauernBaberschke, stapft in die Küche und brummt: »Hör mal, Franz,terrningemäß fehlt dei

nem Quartalssoli nochfast ein halbes Kilo

Schweinefleisch Was

denkst du dir so?«

»Prost, Josef « sagt

Franz, nachdem er denletzten Bissen seiner

Frühstücksstullen verdrückt und zwei große

Kognaks eingeschenkt

hat. Dieser Umstand

bewirkt, daß sich Josef

•„

r  

in zwei Hälften sozusagen spaltet, das heißt: Dem ErfasserJosef läuft das Wasser im Munde zusammen. Sein Bewußtseinjedoch fährt energisch dazwischen: »Nichts da von BestechungSchweinefleisch will ich und keinen Kater «

»Na schön«, macht Franz und trinkt die Kognaks alleine. »Dann

wirst du eben beides nicht kriegen Mein Soll an Rindfleisch

habe ich schon bis zum Jahresende erfüllt. Das gleicht sichdann aus.«

Nun dreht sich in Josefs Innerem etwas herum: Sein Bewußt

sein sieht das ein, aber der Erfasser Josef denkt: Nichts da von

Ausgleich und dergleichen, sonst ist meine Prämie futsch und

spricht: »Termin ist Termin Von dir lassen wir uns die Versor

gung nicht gefährden, Freundchen Ein halbes Kilo - in Bulet

ten umgerechnet sind das ... na, jedenfalls 'ne ganze Menge «

Dann trumpft Josef mit der demokratischen Gesetzlichkeit auf,

und siehe da, nach einer Stunde hat Josef ein Schweinchen er-•

65

·>>Das ist unsere ilch-

straße <<

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  as des olkes Hände schaffen

faßt, reichlich einen Zentner schwer, also in der Blüte seinerWochen und gar nicht fett.Der Bauer ist böse, denn dieses Schwein, noch eine Weile ge

füttert, hätte sein Jahressoll erfüllt. So braucht er noch eins.Der Erfasser Josef grinst und hat sein Bewußtsein inzwischen

beruhigt: Es fehlt ein Pfund am Quartals soll, basta Nichts davon falschem Mitgefühl Die Bauern sind sowieso alle schlechtNachdem Josef in zwei ähnlichen Fällen ebenso demokratischeGesetzlichkeit demonstriert hatte, war sein Bewußtsein bei

nahe mausetot, der Erfasser Josef aber in seinem Element: Dawaren doch noch welche, die hatten Anfang September ihr Ge

treidesoll noch nicht erfüllt Josef hatte ausdrücklich angekündigt: Am 31. August hat jeder sein Getreide abgeliefert, sonstfahre ich mit euch SchlittenAber diese Herren ... Na, Moment mal Kannst du, Brüderchen,dein Soll erfüllen? Du kannst? Aha Du kannst, aber du tust'snicht Du bist also sozusagen beinahe ein Saboteur Siehst duwohl, jetzt wackeln dir die Hosen Was sagst du da, laut Ab

lieferungsbescheid hast du noch eine Weile Zeit, und du hastnoch in deinem Mist zu wühlen? Da siehst du, was du für einDreckspatz bist, wühlst im Mist, aber Getreide abliefern - keineZeit. Ich sage dir, du wirst Zeit haben, deine Schande öffentlich zu lesen Ans Schwarze Brett kommst du Schlechte Ab

lieferer: Emil Stollnow und KonsortenDerart hatte Josef bis gegen Abend einige Tonnen Getreide er

faßt, als sich plötzlich das beinahe mausetote Bewußtsein nocheinmal seufzend meldete: »Wrr haben uns nicht um August Bol

leg gekümmert. Der Kerl hat dies Jahr noch keine Ähre odergar einen Schweineschwanz geliefert. Ich glaube, wir müssenuns mehr um die Auguste kümmern.«»Ach«, winkte der Erfasser Josef ab, »laß mir den August inRuh Das ist ein armer Hund. Der erfüllt nicht mal sein Soll.Und er verkauft mir billige Eier. Eine kleine Freude muß jeder

Mensch schon haben. Soll ich mich auch noch mit meiner Fraurumärgem, bloß weil ich keine Eier mehr kriege, wenn ichmich mit August befasse? Ich kämpfe lieber mit Tod und Teu-

fel als mit Johanna «Damit war Josefs Bewußtsein, das Bewußtsein eines Staatsfunktionärs, endgültig futsch. Der Erfasser Josef blieb übrigund erhielt eine Prämie. Nur: Wie merken die Bauern, mit wemsie es manchmal zu tun haben? Man wird sie alle auf einen psy

chologischen Lehrgang schicken müssen. Aber das wird aller

hand kosten, was?

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  asdes Volkes Hände schaffen

Erich rehm

Arnold hat fleißig gespart. Nun, da der Sommer gekommen ist,

will er sich einmal etwas Gutes leisten, etwas für seinen Bauch.Arnold will sich eine Hose leisten, eine genau passende som

merlich-leichte Bauchhose aus bestem Stoff - so eine, wie siejedem dicken Mann von Zeit zu Zeit im Traum erscheint.Arnold geht also ins HO-Bekleidungshaus am Alexanderplatzin Berlin. »Wo befindet sich die Maßabteilung?« erkundigt ersich.Ein Fahrstuhl liftet ihn sofort in die Höhe

des dritten Stockwerkes. »Ja, wir sind auf

der Höhe « sagt der Fahrstuhlführer stolz.Auf einem langen Verkaufstisch liegen die

Stoffballen. Arnold probiert vorsichtig

zwischen Daumen und Zeigefinger undschnalzt dann verzückt mit der Zunge.»Das ist ein Stöffchen, was?« sagt er zu

einem Nachbarn, einem jungen Mann, derihm zuschaut. »Leicht wie Tüll und weichwie Butter «

7

Nachdem Arnold einen Stoff ausgewählt ·_hat, wendet er sich an die freundliche Ver-   ___ _ 

käuferin. »Ich möchte bitte eine Sommerhose nach Maß«, sagt

er und erzählt, wie lange er gespart hat und wie sehr er sichauf die Hose freut.»Bitte sehr«, sagt die Dame hinter dem Tisch, »Sie sind jawohl

darüber orientiert, daß wir hier im Jahresmaßstab arbeiten?«»Jahresmaßstab?«»Jawohl«, sagt die Gute, »im Frühling müssen Sie den Ent

schluß fassen, im Sommer kaufen, im Herbst ist Anprobe, undim Winter haben Sie dann Ihre Hose «

»Oh«, sagt Arnold, »ich wollte ja eigentlich eine Sommerhose «

»Bitte sehr«, anwortet die Verkäuferin, »das hier sind ja Som

merstoffe Wir sind auf der Höhe, mein Herr «

»Aber ich wollte die Hose nicht nur im Sommer kaufen, son

dern auch im Sommer tragen « wendet Arnold ein.

»Das können Sie ja auch«, lächelt die Verkäuferin. »Im nächsten Sommer natürlich erst «

Arnold kämpft eµien schweren Kampf. »Wissen Sie«, sagt er

schließlich, »ich werde Ihre Schneiderei ein bißchen entlasten.

»Mögen Sie die Suppe

nicht mein Herr?<<

>>Doch aber ich möchte

sie in der Sonne etwas••

warmen.<<

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68

Bilanz des Jahres1953·:Alles ist schlechtergeworden, nur einsist besser geworden: Die Moral istschlechter geworden.

Was des Volkes ände schaffen

Ich nehme nur den Stoff. Meine Frau schneidert ein bißchen,und so eine Hose ist j schließlich kein Eisenhüttenkombinat.Auf die Weise habe ich dann in etwa einer Woche meine Hose «

Denkste denkt die Verkäuferin und sagt: »Wir dürfen den Stoffnur verkaufen, wenn Sie die Hose bei uns anfertigen lassen «

»Ist das Ihr letztes Wort?« fragt Arnold.»Es ist eine Anordnung von oben « sagt die Verkäuferin.»Da will wohl jemand unbedingt verhindern, daß ich meineHose noch diesen Sommer tragen kann « entrüstet sich Arnold.

»Es ist eine Anordnung von oben « sagt die Verkäuferin.Arnold sieht keine andere Möglichkeit, in den Besitz der er

träumten Hose zu kommen, als auf das seltsame Geschäftsge-baren einzugehen. Er kauft, zahlt und läßt sich Maß nehmen.»Und nun«, sagt der Herr Maßschneider, als er Arnold ausge-messen hat, »bitte zur Ärztlichen Abteilung. Wir sind nämlichauf der Höhe, mein Herr «

Arnold, der sich vor soviel Höhe ganz klein vorkommt, wird ineinen weißgekachelten Raum geleitet, wo ihn ein Arzt emp

fängt. Arnold wird gründlich untersucht, gewogen usw.

»Verdauung in Ordnung?« fragt der Doktor. »Treiben Sie Sport?Welchen? Baden Sie öfters? Warum? Waren Ihre Eltern dickoder dünn? Wieviel Eier essen Sie pro Tag? Trinken Sie Bier?Welches? Wann werden Sie abends müde?«

Arnold erlaubt sich die Frage, wozu die Feststellungen dienen.

»Wir arbeiten auf streng wissenschaftlicher Grundlage « er-klärt der Arzt. »Anhand von Tabellen wird aufgrund Ihrer An

gaben und jetzigen Masse errechnet, welchen Umfang Sie im

nächsten Jahr haben. Die HO will doch, daß Sie eine passendeSommerhose bekommen «

»Donnerwetter « staunt Arnold. »Das nenn ich Kundendienst «»Ja, wir sind auf der Höhe«, sagt der HO-Doktor, »Sie dürfen sichwieder ankleiden.«Als Arnold den Raum verläßt, wartet der junge Mann darauf,

hineingerufen zu werden. Er erzählt Arnold, daß er sich einengroßartigen Anzug »bauen« lassen will und daß er in sechs Wo

chen heiratet. Arnold legt sofort mit seinen Kenntnissen los.»Junger Mann«, sagt er, »den Anzug kriegen Sie erst, wenn Ihrerstes Baby angekommen ist Schon eine Hose dauert fast einJahr Und nun erst ein Anzug Gehen Sie nach Hause, jungerMann Ich kenne die Praxis der HO «

»Ich auch«, sagt der junge Mann und fügt dann erklärend hinzu:»Man muß natürlich auf der Höhe sein. Den Anzug will ich j

für meine Silberne Hochzeit haben «

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7 eißer Sommer

rich anko

Festlich gestimmt betraten wir nach Verbüßung unserer dies-

jährigen Urlaubsreise wieder unsere Wohnung. Fröhlich zogenwir die Sommerferienwasserstiefel aus, entfachten ein lustiges

Herdfeuer und hingen unsere feuchten Pelzsachen zum Trock-

nen auf. Dann stürzte meine Frau zum Büfett, um festzustel-

len, ob noch Rum in der Flasche war, während ich in die Küche

eilte, um nach Wasser für Grog zu sehen.

Wrr hatten bei der Abreise vergessen, die Wasserleitung abzu-

stellen und ablaufen zu lassen. Die dauernde Angst, daß sie

vielleicht einfrieren könnte, hatte uns viel von unserer Urlaubs-

freude genommen. Aber nein, sie lief Sie war nicht eingefro-

ren Im Gegenteil, sie schien gebrochen zu sein. Starker Wel-

lenschlag im Keller brachte uns auf diese Vermutung.Sie erwies sich als unbegründet. Zugegeben; der Keller war

Bei der Heimkehr vom Skatabend war

ihm ein Briefkasten in den Weg gelaufen

voll Wasser, auf dem einige Pantoffeln, ein

Besen und sieben tote Mäuse schwammen.

Aber es war kein Leitungswasser, sondern

einfaches Regenwasser, wie wir durch Ge-

schmacksproben feststellten. Wrr schlossen aus dieser Tatsa-

che, daß auch hier während der letzten zwei Wochen keine

Dürre geherrscht hatte, und dieser Gedanke ließ uns die Ur-laubsreise in einem milderen Licht erscheinen. Vielleicht wären

wir hier dem Tode des Ertrinkens noch näher gewesen als im

Harz. Beim Ausschöpfen des Kellers wurden wir so warm, wie

wir es seit Wochen nicht gewesen waren. Urlaubsreisen haben

doch ihre guten Seiten.

Inzwischen war auch das Grogwasser heiß geworden. Wrr setz-

ten uns in unsere Sessel und stellten mit frohem Erstaunen

fest, wie angenehm sie waren. Der Stuhl, auf dem ich die bei-

den Wochen im Harz verbracht hatte, war so scharfkantig ge-wesen, daß sich in meinen unteren Oberschenkeln zwei Rillen

gebildet hatten, die sich wahrscheinlich erst im Laufe einiger

Wochen zurückbilden werden. Meine Frau litt nicht unter die-

ser Erscheinung. Sie kann langes Sitzen nicht vertragen undhatte meist am Fenster gestanden, um den Regen zu beobach-

ten. Dadurch hatte sie Senkfüße bekommen, die wir aber durcheifrige Zimmerfußgymnastik bis Silvester wieder loszuwerden

hoffen. Falls sich das Wetter bis dahin ändern sollte, wollenwir

es auch im Freien versuchen. Etwas mehr Bewegung müssen

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  eißerSommer

wir uns in den nächsten Wochen sowieso machen. Das Abrei

ßen von Kalenderblättern, auf daswir uns im Urlaub beschränkt

hatten, ist auf die Dauer zu einseitig und führt zur Verkümme

rung wichtiger Muskeln, wie uns unser Arzt versicherte.

Dieser Gedanke scheuchte uns wieder aus unseren Sesseln

hoch. Meine Frau stieg auf den Trockenboden, um warmes Unterzeug aus der Truhe zu holen und nach dem Christbaum

schmuck zu sehen. Da fiel mir etwas ein. »Luise«, rief ich er

schrocken. »Wir haben nichts zum Abendessen «

»Macht nichts«, rief sie fröhlich runter.

»Hier oben wachsen ganz wunderbare

Pilze.«

In diesem Augenblick klingelte es.

Frau Krüger, unsere Nachbarin, hatte

aus den Geräuschen in unserer Wohnung geschlossen, daß wir wieder zu

rück waren, was auch stimmte. Sie

brachte unseren Papagei, den wir bei

ihr in Pflege gegeben hatten. Ich er

kannte ihn zuerst nicht. Frau Krüger,

die Gute, hatte ihm meine Leibbinde

umgebunden, die ich sonst beim Ski

fahren trage, und einen Eierwärmer

auf den Kopf gesetzt. Sonst sah unserLiebling ziemlich kahl aus, da er sich

anscheinend ebenfalls in der Jahres

zeit geirrt hatte und mitten in der Mau

ser war. Aber wie r sich freute

»Habt ihr auch so gefroren?« waren

seine ersten Worte.

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71

- „

IIL•

»Lorchen«, rief meine Frau mit Tränen in den Augen. »Liebes >>Willi ist mit dem elt

kleines Lorchen « unterwegs <

»Willst du nun endlich still sein, verdammtes Vieh « sagte Lor-

chen wunderbar klar und deutlich. Das hatte er bei unserer Ab-

reise noch nicht gekonnt. rr merkten überhaupt erst nach

und nach, was er in den vierzehn Tagen sonst noch alles ge-

lernt hatte. Ich schätze, daß Lorchen höchstens drei Wochen

benötigen wird, um unsere Wohnung besucherfrei zu machen.

Nun erkundigten wir uns noch bei den übrigen Nachbarn, wie

sie die Zeit unserer Abwesenheit verbracht hatten, ob inzwi-

schen Kinder geboren worden waren und ähnliches mehr. Es

war nicht der Fall„ da jeder mit dem Wetter genug zu tun ge-

habt hatte.

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72w't:r  -; . ,..,.

Heißer Sommerl C · · · · · ]f  rP · -. „-·- -   · •-

Schließlich zogenwir uns in unser Heim zurück, genossen den

häuslichen Frieden und studierten die eingegangene Post.

Onkel Gustav litt wieder stark an Nasenbluten und lag im Bett,wie uns Tante Uschi mitteilte. Am letzten Dienstag war ihm bei

der Heimkehr vom Skatabend ein Briefkasten in den Weg ge-

laufen und hatte seine neue Brille zerschlagen, die er erst zweiTage vorher von der Sozialversicherung bekommen hatte und

die regulär 18 70 DM kostet, weil sich Tante Elisabeth bei der

Geburtstagsfeier von Onkel Wtlli in der vergangenen Woche

auf die alte gesetzt hatte, von der nachher nichts mehr zu retten gewesen war weil Tante Elisabeth wieder zugenommen

hat und jetzt 205 Pfund wiegt. Was würde die SVK dazu sagen?

Zu der Brille, meinte Tante Uschi. Ihr selbst machten ihre

Krampfadern wieder viel zu schaffen. Bei dem Gewitter am

letzten Sonntag wäre ein Blitz beinahe in das Hühnerhaus ge-gangen. Seitdem legen die Hennen nicht mehr. Und der Kater

ist auch gestorben, und Meiers Mäxchen hat jetzt angefangen,

zur Schule zu gehen.

»Wollen wir nicht ein Fenster aufmachen?« sagte meine Frau»Es riecht hier so komisch.« Ich hatte es auch schon bemerkt.Dann lasen wir weiter. Ein Lotterieeinnehmer wunderte sich,

daß wir bisher immer noch nichts gewonnen hatten. Er mach-

te uns keine direkten Vorwürfe aber er meinte, es wäre nun

höchste Zeit die Sache systematisch zu betreiben und nicht

immer bloß ein Achtellos zu spielen, sondern vielleicht mal

drei Fünftel. Neulich hatte ein älterer H.err, der seit neun Jah-ren regelmäßig bei ihm spielte, plötzlich damit aufgehört. Bei

der nächsten Ziehung gewann das Los. Er wolle den Fall nicht

verallgemeinern, aber immerhin er sollte uns zu denken geben.

Es roch immer noch komisch. Wir beschlossen, der Sache auf

den Grund zu gehen, und schnüffelten uns bis zur Tür der Vor-

ratskammer. Wir machten sie auf aber auch gleich wieder zu.

Mit zwei Wäscheklammern gelang es uns, unsere Nasen eini-

germaßen abzudichten. Dann trugen wir die drei Weckgläser

hinaus, in denen meine Frau kurz vor unserer Reise die Gebei-

ne einer Ente beigesetzt hatte, aber anscheinend nicht richtig,

denn jetzt waren die Gläser offen. Wrr rissen alle Fenster auf

und machten neuen Grog. Unsere Fröhlichkeit wuchs.

Als ich mich dann später rasierte - der Anblick der Entenbeine

hatte mich daran erinnert-, schlug mir meine Frau mit der fla-

chen Hand ins Kreuz und sagte übermütig: »Mensch Erich jetztmachen wir es uns aber bis zum nächsten Urlaub gemütlich.«

Dann holte sie Watte zum Blutstillen.

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'

LERNT L ND UND lEUTEDER UNS BifREUNDETEI VÖLK R

KINNEN

Stasi-Beamter auf der Straße: »Wie

beurteilen Sie die politische Lage?«

Passant: »Ich denke ... «

Stasi-Beamter: »Das genügt Sie sind

verhaftet «

.Mensd), jetzt weeß ick.

worum ick den Knoten indet Seil gemacht hobe. lckwollte een neuet Seilkoofen.

, T. ·pj rl ' 1 t

Darum wählen wir am 11. Oktober1954

die Kandidaten der Nationalen front- -I · 1 ( c :LZ iCC • t :() t ] IM t Wf i$ - .. :

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.Fünfter Schub Esser 'n bißchen Beeilung,der vierte Schub ist schon lange fertig "

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74 eißer SommerSi4113111i U L•• WWW: S ISS: i • i 1 33 22 i

Fritz Bernhard

Natürlich nennt sie sich nicht selber so. Im Programm ist sie

meist harmlos als »Peter-Aumoll-Melodiker« oder als »RichardZickendraht mit seinen Solisten« angekündigt. Nachdem man

dann gebührend die seidenen Paradehandtücher bewunderthat, die von den Notenpulten herabhängen, und auf nichtsBöses weiter gefaßt ist, geht es los. Kinder, Kinder, Kinder

Ich erlebte die Eigenbau- oder Selbstversorgerkapelle in einerkleinen, mitteldeutschen Stadt, wo sie - auf einer Tournee be

griffen und 17 Mann stark - ein Konzert mit »neuer deutscher

Tanz- und Unterhaltungsmusik« gab. Es muß aber nicht diese

mitteldeutsche Stadt sein. Im Rundfunk können Sie, lieberLeser, die Selbstversorger ebenso gut, das heißt ebensoschlecht erleben.

Die Anfangsnummer, ein spanischer Paso Dohle, war wie üb

lich - ein flotter Eigenbau des Kapellmeisters. »Und nun folgt«,

Der neueste Foxtrott: Wunderbar, -bar, -bar

Ist ein Schlager von Lehar, -har, -har

meinte der Ansager, »ein besonderer Kunstgenuß Sie hören einen langsamen Walzer,

betitelt >An der schönen grünen Oder<. Kom

ponist ist unser Gitarrist, Herr Emil Zim

perling, der auch das Arrangement besorgt _hat. Viel Spaß «

Nun, es ging noch an. Die schöne grüne Oder hatte zwar einbißchen was von der schönen blauen Donau, und ein paar Wel

len aus der Moldau waren ebenfalls vertreten, während dasGanze sanft in eine Mondnacht auf der Alster getaucht schien.

Aber immerhin, der Walzer von Herm Gitarrist Zimperling ging

noch an, denn er hatte wenigstens keinen Text.

»Als nächstes bringen wir nun einen Foxtrott unseres begabten Schlagbassisten, Herrn Ferdinand Rumpler, der auch denText geschrieben hat: >Noch einmal möchte ich am Bugspriet

stehn, auf einer Jacht so weiß wie Schnee.< Viel Spaß «Diesmal ließ mich der Text gar nicht auf die Melodie achten,denn dem Kollegen Rumpler war bei der Dichtung anscheinend

die poetische Ader versiegt. Bei der Stelle »Das Schiff fährt Tag

und Nacht« hatte er nicht mehr weitergekonnt, obwohl sichdoch die Reime geradezu anboten, zum Beispiel so: »Das Schifffährt Tag und Nacht/ Bis daß die Luke kracht« oder »Das Schifffährt Tag und Nacht/ Bis Neptun Pleite macht« oder »Das Schiff

fährt Tag und Nacht/ Es rollt die Heringsfracht<< . Aber wiege

sagt, Herm Rumpler war nichts mehr eingefallen, und viermal-

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  eißer Sommer

ließ er das Schiff bei Tag und Nacht hintereinander fahren,

viermal. Ich habe genau mitgezählt. Ein einigermaßen tüchti

ges Schiff hätte es in dieser Zeit gut bis in das Land gebracht,

wo der Pfeffer wächst.

Es folgte ein Tango des Harmonikasolisten, und wie nicht anders

zu erwarten, war jetzt das italienische Milieu an der Reihe:» kleine braune Signorina, Spiel mir was auf der Okarina, Und

reizt mich zärtlich dein Busoni, Eß ich mit dir d nn Makkaroni «

Die Musik war eine erfolgreiche Kreuzung

zwischen »Isola bella«, »Santa Lucia« und

»Ü sole mio«. Langsam wurde mir übel.

Aber jetzt wurde es erst richtig schlimm.

»Jubel, Trubel, Heiterkeit « verkündete der

Ansager, »wir bringen Ihnen, meine Damen

und Herren, unsere neuesten Aufbauschlager Und da die Stalinallee schon durch

einen Schunkelwalzer verarztet ist, hören

Sie jetzt den ersten Originalschlager über

die Leninallee. >Mit meinem Preßluftham

mer und Juchhee, Bau ich ein Hochhaus in

der Leninallee < Text und Musik von unse

rem begabten Joseph Maria Pickel, den Sie

hier am Schlagzeug sehen Viel Spaß «

Nur noch ächzend, unter Aufbietung allerKräfte, überlebte ich die Polka von der Le-

ninallee. Die Musik war diesmal unver

dünnte, hochprozentige Feld, Wald und

Wiese, mit einem Schuß »Amboßpolka«. Als

es überstanden war, winkte ich einen jun

 

gen Mann heran, der eben durch den Saal schritt und, nach der

Haartracht zu urteilen, zur Kapelle gehören mußte. »Können

Sie die da oben nicht mal fragen«, flüsterte ich ihm zu, »ob sie

nicht noch was Besseres haben, vielleicht mal was von Lincke,Künnecke oder Lehar oder so?« Diensteifrig nickend ver

schwand der Jüngling im Bühneneingang. Inzwischen hatten

die Solisten auf der Bühne bereits einen Schlager des zweiten

Trompeters begonnen, einen Rumba, der den Aufbau rings um

den Bersarinplatz besang.

»Komm mit, komm mit zum Bersarinplatz, Da riecht es noch

nach Kalk, mein Schatz Der Kalk, der ist mein ganzes Glück,

Er bringt die Jugend mir zurück «

Die Musik schien &tark exotisch gemeint zu sein, die Trompe-te quiekte wie ein schlecht gestochenes Wasserschwein.

7

>>Was macht eigentlich

Ihr Bräutigam, Fräulein

Lilly? -   Derst ht

unten und hält meine

Eiswaffel <<

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7

»Können Sie mirsagen wie ich zum

Heimatmuseumkomme? «»Keine Ahnung, ichbin von hier «

eißer Sommer

Doch nun trat der Sprecher wieder vor die Kapelle sieghaft lä

chelnd die personifizierte Überlegenheit. Ich begann zu hoffen.»Und nun meine Damen und Herren«, sagte er, »auf allgemeinen Wunsch eines einzelnen Herm im Publikum eine Einlagevon Lehar Sie hören unseren neuesten Foxtrott in einer Urauf

führung: >Wunderbar, -bar, -bar, Ist ein Schlager von Lehar, -har,-har, Wenn bis früh um vier, vier, vier, Ich so sitz beim Bier, Bier,

Bier < Der Text ist vom Onkel unseres Pianisten Herm Klemp

nermeister August Runzelwitz die Musik vom Autobusfahrerder Deutschen Konzert- und Gastspieldirektion den Sie an derKasse sehen können Herrn Schorsch Peesemann. Viel Spaß «Schon setzten die Trompeten ein, diesmal mit einer Mischungaus »In Rixdorf ist Musike« und dem »Land des Lächelns« - daergriff ich die Flucht. Und ich habe geschworen mir nie wie

der neuzeitliche Tanz- und Unterhaltungsmusik anzuhörenfalls der Kapellmeister nicht vorher öffentlieh erklärt undschriftlich versichert daß in seiner Kapelle kein Eigenbau be

trieben wird.

Die Beete sind geharkte Symmetriemit einem Duft von herber Poesie

gemischt aus Taubenmist und Lindenblüten ...Den linealgezognen Pfad behütendie sieben Zwergelein aus Ton gebrannt.Dem kleinsten fehlt der Kopf und eine Hand.

Der home-is-castle-Laube vis-a-vissteht eine Sonnenblumenkompaniein dienstvorschriftgemäßem Stillgestanden.

Zwei ausgediente Bockbierfestgirlandenumkränzen in sensibel-blassem Bunt

das Warnungsschildchen: »Achtung- scharfer Hund «Der Sommer ist Familieneigentumder Kürbis reift zu seines Züchters Ruhm,

die Kinder dürfen nur des Sonntags spielenin diesem einen Garten von sehr vielen.Der fast zwei Meter hohe Bretterzaunhat keinen Zwischenraum hindurchzuschaun.

udi Strahl

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Heißer Sommer

Lothar Kusche

»Heute ist dein letzter Urlaubstag«, sagte meine Frau, »da wol

len wir mal ganz was Tolles unternehmen«, und so machten wireinen Ausflug ins Automaten-Restorang am Alex. Wir gingen

schon früh am Morgen los, damit wir in Ruhe alles ansehen

konnten, und das war auch ganz gut. Zuerst mußten wir uns

vor der Wechselkasse ein bißchen anstellen. Dort wird das

Geld der Deutschen Notenbank gegen das Geld der Deutschen

Automatenbank eingewechselt. Denn die Automaten nehmen

kein gewöhnliches Geld, sondern nur ganz feine Münzen, die

extra für sie gemacht worden sind.

In der Schlange war es recht gemütlich. Erfahrene Besucher hatten sich

Klappstühlchen und Butterbrote mit- "

77

gebracht. Meine Frau schnitt sich„ _ ...

den Stoff zu, den sie vorher im Wa- · ' '

renhaus gekauft hatte, und ich las

einen Roman, den mir der Mann vor

uns geliehen hatte. (Er war etwas

früher als wir gekommen und hatte

das Buch schon zweimal durchgelesen.) Gegen Mittag erreichten wir

die Wechselkasse und erwarben vier

• •

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' , , _ ~ · - ' . „   • " .,l·-.:;;..... _f „,,,,,, · - ' ) ·utomaten-Münzen »Nummer drei«• '•.:: : ; , ; . ~ . ~ "· •. tJ lc i•.• ~ „ . ; / ~ ~ „ r y . ·

und zwei »Nummer vier«; vielleicht · ,..., ~ - · · - - .  ' . t · ~ „ . > ' ~ - ' - · ,

'

waren es aber auch drei »Nummer fünf« und eine »Nummer Da staunen Sie, wat?

vier« und zwei »Nummer drei« oder vier »Nummer eins«; ich Das ist nämlich mein

weiß es nicht mehr genau, weil es sehr kompliziert ist mit die- Verbesserungsvorschlag

sen Münzen. Dann suchten wir die Automaten. Sie befinden für überfüllte Garten-lokale «

sich auf der gegenüberliegenden Seite des Lokals; vor ihnenstehen die Tische und an diesen die Esser. Wrr krochen auf dem

kürzesten Wege unter den Tischen durch und wurden etwas ge-

treten, aber das macht nichts: Wrr sind ja erwachsen und wis-

sen, daß das Leben hart ist. Dann warfen wir Münzen in einen

Automaten. Ein Brötchen-Fahrstuhl sank herab, bis sein unter-

stes Abteil frei lag. Ein Griff, und schon hatten wir das Bröt-

chen, es war um drei Uhr nachmittags. Wirft man die falsche

Münze ein, so bewegt sich der Schrippen-Paternoster nicht,

und die Münze kommt wieder heraus, oder sie kommt auch•

nicht wieder heraus, oder sie paßt erst gar nicht in den Schlitz;

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  8 Heißer Sommer

ich weiß es nicht mehr genau weil es sehr kompliziert ist mit

diesen Münzen. Meine Frau wollte gern Schinkenbrötchen aber

der Schinkenbrötchen-Automat war leer weil die Kollegen

Heinzelmännchen welche hinter den Automaten Wache halten

noch keine neuen Schinkenbrötchen nachgefüllt hatten. Aber

das machte j nichts ein Automat ist schließlich bloß ein Automat und so tauschten wir die Schinkenbrötchen-Münze flugs

gegen eine Bier-Münze um. Das ging zack-zack. Gegen acht Uhr

abends erreichten wir den Bier-Automaten. Vor diesen haben

die Götter einen Gläserspüler gesetzt der kein Automat son

dern ein Mann ist und heftig mit Wasser spritzt. Nachdem wir

uns abgetrocknet hatten erlaubte mir der Gläserspüler die

Münze einzuwerfen. Ich hielt das Glas unter den Hahn warfanmutig-kraftvoll den Bier-Hebel herum und schäumend ergoß

Wer schnell essen will geht in ein gewöhnliches

Lokal wo es nur zwei bis drei Stunden dauert.

sich das Bier über meine Hose, weil ich

das Glas unter den Limonaden-Hahngehalten hatte. »Wer Bier verschüttet

hat Glück im Spiel«, suchte mich meine

Frau zu trösten und ich sagte: »Laß nur, wenn ich nächstes

Jahr wieder Urlaub habe gehen wir wieder her und dann hal

ten wir das Glas unter den richtigen Hahn.« Wir kämpften uns

zum Ausgang durch und kamen dort in eben dem Augenblick

an in dem das Automaten-Restorang geschlossen wurde. Denn

nachts ist es natürlich nicht geöffnet; sonst könnte j einfach

jemand hineingehen und nachts essen ( ). Das kommt nicht inFrage denn die Automaten müssen nachts ihre Ruhe haben;

wer Hunger hat soll gefälligst daheim speisen oder Stullen mit

nehmen. »Sieh mal«, sagte meine Frau »das Automaten-Resto

rang hat unter anderem den Zweck, das Hartgeld das uns fehlt

nicht unter die Leute zu bringen. In anderen Lokalen hat man

nur Personal aber hier hat man Personal und Automaten und

das ist gerade das Feine.« Ich nickte obgleich mich ihre Argu

mente seltsam verwirrten. »Sieh mal«, fuhr sie fort »ein Auto

maten-Lokal zu bauen zu einer Zeit, in der genügend Münzenim Umlauf sind ist eine Kleinigkeit. Aber ein Huhn auszubrü

ten wenn kein Ei da ist das ist die Kunst Außerdem braucht

man sich j nichts aus dem Automaten zu ziehen sondern kannnach hinten durchgehen und am Verkaufsstand eine Bockwurst

holen für richtiges Geld. Wer schnell essen will geht sowieso

in ein gewöhnliches Lokal, wo es nur zwei bis drei Stunden dau

ert. Und die Automaten die sind doch mehr für die Kinder.«

»Ja«, sagte ich »in jedem echten Berliner ist ein Kind versteckt

und das will ein Automaten-Restorang haben - zum Spielen.«

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  eißer Sommer

Erich anko

Das Meer: Als wir an die Ostsee kamen schäumte sie und war

sehr böse nicht so sehr über unsern Anblick sondern haupt-sächlich wegen eines Tiefs das sich über Südskandinavien ge

lagert hatte und uns bereits seit Stunden Regen und Wind be

scherte wie uns der Lautsprecher am Strande nachträglich

mitteilte. Wrr hatten es aber schon bemerkt. Die See war wegen

dieses Tiefs vollkommen menschenleer. Es war nur Wasserdrin das sich unruhig hin und her bewegte. Die Badegäste

standen am Ufer und sahen vorwurfsvoll hinein da sie ja ei

gentlich hergekommen waren i m zu baden. Wenn sie das Meer

lange genug betrachtet hatten sahen sie sichnach anderen Flüssigkeiten um. Wir taten das

schließlich auch.

• •

Das Baden: Der Vorgang des Badens ist ziem

lich einfach wie wir am nächsten Tage feststell-

ten als das Tief aufgestanden war und langsam

nach Osten wanderte die Ostsee also keinen

Grund mehr hatte sich noch weiter aufzuregen.

Man entledigt sich der Kleidung die man sonst

beim Mittagessen oder im Kino trägt und ziehteinen Badeanzug an den man vorher in der HO

kauft. Hierbei ist es wichtig daß man als Größe

42 zur Welt gekommen ist höchstens aber 44.

Wer so unvorsichtig war sich einen 46er oder

48er Körper zuzulegen muß mit dem Baden so

lange warten bis diese Größen wieder mal ein-

os• s r t t A ~ l l181 f 1111 2< 11 /ll

VllMIASSIN .

getroffen sind. Das dauert manchmal einige Wochen und wenn

man dann endlich einen passenden Badeanzug hat ist viel

leicht schon wieder ein neues Tief im Anzug. Manche 48erhaben in ihrer Verzweiflung versucht sich mit einer Kombina

tion von zwei 42er Hosen zu behelfen. Aber das glückt nicht•

unmer.

Nehmen wir an wir gehören zu den glücklichen 42ern und ste-

hen badebereit am Badestrande. Jetzt springen wir erst mal hei

ter im Sande herum juchzen dabei laut werfen uns Bälle an

den Kopf und sind so vergnügt wie es die Badeordnung erlaubt.

Das dauert ungefähr 10 Minuten manchmal auch länger. Dann

gehenwir

mit frohem Gelächter ins Wasser wobeiwir

uns ge- 

79

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802;•••2 ;:; 2 \J

eißer Sommera J Q J d A 3 S 1 . . . _ t L lt 1 ; , - 1C WI

genseitig bespritzen und uns ausgelassen auf die Schenkel

schlagen. Bespritzen ist wichtig. Dadurch sind schon viele Ehen••

zustande gekommen, oder doch wenigstens etwas Ahnliches.

Aber auch Verheiratete dürfen sich bespritzen, wenn auch ge-

mäßigter und nicht ganz so leidenschaftlich. Nun fangen die

Schwimmer an zu schwimmen.Die Nichtschwimmer machen ihre Badetiere flott, die in weni-

gen, aber ziemlich häßlichen Exemplaren an der Ostseeküste

vorkommen und den Glauben an die Darwinsche Theorie von

der »Entstehung der rten« erschüttern. In allen Bädern stößtman auf denselben Gummifrosch mit dem leidenden Gesichts

ausdruck, das Krokodil mit dem verlegenen Lächeln auf der

Oberlippe und jene Kreuzung zwischen Wärmflasche und k-

tentasche, die zoologisch erst noch eingeordnet werden muß.

Wenn man mit dem Baden fertig ist, steigt man aus dem Was-

ser, damit die nächsten rein können, geht stolz zu seinem

Der Gesamt-Kaffee-Eindruck war jedenfalls

trübe eben weil der Kaffee so klar war.

Strandkorb, läßt sich von der Nachbar

schaft zu dem Erfolg gratulieren und sieht

nach, ob es schon Zeit zum Mittagessen ist.

Wenn nicht, läßt man sich ein Weilchen von

der Sonne bescheinen und sieht dann wieder nach. Mal muß

es ja soweit sein. Weiter soll hier eine Lanze gebrochen wer-

den für die Heimleiter, Objektleiter und Kurverwaltungen, diesich wirklich Mühe geben, die immer haftbar gemacht werden,

wenn etwas schiefgeht, die aber kaum genannt werden, wennetwas gut geht. Leicht ist ihr Los wirklich nicht. Obwohl sie

meist verheiratet sind, schweben sie dauernd in Gefahr »zusätz-

liche Kinder« zu kriegen. Das hat mit Seitensprüngen nichts zu

tun, sondern ist eine Berufskrankheit, über die uns Kollege

Schirm in Bansin - einen schönen Gruß übrigens - aufgeklärt

hat. »Zusätzliche Kinder« werden von ihren Eltern außerplan

mäßig mitgebracht, ohne Urlaubsscheck, in der Annahme, daß

sie, wenn alle Stränge reißen sollten, doch mindestens im Bü-

cherschrank des Heimleiters oder im Nähkörbchen seiner Gat-

tin untergebracht werden können. Wenn man abends beim Zu-

bettgehen nie genau weiß, wie stark am nächsten Tage die Fa-

milie seinwird also, ich weiß nicht, meine Nerven würden das

nicht aushalten Ich würde mich wahrscheinlich dem Trunk er-

geben.

Das bringt mich auf die Getränkefrage, die wir natürlich eben-

falls ernsthaft geprüft haben. Und jetzt müssen wir wieder ein

bißchen meckern.

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Heißer ommer

a gibt es zunächst eine dunkle Feuchtigkeit, die in Tassen ser

viert wird, mit Milch und Zucker. Wir probierten sie in ver-

schiedenen Bädern, und merkwürdig, überall behaupteten die

Kellner, es wäre Kaffee.

Unter ihnen scheint eine geheime Verabredung zu bestehen,

harmlosen Fremdlingen diesen Irrglauben beizubringen.Als wir einigen die Pistolen auf die Brust setzten und die Wahr-

heit zu wissen begehrten, verschanzten sie sich hinter »schlechtgelagerten Kaffeesäcken«, aus denen sich beim besten Willen

kein besseres Aroma herausholen ließe. Wir waren allerdings

. . . • •

HIN LJs

..... 5GIW/MMEN

.• VERBOTEN f• • • „

• • •

• •• •

• ••

• •

der Meinung daß man die Kaffeezubereitung nicht in die Händevon Leuten legen sollte, die entweder leidenschaftliche Was-

sersportler sind oder kein Wässerchen trüben können, und sei

es auch nur mit gemahlenem Bohnenkaffee.Aber halt Von einer rühmlichen Ausnahme können wir berich

ten. Der HO-Gaststätte »Erzhammer« in Zinnowitz gelang es,

unseren Pulsschlag durch Koffein zu beschleunigen. Wahr-scheinlich wird es auch noch andere aufrechte Gaststätten

geben die nicht nur für Kaffee kassieren, sondern auch Kaffee

verkaufen. Wrr konnten natürlich nicht alle Lokale zwischenRostock und Usedom aufsuchen. Der Gesamt-Kaffee-Eindruck

war jedenfalls trübe, eben weil der Kaffee so klar war.

Alkoholfreie Getränke sind selten. Selters ist stellenweise so

knapp, daß die HO-Gaststätte »Seeblick« n Graal-Müritz auf die

geniale Idee gekommen ist, eine Flasche Selters nur noch in

Verbindung mit i n ~ Glas Weinbrand zu verkaufen, möglichst

81

>Findest du nichtauch daß es in unserem

Maschinensaal ganz

schön ruhig war

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82

....... .- .

•„,. u

- . „.... .„ ...

Haben Sie denn keine

jüngeren Rettungs-schwimmer?<<

eißer Sommer

doppelstöckig. Noch besser wäre allerdings eine Flasche Wein

brand mit einem Gläschen Selters. - Wustrow erhielt bisher für

1500 Urlauber 100 Flaschen Apfelsaft. Man stelle sich das Ge

dränge vor, wenn je 15 Urlauber an einer Flasche saugenSonstige Sehenswürdigkeiten: Graal-Müritz: Ein höhlenartiges

Bauwerk auf der Strandpromenade, auf dessen Fertigstellungalle Fledermäuse der Umgebung sehnsüchtig warten, um end

lich ein passendes Unterkommen zu finden. Der Bürgermeisterist der Meinung, daß es ein Musikpavillon werden soll.

Wustrow: Die von der DSU Stralsund eingestellte Dampferver

bindung nach Ribnitz-Damgarten. Dadurch werden unliebsa

me Besucher erfolgreich daran gehindert, den Badeort durch

ihre Anwesenheit zu beunruhigen.

Zinnowitz: Ein Ort, in dem sich nichts Wesentli

ches zu beanstanden fand.

Koserow: Das stillgelegte Motorboot für Rügen

fahrten. Soll anscheinend für den Winterbetrieb

geschont werden.

Bansin: Das fehlende Kino und die von der HO

versprochene Milchbar

Heringsdorf: Das ungewöhnlich hübsche Fräu-,

lein Lucie Müller aus Templin, Strandkorb Nr.

67, Urlauber-Scheck Nr; 15486. Sie ist aber be

reits verlobt..

} • Ahlbeck: Die Sonnenfinsternis vom 30. Juni .= ~ · J ·" :-·ra.t :_ Sie wurde von der Kurverwaltung zur Unterhal-

-,- •; . ,

. ...

..... -.• - eo.1

tung der Badegäste veranstaltet, vollkommen

gratis. Wir verfolgten sie von einem Gartenlokal

aus und aßen dazu Gurkensalat. Gegen 13.50Uhr wurde es ganz finster, und wir guckten alle

angestrengt in den Mond, der die Sonne verdunkelte, auch die

Ober. Als es wieder hell wurde, stellte sich heraus, daß nicht

nur die Sonne verschwunden war, sondern auch ein Gast, der

in der Aufregung vergessen hatte, drei Portionen Rührei zu bezahlen. Daraufhin entschloß sich die Kurverwaltung nachRücksprache mit einem zufällig anwesenden Astronomen, vor

läufig von weiteren Sonnenfinsternissen abzusehen und die

nächste erst wieder im Jahre 2135 abzuhalten. Da wir nicht so

lange warten wollten, setzten wir uns in unser Auto und fuh

ren nach Berlin zurück.

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84 Höher schneller weiter

Hansjoachim Riegenring

Wir saßen so fröhlich beisammen und tranken.

Gewiß, man kann Grippebazillen auch mit Tee bekämpfen. Aberstellt euch doch einmal ein Dutzend Männer vor, erwachsene,

kräftige Männer, die richtige Männergespräche führen, sich la

chend auf die Schenkel schlagen und dazu Fliedertee trinken

Das ist einfach ein Stilbruch. Wrr tranken einen schönen Grog,und glaubt mir, Freunde, das ist eine gute Sache Schädlich

daran ist nur das viele Wasser, was die meisten Leute hinein

schütten. Ich war der Außenseiter in diesem Kreise, die ande

ren - Innenseiter, gibt's so was? - na, also alles Sportler; j

doch, ich weiß, Sportler trinken keinen Alkohol, es war j auch

Wir suchten einfach die Stelle an der

er unter dem Eis herumschwamm .

nur wegen der Bazillen. Seit Jahren warte ich

auf die Gelegenheit, ein Erlebnis zu erzählen,

das etwas unwahrscheinlich klingt, eine einma-

lige, bisher noch von keinem Menschen vernom

mene Angelegenheit. (Oder kennt ihr die Geschichte schon?)

Hier war der richtige Ort dafür, die richtige Zeit.»Im vorigen Wmter«, begann ich, »ging ich eines Nachmittags ...«

»Darf ich mal unterbrechen?« unterbrach mich Fred. >>Aber wenn

ich Wmter höre, fällt mir eine Sache ein, hahaha, also die mußich unbedingt ...«Weil er unbedingt mußte, verzieh ich ihm. Er

hustete kurz und fragte, was wir vom Eisbaden hielten.

»Sehr erfrischend«, sagte ich, »besonders im Sommer.«

Sie fanden den Witz nicht gut, es wäre ein lauer Witz, ein Ka

lauer. Fred räusperte sich wieder präludierend. »Ein Freund

von mir ist ein leidenschaftlicher Bader.«

»Friseur«, übersetzte ich in die moderne Umgangssprache.

»Eisbader«, erklärte mir Fred freundlich-ärgerlich. »Wir haben

manches Loch ins Eis gehackt, unerschrocken tauchten wir indas eisige Wasser, mutig ... «

» .. und kaltblütig«, ergänzte ich.

»Ihr wißt, ich schrecke vor nichts zurück«, sagte Fred beschei

den, »aber an dem Tag ... an dem Tag ...« er seufzte und trank,

»an diesem Tag war es so kalt - 38 Grad Hättet ihr da ...?«

Wir tranken erschrocken und sagten, wir hätten auch nicht.

Fred schien etwas getröstet. »Aber mein Freund wollte unbe

dingt ins Eis. Bei achtunddreißig Grad «

»ImS c h ~ t t e n

« fragte ich. »Bei dieser Kälte war das Eis ein heißes Eisen «

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Höher schneller weiter

»Wrr brauchten 2 Stunden und 24 Minuten, um das Loch insEis zu hacken, 4 Mann arbeiteten daran. Mein Freund stieg hin

unter, wir liefen umher, gingen nach 10 Minuten zu dem Loch

zurück, und stellt euch vor« (Spannung ) »es war weg.«

Ich tat einen schnellen Zug aus meinem Glas, einen Eilzug.

»Weg?«»Ja. Zugefroren. Nichts mehr zu sehen, nur die glatte Eisfläche.«

Wrr schauten schweigend in unsere Gläser. Traurig. Sie warenleer.) »Und wie«, fragte einer vorsichtig, »habt ihr - ich meine,

hat man später ... im Sommer ...?«»Wir fanden ihn zehn Minuten später<<, sagte Fred ruhig. »Le-

bend. Wrr suchten einfach die Stelle, an der er gerade unterdem Eis herumschwamm.«»Aha«, nickten

wir zweifelnd.»Mit einem Gei-

gerzähler«, er-

gänzte Fred.So, Geigerzäh

ler. Na, dann

war alles klar.»Wieso?«

»Mein Freund«, erklärte Fred geduldig, »hatte vorher eine Ta-

blette gegessen, die Isotope enthielt, und ihr wißt ja, die Strahlungen ...«

Natürlich, damit war die Sache geklärt. Da mußten sie ihn ja

finden. Wir tranken, und ich begann: »An jenem Nachmittagalso, im Winter ... «Karl stieß mich freundlich an. »Du sagst Nachmittag. Wenn ich

Nachmittag höre, muß ich immer an einen Nachmittag denken- darf ich das rasch mal erzählen?«

Bevor ich sagen konnte, daß er eigentlich nicht durfte, fing er

schon an: »Wenn ich sagte, an einem Nachmittag im Winter, sostimmt das nicht ganz. Es war eigentlich ein Vormittag im Som-

mer, und wir trainierten auf unserem Tennisplatz, und der

Oskar - ihr kennt doch Oskar?«Wir nickten alle, wie man es bei einer solchen Frage immer

macht, auch wenn man von dem Betreffenden nie gehört hat.

»Der Oskar ... « Karl überlegte, »sagt mal, wißt ihr eigentlich,wo der Habicht herstammt, der in unserem Klubhaus hängt?«Wrr tranken und sagten, wir hätten nicht die kleinste Ahnung.

»Dachte ich mir«, sagte Karl zufrieden. »Der kommt daher, weilOskar an dem Tage, an dem Vormittag ... «

8

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8 Höher schneller weiter

»Im Sommer« vervollständigte ich.

» ••• weil Oskar da einen Rückhandschlag schmetterte ihr wißtich erwische jeden Ball lasse mir keinen Ball entgehen ...«»Einschließlich Maskenball« murmelte ich.

»... doch den Ball nein der kam wie ein Überschallturbopro-

raketendüsenj äger angeschossen prallte auf die Grundliniesauste senkrecht hoch und ...« Kunstpause. Wir hingen an sei-nen Lippen an seinem »und« ...

».. herunter kam der Habicht« berichtete Karl ruhig. »Tot.«

»Sehr gut« grinste ich »da mache ich eine Geschichte draus.«Hätte nie geglaubt daß sich Sportler so aufregen können. Ob

ich auch nur im geringsten daran zweifelte daß alles stimmewas hier erzählt werde bis aufs Komma ...?

Sie waren zehn ich war einer. Ich glaubte.

»An jenem Nachmittag« erzählte ich um sie zu beruhigen »imWinter ging ich ...«Bei dem »ging ich« erinnerte sich Emil aneine ganz tolle Geschichte die er unbedingt loswerden mußte.

Das war bei einem Langstreckenlauf über ich weißch breitete die Arme aus und nicht mehr wieviel Kilometer ich glaube zweimal

stieg immer höher wie ein Vogel. um den Äquator und da fiel es Emil plötzlich auf

daß seine Schuhe so drückten er spürte jeden Steindurch die Schuhsohlen hindurch aber er hatte natürlich keineZeit die Schuhe auszuziehen. Die Verfolger waren ihm auf der

Achillesferse und erst am Ziel ...»Stellt euch vor stellt euch das vor da hatte ich mir doch die

Schuhsohlen total durchgelaufen und hatte den ganzen Weg

barfuß zurückgelegt.«Ich schluckte das runter und spülte mit Grog nach.»Es war wie gesagt im Winter« startete ich »an einem Nach-

mittag der Schnee lag ...«»Schnee« war das Stichwort für Peter den Skiläufer. Der warbeim Skispringen in einen Aufwind geraten ...

».. ich breitete die Arme aus und stieg immer höher wie einVogel und bestimmt wäre ich abgestürzt zerschmettert ...«Wir tranken erschrocken. ».. wenn mich nicht ein des Weges

kommendes Flugzeug aufgenommen hätte.«Ich hörte mir noch sieben gleichwertige Sporterlebnisse an.Dann kam ich endlich an die Reihe. »An jenem Nachmittagalso im Winter wollte ich mal an die Luft gehen. Vor meinerTür lag eine Schneewehe von zwei Metern Höhe ...«Diese Blicke. Verachtung. Kopfschütteln. Enttäuschung.

»Daß diese Laien« sagte einer »doch immer so maßlos über-treiben müssen.«

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Kann ich Ihnen hiermit aushelfen, junger Mann?Damit habe ich 1892 zwei Rennen gewonnen ''

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. d Schachspielern. Man,,Es ist schrecklich mit ~ e s e n h chlafen ''

weiß nie, ob sie noch spielen oder sc on s

Beim Sportunterricht liegen alle auf demRücken und fahren Rad. »Fritzchen Warummachst du nicht mit? Du liegst ja ganz ruhigda «schimpft der Lehrer.

»Sehen Sie nicht, ich bin Täve Schur und will

den anderen ne Chance zum Aufholen geben «

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RVDE PRAl O·NEUES DEUTSCHI ND·Trybuna tudu

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Ein Mann kommtin die HO-Gaststät

te, hängt seinen

Mantel an die Gar

derobe und befestigt einen Zettel .daran: »Fritz Schul- ·

ze Ringer.«

Als er nach einerStunde das Lokal

verlassen will ist

der Mantel ver

schwunden. Am

Haken hängt ein

Zettel: »Egon M.Marathonläufer.«

Höher schneller weiter--------===

Erwin F 8 Albrecht

O rottor

Daß ich ein geschworener Nichtskiläufer bin hat physikalische

Gründe. Bei einem kleinen Menschen von sagen wir 1,50 mGesamtlänge, befindet sich das Gesäß etwa 70 cm über der Erd

oberfläche, bei einem Kleinkind ist die Entfernung noch viel

geringer, bei einem großen Menschen dagegen um so größer. Je

größer aber die Entfernung vom Erdboden um so heftiger ist -

nach dem bekannten, untrennbar mit dem Na.men Newton ver

bundenen Fallgesetz - derAufprall des fallenden Körpers. Darumstehen Kleinkinder wenn sie auf dem Po gefallen sind, sofort la

chend wieder auf. Ich dagegen bin 1,90 m groß.

Natürlich war eine Frau schuld daran, daß ich der passionier

te Rodel- und Schlittencrack, mir an der Skiausleihbude ein

Paar von den gefährlichen, glitschigen Ständern griff und un

terschnallte, die von den Zünftigen Bretter genannt und noch

extra mit Wachs beschmiert werden. Sie hieß Vera und wohn

te im gleichen Ferienheim .

Auf meine vorsichtige Einladung zum Rodeln hatte sie mich

herzhaft ausgelacht, lud mich aber ihrerseits zu einer Skitour

nach der Hubertushütte ein. »Sie können doch Ski laufen, wie?«

fügte sie mit einem taxierenden Blick hinzu.

»Na klar«, sagte ich leichthin und war eisern entschlossen, die

Bretter am nächsten Morgen zu meistem. Teufel auch, was

konnte schon dabei sein, wo hierzulande schon die SäuglingeSki zu laufen schienen Der Wille versetzt Berge

»Du wirst es schon schaffen, Fritze« bestärkten mich die Kol

legen, »ist alles halb so wild. Bloß beim Fahren das Gewicht

immer schön nach vom reinlegen und beim Bremsen etwas kan

ten.« Mag sein, daß es auch umgekehrt oder anders war mit dem

Kanten und dem Reinlegen, ich weiß es nicht mehr so genau.

Die ganze Nacht brütete ich über Slalom, Christiania, Bindungen Schußfahrt, Sprunglauf und was die Hölle sonst noch für

Bretterfachausdrücke erfunden hat, ging in die Hocke fuchtel

te mit nicht vorhandenen Stöcken in der Luft herum, kantete

beim Bremsen und legte sogar noch im Schlaf mein Gewicht

schön nach vom hinein.

Am andern Morgen begann ich schon sehr zeitig mit dem Trai

ning, denn bevor sie kam, hatte ich etwa eine halbe Stunde Zeit.

Teufel ja, es war nicht leicht. Meine Skier schienen überhaupt

kein Ende zu nehmen und zeigten dauernd das Bestreben, sich

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Höher schneller weiter 89- - = = = = = = = z = = = = = = = = = = = = = = = = = = : : . = : = = = = = = = = = ~ = = ~ : = = - J

mit der Spitze ineinander zu verheddern. Hatte man sie abervom glücklich auseinander, ging es ebenfalls nicht voran, weil

man sich jetzt hinten mit dem einen Brett aufs andere trat.Aber allmählich lernte ich doch - der Wtlle versetzt Berge -

mich mit Hilfe der beiden Stöcke langsam voranzuschieben,

und schließlich fühlte ich mich einigermaßen Herr meiner Bretter, ein vielleicht noch nicht tumierreifer, aber doch schon ganz

beachtlicher Skisportler.

Da kam er mit langen, kundigen Schritten von unserm Ferien

heim her angeschwebt, mein Skihase, Unsinn, mein Skiengel,Quatsch, meine Skigöttin. Natürlich auf eige- ~ _ _ - . . . . - - - - - - - - - - - - - - - : - - - - - - inen Brettern. Sie begrüßte mich mit einem eigentümlichen Lächeln und fuhr los.Ich hinterher. Es ging gar nicht einmal

schlecht. Meine Schritte wurden länger, ichdrehte auf, legte Zahn um Zahn zu. Bis jene

verdammte Erhöhung am Wegrand kam, ein

tückisch unter Neuschnee verborgener Maulwurfshügel oder Ameisenhaufen oder auch

nur Kuhklacks, der die erste peinliche Unterbrechung des Ausflugs verursachte. MeineBeine eilten mir plötzlich voraus, meine Armesegelten, die Stöcke mitreißend, hilflos durch

die Luft, und krach, lag ich auf dem - alsokurz und gut, lag ich. Weiteres siehe unter

Newton.Bevor ich mich noch in dem Gewirr von Stök

ken, Skiern, Beinen und Armen zurechtgefun

den hatte, war - wie sehr peinlich - Vera bei

mir, half mir aus dem Schnee, meinte lachend:

»Ich denke, Sie können laufen?«»Ich bin nur etwas aus der Übung«, sagte ich

so forsch wie möglich und spuckte Schnee,»seitdem ich damals in Oberhof die Meister

schaft in der großen Abfahrt mit 24 Toren und 70 Telemarks

hingelegt habe, oder war es die Christiania-Schanze, na egal ... ,

da sind immerhin zwei Jahre vergangen. Und dann ist dieser

Schnee hier anscheinend nicht g'führig genug.«»Wollen wir erst mal auf den Idiotenhang?« fragte sie teilnahms-

voll, ja fast besorgt.»Kommt nicht in Frage«, entgegnete ich beglückt und verletzt

zugleich, letzteres wegen des Idiotenhanges. »Nur weiter, Kol-•

legin, ich komme schon wieder rein.«

I - •

>>Augenblick, Meister,

m t diesen W'eiten

hatten wir nichtgerechnet «

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9

»Mit welchen

Sportarten beschäftigst du dichdenn?« fragt Paulseinen Kollegen.

»Ach, mit Fußball,Volleyball, Boxen,Schwimmen, Hoch-

sprung ...«

Paul staunt: »Alle

Wetter, strengt dasnicht sehr an?«

»Ach nee, ich kriege immer nen Sitz-platz.«

Höher s hneller  weiter

Es ging jetzt auf einen Feldweg mit ziemlichem Gefälle berg

ab. Vera fuhr voraus, ich hinterdrein. Sofern ich fuhr. Denn

weiß der Teufel, was meine Bretter gegen mich hatten Viel-

leicht war ich ihnen zu schwer. Oder der Alte in der Bude hatte

ihnen zuviel Wachs zu fressen gegeben. Oder sie hatten sich

gezankt. Jedenfalls überfuhren sie sich nach fünfzig Meterngegenseitig, bockten, bäumten sich und steckten schließlich

gegen meinen ausdrücklichen, Berge versetzenden Willen mit

dem hinteren Ende im Graben, während ihre Spitze blöd in den

Himmel zeigte. Ich lag dazwischen. Aber diesmal gelang es

mir, mich herauszuarbeiten, ohne daß Vera etwas merkte.

Da sich die Differenzen meiner Bretter jedoch alle fünfzig Meter

wiederholten, ka.m ich mit ihnen naturgemäß nur sehr langsam

voran. Hinzu kamen noch die Aufenthalte, die ich der Schön-

heit der Natur zollte, was freilich auf einer Notlüge beruhte.Wiederholt nämlich machte Vera kehrt, um zu sehen, wo ich

denn bliebe. Dann erstarrte ich, um mich vor ihr nicht aufs

neue zu blamieren, jedesmal zu der Haltung eines hingerisse

nen Naturschwärmers, legte die Hand über die Augen, schau

te ins Weite und rief, während mir die Knie bebten: »SchauenSie doch nur, Kollegin Vera, schauen Sie Dort jener Baum Ist

er nicht herrlich? Und dort der Telegraphenmast Und überall

Schnee darauf 0 Mutter Natur «

Nach einer Weile - Vera war mit einem kleinen Kilometer Vor-sprung um ein Waldstück verschwunden - tauchte hinter mir

ein junger Mann auf. Er lief sehr schnell. Da ich nicht wünsch

te, mich vor ihm zu blamieren, erstarrte ich wieder zu meiner

Naturschwärmerpose. Da hielt er schon bei mir. »Verzeihung«,

sagte er artig und deutete auf Veras Spur, »läuft hier vor Ihnen

vielleicht eine hübsche junge Dame mit einem roten Pullover?«»Nee«, log ich kühn, um den Burschen abzuwimmeln. Das konn-

te mir gerade so passen, jetzt noch einen taufrischen perfek

ten Skiläufer als Rivalen auf den Hals zu kriegen»Und einem andern Paar sind Sie auch nicht begegnet?«» ee. «

»Schade«, sagte der Junge redselig, »ich bin nämlich ihr Freund

und eben erst hier angekommen. Sie hat mir im Heim einen Zet-

tel hinterlassen, sie wäre unterwegs nach der Hubertushütte,

zusammen mit einem selten komischen Skisäugling, der ihr

immer nachläuft.« Damit fuhr er ab. Ich aber habe bis zum heu-

tigen Tage keinen Skier mehr angerührt, es dagegen als Ro-

delbremser und pferde bespannter Schlittenfahrer zu recht be-achtlichen Erfolgen gebracht.

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Höher, schneller weiter

Achim Fröhlich

r

Als kurz vor dem Abpfiff die giftgrün verpackten Waden seiner

Jungs den gegnerischen Strafraum überrannten und durch denFuß eines Zitzenhagener Kämpen das erste und einzige Tor

dieses Spiels fiel, da verlor Lappert den letzten dürftigen Rest

seiner Beherrschung, schrie sich die Kehle wund und faßte

einen unumstößlichen Entschluß: Einst sollte Zitzenhagen und

sein Fußball die Welt aufhorchen lassen

Wie viele fanatische Fußballer litt Lappert an jener übertrie-

benen Begeisterungsfähigkeit, welche dazu verleitet, ein uner-

wartet errungenes Tor blindlings als

historisches Ereignis zu feiern. Dazukam noch, daß er frischgebackener

Leiter der BSG 'lraktor vom Dörfchen

Zitzenhagen (400 Einwohner) war,

außerdem Leiter der dortigen Sek-

tion Fußball und der weiteren Sektio-

nen Handball, Schach, Wandern und

Touristik, Leichtathletik, Tischten-

nis, Handball, Schach, Wandern und

Touristik, Leichtathletik und Tisch-tennis wurden nicht gespielt. So soll-

te es auch bleiben, schwor sich Lap-

1

{

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pert, denn es gab j doch nur einen großen, schönen, kämpfe-

rischen, herrlichen Sport. Dieser Sport hieß Fußball.

Nach dem triumphalen 1:0 Sieg über die Fußballmannschaft der

BSG 'lraktor von Knabersdorf (etwa 123 Einwohner), begab

sich Lappert mit seinen Jungs in die zentrale Dorfkneipe von

Zitzenhagen. Trunken war Lappert schon vor den 21 Stiefeln

Bier, die hier verzehrt wurden. »Ich hab's « rief er plötzlich, alsseine Begeisterung über den Rand schäumte, »wir erhöhen

ganz einfach die Zahl der Fußballmannschaften unserer BSG

von einer auf acht. Oder auf zehn, oder auf zwölf.« Vom Grund-

schulpftlichtigen bis zum Großvater soll binnen eines Monats

ganz .Zitzenhagen Fußball spielen «

Lappert begann gleich tags darauf in Zitzenhagen mit einer

Fußballwerbekampagne. Vier Wochen später wurden das Sprit-

zenhaus, sämtliche Konsumtüten, alle landwirtschaftlichen Ge-

räte der MTS, der r i e h o f sowie weitere markante Stellen desOrtes mit Plakaten und Zetteln beklebt: »Zitzenhagen steht auf

91

Er möchte so gern mal

einen all von Erichhalten ((

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92 Höher schneller weiter

der Kippe zum Weltmeister im Fußball - macht alle mit « Lap

pert sah in eine rosig überstrahlte Zukunft: »Das letzte Mal

haben wir j ausnahmsweise verloren, aber bald werden sie im

Staatlichen Komitee mit Hochachtung von uns sprechen, undvielleicht, man kann's nie wissen, kriege ich irgendeine Aus

zeichnung, Verdienter Meister des Sports oder so.«In Zitzenhagen wurde denn auch eine zweite Fußballmann

schaft gegründet, deren jüngstes Mitglied gerade vor der Schul

entlassung stand, und deren ältestes unlängst die goldene

Hochzeit gefeiert hatte. Bei der Aufstellung einer dritten Mann

schaft ergaben sich aber bereits erhebliche Schwierigkeiten.»Boxen«, erklärte der Traktorist Franke, »Boxen«, unterbrach

Lappert, »ist ohne Zweifel eine tapfere, männliche Sportart.

Aber das Fußballspiel, mein lieber Kollege, ist viel fairer. Und

humaner natürlich Willst du etwa dauernd k.o. gehen? Ich

Wir gründen in Zitzenhagen die erste

Frauenfußballelf. Das ist eine Sensation

würde dir raten, in unsere vierte Fußball

mannschaft einzutreten, dort kannst du mei

netwegen auch boxen, wenn es der Schieds-richter nicht sieht.«

Wenig später erschien im BSG-Zimmer die junge Eva Schneider.

»Leichtathletik«, erklärte sie.

»Na, na, na, nicht so stürmisch«, entgegnete Lappert, »wie du

weißt, hat Zitzenhagen die Fußballweltmeisterschaft direkt vor

sich. Wir entwickeln nämlich zur Zeit den Massensport aufdem Lande Und da habe ich eine glänzende Idee: Wrr gründen

in Zitzenhagen die 1. Frauenfußballelf. Das ist eine Sensation

Du mit deiner Figur bist die geborene Mittelstürmerin.«»Schach«, erklärte Bauer Zillich, und Lappert unterbrach:

»Schach bringt finanziell nicht viel ein «, weil er gerade beim

Skatspielen 2,70 DM verloren hatte. »Du kannst aber in unse

rer Altherrenfußballmannschaft spielen, die wir bald gründen «

Nachdem sogar die erste Mannschaft zum zehnten Male verloren hatte, schimpfte Lappert: »Die Leute haben kein Verständ

nis für die Entwicklung des Massensports «

So gingen denn eines Sonntags an die 30 Zitzenhagener Sport

verhinderte zum Nachbarort Knabersdorf, um sich bei der dor

tigen BSG zwecks Sport anzumelden. Der Vorsitzende der BSG

Traktor Knabersdorf empfing die wallfahrtenden Ankömmlin

ge mit außergewöhnlicher Freundlichkeit: »Sport wollt ihr trei

ben? Ausgezeichnet Wir entwickeln nämlich bei uns gerade

den Massensport. Knabersdorf steht auf der Kippe zur Weltmei

sterschaft im Fußball. Da können wir euch sehr gut zum Auf

bau der nächsten drei Fußballmannschaften gebrauchen «

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9 Unter vier Augen

Heinz Fischer

tit

· . .. ich saß damals seit zwei Stunden auf einem Felsen, etwa

zehn Meter über der Straße, und konnte nicht vorwärts undtraute mich nicht rückwärts. Außer mir war noch Tante Aga

thes Ziege da, die eigentlich an allem schuld war, aber siewußte sich auch keinen Rat. Gerufen hatte ich schon, daß mir

die Backen schmerzten - es kam niemand. Vier Meter überuns führte eine andere Straße vorbei, denn ich hörte manch

mal die Geräusche von Kraftfahrzeugen. Es war zum Heulen

Sie fragen, wie es dazu kam?Wissen Sie, eigentlich hatten wir nichts Besonderes im Sinn,

als wir loszogen- die Ziege und ich. »Du kannst sie weiden las

sen, am Straßenrand und wo es ihr sonst noch gefällt, undbrauchst nur aufzupassen. Das wenigstens wirst du doch kön

nen?« So sprach Tante Agathe. Mein Gott, ich hatte Urlaub da-

mals, kein Mensch weit und breit kannte

Ich dachte: Immer höflich zu den weiblichen mich, warum sollte ich nicht? Aus VorsichtWesen - auch wenn sie Ziegen sind setzte ich aber einen alten Hut von Onkel

Oskar auf und schwärzte mein Gesicht

leicht mit Ruß; denn es wäre mir peinlich gewesen, mit einer

Ziege ... also, ich bin Doktor beider Rechte und gelte daheim

als seriöser Mensch ... Sie verstehen mich doch? So schrittenwir munter unseres Weges fürbaß; ich pfiff mir eins, und der

Ziege war es recht. Sie fraß da ein Hälmchen und dort einBlümlein, und ich dachte: Das liebe Tier, es nährt sich redlich

und ist ohne Arg. Aber dann kamen wir an den Steilhang linksder Straße und an den Felsen. Auf dem wuchs ein kleiner

Strauch, und zu ihm wollte die Ziege. Sie sagte es nicht direkt,

aber ein geübter Ziegenhalter merkt so was gleich. Erst warich j dagegen, dann dachte ich: Immer höflich zu den weibli

chen Wesen - auch wenn sie Ziegen sind Ich band ihr also denStrick vom Halse, wobei wir uns wieder ins Auge schauten,

dann gab ich ihr einen leichten Schubs in Richtung des Felsens,

rief »Bergheil «und holte meine Zigaretten hervor.Sehen Sie, das war alles. Ich hätte nicht geglaubt, daß damit

das Unheil begann.

Denn als sie den Strauch kahlgefressen hatte, sollte sie wie

der herunterkommen - sie kam aber nicht. Sie hatte ganz einfach Angst. Da dachte ich mir: Hier muß der Mensch eingrei-

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Unter vier Augen 9- - -   - - - - - - - -

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fen mit seiner überlegenen Intelligenz und seiner Barmherzigkeit - der gute Hirte sozusagen - und muß die Kreatur retten.Also kletterte ich hinauf.Hinter mir brachen beiläufig gute siebzig Zentimeter des schma-len Felsenweges ab und rutschten in die Tiefe ... ich finde, die

Qualität der Gebirge hat sich im Gegensatz zu früher sehr ver-schlechtert. Bis zur Straße hinab waren es fast zehn Meter ...

ich weiß nicht, wie es kam, aber nach rückwärts zu gehen,hatte ich keinen rechten Mut. Nach oben zu führte überhauptkein Weg, das wußte auch die Ziege schon. Allmählich wurdees langweilig; ich nahm auch an, in derNacht würde es regnen.Da faltete ich die Hände, schloß die

Augen und richtete einige Worte an Pan,

den Gott der Ziegen. Das half sofort,denn mit bedächtigem Wanderschrittkam unten ein Mann des Wegs daher,vermutlich ein Feriengast aus dem nahenKurort. Endlich war er heran.»Guten Abend « sagte ich von oben herab,jedoch mit fester Stimme.Er erschrak, blickte sich nach allen Sei-

ten um und hatte mich endlich erspäht.

Lange betrachtete er mich, dann sagteer zögernd: »Es geht Ihnen doch hoffentlich gut, wie?«

»Das schon, aber ich möchte gerne herunter ... auch ist es Essenszeit.« Er nick-

te. »Bitte schön ... frei ist der Bursch ...

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die Straße steht zu ihrerVerfügung. Was gibt es denn bei Ihnenheute abend? Auch Käse?«

Unschwer erkannte ich in ihm einen Geistesverwandten. »Lie-

ber guter Mann«, raffte ich mich auf, »so kommen wir nicht wei-ter ... ich kann nicht runter, der Weg ist hinter mir abgebrochen... dort unten bei Ihnen liegen die Trümmer.«

»Ach was Ihr jungen Leute von heutzutage habt eben keinenMut Ich komme Ihnen entgegen.« In unglaublich kurzer Zeitstand er an der gefährlichen Stelle. »Los « sagte er.

»Holen Sie lieber einen Strick«, sagte ich.

Da schnaubte er verächtlich durch die Nase, sprang und lan-

dete in meinen Armen. »Sehen Sie, Sie Hasenfuß «

Langsam trennte sich.von dem Kletterpfad ein metergroßes

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Eigentlich geben wir

beide doch noch eine

recht gute Figur ab

Otto <<

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  9 Unter vier Augen

Stück ab, die Trümmer legten sich unten sauber neben die anderen.»Ich glaube, jetzt ist es ganz aus«, sagte ich und reichte ihmmein Etui. »Rauchen Sie?«Mechanisch griff er zu, paffte schweigend vor sich hin und be-

••

trachtete seinen zerrissenen Armei.»Was nun?« drängte ich.Er lachte bitter. »Keine Sorge In etwa fünf Minuten wird meinWeib mich vermissen. Sie ging nur mal eben seitwärts in denWald. Sie besitzt die Eigenschaft einer Klette und folgt meinerSpur todsicher. Wie ich ihr allerdings meine Anwesenheit hieroben erklären soll ... ich befürchte das Schlimmste.« Er zuckte die Achseln.»Mann«, sagte ich, »schließlich haben Sie doch eine Bomben

ausrede. Hilfsbereitschaft der Tat ... und so weiter ... das im-paniert den Frauen immer «Sie ist natürlich kein Engel sondern zeigt

durchweg menschliche Eigenschaften.

»Und der zerrissene Ärmel? Ich nehme an, Siesind ledig?«»Ja«, sagte ich.

Er winkte müde ab. »Wer sind Sie eigentlich? Sie sind doch keinEingeborener? Und warum ist Ihr Gesicht so schwarz?«Es lagmir ferne, wahre Auskunft über mich zu geben. »Ich entstamme altem Hirtengeblüt«, bog ich aus, »vormals waren

meine Ahnen die Mächtigsten im Land und ihrer Ziegen Zahlwar nur zu schätzen. Diese eine hier ist die letzte, die mir verblieb im Wandel der Zeiten.« Ich deutete auf Tante AgathesZiege und rückte Onkel Oskars Hut verwegen aufs Ohr. Dabeientging mir nicht, daß mein Retter ängstlich von mir abrück-te, so gut es die Örtlichkeit erlaubte.Dann kam sein Weib. Als ich ihr zurief, sie möge um Gottes willen unten bleiben, tippte sie sich nur an die Stirn und fragte,ob wir es noch eine Stunde aushalten könnten, ohne neue

Dummheiten zu machen. Wir bejahten es, und es frappiertemich von neuem, wie schnell Frauen eine Situation erfassen.»Und wir sprechen uns dann heute abend«, sagte sie zu meinem Gefährten und blickte ihn irritierend an.»Wie du willst, liebe Emma«, sagte er.Dann eilte sie davon. Wahrhaftig, sie eilte Sie muß ihn dochsehr lieben, dachte ich und machte ihn darauf aufmerksam.Aber er beachtete mich nicht.Nun hatten wir wieder etwas Zeit für uns. Ich versuchte daher,

ein Gespräch anzufangen über Schroffen und Schründe, über

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  ntervier u en

Eispickel, Kamine und Steigeisen - wovon eben Bergsteiger so

sprechen bei kurzer Rast in der Wand. Der Gesell neben mir

jedoch war verstummt. Wenn ich es recht bedenke, so hörte ich

seine Stimme zum letzten Male als er sagte: »Wie du willst,

liebe Emma.«-

»Seidihr

zwei Deppen noch da? «erklang es plötzlich von oben.Ich blickte hoch. Kaum vier Meter über uns stand das Weib mei-

nes Bergkameraden und schauteuns mißbilligend an. Wie kam die

Frau da hinauf? Als sie meine st rren Blicke bemerkte, zog sie sich

schnell zurück - n ja, keine Dame

liebt es, von unten betrachtet zu

werden. Aber dann stand an der

gleichen Stelle plötzlich ein Mädchen, ein Mädchen ... was sage ich?

ein Engel stand dort Ich beschloß

sofort, sie zu lieben, und tr t einen

Schritt zurück, um sie genauer ins

Auge zu fassen. Für meine Person

hätte ich dadurch beinahe das Pro

blem des Ortswechsels auf einfache

Art gelöst, aber mein Kumpan er

griff mich rechtzeitig am Gürtel. Ich

sah nur noch, daß auch mein Engel

zurückwich.

Dann warf man uns das Seil zu und

wir verknoteten zunächst die Ziege.

Als sie, von kundigen Männern ge

zogen, nach oben schwebte, fraß sie

schnell noch den oberen Zweig den

sie vorher nicht hatte erreichen kön

 

nen, vom Strauche. Tiere sind in allen Lebenslagen praktisch.

Jetzt war mein Retter an der Reihe. Schweigend drückte er mir

die Hand, und auch ich wollte die Stunde nicht durch Worte

entweihen. Sein Weib war da von anderer Art und machte sich

rechtschaffen bemerkbar. Schließlich war auch ich oben an

gelangt. Mein Kamerad und seine Gattin schritten bereits in

angeregter Unterhaltung auf der Landstraße davon. Wahr

scheinlich wurde ihm gerade verziehen. Die Seilmänner woll

ten mich jetzt ausfragen, aber ich spielte den Dummen, pack

te mich bei den Rockaufschlägen und warf mich gegen einen•

9

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war wiedermal nicht zu haben

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98

Nicht so schnell, Papa,

Klaus-Dieter kommt

nicht mit <<

nter vier Au en

Baum. Dabei sagte ich ganz schnell die Gewinnzahlen des

Leipziger Lottos vom letzten Sonntag her und verschwieg auch

die Quoten nicht. Dies machte einigen Eindruck, und plötzlich

war ich allein. Nur das Mädchen und ein anderes weibliches

Wesen standen noch da.

»Schade um den Menschen«, sagte sie traurig, »er sieht eigentlich ganz gut aus. Wo mag er sich nur so geschwärzt haben,

der Arme?« Dann gingen sie den andern nach.

Und das mit Onkel Oskars altem Hut 0 du mein Engel -

Ich will Ihnen nicht berichten, was Tante Agathe sagte, als wir

zurückkehrten, das ist nicht wichtig. Wichtig ist, daß ich am

nächsten Tag meinen feinen Anzug hervorholte. Sie kennen

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ihn - der Schlips ist taubengrau mit gelben Tupfen. Wenn ich

ihn trage, bemerke ich oft, daß schöne Frauen mit rätselhaft

sinnenden Blicken mir nachschauen. Naja ... und dann lief ich

in den Kurort und suchte meinen Engel. Nachmittags erst traf

ich sie ... und dann redete ich und erklärte ihr und ... seit einem

Vierteljahr ist sie meine Frau. Sie ist natürlich kein Engel, sondern zeigt durchweg menschliche Eigenschaften; aber sie ist

immer lustig und sehr lieb ... und ich hätte ihr gleich gefallen,

sagte sie. Eines ist ganz merkwürdig: Seitdem sie den Oberbe

fehl über mich hat, passieren mir keine »tollen Dinger« mehr

und mein Leben verläuft ruhig und normal.

Ziegen halten wir keine.

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„Ja sogar in einem Seehafen "

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Hans-Joachim Stein

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artoH roi H s

»Geliebte Lisa Nun kommt die Zeit, da im Garten die Mistbee

te bestellt werden, und es drängt mich, Dir von meinen Gar-

tennöten zu schreiben. Alle Kollegen verlangen, daß ich mich

dem gesellschaftlichen und kulturellen Leben widmen soll.

Aber ich will mich nicht. Die Ziegen sind gesund, ich leider

nicht, denn meine Nerven halten die dauernde Belästigung

kaum noch aus. Du in der Kleinstadt hast es gut Keiner spricht

dort von Kultur und so. Onkel Karl hatte Grippe, Tante Minna

einen leichten Husten, und der Großvater ...« -

»Meine Liebe Ich habe den Angorakaninchen Birkenwasser

ins Fell gerieben, damit endlich die Haare wachsen. Im Betrieb

versucht man auf jede Weise, mich für Theater, Konzerte und

Vorträge zu interessieren. Aber ich sage immer: Bleibe im Gar-

ten und jäte redlich. Und wenn ich auch Bestarbeiter bin, so

kann man doch nicht verlangen, daß ich mir noch den Kopf über

>Faust< oder über politische Probleme zerbreche. Ach ja, alles

ist ein Jammer. Paul nennt mich dauernd >Zwiebelprofessor< und

sagt, ihm wäre ein Theaterstück lieber als zehn verkrüppelte

Radieschen. Ich bin sehr erschüttert über diesen Verrat eines

früheren Gesinnungsgenossen, denn auch Paul hat einen Gar-

ten. Wenn er auch behauptet, er könne beides - ins Theater

gehen und den Garten bestellen - so weiß ich es besser. Der

Garten verlangt den ganzen Mann, und ich sehe mit Betrübnis,

wie Pauls Gartenbaumoral verfällt. Aber ich wanke nicht Bes-

ser ein Radieschen in der Hand als eine Beethovensymphonie

im Ohr. Onkel Karl hatte Grippe, Tante Minna ...« -

»Lisa Ich bin sehr erschüttert über Deine Zeilen Du schreibst,

meine Briefe seien langweilig, und ich solle nicht immer nur

von meinem blödsinnigen Garten schreiben. Es hat mich sehr

getroffen, weil nämlich mein Garten nicht blödsinnig ist und

meine Briefe nicht langweilig sind. Ich werde Dir das gleich be-

weisen. Onkel Karl hatte Grippe. Gestern haben wir sehr ge-

lacht, denn Tante Minna hat eine Tasse zerschmissen. Vom

Garten werde ich Dir nichts mehr schreiben, außer, daß er

mein ein und alles ist. Gestern habe ich den Blumenkohl ver

schnitten und den Hühnerstall grün gestrichen, weil die Hüh-

ner in letzter Zeit keine Eier mehr legten. Oskar meinte, den

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Unter vier ugen

Hühnern fehle Grünes. So habe ich Oskars Rat befolgt, denn

Oskar ist ein kluger Mann und versteht etwas vom Garten.

Nun siehst Du, daß ich auch sehr lustige und interessante Brie-fe schreiben kann. Onkel Karl hatte Grippe, ich bin ewig DeinEdmund.«-

»Liebe Freundin Ich muß Dir leider mitteilen, daß Tante Minnagestern die Treppe runtergefallen ist, welches Ereignis mich

sehr erschüttert hat. Außerdem muß ich Dir einen ernsten Vor-wurf machen. Du schreibst, wenn ich nicht bald meinen Gar-tenfimmel ablege, wirst Du Dich anderweitig verlieben. LiebeLisa Ich bin immer einsam gewesen mit meinem Garten. DieEnttäuschung würde mich zwar treffen, aber nicht töten. Ichbin einem Pflaumenbaume ähnlich, der durch

einen harten Winter zwar mitgenommen wird,

aber nichtsdestoweniger im nächsten Frühlingwieder blüht. Schließlich habe ich mein Kres-sebeet und kann die Menschen entbehren. Au-ßerdem bin ich gar nicht so kunstfeindlich wieDu denkst. Erst gestern habe ich im Garten

Kunstdünger gestreut. Was willst Du also?

Onkel Karls Grippe ist heute etwas schwächer,

sicher freut Dich das. Tante Minna hat ... « -

»Verehrtes Fräulein Soweit ist es also schon.

Weil ich nicht ins Theater gehe, fühlen Sie sichbemüßigt, mit einem fremden Mann namens

Willi ein Konzert zu besuchen. Nun gut, ich

brauche kein Konzert, ich habe meinen Schnitt

lauch. Es hat mich bitter enttäuscht, daß Siegenauso wenig wie meine Kollegen etwas über

meine gartentechnischen Fähigkeiten, die Siedie Freundlichkeit hatten, mit >Fimmel<zu bezeichnen, übrig

haben. Ich erwarte bis nächste Woche Ihre Entscheidung: Er

oder ich. Edmund. (Übrigens hat Onkel Karl wieder Grippe.)« -(Anrede fehlt.) »Sie haben sich also entschieden, ich begrüße

das Ich sehe auch langsam ein, daß eine Frau, die derartig an

meinen Gartenarbeiten uninteressiert ist, nicht zu mir paßt.

Also haben sich unsere Wege getrennt, und so bitte ich Sienur, mich in Zukunft zu vergessen. Einsam werde ich in mei-nem Garten sein, einsam, aber glücklich und froh Und das

kann ich Ihnen sagen: Im Schweiße meines Angesichts werde

ich meine Johannisbeeren ernten.

PS. Es wird Siev i e l ~ e i h t

interessieren, daß jetzt Tante Minnadie Grippe hat.«

101

Schatz ist dein b on-

des Haar natürlich oder

gebleicht?<  >>Natürlich

gebleicht <<

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102.l .: · .Z:

nter vier Au  en

Rolf Pester

Ich behaupte keineswegs zuviel wenn ich sage daß ich von

Natur aus ein gewissenhafter Mensch bin. Morgens finde ichmich pünktlich am Arbeitsplatz ein und abends gehe ich mit dergleichen Pünktlichkeit nach Hause. In der dazwischenliegendenZeit verrichte ich meine Arbeit zu allseitiger Zufriedenheit. Doch

in jedem Menschen steckt bekanntlich ein mehr oder wenigergroßes Exemplar jenes Beelzebubs der ständig auf der Lauerliegt um uns vom Pfade der Tugend abzubringen.Als ich morgens die Augen aufschlug blinzelte die Sonne sostrahlend freundlich durch die Vorhänge daß ich sofort Sehn

sucht nach Wasser Wiese und blauem Himmel bekam - an sicheine ganz unsinnige Vorstellung da heute kein Sonntag son-

dern ein ganz gewöhnlicher Werktag war an dem

Ein Blick auf mich schien ihm die ich wie üblich um sieben ins Büro zu marschierenfällige Erleuchtung zu geben hatte. Doch die Vision ließ sich nicht verscheuchen

selbst dann nicht als ich bereits auf dem Bettrandsaß und mit gekrümmten Zehen nach den Pantoffeln angelte.Weiß der Teufel woher ich den Mut nahm - jedenfalls war ichplötzlich fest entschlossen heute dem Büro den Rücken zu

kehren und einmal regelrecht blau zu machen. Die aufkeimenden Bedenken beschwichtigte ich mit der Feststellung daß ichbisher ein Muster an Pflichteifer gewesen und es deshalb drin

gend erforderlich sei den zermürbenden Trott des Alltags kühnzu durchbrechen um nicht gänzlich zu verknöchern.Ich packte also mein Badekrämchen und zog frohgestimmt hin

aus in die Natur. Ich suchte mir einen einsamen Waldsee heraus an dessen Ufern ich meine bleiche Bürohaut ein wenig an

zubräunen hoffte. Ein grasbestandenes Plätzchen nicht weitvom Wasser fand meinen Beifall. Ich entfaltete meine Deckestieg aus meinen Kleidungsstücken und hängte sie an die be

nachbarten Büsche ...Eben wollte ich mich behaglich ächzend hinstrecken als ausdem Blätterwerk neben mir plötzlich ein weiblicher Kopf mitüberschwerer Sonnenbrille herausfuhr und mich empört an

fauchte: »He Sie was machen Sie denn hier?«

Man wird meine unangenehme Überraschung begreifen. War

ich doch der festen Überzeugung hier weit und breit das ein

zige lebende Wesen zu sein. Deshalb entgegnete ich ziemlichunhöflich: »Was wollen Sie denn?«

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Unter vier ugen 1 3-   - - - - -   - - -   - - - - - - ----   . -- ; .•=;.c =--- -   - - .

Mit diesem kämpferischen Wortwechsel begann meine Be-

kanntschaft mit einer der reizendsten Weiblichkeiten die mirje begegnet war. Wir verbrachten zusammen einen zauberhaften Tag voll Sonne Lachen und Plaudern. Es stellte sich heraus daß sie Urlaub hatte - den letzten Tag übrigens - und

morgen in einem neuen Betrieb als Direktionssekretärin anfan-gen wollte.»Das trifft sich gut«, sagte ich erfreut. »Auch bei mir geht derUrlaub zu Ende. Sehr schade wirklich.«Wrr blieben bis z m Einbruch der Dämmerung, dann gingen wirgemeinsam zur Stadt und verabredeten uns an ihrer Haustürfür den nächsten Abend.

Zuvor aber kam erst einmal der nächsteMorgen.

»Wo haben Sie denn gestern gesteckt?«empfing mich mein Abteilungsleiter sofortmit der gefürchteten Frage auf deren Be-

antwortung ich mich allerdings gründlichst vorbereitet hatte. »Im Bett« sagteich mit schwacher Stimme und jener leid-

zerquälten Miene, die ich mir auf alle Fällebereits beim Betreten des Betriebes zuge-

legt hatte. »Ich war krank. Ich wollte

unter allen Umständen kommen, aber esging einfach nicht. An der Haustür bin ichbewußtlos zusammengebrochen.«»Schrecklich. Sie sehen in der Tat garnicht gut aus« sagte er mit besorgtemBlick. Ich lächelte mitleiderregend.»Ja, ich bin auch keineswegs wohlauf«, ent-gegnete ich mit noch schwächerer Stimme. »Doch man muß die

Zähne zusammenbeißen - man kann ja nicht im Bett bleiben.«

»Ich möchte Sie am liebsten noch mal noch Hause schicken«überlegte er.

»Auf keinen Fall«, wehrte ich mich. »Es wird schon gehen. Be-

stimmt.« - »Nun gut«, sagte er. »Trotzdem werde ich Ihnen fürheute eine leichtere Arbeit zuweisen. Kommen Sie « - »Vielen

Dank«, murmelte ich demütig. Wrr gingen durch einige Zimmer.

Er öffnete eine Tür und ließ mich eintreten. »Kollegin Steinbeck hier bringe ich Ihnen einen Kollegen, der Ihnen etwas zurHand gehen ...«Er unterbrach sich und sah mich forschend an.

»Was ist mit Ihnen? Wrrd Ihnen wieder schlecht?«•

Ich war jäh erbleicht und stan·te mit entsetzten Augen auf die

' .

>>Entschuldigen Sie

Herr Postrat aber bei

dieser Hitze ...«

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weibliche Gestalt, die sich uns jetzt zuwandte. Heiliger Strohsack ... das war keine Halluzination, das war doch meine rei-

zende Bekanntschaft vom gestrigen TageAuch auf ihrem Gesicht malte sich Überraschung. Wäre sie,was ich in diesem Moment brennend gewünscht hätte, eine

Frau wie tausend andere gewesen, so hätte sie zweifellos in Ge-genwart eines Vorgesetzten unsere Bekanntschaft nicht ruchbar werden lassen. Aber sie war nun eben mal eine besondereFrau, eine mit außergewöhnlichem Temperament und ohne Ver-

stellungskünste. Mit strahlendem Lächeln kam sie auf mich zu.

»Na, das ist aber eine Überraschung « Das ist es ohne Zweifel,

dachte ich erschlagen und verfluchte meine Unfähigkeit, nichtaugenblicks mit Donnerschlag und Rauchentwicklung in den

Boden versinken zu können. Da ich solches nicht vermochte,

kam alles so, wie es kommen mußte.»Sie kennen sich?« fragte mein Abteilungsleiter erstaunt. Ichbrach in wütendes Hüsteln aus. Zwecklos. Ihr ging jeder Sinnfür Diplomatie ab.»Natürlich«, sagte sie fröhlich, »wir trafen uns doch gesternbeim Baden «

Wenn ich nicht im Augenblick Mittelpunkt des Geschehens ge-

wesen wäre, hätte ich über sein Gesicht laut lachen müssen.»Beim Baden«, fragte er verständnislos.» Gestern? Ich denke ...«Er brach ab. Ein Blick auf mich schien ihm die fällige Erleuchtung gegeben zu haben. Jetzt fühlte ich mich wirklich krank.Er schwieg eine peinliche Weile. Schließlich sagte er, langsamund jedes Wort betonend: »Daß Sie krank waren, glaube ichIhnen ohne weiteres, lieber Kollege. Nur haben Sie sich an-

scheinend in der Diagnose Ihrer Krankheit geirrt. Sie warennicht bewußtlos, sondern eher, hm, bewußtseinslos, wie?«

Ich räusperte den imaginären Kloß hinweg, der mir im Halsesteckte. »Ahem«, sagte ich beschämt, »Sie haben recht ... «Damit war der Fall erledigt. Als ich mich am Abend mit mei-

ner undiplomatischen Bekanntschaft traf, fragte sie schuldbewußt: »Jetzt sind Sie mir sicher sehr böse, nicht?«

»Im Gegenteil«, sagte ich und blinzelte sie zärtlich an. »Wenn

Sie nämlich nicht gewesen wären, hätte ich wahrscheinlich Ge-

schmack an der Sache gefunden und wieder mal blau gemacht.«

»Sehn Sie, verehrter Kollege«, lächelte sie schelmisch, »das

freut mich. Hier liegt nämlich der Hund begraben. Meiner An-

sicht nach lohnt es nicht, für einen einzigen blauen Tag wochen-

lang rot werden zu müssen «

Ganz unter uns: Für diese Antwort bekam sie den ersten Kuß.

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Unter vier Augen

Erich Brehm

Ende April, am Sonntagnachmittag, geht Oskar mit Lenchen

spazieren, was ausschließlich auf Lenchens Drängen zurückzuführen ist. Oskar wäre lieber zu Hause geblieben. Lenchenmacht Oskar darauf aufmerksam, wie schön die Sonne scheint.

Oskar sieht in seinem Taschenkalender nach. »Die Sonne solldas sein?« sagt er. »Da sieht man wieder einmal, wie die Praxis trügt Die Sonne ist schon um 15 Uhr 32 untergegangen.Was wir da sehen, ist also nur eine optische Täuschung Du

solltest einmal das Buch >Theorie der Täuschungen< lesen, Len

chen. Sehr interessant, sage ich dir « - »Aber die Sonne

scheint doch « sagt Lenchen. »Sie scheint? Sie scheint zuscheinen « sagt Oskar streng und versucht zwei Sekun-den lang in die optische Täuschung zu sehen. Dann

schließt er geblendet die Augen und klopft auf den Kalen-der. »Die Zeitangaben hier«, sagt er, »sind auf Grund theo

retischer Erwägungen errechnet. Die stimmen « - »Viel•.;.„

1 5

leicht ist es ein Druckfehler«, sagt Lenchen. »Theoretischbesteht diese Möglichkeit«, sagt Oskar und sieht noch

einmal nach. »Nein«, sagt er dann nach eingehender Prü

fung, »du irrst, Lenchen Die Daten stimmen - nur habeich statt bei der Sonne beim Mond nachgesehen.«

;„

Die nun auch theoretisch anerkannte Sonne strahltfreundlich auf die beiden, die sich am Waldrand niedersetzen. Oskar holt sofort ein Buch hervor und beginnt »Die Theo

rie des Irrtums« zu lesen. Da summt etwas durch die Luft und

klatscht auf Oskars Buch. »Sieh da«, sagt Oskar, »der ersteMaikäfer « - »Aber Oskar«, sagt Lenchen. Ich weiß, was du

sagen willst«, sagt Oskar, »du meinst, theoretisch dürfte der

erste Maikäfer frühestens am ersten Mai erscheinen, aber esgibt eine Theorie, nach der die ersten Maikäfer auch schon im

April auftauchen können, wenn wir nämlich ein warmes Frühjahr haben « Damit greift Oskar nach dem ersten Maikäfer, derdaraufhin etwas völlig Unvorhergesehenes tut: Er sticht Oskar

kräftig in die Hand »Au, au«, jammert Oskar und sagt dann em

pört: »Also, das ist doch die Höhe Theoretisch hätte mich der

Maikäfer gar nicht stechen dürfen, weißt du « - »Es war ja

auch eine Hummel « sagt Lenchen. Oskar freut sich, denn theo

retisch ist damit für ipn wieder alles in Ordnung. Praktisch allerdings läuft er mit einer geschwollenen Hand umher.

>>Aber Liebling sei bitte

pünktlich das Essen ist

gleich fertig <<

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1 6 Unter vier ugen

ansjoachim Riegenring

»Guten Tag«, sagte ich, »ist ...

»Er ist zu Hause«, erklärte die Dame an der Tür, und die Worteflossen aus ihrem Munde wie konzentrierte Schwefelsäure. »Er

ist zu Hause, dieser ... Das Ende des Satzes zennalmte sie

knirschend zwischen den Backenzähnen. Dann, zwei Grad wärmer: »Na, Sie können ja nichts dafür.«

»Bestimmt nicht«, beteuerte ich eilig. »Ehrenwort Worum han

delt es sich denn?«

Sie zog mich in den Flur. Sie schloß die Tür, drehte den Schlüs

sel zweimal herum, schob den Riegel vor und sicherte die Kette.

Was erforschen die Wissenschaftler Dann atmete sie so tief ein, daß ich für einenMoment im luftleeren Raum stand. »Ihr

Freund«, kam die Luft, zu Worten verunstal

tet, wieder heraus, »Ihr Freund, das ist

nicht alles Aber über die Probleme eines

liebenden Untermieters schreibt keiner

ja, nein, so etwas in meiner Wohnung Ich werde, und zwar

heute noch ...«

»Ich muß Ihnen völlig recht geben«, sagte ich hilfreich.

»Nicht wahr? Bringt doch dieser Mensch ... hier, das habe ich

beim Aufräumen in seinem Zimmer gefunden.«

Aus der Schürzentasche holte sie einen - oh»Das ist ja ...«

»Jawohl, das ist eine Frechheit Ausdrücklich habe ich ihm Da

menbesuch untersagt. Und nun das « Sie hielt mir den Büsten

halter unter die Nase. Er roch nach Lavendel. Ich versuchte,

aus Form und Größe auf seine Besitzerin zu schließen. Siemußte - olala»Na?« riß mich die Dame aus meinen Lavendelträumen.

»Unerhört « nickte ich. Was hatte Sigmund bloß wieder ange

stellt? Ich mußte ihm natürlich helfen. In meinem rechtenGroßhirn blitzte ein Gedanke auf, raste ins Sprachzentrum,

setzte meinen Kehlkopf in Schwingungen und fuhr als wohlgeformte Lüge aus meinem Mund. »Die Sache ist ganz einfach zu

erklären. Mein Freund hat vorübergehend die Vertretung für

eine Miederwarenfinna übernommen, und da ist wohl - ja, so

wird es sein.« Ich riß die Tür zu Sigmunds Zimmer auf. »Sig

mund« - ich blinzelte ihm heftig zu - »du hast wohl ein Stück

aus deiner Musterkollektion verloren hier ... «

Sigmund sah mich, die Wirtin, den Büstenhalter. »Aber natürlich«, rief er sichtbar erleichtert, »den suche ich schon den gan-

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1 7nter vier ugen-===================-------------=---================

zen Tag in meinem Musterkoffer. Schönen, heißen, herzlichen,

lieben, vielen Dank « Er schloß die Wirtin in seine Arme und

dann die Tür hinter ihr zu.

»Entsetzlich«, stöhnte er entsetzlich, »daß Dagmar ihre Sachen

nie zusammenhalten kann.« -   Wer ist Dagmar?« - »Oh, Dag

mar ...«Seine Hände streichelten die zarten Spitzen des Dingsda, und ich fürchte, in seiner Phantasie streichelte er etwas an

deres. »Ein Mädchen ... « - »Dachte ich mir doch Und wie

kommt die Dame hierher?« Er schmunzelte. Erinnerungs-

schwanger. »Meine Wirtin war einen Tag

verreist, naja - ein Untermieter ist doch

auch ein Mensch «Welch ergreifender Auf schrei einer ge

knechteten Seele. Ein Untermieter ist doch

auch ein Mensch Sprechen wir es ruhigeinmal aus. Ein offenes Wort Jeder von

uns, jeder Mensch auf der Welt, reich oder

arm, darf den Menschen, den er liebt, an

seinen Busen drücken. Nur der Untennie

ter nicht. Vor seinem menschenleeren Bett

sitzt (symbolisch ) die Wirtin, die Gralshü

terin seiner Moral, seiner Tugend. Er lebt

wie ein Mönch. Wie ein Mönch? (Sprich

wort: Der Mönch lebt nicht vom Brotallein ) Schlimmer als ein Mönch. Was er

forschen die Wissenschaftler nicht alles:

i

die Nöte der Jugend, die Gefühle der Frau, das Verhalten des

Mannes - über die Probleme eines liebenden Untermieters

schreibt keiner. Da liegt der Fuchs im Pfeffer Auch ein Unter

mieterherz sehnt sich nach Liebe, und das nicht nur zur Som

merszeit.

»Es ist entsetzlich«, jammerte Sigmund und fragte mich, »was

soll ich nur machen? Du bist Schriftsteller-fällt dir nicht vielleicht trotzdem etwas ein?«

Ich sprach mit seiner Wirtin. Ich erklärte ihr, daß ein Mann

nicht immer nur im »Magazin« lesen könne. »Das ist aber bes

ser«, behauptete sie. Und ganz vertraulich: »Ich weiß das, ich

habe auch mal möbliert gewohnt, und einmal besuchte mich

mein Freund, heimlich, ich hatte solche Angst, daß meine Wir

tin hereinkommt.« - »Und kam sie?« - »Nein, aber wir mußten

ganz schnell heiraten.« - »Lohn der Angst«, murmelte ich. Sie

kochte mir e.inen Kaffee, der mein Herz springen ließ wie eingedoptes Rennpferd. Sie würde gern wieder heiraten, säusel-

  Und wenn schon

Herrenbesuch, dann

nur Cousins.«

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1 8- - -   - · . .... ' { ' - ' '

Unter vier Augen

te sie mir ins Trommelfell, wenn der richtige Mann ... Ich konn-te mich noch rechtzeitig verabschieden.

»So ists richtig«, schäumte Sigmund (er war beim Zähneput

zen), »fremde Tugenden bewachen und selbst - ha Wer im

Steinhaus sitzt, soll nicht mit Gläsern werfen « Er goß Kognak

ein. Dann tranken wir noch einen. Und noch einen. »Wenn alleMenschen«, schrie Sigmund, »in Untermiete wohnen würden,

wäre die Menschheit längst ausgestorben « Er trank.

»Jawohl«, brüllte ich. »Die Zimmervermieterinnen sind der Un-

tergang der edelsten menschlichen Gefühle.«

Vor der Tür schrie jemand empört auf.»Man müßte«, überlegte ich, »deiner Wirtin ein Schlafmittel in

das Essen schütten. Genau dosiert.« Ich trank.

»Wie das, Freund?« fragte Sigmund gierigen Ohres.

»Zum Beispiel so: Deine liebe, süße Dagmar besucht dich. DreiStunden Liebe - also muß die Wirtin drei Stunden schlafen.«

»Drei Stunden?« Sigmund war empört. »Ich will meine Dagmar

ewig lieben «

»Demnach müßte die Wirtin ...« Ich rechnete. »Oh, das geht

nicht. Aber ich weiß was. Gegen männlichen Besuch hat deine

Wirtin doch nichts?« - »Nee«, kicherte er, »sondern ganz im Ge-

genteil.« - »Dann schick sie mal zu mir « - »Meine Wirtin?«

fragte Sigmund erstaunt. Ich verließ ihn wortlos. Die Flasche

war sowieso leer.Es macht den Frauen viel Mühe, eine gute Figur zu bekommen.

Es macht noch mehr Mühe, sie zu verbergen. Dagmar hatte eine

sehr gute Figur. Das Jackett saß sehr straff. Meine Oberhem-

den paßten sich allerdings der ihnen ungewohnten Situation

gut an. Ich brachte Dagmar bei, wie sich ein Mann benimmt.

Beim Rauchen, Trinken, einer Dame gegenüber. Sie lernte er-

staunt, daß ein Mensch auch ohne Lippenstift und Nagellack

lebensfähig ist. Sigmund stellte sie seiner Wirtin vor. »Ein

Freund von mir. Ein begeisterter Schachspieler wie ich.«

»Ein netter junger Mann«, flüsterte mir die Wirtin zu. Und eines

Tages erzählte sie mir auf der Straße, wie höflich Sigmunds

Freund sei. Er brächte ihr immer Blumen mit. »Und ein gera

dezu fanatischer Schachspieler, sage ich Ihnen. Dreimal in der

Woche spielen die beiden ganze Nächte durch «

Es ist doch ein wundervolles Gefühl, einem Menschen zu hel-

fen. Und die beiden sind mir so dankbar - Moment, der Brief-

träger. Ein Brief von Sigmund.

» .. muß ich Dir leider mitteilen, daß alles vorbei ist. Meine Wir-

tin will unbedingt Dagmar heiraten.«

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110 o wir sind ist vornmm u:: "' c saz:•-._._, 11::c 2111• I I •

Hans Krause

O

Ausgehend von der trauten Tradition des Briefstellers für Lie-

bende, Denkfaule und Steuergeschädigte hat Herr Dr. Dr. h.c.Weihrauch kürzlich einen Knigge für Selbstkritiker herausgegeben, dem wir die folgenden Modell-Referate für die Land-

wirtschaft entnehmen:Selbstritik bei ritik von unten

Diese Variante erfordert keinerlei Vorbereitungen. Um sie zu be-

herrschen, muß man nicht einmal sich selber beherrschen.»Liebe Genossen (mit einer Stimme, wie sie Cäsar gehabthaben mag, als er sterbend das klassische Zitat »Auch du meinSohn Brutus « herausließ) Ich bin von euch kritisiert worden

Obwohl ich wie ein Vater zu euch war und euch jede Prämievon den Augen abgelesen habe. Ich gebe euch 30 SekundenZeit, eure voreilige Kritik zurückzunehmen Fall dies nicht ge-

schieht - na schön, ich kann auch anders Wenn ihr denkt, ichmache mich hier mit meiner Selbstkritik zum Dorfaffen, dannirrt ihr euch. Mein Leitungsstil paßt euch nicht? Nun gut, ihrwerdet euch noch wundem. Ich werde euch einen Leitungsstilhinlegen, daß ihr Stielaugen kriegt, Freunde - Ende «

B Selbstkritik bei ritik von oben

Entscheidend für den Erfolg dieser Variante ist die richtige Dif-

ferenzierung. »Einen Schritt zurück und zwei Schritte vor «, wie

man in Abwandlung eines Lenin-Zitats formulieren könnte.»Werte Genossen (sachlich, aber nicht zu unbeteiligt) Ihr habtmich kritisiert Nun gut, ich bin nicht nachtragend. Um so we-

niger, da ich weiß, daß ihr es in guter Absicht getan habt. Ichwill damit nicht sagen, daß eure Kritik völlig unberechtigt ist.Aber so ein Leitungsstil ist schließlich kein Pappenstiel. (rhe-

torisch über sich hinauswachsend) Der muß wachsen, muß rei-

fen, muß sich entwickeln. (mit einer Überlegenheit, als hätteman mit dem Landwirtschaftsministerdie Schulbank gedrückt)Um so unverantwortlicher ist es, daß ihr diesen meinen Entwicklungsprozeß durch eure harte Kritik in eine ernste Krisebringt. (rasch einlenkend) Zugegeben, ich habe Fehler gemacht,aber wer ist schon frei von Fehlern? (wieder überlegener) Habtihr zum Beispiel bei eurer Kritik genügend Weitsicht waltenlassen, das Wozu und Warum genau bedacht, die Zusammen-

hänge genügend studiert? Keine Sorge, Genossen, ich bin der

letzte, der euch dieser durchaus menschlichen Mängel wegen

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Wo wir sind ist vorn 1 1 1- - - - - - - - - = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = ~ = = = = = = = = : ; ; ; ; ; : : ; : = = = = = = = ~

verdammen würde. Im Gegenteil, ich danke euch für eure helfende Kritik, jedoch nicht ohne euch zum Abschluß mahnend

zuzurufen: Bedenkt, Genossen, Kritik ist eine Waffe, mit derman leicht jemanden ernsthaft verletzen könnte « (Man falteruhig sein Manuskript zusammen und scheide in der schönen

Gewißheit, alles zerredet und nichts zugegeben zu haben.)C Selbstkritik bei Kritik von ganz oben

Bei dieser Variante ist darauf zu achten, daß die Wasserkaraffe gut gefüllt ist. Kleidung: Großer Selbstkritikanzug, asch

grau, gesprenkelt. Möglichst zwei, drei Nummern zu groß. Dasgarantiert einen besseren Schlottereffekt. Dar

unter Hemd, aber keine Krawatte.

»Hochverehrte Genossen (einfach, aber ein-

dringlich) Ich danke euch Ich danke euch für•

eure Kritik, die mir hart am Rande des Plan-V ; ~ ·

l

•• • •

. ,•

.. ;..

.._..

-   ;;„

tiefs die Augen geöffnet hat. (Hier lasse man .w.  · ·

die eben geöffneten Augen etwas feucht wer- ~ : ? . ~  den.) Als sechster Sproß einer achtköpfigen :

Gutskutscherfamilie (man lasse seine Her

kunft 30 Sekunden gewichtig im Raume stehen), war ich daran gewöhnt, die Zügel gele

gentlich etwas schleifen zu lassen. Hier lie

gen die tiefen Ursachen, wenn ich als Schritt

macher in der Landwirtschaft zwar immer bemüht war, alle Aufgaben zu deichseln, jedochohne durch allzu straffe Leitungsmethoden die

Pferde scheu zu machen. Ich bin zerknirscht.

(Mit einer Handvoll Kies in der Hosentasche

lassen sich hervorragende Wirkungen erzie- .

len.) Ich bin erschüttert (Unsere gebräuchli

chen Rednerpulte haben den Vorzug, daß man solche Erschüt

terungen sehr gut auf sie übertragen kann.) Aber ich bin auch

zutiefst geläutert und bereit, aus meinen Leitungsfehlern optimale Konsequenzen zu ziehen (man nehme einen langen Zug).

Das heißt, ich werde keine Mittel unversucht lassen, um mei

nen Leitungsstil im Sinne eurer Kritik zu überprüfen und zu

korrigieren. (Hier ist der Moment, wo man sich einige Male andie Brust schlagen kann. Ein Topfdeckel unter dem Hemd ver

stärkt den Eindruck, daß es sich dabei nicht nur um hohle Ver

sprechungen handelt.) Nochmals, Genossen, meinen aufrichtigen Dank « (Man bleibe noch einen Augenblick mit gesenktem

Haupte stehen un.d spüle dann mit dem Rest des Karaffeninhalts die ganze Angelegenheit hinunter.)

t

i

Frohen Sonntag-

morgen  Liebling <<

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  2

Ein Russe bestelltim Restaurantimmer fünf GläserWodka auf einmal.Irgendwann fragt

ihn der Wirt nachder Bewandtnis.Der Russe erzähltihm, daß sie im

Krieg fünf a m e r a ~den waren und dieAbmachung getroffen hatten, daß diejenigen, die am

Leben bleiben,immer für die anderen mittrinken.»Ich habe als einzi-  -

 

ger überlebt und

trinke getreu unserer Abmachung fürdie anderen mit.«

Eines Tages be

stellt er nur vier .Wodka. »Was istlos?« fragt derWrrt »Nun«, sagt

der Russe, »ich binAntialkoholiker ge

worden.«

o wir sind ist vorn

Nils Werner

oi1to l41t 1t io tst·

ROHttlltZO

Vorgetragen vom HO-Filialleiter Schlicht

Ich bin ein Mensch mit viel Gemüt

und leider noch nicht abgebrüht,

und das betrübt mich sehr.

Ich herrsche über Brot und Salz,

Radieschen, Wurst, Sidol und Schmalz

und Pfefferminzlikör.

Und weil ich weichgesotten bin,

hab ich, zwecks Umsatz und Gewinn,die Dauerwurst poliert,

die Käseglocken abgestaubt,den losen Türgriff festgeschraubt

und Fleischsalat garniert.

Ich scherzte: »Na, was darfs denn sein?

Ein Viertel Wurst? Ein halbes Schwein?Ein Päckchen Scheuersand?

Hier ist ein Lutscher für das Kind ( ).

Sie staunen, daß wir höflich sind?Ich bitt Sie, küß die Hand.«

Der Lutscher und die Höflichkeit,

das sprach sich rum in kurzer Zeit

Ich war voll Zuversicht.

Da sagte meine Hilfskraft Kraus:»Das artet ja in Arbeit aus

Das geht natürlich nicht.«

Ich rügte sie. Das nahm sie krumm.

Jetzt steh ich hier alleine rumund werde nicht mehr froh.

Und außerdem: Das Fräulein Kraus

sitzt jetzt in einem Warenhaus

im Kundendienstbüro.

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........ · mit Deut Je li\ landund den darauffolgenden

Abzug aller

esatzungstruppen• •

„An dieser Stelle soll ich einen Rechenschafftsbericht abgeben?

- tffei

LESIR SIE UND ABONRIERIN 11

SOWJETISCHE ZEITS HRIFTEN

„ &1•1111tlltllfflntl'M- r i . „ . . . . „ „ „ . l t m M l l M l l o • ~ ...

MESHOUNARODNAJA KNJGA· ~ l - < \ . ...................... .   . . , ' ' ' ' , ••„„•• c . - . . . . . . . ~ „ . ..,uu.

· „ · . - . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ~

Wer einen politischen Witz

erzählen will, leitet ihn ein

mit dem Satz: Ich bekämpfe

zur Zeit folgendenWitz

.. .<

ÜRFriedens·vertrau

un

demokratischeEinheit

ORTmit

·VG-Vertragund

„Ja, es ist de r Platz für unser Kulturhaus, dessen Bau Sie uns vor vier Jahren versprochen hatten. eneralkrieusvertrag

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114

ohn Stave

r

Marta Lehmann hat sich bei den Berliner Verkehrsbetrieben als

Schaffnerin beworben. Bei dieser Gelegenheit wurde ihr dieAufgabe gestellt einen Vortrag über das Thema »Der Obus -

ein Verkehrsmittel der Zukunft« zu halten. Der Bewerbung

wurde nicht stattgegeben. Der Wortlaut des Vortrages liegt

hier vor:

So ein Obus is ne feine Sache. Fährtuff Jummiräder und schuk

kelt deswejen nich so wie ne altherjebrachte Straßenbahn dieschienenjebunden is. Ein Obus is aus

weichbar - wie et inne Fachsprache

heißt. Und deshalb hat sich ooch unsre

Be-Vau-Je dazu entschlossen detjanzeStraßenbahnwesen langsam aba sicha

auszubauen und durch Obüsse zu aset

zen. Den ersten Schritt hat se jetan mit

den Obus 30 der im Berliner Osten

rum.kutschiert. Dafür hat se die Stra

ßenbahnlinie 65 injezogen wat mit det

Sparsamkeitsprinzip im Einklang zu

bringen is. Nu jibt et leida ville Arbei

ta die üba den Obus rummeckan. Diese muß ein enerjischet

Halt entjejenjeboten werden. Worüba rejen sich die Leute uff?

Sie sagen der Obus is ein langsamet Vehikel und die Be-Vau

Je will uns damit vascheißan - gelinde ausgedrückt: uffn Arm

nehmen. Wat is daran wahret? Et muß von Kreisen der Be-Va

Je zujejeben werden daß diesa ulkije Bus langsam fährt. Nu

Kollejen wat is dadran Schlimmet? Wer langsam fährt kommt

ooch zums Ziel. Oder: Wat lange fährt wird jut. Denn sagen

noch die Kollegen des der Obus so sehr stuckern . Dazu

möcht ick foljendet sagen: Obüsse müssen so sein weil sie

nämlich aufs Pflaster fahren während die Straßenbahn ihre

jleichjültigen Schienen hat. Ein Kollege hat sich sojar soweiterdreistet daß er foljendet ausjedrückt hat: »Et is schade um

denjanzen Draht den die Be-Vau-Je vaspannt hat. Und um denalten Eichen die se fürs Halten von den Draht entästet haben

dito.« Kollejen ick hab euch mal die janzen feindlichen Arju

mente uffjezeichnet damit ick ihr jleich am Boden zerstören

kann. Foljendet: Der Obus is eine jute Sache wenn ooch für

ihn das Arjument »Neue Obüsse kehren jut« nich stichhaltig is.

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Wo wir sind ist vorn

Aba - kommt Zeit kommt Draht - Verzeihung: Rat natürlich.

Inne Hauptstraßen ham wir Eisenmasten vawendet, nur in die

Nebenstraßen, wo sowieso keena so jenau hinkiekt, ham wa

alte hundertjährige Eichen vawendet. Und det Stuckern, Kollejen, hört mir ooch baldigst uff. Wenn ihr mal een Auge uff die

Wtlhelm-Pieck-Straße wirft, werd ihr sehen, des mit die Pflasterarbeiten bereits bejonnen wurde.

Jedenfalls steht so ville fest: Der Obus ist ein Verkehrsmittel

der Zukunft. Und wer inne Jejenwart noch lange rummeckat,

soll jefällichst die Straßenbahn nehm. Wenn die alladings -

wie im Fall von die 65 - injezogen is, denn hatta sich anje

schmiert. Ick jedenfalls danke die Be-Vau-Je für die Obus-In

richtung. Ick fahr nämlich jeden Tach sowieso nur U-Bahn.

Advent, Advent - ein Lichtlein brennt.

Kollege Klein hat s angemacht,und mit dem Lichtlein schleicht er sacht

zur LPG zum Lagerhaus,

dort holt er noch ein Lichtlein raus.

Ganz vorne glitzert weiß der Schnee,

und hinten brennt die LPG.Am Morgen kommt der ABV.

Er untersucht den Brand genau.

Und mittags kommt er zu dem Schluß,

daß dieser Brand gelegt sein muß.

Das war bestimmt Klein der Agent,

weil der die LPG gut kennt.

Doch diesmal hat er sich geirrt.

Der ABV den Fall entwirrt:

Denn die goldnen Zuckerrübensind draußen auf dem Feld geblieben,

erfroren zwar - doch nicht verbrannt,

gibt stolz die LPG bekannt.

Der Klein floh schnell nach Bielefeld

und wurde also nie gestellt.

Die LPG bekam nen Orden

Kreissieger wäre sie gewordenin schweren Klassenkampfmomenten

bei der Bekämp.fung von Agenten.dgar Külow

Greifvogel m t 3Buchstaben?ABV

5

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  6 o wir sind ist vorn- - • • ,. . · - . , · · · •• •  . }  f fJ .

Lothar Kusche

t r

Oder: Was Hemingway sagen wollte

Ernest Hemingways Erzählung »Der alte Mann und das Meer«

1952) ist nicht nur zum Lesen, sondern auch zum Interpre

tieren sehr gut geeignet. Ein alter kubanischer Fischer, seit

vierundachtzig Tagen ohne Beute, fängt einen Fisch, so groß,

wie er noch nie vorher einen Fisch gesehen hat. Der alte Mann,

allein in seinem Boot, besteht einen langen harten Kampf, zu-

erst mit dem großen Fisch und später, als er diesen getötet

und mühsam an seinem Boot festgebunden hat, mit den Haien.

Der alte Mann kämpft, so lange er kämpfen kann. Er unterliegt. Die Haie fressen seinen großen Fisch auf bis auf die

Gräten.

Es gibt viele Auslegungen und viele Ausleger. Der Berufs-Ana

lytiker starrt die Geschichte so lange an, bis sie, jedenfalls in

seinen Augen, durchsichtig, zu deutsch: transparent wird. Als-

dann gilt s, dem Dichter und seinen Lesern beizubringen, wel-

chen Sinn die Geschichte eigentlich hat, denn das, was »damit

gesagt werden sollte«, steht in den meisten Geschichten gar

nicht oder nur in verklausulierter Form drin.

Also was wollte Hemingway uns »mit seiner Erzählung sagen«?

Der kämpferische Mensch ist großartig: Er bietet den Haien die

Stirn, auch nachdem sein Messer kaputtgegangen ist. Der

kämpferische Mensch ist immer überlegen.

Die Haie sind den Menschen überlegen, besonders den alten

Männern. Diese retten vor den Haifischen höchstens mal ein

nutzloses Skelett. Kampf um des Kampfes willen .

.

In der Person des alten Mannes symbolisiert Hemingway den

kleinen Unternehmer, dem von den großen Konzernen alles

weggefressen wird.

Nicht in dem alten Mann, sondern in dem am Boot festgebun

denen Schwertfisch, den die Haie fressen, erblicken wir deut

lich den kleinen Unternehmer. Natürlich sind die Haie die

Konzerne, das versteht sich. Aber der alte Mann hat keinen

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  owir sind ist vorn

Symbolwert und ist in der Geschichte (oder Story, wie Heming

way solche Texte nannte) eigentlich überflüssig.

Die vorliegende Novelle idealisiert den wahren Individualis

mus: Der alte Mann, einer der ganz großen Einsamen, die ausziehen, um die Welt zu erobern (wie einst der bekannte Napo

leon oder der weniger bekannte Erfinder der Erbswurst) - indiesem Falle einen Fisch. Selbstverständlich ist in des alten

Mannes Boot kein Platz für ein Radio, weil ein Individualist

kein Radio braucht. Zumindest nicht beim Rudern

Die Erzählung kritisiert in scharfer

Weise den Individualismus, denn

sie zeigt uns deutlich, daß der mo

derne Ozean nur von einer kollekti

ven Fischwirtschaft genutzt werdenkann und nicht von irgendwelchen

einzelnen und noch dazu alten Män

nern.

Das Dichterherz des Verfassers

schlägt impulsiv für die Fische,

diese zeitlosen Ur-Kreaturen, wel

chen weder der alte Mann noch der

Mensch überhaupt und als solchervergleichbar ist. Dessen Geschick

ist von unbekannten Mächten im

voraus bestimmt, zu denen gewöhn

liche Leute niemals Zugang haben.

Das ganze Kämpfen ist Quatsch,

denn am Ende bleiben doch bloß ein

paar Gräten übrig.

Die Erzählung vom alten Mann auf dem Meer leitet eine neueEpoche im Schaffen des E. Hemingway ein. Der Autor bringt

nämlich erstmals zum Ausdruck, daß man auch Wasser

trinken kann. Diese Möglichkeit hatte E. H. in keinem seiner

bisherigen Texte erwähnt.

Die wundervolle Meerwasser-Novelle ist ein Loblied auf das

Bier Die Raffinesse des Verfassers: Er läßt seinen Helden

nur ein einziges Glas Bier trinken und dann in die fast end

lose a s s e r w ü s ~ e hinausgondeln, welch ein Kontrast Die

7

talinporträt aus derTagespresse 1953

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118 Wo wir sind ist vorn1   V - ' • • ' ' ~ w . . - v • - < .1 J - '

Opa Friedrich stehtmit einer amerikanischen Fahne ander Grenze undwinkt. Ein Grenzerstellt ihn zur Rede:»Opa was machstdu denn hier mitder amerikanischenFahne?«

»Ich warte auf dieAmerikaner.«

»Aber Opa jetzt im

ahr 1954? Dasgeht doch nicht. Im

übrigen scheinst duja dein Fähnchenlaufend zu wech-seln, denn ich erinnere mich gut:

1945 hast du mit

der roten Fahne inBerlin gestandenund auf die Russengewartet.«»Na und, sind sienicht gekommen?«

Geschichte könnte auch heißen »Der alte Mann und der

Durst«.

Hemingway wollte damit sagen, daß sich das Meer womög

lich rächt, wenn man ihm Fische entnimmt, um sie zu essen

oder einzusalzen, sowie, daß man gut tut, zum Fischen immer

ein bißchen Salz, eine oder zwei Zitronen und irgendwas mitzunehmen, mit dem Haifische rasch getötet werden können.

Mit seiner Geschichte wollte Hemingway die Weltöffentlich

keit nachdrücklich darauf hinweisen, um wie vieles besser es

den alten Männern in der DDR geht als denen im damaligen

Kuba.

»Also hömse ma ßu. Sie wudan sich imma in Ihre Ejenschaft

als Leiter von die Hausjemeinschaftsleitung, disse keen po

litijen Schwung in die Bude kriejen. Is doch keen Wunda,

Mann Sie ßiehn den Laden ja ooch ville ßu wenich jeistreich

uff Wennse ßum Beispiel ßu Meiern ausm dritten Stock

sagen: >Mein lieber Herr Meier, dürfte ich Sie recht herzlich

einladen zu unserer nächsten Hausversammlung? Wir haben

uns als Thema gestellt die Beschlüsse der Regierung zur Festigung des Friedens. Wennse so .komm, denn is doch klar,

daß Meier als Praktika gleich uff seine krittlosen Fenstan hin

weist und uff die vaßogne Stubentür. Dit müssense andas ma

chen. Beispielsweise so: >Guten Tag, Frau Mülla Näxten

Dienstach um achte hamwa wieda mal ne Vasammlung.

Thema: Unsa letzta Wassarohrbruch und der Bau des Assu

ahnstaudamms in Ejipten.< Denn sollnse ma sehn, wie se alle

anjetanzt komm. Dit is doch dit Wesentliche: imma im Zusam

menhang, Mann «»Vielen Dank auch, Herr Krause. Bei der Gelegenheit möchte

ich Sie dann gleich noch zu unserer nächsten Versammlung

einladen. Thema: Tibet, das Dach der Welt - aber auf unserem

Boden regnets durch «

ohn Stave

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Wo wir sind ist vorn

Achim Fröhlich

Kürzlich faßte ich unversehens in meine Herzgegend. Da durch-

zuckte mich ein eisiger Schreck. Es war kein Irrtum: Das Herzschlug nicht mehr Ich war tot, war gestorben, ohne daß ich

es bemerkt hatte.

Schnurstracks ging ich zu meinem Bestattungsinstitut.

»Zeigen Sie mir einen schönen, großen Sarg«, sagte ich be-

scheiden, »er ist für mich bestimmt; ich bin gestern verstorben.«

· - -

-

 

-- ?· - ---- - .iZ S 1 1--- •

· - • , r

- „-   .  

- --  -- -  - -- -  

Der Verkäufer sah mich entsetzt an und fiel ohnmächtig um.Danach rief ich meinen Chefredakteur an.

»Hallo« flüsterte ich mit Grabesstimme. »Sie werden kein einzi-

ges Manuskript mehr von mjr erhalten. Ich bin seit gestern tot.«

Da hörte ich am anderen Ende der Leitung ein schreckliches

Gurgeln. Aus

Dann inforn1ierte ich meine Wirtin über den Tod.

»Liebe Frau, nehmen Sie s nicht übel«, brummte ich, »aber ich

bin seit gestern verschieden.«

Die arme Frau bekam einen mittleren Schlaganfall.Anschließend ging ich zu all meinen Bekannten und teilte ihnen

mein Ableben mit - mit dem Ergebnis, daß sie alle von Nerven-

zusammenbrüchen, Ohnmachten lind Schockzuständen hinge

streckt wurden.

Zuletzt wanderte ich zu einem Mann, der die Mitteilung über

mein Dahinscheiden mit Fassung zu tragen wußte. Er sprach

die Hoffnung aus, daß sich meiner Beerdigung keinerlei

Schwierigkeiten in den Weg stellen möchten.

»Recht vielen Dank für Ihren Besuch«, sagte er zum Abschied•

Der Mann ist Sachbearbeiter beim Wohnungsamt.

119

Keene Bange ich bin

nicht abergläubisch.<<

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12

Als Stalin im Jen- : , "

seits den Zaren ·N:Ko-

lai trifft, ignoriert erihn natürlich. Doch

bei der zweiten Be

gegnung macht sichNikolai an ihn heranund sagt: »Ich weißschon, wir sind ei- .

gentlich Klassengegner, aber ich bin nachßO langer Zeit ·fach neugierig. Wie .:ist es denn jetzt in ·Rußland?«

»Sehr gut ist es «

antwortet Stalin.»Wirklich? Gibt'sdenn noch Sibirien? «

»Gibt's «»Gibt's auch noch die

Ochrana?«»Heißt jetzt et:Was „ ·anders, aber g i b t ~ s»Gibt's auch noch·, ·

Wodka?«

»Natürlich «

»Wirklich? Sechzigprozentigen? «

»Nein - bei uns 40Prozent «»Ach so ... Na ja, istauch nicht wenig.

Aber sag mal - .wegen clieseF 20 Rro-

• ,.... 1 =° ·

zen mußtet i r eineRevolution ma- ·chen? «

  953

1. Januar

3. Januar

7. Januar

15. Januar

23. Januar

25. Januar

30. Januar

4. Februar

4. Februar

1. März

5. März

14./15. März

21. März

27. März

1. April

1.April

9. April

1953

Ab sofort Erfassung aller Geschwulst-Erkrankungen im Nationalen Krebsregister, wichtig für Prophylaxe und For

schung .

Zum ersten Mal wird der Titel >>Meister des Sports<< verlie

hen.

Die ersten 70 Wohnungen der Stalinallee in Berlin werden

bezogen.

Verhaftung des Außenministers und stellvertretenden Vor

sitzenden der DDR-CDU, Georg Dertinger, unter dem Vor

wurf der Spionage.

DEFA-Filmpremiere >>Geheimakten Solvay<< in der Regie von

Martin Hellberg mit Wilhelm Koch-Hooge und Ulrich Thein.

Beginn der ersten gesamtdeutschen Mannschaftsmeister

schaften im Ringen in Hamburg.

Grundsteinlegung zum Neuaufbau Rostocks im Rahmen

des Nationalen Aufbauwerks.

Johannes R. Becher wird in Moskau mit dem >>Internatio

nalen Stalinpreis für die Festigung des Friedens zwischen

den Völkern<< ausgezeichnet.

Otto Grotewohl fordert vor der Volkskammer alle Werktätigen zu strenger Sparsamkeit auf.

Eröffnung der dritten >>Deutschen Kunstausstellung<< in

Dresden, die Werke des sozialistischen Realismus zeigen

soll.

Der 73jährige sowjetische Partei- und Regierungschef Josef

Stalin stirbt in Moskau an den Folgen eines Schlaganfalls.

Bei der ersten DDR-Hallenmeisterschaft der Frauen im

Faustball gewinnt die BSG Rotation Dresden-Mitte.

EineGruppe

vonAgenten wird

imCarl-Zeiss-Werk

Jenaverhaftet.

Gründung der Sportvereinigung Dynamo.

Der von Ernst Busch gegründete Musikverlag >>Lied der

Zeit<< wird zum Volkseigenen Betrieb VEB Deutsche Schall

platten.

Erstmals läuft im Fernsehen eine Kabarettsendung (mit

Gottfried Herrmann und lrmgard Düren .

Aufhebung der Rationierung von Schuhwaren und Texti

lien.

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Zeittafel 953

10. April

20. April

30. April

30. April

7. Mai

9. Mai

9. Mai

10. Mai

17.-24. Mai

23. Mai

28. Mai

9. Juni

16. Juni

Der DEFA-Film >>Die Unbesiegbaren<< hat Premiere ein Zeitpanorama über das Kaiserreich mit Erwin Geschonneck alsWilhelm Liebknecht Karl Paryla als August Bebel und HannsGroth als Kaiser Wilhelm II.

Der Arbeiterdichter Erich Weinert stirbt im Alter von 62 Jahren.

Erlaß der >>Verordnung über körperliche Erziehung der Schü-ler an den allgemeinbildenden Schulen<< Körpererziehungwird zum Hauptfach.

Stiftung des Karl-Marx-Ordens in der DDR für >>besondereVerdienste beim planmäßigen Aufbau des Sozialismus   .

Das Wohngebiet des Eisenhüttenkombinats erhält denNamen Stalinstadt.

Erste Eigeninszenierung des Deutschen Fernsehfunks: Büch-ners >>Der hessische Landbote<< mit Eduard von Winterstein

und Edwin Marian.Sieg der DDR in der Mannschaftswertung der FriedensfahrtTäve Schur auf Platz 3 der Einzelwertung.

Chemnitz wird aus Anlaß des 135. Geburtstages von Marxin Karl-Marx-Stadt umbenannt.

Ulrich Nitzschke erkämpft den Titel im Halbschwergewichtbei der Europameisterschaft im Boxen.

Am Berliner Ensemble hat >>Katzgraben von Erwin Stritt-

matter in der Regie von Brecht Premiere.

Der Ministerrat der DDR ordnet eine Erhöhung der Arbeitsnormen um 10 3 Prozent an.

Das Politbüro der SED berät Korrekturen und Rücknahmeeiniger Maßnahmen um mehr Rechtssicherheit und bessere Lebensbedingungen zu schaffen.

Bauarbeiter der Baustellen Krankenhaus Friedrichshain undStalinallee legen die Arbeit nieder und ziehen zum Haus

121

1.-Mai-Losung 1953:

»Brüderlicher Grußund Dank den Sow

jetärzten Vorwärtszu neuen Taten «

der Ministerien. duard von Weinstein

17. Juni Der Streik gegen die Normenerhöhung in Ost-Berlin weitet

sich aus. Über insgesamt 167 Städte und Landkreise wird

der Ausnahmezustand verhängt.

Fragt ein Amerikaner: >Warum haben die sowjetischen Truppenbeim Volksaufstand am 17. Juni 1953 interveniert und auf die streikenden Arbeiter geschossen?« Antwortet ein DDR-Bürger: »Weil

wir uns in unsere eigenen Angelegenheiten eingemischt liaben.«

21. Juni

. .

Das ZK der SED beschließt eine Kurskorrektur. Die Normenerhöhung wird zurückgenommen FahrpreisermäßigungErhöhung der Mindestrenten und Forcierung des Woh

nungsbauprogramms werden beschlossen.

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22 Zeittafel 9536i  . mim.:• iiillrl Mw w r ii wru .„„„ zwvrr n e·:z1·;u1m1ar;;;1"#'W MJISS d& 2

Gisela irkemeyer

Hilde enjamin

Lothar olz

25. Juni

28. Juni

1. JuliiJ   •

. .;

13.-19. Juli

15. Juli

24. Juli

24.-26. Juli

Die erste Ausgabe der Kinderzeitschrift FRÖSI erscheint, bis1955 alle 6 Wochen, dann monatlich.

Mit Heinar Kipphardts >>Shakespeare dringend gesucht<< hatin den Berliner Kammerspielen das erste satirische Zeitstück der DDR in der Regie von Herwart Grosse Premiere.

Die Stromsperren für Haushalte werden abgeschafft .

Bei Sommerspielen in Leipzig werden 15 DDR-Rekorde erzielt. Gisela Birkemeyer wird DDR-Meisterin im Hürdenlaufund holt sich diesen Titel ununterbrochen bis 1961.

Amtsenthebung von Justizminister Max Fechner, Nachfolgerin wird Hilde Benjamin.

Das Ministerium für Staatssicherheit wird dem Ministeriumdes Inneren als Staatssekretariat angegliedert, Minister Wilhelm Zaisser von Ernst Wollweber abgelöst.

Auf der 15. ZK-Tagung der SED wird der >>Neue Kurs<<

bestätigt. Hauptziel: Hebung des Lebensstandards. WalterUlbricht wird zum 1. Sekretär (bisher Generalsekretär) desZK gewählt .

.  -'

.. . . .

· r a g e ~ l{alln si:ch „ das Politbüro i r r ~ n ? · „ • . .

. :Antwort: Das Politbüro ·ist ·sehließlich arieli.nui ein Mensch. . ·;,,. .

. „

6. August Gründung der Nationalen Forschungs- und Gedenkstättender klassischen deutschen Literatur in Weimar.

14.-19. August Eine gesamtdeutsche Mannschaft belegt bei den Weltspielen der Gehörlosen und Taubstummen (Brüssel) Platz 1.

19. August Über 880 Yards erzielt Ursula Jurewitz in Budapest den ersten DDR-Weltrekord, der von der IAAF anerkannt wird.

21.-30. August Gustav-Adolf Schur gewinnt die 5. DDR-Radrundfahrt.

1. September In Erfurt nimmt das Pädagogische Institut in einem Neubaukomplex seine Arbeit auf, ab 1965 trägt es den Namen >>Dr

Theodor Neubauer<<.13. September Nikita Chruschtschow wird zum Ersten Sekretär des Zentral

komitees der KPdSU gewählt.

13. September Umfangreiche Preissenkung für Lebensmittel, Gebrauchswaren und Postgebühren: Brief 20 Pfennig, Postkarten 10Pfennig. Diese Gebühren gelten bis zum Ende der DDR.

29. September >>Wie wir heute arbeiten, so werden wir morgen leben <<überschreibt Frida Hockauf ihren Wettbewerbsaufruf. Sie istWeberin im VEB Mechanische Weberei und webt 45 Meterüber den Plan.

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Zeittafel 953

1 Oktober

2. Oktober

5 Oktober

6 Oktober

7 Oktober

7 Oktober

24 Oktober

Lothar Bolz NDPD wird Minister für auswärtige Angelegen

heiten.

Das Berliner Kabarett >>Die Distel<< stellt das erste Pro-

gramm vor.

Der Schriftsteller Friedrich Wolf stirbt.

Der Bildhauer und Grafiker Fritz Cremer erhält den Natio

nalpreis.

Einstimmige Wiederwahl Wilhelm Piecks zum Präsidenten.

Beginn der Sendereihe >>Aus unserer Wunschmappe<<.

Ministerrat beschließt die bis dahin umfangreichste Preis

senkung für Lebensmittel Genußmittel und Verbrauchs-

güter.

123

24 Oktober Der DDR-Keglerverband wird in den internationalen Sport-   riedrich olf

keglerverband aufgenommen.

24./25. Oktober Das ZK der SED beruft eine >>Zentrale Konferenz werktäti-

ger Frauen<< in Ost-Berlin ein. Verstärkt sollen Frauen für den

Arbeitswettbewerb gewonnen werden.

Was ist Kommunismus?

Wenn jeder von allem genug hat.

1 November In mehreren Städten kommt es zu Verhaftungen wegen Ver

dachts auf Augententätigkeit.

13. 19. November Franz-Schubert-Festwoche aus Anlaß des 125 Todesta

ges des Komponisten.

17 November In Güstrow wird die Ernst-Barlach-Gedenkstätte eröffnet.

25 November Aufhebung des lnterzonenpaßzwanges. Damit ist der Per

sonalausweis ausreichend für Reisen zwischen der Bundes

republik Deutschland und der DDR.

12 Dezember Gründung des VEB Sport-Toto.

13 Dezember Wilhelm Pieck gratuliert zum 5 Jahrestag der Pionierorga

nisation.

23 Dezember Der DEFA-Kinderfilm >>Die Geschichte vom kleinen Muck<<

in der Regie von Wolfgang Staudte hat Premiere.

28 Dezember Walter Ulbricht besucht die LPG Merxleben die erste am

8.6.1952 gegründete LPG.

1953 verlassen 331 390 DDR-Bürger das Land.

Sportler des Jahres:

Täve Schur wird bei der

erstmaligen Umfrage

der >>Jungen Welt<< po

pulärster Sportler.

Torschützenkönig der

Oberliga:

Harry Arlt vom

SC Einheit Dresden

mit 26 Treffern

neue Bücher:

Willi Bredel

>>Die Enkel<<

Anna Seghers

>>Der Bienenstock<<

Oberliga Plazierung

1953

1 Dynamo Dresden

2 WismutAue

3 Motor Zwickau4 Rotation Dresden

5 Stahl Thale

6 Motor Dessau

7 Turbine Erfurt

8 Chemie Leipzig

9 Aktivist Brieske-Ost

10 Empor Lauter

11 Lokomotive Stendal

12 Rotation Babels

berg13 Turbine Halle

14 KVP Vorwärts Leip-•

z g

Franz Fühmann

>>Die Fahrt nach

Stalingrad<<

Stefan Heym

>>Goldsborough<<

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124

\

Walter Felsenstein

954

1.Januar

7. Januar

Zeittafel 1954

Die letzten 33 Betriebe der Sowjetischen Aktiengesellschaf

ten SAG), mit Ausnahme der Urangruben Wismut-AG, wer

den an die DDR zurückgegeben und in Volkseigene Betrie

be VEB) umgewandelt.

Der Ministerrat der DDR bildet den >>Ausschuß für deutsche

Einheit<<, der bis 1965 existiert. Bildung des Ministeriums

für Kultur in der DDR, erster Minister wird der Schriftstel

ler Johannes R. Becher.

17. Januar Beschluß der sowjetischen Führung, ab sofort 1600 wegen

Kriegsverbrechen verurteilte Häftlinge aus DDR-Gefäng

nissen zu entlassen.

22./23 . Januar 17. Tagung des ZK der SED: Parteiausschluß von Wilhelm

Zaisser und Rudolf Herrnstadt ihre Funktionen als Staatssicherheitsminister und Chefredakteur des Neuen Deutsch

land hatten sie bereits nach dem 17. Juni 1953 verloren).• -.·. \ · . ' • : . . . . ,,. .

. .r • • ., •.• ;;-  

E a r t e i ~ c l i lmgrDer Redrte: sclitieß.li1 s.eirr Reietat: ~ U n o .atll ·FIOn- · :· zont zeichnet sichn er:eits d e u l i c h q ~ o m k i s m u s a Ein. · . , ·. etwas:uribeaarlter  Ge.nosse   ä g t H a e iin ~ l i k : Ö n Uiiter ··... · ·.. > H o r i z o n t « nacl}.: >>Eme g e ~ ~ ~ .. :e'näliermn   ·scheinbar

kommt, · g h o ~ e b e n d e   Bzaj   · .· sich vom Betracliter1« :. · · ' ·: , · : , . : • •· . ' ~ .·· .· ' . · • • • • •• • , > . · . . · ...

. '. . •   : - . . • o. iP.: ·,.. ..- · · ~ ~ , ~ - ~ . , . ' . ~ ~ ~ - - - · · : ; \ -: : „ .„ . . „.. ·- . . ,t .,  • '

27.-31. Januar Austragung der 1 DDR-Meisterschaften im Bobsport in

Oberhof.

4.-7. Februar Die 1 DDR-Meisterschaften im Rodeln in Oberhof.

25. Februar Premiere von Mozarts >>Zauberflöte<< in der Inszenierung

von Walter Felsenstein an der Komischen Oper.

7. März

9. März

19. März

24. März

Eröffnung des >>Hauses der Jungen Talente<< im Podewil

schen Palais in Berlin durch Friedrich Ebert.

DEFA-Filmpremiere >>Ernst Thälmann - Sohn seiner Klasse<<

in der Regie von Kurt Maetzig. Thälmanndarsteller ist Gün

ther Simon. Der biographisch-historische Film endet mit

dem Hamburger Aufstand 1923.

Das Berliner Ensemble zieht in ein eigenes Haus, das Thea

ter am Schiffbauerdamm. Eröffnung mit Molieres >>Don

Juan<< in der Bearbeitung von Bertolt Brecht. Regie: Benno

Besson. Hauptdarsteller: Erwin Geschonneck.

Erklärung des Ministeriums für Kultur >>Zur Verteidigung

der Einheit der deutschen Kultur<<.

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Zeittafel 954

25. März Die Sowjetunion erklärt die Souveränität der DDR und

nimmt mit ihr die gleichen Beziehungen auf wie mit ande

ren souveränen Staaten.

30. März-6. April Der IV Parteitag der SED gibt sich ein neues Statut. Die

Mitgliedschaft währt lebenslang, nur ein Parteiausschluß

beendet sie. Walter Ulbricht wird als Erster Sekretär des ZK

bestätigt.

Was ist Sozialismus? .1

 

Sozialismus ist die Gesellschaftsordnung welche lahlend vers11cht• -<o· • • „ .

mit Problemen fertig zu werden die .es ·ohne Sozialismus gar nichtgeben würde. · · · · · 

1. April

7. April

21. April

21.April

22. April

29 .April

Die Reparationszahlungen an die Sowjetunion werden er

lassen.

DieBundesregierung

undder Bundestag lehnen die Anerkennung der DDR ab und stellen den Alleinvertretungsan

spruch der Bundesrepublik fest.

Die Volkskammer stiftet den >>Vaterländischen Verdienst

orden<<.

Eröffnung der wiederaufgebauten, kriegszerstörten Berli

ner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz mit Schillers

>>Wilhelm Tell<< .

Alfred Spengler stellt in Dresden über 400 m Lagen den er

sten Weltrekord für den Schwimmsport der DDR auf.

DEFA-Filmpremiere >>Kein Hüsung<< von Artur Pohl über das

Leben einer mecklenburger Bauernfamilie im 19. Jahrhun

dert. Drehbuch: Ehm Welk.

1. Mai Die Maidemonstrationen finden erstmalig unter Teil

nahme der >>Kampfgruppen der Arbeiterklasse<< mit der

1. Juni

6./7. Juni

9. Juni

17. Juni

Losung >>Bereit zur Arbeit und zur Verteidigung der Hei-   hmWelk

mat<< statt.

Gründung der >>Deutschen Lufthansa<<, 1958 in lnterflug<<umbenannt.

II . Deutschlandtreffen der Freien Deutschen Jugend in

Berlin.

Der im Januar 1953 verhaftete DDR-Außenminister Georg

Dertinger CDU) wird wegen >>Verschwörung zum Sturz der

DDR<< zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. 1964 wird er

begnadigt.

Erstmals wird in der Bundesrepublik Deutschland der >>Tagder deutschen Einheit<< als gesetzlicher Feiertag begangen.

25

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7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1953 - 1954

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  26 Zeittafel 954•

erhard Klein

i

/f•

Kurl: tern

27 .- 29. Juni Bei einer Volksbefragung zum >>Friedensvertrag oder EVG

entscheiden sich 93 5 Prozent der gültigen Stimmen für

einen Abzug der Truppen und den Friedensvertrag.

7 -11. Juli Am 1. Evangelischen Kirchentag in Leipzig nehmen 60 000

Besucher teil.

23. Juli Der bisherige Präsident des BundesverfassungsschutzesOtto John gibt in einer Rundfunkansprache aus Ost-Berlin

seinen Wechsel in die DDR bekannt.

wa.s:· tst m i r ~ t l ~ n .·· · ... .· ··.· · , ··· : ·.·. ,, •·  ; \ .. ··. ..: ·  e. : : ; .

··Derftiedlicb e t l » e r ~ a n g v c > m S Ö z i ~ s x n u s z i 1 m K a p i t ä l i s m a s ..· ... < ·. „·.· .„ ,   •. ' ' ' '> ' ' . . ' ' · ; : :· · .· ' ' ' .   .: ' ' . ' .. ·  _: :,:· J;:

24.-25. Juli

24.-25. Juli

Die ersten DDR-Meisterschaften im Kunstreigenschwim

men finden in Magdeburg statt.

In beiden Teilen Berlins findet der >>Deutsche Kulturtag<<

statt. Die gefaßten Beschlüsse für die gesamtdeutsche Kul-turarbeit werden von den Regierungen der BRD und der

DDR bestätigt.

31. Juli-8. August XII. Akademische Sommerspiele in Budapest. DDR-Sport

ler bringen 14 Gold- 7 Silber- und 6 Bronzemedaillen nach

Hause Ursula Jurewitz läuft über 400 mWeltrekordzeit.

4. August Die Volkskammer bestätigt das >>Gesetz zur Pflege und

zum Erhaltung der heimatlichen Kultur<<.

5. August Ab sofort dürfen DDR-Bürger nur noch 12 Pakete jährlich

in den Westen senden und genauso viele erhalten. Be

stimmte Mengen- und Inhaltsbeschränkungen werden vor

gegeben.

19.-22. August Erstes Deutsches Turn- und Sportfest mit 35 000 Teilneh

mern darunter 5 000 aus der BRD und Westberlin in Leip-

27. August

27. August

29. August

•z1g.

DEFA-Filmpremiere >>Alarm im Zirkus<< von Gerhard Klein

über den Pferdediebstahl im Berliner Zirkus Barlay.

Beschluß des Magistrats von Berlin den verwildertenSchloßpark Friedrichsfelde in einen Tierpark umzuwandeln.

Zum ersten Mal nach Kriegsende findet wieder der tradi

tionelle Brockenlauf statt.

12. September Premiere des ersten eigenproduzierten Films des DDR-Fern

sehens >>Ti Iman Riemenschneider<<.

24. September DEFA-Filmpremiere >>Stärker als die Nacht<< Regie Slatan

Dudow Drehbuch Jeanne und Kurt Stern ein Film über

menschliches Verhalten im NS-Alltag.

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7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1953 - 1954

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Zeittafel 954; • „ f •21 111 7 S

6. Oktober Heinrich Mauersberger der Erfinder der Malimo-Technolo

gie erhält den Nationalpreis.

7. Oktober Deutsche Erstaufführung >>Der Kaukasische Kreidekreis<<

von Bertolt Brecht am Berliner Ensemble.

11. Oktober Der auf der Neptun-Werft als Reparationsleistung gebau

te 3000-Tonner >>Rostock<< bleibt in DDR-Besitz nachdemdie Sowjetunion auf weitere Reparationen verzichtet hat.

17. Oktober Wahlen zur 2. Volkskammer mit einer Wahlbeteiligung von

98 4 Prozent und 99 46 Prozent Zustimmung.

1. November Die Volkspolizei erhält grau-grüne Uniformen..

Zwei V o l k s p l i Z i s t e n laufen S t r e f e ~0

' . . .  ;:

.' · ~ · _ .  

»Guck mal«, sagt der eine »ein toter Vögell« · · · . :

Der andere blickt nach oben UBä fragt: »Wo?«

·,; .

._, ...

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13. November Aufruf des neugegründeten >>Zentralen Ausschusses für

Jugendweihe<< an Eltern und Erzieher zur Einführung der

Jugendweihe in der DDR.

21. November Auf der Jugendschanze in Oberhof wird erstmals auf Kunst

stoffmatten gesprungen.

7. Dezember In Leuna wird in einer Versuchsanlage Polyäthylen ein

Kunststoff auf Erdölbasis erzeugt.

9. Dezember DEFA-Filmpremiere >>Carola Lamberti - eine vom Zirkus<<

mit der weltberühmten Stummfilm-Diva Henny Porten in

der Hauptrolle.

10. Dezember Aufnahme der Zentralen Sektion Judo der DDR in die

Europäische Judo-Union in Brüssel.

25. Dezember Die DEFA-Literaturverfilmung >>Pole Poppenspäler<< nach

Theodor Storm hat Premiere Regie Artur Pohl.

30. Dezember Edith Keller-Herrmann gewinnt das Große Internationale

Schachturnier in Hastings.

1954 verlassen 184 198 DDR-Bürger das Land.

Sportler

des Jahres:

Bei der Umfrage der

>>Jungen W elt<< wird

Gustav-Adolf Schur

zum Sportler des Jahres•

gewählt.

Torschützenkönig der

Oberliga:

Heinz Satrapa von der

BSG Wismut Aue und

Siegfried Vollrath vom

SC Turbine Erfurt mit

jeweils 2 Treffern

neue Bücher:

Georg Lukacs

>>Die Zerstörung der

Vernunft<<

lnge von Wangenheim

>>Auf weitem Feld.

Einneru ngen

127

Oberl iga-Plazier:ung

1954

1. Turbine Erfurt

2. Chemie Leipzig

3. Dynamo Dresden

4. Wismut Aue

5. Rotation Babels-

berg .6. Aktivist Brieske-Ost

7. Rotation Dresden

8. Turbine Halle

9. Empor Lauter

10. Fortschritt Meerane

11. Motor Zwickau

12. Einheit Ost Leipzig

13. Lokomotive Stendal

14. Motor Dessau

Arnold Zweig

>>Die Feuerpause<<

Bodo Uhse

>>Die Partrioten

Wolfgang Schreyer

>>Unternehmen Thunder

storm<<

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  28 Rechte

Nachweise

Die Karikaturen stammen von

Ulrich Amtage: 82; Horst Alisch: 25 47, 55 73 u. r.; Günther Bar

kowski: 99 o.; Walter Bedau: 8 Titelseite der Schweriner Zeitung,

1954); Heinz Behling: 29; Kurt Bienias: 111; Karl-Heinz Birkner: 13;

Herbert Böhnke: 59; Gerhard Bräuer: 54; Peter Dittrich: 20 27 35,

42, 53, 114, 119; Erich Goldmann: 101; Christian Heinrich: 77 98

105; Kurt Herzog: 63; Kurt Klamann: 33 71 73 o. r. und u. 1. 75 7981 87 o.; Harald Kretzschmar: 121, 122, 123, 124, 125, 126; Harri

Parschau: 40 SO 51 85, 87 u. 89, 91 97, 99 u.; Gerhard Radestock:

103; Louis Rauwolf: 61; Rudi Riebe: 65; Vtlmar Riegenring: 31; PaulRosie: 17; Heinz Scheffler: 117; Kurt Schote: 15; Karl Schrader: 95,

107; Georg Wtlke: 43, 67 113

Für die freundliche Genehmigung zum Abdruck danken wir den

Autoren, Zeichnern und Erben. Nicht in allen Fällen ist es uns gelun

gen, Rechteinhaber und Rechtsnachfolger zu ermitteln. BerechtigteHonoraransprüche bleiben gewahrt.

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eim arte es Propheten

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