Denkmal gegen Gewalt auf der - annette-krauss.de2017-10-8 · LittleFeat.„LookFor Me Baby“...

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KULTUR DK Nr. 158, Mittwoch, 12. Juli 2017 19

Am Abgrund„Draußen vor der Tür“: Beklemmende Aufführung im Metropoltheater

Von Hannes S. Macher

München (DK) Die Wellenhaben ihn ans Ufer der Elbe ge-spült. Beckmann, der jungeKriegsheimkehrer, der ins Was-ser gegangen ist, da er mit sei-nem Leben nach all den grau-enhaften Erlebnissen „auf demSchlachtfeld der Ehre“ nichtmehr zurechtgekommen ist.Zudem verzweifelte er an derErkenntnis, dass die Nach-kriegsgesellschaft von derKriegsschuld und den damitverbundenen Gräueltatennichts mehr wissen will. Der dieWahrheit und ein Schuldbe-kenntnis einfordernde MoralistBeckmann bleibt Außenseiter.Ein Outcast in dem langsamwieder prosperierenden Nach-kriegsdeutschland.In dreifacher Gestalt steht

dieser Beckmann als geschun-dene und restlos kaputte Figurnun im düsteren Licht auf dernur mit einer leeren Öltonnebestückten Bühne des Münch-ner Metropoltheaters. Ein an-klagendes Opfer als mahnen-des Sinnbild gegen Krieg, Völ-

kermord und jegliche Art vonstaatlich verordneter Aggressi-on.In nur acht Tagen schrieb

Wolfgang Borchert dieses Dra-ma „Draußen vor der Tür“, zu-nächst als Hörspiel. Am 21. No-vember 1947, einen Tag vor derUraufführung in Hamburg,starb er, 26 Jahre alt, und hin-terließ ein aufwühlendes The-aterstück, das in den folgendenJahren auf allen deutschspra-chigen Bühnen und darüber hi-naus auf vielen Bühnen in Eu-ropa und Übersee zur Auffüh-rung kam. Ein Schauspiel, dasdas Publikum der Kriegs- undNachkriegsgeneration zumNachdenken über Ursachenund Folgen von kriegerischenAuseinandersetzungen nach-drücklich animierte.„Ein Mann kommt nach

Deutschland“, so lautet der ers-te Satz dieses Anti-Kriegsdra-mas, und dieser Mann ist Beck-mann, der die Verantwortungfür den Tod von 20 ihm un-terstelltenSoldatendemOberst,der ihm den Einsatzbefehl er-teilt hat, zurückgeben möchte.

Doch dieser weist jeglicheSchuld barsch von sich. Kriegist Krieg, da sind Opfer zwangs-läufig einzukalkulieren. Dazumuss Beckmann auch nochreichlich frustriert und er-schüttert feststellen, dass seineFrau seit seiner Abwesenheitmit einem anderen Mann zu-sammenlebt, dass sein Kindverstorben ist und seine Elternauchnichtmehr amLeben sind.Welchen Sinn hat für ihn da-her noch das Dasein in dieserWelt?Mit expressionistischem Fu-

ror haben sich Nora Schulte,Philip Lemke und Philipp Ro-senthal, drei verheißungsvolleStudenten des StudiengangesSchauspiel der Theaterakade-mie August Everding, sowohl alsRegisseure als auch als Dar-steller auf dieses Drama ge-stürzt, das in dieser intensivenAufführung ungemein berührt.Wenngleich es bisweilen etwasschwierig zu erkennen ist, wel-cher dieser drei Akteure ab-wechselnd in die Rolle desBeckmannunddessenFrau, desOberst, des Theaterdirektorsund all der anderen Figuren ge-schlüpft ist, so ist diese Neu-inszenierung doch höchst be-klemmend. Vor allem weil dieaktuellen Bezüge zur Zerstö-rung der Seelen durch Krieg,Flucht, Vertreibung und Asylnicht plakativ, sondern sehr be-hutsam eingebaut sind.Eine Aufführung, die den Bo-

gen von den psychischen Nar-ben eines Soldaten im 2. Welt-krieg zu den gegenwärtigen Er-eignissen zwischen den mör-derischen Ereignissen in Syrienund den geplatzten Hoffnun-gen vieler Flüchtlinge in denAsylbewerberheimen spanntund diese überzeitlichen Prob-leme von existenzieller Not ein-drucksvoll aufzeigt.

Weitere Vorstellungen am 13. und14. Juli sowie vom 8. bis 11. August.Kartentelefon (089) 32 19 55 33.

„Ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehenwill“: Nora Schulte und Philip Lemke im Metropoltheater. Foto: Turmes

Kulturpreis gehtan Mark AndreBonn (KNA) Der deutsch-

französische Komponist MarkAndre erhält den mit 25 000 Eu-ro dotierten „Kunst- und Kul-turpreis der deutschen Katholi-ken“. Das haben der Vorsitzen-de der Deutschen Bischofskon-ferenz, Kardinal ReinhardMarx,und der Präsident des Zentral-komitees der deutschen Katho-liken (ZdK), Thomas Sternberg,in Bonn bekannt gegeben. Diehöchste Auszeichnung der ka-tholischen Kirche auf dem Kul-tursektorwirdam27.Novemberin der Propsteikirche in Leipzigverliehen. In ihrem Votum wür-digt die Jury, dass Mark AndresKompositionen „motivisch auseinem explizit christlichen Be-kenntnis“ schöpfen.

Ein HöhepunktDie Honey Island Swamp Band in Ingolstadt

Von Karl Leitner

Ingolstadt (DK) New Orleansist ein Schmelztiegel, ein Mel-ting Pot. In der Stadt treffenverschiedene Bevölkerungs-gruppen aufeinander, was alsKonsequenz eine musikalischeVielfalt zur Folge hat, die bei-spiellos ist. Im Kleinen gilt diesauch für die Honey IslandSwamp Band, wobei es bei demQuintett, das an diesem Blues-festabend die Neue Welt imSturm erobert, aber weniger umEthnien als um Sounds undSpielformen geht.Ist „Gone“ gleich zu Beginn

typischer Southern Rock nachArt von Lynyrd Skynyrd, erin-nert „Sophisticed Mana“ gleichdarauf schon allein der ver-zwickten Rhythmik wegen nachLittle Feat. „Look For Me Baby“basiert auf einem Motiv von El-more James und ist somit reinerBlues, „Through Another Day“klingt wie gerade eben aus demMorast der Sümpfe Louisianasgezogen, der „Head High WaterBlues“ thematisiert die Erfah-rungen der Stadt mit unkont-rollierbaren Wassermassen.„How Do You Feel“ wiederumhört sich an wie die Stones derÄra von „Exile On Main Street“und ab und zu fühlt man sichals Zuhörer wie in einer Hän-gematte, das Laissez-Faire All-man Brothers Band im Ohr, diegerade mal wieder die Erdan-ziehung ignoriert und flirrenddavonschwebt.Die Honey Island Swamp

Band bedient sich bei vielenBands, Stilrichtungen undSounds, macht aber dennochihr eigenes Ding. Und das mitBravour. Nachdemdie ersten 20Minuten des Konzerts eher ver-halten ablaufen, dreht sieenorm auf, schaltet um auf denModus „Akustische Dampfwal-ze“, stampft, donnert undgroovt durch ihr Programm,dass es einen an die Wanddrückt. Vor allem nach der Pau-

se kommen die Songs, die dasKonzert so einzigartig – ja aucheinzigartig sogar im Vergleichzum restlichen bisherigen Pro-gramm des Bluesfests 2017 –machen. „Devil’s Den“, „CaneSugar“, das überragende „NoEasy Way“ mit diesem unwi-derstehlichen Titelmotiv, „Go-ing Down The Road“ ganz zumSchluss.Diese Band gleicht einem

Hochleistungsmotor, der wieperfekt geschmiert läuft undaußerdem über einen Soundverfügt, der süchtig macht.Stellenweise hebt sie regelrechtab, reißt einenunwillkürlichmitfort. Sam Price und GarlandPaul an Bass und Drums gebenden Puls vor, Aaron Wilkinsonschreibt diese wunderschönen,griffigen Songs, als exzellenteSolistenbrillierenChrisMuléalslegitimer Nachfahre von DuaneAllman, den er auch ausgiebigzitiert, und Chris Spies an denKeyboards, dem man seineHerkunft vom Jazz angesichtsseiner wieselflinken und herr-lich schrägen Soli anmerkt.War das nun der Höhepunkt

des diesjährigen Bluesfests?Trotz der tollen Festivalauftrittevon Delta Moon, Guitar Shortyund Big Daddy Wilson an glei-cher Stelle? – Man soll mit solchabsoluten Aussagen ja vorsich-tig sein, aber es sieht doch ir-gendwie ganz danach aus.

Einzigartig: Chris Spies (Piano)und Gitarrist Chris Mulé. Foto: lei

Denkmal gegen GewaltDas NS-Dokumentationszentrum München zeigt den Grafik-Zyklus „Wie ein Totentanz“ von Alfred Hrdlicka

Von Annette Krauß

München (DK) Den national-sozialistischen Todeskult stelltder Wiener Künstler AlfredHrdlicka auf einer Grafik wiefolgt dar: Rechts leuchten ausschwarzen Flächen der glän-zende Stahlhelm eines Soldatenund der weiße Rauch der Op-ferschalen auf dem MünchnerKönigsplatz. Und in der linkenBildhälfte werdenNackte in denschwarzen Schlund eines Ofensgeschoben und rauchenschwarz die Schornsteine derLager. „Aus den Statisten derWeihefestspiele waren Henkergeworden“, kommentiert derKünstler seine Grafik aus demZyklus „Wie ein Totentanz – DieEreignisse des 20. Juli 1944“.Winfried Nerdinger hat dieseGrafiken jetzt für die Dauer ei-ner Ausstellung in das NS-Do-kumentationszentrum geholt.Er liest diesen Zyklus auch als„kritischen Kommentar zurdeutschen Erinnerungspolitik“.Alle Exponate sind Leihgabenaus dem Museum Morsbroichin Leverkusen und erstmalskomplett inMünchenzusehen.Der überzeugte Kommunist

Hrdlicka, 1928 inWien geboren,wo er Malerei, Druckgrafik undBildhauerei studierte, setzt sichin diesen 53 Blättern mit denWurzeln, den Auswüchsen undden Folgen des Militarismusauseinander. Und er tut es aufeine zugleich drastische undkunstvolle Art und Weise. DennHrdlicka ist ein Meister der Ra-dierkunst, seine Arbeiten geltenalsHommageandieKunst einesFranciscoGoyaundOttoDix. Sodunkel wie die Thematik, dieHrdlicka auswählte, ist auch invielen Fällen die Szene gestaltet.Das beginnt bereits mit demersten Blatt „Casanova am HofFriedrichs des Großen“. Erzäh-lerisch breitet der Künstler aus,

wie ein Bediensteter mit derZahnbürste einen unvollständiggereinigten Nachttopf des Kö-nigs reinigen muss – und stelltdamit den Kadavergehorsambloß, der in Preußen begründetwurde und sich in der national-sozialistischen Ideologie fort-setzte. Somit gelingt esHrdlicka,ein Gegenbild zu schaffen zudem Flöte spielenden König beiKerzenschein, wie ihn AdolfMenzel 1852dargestellt hatte.Das Kernthema des Zyklus ist

jedoch das Attentat auf Hitleram 20. Juli 1944 durch die Ver-schwörer um Claus Schenk Grafvon Stauffenberg und die Hin-richtung der Widerstands-kämpfer. Blätter wie „Alltag inPlötzensee“ und „Acht Zigaret-ten pro Hinrichtung“ zeigen dieFleischerhaken, an denen dieMänner aufgehängt und lang-sam durch Stahlseile strangu-liert wurden. Das Grauen dieserHinrichtung und die Würdelo-sigkeit, mit der man die entklei-deten Männer zusätzlich be-strafte, hat Hrdlicka scho-nungslos und drastisch darge-stellt. Wie gründlich er für jedeSzene recherchiert hat, belegendie ausführlichen Kommentarezu jedemBlatt, die sowohl inderAusstellung aushängen als auchim Katalog zitiert werden. Bei-des zusammen bildet einDenkmal aus Papier gegen Mi-litarismusundGewalt.Alfred Hrdlicka starb 2009 in

Wien. Bekannt wurde er alsBildhauer durch sein MahnmalgegenKrieg undFaschismus aufdem Albertina-Platz in Wiensowie durch sein unvollendetgebliebenes „Gegendenkmal“am Bahnhof Dammtor in Ham-burg.

Bis 27. August im NS-Dokumentati-onszentrum München, BriennerStraße 34. Geöffnet dienstags bissonntagsvon10bis 19Uhr.

Mit Papier gegen den Militarismus: In den drei Grafiken reflektiert Alfred Hrdlicka unter dem Titel „Wie einTotentanz“ das Attentat auf Hitler 1944 und die Hinrichtung der Widerstandskämpfer. Foto: Hrdlicka-Archiv

Bekenntnisauf derBühne

Augsburg (epd) Theater imBürgerbüro: In Augsburg hat andiesem Freitag das Bürgerbüh-nenstück „Fromm und Frei –Augsburger Bekenntnisse“ Pre-miere. Darin berichten Bürgerunterschiedlicher Konfessio-nen und Religionen über ihrenGlauben. „Wir wollten im Lut-herjahr mit der Bürgerbühneein Stück zum Thema Beken-nen aufführen“, sagte Regis-seurin Susanne Reng vom Jun-gen Theater Augsburg.Spielort ist das Bürgerbüro

Stadtmitte in Augsburg. Dortzeigen die Laienschauspielerinsgesamt neun Szenen, in de-nen sie darüber Auskunft ge-ben, welche Rolle Glaube undReligion in ihrem Leben spie-len. Die Zuschauer wandern beider Aufführung durch das ge-samte Verwaltungsgebäude –vom Erdgeschoss bis in denneuen Stock.Das Stück gehe dabei unter

anderem der Frage nach, wieMenschen unterschiedlicherReligionen friedlich zusammenleben können, sagte Reng. Soerörterten die Schauspieler et-wa in der letzten Szene ge-meinsam das Thema: „Kom-men wir alle in denselben Him-mel?“

Nürnbergsagt ab

Gera/Chemnitz (dpa) DerGeraer Traum von der Kultur-hauptstadt Europas 2025 istnach kurzer Zeit geplatzt. DieStädte Nürnberg und Chemnitzteilten auf Anfrage mit, dass siekein Interesse an einer gemein-samen Bewerbung haben, dievon Geras Oberbürgermeiste-rin Viola Hahn (parteilos) an-geregt worden war. „Eine Kul-turhauptstadt muss im wahrs-ten Sinne des Wortes eineHauptstadt sein, in der sich dieöffentliche Aufmerksamkeit fo-kussiert“, teilte eine Sprecherinder Stadt Chemnitz gestern mit.Aus Nürnberg hieß es, die Kri-terien der Kulturhauptstadtbe-werbung schlössen eine ge-meinsameBewerbungzweier soweit voneinander entfernterStädte aus. Hahn hatte für dieBewerbung eine Kooperationmit Nürnberg undChemnitz insGespräch gebracht – beideStädte bewerben sich einzelnum den Titel.

Leighs Nachlasswird versteigertLondon (dpa) „Vom Winde

verweht“: Die private Samm-lung der Hollywood-Ikone Vi-vien Leigh (1913–1967) wirdEnde September in Londonversteigert. Das AuktionshausSotheby’s bringt Gemälde,Schmuck, Roben, Bücher, Mö-bel, Porzellan und Kunsthand-werk aus dem einstigen Besitzdes Filmstars unter den Ham-mer. Dazu gehört auch Leighspersönliches, in rotes Leder ge-bundenes Filmbuch des legen-dären Streifens „Gone with theWind“ („Vom Winde verweht“).Mit dem Kultfilm aus dem Jahr1939 wurde Leigh berühmt.