Einführung in die Erkenntnistheorie · 1 Einführung in die Erkenntnistheorie Prof. Dr. Martin...

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EinführungindieErkenntnistheorie

Prof.Dr.MartinKusch<martin.kusch@univie.ac.at>

Nachholvorlesung:Samstag26.01.201913.00-14.30hHörsaal3D,NIG

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Teil1:vanFraassenzuRevolutionen,EmpirismusundHaltungen

(1)KritikderMetaphysik

(2)  Empirismus

(3)  Voluntarismus

(4)  Revolutionen(5)  Relativismus

Teil2:RelativismusalsDoktrinoderHaltung

(1)  Relativismus,Absolutismus,Empirismus,Metaphysik

(2)  WasnütztdieHaltung-Konzeption?

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§  EineHaltungbestehtaus„VEPPs“undÜberzeugungen:

(1)  Values(Werte)(2)  Emotions(Gefühle)(3)  Policies(Leitfäden)(4)  Preferences(Präferenzen)

(5)  Beliefs(Überzeugungen)

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„Voluntaristische“Erkenntnistheorie§  VoluntarismusistdieAnsicht,dass

(I)  unserewissenschaftlichen&phil.HaltungendurchdiePrinzipienderRationalitätunterbestimmtsind;und

(II)  diekorrekteTheoriederepistemischenRationalitätnicht„objek-tivierend“—d.h.deskriptiv-explanatorisch—seindarf.

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Teil1:vanFraassenzuRevolutionen,EmpirismusundHaltungen

(1)KritikderMetaphysik

(2)  Empirismus

(3)  Voluntarismus

(4)  Revolutionen(5)  Relativismus

Teil2:RelativismusalsDoktrinoderHaltung

(1)  Relativismus,Absolutismus,Empirismus,Metaphysik

(2)  WasnütztdieHaltung-Konzeption?

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(a)Voluntarismus,wissenschaftlicheRevolutionenundRelativismus§  MehralseineAlternativeistrationalerlaubt.Esgibtnichtdieeine

Entscheidung,die„rationalerzwungen“ist.

§  Rationalität(qualog.Konsistenzundprobab.Kohärenz)wichtig,aberdieEntscheidungistnicht„reintheoretisch“sondernauch„praktisch.“

§  Entscheidungaufgrundvonversch.Werten(Genauigkeit,Konsistenz,Weite,Einfachheit,Fruchtbarkeit...)u.versch.Haltungen.

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(b)Voluntarismus,philosophischeHaltungenundRelativismus§  LetztendlichentscheidenunsereWerte,welcheHaltungenwirakzep-

tieren.UndesgibtkeineabsolutrichtigeAbwägungderWerte.

§  Aberdasheißtnicht,dassmanüberWertenichtauchvernünftigdis-kutierenkann.NurohnedieGewissheitrichtigzuliegen.

§  Zuurteilen,worübersicheineDebattelohnt,istauchselbstwiedereinWerturteil.Esstehtnichteinfürallemalfest.

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§  Kein„PrinzipderToleranz“!vFwilldieMetaphysiknichttolerieren.Ap-

pellangeteilteWerte:Lohntessich,hiermitseinLebenzuverbringen?§  „...wahrhafte,bewussteReflektionaufalternativeÜ-en,Orientierun-

gen,Werte–ineinemoffenenundundogmatischenGeist–...

§  ...führtnichtautomatischdazuführt,dassdieeigenenBindungenun-

terminiertwerden.“(2011:156)

§  DasmagRelativismussein,aberesistkein„lähmenderRelativismus“.

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(c)KritikundKorrektur§  VerlangtVOLzuviel?Konsistenz?

§  Klass.Logik:„PrinzipderExplosion“:excontradictionequodlibet:ausdemWiderspruch„A&-A“folgtallesundjedes.Daherzuvermeiden!

§  Aberdasgiltnichtin„parakonsistenter“Logik.„Para-“heißthiersovielwie„jenseits“.DannsindaberWidersprüchenichtsoproblematisch!

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§  vF:G.PriesthateineandereLogikals„wir“.Aber auchmitseinerLogikgibtes„Selbstsabotage“.§  Stimmt!

§  AbernachPriestmussKonsistenzimmerimKontextunsereranderen(epistem.)Wertegesehenwerden.

§  Werte„allthewaydown“?

GrahamPriest(1948-)

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PrinzipienderLogikundWahrscheinlich-keitstheorie

MinimaleRationalität

Haltung1 Haltung2

PrinzipienderLogikundWahrscheinlich-keitstheorie

RadikalerVoluntarismus

VEPPs&Üs VEPPs&Üs

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UniversalePrinzipienderLogikundWahrscheinlichkeitstheorie

VEPPs&Üs

Haltung1 Haltung2

VEPPs&Üs

unterbestimmen

ModeraterVoluntarismus

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Teil1:vanFraassenzuRevolutionen,EmpirismusundHaltungen

(1)KritikderMetaphysik

(2)  Empirismus

(3)  Voluntarismus

(4)  Revolutionen(5)  Relativismus

Teil2:RelativismusalsDoktrinoderHaltung

(1)  Relativismus,Absolutismus,Empirismus,Metaphysik

(2)  WasnütztdieHaltung-Konzeption?

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(a)  KritikanHaltungendesGegenübers

§  Truth:AGuidetothePerplexed,Oxford2005

§  DerRelativistist„entmenschlichend”,„erniedrigend”,

„einbissigerZyniker”,„eineArtMonster”.§  Relativistensind„SchänderihreseigenenVerstandes,

undFeindeunseresVerstandes”.

S.Blackburn(1944-)

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(a)  HaltungendesGegenübers

§  „...überredensichselbstzuderAnnahme,dassalleMeinungenimLich-

tederVernunftbetrachtetgleichgutsind.UnddieseAnnahmegibtih-nengrünesLicht,allesundjedesmitsovielÜberzeugungoderMachtzuglauben,wiesiewollen.”

§  „...entsprichtderHaltungvonjemandem,dermeint,überdenDingen

zustehen;vonjemandem,derimmerschondurchdieDebattenundIn-teressendergewöhnlichenMenschenhindurchsieht...“

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(a)  HaltungendesGegenübers

§  „EpistemicGrace“(2007)§  DieeinzigenehrlichenAbsolutistensindTheologenwiePapst

BenediktXVI(„DiktaturdesRelativismus“).§  DieAbsolutistensindoberflächlichinihrerAnalysedesRELundseiner

angeblichenGefahren.

§  DieAbsolutistensind„selbstzufrieden“undignorierendieGefahr,dievonangeblich„absolutenWahrheiten“droht.

DavidBloor(1942-)

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(b)EpistemischerRelativismusalsphilosophischeHaltung

§  OrientierungandenKognitions-u.Sozialwissenschaftenu.ihrenkausa-

lenu.method.-relativ.Forschungsweisen;Perspektiveder3.Person

§  FestlegungaufeinnaturalistischesVorgehen:gegenPlatonismus,jegli-chesÜbernatürliches.

§  EpistemischeBescheidenheit:wirhabenkeinVorrechtgegenüberande-renKulturen,wennesumRationalitätgeht.

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§  EmpirismuseinschließlichVoluntarismus...Esgibteine„natürlicheRa-

tionalität“,dieallengemeinsamist.§  Zutrennenvon„einemevaluativenKonzeptderRationalität,dasauf

kulturellakzeptiertenKonventionenberuht.“

§  AbsolutismuswirdalseineFormderMetaphysikbekämpft.„Absolut“wie„Welt“beiLewisundvanFraassen.

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§  „Absolut“:

Ø  WennwirdasWortverwenden,meinenwirdamit,dassimgege-benenKontextkeine„wenn“und„aber“akzeptiertwerden.

Ø  ObundwannwirsolcheEinschränkungenakzeptieren,hängtabervölligvondemUmständenab.

Ø  DieVerwendungdesBegriffs„absolut“bedrohtalsodenR.nicht.

Ø  AbsolutistenargumentierenoftalaAnselm:Weilwirmanchmaldavonreden,etwasseiabsolut,darumexistierenAbsolutheiten.

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(c)EpistemischerAbsolutismusalsphilosophischeHaltung

§  OftOrientierunganPhysikundMathematik—diesemüssengeschützt

werdengegendenalsbedrohlicherfahrenenRelativismus.

§  Festlegungdarauf,dassrationalist,wasvonallenakzeptiertwerden

muss.SolchesistinWissenschaftundPhilosophiemöglichzuerreichen.

§  Festlegungdarauf,dem„zwangloseZwangdesbesserenArgumentes“überallzufolgenundfolgenzukönnen—Prioritätder1.Person

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§  OftmalsAblehnungdesNaturalismus—Manchmaloffenmetaphy-

sisch,Platonistisch:„truthsthatarethereanyway“(Boghossian)

§  RationalitätistbedrohtunddamitunserePolitikundKultur–esistdieAufgabederPhilosophInnen,siezuverteidigen.

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Teil1:vanFraassenzuRevolutionen,EmpirismusundHaltungen

(1)KritikderMetaphysik

(2)  Empirismus

(3)  Voluntarismus

(4)  Revolutionen(5)  Relativismus

Teil2:RelativismusalsDoktrinoderHaltung

(1)  Relativismus,Absolutismus,Empirismus,Metaphysik

(2)  WasnütztdieHaltung-Konzeption?

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(a)VerständnisderDebatte

§  Eserklärt,warumdieDebattesofrustrierendist.BeideSeitenfüh-

lensichunverstandenund„belagert“.KaumFortschritt...

§  Der„Metarelativismus“bzgl.derDebattezwischenERundEAhilftnatürlichdemERmehralsdemEA.

§  BeideSeitenlegensichkaumaufDogmenfest–daswirdihnenvon

ihrenGegnernimmerwiedervorgeworfen.

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(b)  EserlaubtdemEReinProblemderReflexivitätzulösen

§  WennkeinederHaltungenabsolutgerechtfertigtist,sondernallesich

bloßselbstbestätigen,sindsiedannnichtdoch„gleichmaßengültig“?

§  Aberwenndassoist,warumbleibtdannderRelativistbeiseiner?

§  Antwort:Vielesindinsofern„gleichermaßengültig“,alssieindenAu-genihrerAnhängerzukeinerSelbstsabotageführen.

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§  Aberdieses„gleichermaßengültig“betrifftnurdieMinimalkonzep-

tionvonRationalität.

§  HinsichtlichderWertegiltdiesnicht:dabinichzunächstundvorallemaufmeineWerteverpflichtet.

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§  DieWertediskussionmitanderenführtderRelativistvoneinemhisto-risch-kontingentenAusgangspunktaus.

§  Ersuchtanderezuüberzeugen,indemerangeteilteWerteappelliert.

MitverschiedenenKonkurrentengibtesversch.Übereinstimmungen.

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Themen

(I) DieDefinitiondesWissensundderSkeptizismus

(II) AntwortenaufdenSkeptizismus

(III)  Fundamentalismus,Köhärenztheorie,InternalismusversusExternalismus

(IV)  NaturalisierteErkenntnistheorie,ErkenntnistheoriederTugenden

(V)  Relativismus:DefinitionenundFallstudien

(VI)  Meinungsverschiedenheiten

(VII)  RelativismusunddieWissenschaftsphilosophie

(VIII)  RelativismusundWissenschaftssoziologie

(IX)  KritikdesRelativismus

(X)  InderletztenWochePrüfung

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(VIII) ERundWissenschaftssoziologie

(1)  Grundideen

(2)  Finitismus

(3)  TheStrongProgramme

(4)  DasklassischeArgumentvonBarnes&Bloor(1982)

(5)  BloorzuAbsolutismus,FortschrittundMoral(2007,2011)

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Wissenschafts-soziologie

Wissenssoziologie“SSK”

Institutionen

Wissenschaft-lerInnen

Laborpraktiken

WissenschaftspolitikWissenschaft-lichesWissen

PhilosophischesWissen

Alltagswissen

“SociologyofScientificKnowledge”(SSK)

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Wissen-schaft

Wahrheit

Falschheit

RationaleFaktoren

SozialeFaktoren

Das„moderateProgramm”(„WeakProgramme”)

31

Wissen-schaft

[Wahrheit]

[Falschheit]

RationaleFaktoren

SozialeFaktoren

Das„radikaleProgramm”(the„StrongProgramme”)

=

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(VIII) ERundWissenschaftssoziologie

(1)  Grundideen

(2)  Finitismus

(3)  TheStrongProgramme

(4)  DasklassischeArgumentvonBarnes&Bloor(1982)

(5)  BloorzuAbsolutismus,FortschrittundMoral(2007,2011)

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BarryBarnesüberKuhn–dieWichtigkeitdes„Finitismus“§  KuhnbeschreibtdaswissenschaftlicheTrainingkorrekt

alseineFormderSozialisation.§  KuhnsiehtdieWichtigkeitvonÄhnlichkeitsrelationen:

(a) wirordnenGegenständeundProzessenachihren ÄhnlichkeitenundUnterschieden;

(b) welcheÄhnlichkeitenundUnterschiedezählen, entscheidetderKonsensderGemeinschaft.

BarryBarnes(1943-)

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§  DieGrundideedes„Finitismus“:

Ø  DemKindwirdeine(„finite“)ReihevonVögelngezeigt.Der Vaterzeigtaufeinigevonihnen,undsagt„Enten”.Ø  DasKinderwirbtsoeinebegrenzteAnzahlvonvorbildhaf- tenBeispielenundextrapoliertvondieseninneuenFällen.

Ø  DasKindformtÄhnlichkeitsbeziehungen.

Ø  „…dasKindlerntdasbevorzugteArrangementeinerGe-meinschaft,nichtetwas,aufdemdieNaturselbstbesteht.“

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Ø  Autoritätistzentral:„alsQuellederAnleitung...,wiedieWahr-nehmungzuorganisierenundbegrifflichzufassenist.“

Ø  „DieWortverwendungderVergangenheitgibtPräjudizienfür…

dieVerwendung,aberistnichtausreichendumdiesezufixieren.

Ø  DennesgibtkeinenatürlicheunduniversaleSkalaumÄhnlich-keitgegenUnterschiedabzuwägen.…

Ø  DierichtigeVerwendungisteinfachdieVerwendung,dieallge-meininderGemeinschaftfürdierichtigegehaltenwird.”

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I1......In

ähnlichundverschieden

Kategorie1

37

I1......In

I1......In

ähnlichundverschieden

ähnlichundverschiedenähnlichund

verschieden

Kategorie1 Kategorie2

38

I1......In

I1......In

ähnlichundverschieden

ähnlichundverschiedenähnlichund

verschieden

X

ähnlichundverschieden

ähnlichundverschieden

Kategorie1 Kategorie2

39

§  FinitismusinAusbildungundForschung:

Ø  Ausbildungvermitteltdie„akzeptiertenÄhnlichkeitsbeziehungen“.

Ø  ForschungbestehthäufiginProblemlösenanhandvonexistierenden

paradigmatischgelöstenProblemen.

Ø  DadurchentwickelnsichÄhnlichkeitsbeziehungenfürzukünftigeFälle.

Ø  AndersalsbeimKind,sinddieneuenFällederGemeinschaftebenfallsfremd.SiewirddieneuenÄhnlichkeitenakzeptierenoderablehnen.

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(VIII) ERundWissenschaftssoziologie

(1)  Grundideen

(2)  Finitismus

(3)  TheStrongProgramme

(4)  DasklassischeArgumentvonBarnes&Bloor(1982)

(5)  BloorzuAbsolutismus,FortschrittundMoral(2007,2011)

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•  DavidBloorinKnowledgeandSocialImagery(1976)…

„....DieSoziologiewissenschaftlichenWissenssolltesichan diefolgendenvierGrundsätzehalten...”

DavidBloor(1942-)

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1.  Sieistkausal,d.h.siebeschäftigtsichmitdenBedingungen,dieÜberzeugungenoderWissenszuständehervorbringen.

NatürlichgibtesauchandereTypenvonUrsachen—nebendensozialen—welcheihrenBeitragzurVerursachungvonÜ-enleisten.

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2.  SieistunparteiischgegenüberWahrheitundFalschheit,Rationalitätund

Irrationalität,ErfolgundMisserfolg.BeideSeiten…verlangenErklärung.

3.  SieistsymmetrischinihremErklärungsstil.DiegleichenTypenvonUrsa-

chenwürdenz.B.wahreundfalscheÜberzeugungenerklären.4.  Sieistreflexiv.ImPrinzipwäreihrErklärungsmusterauchaufdieSozio-

logieselbstanwendbar.

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§  WissenschaftlichesWissenistvorallem„theoretisch”.AberTheo-

riensindunsnichtinunsererSinneserfahrunggegeben.

§  SiegebendenErfahrungenihreBedeutung.AberwerdennatürlichauchdurchErfahrungenverändert.

§  „DietheoretischeKomponentedesWissensisteinesozialeKompo-nente,undsieisteinnotwendigerTeilderWahrheit,...”

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§  DasParallelogrammderKräfte:

Erfahrung

FrühereÜberzeu-gungen

ResultierendeAnnahme

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(VIII) ERundWissenschaftssoziologie

(1)  Grundideen

(2)  Finitismus

(3)  TheStrongProgramme

(4)  DasklassischeArgumentvonBarnes&Bloor(1982)

(5)  BloorzuAbsolutismus,FortschrittundMoral(2007,2011)

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Barnes&Bloor:“Relativism,RationalismandtheSociologyofKnowledge”(1982)§  Relativismus(=REL)wirdvonLinksundRechtskritisiert.

§  DieGegnerInnendesRELvertretenSpielformendes„Rationalismus“.AberREListkeineBedrohungwissenschaftlicherRationalität.

§  AlleDisziplinen,welchedieVielfältigkeit,VerteilungundWandlungvonSystemenvonÜ-enuntersuchen,bedürfendesREL.

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§  ElementedesRelativismus:

(a)  EsgibtverschiedeneÜ-enübereinbestimmtesGebiet.(b) WelchedieserÜ-ensichineinembestimmtenKontext finden,hängtvondenUmständenderBenutzerab.

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(c)  „SymmetrieoderÄquivalenzPostulat(e)“:

(c1) AlleÜ-ensindgleichermaßenwahr.

(c2) AlleÜ-ensindgleichermaßenfalsch.

(c3) AlleÜ-enkönnenkausalerklärtwerdenaufgrundvon„spezifi- schen,lokalenUrsachen[ihrer]…Glaubwürdigkeit“.(23)

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§  BeispielesolcherUrsachenvonGlaubwürdigkeiteinerÜ:

Ø  RolleintradiertenkognitivenundtechnischenKompetenzenØ  UnterstützungdurchAutoritätenØ  VerbreitungdurchetablierteInstitutionenØ  BezugaufStrukturenvon(etablierten)InteressenØ  Praktische&direkteKonsequenzenvonUrteilenbzgl.dieserÜ-en

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§  REListeinMonismus,RationalismuseineDualismuswasdie

ErklärungvonÜ-enangeht.(Vgl.das„RadikaleProgramm“.)

§  BrauchenwahreÜ-eneineandereErklärungalsfalscheÜ-en?

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§  Einwand1:Relativismusund„wahr“(S.Lukes)

Ø  DerREL-isthatdasRechtverwirkt,von„wahr“ und„falsch“zureden.

§  AntwortaufEinwand1:Ø  Vgl.:REListuntersuchtStamm,dessenÜ-envonseinenabweichen.

Ø  Erwirdseineeigenenaufgrundseiner(lokalen)Standardspräferieren.

StevenLukes(1941-)

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Ø  UnddabeiauchvonWahrheitsprechen.Ermussjaauchseine

eigenenÜ-ensortieren.

Ø  R-istakzeptiert,dassauchseineRechtfertigungenineinemPrin-zip/einerTatsacheenden,dienurlokaleGlaubwürdigkeithaben.

Ø  DiesnochzubegründenführtschnellineineZirkularität.

Ø  „Wirklichrationale“StandardsimGgs.zunur„lokalakzeptierten“machtkeinenSinn.

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Ø  Esgibtkeine„kontextfreienodersuperkulturelleNormenderRa-

tionalität“.

Ø  Daherbildenrationale/irrationaleÜ-enkeine„natürlichenArten“:

Ø  ...„dieverschiedenandenmenschlichenGeistappellieren“,Ø  „...inverschiedenenBeziehungenzurWirklichkeitstehen“,oder...Ø  ganzbestimmteFormenderGesellschaftvoraussetzen.

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§  Einwand2:GlaubwürdigkeitversusGültigkeit(A.Flew)

Ø  „HinreichendguteGründe“≠UrsachenvonÜ-en

Ø  GültigkeitisteineFragedesBeweismaterialsundderVernunft.

Ø  DaherhatdiekausaleSoziologienichtsmitGültigkeitzutun.

§  AntwortaufEinwand2:

Ø  Abergeradedie„hinreichendgutenGründe“sindvariabel!Und

ihreGlaubwürdigkeitinlokalenKontextenistThemavonSSK.

AnthonyFlew(1923-2010)

56

§  FlewsantizipierteAntwort:

Ø  AberesgibtdocheinenUnterschiedzwischen„GrundfürÜp“und

„wasfüreinenGrundfürÜpgehaltenwird“.

§  B&B‘sAntwort:

Ø  AberwirkönnenGültigkeitnichtvonGlaubwürdigkeittrennen. Oftsagenwir,etwaswerdebloßfüreinenGrundgehalten...

Ø  AberdiesisteinZugineinerArgumentationundseineGlaubwür-digkeitwiederumeinelokaleAngelegenheit.

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§  Einwand3:Ü-enohnesozialeDimension(A.Flew)

Ø  Wennicheinfachsage,wasichvormirsehe,dannhatdasmitsozialenFaktorennichtszutun.

§  Antwort:

Ø  JedeBeschreibunginvolviert(sozialvermittelte)Kategorien.

Ø  UndderRELerlaubt,dassesFähigkeitenderWahrnehmungu.a.m.gibt,diewirmitTierenteilen,unddienichtsozialvermitteltsind.

58

Wahrheit,Wahrnehmung,Theorie,KohärenzJosephPriestleyundPhlogiston§  Ersuchtezubeweisen,dassPhlogiston(Wasserstoff!)durch“Minium”(=Blei-

Oxid)absorbiertwird,unddassMiniumdurchdieAbsorptionzuBleiwird.

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60Wasser

Linse

Sonnen-strahlen

Minium

Phlogiston

61 Wasser

Linse

Sonnen-strahlen

Blei

Phlogiston

62

§  Empirismus:„WirsehendenWasserstandsteigen,abernicht,dassPhlo-

gistonvonMiniumabsorbiertwird.“(DassindpostulierteEntitäten.)

§  DieRealität,diedieTheoriepostuliert,lässtsichnichtdirektwahrneh-

men.Wahrheitsindikator:dieTheoriemachterfolgreicheVorhersagen.

§  Kohärenzistentscheidend:DurchdieTheorieinterpretierteErfahrungwirdüberprüftumzusehen,obsieinternkohärentist.

63

§  WirinterpretierendasExperimentnatürlichganzanders.

§  KeinPhlogiston,Wasserstoff;keinMinium,Blei-Oxid.

§  WennBlei-Oxiderhitztwird,trittSauerstoffaus,verbindetsichmitdemWasserstoffundformtWassertropfen.

§  PriestleybemerktedieWassertropfenauch,abermeinte,siekämenausdemMinium.

64

§  “WirhabenauchnichtmehrZugangzudenverstecktenAspektenderWirklichkeit;…Wirsindberechtigt,unsereTheoriezupräferieren,...

§  ...dennihreinterneKohärenzlässtsichübereinweiteresSpektrumvon

theoretischinterpretiertenExperimentenundErfahrungendurchhalten.”

§  DieKorrespondenzvonTheorieundRealitätlässtsichniewahrnehmen.

65

§  AuchPriestleysTheoriekorrespondiertmitderRealitätinmancher-leiHinsichten.

§  DieRealitätistein„gemeinsamerFaktor“fürsehrversch.kognitiveReaktionenzuihr.DaherkannsiedieVariationnichterklären.

§  Außernatürlichwennversch.TeilederRealitätbetrachtetwurden.

66

§  Einwand4:Das„Brückenkopf-Argument“(Hollis&Lukes)

Ø  AlleKulturenteilen„einengemeinsamenKernvonwahrenÜ-enundrational-gerechtfertigtenFormendesSchließens“.

Ø  DieserKernistVoraussetzung,wenndieAnthropologIneinenStammzuverstehenversucht.

Ø  DieFremden„müssen“in„einfachenWahrnehmungssituationen“sourteilenwiewir.Diesist„derdirektesteZugangzurBedeutung“.

MartinHollis(1938-1998)

67

§  Antwort:

Ø  Dasstimmtnicht!SpracherwerbistkeinÜbersetzen!GemeinsameBegriffesindkeineVoraussetzung.

Ø  EsgibtkeineempirischenBegriffe,derenAnwendungbloßeineFrage

derunbedingtenVernunftwären.Vgl.dieEinsichtendesFinitismus.

Ø  DasBrückenkopf-ArgumentsetztsoetwaswieeinereineBeobach-tungssprachevoraus!

68

§  AntizipierteAntwortvonHollis&Lukes:

Ø  Aberwirdnicht„ModusPonens“überallakzeptiert?

§  Antwort:

Ø  DasisteineempirischeFrage,dieersteinmalzuuntersuchenwäre.

Ø  DerRationalistwillvielleichtsagen,dassMPüberallakzeptiertwer-densollte.UnddasssichMPkontextfreirechtfertigenlässt.

Ø  Dasistfalsch!DieDeduktionlässtsichnurdeduktivbeweisen.

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§  Mögl.AntwortHollis&Lukes(„TheoriederanalytischenGültigkeit“):

Ø  EsbrauchtkeinededuktiveBegründungderLogik.Dielogischen

GesetzegründeneinfachaufderBedeutungderlogischenPartikel.

Ø  DieGültigkeitderRegelnderKonjunktion(s.u.)beruhenaufdenBedeutungenvon„und“und„also“:

p p-und-q p-und-qq p qp-und-q

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§  Antwort(nachArthurPrior):

Ø  Wiewär‘smitfolgendemneuenPartikel:„tonk“.SeineBedeu-

solldiefolgendenRegelnrechtfertigen:

p p-tonk-qp-tonk-q q

Ø  Allesfolgtalsoausallem!–SchlechteBedeutungfüreinPartikel?

Stimmt,abernachwelchenKriterienwollenwirdavorgehen?

Ø  WirbrauchenwiederumTheorien,Regeln,Intuitionen,welcheSchlüssewirakzeptierenwollen.DieBedeutungalleintut‘snicht!

ArthurPrior(1914-1969)

71

§  AntizipierteAntwortvonHollis&Lukes:

Ø  AberistdenndieLogiknichtangeboren?

§  Antwort:§  BiologischeTheoriensindmitRELvereinbar.--LokaleUrsachenunseres

Gehirns;lokaleUrsachenderAkzeptanzvonTheorien

§  LogischeTheoriensindVersuche,unsereverschiedenenIntuitionenzusystematisieren.SiesindKonventionen.IhreUrsachenlokal.

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(VIII) ERundWissenschaftssoziologie

(1)  Grundideen

(2)  Finitismus

(3)  TheStrongProgramme

(4)  DasklassischeArgumentvonBarnes&Bloor(1982)

(5)  BloorzuAbsolutismus,FortschrittundMoral(2007,2011)

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Bloor:“RelativismandtheSociologyofScientificKnowledge“(2011)§  PhilippFrank(1884-1966)

§  RelativismusistdieNegationdesAbsolutismus.

§  Eindrittesgibtesnicht.Werdasanderssieht,

denktsichRelativismusso:R=¬A&W§  Undfür„W”(weitereBedingungen)werdendannIdeeneingesetzt,

diedenRelativismusalswenigplausibelerscheinenlassen.

74

§  ZumBeispiel:R=¬A&Idealismus

§  AbervieleRelativistInnenwarenMaterialistInnen;undvieleAbsolu-tistInnenIdealistInnen.

§  ZumBeispiel:R=¬A&Subjektivismus(d.h.¬Objektivität)

§  AberderRelativismusverneintnichtdieObjektivität;erwendetsichnurgegenabsolutistischeKonzeptionenderObjektivität.

75

§  ZumBeispiel:R=¬A&Partikularismus

§  SindnichtvieleWahrheitenuniversal?DieGravitationstheoriegiltüberall.UndgibtesnichtvieleGemeinsamkeitenunterMenschen?

§  Klar,esgibtUniversalien–aberhiermüssenwirunterscheidenzwi-schenkontingentenundabsolutenUniversalien.

76

§  „KeineRelativistInsollteglauben,dasssichRelativismusbeweisenlässtoder

dasssiedieGeschichteaufihrerSeitehat.…

§  SelbstdiefundamentaleDichotomiezwischenRelativismusundAbsolutismusmussalsrelativbetrachtetwerden.IstdieseinfatalesZugeständnis?Nein!

§  DassdieDichotomienichtabsolutist,heißtnicht,dasssienichtrealist,odersichohneKostenanPlausibilitätu.Verständlichkeitbeiseitewischenlässt.

§  DieKostensindoffensichtlichaufgrunddesschlechtenZustandesderanti-relativistischenLiteratur.“(450)

77

Bloor:“EpistemicGrace:AntirelativismasTheologyinDisguise“(2007)§  REL:EsgibtkeinWissenüberdienat.Weltundkeinemoralischen

Überzeugungen,die„absolut“wären.

§  AlleunsereÜ-ensind„relativaufdieGrenzenunserermenschlichen

NaturundunseremStatusalsmenschliche,sozialeTiere.“

§  Wirkönnender„Maschinerie“unsererGehirne,Sinnesorgane,KulturundTraditionnicht„entkommen“.

78

§  RELundAbsolutismusschließeneinanderaus:tertiumnondatur.

§  RELgründetimNaturalismus.–GegenalleÜbernatürlichkeiten!

§  „Absolut“:washeißtdaseigentlich?DieAbsolutistenzeigennie,wiewireigentlichzusolchenAbsolutheitenkommenkönnen.

§  UndwennsieBeispielegeben,sinddiesemitnichtenAbsolutheiten.

79

§  BenediktXVIargumentiertauchgegendenRelativismus.

Beiihmhat„absolut“alsoeinenSinn.EsisteinDogma.

§  „ProblemderInkarnation“:wiekommtdasAbsoluteindieWelt?

§  DiesanalogeProblemmussjedenicht-relativistischeETlösen!

BenediktXVI(1927-)

80

§  „Absolut“:

Ø  WennwirdasWortverwenden,meinenwirdamit,dassimgege-benenKontextkeine„wenn“und„aber“akzeptiertwerden.

Ø  ObundwannwirsolcheEinschränkungenakzeptieren,hängtabervölligvondemUmständenab.

Ø  DieVerwendungdesBegriffs„absolut“bedrohtalsodenR.nicht.

Ø  AbsolutistenargumentierenoftalaAnselm:Weilwirmanchmaldavonreden,etwasseiabsolut,darumexistierenAbsolutheiten.

81

§  „Gleichermaßengültig“?

Ø  GegnerdesRELunterstellenihm,erhielteverschiedeneKulturenallefür„gleichermaßengültig“.

Ø  DasistabereinefalscheUnterstellung!!!DaraufmusssichderRelativistnichtfestlegenlassen.

Ø  Vgl.auchHazlett,Hales,Kuhn,Feyerabend...

82

§  Fortschritt–dieModelle:

WissenNicht-WissenA-----------------------------C------------------------------B

A-----------------------------------------C------------------B Fortschritt!

A-----------------------------------------C-------------------∞B KeinFortschritt!

A------------------------------C------------------------------Realität?

83

Ø  Nein,dieRealitätkannnichtTeildiesesBildessein.Sonstverwech-

selnwirdieRealitätmitihrerwahrenBeschreibung.Ø  AmbestenwürdeBdurchein„?“ersetzt.WissenisteineAnpassung

andieWirklichkeit.ImSinnedesDarwinismus.

Ø  AberesgibtinderBiologiekeine„perfekteAnpassung“.

84

§  KulturelleUniversalienundGesunderMenschenverstand

Ø  SolcheUniversalienbedrohendesRelativismusnicht.

Ø  Aberbitte„defactooderkontingentemenschliche‚Universalien‘“!

Ø  UndwennessoetwaswieeinengeteiltengesundenMenschenver-standgibt,soistauchdaswiederumnureinnatürlichesPhänomen.

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§  MoralischeBedenken?Ø  AberistdennderRELnichtmoralischbedenklich?

BrauchenwirnichtabsoluteWerte?

Ø  Aberwasist,wennbeideSeitenaufabsoluteWerte

beharren?Washelfensiedann?

Ø  DerAbsolutismusderWertegeneriertebengenaudieSituation,derenVermeidungihngerademotivierensoll.

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§  ImBritischenOberhauswurde2005überdieZulässigkeitjuristischer

Folterdebattiert.

§  LordBinghamschriebdieBegründunggegendieFolter.Aber:

„Inascathingdismissalofthisimpertinentproposal,theirLordshipsdidnotinvokeGodorquasi-theological,absolutevalue.Theirconclusionre-stedonthetheaccumulatedwisdomofcenturiesoflegalpractice.Theyarticulatedthecustomsandprecedentsofanancienttradition.“

87