Energiepolitik: Vernachlässigte AKW-Gesetze - NZZ Kommentare

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Energiepolitik

Vernachlässigte AKW-GesetzeBundesrat und Parlament streben einen Atomausstieg an. Doch just dieGesetzgebung zur Kernenergie wird in den Beratungen vernachlässigt.

Nachdem die Stilllegung des AKW Mühleberg auf 2019 festgelegt worden war,stand fest, dass sich die Attacken der Anti-AKW-Bewegung auf die zweiReaktoren in Beznau fokussieren würden. Trotz umfangreichenModernisierungen sind sie nicht so robust wie die jüngeren undleistungsfähigeren Anlagen in Leibstadt und Gösgen. Dem jetzt vonUmweltorganisationen lancierten Rechtsstreit um die korrekte Definition vonErdbebennormen kommt eine zentrale politische Funktion zu. Es geht einigenBeteiligten von Grünen und SP nämlich nicht nur um die Erdbebensicherheit,sondern auch um das Vermeiden einer Abstimmungsniederlage.

Der Rechtsstreit ist bereits Teil des Abstimmungskampfs für dieAusstiegsinitiative der Grünen. Diese würde 2016 an der Urne sang- undklanglos untergehen, wenn nicht zuvor ein neues Rumoren um Risikenertönen würde. Immerhin besteht ja mit der Energiestrategie 2050 einGegenvorschlag zur Initiative. Bundesrätin Doris Leuthard darf das neueSäbelrasseln in Bezug auf Beznau nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Würde die Atomausstiegsinitiative der Grünen im kommenden Jahrangenommen, drohen den AKW Leibstadt und Gösgen unverhältnismässigeVerkürzungen der Laufzeiten. Dabei können beide Anlagen aus heutiger Sichtweit über sechzig Jahre betrieben werden, dabei Grundlaststrom ohne direkteCO2-Emissionen produzieren und das Know-how für die Realisierungallfälliger Reaktoren neuerer Generation im Land aufrechterhalten. DiesePerspektive steht nicht im Widerspruch zum Ausbau der Energieeffizienz undder erneuerbaren Energien. Damit dieser Weg mehrheitsfähig bleibt, müssenGesetzgebung und Institutionen stabil und glaubwürdig sein.

Es ist Aufgabe des Departements von Doris Leuthard, die verwinkelteKernenergiegesetzgebung öfter als bisher nach ihrer Tauglichkeit im Hinblickauf neue Herausforderungen zu überprüfen. Die rechtliche Basis derSicherheitsstandards muss unmissverständlich ausformuliert und wo nötigkorrigiert werden. Es darf nicht sein, dass am Schluss formaljuristischeAbwägungen von Bundesrichtern über Normen zur Erdbebensicherheitentscheiden. Eine rasche Überprüfung der entsprechenden Verordnungstextemuss also den von Umweltschützern angerissenen Konflikt bald klären.

Im laufenden Gesetzgebungsprozess rund um die Energiestrategie 2050drohen bereits weitere umstrittene Entscheidungen. So verlangt dasEidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) eine neue gesetzliche

Kommentar

von Davide Scruzzi20.8.2015, 19:23 Uhr

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Grundlage für die letzten Jahrzehnte, in denen ein AKW betrieben wird. Eineneue verbindliche Planbarkeit soll verhindern, dass Betreiber am Schluss aufInvestitionen in die Sicherheit verzichten. Das Ensi kann nämlich nureingreifen, wenn die Kriterien für die Ausserbetriebnahme explizit erfülltsind. Der Nationalrat hat sich 2014 für eine entsprechende Lösungausgesprochen. In der ständerätlichen Energiekommission setzten sich aberjüngst knapp die Argumente der AKW-Betreiber durch, wonach die heutigenSicherheitsbestimmungen reichten und eine neue Pflicht für das Einreichenvon Langzeitbetriebskonzepten das unverhältnismässige Risiko berge, dassein Betreiber wegen kleiner Unstimmigkeiten im Konzept seine Anlage innertkurzer Zeit stilllegen müsse.

Die Sorge der AKW-Betreiber um Probleme bei der Amortisation vonInvestitionen wegen neuer Unsicherheiten rund um neueLangzeitbetriebskonzepte sind ernst zu nehmen. Die vom Ensi aufgeworfenenFragen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit von AKW sind denn genauabzuklären, um angemessene Gesetzesbestimmungen zu finden.

Doch eine solche genaue Prüfung der Anliegen des Ensi findet nicht statt. DasBundesamt für Energie, dessen Studien über den Stromverbrauch vonLampen und die richtige Subventionierung von Solarzellen ganzeBüchergestelle füllen, hat kein juristisches Gutachten zu denHerausforderungen des Langzeitbetriebs erstellt, genauso wenig hat dieständerätliche Energiekommission Szenarien dazu parat. Exakte Abwägungensind aber nötig, um die im AKW-Bereich nötige Balance zwischen strengenNormen und angemessenen Renditen zu gewähren. Solange viele rechtlicheFragen offenbleiben, profitieren davon nur linke Parteien undUmweltorganisationen.

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