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Finanzwissenschaft:
Entwicklung und Struktur der
Staatstätigkeit Vorlesung an der Universität Heidelberg
SS 2007
Prof. Dr. Lars P. FeldRuprecht-Karls-Universität Heidelberg,ZEW Mannheim, Universität St. Gallen
(SIAW-HSG), CREMA Basel und CESifoMünchen
FiWi I
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Budgetregeln und die Höhe der Staatsausgaben
Aufbau der Vorlesung
• Sind die Staatsausgaben zu hoch?• Regelbindung als wirtschaftspolitische
Handlungsvorgabe• Die Rolle von Budgetinstitutionen• Der Budgetprozess in der Bundesrepublik
Deutschland• Zusammenfassung
FiWi I
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Literatur
• Blankart (2001), Kapitel 9.• Zimmermann/Henke (2001), Kapitel 3.
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Sind die Staatsausgaben zu hoch?
• Obwohl dieser Eindruck bei vielen Beobachtern überwiegt, kann dies nicht behauptet werden.
• Problem der Feststellung der effizienten Höhe der Staatsausgaben– In welchen Fällen besteht Marktversagen?– Problem der Transferausgaben– Staatsausgaben sollten den Wünschen der
Bürger entsprechen.– Aber: Polit-ökonomische Probleme.
FiWi I
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Regelbindung als wirtschaftspolitische Handlungsvorgabe I
FiWi I
• Aussagen wie: Die Staatsausgaben sollten gesenkt werden, sind– immer mit einer bestimmten normativen Vorgabe
verknüpft, d.h. die Position des Ratgebers zu dieser Frage schwingt mit;
– wenig fruchtbar, da politische Entscheidungsträger aus polit-ökonomischen Gründen ihren eigenen Interessen und nicht dem wirtschaftspolitischen Berater folgen.
• Regelbindung anstelle konkreter Kürzungs-oder Umstrukturierungsversuche
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Regelbindung als wirtschaftspolitische Handlungsvorgabe II
FiWi I
• Ausgestaltung des (wirtschafts-)politischenEntscheidungsprozesses so, dass die Staatsausgaben– sich an langfristigen Zielen wie der Nachhaltigkeit
der Staatsfinanzen orientieren;– die Interessen der nicht am Entscheidungsprozess
beteiligten Gruppen berücksichtigen;– verallgemeinerbaren anstelle von partikularen
Interessen dienen;– an den Bürgerwünschen anstelle der
Politikerwünsche ausgerichtet sind.
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Die Rolle von Budgetinstitutionen I
FiWi I
• Der politische Prozess führt zu höheren Staatsausgaben als die Bürger wünschen.
• Welche Beschränkungen der Staatstätigkeit sollten gewählt werden?
• Formale fiskalische Beschränkungen?– Quantitative Beschränkungen: Maastricht– Proposition 13– Flucht aus dem Budget– Who guards the guardians? Quis custodiet ipsos
custodes?
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Die Rolle von Budgetinstitutionen II
FiWi I
• Die Rolle des Budgetprozesses– Starke Person im Budgetprozess, die die Grösse des
Budgets bestimmt.– Verteilung eines gegebenen Budgets auf die
einzelnen Ressorts– Starker Finanzminister, der den einzelnen
Ministerien (und dem Parlament) wenig Spielraum zur Bestimmung des Budgets lässt.
– Top down dominiert bottom up.– Wiederum Frage des Durchsetzung und des ‚Quis
custodiet ipsos custodes‘.
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Die Rolle von Budgetinstitutionen III
FiWi I
• Sunset Legislation und Zero Base Budgeting• Parlamentarische vs. Präsidentielle
Demokratie– Die Rolle der politischen Führung.
• Mehrheits- vs. Verhältniswahlrecht– Die Fragmentierung der Regierung.
• Die direkte Demokratie– Problem des ‚Quis custodiet ipsos custodes‘ gelöst.– Defekte liegen im repräsentativen Teil des Systems.– Verknüpfung von Ausgaben- und Einnahmenentsch
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Die Rolle von Budgetinstitutionen IV
Budgetpolitik mit Finanzreferendum
GE
Abbildung 6
VE qEV −2 CqEV +−2q
Niedrige Ausgaben Hohe AusgabenMx 0x Gx
FiWi I
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Die Rolle von Budgetinstitutionen V
FiWi I
• Wirkungsweise eines Finanzreferendums– q: status quo– Ev: Ausgabenpräferenz des Medianwählers– EG: Ausgabenpräferenz der Regierung– xG: Ausgaben in der repräsentativen Demokratie– xm: Ausgaben bei obligatorischem
Finanzreferendum– C: Kosten des Unterschriftensammelns.– xo: Ausgaben bei fakultativem Finanzreferendum– Bottom up dominiert top down.
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Die Rolle von Budgetinstitutionen VI
FiWi I
• Empirische Evidenz– Ein ökonometrisches Modell– X = f (YN, ∆Y, U, Grants, Pop, Dens, Old,
Young, Urban, French, Left, Coal, DD, Sign, Constr, Agenda, System),
• X: Staatsausgaben pro Kopf;• YN: nationales BIP pro Kopf;• ∆Y: Abweichung des regionalen vom nationalen BIP p.c.;• U: Arbeitslosenquote;• Grants: Finanzausgleichszahlungen des Bundes pro Kopf;• Pop: Bevölkerung;
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Die Rolle von Budgetinstitutionen VII
FiWi I
• Empirische Evidenz– X = f (YN, ∆Y, U, Grants, Pop, Dens, Old,
Young, Urban, French, Left, Coal, DD, Sign, Constr, Agenda, System),
• Dens Bevölkerungsdichte;• Old Anteil der Bevölkerung über 65 Jahren;• Young Anteil der Bevölkerung unter 20 Jahren;• Urban Anteil der städtischen Bevölkerung;• French Anteil der französisch- und italienischsprachigen
Bevölkerung;• LEFT Anteil der linken Parteien im Parlament;
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Die Rolle von Budgetinstitutionen VIII
FiWi I
• Empirische Evidenz– X = f (YN, ∆Y, U, Grants, Pop, Dens, Old,
Young, Urban, French, Left, Coal, DD, Sign, Constr, Agenda, System),
• COAL Anzahl der Parteien in der Exekutive;• DD Hilfsvariable: = 1, wenn Finanzreferendum;• Sign Anzahl Unterschriften für Gesetzesinitiative in %;• Constr gesetzliche fiskalische Beschränkungen;• Agenda Rolle des Finanzministers im Budgetprozess;• System Parlamentarisches/Präsidentielles System oder
Mehrheits-/ Verhältniswahlrecht.
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Die Rolle von Budgetinstitutionen IX
FiWi I
• Empirische Evidenz– Formale Beschränkungen:
• Bohn und Inman (1996), Poterba (1997):• formale Beschränkungen reduzieren die Staatsausgaben,
wenn sie von unabhängigen Richtern durchgesetzt werden.
– Rolle des Finanzministers:• Jürgen von Hagen und Mark Hallerberg• Eine starker Finanzminister ermöglicht gesundere
öffentliche Finanzen.
– Sunset Legislation, Term Limits, Zero-Base Budgeting:
• Widersprüchliche oder unzureichende Evidenz.
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Die Rolle von Budgetinstitutionen X
FiWi I
• Empirische Evidenz– Direkte Demokratie (Matsusaka (1995), Feld und
Matsusaka (2000), Feld und Kirchgässner (2001))• Die Staatsausgaben pro Kopf in Kantonen und in Ge-
meinden mit Finanzreferendum sind – ceteris paribus –niedriger als in den übrigen Kantonen und Gemeinden.
• Differenz beträgt im Durchschnitt 18%.• Quantitativ weniger deutliche Reduktion der
Staatsausgaben in U.S.-Bundesstaaten mit Initiative.• Interaktionseffekte mit anderen Institutionen.
– Präsidentielle vs. parlamentarische Demokratie(Persson und Tabellini 2001).
17FiWi I
0
2000
4000
6000
8000
5 10 15 20 25 30 35 40 45
Aktuelle und simulierte Werte der Gemeindeausgaben (SFr pro Kopf)
in Gemeinden mit repräsentativer Demokratie
gelb: aktuelle Werte rot: simulierte Werte
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Der Budgetprozess in Deutschland I güterbezogen funktionsbezogen handlungsbezogen Abgrenzung des öffentlichen Sektors machtbezogen institutionen- bezogen Gebietskörper- Parafisci Öffentliche schaften Unternehmen
FiWi I
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Der Budgetprozess in Deutschland II
FiWi I
Politische Zukünftiger Regelmäßige Vollzugsver-Gestaltung Zeitraum Aufstellung bindlichkeit
Merkmale desöffentlichen Haushalts
Schätz- Einklang von Wirtschafts- Systematischecharakter Bedarf und politische Gliederung
Deckung Auswirkungen
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Der Budgetprozess in Deutschland III
(1) „Politische Gestaltung“Die Ausgestaltung des Haushalt ist kein im politischen System sich isoliert vollziehenderProzeß. Im Budget spiegelt sich vielmehr das ausgaben- und einnahmenwirksame Hand-lungsprogramm der Regierung und zwar einerseits* als politischer Kompromiß, d.h. als Ergebnis der gesamten politischen Willensbil-
dungsprozesse und aller auf ihn Einfluß nehmenden Kräfte und andererseits* als politischer Gestaltungsplan, d.h. als Ergebnis einer auf einen zukünftigen Zeitraum
bezogenen Politik.(2) „Zukünftiger Zeitraum“
Darin drückt sich aus, daß das Budget in erster Linie Planungsinstrument und damit ex defi-nitionen auf die Zukunft gerichtet ist.
(3) „Regelmäßige Aufstellung“Die regelmäßige Aufstellung ist vor allem mit Blick auf das Parlament von Bedeutung, dasdie Regierung auf diesem Wege kontinuierlich kontrollieren kann. Üblich sind jährlicheHaushaltspläne, es gibt bei nachgeordneten Gebietskörperschaften aber auch die Möglichkeitzu zweijährigen Haushaltsplänen. Letzteres wird für den Bund nicht praktiziert und zwarnicht nur, weil dadurch* der Einfluß des Parlaments auf die Regierung sich verringert, sondern auch weil* der Bundeshaushalt wegen seines erheblichen finanziellen Gewichts einer jährlichen
Anpassung an die gesamtwirtschaftliche Entwicklung bedarf.
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Der Budgetprozess in Deutschland IV
(4) „Vollzugsverbindlichkeit“Der Haushaltsplan hat eine rechtliche und politische Verbindlichkeit für Exekutive und Le-gislative. Vor allem mit Blick auf die Ausgaben bedeutet dies* Ausgaben dürfen nur getätigt werden, wenn sie im Haushaltsplan enthalten* Ausgaben müssen getätigt werden, wenn dazu eine rechtliche Verpflichtung besteht
(z.B. Beamtenbesoldung)* Ausgaben können getätigt werden, müssen aber nicht, wenn es sich um solche ohne
rechtliche Verpflichtung handelt.Mit Blick auf die Einnahmen gilt die Bindung an die Steuergesetze und die Regelungen zurKreditfinanzierung. Bei den Einnahmen ist vor allem bedeutsam der
(5) „Schätzcharakter“Die Steuereinnahmen ergeben sich aus dem Wirtschaftsprozeß in Abhängigkeit von der Ent-wicklung des BIP, weshalb sie lediglich als Schätzgrößen in den Haushaltsplan eingehen. Eskann dabei zu mehr oder weniger großen Abweichungen zur tatsächlichen Entwicklungkommen.* Unterschätzung = Überschuß bzw. realistisch: geringere Defizite* Überschätzung = Defizite bzw. höhere Defizite.Im letztgenannten Fall werden dann Nachtrags- oder Ergänzungshaushalte erforderlich.
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Der Budgetprozess in Deutschland V
(6) „Einklang von Bedarf und Deckung“Die Übereinstimmung von Ausgabenbedarf und Einnahmendeckung läßt sich in zweierlei Hinsichtverstehen:* Formaler bzw. finanztechnischer Budgetausgleich: für alle geplanten Ausgaben müssen Mittel
bereitstehen (schließt die Kreditfinanzierung ein).* materielle bzw. ökonomische Budgetausgleich: alle geplanten Ausgaben müssen durch „ordentliche
Einnahmen“ gedeckt sein. Die Forderung nach materiellem Budgetausgleich kommt dabei eineNullverschuldung des öffentlichen Haushalts gleich (sog. balanced-budget-rule).
(7) „Wirtschaftspolitische Auswirkungen“Dies wird vor allem in modernen Definitionen des Haushaltsplans herausgestellt. Deröffentliche Haushalt ist demnach nicht nur ein Bedarfsdeckungsinstrument, sondern es istvor allem auch ein Element einer qualitativen und quantitativen Beeinflussung desvolkswirtschaftlichen Gesamtablaufs.
(8) „Systematische Gliederung“Ohne eine sinnvolle Haushaltssystematik wäre eine abgestimmte Finanzplanung der einzelnenGebietskörperschaftsebenen nur schwer möglich, die Einhaltung bestimmter Haushaltsgrundsätze wärenicht zu kontrollieren, Haushaltsführung, Rechnungslegung und-prüfung würden einen unverhältnismäßig hohen personellen und zeitlichen Aufwand erfordern.
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Der Budgetprozess in Deutschland VI
FiWi I
Haushaltsfunktionen
Finanzwirtschaftliche Administrative Parlamentarische Wirtschaftspolitische Funktion Lenkungsfunktion Kontrollfunktion Funktion
Der Haushalt soll einen Der Haushalt beinhaltet Der Haushalt muß dem Der Haushalt bildet einÜberblick liefern über eine Zuteilung von Ein- Parlament in einer aus- Instrument zur Verfolgungdie öffentlichen Einnah- nahmen und Ausgaben sagefähigen Form zur wirtschaftspolitischer Ziele.men und Ausgaben der auf einzelne Verwaltungs- Beschlußfassung vorge-zukünftigen Periode mit stellen. Dabei wird festge- legt werden. Er doku-dem Ziel des formalen legt, welche Mittel zu mentiert das politischeAusgleichs. Man spricht welchem Zweck und in- Programm der Regierungdaher auch von Deckungs- welchem zeitlichen Rhyth- und ermöglicht die parla-funktion. mus verausgabt werden. mentarische Kontrolle
Man spricht hier auch vonOrganisationsfunktion.
Allokations- Distributions- Stabilitäts- funktion funktion funktion
Sie umfaßt Entschei- Sie umfaßt die Korrek- Sie umfaßt die Auf-dungen über die Be- tur der Einkommens- rechterhaltung vonreitstellung öffentlicher und Vermögensvertei- hohem Beschäftigungs-Güter nach Umfang lung unter gesellschaft- niveau, Preisniveau-und Struktur lichen Gerechtigkeits- stabilität und ange-
aspekten messenem Wachstum.
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Der Budgetprozess in Deutschland VII
FiWi I
Ausgewählte haushaltsrechtliche Bestimmungen
Haushaltsrechtliche Bestimmungen mit Haushaltsrechtliche Bestimmungen ohne Verfassungsrang Verfassungsrang
Grundgesetzliche Regelungen Stabilitäts- und Wachstumsgesetz Haushaltsgrundsätzegesetz Bundeshaushaltsordnung
- Lastenverteilungsgrundsatz (Art.104a)
- Haushaltsautonomieprinzip vonBund und Ländern (Art. 109)
- Bestimmungen zum Bundeshaus-haltsplan (Art. 110)
- Regelungen zur vorläufigen Haus-haltsführung (Art. 111)
- Regelungen zur Haushaltsüber-schreitung (Art. 112)
- Finanzwirksame Gesetze(Art. 113)
- Rechnungslegung und Rechnungs-hof (Art. 114)
- Möglichkeiten der Kreditfinanzie-rung (Art. 115)
- Haushaltspolitisches Erfordernisder Wahrung des gesamtwirt-schaftlichen Gleichgewichts (§ 1)
- Regelungen zur Finanzplanung(§ 9)
- Verfahrensregelungen der Finanz-planung (§ 50)
- Finanzplanung (§ 51)
- Haushaltsplanfeststellung (§ 1)- Haushaltsvoranschläge (§ 27)- Aufstellung des Haushaltsplanent-
wurfs (§ 28)- Beschlußfassung des Haushalts-
planentwurfs (§ 29)- Über- und außerplanmäßige Aus-
gaben (§ 37)- Verpflichtungsermächtigungen
(§ 38)
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Der Budgetprozess in Deutschland VIII
Grundgesetz (Art. 104, 109-115 GG)Das Grundgesetz enthält zahlreiche Regelungen zum Haushaltssystem und Haus-haltsverfahren. Hervorzuheben sind folgende Regelungen: (1) Bund und Ländersind in ihrer Haushaltsführung selbständig und voneinander unabhängig. Sie ha-ben den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechung zutragen (Art. 109 GG). (2) Bund und Länder tragen gesondert die Ausgaben, diesich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben (sog. Lastenverteilungsgrund-satz, Art. 104a GG). - Es spiegeln sich darin ökonomische Grundsätze wider: dasPrinzip der fiskalischen Äquivalenz sowie das Konnexitätsprinzip. Das Grundge-setz enthält darüber hinaus einige Haushaltsgrundsätze, Regelungen zur Haus-haltswirtschaft, zu den Befugnissen des Finanzministers, zu den Aufgaben desBundesrechnungshofs sowie Regelung zur Defizitfinanzierung.
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Der Budgetprozess in Deutschland IX
Stabilitäts- und Wachstumsgesetz (StWG - 1967)Es steht für den Wandel von der ausschließlichen Bedarfsdeckungsfunktion des öf-fentlichen Budgets zu einer modernen gesamtwirtschafltichen Budgetfunktion. Esenthält eine Reihe haushaltsrechtlicher Vorschriften, die für Bund, Länder undGemeinden gelten: (1) Bund und Länder haben in ihrer Ausgabenpolitik darauf zuachten, daß das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht nicht gestört wird. (2) DerFinanzminister kann im Falle gesamtwirtschaflticher Boomsituationen Ausgabeneinschränken und die Mittel für die Schuldentilgung bzw. eine Konjunkturaus-gleichsrücklage verwenden. (3) Für den Fall einer Rezession können zusätzlicheAusgaben getätigt werden, was technisch durch die Einfügung von Leertiteln inHaushaltsplan geschieht.
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Der Budgetprozess in Deutschland X
Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG)Es verpflichtet Bund und Länder, ihr Haushaltsrecht nach bestimmten Grundsätzenzu gestalten. Einige Vorschriften gelten dabei einheitlich für Bund und Länder.Soweit das HGrG nicht entgegensteht, sind Bund und Länder in ihrer Haushalts-getaltung frei. Damit wird (1) grundsätzlich Rechtseinheitlichkeit bei Bund undLändern gesichert und (2) dennoch den organisatorischen und strukturellen Unter-schieden zwischen den Gebietskörperscahften Rechnung getragen.
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Der Budgetprozess in Deutschland XI
Bundeshaushaltsordnung (BHO)Mit der BHO erfüllt der Bund seine Verpflichtungen aus dem HGrG und trifft er-gänzende Regelungen. Die Länder haben durch die Verabschiedung entsprechen-der LHOs ihre Verpflichtungen erfüllt. In der BHO sind dabei nur solche Regelun-gen enthalten, die wegen ihrer Bedeutung einer gesetzliche Regelung bedürfen.Technisch-organisatorische Betimmungen zur Gesetzesdurchführung sind dem-gegenüber den Verwaltungsvorschriften vorbehalten. Die BHO übernimmt dieHaushaltsgrundsätze des HGrG und konkretisiert diese durch weitergehende Be-stimmungen.
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Der Budgetprozess in Deutschland XII
BundeshaushaltsgesetzMit einem in der Regel jährlichen Haushaltsgesetz wird der Haushaltsplan als An-lage des Haushaltsgesetzes festgestellt. Es enthält weitere Regelungen, die sichnicht für die Aufnahme in das „Dauergesetz“ der BHO eignen. Das Haushaltsge-setz ist der BHO gleichrangig gegenübergestellt und kann somit einzelne Rege-lungen der BHO zeitweilig ändern. Dies gilt nicht mit Blick auf das HGrG. In dasHaushaltsgesetz dürfen allerdings nur Vorschriften aufgenommen werden, die sichauf Einnahmen und Ausgaben des Bundes für den Zeitraum der Gültigkeit desHaushaltsgesetzes beziehen (sog. sachliches und zeitliches Bepackungsverbot).
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Der Budgetprozess in Deutschland XIII
HaushaltsplanDer Haushaltsplan ist eine systematisch gegliederte Zusammenstellung der fürein Haushaltsjahr veranschlagten Ausgaben und der zu ihrer Deckung vorgese-henen Einnahmen.
VerwaltungsvorschriftenEs existieren eine Vielzahl an Verwaltungsvorschriften zur BHO sowie zurHaushaltssystematik (Gruppierungsplan, Funktionsplan, HaushaltstechnischeRichtlinien des Bundes HRB). Sie dienen der Strukturierung und Durchführungdes Haushaltsplans.
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Der Budgetprozess in Deutschland XIV
Budgetgrundsätze
Statische Haushaltsgrundsätze Dynamische Haushaltsgrundsätze
Sie beziehen sich auf Inhalt und Sie beziehen sich auf die Vorbereitung Form des Haushaltsplans und Durchführung des Haushaltsplans
Vollständigkeit Einheit Klarheit Nonaffektation Genauigkeit Vorherigkeit Spezialität Öffentlichkeit
Sämtliche öffentli- Einnahmen und Fordert eine Verbot einer Bindung Ausgaben und Ein- Haushaltsplan Ausgaben dürfen Alle Phasen deschen Einnahmen u. Ausgaben einer systematische von Einnahmen an be- nahmen sollen mög- muß vor dem Be- nur für die vorge- Haushaltskreis-Ausgaben müssen Gebietskörper- und übersicht- stimmte Ausgabenzwek- lichst genau veran- ginn einer Periode, gebene Zweckbe- laufs sind dererfaßt werden. Da- schaft müssen liche Gliede- ke. schlagt und geschätzt in der er gelten stimmung im ver- Öffentlichkeit zu-raus folgt auch das innerhalb eines rung des Haus- Ausnahmen: Mineral- werden. soll, vorgelegt wer- anschlagten Umfang gänglich zu ma-Bruttoprinzip der einzigen Etats haltsplans unter ölsteuer/Straßenbau, den. sowie innerhalb der chen.Budgetierung. aufgeführt wer- klarer Kennzeich- Feuerschutzsteuer/Brand- Ausnahmen regelt betreffenden Haus- Ausnahme: Regie-Ausnahmen: Öffent- den. nung der Einzel- verhütung, Abwasserab- das sog. Nothaus- haltsperiode veraus- rungsspitze undliche Betriebe und posten. gabe/Landschaftsschutz. haltsrecht. gabt werden (quali- Geheimdienste.Sondervermögen Sondervermögen und tative, quantitative,
zeitliche Spezialität).
Finanzwirtschaftliche Politische Wirtschaftspolitische AdministrativeFunktion Kontrollfunktion Funktion Lenkungsfunktion
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Der Budgetprozess in Deutschland XV
FiWi I
• Haushaltskreislauf– Aufstellung des Haushaltsplans:
• Finanzministerium verlangt von Ministern Einzelanforderungen (top-down Prozess)
• Haushaltsplanentwurf wird zur Gesetzesvorlage: 1. Lesung in Bundestag und Bundesrat.
– Parlamentarische Beratung und Verabschiedung• Haushaltsausschuss, 2. und 3. Lesung
– Durchführung, Kontrolle und Entlastung• Vollzug mit mitschreitender Kontrolle.• Haushaltsrechung nach Ablauf des Haushaltsjahres• Prüfungsbericht des Bundesrechnungshofes
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Der Budgetprozess in Deutschland XVIRolle der Rechnungshöfe
(1) Organisation und Rechtsstellung (am Beispiel des Bundesrechnungshofes): a)unabhängige Bundesbehörde, b) frei in der Wahl seiner Prüfungstätigkeit, c) Mit-glieder sind keinen fachlichen Weisungen durch Regierung oder Parlament unter-worfen, d) Amtszeit des Präsidenten - 12 Jahre ohne Wiederwahl.
(2) Prüfungsbereiche: a) alle Bundesverwaltungen (dazu zählen alle Bundesein-richtungen, Sondervermögen, Bundesbetriebe sowie Betätigungen des Bundes beiprivaten Unternehmen), b) weitere Prüfungsbereiche wie bundesunmittelbare juri-stische Personen (z.B. Bundesanstalt für Arbeit), Sozialversicherungsträger (soweitsie Bundeszuschüsse erhalten), Stellen ausßerhalb der Bundesverwaltung (soweitsie Teile des Bundeshaushalts ausführen, Bundesmittel oder Vermögensgegen-stände des Bundes verwalten, Bundeszuweisungen erhalten) sowie juristische Per-sonen des privaten Rechts (wenn der Bund mehrheitsbeteiligt ist, diese Einrichtun-gen nicht im Wettbewerb stehen oder öffentliche Aufgaben erfüllen und dafürHaushaltsmittel oder Gewährleistungen erhalten).
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Der Budgetprozess in Deutschland XVII
FiWi I
(3) Prüfungsinhalt: Geprüft wird die Ordnungsmäßigkeit, die Rechtmäßigkeit so-wie die Wirtschaftlichkeit, wobei letzteres den Schwerpunkt bildet. Die Prüfung iststets eine nachträgliche Prüfung bereits getroffener Verwaltungsentscheidungen.
(4) Prüfungsverfahren: a) Erstellung von Prüfungsmitteilungen (Sie werden dengeprüften Stellen zur Äußerung zugeleitet. Kann im Falle von Beanstandungen mitdiesen Stellen keine Einigung erzielt werden, können diese in die jährlichen Be-richte aufgenommen werden. b) Erstellung von Prüfungsberichten (Jahresberichte- sie enthalten regelmäßige Berichte über Mängel in Haushalts- und Wirtschafts-führung, Sonderberichte, Berichte an Parlamentsausschüsse sowie sonstige Be-richte - sie sind in den Fällen erforderlich, wo keine parlamentarische Entlastunggefordert ist).
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Der Budgetprozess in Deutschland XVIII
(5) Beratungstätigkeit: Neben den Prüfungsaufgaben wird auch eineBeratungsaufgabe wahrgenommen. Dies kann auf ausdrückliche Bitte vonRegeirung, Parlament sowie einzelnen Ministerien als auch von sich ausgeschehen. Anlässe: a) Beratung bei der Haushaltsaufstellung, b) Beratung desParlaments bei finanzwirksamen Entscheidungen, c) Beratung einzelnerMinisterien, d) Beratung durch den Präsidenten des Rechnungshofs alsBundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung.
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Der Budgetprozess in Deutschland XIXMängel im System der Haushaltsplanung
Kurzfristigkeit des Inputorientierung Ermittlung optimalerVollzugsbudget der Verwaltung Handlungsalternativen
Bei der kurzfristigen Es wird nur von den ein- Durch die Planung von untenHaushaltsplanung blei- gesetzten Ressourcen her nach oben findet keine Abwä-ben die zukünftigen gedacht. Eine Orientierung gung alternativer StrategienFolgekosten unberück- am Output bzw. an be- zur Aufgabenbewältigungsichtigt. Daneben er- stimmten Zielgrößen wird statt. Es mangelt an Kriterienfolgt eine Ressortkoor- demgegenüber vernach- zur Beurteilung der Dring-dination bei einem Ne- lässigt. lichkeit von Projekten.beneinander von Aktivi-tätten zur Erfüllung glei-cher Aufgaben nur man-gelhaft.
Mittelfristige Finanzplanung Programmbudgetierung WirtschaftlichkeitsanalysenFiWi I
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Der Budgetprozess in Deutschland XXMittelfristige Finanzplanung
Die Einführung der mittelfristigen Finanzplanung sollte in erster Linie das Pro-blem der Kurzfristigkeit des Vollzugsbudgets lösen.
(1) Zielsetzungen:
a) Orientierungsdaten liefern einerseits für staatliche Wirtschaftspolitik inForm einer Abschätzung der Wirkungen der öffentlichen Finanzen auf dieVolkswirtschaft, andererseits für private Unternehmen und Haushalte alsGrundlage für deren mittelfristige Entscheidungsfindung (Stabilisierungder Erwartungen),
b) Zielkonflikte und Entscheidungsaltenativen für staatliche Entscheidungs-träger aufzeigen,
c) Folgekosten und Ausgabensteigerungen öffentlicher Aufgabenerfüllungaufzeigen,
d) Vermeidung von Doppelplanungen einzelner Ressorts.
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Der Budgetprozess in Deutschland XXI
FiWi I
(2) Inhalt und Form:
a) Gegenüberstellung der zukünftigen Ausgabenentwicklung und der zuihrer Deckung erforderlichen Einnahmen,
b) Es besteht keine Vollzugsverbindlichkeit. Es handelt sich lediglich umeine Absichtserklärung. Die Finanzplanung hat damit nur eine ergän-zende Funktion zum Vollzugsbeudget.
c) Die Aufstellung erfolgt wie beim Haushaltsplan durch Sammeln derEinzelanforderungen durch den Finanzminister und anschließender er-ster Anpassung durch Einbezug der Ministerien. Die Vorlage wird an-schließend im Kabinett beschlossen. Die Finanzplanung ist ein Regie-rungsplan, sie wird dem Bundestag und Bundesrat nur zur Informationzugeleitet, d.h. eine Verabschiedung durch den Gesetzgeber bzw. dasParlament ist nicht erforderlich.
d) Der Planungszeitraum umfaßt 5 Jahre, wobei das erste Jahr das laufen-de Haushaltsjahr ist, das zweite Jahr den Haushaltsentwurf für dienächst Haushaltsperiode beinhaltet und nur die verbleibenden 3 Jahre„echte“ Planungsjahre sind.
e) Es handelt sich um einen gleitenden Plan (im Unerschied zu einem fe-sten Plan), d.h. er wird jährlich fortgeschrieben. Dies erhöht den Ak-tualitätsgrad der Planung.
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Der Budgetprozess in Deutschland XXII
Verschiedene Verfahren der Programmbudgetierung
Planing-Programming-Budgeting-System (PPBS) Zero-Base-Budgeting-System (ZBBS) Sunset-Legislation
Aufbau Aufbau Aufbau1. Ziele der Exekutive und des Parlaments
formulieren und gegebenenfalls quantifizieren(Planing).
2. Alternativen zur Zielerreichung erarbeitensowie Auswahl der günstigsten Alternativetreffen (Programming).
3. Umsetzung in Haushaltszahlen (Budgeting).4. Zyklisch rückgekoppelte Erfolgskontrolle
(System).
Unterschiede zu PPBS liegen lediglich in derProgrammphase:1. Entwicklung verschiedener „decision
packages“ in Form alternativer Methoden derAufgabenerfüllung, um bestehende Verfahrender Zielerreichung gegen zweckmäßigereAlternativen zu substituieren.
2. Unterteilung der als optimal eingestuftenHandlungsalternativen in abgestufte Leistungs-und Kostenniveaus und Prüfung, wie sichstetige Kürzung des Haushaltsniveaus aufAufgabenerfüllung auswirkt.
3. Danach Entscheidung für tatsächliche Anzahlan Einzelaufgaben nach Maßgabe derverfügbaren Haushaltsmittel.
1. Programme werden von vornherein zeitlichbegrenzt und/oder mit abnehmendenHaushaltsansätzen versehen.
2. Rund 1 Jahr vor Auslaufen eines Programmserfolgt eine Evaluation der bisherigenAktivitäten.
3. Auf Grundlage von Evaluationsberich-tenunter Abhaltung von Hearings er-folgt dann dieparlamentarische Ent-scheidung überFortführung oder Ein-stellung einesProgramms.
Probleme Probleme Probleme1. Starke ökonomische Ausrichtung des
Haushalts erforderlich.2. Nicht für alle öffentlichen Aufgaben geeignet.3. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß
Haushaltsansätze früherer Periodenübernommen werden.
1. Sehr aufwendig in Handhabung.2. Nicht alle decision packages in gleicher Weise
formulier- und quantifizierbar.3. Gefahr des abrupten Abbruchs längerfristiger
Projekte.
1. Nicht für alle Teile des öffentlichen Haushaltsgeeignet.
2. Auch hier Gefahr des - wenn auch nichtabrupten - Abbruchs längerfristiger Projekte.
FiWi I
40FiWi I
Voraussetzungen und Merkmale des Neuen Steuerungsmodells:
(1) Umstellung von der Input- zur Outputsteuerung der Verwaltung. Letzteregeht von den Produkten der Verwaltung aus, nicht von den zugeteilten Ressour-cen.
(2) Wirksames Kostenmanagement, was allerdings die Kenntnis der Kosten al-ler von der Verwaltung erzeugten Produkte voraussetzt.
(3) Direkte Orientierung am Bürger bzw. Abnehmer von Verwaltungsleistun-gen, was ein durchgängiges Qualitätsmanagement erfordert.
(4) Klare Aufteilung der Verantwortung zwischen Politik und Verwaltung. Manspricht hier auch von einem Kontraktmanagement.
(5) Ein solches Kontraktmanagement impliziert eine dezentrale Ressourcenver-antwortung der einzelnen Fachbereiche der Verwaltung.
(6) Damit einher geht eine Abkehr von der traditionellen zentralen Verwaltungfinanzieller Mittel und der engen Sachbindung der Mittel hin zu einem Systemder Budgetierung.
(7) Größere Eigenveranwortung der Mitarbeiter hat Konsequenzen für das Per-sonalmanagement der Verwaltung.
(8) Dezentrale Ressourcenverantwortung kann nicht ohne Rückkopplung derzur Gesamtverwaltung und zum finanzpolitischer Entscheidungsträger gestaltetwerden, was ein wirksames Controlling und ein zeitnahes Berichtswesen erfor-dert.
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Der Budgetprozess in Deutschland XXIV
FiWi I
Wirtschaftlichkeitsprüfungen
Übertragung betriebswirtschaftlicher Methoden derInvestitions- bzw. Projektbewertung auf die Beurteilung von
Erfüllungsalternativen öffentlicher Aufgaben
Nutzen-Kosten-Analyse Nutzwertanalyse Kosten-Wirksamkeits-Analyse
Aufbau Aufbau Aufbau1. Erfassung der relevanten Nutzen- und
Kostengrößen, differenziert nach direkten undindirekten sowie tangiblen und intangiblenNutzen und Kosten.
2. Bewertung der relevanten Nutzen- undKostengrößen. Bei intangiblen Größen bleibtallerdings nur die Verbalisierung.
3. Wahl des Zinssatzes als Indikator für die„soziale Zeitpräferenz“ bzw. die anfallendenOpportunitätskosten einer alternativenMittelverwendung.
1. Auffächerung des Hauptziels in verschiedeneNebenziele und Formulierung verschiedenerHandlungsalternativen zur Zielrealisierung.
2. Ermittlung der Zielerträge der einzelnenAlternativen anhand bestimmter Kriterien(Zeitbedarf, Durchsetzungsfähigkeit etc.).
3. Gewichtung der einzelnen Zielerträge jeAlternative anhand subjektiver Präferenzen.
4. Zusammenfassung der Teilnutzwerte zuGesamtwert je Handlungsalternative undAuswahl der Alternative mit größtemNutzwert.
K-W-A ist letztendlich eine Mischung aus Nutzen-Kosten-Analyse, soweit es um die Erfassung derKosten geht, und Nutzwert-analyse, wenn dieErmittlung der Zieler-reichungsbeiträge vonHandlungsalterna-tiven im Vordergrund steht.
2 Varianten- fixed-effectiveness-approach- fixed-cost-approach
Anwendungsgebiete Anwendungsgebiete AnwendungsgebieteJe technischer ein Projekt, umso besser, weilquantifizierbarer.
Projektbewertung ohne verfügbare objektive Datenzu Nutzen und Kosten des Pro-jekts.
Aufgaben, bei denen Kosten bekannt, Ziel-erreichungsbeiträge von Handlungsalternativenermittelbar, der gesamtgesellschaftliche Nutzen aberschwierig oder gar nicht bestimmbar ist.
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Zusammenfassung I
FiWi I
• Institutions matter!• Persson und Tabellini (2001): Niedrigere
Staatsausgaben in präsidentiellenDemokratien.
• Formale Beschränkungen reduzieren die Staatstätigkeit unter bestimmten Bedingungen.
• Rolle des Finanzministers im Budgetprozess• Direkte Demokratie.