Fremdarbeitskräfte im Betrieb – Arbeitnehmerüberlassung oder Werkvertrag? Hamburg – 4....

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Fremdarbeitskräfte im Betrieb – Arbeitnehmerüberlassung oder

Werkvertrag?

Hamburg – 4. September 2014

I. Vorbemerkungen und Trends

II. Überblick Arbeitnehmerüberlassung

III. Gesetzesänderungen und aktuelle Rechtsprechung zur AÜ

IV. Werkverträge

V. Ausblick

I. Vorbemerkungen und Trends

Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)

• letzte Neuregelung zum 01.12.2011 (01.05.2012),davor weitgehende Änderungen zum 01.01.2004

• vorher: Verhinderung der Zurückdrängung vonunbefristeter Vollzeitbeschäftigung

• dann: Arbeitnehmerüberlassung als Möglichkeit zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit

• jetzt: erneute Zurückdrängungstendenz und Verhinderung von gesehenem Missbrauch

„Vorübergehend“ - § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG

„Die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt vorübergehend.“

Aktuelle Trends in der Arbeitnehmerüberlassung

• massive Aufwertung der Mitbestimmung bei ANÜ durch das BAG

• Verteuerungstendenz durch Branchentarifverträge und Mindestlohn

• „Drohverhalten“ des Gesetzgebers

• hohe Dichte an gerichtlichen Verfahren

• Ausweichtendenz auf andere Vertrags- und Durchführungsarten (auch: Missbrauch)

Koalitionsvertrag 2013 – „Weiterentwicklung“ der Arbeitnehmerüberlassung:

• Höchstüberlassungsdauer 18 Monate

• tariflich oder betrieblich vereinbarte Abweichungen zulässig

• Equal-Pay nach 9 Beschäftigungsmonaten im Entleiherbetrieb (branchenunabhängig)

• Streikbruchverbot

• grundsätzliche Berücksichtigung bei betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten

Koalitionsvertrag 2013 – Verhinderung von Missbrauch bei Werkverträgen:

• Verhinderung von „rechtswidrigen Vertragskonstruktionen“

• Kompetenzerweiterung Schwarzarbeitskontrolle

• Informationsrechte Betriebsrat

• keine Besserstellung bei Vorlage einer Verleiherlaubnis

• Abgrenzung anhand Kriterien des ordnungsgemäßen und missbräuchlichen Fremdpersonaleinsatzes

II. Überblick Arbeitnehmerüberlassung

Arbeitnehmerüberlassung

AÜ ist die im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit erfolgende Überlassung von Arbeitnehmern zur Arbeitsleistung an einen Dritten, die dieser nach seinen Vorstellungen und Zielen in seinem Betrieb wie eigene Arbeitnehmer einsetzt.

Definition

Werkvertrag Dienstvertrag

Abordnung Bedienpersonal

Arbeitsvermittlung

Abgrenzung zu anderen Vertragsarten

Risiken bei fehlerhafter Arbeitnehmerüberlassung:

• Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum „Entleiher“

• Ordnungswidrigkeit nach § 16 AÜG

bei fehlender Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung des „Verleihers“ (§ 1 AÜG) oder verdeckter Überlassung

Verleiher

Entleiher

Zeitarbeitnehmer

Arbeitsvertrag

Verleihvertrag

tatsächliche Überlassung

Beteiligte und deren Rechtsbeziehungen

Verleiher verpflichtet sich zur zeitweisen Überlassung von Arbeitnehmern mit bestimmter Qualifikation gegen Entgelt

Verleiher Entleiher

Verleihvertrag

„Normaler“ Arbeitsvertrag

Besonderheit: Verpflichtung zur Arbeitsleistung bei Dritten

Verleiher Zeitarbeitnehmer

Arbeitsvertrag

Entleiher Zeitarbeitnehmer

tatsächliche Überlassung

• bleibt Arbeitnehmer des Verleihers

• arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht für Entleiher

• Zeitarbeitnehmer in Rechtsstellung der Stammbelegschaft stark angenähert

• Direktionsrecht geht auf Entleiher über

Verleiher

Entleiher

Zeitarbeitnehmer

Arbeitsvertrag

Verleihvertrag

tatsächliche Überlassung

Beteiligte und deren Rechtsbeziehungen

DR

Direktionsrecht (Weisungsrecht):

Nähere Bestimmung der im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig beschriebenen Leistungspflicht des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber nach

- Zeit

- Art und

- Ort der Leistung

Rechtsgrundlage: § 315 Abs. 1 BGB, § 106 GewO

vorgegebene Grenze des Direktionsrechts:

Ausübung nach „billigem Ermessen“

Das Direktionsrecht umfasst in der Praxis im Kern:

• Zuweisung eines betrieblichen Arbeitsplatzes

• Befugnis zur Übertragung konkreter Arbeitsaufgaben

• Einteilung in bestimmte Schichten/ Arbeitszeitmodelle

III. Gesetzesänderungen und aktuelle Rechtsprechung AÜ

„Vorübergehend“ - § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG

„Die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt vorübergehend.“

Arbeitsrechtlich berührte Bereiche:

Individual-arbeitsrecht

Betriebsverfas-sungsrecht

Rechtsfolge einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung –

BAG Urt. v. 10.12.2013 – 9 AZR 51/13

• keine Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiherbetrieb bei Vorliegen einer AÜ-Erlaubnis

• mangels planwidriger Lücke keine Analogie

Individualarbeitsrecht

Einsatz von Zeitarbeitnehmern – Zustimmungsverweigerung („vorübergehend“) –

BAG Beschl. v. 10.07.2013 – 7 ABR 91/11

• „vorübergehend“ ist nicht bloß Programmsatz, sondern Verbotsvorschrift

• BR kann Zustimmung verweigern, wenn Überlassung nicht bloß vorübergehend

• keine Zeitschranke genannt!

Betriebsverfassungsrecht

Beschäftigung von Zeitarbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen –

LAG Schleswig-H. Beschl. v. 08.01.2014 – 3 TaBV 43/13

• Zustimmungsverweigerungsrecht des BR bei Beschäftigung von Zeitarbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen

Betriebsverfassungsrecht

„Drehtürklausel“ - § 3 Abs. 1 Ziff. 3 AÜG

6-Monats-Sperre für Abweichung vom Equal-Pay bei vormals beim Entleiher beschäftigten Zeitarbeitnehmern

Information über freie Arbeitsplätze – § 13 a AÜG

• durch Entleiher für seinen Betrieb• möglich durch allgemeine Bekanntgabe an

geeigneter Stelle• keine Vorrangregelungen für Einstellung• kein Einstellungsanspruch• bußgeldbewehrt

Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen und -diensten – § 13 b AÜG

• gleiche Bedingungen wie Stammbelegschaft• unterschiedliche Behandlung aus sachlichen

Gründen gerechtfertigt• Beispiele: Kinderbetreuung, Kantine,

Beförderungsmittel

III. Werkverträge

Werkverträge § 631 BGB

• Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

• Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein.

„Maßschuhe, Diesellokomotiven und Industrieanlagen werden in Deutschland nach den selben Vorschriften hergestellt.“

Kernmerkmale eines Werkvertrags:

• geschuldet wird Erfolg, nicht Bemühen

• Abnahme des Werks

• Auftragnehmer erledigt in Eigenverantwortung

• Auftragnehmer erledigt mit eigenen Arbeitsmitteln

Werkunternehmer

Werkbesteller

Arbeitnehmer des Werkunternehmers

Arbeitsvertrag

Werkvertrag

Einsatz im Rahmen des Werkvertrags

Beteiligte und deren Rechtsbeziehungen

DR

Abgrenzung von Arbeits- und Werkvertrag –BAG Urt. v. 25.09.2013 – 10 AZR 282/12

1. Ein Werkunternehmer ist selbständig. Er organisiert die für die Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und ist für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Besteller verantwortlich.

• selbständige Organisation • Eigenverantwortung• kein Direktionsrecht• abgrenzbares, als eigene Leistung zurechenbares Werk

2. Ob ein Werkvertrag, ein Dienst- oder ein Arbeitsverhältnis besteht, zeigt der wirkliche Geschäftsinhalt. Zwingende gesetzliche Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben.

• tatsächliche Durchführung maßgeblich• vertragliche Einkleidung nicht entscheidend

3. Richten sich die vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen nach dem jeweiligen Bedarf des Auftraggebers, so kann auch darin ein Indiz gegen eine werk- und für eine arbeitsvertragliche Beziehung liegen, etwa wenn mit der Bestimmung von Leistungen auch über Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit entschieden wird. Wesentlich ist, inwiefern Weisungsrechte ausgeübt werden und in welchem Maß der Auftragnehmer in einen bestellerseitig organisierten Produktionsprozess eingegliedert ist.

• Bedarfsabhängigkeit vom Auftraggeber• keine Eingliederung in einen bestellerseitig

organisierten Produktionsprozess

• selbständige Organisation

• Eigenverantwortung

• kein Direktionsrecht

• abgrenzbares, als eigene Leistung zurechenbares Werk

• tatsächliche Durchführung maßgeblich

• vertragliche Einkleidung nicht entscheidend

• Bedarfsabhängigkeit vom Auftraggeber

• keine Eingliederung in einen bestellerseitig organisierten Produktionsprozess

Beispiel 1:

Ein Herbststurm entblättert das Dach der Halle 5 der Firma Schröder GmbH. Die Dachdeckerei Petersen GmbH wird mit der Schadensbeseitigung beauftragt. Geschäftsführer Schröder steht an der Halle und gibt den fünf Dachdeckern der Firma Petersen aufgeregt Anweisungen, wie das Dach am besten zu reparieren sei.

Beispiel 2:

Die Personaldienstleistung GmbH wird mit dem eigenständigen Betrieb des Bereichs Lager/Logistik der Schröder GmbH beauftragt. Dort arbeiten ausschließlich Mitarbeiter der P GmbH mit eigenen Vorgesetzten. Bei Problemen und Auftragsanpassungen wendet sich Schröder an die Geschäftsführung der P GmbH. Diese erteilt dann Anweisungen an die Mitarbeit vor Ort.

Beispiel 3:

Beim Einzelhändler Schwedenmode GmbH arbeiten Mitarbeiter der S GmbH mit Mitarbeitern der Personaldienstleister GmbH im Rahmen eines Werkvertrags in den Filialen Hand in Hand. Der Personalstand der P-Mitarbeiter ist abhängig von Urlaub, Krankheit usw. der Stammbelegschaft. Was gemacht werden soll, teilt den P-Mitarbeitern entweder die P-GmbH mit oder auch häufiger Mitarbeiter/Vorgesetze der S direkt.

Filiale A

Personal-dienstleister P

P1 P2 P3

Filiale B

Personal-dienstleister P

P1 P2 P3

V

F1 F2 F3

V

Filiale C

Personal-dienstleister P

P1 P2 P3

V

F1 F2 F3

V

Diskutierte Fallgruppen verdeckter AÜ:

• zwischengeschaltete Aufsichtsperson (bloße Weitergaben von Weisungen)

• Rahmenvertrag mit Einzelbestellungen

• „Atomisierung“ in kleinste Leistungspäckchen

• Verlagerung von Weisungen in den Werkvertrag

• Weisungsfreie Tätigkeit im Fremdunternehmen

Weitere Merkmale, die gegen das Vorliegen eines Werkvertrags sprechen können:

• keine Haftung für Ergebnis der Arbeiten

• Identität der Arbeitsleistung zu der von Stammpersonal

• Verwendung von Werkzeug und Material des Werkbestellers

• Vergütung nach Zeiteinheiten

Rechtsfolge einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung –

BAG Urt. v. 10.12.2013 – 9 AZR 51/13

Analogie zu Werkverträgen denkbar?

„Rechtsfolge einer verdeckten Arbeitnehmer-überlassung im Rahmen eines Werkvertrags“

Rechtsfolgen verdeckter Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen eines Werkvertrags:

• Begründung eines Arbeitsverhältnisses bei Nichtvorliegen einer AÜ-Genehmigung

• Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungsrechte – keine Einstellungsanhörung

• Ordnungswidrigkeiten § 16 AÜG

Kernvoraussetzungen einwandfreier werkvertraglicher Handhabungen:

• organisatorisch-funktionale Abgrenzbarkeit(Isolation statt Integration)

• keine Ausübung von arbeitsrechtlichen Weisungen

Werkunternehmer

Werkbesteller

Arbeitnehmer des Werkunternehmers

Arbeitsvertrag

Werkvertrag

Einsatz im Rahmen des Werkvertrags

Beteiligte und deren Rechtsbeziehungen

DR

IV. Ausblick

Arbeitsrechtlich berührte Bereiche durch die Änderung in § 1 Abs. 1 AÜG – „vorübergehend“:

Individual-arbeitsrecht

Betriebsverfas-sungsrecht

Koalitionsvertrag 2013 – „Weiterentwicklung“ der Arbeitnehmerüberlassung:

• Höchstüberlassungsdauer 18 Monate

• tariflich oder betrieblich vereinbarte Abweichungen zulässig

• Equal-Pay nach 9 Beschäftigungsmonaten im Entleiherbetrieb (branchenunabhängig)

• Streikbruchverbot

• grundsätzliche Berücksichtigung bei betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten

Koalitionsvertrag 2013 – Verhinderung von Missbrauch bei Werkverträgen:

• Verhinderung von „rechtswidrigen Vertragskonstruktionen“

• Kompetenzerweiterung Schwarzarbeitskontrolle

• Informationsrechte Betriebsrat

• keine Besserstellung bei Vorlage einer Verleiherlaubnis

• Abgrenzung anhand Kriterien des ordnungsgemäßen und missbräuchlichen Fremdpersonaleinsatzes

Von der Rechtsprechung zu erwartende Trends:

• weitere Aufwertung betriebsverfassungsrechtlicher Mitbestimmungsrechte bei AÜ und Werkvertrag

• weiter verkomplizierende Differenzierung der Abgrenzungskriterien zwischen AÜ und Werkvertrag

• Ausweichen auf Punkt, ab dem der Gesetzgeber gefordert wäre