Krisenkommunikation 2 0

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Erfordernisse und Möglichkeiten der Krisenkommunikation im Social Web anhand eines Fallbeispiels.

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krisenkommunikation2.0Krisen im Social Web

Florian Semle

www.freelations.de

Marketing Symposium Mannheim27. März 2010

Gelten die Gesetzmäßigkeiten der Krisenkommunikation auch im Social Web?

Koordinaten der klassischen Krisenkommunikation

Grundlagen und Methodik der klassischen Krisenkommunikation

One Voice Policy

• Zentralisierung und Kanalisierung der Kommunikation• Ansprache und Interviews NUR durch Pressesprecher / delegierte Führungskräfte

Szenario-Planung

• Vorgehen anhand von vorher festgelegten Szenarien

• Festgelegte Prozesse und Abläufe

• Abgestimmte, vorbereitete Grundlagen der Kommunikation

War Room

Zentrales Krisenteam mit definierten Funktionen: • Leitung

• Sprecher

• Redaktion• Kundenkommunikation / Vertrieb

• Legal• TBD.

Proaktives Vorgehen

• Kommunikation von Kernbotschaften

• Definition der Kanäle (Pressemitteilungen, Pressekonferenzen, etc.)

• Priorität auf Presse-nicht Publikumsarbeit

Krisenkommunikation1.0: Flaschenhalsmodell

Informations-beschaffung, Monitoring

War Room / Krisenteam

Kanalisierte Medien- und Stakeholder-kommunikation

Publikum

Müssen bestehende Denkansätze erneuert / erweitert werden? Brauchen

wir eine krisenkommunikation2.0?

Fallstudie:

Technikausfall bei YiGG.de, der aktivsten deutschen Social News

Community

YiGG.de, Social News Community

Die Situation im Juni 2008

YiGG erreicht die Marke von 500.000 registrierten Nutzern, erzielt über 1.000 tagesaktuelle Einträge und verzeichnet die höchste Aktivität und Loyalität aller deutschen News- und Bookmarking Communities.

Die rasant steigende Userzahl erfordert einen kompletten Ersatz und Neustart der technischen Infrastruktur.

Am 1. Juni 2008 startet um 5 Uhr morgens ein komplett überarbeitetes System.

Um 6.05 Uhr bricht der Server zusammen. Mehrere Neustarts scheitern, der Server nimmt die Seite nicht an. Eine reduzierte Ersatzversion wird gestartet….

Krisenchronologie

06:30: Ein erster Blogbeitrag wird von den Usern mit über 400 Stimmen auf die Startseite gevoted.

08:30: Die YiGG-Startseite hat nur noch ein Thema: Fundamentalkritik an YiGG.

09:30: Über 80 kritische Blogeinträge.15:00: Eine Seite mit einer Anti-Kampagne

gegen den Neustart geht online.

18:00: Über 200 Blogeinträge, erste Pressenotizen.

2. Tag: Überall im Netz tauchen Buttons, Banner, Mash-ups und Voting-Systeme auf.

4. Tag: Zumindest auf der Startseite beruhigt sich die Situation.

Einblicke

YiGG-Krisenmanagement

07:00: Erste Telefonkonferenz eines zunächst 5-köpfigen Teams, Delegation und nächste Schritte

07:30: Persönliche Bearbeitung jedes einzelnen Beitrags und Kommentars auf der Startseite

09:30: Ein ca. 15-köpfiges Team schwärmt zu allen identifizierten kritischen Blogs aus und nimmt den Dialog auf

16:00: Eine offene Schnittstelle zwischen Usern und Entwicklern wird auf die Startseite von YiGG verlinkt (User-Kollaboration)

2. Tag: Ein-Live-Patch-Stream zeigt Entwickleraktivitäten in Echtzeit

4. Tag: Kein unkommentierter Beitrag mehr im Netz. Die Reaktion des Teams findet Anerkennung bei der Netzgemeinde.

Erfolgsfaktoren der YiGG-Krisenkommunikation

• Persönlicher Kontakt / persönliche Beziehungen.

• Verzicht auf Formalisierungen, Freigaben, Prozesse, Definition gemeinsamer Ziele und Schnittstellen.

• Echtzeitkoordination via Smartphones, WIKI, Telkos

• User-Loyalität zu „ihrer“ News-Community.• Radikale Offenheit, schonungslose Fehlereingeständnisse, sofortige Einbeziehung der User in Lösungsansätze.

• Kommunikation in der Kultur des Social Web.

Bei der Krise2.0 muss nicht in erster Linie das Image „gemanagt“ werden, sondern die sozialen Beziehungen.

Social Media Krisenkommunikation

Anatomie der Krise 2.0

• User sind Teilhaber – andere emotionale Qualität

• Blogger sind Beteiligte, keine „neutralen“ Berichterstatter

• Kampagnenhafte Eskalation: Mash-ups, Netzwerke…

• Das Verhalten in der Krise ist wichtiger, als die Botschaft / die Lösung

• Meinungsmache: Spekulationen, Konkurrenzempfehlungen, Boykotte,…

• Emotionales Eskalationspotenzial: Meinung, Enttäuschung, Wut….

• Unmittelbarer Einfluss auf Kundenbeziehungen• Long-Tail-Auswirkungen (Suchmaschinen)

Krisenkonzeption2.0: Konzentrischer Dialog Netz-öffentlichkeit

Multiplikatoren / Poweruser

Krisenteam

KoordinativeRessourcen

Krisenkommunikation1.0: Flaschenhalsmodell

Informations-beschaffung, Monitoring

War Room / Krisenteam

Kanalisierte Medien- und Stakeholder-kommunikation

Publikum

Risikofaktoren2.0

• Kulturelle Risiken!

• Echtzeitkommunikation– das Web ist schneller als jeder Journalist

• Persönliches Involvementvon Mitarbeitern

• Kaum Möglichkeiten einer rechtlichen Prüfung

• Andere Führungskonzepte

Krisen im Social Web folgen eigenen, anderen Gesetzmäßigkeiten und brauchen andere Lösungsansätze!

krisenteam2.0: Kooperativer Schwarm

• Formelle Abläufe, Strategien und Strukturen müssen vom Team internalisiert werden (Zeitersparnis)

• Kommunikatoren sind Botschafter – und Botschaften. Deshalb muss krisenkommunikation2.0 auf Erfahrung und Training setzen, nicht auf Texte und Standards

• Taten statt Worte: Es reicht nicht, vom Lösungen zu sprechen – geprüft werden konkrete, zeitnahe Aktionen

• Organisation: Krisenteam als Schwarm - minimale Koordination, maximale Intuition

• Einsatz von internen Social Media Tools (z.B. Wiki)

• krisenkommunikation2.0 ist Emotionenmanagement

Der strategische Rahmen der Krisenkommunikation bleibt erhalten – die

Methodik und Tonalität ändern sich.

Einstieg ins krisenmanagement2.0

• Identifizierung des Ökosystems sozialer Beziehungen: Multiplikatoren, Kritiker, Verlinkung und Vernetzung

• Erweiterung der Social Media Policy für den Krisenfall

• Aufbau einer angemessenen Infrastruktur für den Notfall: Monitoring, Blog, Tonalität im Krisenfall

• Schaffung informeller Grundlagen für ein krisenteam2.0

• Integration von klassischer Krisenkommunikation (Presse, Stakeholder) und krisenkommunikation2.0

Ausblick:Das Social Web wird langfristige

Auswirkungen auf unsere Kommunikationskultur haben – auch in

kritischen Situationen.

Vielen Dank!

Florian Semlefreelations kommunikationsberatung2.0

www.freelations.de@floriansemle