Post on 24-Jul-2018
Leben dürfen – sterben müssen. Oder manchmal eher umgekehrt? 06.05.2015
Dr. med. Roland Kunz 1
Leben dürfen - sterben müssen. Oder manchmal eher umgekehrt?
Dr. med. Roland Kunz
Chefarzt Geriatrie und Palliative Care
Wir
! Wir dürfen leben, im Hier und Jetzt ! Wir müssen einmal sterben
! Aber daran denken wir lieber nicht …
! Können wir uns Situationen vorstellen, in denen das Leben ein Müssen wird? ! Und das Sterben ein Dürfen?
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Sterben bis ins 20. JH
«Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen» Martin Luther 1524 «Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen» Martin Luther 1524
1 5 20 30 40 50 60 70 Jahre
Eines lege ich euch allen ans Herz:
Leben und Tod sind eine ernste Sache.
Schnell vergehen alle Dinge.
Seid ganz wach,
Niemals achtlos, niemals nachlässig.
Täglicher Ruf in den Zen-Klöstern nach der letzten Abendmeditation
Altötting. Uhr aus der Pestzeit
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Sterben heute
«mitten im Leben sind wir von der Gesundheitsindustrie umfangen»
Anti-Aging-Werbung und Spitzenmedizin schüren Erwartung
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Gesellschaft heute: Autonomie - Primat
! Selbständigkeit, Unabhängigkeit als einziges Ziel für das Alter
! Selbstbestimmter Tod, wenn es für mich nicht mehr lebenswert ist (lebenssatt)
! Wir haben das «Geschehenlassen», das «Annehmen» verlernt: Machsal statt Schicksal
Vom Schicksal zur Machsal…
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um 1900
Anti-Aging als alter Traum der Menschheit...
Lucas Cranach d. Ältere 1546
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Negativ-Image «Alter»
Negativ-Image «Abhängigkeit»
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Negativ-Image aus Presse
Die Möglichkeiten der Medizin, ihr Umgang mit der Endlichkeit
Geburt Prävention Kurativ Unheilbar Sterben
Maximaltherapie (Reparaturmedizin)
Komplementär
Sterbehilfe
„WWW“
Delegation
Vom Leben dürfen zum müssen?
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Delegation des Sterbens
! Von der Realität in die Virtualität ! Von der Gesellschaft an die
Institutionen ! Vom Akutspital an die Langzeitpflege ! Von den Angehörigen an die
Professionellen
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Wie möchten Sie einmal sterben?
! An einem plötzlichen Tod?
! Nach kurzer Krankheit (Wochen)?
! Nach längerer Krankheitsphase mit zunehmender Gebrechlichkeit?
Wie möchten die Menschen sterben?
Tobler, Scholian. Praxis 2009: Wunschvorstellungen vom Lebensende
93%
43% 50%
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Die Widersprüche
! 75% aller Menschen möchten zuhause sterben - aber 70-80% aller Menschen versterben in Institutionen (Spital, Pflegeheim)
! 43% wünschen sich einen plötzlichen Tod, weitere 50% einen Tod nach kurzer Krankheitsdauer – nur 10% sterben einen plötzlichen Tod, 20% nach einer Krankheitsphase von Wochen bis Monaten, die übrigen nach einer von Monaten und Jahren.
Woran dürfen wir sterben?
! Reduktion der kardiovaskulären Todesfälle in der Schweiz zwischen 1988 und 2008 von 222 auf 155 / 100‘000 Einwohner (Schweiz Med Forum 2010)
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Woran sterben wir effektiv?
wie sterben wir heute?
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wie sterben wir heute?
wie sterben wir heute?
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Leben müssen – sterben dürfen?
Sterben als natürliches Geschehen? " Sterben als Folge von Therapieentscheidungen
Behandlungsabbruch oder -Verzicht
Bosshard G et al. 2005
EURELD/MELS-Studie
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Entscheidungsgrundlagen
! Offene Information des Patienten über: ! Diagnose, Prognose, Chancen und Grenzen sowie
Risiken und Belastungen von kurativen Behandlungen
! Verzicht heisst nicht „nichts mehr machen“: Palliative Care als umfassende Begleitung
! Entscheidung durch Patient: Formulierung seiner Ziele, Erwartungen, Wünsche und was er nicht will, wo er Grenzen der Behandlung setzt.
In welcher Situation möchte ich nicht mehr leben müssen, möchte ich sterben dürfen?
Der persönliche Wille Erw.schutzrecht
! Patientenverfügung, die persönliche Werthaltung zum Ausdruck bringt ! Im Krankheitsverlauf immer wieder
diskutieren und anpassen, konkretisieren
! Stellvertretende Entscheidungen durch Angehörige: nur möglich, wenn wir mit ihnen darüber sprechen!
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Und wenn man nichts mehr machen kann ist noch viel zu tun:
Palliative Care
Was verstehen wir unter Palliative Care? (Nationale Leitlinien)
Palliative Care umfasst die Betreuung und die Behandlung von Menschen mit unheilbaren, lebensbedrohlichen und/oder chronisch-fortschreitenden Krankheiten. Patientinnen und Patienten wird eine ihrer Situation angepasste optimale Lebensqualität bis zum Tode gewährleistet und die nahestehenden Bezugspersonen werden angemessen unterstützt. Palliative Care beugt Leiden und Komplikationen vor. Sie schliesst medizinische Behandlungen, pflegerische Interventionen sowie psychologische, soziale und spirituelle Unterstützung mit ein.
Lebensqualität: individuell, persönliche Vorstellungen, Werthaltungen, Lebensgeschichte.
Leiden: betrifft den ganzen Menschen als Einheit von Körper, Seele und Geist. (Bsp.)
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Wann beginnt Palliative Care ?
2010
Bessere Lebensqualität
Weniger Depressionen
Längeres Überleben (11.6 zu 8.9 Mte)
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Vom Kampf gegen die Krankheit zum Leben mit der Krankheit
Geburt Prävention Kurativ Unheilbar Sterben
Maximaltherapie
Palliative Care
Palliative Care fokussiert auf das Wesentliche: „SENS“
! Symptombehandlung ! Entscheidungsfindung ! Netzwerk ! Support
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SENS
! Symptom-Management: ! Optimale Symptombehandlung und
Empowerment zur Selbsthilfe
! Entscheidungsfindung: ! Definition der eigenen Ziele und Prioritäten,
schrittweise Entscheidungsfindung, präven-tive Planung für mögliche Komplikationen
SENS
! Netzwerk: ! Aufbau eines Betreuungsnetzes unter
Zusammenführung von ambulanten und stationären Strukturen
! Support: ! Selbständigkeit stärken und erhalten,
Unterstützungssystem für die Angehörigen, auch über den Tod hinaus
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Palliative Care
! Reduzieren des „medizinischen Lärms“ " Raum und Ruhe schaffen, um die eigene Lebenssymphonie fertig zu schreiben
! Das Lebensende nicht immer weiter medikalisieren
Was ist mir am Lebensende wichtig? Steinhauser KE, Christakis NA, JAMA 2000
! Beste Schmerz- und Symptombehandlung ! Klare, informierte Entscheidungsfindung ! Vorbereitung des Lebensendes ! Ruhe und Zeit für Lebensbilanz ! Den Angehörigen keine Belastung werden ! Weitergabe wichtiger Dinge ! Respektierung als ganze Person
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Palliativstation Villa Sonnenberg Spital Affoltern: …. wie zu Hause, mit den Möglichkeiten eines Spitals
Vom sterben dürfen / müssen zum leben dürfen…
„Ich wird no richtig zur Gnüsseri, anstatt dass ich stärbe..“