Mitarbeiterkontrollen Neumünster – 20. März 2014.

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Mitarbeiterkontrollen

Neumünster – 20. März 2014

Eingangsfall 1:

Mitarbeiter M arbeitet in der Exportsachbearbeitung. Es hat in den vergangenen Monaten immer wieder Probleme in der Zollabwicklung bei Vorgängen gegeben, die von M bearbeitet worden sind. Arbeitgeber A veranlasst daher die tägliche Kontrolle der von M bearbeiteten Vorgänge nach dessen Arbeitsende.

Ist das Vorgehen von A rechtsmäßig?

Eingangsfall 2:

Arbeitgeber A hat Mitarbeiter M die private Nutzung des dienstlichen Email-Accounts gestattet. M erkrankt längerfristig. A lässt daraufhin den Email-Account des M auf wichtige dienstliche Emails durchsuchen. Hierbei findet A auch private Emails des M.

Hat A rechtmäßig gehandelt?

Eingangsfall 3:

Mitarbeiter M erkrankt stets bei Einteilung in eine bestimmte Schicht, angeblich an Kniebeschwerden. Arbeitgeber A beauftragt einen Detektiv, der ihn anlässlich einer erneuten Erkrankung 11 Tage vor seinem Wohnhaus überwacht. Es werden umfangreiche Bauarbeiten des A auf seinem Hausgrundstück festgestellt.

Wäre eine Kündigung rechtssicher durchführbar?Kann M Entschädigungsansprüche gegen A haben?

I. Formen der Mitarbeiterkontrolle

II. Rechtliche Rahmenvorgaben

III. Einzelfälle

IV. Sonderprobleme

V. Mitbestimmungsfragen

VI. Taktische Erwägungen

I. Formen der Mitarbeiterkontrolle

Typische Anlässe für Mitarbeiterkontrollen:

• allgemeine Qualitäts- und Leistungskontrollen

• Anlasskontrollen

• Stichproben

• Verdachtskontrollen

• Überführungskontrollen

manuelle Überwachung technische Überwachung

durch eigene Mitarbeiter

durch betriebsfremde Dritte

Stichprobenartig auf Dauer

auf konkreten Verdacht verdachtsunabhängig

Grundsatz:

Die Kontrolle der Leistung und des Verhaltens der Mitarbeiter im Betrieb und anlässlich der Arbeitsleistung ist für den Arbeitgeber zulässig und legal.

Abhängig von besonderen Umständen des konkreten Einzelfalls bestehen jedoch ggf. weitere Anforderungen an die Zulässigkeit der Maßnahme.

Eingangsfall 1:

Mitarbeiter M arbeitet in der Exportsachbearbeitung. Es hat in den vergangenen Monaten immer wieder Probleme in der Zollabwicklung bei Vorgängen gegeben, die von M bearbeitet worden sind. Arbeitgeber A veranlasst daher die tägliche Kontrolle der von M bearbeiteten Vorgänge nach dessen Arbeitsende.

Ist das Vorgehen von A rechtsmäßig?

II. Rechtliche Rahmenvorgaben

kein einheitliches Schutzgesetz z.G. Arbeitnehmer(„ArbeitsnehmerdatenschutzG“)

Schutz im Wesentlichen aus:

• Allgemeines PersonlichkeitsrechtArt. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG

• Datenschutzvorgaben

• betriebsverfassungsrechtlichen Schutzvorschriften(bei bestehen eines Betriebsrats)

• Nebengesetzen

Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG

• Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts

• Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung

• Schutz der Menschenwürde

Allgemeines Persönlichkeitsrecht

§ 32 BDSG – Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung für Zweckes des Beschäftigungsverhältnisses

• Neuregelung bereits zum 01.09.2009

• betrifft „Beschäftigte“

• zentrales Merkmal: Erforderlichkeit

• besondere Regelung bei Straftaten

Datenschutzvorgaben

(1) Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist.

(1) … Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.

§ 32 BDSG betrifft

• Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten

• anlässlich Entscheidung über Begründung, für die Durchführung oder die Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen

BDSG allgemein

nur automatisierte DV

§ 32 BDSG

auch manuelle und sonstige DV

(2) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn personenbezogene Daten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, ohne dass sie automatisiert verarbeitet oder in oder aus einer nicht automatisierten Datei verarbeitet, genutzt oder für die Verarbeitung oder Nutzung in einer solchen Datei erhoben werden.

Merkmal der „Erforderlichkeit" in § 32 BDSG:

• Müssen für diesen Zweck überhaupt Daten erhoben werden?

• Müssen gerade diese Daten erhoben werden?

• Mindestergebnis oder bestes Ergebnis?

• objektiver oder individueller Maßstab?

Erforderlichkeit immer gegeben bei gesetzlichen Vorgaben oder als Folge gesetzlicher Vorgaben, z.B.:

• Betriebliches Eingliederungsmanagement

• Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

• Unfallverhütungsvorschriften

• Arbeits- und Gesundheitsschutz

• Pflegedokumentationen

Fazit:

• Erforderlichkeitsfeststellung am vom Arbeitgeber verfolgten Zweck

• breiter Einschätzungsspielraum

• Ausscheiden nur von schlicht überflüssigen Erhebungen

• faktische Änderung gegenüber früherem § 28 BDSG

Missbrauch eines geliehenen Mitarbeiter-HandysBayLDA PM vom 17.3.2014

• Ordnungswidrigkeit wegen unbefugter Datenbeschaffung nach § 43 Abs. 2 Nr. 3 BDSG

• Verstoß nicht gerechtfertigt nach § 32 BDSG

Rechte der Betroffenen nach dem BDSG:

• Benachrichtigung (§ 33 BDSG)

• Auskunft (§ 34 BDSG)

• Berichtigung (§ 35 BDSG)

• Sperrung (§ 35 BDSG)

• Löschung (§ 35 BDSG)

• Anrufung der Aufsichtsbehörden (§ 38 BDSG)

§§ 201, 202 StGB

• Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes

• Verletzung des Briefgeheimnisses

§§ 22, 23 KUG

• Recht am eigenen Bild

III. Einzelfälle

Technische Kontrollen:

• Videoüberwachung

• Internet- und Email-Nutzung

• Telefondatenerfassung und -auswertung

• RFID-Verfahren

• Biometrie

• Mobilfunküberwachung

• Voice-over-IP

Manuelle Kontrollen:

• Testkäufe

• Taschenkontrollen

• Detektiveinsatz

• beauftragte Kollegenbeobachtung undBeobachtung durch Vorgesetzte

• Überprüfung von Telefonlisten

• qualitative Überprüfung von Arbeitsergebnissen

Videoüberwachung:

• durch § 6 b BDSG gestattet, wenn

- öffentlich zugängliche Räume überwacht werden- aufgrund berechtigter Interessen erforderlich- keine überwiegenden Interessen betroffener Personen- Kennzeichnungspflicht- Löschungsverpflichtung

betrifft nur Arbeitsplätze mit Publikumsverkehr(Kaufhaus, Gastronomie, Sparkasse)

Technische Kontrollen

Heimliche Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Arbeitsplätze

BAG Urt. v. 21.06.2012 – 2 AZR 153/11

• aus heimlicher Videoüberwachung gewonnenes Beweismaterial unterliegt nicht bereits deshalb einem Verwertungsverbot, weil die Kennzeichnungspflicht des § 6 b Abs. 2 BDSG nicht eingehalten ist

• Kündigung einer Verkäuferin wegen Entwendung einer Zigarettenpackung auch nach längerer Beschäftigungsdauer (19 Jahre) möglich

Videoüberwachung:

• nicht öffentlich zugängliche Räume

- Schutz der Arbeitnehmer durch Allgemeines Persönlichkeitsrecht- aufgrund schutzwürdiger Belange gerechtfertigt- hoher Schutzstandard, da Grundrechtsabwägung- umfassende Güterabwägung

schwieriger zu rechtfertigen als bei öffentlichen Räumen

Videoüberwachung am Arbeitsplatz - Verhältnismäßigkeit

BAG Beschl. v. 29.06.2004 – 1 ABR 21/03

• nur zulässig bei konkretem Verdacht einer strafbaren Handlung oder besonders schweren arbeitsvertraglichen Verfehlung

• letztes Mittel zur Überführung des Täters

Schmerzensgeldanspruch bei VideoüberwachungLAG Hessen Urt. v. 25.10.2010 – 7 Sa 1586/09

• Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht bei Montage einer erkennbaren Videokamera in einem Büroraum

• 7.000 EUR Entschädigung für 5 Monate (potenzieller) Überwachung

Eingangsfall 3:

Mitarbeiter M erkrankt stets bei Einteilung in eine bestimmte Schicht, angeblich an Kniebeschwerden. Arbeitgeber A beauftragt einen Detektiv, der ihn anlässlich einer erneuten Erkrankung 11 Tage vor seinem Wohnhaus überwacht. Es werden umfangreiche Bauarbeiten des A auf seinem Hausgrundstück festgestellt.

Wäre eine Kündigung rechtssicher durchführbar?Kann M Entschädigungsansprüche gegen A haben?

§ 201 a StBG:

• Bildaufnahmen von Personen in Wohnungen oder besonders geschützten Räumen

- „besonders geschützte Räume“: Umkleiden, Toiletten, Duschen am Arbeitsplatz

Internetnutzung:

• aktuelle Rechtsprechung des BAG schwankend

• bei Verbot der Privatnutzung besteht Kontrollrecht, ob das Verbot auch ingehalten

• bei Gestattung der Privatnutzung faktisch keine wirksame Kontrollmöglichkeit mehr

• Streit immer noch bei: Email-Überwachung

Eingangsfall 2:

Arbeitgeber A hat Mitarbeiter M die private Nutzung des dienstlichen Email-Accounts gestattet. M erkrankt längerfristig. A lässt daraufhin den Email-Account des M auf wichtige dienstliche Emails durchsuchen. Hierbei findet A auch private Emails des M.

Hat A rechtmäßig gehandelt?

Telefondatenerfassung und -auswertung:

• grundsätzliche Auswertungsbefugnis für Kosten- und Wirtschaftlichkeitskontrolle

• Anrufer-Identifizierung beschränkt auf Missbrauchskontrolle

• Zusammenführung der Daten zur Leistungskontrolle nicht zulässig

§ 201 StBG:

• Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes

- Mithören von Telefonaten ohne Einwilligung untersagt- Mitschnitt strafbar- Praxisausnahme: Call-Center

RFID-Verfahren (Funketiketten):

• Kennzeichnung der Arbeitnehmer oder der Arbeitsgeräte

• im Arbeitsverhältnis nach § 32 BDSG gerechtfertigt, wenn durch spezielle Sicherheitsinteressen erforderlich

• keine Dauerkontrollen

• Informationspflicht und Kontrollrechte des AN

Biometrie:

• Auswertung von Biometriedaten unzulässig

• ausschließlicher Einsatz für Sicherheitszwecke

Mobilfunküberwachung:

• Überwachung durch Anrufe zulässig

• Standortdatenerfassung zulässig, wenn AN Zustimmung erteilt hat (§§ 3, 9, 98 TKG)

• Ortung erfordert auch nach § 4 Abs. 3 BDSG Zustimmung

• umfassende Kontrolle ausgeschlossen

• kein Zugriff auf privaten Lebensbereich

Voice-over-IP:

• verbesserte Mitschnitt-/Auswertungsmöglichkeiten

• unzulässig bei Mithören

• strafbar bei Mitschneiden/Datenaufzeichnung

Testkäufe/Testkunden:

• grundsätzlich zulässig

• durch eigenes Personal oder Dritte

• teilweise diskutiert: Schutz vor Fallenstellung

Manuelle Kontrollen

Taschenkontrollen:

• Eingriff in persönlichen Bereich

• Zugriffsmöglichkeit gegen den Willen des AN nur bei Verdacht und nur durch Polizei

• gerechtfertigt bei besonderem Anlass:

- Warenhaus- Kollegendiebstähle- behördlichen Auflagen u.a.

Detektiveinsatz:

• unproblematisch bei arbeitsbezogenen Sachverhalten

• hoch problematisch bei privaten Sachverhalten (insbesondere: „Ermittlungsnebenprodukte“)

• oft unseriös und nur eingeschränkt beweiskräftig

• häufig Straftaten bei Ermittlungen (Hausfriedensbruch, heimliche Privataufnahmen) dann Beweisverwertungsverbot

• teuer, aber ggf. Kostentragungspflicht AN

Erstattungspflicht für Detektivkosten - Verdachtskündigung

BAG Urt. v. 26.09.2013 – 8 AZR 1026/12

• auch bei Verdachtskündigung möglich• Belastungstatsachen müssen schuldhafte

Vertragspflichtverletzungen darstellen

Erstattungspflicht für Detektivkosten – Verhältnismäßigkeit der Kosten

BAG Urt. v. 28.10.2010 – 8 AZR 547/09

• Erstattungspflicht nur für diejenigen Kosten, die ein vernünftig und wirtschaftlich denkender Arbeitgeber für erforderlich halten durfte

• steht nach Erstbeschaffung Vertragspflichtverletzung fest, ist eine weitere Überwachung nicht erforderlich

Schmerzensgeldanspruch bei DetektiveinsatzLAG Hamm Urt. v. 11.07.2013 – 11 Sa 312/13

(Revision eingelegt 8 AZR 1007/13)

• Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht bei Krankenkontrolle durch Detektiv

• 1.000 EUR Entschädigung für 7 Videosequenzen an 4 Tagen

beauftragte Kollegenbeobachtung/Beobachtung durch Vorgesetzte:

• im dienstlichen Bereich zulässig

• im privaten Bereich i.d.R. unzulässig, es sei denn Verdacht erheblicher Verfehlungen/Straftaten z.L. AG

• „Spitzelvorwurf“ / Arbeitsklima

Überprüfung von Telefonlisten:

• keine Unterschiede zu technischer Auswertung (s.o.)

Qualitative Überprüfung von Arbeitsergebnissen:

• immer umfassend zulässig

• keine Einschränkung bei Verwendung von technischen Hilfsmitteln

IV. Sonderprobleme

Grundsatz:

Erkenntnisgewinnung rechtswidrig

Beweisverwertung unzulässig

Ausnahmen:

• Verdacht/Beweis von (schweren) Straftaten

• bei erheblichen arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen ggf. Rechtsgüterabwägung

V. Mitbestimmungsfragen

§ 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG:

• Ordnung des Betriebes und Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb

manuelle Überwachung

keine Zustimmung des BR:

Überwachung unzulässig

Beweisverwertungsverbot

ggf. Anrufung der Einigungsstelle § 87 Abs. 2 BetrVG

Manuelle Kontrollen und Betriebsrat:

• Testkäufe

• Taschenkontrollen (abhängig vom Ort)

• Detektiveinsatz (fallabhängig)

• beauftragte Kollegenbeobachtung/Beobachtung durch Vorgesetzte

• Überprüfung von Telefonlisten

• qualitative Überprüfung von Arbeitsergebnissen

sicherster Weg:

vorsorgliche Zustimmungseinholung beim BR

dann auch weiterer Legalitätsanschein

aber u.U.: - verlorener Überraschungseffekt

- Möglichkeit der Versagung

§ 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG:

• technische Arbeitnehmerüberwachung

„geeignet“ statt „bestimmt“

Technische Kontrollen:

• Videoüberwachung

• Internetnutzung

• Telefondatenerfassung und -auswertung

• RFID-Verfahren

• Biometrie

• Mobilfunküberwachung

• Voice-over-IP

VI. Taktische Erwägungen

• Arbeitnehmerreaktion und Presse

• Negativ-PR und Marketingschaden

• Strafanzeige statt Eigenermittlungen

• unbedingtes Handlungserfordernis?