NPK2011: Was war noch mal... Alltag mit Demenz - Informationen und Perspektiven

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Christine Leue, AOK Rheinland/Hamburg

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  Vergeßlichkeit   Starrsinn   Einbildungen   Realitätsverlust   Orientierungsstörungen   Ruhelosigkeit   Teilnahmslosigkeit   Sprachstörungen

  Was bedeutet Demenz? Wie äußert sie sich?   Gibt es Warnzeichen?   Kann ich vorbeugende Maßnahmen treffen?   Welche Behandlung ist möglich?   Wer hilft mir im Ernstfall?   Wie gehe ich mit Dementen um?   Welche Hilfsmittel gibt es?   An welche rechtlichen Schritte sollte ich

denken?   Betreuungsleistungen & Nachbarschaftshilfe

???

  Demenz (lat. dementia „ohne Geist“) ist ein Defizit in kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten

  geht meist mit einer diagnostizierbaren Erkrankung des Gehirns einher

  führt zu einer Beeinträchtigung sozialer und beruflicher Funktionen

  betrifft vor allem das Kurzzeitgedächtnis, ferner das Denkvermögen, die Sprache und die Motorik

  bei einigen Formen ist auch die Persönlichkeitsstruktur betroffen

 Stadium 1: leichte Demenz

 Stadium 2: mittelschwere Demenz

 Stadium 3: schwere Demenz

  Die Fähigkeit unabhängig zu leben ist noch vorhanden

  Erste geistige Defizite treten auf

 Urteilsvermögen und Hygiene sind intakt, aber soziale Aktivitäten und Arbeit bereits deutlich beeinträchtigt

  Vergeßlichkeit   Räumliche & zeitliche Orientierung gestört   Kurzzeitgedächtnis & Wortfindung gestört

 Der Betroffene merkt, daß etwas nicht stimmt, baut eine Fassade auf und greift auf Strategien zurück, die ihm in Situationen der Überforderung früher geholfen haben

 Gefühle von Verlust, Unsicherheit, Angst und Scham sind sehr stark

  Selbständige Lebensführung nur noch bedingt möglich

  Zunehmender Verlust der geistigen Fähigkeiten

 Ein gewisses Ausmaß an Aufsicht ist erforderlich

  Schwindende Rechen- und Problemlöse-fähigkeit

  Handfertigkeitsstörungen (Haushalt, Ankleiden)

  Erkennungsstörungen   Steigende Vergeßlichkeit (Geburtstage,

Medizin)   Desorientierung (Zeit und Ort)   Sprachstörungen (bes. Sprachverständnis)   Vernachlässigung der Hygiene   Wahnvorstellungen (Bestehlungsideen)

 Das Gefühl, daß etwas nicht stimmt verringert sich, ebenso das Gefühl von Verlust, Unsicherheit, Angst und Scham

 Hilfe dezent und sensibel anbieten, damit der Betroffene das Gefühl behält in seinem Leben kompetent zu bleiben

  Selbständige Lebensführung nicht möglich

  Verlust der Alltagskompetenz mit völliger Pflegeabhängigkeit

 Auf ständige Aufsicht und Hilfe angewiesen

  Gedächtniszerfall (auch Langzeitgedächtnis)   Mangelnde persönliche Orientierung   Erkennungsstörungen   Sprachzerfall (kaum mehr Satzbildung

möglich)   Agnosie (Angehörige werden nicht mehr

erkannt)   Inkontinenz  Das Wesen der jeweiligen Person und deren

emotionale Kompetenz gehen im gesamten Verlauf einer Demenz nicht verloren!

  Der Betroffene zeigt auffälliges Verhalten: => er zieht sich zurück, gibt Aktivitäten auf, meidet alte Freunde => er lehnt Veränderungen ab => er lebt mehr in der Vergangenheit => er verliert leicht die Orientierung => er vergißt Geburtstage und Termine => er sucht ständig nach wichtigen Dingen => er reagiert oft grundlos gereizt, ist nervös => er ist unruhig, wandert ziellos herum

  Es gibt keine „Pille gegen Demenz“, aber man kann durch einen gesunden Lebensstil das Risiko für eine Demenzerkrankung senken:

  Medikamentöse Therapie

  Gedächtnistraining

  Unterstützung im Alltag durch:

 Biographiearbeit  Validation  Basale Stimulation

  Antidementiva: können den Verlauf der

Erkrankung verlangsamen, aber nicht dauerhaft aufhalten

  Atypika: können

Verhaltensänderungen reduzieren

  Reduzieren die Folgeschäden des Nervenzelluntergangs vorübergehend (bis zu einem Jahr lang)

  Verbessern die Signalübermittlung im Gehirn

 Erhalten die Lebensqualität

  Zwei verschiedene Wirkstoffgruppen werden eingesetzt:

 Acetylcholineste-rasehemmer (bei leichter bis mittel-schwerer Demenz)

 NMDA-Antagonisten (bei mittelschwerer bis schwerer Demenz)

1)  Acetylcholinesterasehemmer:

  Bewirken, daß der Botenstoff Acetylcholin vermehrt zur Verfügung steht

  Deutliche Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeit

  Durch fortschreitenden Verlauf der Erkrankung verliert sich die Wirkung nach ca. 9 – 12 Monaten

  Medikamente: Donepezil, Rivastigmin, Galantamin

2)  NMDA-Antagonisten:

  Verbessern die gestörte glutamatabhängige Neurotransmission

  Die geistige Aktivität steigt, die Alltagskompetenz wird verbessert, dadurch geringerer Pflegebedarf als ohne medikamentöse Einwirkung

  Medikamente: Memantine

  Vermindern Verhaltensstörungen

z.B. Unruhezustände

Wahnvorstellungen Aggressivität Ängstlichkeit Depressionen Halluzinationen

  Zwei verschiedene Wirkstoffgruppen werden eingesetzt:

 Antidepressiva  Neuroleptika

 Sie können in jeder Phase der Erkrankung eingesetzt werden

Es sollte zuerst ein Versuch unternommen werden das Verhalten des Betroffenen ohne

Medikamente positiv zu beeinflussen!

Unruhezustände, Wahnvorstellungen oder Aggressivität können durch äußere Einflüsse

ausgelöst und oft durch geringe Veränderungen im Umfeld abgebaut werden!

  Spezifisches Training möglichst vieler Hirnfunktionen zur Stabilisierung und Vermehrung von Synapsen

  Vermittelt Erfolgserlebnisse und erhöht die Lebensqualität – auch die der Angehörigen!

  Erhöht das Selbstwertgefühl und steigert die Alltagskompetenz des Betroffenen

  Kann verschiedene Sinneswahrnehmungen ansprechen

  Wirksamkeit wissenschaftlich nachgewiesen

  10-Minuten-Aktivierung   Konzentrationstraining   Kurzzeitgedächtnis

trainieren   Langzeitgedächtnis

trainieren   Umgang mit Zahlen und

Größen   Lesen und Schreiben   Flexibilität des Denkens

  Wirkt dem Verlust der personalen Identität entgegen (=alle Merkmale einer Person)

  Läßt das Verhalten eines Dementen besser verstehen

  Schafft Brücken zwischen Vergangenheit und Gegenwart (durch Erinnerungspflege)

  Entlastet den Kranken psychisch, weil er besser verstanden wird

  Kann das Selbstvertrauen stärken   Ermöglicht einen verständnisvolleren und

einfühlsameren Umgang mit dem Kranken

 Gestaltung des Zimmers   Fotos, Bücher, Pokale, Düfte, Bettwäsche,

Blumen,...  Gewohnte Aufgaben erledigen lassen   Kartoffeln schälen, abwaschen, nähen,....  Erinnerungsalben anlegen mit Worten &

Bildern zu wichtigen Ereignissen des Lebens   Gemeinsames Betrachten und Gespräche  Sinnesaktivierung   Geruch, Geschmack, Fühlen, Musik

hören,...

  Bedeutet „Wertschätzung“ (lat. valere = wert sein)

  Ist eine Methode mit an Demenz erkrankten Menschen zu kommunizieren und auf sie einzugehen

  Kann in belastenden Situationen Spannungen reduzieren

  Akzeptiert die Lebenswelt und die Gefühle der Betroffenen

 Über die Gefühlswelt der Betroffenen und unter Berücksichtigung biographischer Faktoren einen Zugang zu ihrer Erlebniswelt zu erhalten um:

 Ressourcen frei zu setzen  Wohlbefinden zu verbessern  Alte Konflikte zu lösen  Rückzug zu verhindern (Wertschätzung zu

vermitteln, Würde zu bewahren, Streß zu reduzieren, Emotionen wieder zu beleben)

3 Elemente nötig: 1.  Akzeptanz =

wertschätzen statt widersprechen

3.  Empathie = begleitend mit einfühlendem Verstehen zur Seite stehen

5.  Selbstkongruenz = spürbar ehrlich bleiben

  „In den Schuhen des anderen Menschen gehen“.

  Ein Gespür dafür entwickeln die Gefühle des Dementen zu erkennen.

  Ausdrücken was man wahr nimmt.   Wo kein sprachlicher Austausch mehr

möglich ist, kann auf Berührungen und Bewegungen zurückgegriffen werden.

 Ziel: der Andere fühlt sich akzeptiert und verstanden

  Basale Stimulation (lat.basal = grundlegend, stimulatio = Anreiz, Anregung)

  Aktivierung der Wahrnehmungsbereiche und die Anregung primärer Körper- und Bewegungserfahrungen bei Reizmangel

  Notwendige pflegerische Maßnahme bei Menschen, deren Eigenaktivität auf Grund ihrer mangelnden Bewegungsfähigkeit eingeschränkt und deren Fähigkeit zur Wahrnehmung und Kommunikation erheblich beeinträchtigt ist.

 Unmittelbare Reizung der Sinne während der Pflege durch

 Körperstimulation  Anregung des Gleichgewichtssinnes  Haptische Stimulation (Tast- und Greifsinn)  Vibratorische Anregung  Orale Stimulation  Olfaktorische Stimulation (Gerüche)  Visuelle Stimulation

  Allgemeines:   Seien Sie geduldig!   Sprechen Sie langsam und deutlich in

kurzen Sätzen!   Stellen Sie Blickkontakt her, am besten in

Augenhöhe!   Wiederholen Sie wichtige Informationen bei

Bedarf.   Lassen Sie dem Kranken Zeit zu reagieren.   Diskutieren Sie nicht inhaltlich.

Täglicher Ablauf:   Sorgen Sie für Beständigkeit und Routine.   Einfache Regeln und feste Gewohnheiten

sind hilfreich.   Uhren, Kalender, Schilder an Räumen &

Schränken helfen die Orientierung zu erhalten.

  Nehmen Sie jede Veränderung so langsam wie möglich vor.

  Gegenstände des täglichen Gebrauchs immer an den gleichen Stellen aufbewahren.

Aktivitäten:   Vermeiden Sie Überforderungen (z.B. Lärm,

Gedränge, Fernsehfilme...)   Fördern Sie tägliche Bewegung (Spazier-

gänge, Gymnastik)   Stärken Sie sein Selbstwertgefühl,

motivieren Sie ihn zu Tätigkeiten   Achten Sie auf ausreichende

Flüssigkeitszufuhr.   Berücksichtigen Sie seine Bedürfnisse,

damit er sich nicht überwacht fühlt

Zu guter Letzt:   Legen Sie eine Liste mit wichtigen

Telefonnummern neben das Telefon.   Beachten Sie Anzeichen der

Verschlechterung.   Finden Sie Auslöser für bestimmte

Verhaltensmuster (Hunger, Durst,...) und vermeiden Sie diese möglichst.

  Lieblingsbeschäftigung „Verstecken“ -> inspizieren Sie die bevorzugten Verstecke und Mülleimer regelmäßig.

  Pflegehilfsmittel   Hilfsmittel für die

Sicherheit   Hilfsmittel für die

Orientierung   Hilfsmittel zur

Aktivität der Sinnesorgane

  Wannenlift   Pflegebett   Toilettenstuhl   Rollstuhl   Haltegriffe   Rollator   Greifhilfe   Treppenlift

  Hüftprotektor   Alarmtrittmatte   Herdsicherung   Rauchmelder   Hausnotruf   Fenstersicherung   Abschaltautomatik

für Elektrogeräte   Bewegungsmelder /

GPS-Sender

  Nachtlicht   Hinweisschilder   Uhren und Kalender   Fotos   Beschriftung von

Türen & Schränken   Verschiedenfarbige

Markierungen   Klare Farben und

Kontraste

  Hörgerät -> Batterien vorhanden? -> richtig eingestellt?   Brille -> Sehstärke angepaßt? -> Trageband vorhanden?   Zahnprothese -> sitzt fest am Kiefer? -> Haftcreme vorhanden?

  Vorsorge im medizinischen, sozialen und finanziellen Bereich für den Notfall treffen

  Versorgung und mögliche Unterstützung für den Bedarfsfall optimieren

Vorsorge:

  Vorsorgevollmacht   Betreuungsverfügung   Patientenverfügung

  (amtliche) Betreuung   Geschäftsfähigkeit

prüfen lassen

medizinisch:

  Fahrtauglichkeit prüfen lassen

  Haftpflichtversicherung abschließen

  Schwerbehinderten-ausweis beantragen

sozial:   Zuzahlungsbefreiung

Krankenkasse   Pflegestufen-Antrag

bzw. EdA-Antrag   Ggfs. Sozialhilfe bzw.

Hilfe zur Pflege   GEZ-Befreiung   Ermäßigung der

Telefongebühren

Antrag auf Erteilung einer Pflegestufe bei der Pflegekasse stellen, wenn:

  Tägliche Hilfestellung bei der Körperpflege oder Anleitung und Beaufsichtigung dabei erforderlich ist

  Toilettengänge regelmäßig der Aufsicht / Hilfestellung bedürfen

  Nahrungsaufnahme nicht mehr selbständig oder nur noch unter Aufsicht / Anleitung erfolgt

  Mobilität innerhalb der Wohnung stets personeller Unterstützung bedarf

Definition Alltagskompetenz:

  Fähigkeit eines Erwachsenen, die alltäglichen Aufgaben innerhalb seiner Kultur selbständig und unabhängig in einer eigenverantwortlichen Weise zu erfüllen

Einschränkung der Alltagskompetenz (§45a SGB XI):

  Erheblicher Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung aufgrund von demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen mit Auswirkungen auf die Aktivitäten des täglichen Lebens

  Dauerhaft anhaltend (für voraussichtlich mindestens sechs Monate)

  Regelmäßig erforderlich, also täglich in je nach Tagesform verschiedener Ausprägung

Zusätzliche Betreuungsleistungen (§45b SBG XI):

  Tages- oder Nachtpflege   Kurzzeitpflege   Angebote der allgemeinen Anleitung und

Betreuung der Pflegedienste   Niedrigschwellige Angebote nach

Landesrecht (§45c SGB XI)   Nachbarschaftshilfe der AOK Rheinland /

Hamburg  Grundbetrag 100 €, erhöhter Betrag 200 €

Ziele:   Hauptpflegeperson wird

durch die stundenweise Betreuung des Kranken durch eine andere Person entlastet

  Person ist dem Kranken vertraut und hat guten Zugang zu ihm

  Nachbarn, Freunde, Bekannte, Verwandte ab 3.Grad möglich

Umsetzung:   Pflegeperson / Angehöriger meldet der AOK

eine geeignete Betreuungsperson   Schulung wird möglichst mit Pflege- und

Betreuungsperson gemeinsam im Haushalt des Dementen durchgeführt (-> PFK)

  Antrag auf Anerkennung der Betreuungs-person und Zertifikat über Kursteilnahme wird ausgefüllt

  Pflegekasse bestätigt den Antrag, Betreuung & Abrechnung nach individueller Absprache