Peter Fleissner, Wien Effektivierung und Humanisierung – im Zeitalter der globalen Krise...

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Peter Fleissner, Wien

http://transform.or.at

 

Effektivierung und Humanisierung –

im Zeitalter der globalen Krise

GELD.MACHT.GLÜCKLICHVerteilungskämpfe, Lebenschancen und Lebensqualität im Zeichen der Krise

23. Februar 2010

Forum 7: Nichts gelernt? Von der Weltwirtschaftskrise 1929 bis heute

Zwei Maßstäbe für das Niveau gesellschaftlicher Entwicklung

Effektivierung

und

Humanisierung

EffektivierungSteigerung der Virtuosität der Menschen im Umgang

mit (erster und zweiter) Natur

• Wachstum der Produktivität der Arbeit durch kumulative Übertragung menschlicher Arbeits(teil)funktionen auf die Maschinerie und organisatorischen Fortschritt -> Arbeitsweise wird verändert

• Innovationen, die die Lebensweise der Menschen ändern können– Material- und energiesparende Innovationen, umweltverträglich– Ausweitung technischer Wirkprinzipien (Prozessinnovationen)– Ausweitung der konsumfähigen Güter und Leistungen (Produktinnovationen)

-> Lebensweise wird verändert

Technologieentwicklung

„Umwelt“

Widerspiegelung:Abbild und Entwurf

Vergegenständlichung

§“~+*Werkzeugherstellung

Werkzeuggebrauchverstärkt und erweitert menschliche Fertigkeiten

Mensch Werkzeug Arbeitsgegenstand

Technologieentwicklung

„Umwelt“

§“~+*

• Die mechanische Maschine der Industriellen Revolution

Mensch Werkzeug ArbeitsgegenstandMensch MechanischeMaschine

Arbeitsgegenstand

Widerspiegelung Vergegenständlichung

Technologieentwicklung

• Die mechanische Maschine der Industriellen RevolutionSie übernimmt Energieaufbringung, -übertragung und Werkzeugführung

Mensch Werkzeug ArbeitsgegenstandMensch Werkzeug-maschine

Arbeitsgegenstand

Antriebsmaschine Transmissions-mechanismus Werkzeug

Mechanische Maschine

Technologieentwicklung

• Die Informationsverarbeitende Maschinerie der wissenschaftlich-technischen Revolution

„Umwelt“

Widerspiegelung Vergegenständlichung

§“~+*

Sensor Informations-verarbeitung Aktor/Effektor

Informationsverarbeitende Maschinerie

Informationsverarbeitende Maschinerie

entwickelt sich um die Mitte des 20. Jahrhunderts. Sie übernimmt zusätzlich zur mechanischen Maschine weitere menschliche (Teil-)Tätigkeiten:

o Wahrnehmung (Sensor; Mikrofon, Tastatur, Kamera…),

o Entscheiden (durch Relais, Elektronenröhren, Transistoren, Integrierte Schaltungen, Mikroprozessoren realisiert)

o Vergegenständlichung der Entscheidungen (Schalter, Bildschirmanzeige, Indikatoren, Ausdruck)

und verschiebt die Arbeitstätigkeiten von körperlicher Arbeit in Richtung Planung, Vorbereitung und Programmierung der Produktion

Sensor Informations-verarbeitung Aktor/Effektor

Informationsverarbeitende Maschinerie

CPUBus

Memory/Speicher

Programm

Bus

Bu

sB

us

Drei Anwendungszusammenhänge der Informationsverarbeitenden Maschinerie (IVM)

• als stand-alone Gerät

• als Automat (in Kombination mit der mechanischen Maschine)

• in Vernetzung (Internet und Mobilkommunikation)

SensorInformations-verarbeitung

Aktor

AntriebsmaschineTransmissions-mechanismus

Werkzeug

Mechanische Maschine

IVM

Automat

Automaton

B. Automatisierung• Automat = mechanische Maschine +

informationsverarbeitende Maschinerie• Gesteigerte Arbeitsproduktivität• Beginn der wissenschaftlich-technischen Revolution

(Bernal)

Sensor Informations-verarbeitung Aktor/Effektor

Informationsverarbeitende Maschinerie

Antrieb (Motor) Transmissions-mechanismus Werkzeug

Mechanische Maschinerie

HumanisierungHerausbildung des allseitig entwickelten Individuums

in Frieden und Freiheit durch wechselseitige Hilfe auf Grundlage der gesellschaftlichen Entwicklung

• Notwendigkeit der Herausbildung der ganzen Menschheit als dem handlungsfähigen Subjekt der Geschichte, letztlich durch bewußte und demokratisch-partizipative Gestaltung der einzelnen Gesellschaften vor dem Hintergrund einer intakten Biosphäre

• Zunehmende Globalisierung erzeugt Migrationsströme: Notwendigkeit der Entwicklung von nachhaltigen Formen menschlichen Zusammenlebens (mit gesetzlicher Unterstützung)

Mögliche Wechselwirkungen von Effektivierung und Humanisierung

• Effektivierung auf Kosten der Humanisierung – Mangelnde Humanisierung führt zu

verlangsamter Effektivierung

• Humanisierung ohne Effektivierung– Mangelnde Effektivierung zerstört

Humanisierungsmöglichkeiten

=> Effektivierung zugunsten Humanisierung

Ökonomische Realität – eine komplexe Konstruktion

Gebrauchswerte kollektive Produktion/Aneignung

Tauschwerte/Arbeitswertpreisemarktförmige Güter/Dienste

ProduktionspreiseArbeitsmarkt

Geld-, Kredit-, Aktien-, Finanzmärkte

Kleine Waren-produktion

Physische Basis

Staatsaktivitäten Steuern, Subv., Transfers,Sozialvers

Globalisierte Wirtschaft Internationales Finanzkapital

Gegenwärtiger Kapitalismus Ist-Preise

Konkurrenzkapitalismusmit fixem Kapital

Informationsgesellschaft: Information als Ware, (Mobil-)Kommunikation als Dienst

Kleine Warenproduktion

Produktion Konsum

KleineWaren-

produzentInnenGeld

ArbeitWaren+Dienste

Quelle: Bericht über die soziale Lage 2003 – 2004, Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, Wien 2004, S. 266und Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz, Sozialbericht 2007-2008, S. 262 (für 1999 bis 2006)

Kapitalistische Realwirtschaft

Produktion Konsum

Arb.Ang.

Unter-nehmer

Industr.Profite Löhne

Brutto-Lohnquote in Österreich in % des Volkseinkommens

Quelle: Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz, Sozialbericht 2007-2008, S. 262 (1990-2005)http://bmsk2.cms.apa.at/cms/site/attachments/4/5/5/CH0107/CMS1232705650368/sozialbericht_mitcover.pdf

„Die wichtigsten Ursachen für diesen Rückgang der Lohnquote und damit für die Änderung in der funktionellen Verteilung bilden die Zunahme der Arbeitslosigkeit und das starke Wachstum der Vermögenseinkommen. Das rasante Wachstum der Vermögenseinkommen steht in einem Zusammenhang mit der Reorientierung der Geldpolitik und der Liberalisierung der Finanzmärkte seit Beginn der achtziger Jahre.“ Quelle: Alois Guger, Markus Marterbauer (2009): Die langfristige Entwicklung derEinkommensverteilung in Österreich, WIFO, S. 257

Gewinn- und Investitionsquote in Österreich

• Quelle: Bericht über die soziale Lage 2003 – 2004, Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, Wien 2004, S. 263

Kapitalistische Realwirtschaft + Finanzkapital

Produktion Konsum

Arb.Ang.

Unter-nehmer

Industr.Profite

Finanz-Kapital.

FinanzProfite

FinanzProfite

Löhne

Real- und Finanzkapital(Quelle: Stefan Schulmeister)

Zwei Arten von Vermögensvermehrung:• Reale Veranlagung auf Gütermärkten:

Investition, Innovation, Produktion, Handel• Finanzielle Veranlagung auf Finanzmärkten:

Kurzfristige Spekulation, längerfristige Veranlagung, Bewertungsgewinne

Realkapital und Finanzkapital: Zwei Kapitalformen mit gegensätzlichen ökonomischen Interessen, aber ähnlichen politischen Interessen

Real- und Finanzvermögen der nicht-finanziellen Kapitalgesellschaften

Quelle: Federal Reserve Bank, Deutsche Bundesbank, Statistisches Bundesamt Wiesbaden. (nach Stefan Schulmeister)

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Realkapital

Finanzkapital

Aktien, Investmentzertifikate, sonstige Beteiligungen

USA

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Realkapital

Finanzkapital 1)

Aktien, Investmentzertifikate, sonstige Beteiligungen

Deutschland

Zur Diagnose der gegenwärtigen Krise • Multiple Krise – Megakrise - in verschiedenen Bereichen und weltweit

ausgelöst durch das Platzen der Immobilienblase in den USA (aber auch in Spanien, Irland, Bulgarien etc.)

-> Globale Finanzkrise, zunächst im Banken- und Kreditsystem und bei Finanzdienstleistern, Kapitalvernichtung im Ausmaß von 4.000 Mrd $

-> greift auf die Realwirtschaft über

-> Außenhandel bricht stark ein (für Deutschland besonders schwer zu verdauen, Österreich in seinem Sog)

-> Transport und Kommunikationssystem stark betroffen

-> schwerste Rezession seit 2. Weltkrieg (abgesehen von der Transformation ehem. sozialistischer Länder in den 90er Jahren)

-> Wachstumseinbrüche der Industrieproduktion von 10-20%, tiefe und mehrere Jahre dauernde Depression möglich

-> Staatsverschuldung nimmt sprunghaft zu (z.B. Island, Griechenland)

Steuerzahler werden zur Kasse gebeten

Die wunderbare Geldvermehrung:Das Pyramidenspiel (Ponzi-Schema*)

Bei einem Ponzi-Schema handelt es sich um ein illegales Investitionssystem, bei dem die Renditen für Investoren aus dem Geld jener Investoren bezahlt werden, die erst später investierten. Den Renditen liegen also keine Gewinne zugrunde, die durch Geschäftstätigkeiten erwirtschaftet werden. Die amerikanische Kartellbehörde FTC hat dafür einen netten und treffenden Spruch gefunden: „Peter beklauen, um Paul zu bezahlen.“

Das Ponzi-Schema, auch Ponzi-Trick, Pyramidenspiel oder Schneeballsystem genannt verdankt seinen Namen Charles Ponzi (1882-1949), der dieses System berühmt machte.

Immobilienpreise in den USA, real http://www2.standardandpoors.com/

Aktienindex S&P 500 und RohölpreiseQ: Yahoo Finance (http://de.finance.yahoo.com/m8)

Krisensymptome in Österreich Quartal Prozentuelle Veränderungen 2009 gegenüber 2008 erstes zweites drittes

Effektivierung wird verlangsamt, Investitionen: -18, -22, -16%Brutto-Betriebsüberschuss+SEK: -12, -14, -7%Exporte: -19, -21, -14%BIP: -5, -5, -3%Staatsverschuldung: (siehe Grafik)

Humanisierung bleibt auf der Strecke: Lohneinkommen: +3, +1, +1%Konsum: -1, +1, +1%Arbeitslosigkeit: 3. Quartal: +39%m, +19%fLangzeitarbeitslosigkeit: 1/09->1/10 + 43%

Steueraufkommen 1995-2008 (incl.SV)in Mrd EUR

Staatsschuld und Verschuldungsgrad in Österreich 1990 – 2009

Maastricht-Level

Langfristige Entwicklung in (West)Europa

Quelle: OECD, nach Stefan Quelle: OECD, nach Stefan SchulmeisterSchulmeister

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in %

Arbeitslosenquote

Lohnquote

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Staatsschuld brutto in % des BIP

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1952 1960 1968 1976 1984 1992 2000 2008

in %

Realzins

Wachstumsrate

Zur Unterstützung der maroden Banken in den USA wurden bis Ende November 2008 4,6 Billionen Dollar (=trillion) bereitgestellt. Dies ist ein Betrag, der mehr ist als die Summe der Kosten für den Marshall Plan, den Mondflug, den Koreakrieg, den Irak Krieg, den Vietnam Krieg, für das gesamte Budget der NASA, für den Louisiana Purchase (1803) und die Sparkassenkrisen (Savings and loan crisis) der 1980er und 1990er Jahre. (Quelle: http://www.boingboing.net/2008/11/25/bailout-costs-more-t.html)31/08/09: Stand der U.S. Staatsschuld: 11,8 Billionen Dollar, 1,6 Billionen Defizit (10,6% des BIP)(BIP der USA 2008: 14,3 Billionen Dolar). Neueste Prognose 2015: 110% des BIP (El Pais 21/2/10)

Was tun, damit wir nicht die Krise bezahlen müssen?

• Regierungsvorschlag 22/210: Bankensteuer in Österreich: 0.07-1% auf die Bilanzsumme = ca. 0.5 Mrd EUR ab Anfang 2011

• auch auf Versicherungen und Investmentfonds?• Strengere Kapitalvorschriften • zusätzliche Sicherungseinrichtungen für die Sparer • stärkere Risikopuffer gegen neue Finanzkrisen.• Trennung der Banken in Geschäftsbanken und Investmentbanken• Moratorium für Zinszahlungen für die Staatsschuld (7.7 Mrd EUR)• Bedingungen für Privatkonkurse erleichtern• Gewinnverbot• Sozialisierung der Banken

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

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Kontaktfleissner@arrakis.es