Zusammenfassung - peter wiedemann · Mechanismen moralischer Urteile sowie deren Struktur •...

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ZusammenfassungMoralpsychologie

WS 2015/16

Was ist Moral?

• Moral = System von Regeln, die sich auf das Zusammenleben von Menschen beziehen

• Moral = soziale Norm, die Handeln vorschreibt

• Kommunikativ: Soll-Satz

• Soziale Norm, die sich auf das gute Leben richtet ist.

• Gute Leben = tugendhafte Leben

Ziel der Moral

Moralische Norm

• Moralische Normen

Positive Pflicht

Negative Pflicht

Ethik

• Ethik = Begründung von moralische Normen

• Ethik reflektiert Moral.

• Frage: Warum ist es richtig, einer moralischen Regel zu folgen?

• Frage: Warum ist Regel A zwingender als Regel B?

Ethiken

• Tugenden-Ethik

• Pflichten-Ethik

• Konsquentialistische Ethik

Tugendethik

• Katalog von Tugenden

• Moral entspringt einem guten/tugendhaften Charakter

• Charakterbildung

• Tugendhafte Persönlichkeitseigenschaften

Pflichtenethik

• Katalog von Pflichten:

• Pflichten gegenüber Gott, den Menschen und der Natur

• Meta-Pflicht: Kategorischer Imperativ von Kant

Konsequentialistische Ethik

• Es kommt auf die Konsequenzen

• Konsequenzen liegen in der Zukunft und sind damit per se unsicher.

Utilitaristische Ethik

• Typische Vertreter: Bentham, Mills (Utilitarismus)

• Es kommt auf die Konsequenzen an:

• Maßeinheit: Utility =Vermeidung von Schmerz und Steigerung von Glück

• Subjektiv erwarteten Nutzen (SEU, subjective expected utility)

• Referenz: Bezogen der Gesellschaft

• Utilitaristische Handlungsregel: Moral ist, was Glück in der Gesellschaft steigert.

Soziologie der Moral

• Vertreter: N. Luhmann

• Moral= Moralische Kommunikation.

• Kommunikation, die Achtung oder Ächtung ausdrückt.

• Moralische Kommunikation hat die Tendenz zur unversöhnlichen Konfliktzuspitzung.

• Rat: Ethik hat vor Moral zu warnen!

Moralpsychologie

• Moralische Urteile

• Moralisches Verhalten

Kalkulation des Glücks: Was macht glücklich?

Individueller Nutzwert einer Handlung ist abhängig von:

• Intensität des Glückswerts • Dauer • Nähe oder Ferne des Eintretens • Gewissheit des Eintretens • Folgenträchtigkeit

Jeremy Bentham, 1748 – 1832

Moralpsychologie

Moralische Urteile

• Rein kognitive Basis: Begründen und Argumentieren

• Intuitive Basis: Moralische Heuristik anwenden

• Emotionale Basis: Moralisches Empfinden

Fehler und Fallen beim moralischen Urteilen:

• Bounded Ethicality = Moral wird von außenmoralischen Umständen begrenzt (Verlust oder Gewinn)

Moralpsychologie

Utility = experienced utility

• Psychologische Analysen zum Glücksempfinden

• Erinnertes Glück

• Vorgestelltes Glück

• Erfahrenes Glück

Wie erleben wir Schmerz?

Quelle: Redelmeier & Kahneman 1996

0 0

Befragung, was wenn Bush gewinnt...

• Vor der Wahl 2000 • Unmittelbar danach • In Rückschau 1 Jahr später

0

0,7

1,4

2,1

2,8

Zuvor Danach 1Jahrspäter

http://www.wjh.harvard.edu/~dtg/wilson%20et%20al%20(HOW%20HAPPY%20WAS%20I).pdf Timothy D. Wilson, Jay Meyers, Daniel T. Gilbert, (2003). “How Happy Was I, Anyway?” A Retrospective Impact Bias. Social Cognition: Vol. 21, No. 6, pp. 421-446.

Moral Foundation Theory

• Vertreter: J. Haidt • Gegenstand – MFT spezifiziert die grundlegenden psychologischen

Mechanismen moralischer Urteile sowie deren Struktur • Ausgangspunkt: – Suche nach Tugenden und moralischen Verpflichtungen in versch.

kulturellen Kontexten, • Ansatz – Typologie moralischer Grundmuster – Prozessmodell

Quelle:HaidtandJosep(2004)

Moralische Grundwerte

• Es gibt 6 Dimensionen moralischer Bewertungen

– Unversehrtheit (avoidance of harm/care) – Fairness (Fairness/reciprocity/cheating) – Loyalität (Ingroup loyalty/ betrayal) - Treue – Respekt (Authority/respect/ subversion) – Reinheit (Purity/ sanctity/ degradation) – Freiheit (Liberty, suppression)

Haidt and Graham (2007)

Experimente

Schwerpunkt: Was wissen wir über die Rolle von Gefühlen bei moralischen Urteilen?

1. Komplex: Fürsorge und Schaden (Harm) – Wann ist es eher zu vertreten, Menschen Schaden zuzufügen? – Welche Rolle spielt die Größe des Schadens? – Angst vs. Zorn/Wut als Verstärker: Was ist das Resultat?

2. Komplex: Fairness und Betrügen – Wovon hängt ab, ob wir Betrug als lässliches Vergehen empfinden?

3. Komplex: Loyalität und Verrat – Welche Rolle spielt Verrat bei der Bewertung von Schäden?

4. Komplex: Autorität und Zersetzung – Wann folgen wir einer Autorität ?

5. Komplex: Reinheit und Beschmutzung – Wann nehmen wir Reinheits-bezogenen Moral-Probleme nicht mehr so genau?

Studie

Ekel

Ekelgefühl – Stärker ausgeprägt bei Frauen – Stärker bei Konservativen

Schutz vor „Unreinem“ – Verfaulte Nahrung – Übel aussehende Krankheiten – Sexpraktiken

Trigger – Wird ausgelöst durch Bilder und Gerüche – Ist somit auch experimentell erzeugbar

Befunde

In der Smell-Kondition verringert sich die positive Bewertung von Schwulen

Befunde

Effekt gilt sowohl für Konservative als auch für Liberale.

Macht Ekel konservativer?

• Erste Hinweise, aber keine überzeugende Evidenz • Sehr kleine Stichprobe • Konfounder, Zufall und Bias nicht ausgeschlossen • Externe Validität ungeklärt

Das Böse: Schaden zufügen• Milgram Experiment • Zimbardo Experiment

Studie1

Aufbau

ExperimentAufbau• Vpnsind40MännerimAlterzwischen20und50ausNewHavenund

angrenzendenGemeindenDieGruppederPbnsetztesichwiefolgtzusammen:• 40%ungelernteundangelernteArbeiter• 40%AngestellteausHandelundGewerbe• 20%ausFachberufen.

• OpferwurdevonLaiengespielt,das47Jahreist,trainiertfürRolle;wasIrisch-amerikanischerAbstammung,diemeistenPersonenfanden“Opfer”nettundsympathisch.

Aufbau

ExperimentAufbau(2)• AbhängigeVariable:Max.zugteilteelektr.Schock– Theprimarydependentmeasureforanysubjectisthemaximumshockhe

administersbeforeherefusestogoanyfurther,Inprinciplethismayvaryfrom0(forasubjectwhorefusestoadministereventhefirstshock)to30(forasubjectwhoadministersthehighestshockonthegenerator).

• Nach-Interview– Followingtheexperiment,subjectswereinterviewed;open-ended

questions,projectivemeasures,andattitudescaleswereemployed.• Briefing– Aftertheinterview,procedurestakentoassurethatthe“subjectwould

leavethelaboratoryinastateofwellbeing”.

http://library.nhsggc.org.uk/mediaAssets/Mental%20Health%20Partnership/Peper%202%2027th%20Nov%20Milgram_Study%20KT.pdf

Studie2

Versuchsplan

ExperimentelleVariation• RemoteBedingung• AkustischeRückmeldung• AkustischeRückmeldungplusSichtkontakt• AkustischeRückmeldungplusSichtkontaktplusHandanlegen

• AkustischeRückmeldung– Ab75VStöhnen,bei150V„Lasstmichhierraus!– Bei300VVphämmertandieWand)ab315V„Ruhe“,Vpsagtnichts

mehr)

Aufbau

Rückmeldung• NachBetätigungdes75-Volt-Schalters,erstmalseinStöhnendesSchülerszu

hören,dasbeidennachfolgendenStromschlägenimmerlauterwurde.• BeimDrückendes150-Volt-SchaltersSchreie:«Esreicht,lassenSiemichhier

raus!

• Verstärkung– Prod1:Pleasecontinue,orPleasegoon.– Prod2:Theexperimentrequiresthatyoucontinue.– Prod3:Itisabsolutelyessentialthatyoucontinue.– Prod4:Youhavenootherchoice,youmustgoon.

Ergebnisse

KeinFeedback AkustischeRückmeldung

Augen-kontakt AktiveHandlung

Durchschnittlich

gegebene

MaximalschockinVolt

405 367 312 268

Prozentsatzvöllig

gehorsamerVpn

65% 62% 40% 30%

Weitere Studien

Weitere Variationen (insgesamt >20 Studien) • Durchführung an einen anderen Ort (verwahrlosten

Bürogebäude eine Geschäftsviertels in Bridgeport). Absolute Gehorsamkeitsbereitschaft sinkt auf 48 % waren.

• Versuchsleiter wird durch rang-niedere Person ersetzt. Absolute Gehorsamkeitsbereitschaft sinkt auf 20 %.

• Abwesenheit des Versuchsleiters, Anweisungen per Telefon. Absolute Gehorsamkeitsbereitschaft sinkt auf 25 %.

• Arbeitsteilung. Vp hat nur Tests zu kontrollieren und einen andere Person übernimmt die Applikation der Elektroschocks. Absolute Gehorsamkeitsbereitschaft steigt auf 92%.

Re-AnalysederMilgramStudie

Packer(2008)

HiererstmalsmassiveForderungderVpnnachAusstiegausdemExperiment-HöchsteUngehorsams-RatenachdemDrückendes150-Volt-Schalters:MehralseinDrittelderVpnsteigthieraus.

Replikation

Jerry Burger

Bei Milgram betätigen79 % derjenigen, die bei 150 Volt weitermachten, auch den 450-Volt-Schalter.

Burger, Jerry M. (2009). Replicating Milgram. Would People Still Obey Today? American Psychologist, 64/1, 1-11.WWW: http://www.apa.org/journals/releases/amp641-1.pdf (08-12-18)

70 %der Teilnehmer sind gewillt, über das Strafmass von 150 Volt hinauszugehen.

http://www2.psych.ubc.ca/~schaller/Psyc591Readings/Blass1999.pdf

ErgebnissederReplikationen

• Replikations-StudienbestätigendieBefundevonMilgram• Gender:Identicalrateofobedienceinbothsexgroupsabout

65%.• Althoughobedientwomenconsistentlyreportedmorestress

thanmen.• 150V-isteinEntscheidungspunkt• InDeutschland:Von100zufälligausgewähltenVpngingen85

bis450V.2%zweifeltenanderEchtheitderInszenierung,alleanderenVersuchspersonenglaubten,eswürdenwirklichMenschengequält.

• GehorsamsbereitschafthängtwedermitdemAlternochdemGeschlechtoderBildungsniveauzusammensicheinBedeutsamerZusammenhangabermitdemEmpathievermögen.

• EinfühlsameMenschenverweigernnichthäufigerdenGehorsam,wendensichaberfrüheralsanderemitkritischenRückfragenandenVersuchsleiter.

ErgebnissederReplikationen

Interpretation

„Theessenceofobedienceconsistsinthefactthatapersoncomestoviewhimselfastheinstrumentforcarryingoutanotherperson'swishes,andhethereforenolongerseeshimselfasresponsibleforhisactions.Oncethiscriticalshiftofviewpointhasoccurredintheperson,alloftheessentialfeaturesofobediencefollow.“Milgram1974

Interpretation

Milgram goes on to explain, a variety of factors lock the subject into the situation. These include situational factors such as politeness and awkwardness of withdrawal, absorption in the technical aspects of the task, the tendency to attribute impersonal quality to forces that are essentially human, a belief that the experiment serves a desirable end, the sequential nature of the action, and anxiety.

Ethik des Risikos

Welchen Risiken darf ich mich selbst und andere aussetzen?

• Relevante Parameter zur moralischen Bewertung von Risikosituationen – Typ der Risikosituation (Setzt ein Individuum sich

selbst oder andere einem Risiko aus?) – potentielle Konsequenzen (Nutzen und Schaden sowie

dessen Höhe bzw. Ausmaß) – Eintrittswahrscheinlichkeit der Konsequenzen – Genese der Risikosituation (Freiwilligkeit, Ziele,

Umstände)

Risiko für die eigene Person

• in Fällen, in denen das Risiko allein bei dem Entscheider selbst liegt, sind nur die eigenen Interessen zu berücksichtigen.

• Problemfall: Pflichten gegen sich selbst

Risiko für Andere

• In Fällen, wo andere betroffen sind, sind deren Interessen zu berück-sichtigen

• Problem der Risikoübertragung

• Individualrechte der Anderen sind zu berücksichtigen

Ethik des Risikos

Gethmann

Carl Friedrich Gethmann

Gethmann

Prinzip der pragmatischen Konsistenz (Gethmann)

„ Wenn du bereit bist, ein Risiko auf dich zunehmen oder anderen zuzumuten, dann musst du auch bereit sein, ein Risiko auf dich zu nehmen, das kleiner/gleich dem ersten Risiko ist (der Nutzen sei ceteris paribus gesetzt).“

Wer akzeptiert, daß technische Installationen mit etwa 9000 Unfall-toten in der Bundesrepublik Deutschland pro Jahr etabliert werden, nämlich der individuelle Straßenverkehr, der muß auch akzeptieren, daß dieses Risiko für andere technische Installationen hingenommen wird.

(Gethmann 1987, S. 1133)

Julian Nida-Rümelin

Nida-Rümelin

Nida-Rümelin

Kanon unverletzlicher Grundrechte (Nida-Rümelin)

Die von Risiken betroffenen Personen haben ein Recht darauf, selbst darüber zu entscheiden, welche Risiken sie in Kauf nehmen möchten.

•Menschenrecht auf Leben - •Instrumentalisierungsverbot: Menschenleben is unveräußerbar.

Was tun?

Ein Unfallopfer mit infauster Prognose könnte vier anderen Patienten, die dringend eine Organtransplantation brauchen, das Leben retten. Die Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass man das Unfallopfer schnell sterben ließe.

– Darf Sterbehilfe geleistet werden? – Aktiv? – Passiv?

Nida-Rümelin

Recht auf Eigenentscheid

Die von Risiken betroffenen Personen haben prinzipiell ein Recht darauf, selbst darüber zu entscheiden, welche Risiken sie in Kauf nehmen möchten. Diese Entscheidung ist unabhängig davon bedeutsam, ob die vorausgegangenen Abwägungen durchgängig rational waren oder nicht. Die subjektiven Einstellungen sind hier unmittelbar für die moralische Zulässigkeit von Risiken relevant.

(Nida-Rümelin S. 827)

Nida-Rümelin

Baron

Jonathan Baron

Department of Psychology, University of Pennsylvania

Baron

Konsequenzialismus (Baron)

•Es kommt auf die Konsequenzen an. •Handlungen sind ausschließlich danach zu beurteilen, wie gut oder erstrebenswert ihre Folgen sind.

Entscheidungen bei bekannten Wahrscheinlichkeiten (SEU-Modelle )

• Auflisten der Handlungsoptionen • Bewertung der möglichen Folgen jeder Handlungsoption • Bestimmung der Wahrscheinlichkeit der Folgen für jede

Handlung • Wahrscheinlichkeit und Bewertung der Folge werden

jeweils multipliziert und die Produkte aufsummiert. • Die Handlungsoption, welche die höchste Summe erzielt,

ist moralisch geboten.

SEU= subjective expected utility

Baron

Habermas, Jürgen:

• Theorie des kommunikativen Handelns. 2 Bde. Frankfurt a. M. 1981. • Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln. Frankfurt a. M.

1983. • Erläuterungen zur Diskursethik. Frankfurt a. M.1991.

Habermas

• Kernaussage der „Theorie des kommunikativen Handelns“ von Jürgen Habermas :

Zwischenmenschliche Kommunikation ist eine einvernehmliche, rational motivierte und auf Verständigung zielende Koordination von Handlungen.

Habermas

Habermas

Rationaler Diskurs

• mit Hilfe von Kommunikation können Kompromisse zwischen Interessengegensätzen und Wertkonflikten unterschiedlicher Parteien erzielt werden, ohne dass eine Partei ausgeschlossen oder ihre Interessen oder Werte unberücksichtigt bleiben.

Jonas

Hans Jonas: Prinzip der Verantwortung (1979)

Heuristik der Furcht: „Wenn im Zweifel, gib der schlimmeren Prognose vor der besseren Gehör, denn die Einsätze sind zu groß geworden für das Spiel“

Jonas

Hans Jonas: Prinzip der Verantwortung (1979)

Prinzipien • Verantwortung, "dass wir zwar unser eigenes Leben, nicht

aber das der Menschheit wagen dürfen; ... dass wir nicht das Recht haben, das Nichtsein künftiger Generationen wegen des Seins der jetzigen zu wählen ...“..

• „Alle technischen Entwicklungen sind solange zu

unterlassen, solange wir die Fernwirkungen nicht kennen. Nur so ist sicher gestellt, dass wir für die zukünftige Menschheit heute Verantwortung übernehmen können und somit den neuen Imperativ einlösen können.“

Jonas