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Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006 3 INHALT EDITORIAL 4 Vorherrschaft der FRELIMO 6 Alt werden in Mosambik 8 Schwangerschaft und HIV/AIDS 9 In Kürze Schwerpunkt Millenniumsziel zur Sicherung ökologischer Nachhaltigkeit 12 Einleitung 13 Klimawandel im Südlichen Afrika 15 Partizipative Waldnutzung 17 Angepasster Tourismus 18 Bambus als Baumaterial 19 Erneuerbare Energien 21 Zugang zu Wasser 23 Abfallentsorgung 25 Umweltinitiativen und Umweltbewusstsein 27 Nationalparks 30 Limpopo-Park: Anwohnerinteressen 32 Goldsucher in Manica 34 Arbeit mit Aidswaisen in Zambézia 36 Interview mit Fernando Menete, G 20 38 Seminarbericht Zivilgesellschaft 40 Solidarität 43 Kultur 48 Galerie Liebe Leserinnen und Leser! In diesen Tagen ist in den mosambikanischen Medien eine Diskus- sion zur aktuellen politischen Entwicklung zu verfolgen. Schlag- wörter wie „Rückkehr zum Einparteienstaat“ und „Frelimiserung der Gesellschaft“ sind zu hören. Auch während des Herbstsemi- nars im November in Bielefeld wurde das Thema demokratische Entwicklung immer wieder aufgegriffen. Die parlamentarische Opposition ist schwach, die FRELIMO forciert eine noch stärkere Verzahnung von Partei und Staatsapparat. Joe Hanlon legt dar, dass die Vorherrschaft einer dominanten Partei noch keinen unde- mokratischen Einparteienstaat bedeutet. Als Kriterien für die De- mokratieentwicklung sieht er die Empfänglichkeit der Regierung für die Interessen der Bevölkerung, den Schutz politischer und wirtschaftlicher Rechte und die Rechenschaftslegung der Regie- rung gegenüber den Bürgern. Als wichtige Kontrollinstrumente dienen dabei die Medien und die Zivilgesellschaft. Die Resonanz auf den Gesundheitsschwerpunkt in Heft 70 war groß. Der Leserbrief eines GTZ-Gesundheitsexperten und der Bei- trag zur erlebnispädagogischen Arbeit mit Aidswaisen in Zambézia führen das wichtige Thema HIV/AIDS in diesem Heft fort. Der Schwerpunkt dieses Rundbriefs deckt eine Vielzahl von The- men ab, die mit der nachhaltigen Nutzung von Ressourcen zu tun haben. Trotz intensiver Recherchen konnten wir leider keinen Beitrag finden, der das Thema Auswirkungen der Megaprojekte auf die Umwelt behandelt. Kritik an den Megaprojekten wird vor allem unter wirtschaftlichen Aspekten geübt. Hinter dem KKM liegt wieder ein aktivitätenreiches Jahr. In die- sem Heft stellen wir Ihnen kurz unsere neuen Unterrichtsmate- rialien zu Millenniumszielen und Mosambik vor und berichten vom Herbstseminar. Fernando Menete von der mosambikanischen Entschuldungsgruppe, der als Vertreter der Grupo 20 zum Semi- nar eingeladen war, spricht in einem Interview über die Rolle der Zivilgesellschaft im politischen Prozess. Auch das kommende Jahr wird ereignisreich: Der KKM wird dreißig Jahre alt. Drei Jahrzehnte Informations-, Bildungs- und Solidaritätsarbeit, drei Jahrzehnte gelebte Beziehungen. Dieses Jubiläum möchten wir zum Anlass nehmen, um zurückzublicken und nach vorn zu schauen. Wie gestaltet sich Solidaritätsarbeit in Zeiten der Globalisierung? Diese und andere Fragen werden uns im Jahr 2007 beschäftigen: Als Seminarthema, als Rundbrief- schwerpunkte und auf dem Kirchentag im Juni in Köln. Nun wünscht die Redaktion Ihnen geruhsame Tage, ein frohes Fest und ein gutes neues Jahr. Ihre IMPRESSUM Der Mosambik-Rundbrief erscheint drei Mal im Jahr in Deutschland und in der Schweiz. Verlag, Herausgeber und Anschrift der Redaktion: KoordinierungsKreis Mosambik e.V., August-Bebel-Straße 16 – 18, D-33602 Bielefeld; Tel.: 05 21- 12 47 42; Fax: 05 21- 6 49 75; E-Mail: [email protected] Homepage: http://www.kkmosambik.de ISSN: 1613-3080 Redaktion: Andrea Queiroz de Souza (ViSdP), Winfried Borowczak, Richard Brand, Judith Christner, Carolin Kalkof, Michael Kegler, Katharina Liebing, Luisa Pfau, Ulla Rinke, Rainer Tump, Layout, Satz & Bildbearbeitung: Crossmedia Design, Bielefeld Titelbild: Catherine Mackenzie / Crossmedia Design Mitarbeit: Klaus Ackermann, Petra Aschoff, Stefan Derschum, Sven Detering, Tillmann Elliesen, Christian Fedlmeier, Walburga Greiner, Guita Jr., Reinhold Haas, Joe Hanlon, Sven Harmeling, Ali Hensel, Inge Hoffmann-Vaz, Gereon Hunger, Claudia- Maria Kukla, Claudia Kressiin, Catherine Mackenzzie, Rainer Maehl, Ingo Mallée, Veit Mette, Annette Mokler, Birgit Monteiro, Monika Orlowski, Silvana Recke, Uli Spriessler, Gerfried Stanzel, Peter Steudtner Druck: Nübold Buch- u. Offsetdruck, D-57368 Lennestadt. Namentlich gekennzeichnete Artikel entsprechen nicht unbedingt der Ansicht der Redaktion oder des Herausgebers. Der Mosambik-Rundbrief wird freundlicherweise vom Ausschuss für Bildung und Publizistik (ABP) des EED gefördert. Die Nordrheinwestfälische Stiftung für Umwelt und Entwicklung fördert den MDG-Schwerpunkt. Bankverbindung: KD-Bank Münster, BLZ: 350 601 90, Konto: 211 024 10 14 Bezugsbedingungen: Ein Abonnement kostet 13,– Euro/25,– SFr. für drei Ausgaben. Ein Mehrfachabonne- ment von fünf Heften kostet 50,– Euro. Ein Mehrfachabonnement von zehn Heften kostet 80,– Euro. Das Auslandsabo kostet 21,– Euro. Die Preise verstehen sich inklusive Versand.

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Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006 3

I N H A L TE D I T O R I A L 4 Vorherrschaft der FRELIMO

6 Alt werden in Mosambik

8 Schwangerschaft und HIV/AIDS

9 In Kürze

Schwerpunkt Millenniumsziel zur Sicherung ökologischer Nachhaltigkeit

12 Einleitung

13 Klimawandel im Südlichen Afrika

15 Partizipative Waldnutzung

17 Angepasster Tourismus

18 Bambus als Baumaterial

19 Erneuerbare Energien

21 Zugang zu Wasser

23 Abfallentsorgung

25 Umweltinitiativen und Umweltbewusstsein

27 Nationalparks

30 Limpopo-Park: Anwohnerinteressen

32 Goldsucher in Manica

34 Arbeit mit Aidswaisen in Zambézia

36 Interview mit Fernando Menete, G 20

38 Seminarbericht Zivilgesellschaft

40 Solidarität

43 Kultur

48 Galerie

Liebe Leserinnen und Leser!

In diesen Tagen ist in den mosambikanischen Medien eine Diskus-sion zur aktuellen politischen Entwicklung zu verfolgen. Schlag-wörter wie „Rückkehr zum Einparteienstaat“ und „Frelimiserung der Gesellschaft“ sind zu hören. Auch während des Herbstsemi-nars im November in Bielefeld wurde das Thema demokratische Entwicklung immer wieder aufgegriffen. Die parlamentarische Opposition ist schwach, die FRELIMO forciert eine noch stärkere Verzahnung von Partei und Staatsapparat. Joe Hanlon legt dar, dass die Vorherrschaft einer dominanten Partei noch keinen unde-mokratischen Einparteienstaat bedeutet. Als Kriterien für die De-mokratieentwicklung sieht er die Empfänglichkeit der Regierung für die Interessen der Bevölkerung, den Schutz politischer und wirtschaftlicher Rechte und die Rechenschaftslegung der Regie-rung gegenüber den Bürgern. Als wichtige Kontrollinstrumente dienen dabei die Medien und die Zivilgesellschaft.

Die Resonanz auf den Gesundheitsschwerpunkt in Heft 70 war groß. Der Leserbrief eines GTZ-Gesundheitsexperten und der Bei-trag zur erlebnispädagogischen Arbeit mit Aidswaisen in Zambézia führen das wichtige Thema HIV/AIDS in diesem Heft fort.

Der Schwerpunkt dieses Rundbriefs deckt eine Vielzahl von The-men ab, die mit der nachhaltigen Nutzung von Ressourcen zu tun haben. Trotz intensiver Recherchen konnten wir leider keinen Beitrag finden, der das Thema Auswirkungen der Megaprojekte auf die Umwelt behandelt. Kritik an den Megaprojekten wird vor allem unter wirtschaftlichen Aspekten geübt.

Hinter dem KKM liegt wieder ein aktivitätenreiches Jahr. In die-sem Heft stellen wir Ihnen kurz unsere neuen Unterrichtsmate-rialien zu Millenniumszielen und Mosambik vor und berichten vom Herbstseminar. Fernando Menete von der mosambikanischen Entschuldungsgruppe, der als Vertreter der Grupo 20 zum Semi-nar eingeladen war, spricht in einem Interview über die Rolle der Zivilgesellschaft im politischen Prozess. Auch das kommende Jahr wird ereignisreich: Der KKM wird dreißig Jahre alt. Drei Jahrzehnte Informations-, Bildungs- und Solidaritätsarbeit, drei Jahrzehnte gelebte Beziehungen. Dieses Jubiläum möchten wir zum Anlass nehmen, um zurückzublicken und nach vorn zu schauen. Wie gestaltet sich Solidaritätsarbeit in Zeiten der Globalisierung? Diese und andere Fragen werden uns im Jahr 2007 beschäftigen: Als Seminarthema, als Rundbrief-schwerpunkte und auf dem Kirchentag im Juni in Köln.

Nun wünscht die Redaktion Ihnen geruhsame Tage, ein frohes Fest und ein gutes neues Jahr.

Ihre

I M P R E S S U MDer Mosambik-Rundbrief erscheint drei Mal im Jahr in Deutschland und in der Schweiz.

Verlag, Herausgeber und Anschrift der Redaktion: KoordinierungsKreis Mosambik e.V., August-Bebel-Straße 16 – 18, D-33602 Bielefeld; Tel.: 05 21-12 47 42; Fax: 05 21- 6 49 75; E-Mail: [email protected]: http://www.kkmosambik.deISSN: 1613-3080Redaktion: Andrea Queiroz de Souza (ViSdP), Winfried Borowczak, Richard Brand, Judith Christner, Carolin Kalkof, Michael Kegler, Katharina Liebing, Luisa Pfau, Ulla Rinke, Rainer Tump, Layout, Satz & Bildbearbeitung: Crossmedia Design, Bielefeld Titelbild: Catherine Mackenzie / Crossmedia Design Mitarbeit: Klaus Ackermann, Petra Aschoff, Stefan Derschum, Sven Detering, Tillmann Elliesen, Christian Fedlmeier, Walburga Greiner, Guita Jr., Reinhold Haas, Joe Hanlon, Sven Harmeling, Ali Hensel, Inge Hoffmann-Vaz, Gereon Hunger, Claudia-Maria Kukla, Claudia Kressiin, Catherine Mackenzzie, Rainer Maehl, Ingo Mallée, Veit Mette, Annette Mokler, Birgit Monteiro, Monika Orlowski, Silvana Recke, Uli Spriessler, Gerfried Stanzel, Peter SteudtnerDruck: Nübold Buch- u. Offsetdruck, D-57368 Lennestadt.

Namentlich gekennzeichnete Artikel entsprechen nicht unbedingt der Ansicht der Redaktion oder des Herausgebers.

Der Mosambik-Rundbrief wird freundlicherweise vom Ausschuss für Bildung und Publizistik (ABP) des EED gefördert. Die Nordrheinwestfälische Stiftung für Umwelt und Entwicklung fördert den MDG-Schwerpunkt.

Bankverbindung: KD-Bank Münster, BLZ: 350 601 90, Konto: 211 024 10 14

Bezugsbedingungen: Ein Abonnement kostet 13,– Euro/25,– SFr. für drei Ausgaben. Ein Mehrfachabonne-ment von fünf Heften kostet 50,– Euro. Ein Mehrfach abonne ment von zehn Heften kostet 80,– Euro. Das Auslandsabo kostet 21,– Euro. Die Preise verstehen sich inklusive Versand.

4 Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006

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Einparteiendemokratie?Einparteiendemokratie?

Als Schwedens Sozialdemokra-tische Partei die Wahlen im Sep-tember 2006 verlor, war sie seit

1932 mit nur einer Unterbrechung von neun Jahren fast ununterbrochen an der Macht gewesen. Schweden ist einer von vielen demokratischen Staaten, in denen eine „natürliche“ Regierungspartei über Jahrzehnte immer wieder gewählt wird.

In vielen Fällen wurden Befreiungs-bewegungen zur dominanten Partei, wie die Congress-Partei in Indien und die PRI in Mexiko. Auch im südlichen Afrika scheint die Mehrheit der Wähler den ANC in Südafrika, die CCM in Tan-sania und die FRELIMO in Mosambik als „naturgegebene“ Regierungspartei anzu-sehen.

Die schwedischen Sozialdemokraten, die Congress-Partei und die PRI wurden irgendwann abgewählt. In Systemen mit solch dominanten Parteien bekommen Wahlen häufig den Charakter eines Volk-entscheids. Die Stimme wird abgegeben für oder gegen den Verbleib der Regie-rungspartei an der Macht. Staaten mit einer dominanten Partei sind nicht per se weniger demokratisch als Großbritannien oder die USA, wo Machtwechsel an der Tagesordnung sind. In jungen Staaten können dominante Parteien sogar die Stabilität erhöhen.

Dominante ParteienherrschaftAber was unterscheidet Staaten mit ei-ner dominanten Partei wie in Mosambik oder Südafrika von Ein-Mann-Staaten wie

Schwache Opposition, FRELIMO konsolidiert Dominanz

Von Joe Hanlon

Simbabwe oder von sich schnell verän-dernden Staaten wie Sambia? Vier Fak-toren scheinen von Bedeutung zu sein:• Es finden echte Wahlen statt und die

Partei könnte verlieren.• Die Gefahr der Wahlniederlage bringt

mit sich, dass die Partei auf die Wäh-ler eingehen muss. Dazu ist ein guter Kontakt zur Basis wichtig. Die interne Parteidemokratie muss funktionieren, so dass diejenigen, die die Verbindung zu den Wählern verlieren, innerhalb der Partei an Bedeutung verlieren.

• Die Partei ist wichtiger als das Indivi-duum, was regelmäßige Wechsel in der Führungsspitze einschließt. Der ANC und die FRELIMO hatten friedliche Machtwechsel innerhalb der Partei. Dabei war die Entscheidung der FRE-LIMO, Joaquim Chissano nicht noch einmal bei den Wahlen antreten zu las-sen, von besonderer Wichtigkeit. Die Partei reagierte auf internen Druck von der Parteibasis, die befürchtete, Korrup-tionsvorwürfe und „deixar andar“ (lau-fen lassen) könnten die FRELIMO die nächsten Wahlen verlieren lassen, soll-te sie mit Chissano antreten. Die Partei selbst wechselte ihn aus. Chissano mag verärgert gewesen sein, aber er blieb in der Partei und unterstützte seinen Nachfolger sogar im Wahlkampf. Dies steht in scharfem Kontrast zur ZANU in Simbabwe, die von Robert Mugabe gekapert wurde.

• Meinungsfreiheit bedeutet, dass die Medien und die Zivilgesellschaft die dominierende Partei im Auge behalten. Alle Führer reagieren empfindlich auf Kritik, aber in Südafrika und Mosam-bik kann die Presse sich frei äußern. Die Zivilgesellschaft in Südafrika ist stark, und in Mosambik ist sie im Wachstum begriffen.

Eine erfolgreiche dominante Partei hat drei Informationskanäle: Das normale Regierungssystem, die Partei, die Blocka-den innerhalb der Regierung umgehen kann, sowie die Medien und die Zivilge-sellschaft, die schwerwiegende Probleme offen legen können. Eine Partei, die zu-hört und reagiert, kann an der Macht bleiben.

Wenn man in diesem Kontext die Wahlen im Jahr 1999 betrachtet, so war das knappe Ergebnis eine Warnung an die FRELIMO, nicht die Stimmen der Wäh-ler als sicher zu betrachten. Die Wahlen 2004, in denen die RENAMO die Hälfte ihrer Stimmen aus dem Jahr 1999 verlor, legen nah, dass dieselben Wähler nun ak-zeptierten, dass die FRELIMO genügend Veränderungen vorgenommen hatte, um als „natürliche“ Regierungspartei an der Macht zu bleiben.

Kriterien für Demokratieentwick-lungAber Demokratie bedeutet mehr als nur Wahlen. Wechsel durch Wahlen von einer korrupten und inkompetenten Re-gierung zur nächsten, wie es in einigen

In den letzten Monaten sind von Seiten der Geberorganisationen zunehmend kritische Stimmen zur politischen Entwicklung in Mosambik zu hören. Lässt sich aus der Vorherr-schaft einer Partei schließen, dass das Land auf dem Weg zu einem undemokratischen Ein-parteienstaat ist? Im vorliegenden Beitrag geht Joe Hanlon dieser Frage nach und disku-tiert Kriterien für Demokratieentwicklung wie die Empfänglichkeit der Regierung für die Interessen der Bevölkerung, den Schutz von Rechten und die Transparenz der Regierungs-führung. Als wichtige Kontrollinstanzen sieht er die Medien und die Zivilgesellschaft.

Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006 5

Institutionen wie der Verfassungsrat, die ein Prestige von Integrität haben und als unabhängig angesehen werden, kommt dabei eine große Bedeutung zu; sie müs-sen eine größere Verantwortung überneh-men.

Joe Hanlon ist Dozent für Entwicklungs-politik an der Open University in Milton Keynes, Großbritannien. Er schreibt seit 1978 über Mosambik und ist Herausge-ber des Mozambique Political Process Bulletin. Das Bulletin (in Englisch) wird kostenfrei als Mail verschickt. Anfordern über: [email protected]Übersetzt und redaktionell bearbeitet von Andrea Queiroz de Souza

Weblinks:Hanlon-Webseite zu Mosambik: www.open.ac.uk/technology/mozambique/Halbjährliche Analyse politischer Ereig-nisse: www.sarpn.org.za/documents/d0001338/P1592-Mozambique_FAST-Update_2005.pdfDFID-Konfliktstudie: www.dfid.gov.uk/pubs/files/strategic-conflict-assessment.pdfUSAID-Korruptionsstudie: mozam-bique.usembassy.gov/uploads/images/q3naBGGSYz8BsCXguSD5Pw/Final_Re-port-Mozambique__Corruption_Assess-ment-without_internal_rec.pdf

Ländern geschieht, ist nicht ausreichend, um demokratisch genannt zu werden De-mokratie bedeutet:• Empfänglichkeit: Repräsentiert die Re-

gierung die Menschen und handelt in ihrem Interesse?

• Rechte: Schützt die Regierung die poli-tischen und wirtschaftlichen Rechte der Menschen, schützt sie auch die Rechte von Minderheiten und den Unterstüt-zern der Opposition?

• Verantwortlichkeit: Legt eine Regierung den Bürgern des Landes gegenüber Re-chenschaft ab? Ist es möglich, dass die Regierung wechselt?

Ein erfolgreicher Staat mit einer dominan-ten Partei, wie zum Beispiel Schweden, erfüllt diese Bedingungen.

Politische Entwicklung Nach den Wahlen im Jahr 2004 hat die FRELIMO sich bemüht, ihre Macht und Führungsposition zu konsolidieren und den Raum für die Opposition zu ver-kleinern. Es gibt nun eine noch stärkere Verzahnung zwischen Staatsapparat und Partei. Der Druck auf Beamte und Vertreter der Zivilgesellschaft, Mitglied der FRELIMO zu werden, ist gestiegen. Vorwürfe nehmen zu, dass es einfacher ist an Lizenzen und Staatskredite zu kommen, wenn man Parteimitglied ist. Die FRELIMO nutzt den Staatsapparat, um die von der RENAMO kontrollierten Städte Beira, Nacala und die Ilha de Moçambique zu schikanieren.

Es besteht zunehmend Grund zur Be-sorgnis, da es kaum ein funktionierendes Rechtssystem gibt und Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung ausbleiben. Es entsteht der Eindruck von Unantastbar-keit, einige Parteimitglieder scheinen der Rechenschaftspflicht gegenüber den Bür-gern vollständig entzogen zu sein. Auch die Hinweise auf Fälschungen während der Wahl im Jahr 2004 haben nicht zur Bestrafung derjenigen geführt, die sich inkorrekt verhalten haben.

Dies sollte nicht als Rückkehr zum Einparteienstaat der Jahre 1975-1990 bezeichnet werden. Aber Mosambik wird nur dann ein demokratischer Staat bleiben, wenn es dafür sorgt, dass Kon-trollmechanismen gegenüber der domi-nierenden Partei funktionieren. Die Partei und ihre politische Führung müssen re-chenschaftspflichtig bleiben. Die Rechte derjenigen, die keine Parteimitglieder sind, müssen gewahrt bleiben. Politische Debatten müssen im öffentlichen Raum stattfinden und nicht hinter den ver-schlossenen Türen der FRELIMO. Wahl-en müssen korrekt verlaufen.

In Staaten, in denen mehrere Parteien im Parlament sitzen oder Machtwechsel üblich sind, stellen die Oppositionspar-teien ein wichtiges Kontrollinstrument dar. In Staaten mit einer dominanten Re-gierungspartei kommt diese Rolle viel stär-ker der Zivilgesellschaft und den Medien zu. Transparenz und Rechenschaftspflicht der Regierung und des Wahlprozesses bekommen eine viel größere Bedeutung.

Friedlicher Übergang von Chissano zu Guebuza

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Arm und ausgestoßenArm und ausgestoßen

„Ich bin sehr alt, vielleicht 50 Jah-re oder 60“, erzählt Dona Isaura. Sie weiß nicht genau, wann und

wo sie geboren wurde. Hier in Banamana oder vielleicht im Nachbarort Mangalaze. Beide Dörfer gehören zum Distrikt Ma-bote in Südmosambik.

Dona Isaura hat Banamana noch nie verlassen, jedenfalls nicht seit sie denken kann. Sie war noch nicht einmal im drei-ßig Kilometer entfernten Distrikthauptort Mabote. Sie kann weder lesen noch schreiben, sie spricht nur Xitsua, eine der über fünfzig Stammessprachen in Mo-sambik. Die Landessprache Portugiesisch versteht sie nicht. Sie hat keine Schule besucht, war noch nie in einem Kranken-haus oder bei einem Arzt. Ihr Leben be-stand nur aus Hausarbeit, Feldarbeit und Kinderkriegen. Die hohe Arbeitsbelas-tung, viele Schwangerschaften und eine schlechte Ernährung haben Dona Isaura früh altern lassen.

Dona Seferina ist es in ihrem Leben nicht viel anders ergangen. Sie hat vier Kinder geboren. Der Vater, ihr Mann, ist tot. Von den Kindern lebt nur noch ein Sohn, aber er ist weggezogen, „irgendwo-hin nach Südafrika“. Dona Seferina hat ihn schon seit Jahren nicht mehr gesehen, er hat sie noch nie unterstützt. Nun lebt sie allein in einer Hütte, die außer einer Strohmatte zum Schlafen keine Möbel hat. Ein Plastikteller, ein Topf und ein paar Tücher sind ihr ganzes Hab und Gut. Da sie zu schwach für die Feldarbeit gewor-den ist, lebt sie von den Essensresten der Nachbarn. Sie kann nicht mehr zum Fluss gehen, und muss warten, bis andere ihr Wasser bringen. Sie wartet auf den Tod.

Vom alt werden in Mosambik

Von Walburga Greiner und Claudia Kressin

Dona Gilda pflegt ihre kranke Toch-ter, ihre beiden anderen Töchter sind be-reits gestorben. Dona Gildas Tochter wur-de von ihrem Ehemann verstoßen, als sie krank wurde. Ihre Kinder musste sie beim Vater lassen, ihr blieb nichts übrig als zu ihrer Mutter zurückzukehren. Doch Do-na Gilda kann selbst kaum mehr gehen, versucht, so gut es geht, die Tochter zu pflegen. Beide Frauen sind auf die Unter-stützung der Nachbarn angewiesen.

Fehlende AlterssicherungDer demografische Wandel hat in Mosam-bik ein grausames Gesicht, besonders für Frauen. Es gibt zwar ein spezielles Gesetz, das die Rechte alter Menschen schützt. Die Mehrzahl alter Menschen lebt jedoch in Armut, mit geringen Einkommensmög-lichkeiten. Falls jemand eine Rente erhält, beträgt sie in der Regel weniger als zwan-zig Euro monatlich. Alte Menschen wer-den in den Gesundheitsstationen oder Krankenhäusern vielfach gar nicht oder stets zuletzt behandelt, da es sich „nicht mehr lohnt“, ihnen zu helfen. Spuren, die Jahrzehnte der Entfremdung durch Kolonisation, Krieg und Bürgerkrieg hin-terlassen haben, und die durch die unauf-haltsame Verbreitung des todbringenden HIV/AIDS an Schärfe zunehmen. In der Hauptstadt Maputo trifft man an den Ampeln immer mehr alte Menschen, die sich im Kampf ums tägliche Brot gegen Straßenkinder behaupten müssen. Viele von ihnen sind krank und unterernährt. Fragt man nach, so erfährt man, dass sie vor Auswüchsen häuslicher Gewalt auf die Straße geflohen sind. Auch aus den dörflichen Gemeinschaften mehren sich

die Berichte über Gewalt gegen alte Menschen. Sie erzählen von Schlägen, schweren Verletzungen, sie werden aus-geraubt, misshandelt und vergewaltigt.

Geringer Status Generell haben alte Frauen noch einen geringeren sozialen Status als alte Män-ner. Die Frauen werden meistens sehr jung an ältere Männer verheiratet. Viele werden früh Witwen und leben dann in der streng patriarchal organisierten Dorf-gemeinschaft ohne männlichen Schutz und werden häufig aus der Dorfgemein-schaft ausgestoßen.

Es kommt vor, dass alten Frauen das Land abgenommen wird, das sie Jahr-zehnte lang bepflanzt haben, dass sie aus dem Haus vertrieben werden, welches sie gebaut haben oder sie werden sogar aus dem Dorf gejagt. Dann ist ihnen alles ge-nommen, was sie zum Leben brauchen.

Es ist ein Mythos, der sich in der europäischen Welt hartnäckig hält, dass alte Menschen in den traditionellen afrikanischen Kulturen anerkannt werden und in Würde leben. Doch wie sieht die Wirklichkeit aus? In Mosambik zum Beispiel wird das Gegenteil mehr und mehr zur Regel: Vor allem Frauen verlieren mit zunehmendem Alter die Achtung und den Respekt der Gemeinschaft, in der sie ihr Leben verbracht haben.

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Verantwortung für die Enkel

Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006 7

Sie sind isoliert vom gesellschaftlichen Le-ben, hausen in den Wäldern und warten dort auf ihren Tod.

Maria, Projektleiterin in einem AIDS-Projekt der Deutschen Welthungerhilfe in der Distrikthauptstadt Mabote, war durch drei Selbstmorde von Frauen innerhalb einer Woche alarmiert. Bei ihren Recher-chen fand sie heraus, dass die Frauen getötet und dann ein Selbstmord vorge-täuscht wurde. Ein Dorfchef kommen-tierte die Vorfälle: „Diese Frauen haben unsere Jugendlichen verhext, sie krank gezaubert. Dafür mussten sie sterben. Die Polizei akzeptiert aber heutzutage die Ritualopfer nicht mehr. Deshalb töten wir sie und hängen sie dann auf, um das Opfer zu vertuschen“.

Verantwortung für die EnkelIn den Dörfern Banamana und Mangalaze leben etwa 800 Menschen. Rund 80 von ihnen sind Waisenkinder. Sie leben bei einer verwandten Familie, häufig bei der Großmutter. Viele Männer sind auf der Suche nach Arbeit in die südafrikanischen Minen abgewandert. Wenn sie einmal im

Jahr nach Hause kommen, bringen sie Geld mit – und meistens auch AIDS, mit dem sie ihre Frauen anstecken. Durch die Zunahme von HIV/ AIDS ist im Laufe der Jahrzehnte in Südmosambik ein Teil einer gesamten Elterngeneration gestorben. Ih-re Kinder hat sie den Großmüttern hin-terlassen. Ein Erbe, das schwer auf den Schultern der Schwächsten lastet. Denn viele ältere Frauen, die auf diese Weise gezwungen sind, sich um die Enkelkinder zu kümmern, können häufig selbst nicht mehr für sich sorgen. Eine der Konse-quenzen ist, dass diese Kinder nicht zur Schule gehen, stattdessen müssen sie früh für ihren Unterhalt mitarbeiten, auf den Feldern oder beim Viehhüten.

Alte einbeziehenMit der so genannten „Millenniumserklä-rung“ haben sich die Staaten der UNO geeinigt, die Zahl der Menschen, die von weniger als einem US-Dollar pro Tag le-ben, bis zum Jahr 2015 um die Hälfte zu senken. Der Anteil der Menschen, die unter Hunger leiden, soll um die Hälfte gesenkt werden. Soll dieses Mill-

enniumsziel in den Dörfern Mosambiks erreicht werden, müssen auch die alten Menschen stärker einbezogen werden. Sie müssen in ihrer Würde gestärkt, ihre Bedürfnisse beachtet und ihre Leistungen und ihr Wissen gewürdigt und nachge-fragt werden.

Walburga Greiner ist Koordinatorin der Deutschen Welthungerhilfe in Mosambik.

Claudia Kressin ist freie Journalistin und Kommunikationsberaterin.

Quelle: Querbrief des Weltfriedensdiens-tes, 2/2006

Weblinks: www.helpage.org (Intern. Webseite) www.helpage.de (deutsche Webseite)

Alte Frauen werden häufig aus der Gemeinschaft ausgeschlossen

8 Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006

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Schwangerschaft und HIV/AIDS

Präventionsprogramme über das Gesund-heitsministerium (MISAU) implementiert werden und dazu beitragen, das Risiko der Mutter-Kind-Übertragung einzudäm-men um somit auch AIDS-kranken Müt-tern die Geburt eines gesunden Kindes zu ermöglichen.

Das Ergebnis lässt sehr zu wünschen übrig. Die Krise besteht nicht allein dar-in, dass MISAU weit hinter seinen Zie-len der Umsetzung zurück geblieben ist – die zuständigen Beamten haben gelegentlich auch nicht zugelassen, dass Dritte (UNICEF, CDC und GTZ) etwas von Belang unternehmen konnten. Was bleibt, ist Erschöpfung bei den Gutwil-ligen und Hoffnung auf die Tatkraft der neuen Verantwortlichen, nachdem die bisher verantwortlichen Abteilungsleiter im MISAU kürzlich sang- und klanglos abgetreten sind – wir leben vom Prinzip Hoffnung.

Georg NachtigalMaputo

Das geht dann in etwa so: „Was, du willst eine Frau sein und machst so ein Geschrei, nur zum Kinderkriegen?!“ – Meldet sich solch ein bedauernswertes Geschöpf mit dem „geheimen Zeichen“ auf der Karte, weil die Wehen zunehmen, so wird manches Mal gerade noch der Kopf zur Tür hinein gesteckt und gleich zurück gezogen – Gefahr! Und es kann schlimmer kommen, es kann sein, dass es durch den Kreißsaal schallt: „Da, die Seropositive hat sich gemeldet...“

„Das Schweigen brechen“, „Nein zur Stigmatisierung“ – was noch? Gute, hohe, vertraute Vokabeln, täglich in der Presse. Was den Bürgern dieser Stadt massenhaft in ihrem kleinen und zu-nehmend kurzen Leben zustößt, davon erfährt man nicht so viel. Man braucht Geduld, bis sich jemand öffnet und die leise Klage führt: „So, lieber Doktor, so geht das zu in unserem Land“.

Mit vereinten Kräften, auch durch Mittel aus dem BMZ, von der Weltbank, Global Fund, USAID, DFID, UNICEF und etlichen anderen Gebern, verbunden mit persönlichem Einsatz, sollen geeignete

Dem Hörensagen nach wird das Testen auf HIV jetzt routinemä-ßig bei Schwangeren in Mosam-

bik durchgeführt. Das erlaubt die Frage, was geschieht,

wenn eine Schwangere HIV-positiv („seropositiv“) ist.

Wie sieht die Praxis in Schwange-renambulanz und Kreißsaal aus? Frauen, die es wissen müssen, sagen: „In Zeiten von Aids ist der Kreißsaal ein Ort des Schreckens...“

Es wird, wie gesagt, zunehmend auf Seropositivität getestet; verfügbare Schnellverfahren sind zuverlässig und erschwinglich; das hat Folgen. Im Er-gebnis finden sich auf immer mehr der Untersuchungskarten von Schwangeren (in Deutschland ist das der Mütterpass) verborgen und weniger verborgen, deut-lich oder „kryptisch“ Vermerke. Das mag „SP“sein oder „s-pos“ oder „s+“ – es kann auch eine Zahlenkombination sein. Die argwöhnischen schwangeren Frauen haben gemerkt, dass ihr Mutter-pass etwas zu verraten hat; so ist eine der möglichen Reaktionen darauf, dass sie ihre Schwangerenkarte vernichten („verlieren“) oder dass sie nur noch ei-nen einzigen Termin vor der erwarteten Niederkunft in der Schwangerensprech-stunde wahrnehmen, um der unheilvol-len Markierung zu entgehen. Oder sie reißen die verdächtig erscheinenden Kürzel einfach heraus. Was auch immer – Diskriminierung nimmt ihren Lauf und in Folge dessen können notwendige Maßnahmen nicht ergriffen werden.

Denn eine HIV- positive Schwangere ist vor allem anderen jetzt eine Gefahr für das geburtshilfliche Personal. Aus meiner eigenen geburtshelferlichen Er-fahrung in Ostafrika ist mir erinnerlich, dass die Betreuung im Kreißsaal, will man denn das Wort beim Worte neh-men, selbst unter normalen Umständen zu wünschen übrig lässt.

Leserbrief zum MDG-Gesundheitsschwerpunkt in RB 70

Schwangerschaft und HIV/AIDS

Müttern helfen, gesunde Kinder zu gebären

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Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006 9

I N K Ü R Z E

PROVINZPARLAMENTE

Das Parlament hat im November einstim-mig einer Gesetzesvorlage zur Einführung von direkt gewählten Provinzparlamen-ten zugestimmt. Die Vorlage war Teil eines Pakets von Verfassungsänderungen. Die Verfassung legt fest, dass die Wahlen zu den Provinzparlamenten vor Februar 2008 stattfinden müssen. Bislang ist je-doch noch unklar, wie die Wahlen, die ca. 26 Millionen USD kosten würden, finanziert werden sollen. Bislang hän-gen alle Wahlen im Land stark von der Unterstützung internationaler Geldgeber ab. Bislang hat sich jedoch kein Geber zur Unterstützung der Provinzwahlen bereit gefunden. Da für das Jahr 2008 Gemeindewahlen und für das Jahr 2009 Präsidentschafts- und nationale Parla-mentswahlen angesetzt sind, wäre es na-heliegend, die Provinzwahlen zusammen mit anderen Wahlen durchzuführen, um Mittel zu sparen. Die Provinzparlamente haben keine groß-en Entscheidungsbefugnisse. Ihre Rolle ist die Billigung des Programms der Pro-vinzregierung und die Überwachung der Umsetzung und der Mittelverwendung. Die Gouverneure und die Mitglieder der Provinz- und Distriktregierung werden weiterhin von der Zentralregierung ein-gesetzt. Trotz ihrer geringen Machtbe-fugnisse werden die Provinzparlamente als ein wichtiger Schritt im Rahmen der Dezentralisierung angesehen.

9. FRELIMO-KONGRESS

Der 9. Parteikongress der FRELIMO im November in Quelimane brachte we-nig Veränderungen. Präsident Guebuza konsolidierte seine Führerschaft. Auch Ex-Präsident Chissano bleibt eine starke Kraft innerhalb der Partei. Im Gegensatz zu früheren Parteitagen waren in Queli-mane Pressevertreter während des gesam-ten Kongresses zugelassen. Einzelheiten zum Kongress und den Wahlergebnissen für die Parteiorgane: www.open.ac.uk/technology/mozambique/p3.shtml

MISSBRAUCH DER DISTRIKTFONDS

Mosambiks Minister für staatliche Ver-waltung, Lucas Chomera, hat einige Distriktverwaltungen wegen des Miss-brauchs von Mitteln aus den Distriktsent-wicklungsfonds angegriffen, die in diesem Jahr erstmalig ausgezahlt wurden. Jedem Distrikt waren 280.000 USD zugeteilt worden, um prioritäre Investitionen für das Wohl der Bevölkerung zu tätigen. In einigen Distrikten seien die Mittel nicht für Projekte verwendet worden, die der Bevölkerung zu gute gekommen wären. Anstatt lokale Straßen instand zu setzen, neue Brunnen zu bauen oder die land-wirtschaftliche Produktion weiter zu entwickeln, hätten einige Distrikte die Gelder verwendet, um ihr eigenes Leben zu erleichtern und Verwaltungsgebäude instand gesetzt und ihre Büros besser eingerichtet.

RENAMO DROHT MIT KLAGE

Die RENAMO droht damit, den mo-sambikanischen Staat zu verklagen. 20 RENAMO-Mitglieder waren nach den Unruhen in Mocimboa da Praia im Sep-tember 2005 festgenommen worden und ohne offizielle Anklage und Prozess über ein Jahr lang in Haft geblieben. Erst im Oktober dieses Jahres wurden sie ent-lassen, unter der Auflage, sich alle zwei Wochen bei den Behörden in Mocimboa zu melden. Die RENAMO fordert Ent-schädigungszahlungen für die Zeit der illegalen Haft. Nach mosambikanischem Recht dürfen Verdächtige nicht länger als ein halbes Jahr ohne Anklageerhebung festgehalten werden. Auch sei bis heute nicht klar, wessen die Festgenommenen angeklagt seien und ob es noch zu einem Prozess kommen wird.

PRESSEFREIHEIT

Mosambiks Presse ist heute freier als die Presse in den USA. Dies geht aus dem jährlichen Pressefreiheitsindex von „Journalisten ohne Grenzen“ hervor. In dem Index nimmt Mosambik den 45.

Platz ein, während die USA erst an 53. Stelle aufgelistet werden. In den USA hat die Pressefreiheit seit 2002 stetig ab-genommen, Mosambik konnte sich seit einigen Jahren stetig verbessern und hat heute eines der liberalsten Pressegesetze in Afrika. Seit November werden Ände-rungen des Gesetzes diskutiert, die die Pressefreiheit in Mosambik einschränken könnten. So schlägt die Regierung vor, eine Lizenz für Journalisten einzuführen, damit diese ihrer Tätigkeit nachgehen dürfen. Internationale Presseorganisa-tionen sind gegen die Einführung einer solchen Zwangslizenz und nur wenige Länder schreiben Lizenzen vor. Eine Mehrzahl der mosambikanischen Jour-nalisten scheint jedoch ein Lizenzsystem zu favorisieren. Pressefreiheitsindex und Bericht: www.rsf.org/rubrique.php3?id_rubrique=639

SELBSTJUSTIZ NIMMT ZU

In einigen Stadtvierteln Maputos nehmen die Bürger das Gesetz zunehmend in die eigene Hand. Lynchjustiz nimmt zu und hat seit August dieses Jahres schon über 20 Opfer gefordert. In Zimpeto gaben die Bürger an, die Polizei würde nichts gegen Kriminelle unternehmen. Von den Bürgern der Polizei übergebene Krimi-nelle, seien sofort wieder auf freien Fuß gesetzt worden und hätten diejenigen verprügelt oder getötet, die sie der Polizei ausgeliefert hatten. Häufig würden Kri-minelle und Polizei zusammenarbeiten, Polizisten würden Waffen für Überfälle verleihen. Die Bürger Zimpetos drohten, so lange mit der Lynchjustiz fortzufahren, bis funktionierende Polizeistationen ein-gerichtet und eine Bürgerpolizei etabliert worden sei.

KRIMINALITÄT

Innenminister Pacheco präsentierte dem Parlament eine positive Statistik zur Ent-wicklung der Kriminalität. In den letzten Jahren sei die Anzahl der Verbrechen zu-rückgegangen. Einzelne Vorkommnisse würden dieses Bild verzerren, allgemein sei die Sicherheitssituation stabil. Oppo-sition und die Liga der Menschenrechte

10 Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006

I N K Ü R Z E

äußerten Zweifel an der offiziellen Dar-stellung und beschuldigten die Regie-rung, sie habe die Kontrolle über die Sicherheitslage verloren. Im Oktober erregte ein Einbruch in das Haus von Ex-Präsident Chissano, das in einem der am stärksten bewachten Viertel Maputos liegt, Aufsehen.

MÄNGEL IN DER JUSTIZ

Trotz Verbesserungen im Justizwesen seit Ende der Einparteienherrschaft 1994, ist die Unabhängigkeit der Gerichte nicht gesichert, stellt eine Studie von AfriMAP fest. Der Bericht listet Beispiele auf, in denen Staatsangestellte direkt oder in-direkt Einfluss auf die Rechtssprechung ausübten. Gerichte leiden an Personal-mangel, sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht, die Gehälter sind niedrig und die Ausstattung ist schlecht. Viele Gesetze, häufig sogar die Verfas-sung, liegen den Distriktgerichten gar nicht vor. Der Bericht „Mozambique: Justice Sector and the Rule of Law“ ist im Internet abzurufen unter: www.afrimap.org/report.php

UNMENSCHLICHE HAFTBEDINGUNGEN

In mosambikanischen Gefängnissen wer-den die Minimalbedingungen, die die Vereinten Nationen für die Behandlung von Gefangenen festlegt, nicht eingehal-ten. Ein Schlüsselproblem ist die Über-belegung der Haftanstalten. So besuchte die Mosambikanische Liga für Menschen-rechte ein Gefängnis, das für 800 Gefan-gene ausgelegt ist und fand dort über 2.500 Häftlinge vor.Unter diesen Umständen sind die Haft-bedingungen unmenschlich. Unzurei-chende Ernährung sowie fürchterliche hygienische Zustände sind an der Tages-ordnung. Oft gibt es keinen Zugang zu sauberem Wasser und es fehlt eine Grund-ausstattung an Betten und Decken.Insgesamt liegt der Anteil von Häftlingen an der Gesamtbevölkerung für afrika-nische Verhältnisse mit 50 Häftlingen auf 100.000 Einwohner sehr niedrig. Afrika-nischer Durchschnitt sind 112 Häftlinge auf 100.000 Einwohner.

ruption) bis Zehn (wenig Korruption) wird Mosambik mit 2,8 eingeordnet. Alle Länder mit einer Bewertung unter 3 gel-ten als zügellos korrupt, 71 Länder zählen zu dieser Kategorie. Der Index zeigt eine hohe Korrelation zwischen Korruption und Armut. Alle Länder mit niedrigen Einkommen wurden mit weniger als 5 bewertet. Generalstaatsanwalt Joaquim Madeira bezweifelte die Richtigkeit der Indexzahlen und wies darauf hin, dass die Regierung bereits wichtige Schritte zur Korruptionsbekämpfung unternom-men habe.

GEBERZUSAGEN TROTZ KORRUPTION

Die Geberländer haben Mosambik aber-mals massive Unterstützung für den Staatshaushalt zugesagt, obwohl der fehlende Fortschritt bei der Implementie-rung der Anti-Korruptionsstrategie Anlass zur Besorgnis gibt.Mosambik profitiert von einem der größ-ten koordinierten Hilfsprogramme auf dem afrikanischen Kontinent. 18 Geber, darunter die Weltbank, die afrikanische Entwicklungsbank und die EU, unterstüt-zen Mosambik über direkte Budgethilfen. Die Gesamtsumme der Hilfszahlungen, einschließlich der Beiträge von Japan und den USA, die ihre Hilfe nicht über direkte Budgethilfen dem Land zukommen las-sen, beträgt ca. 1,2 Milliarden USD, fast die Hälfte des gesamten Haushaltsvolu-mens.

CHINA VERDOPPELT AFRIKAHILFE

Chinas Präsident Hu Jintao gab auf dem Afro-Chinesischen Gipfeltreffen in Peking Anfang November bekannt, dass China seine Hilfen für Afrika in den nächsten drei Jahren verdoppeln werde. Zusätz-lich will China zwei Fonds mit jeweils 2-3 Milliarden USD auflegen. Ein Fonds soll den afrikanischen Ländern Kredite zu günstigen Konditionen gewähren, der zweite Fonds soll Kredite zum Kauf chinesischer Produkte zur Verfügung stellen. Weitere indirekte Hilfen für Afri-ka stellt ein 5-Milliarden-Dollar-Fonds

Die Überbelegung der Gefängnisse ist vor allem darauf zurückzuführen, dass viele Untersuchungsgefangene in den Haftanstalten festgehalten werden und es mehrere Jahre dauern kann, bis ihnen der Prozess gemacht wird.

PHANTOMBEAMTE

Im Oktober setzte das Innenministeri-um die Überprüfung seiner Beamtenlis-ten in den Provinzen Gaza, Inhambane und Sofala fort. Dieser Vorgang wird als effizientes Mittel angesehen, um so ge-nannte „Phantombeamte“ zu bekämpfen. In vielen Ministerien sind nicht existie-rende Beamte auf den Gehaltslisten eine beliebte Methode, um Staatsgelder zu veruntreuen. Die Beamtenzählung in Maputo im Februar dieses Jahres hatte 70 Phantombeamte in den Gehaltslisten der Provinz identifiziert.

FORDERUNG NACH TRANSPARENZ

Die Antikorruptionsorganisation CIP (Centro para Integridade Pública) hat in einem offenen Brief die Veröffentlichung des Untersuchungsberichtes der exter-nen Prüfung der Banco Austral gefordert. Nach der drohenden Pleite der Bank im Jahr 2001, musste die mosambikanische Regierung, die zu diesem Zeitpunkt 40% der Bankanteile hielt, die Bank rekapitali-sieren. Dies tat sie über Schatzbriefe und erhöhte so die internen Staatsschulden. CIP argumentiert, dass der mosambika-nische Steuerzahler ein Anrecht darauf habe zu erfahren, was innerhalb der Bank vorgefallen sei. Gleichzeitig forderte CIP die Staatsanwaltschaft auf, zu erklären was sie in dem Fall für Schritte plane.

HOHE KORRUPTION

Mosambik wird auch in diesem Jahr von Transparency International (TI) als Land eingestuft, in dem Korruption zügellos grassiert. Im Korruptionswahrnehmungs-index (CPI) nimmt Mosambik den 99. Rang von 163 ausgewerteten Ländern ein. Auf einer Skala von Null (hohe Kor-

Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006 11

für chinesische Unternehmer dar, die in Afrika investieren wollen. Weitere Zusa-gen machte Hu Jintao in den Bereichen Entschuldung, Steuerbefreiung für afrika-nische Produkte und Unterstützung des Bildungswesens und der Landwirtschaft. Unter den 48 teilnehmenden afrika-nischen Staatsoberhäuptern befand sich auch Präsident Guebuza, der China als langjährigen verlässlichen Partner bei der Entwicklung Mosambiks bezeichnete.

CAHORA BASSA VERTRAG

Am 31. Oktober unterzeichneten Prä-sident Guebuza und der portugiesische Premierminister José Socrates den Ver-trag, der die Übergabe des Cahora Bassa Staudamms an Mosambik regelt. Mosam-bik wird zwei Drittel des Damms für 950 Millionen USD von Portugal kaufen und so seine Anteile am Damm von 18% auf 85% erhöhen. 250 Millionen USD der Kaufsumme sollen aus den Gewinnen des Damms finanziert werden, über die Fi-nanzierungsquelle der verbleibenden 700 Millionen USD will die mosambikanische Regierung Stillschweigen bewahren. Mit Unterzeichnung des Vertrages verliert der Staudamm seine Steuerbefreiung. Die Verzögerung der Vertragsunterzeich-nung ist darauf zurückzuführen, dass die Europäische Union den Verkauf als einen Schuldenerlass ansah, der das Defizit im portugiesischen Staatshaushalt vergrößert hätte. Portugal gab an, dass Cahora Bassa der portugiesischen Staatskasse 2 Milli-arden USD schulde, wollte seine Anteile dann aber für 950 Millionen USD ver-kaufen. Für die europäischen Statistiker ein Verlust von über 1 Milliarde USD für die portugiesische Staatskasse. Erst nach langwierigen Verhandlungen konnte Por-tugal erreichen, dass der Verkauf als Pri-vatisierung von Staatseigentum behandelt wird. Somit wird rechnerisch das Haus-haltsdefizit verringert.

MAJERMANE STREITIGKEITEN

Im September übergab die mosambi-kanische Regierung dem Forum der ehemaligen DDR-Vertragsarbeiter die

Regierungsanteile an dem Mikrokredit-unternehmen SOCREMO. Die Übergabe war Teil einer Einigung zur Entschädi-gung der Majermanes, auf die sich Re-gierung und Forum im Dezember 2005 verständigt hatten. Der Koordinator des Forums, Alberto Mahuai, wurde von Mitgliedern des Forums tätlich angegrif-fen. Seine Gegner beschuldigten ihn, er habe nicht das Mandat gehabt, für die Majermanes diese Transaktionen durch-zuführen. Das Forum unter Mahuai war sehr erfolgreich bei den Verhandlungen mit der Regierung. Es konnten Zusagen über Entschädigungen im Gesamtwert von 48 Millionen USD erreicht werden, das bedeutet 3.000 USD für jeden der über 16.000 beim Arbeitsministerium registrierten Vertragsarbeiter.

HDI-INDEX STEIGT AN

Der Index für menschliche Entwicklung (HDI: Human Development Index) ist in Mosambik seit 1985 stetig angestiegen. Trotz der Fortschritte ist Mosambik noch immer auf Rang 168 von 177 erfassten Ländern und gehört damit weiterhin zu den zehn ärmsten Ländern der Welt. Der HDI setzt sich aus den Variablen durch-schnittliche Lebenserwartung, Bildungs-niveau (zusammengesetzt aus der Alpha-betenrate der erwachsenen Bevölkerung und des Schulbesuchs der Grund- und weiterführenden Schulen) und Brutto-inlandsprodukt (GDP) zusammen. Alle Komponenten weisen Steigerungen auf. Der signifikanteste Zuwachs war beim GDP zu verzeichnen. Das Brutto-inlandsprodukt stieg zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2004 von 996,3 auf 1.640,6 USD an.

GDI-WEBSEITE

Das „Governance and Develop-ment Institute“ (GDI) ist jetzt online: www.gdi.org.mzDie Nichtregierungsorganisation wurde gegründet von Benjamin Pequinino, der in diesem Jahr als Referent zum Thema Zivilgesellschaft in Mosambik am Semi-nar des KKM teilnahm. Sein Seminarbei-trag kann auf Portugiesisch auf der GDI-Webseite abgerufen werden.

MAILZEITUNG

Seit Februar dieses Jahres gibt es in Mo-sambik die Mail- und Internetzeitung Ca-nal de Moçambique. Eine Gruppe junger Journalisten um den Redakteur Fernan-do Veloso (früher bei der Wochenzeitung Zambezi) stellt fünf mal wöchentlich ak-tuelle Nachrichten und Meinungsartikel zusammen.www.canalmoz.com

GUMUNDAI-PLATZ IN DRESDEN

Dresden hat einen Platz nach Jorge Gumundai benannt, einem mosambi-kanischen Vertragsarbeiter, der 1991 von Skinheads getötet wurde. Es ist das erste Mal, dass in Deutschland eine Stra-ße oder ein Platz nach dem Opfer eines rassistischen Angriffs benannt wird. Der 28-jährige Gumundai war nach einem Diskothekenbesuch mit seiner deutschen Ehefrau auf dem Weg nach hause von ei-ner Gruppe Skinheads angegriffen und aus der Bahn geworfen worden. Die Zahl der gewalttätigen Angriffe durch Neona-zis ist kontinuierlich gestiegen, im Jahr 2005 wurden 959 Angriffe verzeichnet.

WFP HALBIERT RATIONEN

Das Welternährungsprogramm (WFP) in Mosambik sieht sich gezwungen, die Nah-rungsmittelrationen für 292.000 bedürf-tige Menschen zu halbieren. Der Grund dafür ist ein Rückgang der Finanzmittel um mehr als 70%. Da die Ernten im Jahr 2006 erheblich höher ausfielen als in den vergangenen Jahren, gehen die Geberor-ganisationen von einer Verbesserung der Ernährungssituation aus. Das WFP erklärt hingegen, es benötige 10 Millionen USD, um 460.000 Bedürftige bis zur Ernte im März 2007 mit Nahrungsmittelhilfen zu unterstützen.

12 Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006

S C H W E R P U N K T

Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit

Das Ziel 7 der Millenniumsent-wicklungsziele (MDGs) um-fasst unterschiedliche umwelt-

bezogene VorgabenIm Verhältnis zu den Armuts-, Bil-

dungs- und Gesundheitszielen nehmen die ökologischen Ziele in der öffentlichen Wahrnehmung eine eher untergeordnete Rolle ein. Dies mag daran liegen, dass den anderen Zielen hinsichtlich der Armuts-bekämpfung eine höhere Priorität beige-messen wird; auch die vage gehaltenen Zielvorgaben schwächen das Ziel ab. Im Zusammenhang mit der Debatte um die Auswirkungen des Klimawandels, wird die Verbindung zwischen Ökologie und Entwicklung mittlerweile stärker betont. Einige Entwicklungsorganisationen setzen sich sogar dafür ein, dass die Reduktion der CO2-Emission und die Verhinderung des Klimawandels als Ziel 9 in die MDGs aufgenommen werden sollte.

Sven Harmeling erläutert in seinem Beitrag, welche Auswirkungen des Kli-mawandels für das Südliche Afrika zu

befürchten sind und welche Anpassungs-strategien vorzunehmen wären.

Der Anteil der Flächen mit Waldbe-deckung ist ein MDG-Indikator zur Fort-schrittsüberwachung. Waldvernichtung durch illegale Holzkohleproduktion und Holzeinschlag hat in Mosambik stark zu-genommen. Christian Fedlmeier berich-tet von Erfahrungen mit partizipativen Methoden der Waldbewirtschaftung, die die Nachhaltigkeit der Ressourcennut-zung verbessern können. Die Bedeutung der Natur als ökologisches Reservoir und ihr Potenzial, durch angepassten Touris-mus Beiträge zur Bekämpfung der Armut zu leisten, zeigt Reinhold Haas in seinem Beitrag über die Chimanimani-Berge. Der Artikel von Stefan Derschum zur Nutzung von Bambus als Baustoff macht deutlich, dass Alternativen zur Holznutzung ent-wickelt werden können. Uli Spriesslers Beitrag zur Nutzung von Erneuerbaren Energien spricht die Notwendigkeit von Alternativen zu Holz und Kohle als En-ergieträger an.

Ohne Zugang zu sauberem Trink-wasser und zu sanitärer Basisversorgung sind Erfolge im Bereich Gesundheit nur schwer zu erzielen. Die Entwicklung im Wassersektor gibt wenig Anlass zu Optimismus wie der Beitrag von Andrea Queiroz de Souza zur Stagnation im Wassersektor zeigt. Die Qualität der Le-bensbedingungen in den Städten und vor allem in den armen Wohnvierteln, wird entscheidend von der Qualität der Abfal-lentsorgung bestimmt. Gereon Hunger analysiert den Müllnotstand in Maputo und berichtet von Initiativen zur Einfüh-rung einer nachhaltigen Abfallwirtschaft. Erfolge bei der Müllentsorgung und beim Umweltschutz erfordern, dass die lokale Bevölkerung mitmacht und eigene Initi-ativen ergreift. Silvana Recke berichtet über Besuche bei Umweltinitiativen in und um Maputo und betont, wie wichtig es ist, ein größeres Umweltbewusstsein durch Bildungsarbeit zu fördern.

Nationalparks und andere Schutzge-biete nehmen fast 16% der Fläche Mo-sambiks ein. Monika Orlowski vermittelt einen Eindruck über die ökologische Vielfalt dieser Gebiete und plädiert dafür, die lokale Bevölkerung frühzeitig einzu-beziehen, wenn die Regionen touristisch erschlossen werden. Dass der Schutz von Ökosystemen durch die problematisch sein kann, zeigen die Erfahrungen mit der Ausweitung des Krüger-Nationalparks nach Mosambik. Inge Hoffmann-Vaz be-richtet über die Erwartungen und Ängste der dort lebenden Bevölkerung und stellt Initiativen von Nichtregierungsorganisati-on vor, die deren Interessen vertreten.

Die Probleme, die die seit einigen Jahren zunehmende Ausbeutung der Bodenschätze mit sich bringt, beschreibt Claudia-Maria Kukla in ihrem Artikel über Goldsucher in Manica.

Einleitung Schwerpunkt

Sicherung der ökologischen NachhaltigkeitVon Richard Brand

Ziel 7: Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit

Unterziel 9

Die Grundsätze der nachhaltigen Entwicklung in die Politik und Programme jedes einzelnen Staates einbeziehen und den Verlust von Umweltressourcen umkehren

Unterziel 10

Bis 2015 den Anteil der Menschen um die Hälfte senken, die keinen nachhaltigen Zugang zu sauberem Trinkwasser und zu sanitärer Basisversorgung haben

Indikatoren: Anteil der Bevölkerung mit gesichertem Zugang zu sauberem Trink-wasser (2001: 37,1%, 2003: 35,7%, Ziel: 70%)

Anteil der Bevölkerung mit Zugang zu sanitärer Basisversorgung (2001: 41,1%, 2003: 44,8%, Ziel: 60%)

Unterziel 11

Bis 2020 eine erhebliche Verbesserung der Lebensbedingungen von mindestens 100 Millionen Slumbewohnern herbeiführen

Quelle: MDG-Fortschrittsbericht Mosambik 2005

Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006 13

Anpassungsstrategien imSüdlichen Afrika

Klimawandel und die Millenniumsziele

Anpassungsstrategien imSüdlichen AfrikaDie direkten und indirekten Auswirkungen des Temperaturanstiegs machen vielen afrika-nischen Regionen, die heute schon zu den heißesten und trockensten weltweit gehören, zusätzlich zu schaffen. Die wird sich auch negativ auf die Erreichung der Millenniumsent-wicklungsziele (MDGs) auswirken. Die notwendigen Anpassungen an klimabedingte Ver-änderungen überfordern in vielen Fällen die afrikanischen Gesellschaften. Armut, Unter-ernährung oder Wassermangel machen die Menschen verletzlicher gegenüber den Folgen des Klimawandels. Dies trifft vor allem die ärmsten Bevölkerungsgruppen. Der Autor gibt einen Überblick über klimabedingte Veränderungen im Südlichen Afrika und stellt Ansätze und Strategien der Anpassung vor.

Von Sven Harmeling

Der Klimawandel ist in Afrika be-reits spürbar. Die Durchschnitt-stemperatur ist heute um 0,5°

C höher als vor 100 Jahren. Die sechs wärmsten Jahre in Afrika waren nach 1987. Vor allem im Inneren des Konti-nents sind die Temperaturen teilweise deutlich stärker gestiegen, so in einigen Regionen Kenias um 3,5° C in den letz-ten 20 Jahren. Die große Sahel-Dürre in den 70er Jahren wird von Seiten der Wis-senschaft zunehmend dem Klimawandel zugeschrieben. Es wird vermutet, dass die deutliche Erwärmung des Indischen Ozeans die Niederschlagsverhältnisse in der Sahelzone drastisch beeinflusst hat.

„Der Klimawandel droht die Bemü-hungen zur Armutsbekämpfung zu ver-eiteln und macht die Aussicht, die Mill-enniumsentwicklungsziele tatsächlich zu erreichen, ungewisser.“ Mit diesen Worten wies der kenianische Präsident Kibaki bei seiner Rede auf der 12. UN-Klimakonferenz in Nairobi im November 2006 auf die globalen Auswirkungen des Klimawandels hin. Die Anstrengungen der afrikanischen Länder, die MDGs zu erreichen, werden zusätzlich durch die zunehmend drastischeren Konsequenzen des Klimawandels erschwert.

Auswirkungen des Klimawandels im Südlichen AfrikaInsbesondere für das Südliche Afrika wird eine Verschärfung der Wasserknappheit durch klimatische Veränderungen er-wartet. In den letzten 30 Jahren ist nach Angaben des European Climate Forum (ECF) bereits die Zahl der Menschen, die unter Dürren zu leiden haben, von na-he Null auf 35 Millionen gestiegen. Die

Landfläche mit Wasserknappheit könnte durch Niederschlagsrückgänge bis zum Jahr 2050 um ca. 30% anwachsen. Da-von könnten vor allem Mosambik, Tan-sania und Südafrika betroffen sein.

Extreme Wetterereignisse wie Dür-ren, Überschwemmungen und Stürme werden höchstwahrscheinlich inten-siver werden. Dies ist umso tragischer für ein Land wie Mosambik, das in der

Zunahme extremer Wetterereignisse

14 Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006

S C H W E R P U N K T

gegenüber dem Klimawandel und die Wiederherstellung von Waldgebieten in bestimmten Regionen, um die Über-schwemmungsgefahr zu verringern. Für die ersten drei Jahre der Umsetzung der wichtigsten Maßnahmen in diesen fünf Bereichen veranschlagt Malawis NAPA einen Finanzbedarf von ca. 22 Millionen US-Dollar. Finanziert werden könnten die Maßnahmen z.B. durch den Least Developed Countries Fund (LDCF), der im Rahmen der UN-Klimaverhandlungen für diese Zwecke eingerichtet wurde. Er speist sich bisher aus freiwilligen Beiträ-gen der Industrieländer und umfasst der-zeit etwa 30 Millionen US-Dollar. Die Tat-sache, dass Malawi die Mittel schon fast alleine aufbrauchen würde, zeigt, dass der Fonds bei weitem nicht ausreicht, um die dringlichsten Anpassungsmaß-nahmen aller LDCs zu finanzieren. Die Industrieländer als die Hauptverursacher des Klimawandels sind deutlich mehr gefordert, wenn sie ihrer Verantwortung gerecht werden wollen. Ohne finanziel-le Unterstützung werden sich Länder wie Malawi oder Mosambik wohl kaum rechtzeitig und angemessen an die Folgen des Klimawandels anpassen können.

Sven Harmeling arbeitet als Referent für Klima und Entwicklung zur entwicklungs-politischen Dimension des Klimawandels bei GERMANWATCH. Stellungnahmen, Studien und Unterrichtsmaterialien zum Klimawandel finden sich auf der Website www.germanwatch.org.

Vergangenheit schon von extremen Wetterereignissen heimgesucht wurde. Schwere Dürren gab es in den Jahren 1974, 1983, 1984 und 1992. Die Über-schwemmungen in den Jahren 2000 und 2001 haben offenbart, welche ent-wicklungspolitischen Konsequenzen ex-treme Wetterereignisse haben können. Im Jahr 2001 kamen ca. 700 Menschen ums Leben. Schätzungen der Münchner Rück gehen von Schäden von etwa 500 Millionen Dollar aus, die nur zu einem geringen Teil versichert waren. Es kam zu einer zeiweisen Zerstörung landwirt-schaftlicher Nutzfläche. Zudem ist nach-gewiesen, dass Überschwemmungen zu einem deutlichen Anstieg von Cholera-Fällen führen können.

Klimawandel erfordert angepasste Entwicklung Anpassung an den Klimawandel ist eine Voraussetzung für entwicklungspolitische Fortschritte. Es geht um weit mehr als die Finanzierung zusätzlicher Anpassungs-projekte. Experten sehen vielmehr die Notwendigkeit, eine an den Klimawan-del angepasste Entwicklung zu fördern, im Englischen auch als „adaptive develop-ment“ bezeichnet. Beispiele finden sich auf der Website des UN-Klimasekretari-ats. Erfahrungen aus Mosambik zeigen, dass sich Menschen durch kreative und innovative Ideen an klimatische Verände-rungen zumindest bis zu einem gewissen Grad anpassen können. Ein Beispiel aus der Provinz Gaza ist, dass sich die Män-ner und Frauen im Dorf vermehrt durch nicht-monetäre Dienstleistungen aushel-fen, z.B. ihre Arbeitskraft. Dies ersetzt zum Teil die vorher üblicheren Bezah-lungen durch Bargeld. Die Konsequenzen von Wetterextremen (z.B. Ernteverluste) haben gleichzeitig die Verfügbarkeit von Bargeld verringert und den Bedarf an Ar-beitskraft erhöht. Doch es ist absehbar, dass der Klimawandel Konsequenzen in einem Ausmaß haben wird, die die eige-ne Anpassungsfähigkeit der Menschen übersteigt.

Eine wichtige Rolle im Kontext ex-tremer Wetterereignisse spielt die Katas-trophenvorsorge. Das Internationale Rote Kreuz verfügt seit wenigen Jahren über ein Zentrum zum Klimawandel in den Niederlanden, dass die Rot-Kreuz-Organi-

sationen in den einzelnen Ländern zielge-richtet bei dem Umgang mit dem Klima-wandel und extremen Wetterereignissen unterstützt. In Mosambik ist das Rote Kreuz seit 2001 mit diesem Programm aktiv. In den Provinzen Inhambane und Zambézia wurden Pilotprojekte für Ka-tastrophenvorsorgeprogramme gestartet, die auf Ebene der Kommunen ansetzen („Community based disaster prepared-ness“). Interessanterweise bauen diese Projekte vor allem auf einen Süd-Süd-Wis-senstransfers, denn es werden Konzepte angewendet, die auf den Philippinen und in Lateinamerika entwickelt und er-probt worden sind (Details unter www.climatecentre.org). Mittlerweile ist ein drittes Pilotprojekt in der Provinz Gaza gestartet worden. Britische Entwicklungs-organisationen weisen in ihrem Bericht „Africa – up in smoke?“ darauf hin, dass ein Dollar, der in Katastrophenvorsorge investiert wird, sieben Dollar der Bewäl-tigungskosten einer Katastrophe sparen kann. Die Regierung Mosambiks widmet dem Thema Vorsorge gegenüber Wetter-katastrophen mittlerweile eine größere Aufmerksamkeit, z.B. in nationalen Pla-nungsstrategien.

Neben Einzelprojekten ist für die Ent-wicklung eines Landes auch eine Gesamt-strategie notwendig. Im klimapolitischen Prozess auf UN-Ebene werden Least De-veloped Countries (LDCs) finanziell dabei unterstützt, so genannte „Nationale Akti-onsprogramme der Anpassung (NAPAs)“ zu erarbeiten. Die NAPAs sollen sich auf die dringlichsten und unmittelbarsten Anpassungsbedürfnisse fokussieren, bei denen eine weitere Verzögerung die Ver-letzlichkeit eines Landes erhöhen oder zu später höheren Anpassungskosten führen würde. Aus dem Südlichen Afrika liegt aus Malawi mittlerweile ein solches Programm vor. Ein NAPA für Mosambik wird derzeit erarbeitet. Der endgültige Entwurf, der für Dezember erwartet wird, soll dann in einem nationalen Workshop abschließend diskutiert und voraussichtlich im Februar 2007 veröf-fentlicht werden.

Ausgehend von vielfältigen klima-bedingten Gefahren wurden in Malawi fünf prioritäre Aktivitäten herausgear-beitet, u.a. die Verbesserung der Wider-standsfähigkeit der Dorfgemeinschaften

Weiterführende HinweiseECF/PIK 2004: What is dangerous climate change? http://www.european-climate-forum.net/pdf/ECF_beijing_results.pdf

Anpassung an den Klimawandel: Daten-bank des UN-Klimasekretariats unter http://maindb.unfccc.int/public/adaptation/

Africa – up in smoke? 2. Bericht der Arbeits-gruppe Entwicklung und Klimawandel (2005) http://www.oxfam.org.uk/what_we_do/is-sues/climate_change/africa_up_in_smoke.htm

Pilotprojekte für Katastrophenvorsorgepro-gramme in Mosambik: http://www.climate-centre.org/downloads/File/dealing%20with%20climate%20change%20in%20mozambique%20july%202006.pdf

Nationale Aktionsprogramme der Anpas-sung (NAPAs): http://unfccc.int/adaptation/napas/items/2679.php

Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006 15

Bewirtschaftungspläne vorlegen, deren Einhaltung jedes Jahr von der Forstver-waltung überprüft wird. Bei Nichtein-haltung kann es wieder zum Entzug der Nutzungsrechte kommen. Bei dieser auch als Co-Management bezeichneten Bewirtschaftungsform zeigt sich immer deutlicher, dass sich die Gemeinden mit ihren umliegenden Wäldern identifizie-ren und tatsächlich Verantwortung für deren Erhalt übernehmen. Dies drückt sich beispielsweise darin aus, dass die Gemeinden ohne Bezahlung ein Patrouil-lensystem organisiert haben, um „ihre“ Wälder, insgesamt 175.000 Hektar, vor illegaler Nutzung von außerhalb zu schüt-zen. Werden illegale Holzfäller ertappt, so übergibt man sie an die Forstverwaltung. Die bereits illegal gefällten Bäume dürfen von der Gemeinde beispielsweise für ei-nen Schulbau genutzt werden. Die von

Combomune, eine Gemeinde in der Provinz Gaza, sechs Autostunden nordwestlich von der Hauptstadt

Maputo, liegt inmitten der trockensten Region von Mosambik. In manchen Jah-ren, wie zwischen 2001 und 2005 regne-te es fast gar nicht. Nur im regenreichen Jahr 2006 reichte es auf den sandigen Böden wieder zu einer mageren Mais- oder Gemüseernte. Sicher ist, dass diese Ernte selbst in guten Jahren nicht zum Überleben reicht. Wie aber überleben die Menschen in dieser Gegend? Sind die Wasserlöcher ausgetrocknet – was der Normalfall ist – so muss das Wasser vom 20 Kilometer entfernten Rio Limpopo zu Fuß oder auf dem Ochsenkarren herange-schafft werden. Gibt es keine Ernte – was ebenfalls der Normalfall ist – so muss man sich zwangsweise an den umliegenden natürlichen Ressourcen bedienen. Leider hat auch hier die Natur keinen üppigen regenerativen Wald anzubieten, sondern einen ökologisch fragilen Trockenwald (Mopane). Das Stammholz aus diesen Wäldern ist sehr hart und überwiegend krumm und eignet sich daher besonders für die Holzkohleproduktion. Combo-mune liegt direkt neben der Straße und Eisenbahnlinie, die von Zimbabwe nach Maputo führt und kann daher die Holz-kohle gut vermarkten. Nur mit Hilfe die-ser zusätzlichen Einnahmequelle sind die Dörfer aus der Gemeinde Combomune in der Lage zu überleben. Die Waldressour-cen zur Holzkohleproduktion werden in Mosambik überwiegend als frei verfüg-bar betrachtet. Der Staat als Eigentümer hat nur sehr beschränkte Möglichkeiten diesen Raubbau an der Natur zu verhin-dern. Die Gemeinden betrachten den

Staatswald nicht als ihren Wald, obwohl sie selbst in und von ihm leben. Dement-sprechend übernehmen sie auch keine Verantwortung für diesen Wald – im Gegenteil – es gilt das Motto: Wenn ich diesen Baum nicht heute fälle, dann fällt ihn morgen vielleicht mein Nachbar.

Verantwortung übernehmen – Nutzungsrechte erhaltenSeit einigen Jahren geht die mosambika-nische Forstverwaltung in Zusammen-arbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und dem Deutschen Entwicklungs-dienst (DED) einen neuen Weg, um die Gemeinden verantwortungsvoll in die Waldbewirtschaftung einzubeziehen. Auf der einen Seite erhalten die Gemein-den Nutzungsrechte für ihre Wälder, auf der anderen Seite müssen sie detaillierte

Erfahrungsbericht eines Forstprojektes der GTZ

Wälder nutzen und erhalten?Wälder nutzen und erhalten?

Von Dr. Christian Fedlmeier

Die Waldvernichtung durch illegale Holzkohleproduktion und illegalen Holzeinschlag scheint in Mosambik ein nicht aufzuhaltender Prozess. Partizipative Methoden, die die Ver-antwortung und Nutzungsrechte auf die Waldanrainer übertragen, zeigen erste Erfolge bei der Walderhaltung.

Nutzung gemeinsam planenFo

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16 Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006

S C H W E R P U N K T

den Holzfällern zu bezahlenden Strafen fließen seit 2006 auch zu einem Teil wie-der in die Gemeindekasse. Durch diesen Anreiz wurde verhindert, dass sich die Straftäter mit billigen Schmiergeldern bei den Gemeinden freikaufen. Hinzu kom-men 20 Prozent aus den staatlichen Ein-nahmen für private Nutzungslizenzen. Im August 2006 wurden von der Forst-verwaltung insgesamt 20,9 Mill. Meticais (ca. 800 US$) in die Gemeindekasse von Combomune einbezahlt. Das ist für die-se kleine Gemeinde sehr viel Geld und wirkte daher als zusätzliche Motivation, um den gemeinsamen Weg in Form eines Co-Managements mit der Forstverwal-tung fortzusetzen.

Was hat es der Gemeinde gebracht?Die Gemeinde ist zusammen gewachsen, sie bewirtschaftet jetzt gemeinsam die Naturressourcen im Gegensatz zu der Si-tuation vor acht Jahren, als sich die Fami-lien gegenseitig die Waldflächen streitig machten und sie dadurch völlig degene-rierten. Diese gefestigte Gemeinde hat es darüber hinaus geschafft, die Holzkohle gemeinsam zu vermarkten, wodurch sich die Einnahmen deutlich verbessert haben. Bei den nun anfallenden Mengen kann ein Zugwaggon oder ein Lastwagen gefüllt werden, wodurch die Transport-kosten sinken. Außerdem hat die Ge-meinde ein Abgabesystem eingeführt,

das 20 Prozent der Einnahmen aus der Holzkohleproduktion in eine Gemeinde-kasse fließen lässt. Ein von der Gemeinde gewähltes Komitee entscheidet dann über die Verwendung dieser Mittel. Seit dem fünfjährigen Bestehen dieser Gemein-dekasse wurden hieraus drei einfache Schulgebäude, zwei Krankenstationen und zwei Ochsenkarren mit jeweils zwei Ochsen finanziert.

Für das langfristige Überleben der Ge-meinde ist es von immenser Bedeutung, dass die Waldzerstörung zum Stillstand kam und die nächsten Generationen die gleichen Ausgangsbedingungen für die Ressourcennutzung vorfinden wie die jetzige.

Energiesparende Techniken Um die Holzkohleproduktion effizienter zu gestalten, wurde der Dorfbevölkerung ein neues Verfahren vorgestellt, bei dem man aus der gleichen Holzmenge ca. 25 Prozent mehr Holzkohle als bei dem her-kömmlichen Verfahren produzieren kann. Momentan wird dieses neue Verfahren noch von der Dorfbevölkerung mit den traditionellen Meilern verglichen. Nach der Bewährungsprobe wird das Gemein-dekomitee über die Einführung des neu-en Verfahrens entscheiden. Da die Pro-duktionsmenge der Holzkohle durch den Bewirtschaftungsplan limitiert ist, hätte man durch dieses verbesserte Verfahren

25 Prozent weniger Holzverbrauch. Di-es würde die Holzfäller entlasten, die 25 Prozent weniger Bäume fällen müssten. Bei den Haushalten konnte man bereits den Brennholzbedarf zum Kochen durch verbesserte Öfen deutlich reduzieren. Dies hatte wiederum zur Folge, dass die Frauen, die für das Brennholz Sammeln zuständig sind, entlastet wurden.

Combomune ein Einzelfall?Ganz und gar nicht! Das Projekt in Com-bomune existiert seit 1998. Zur gleichen Zeit wurde im Forstdepartment eine ei-gene Koordinierungsstelle für derartige Vorhaben eingerichtet (Unidade de Apoio ao Maneio Comunitário). Zwischenzeit-lich gibt es in ganz Mosambik 68 solcher Initiativen, die sich mit der Bewirtschaf-tung natürlicher Ressourcen beschäftigen. Jedes Jahr kommen jetzt ca. 10 neue In-itiativen hinzu. Bei diesem anhaltenden Trend, der von staatlicher Seite unter-stützt wird, besteht doch noch Hoffnung für den Erhalt der Flora und Fauna in weiten Teilen Mosambiks.

Dr. Christian Fedlmeier ist Förster mit Spezialisierung in tropischer Forstwissen-schaft. Seit 2000 arbeitet er in einem re-gionalen GTZ – SADC (Southern African Development Community) Vorhaben mit Schwerpunkt „Gemeindewaldbewirt-schaftung“.

Holzkohleproduktion als wichtigste Einnahmequelle

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Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006 17

Angepasster Tourismus

keinerlei Versorgungsmöglichkeiten und die notwendige Ausrüstung und Verpfle-gung müssen mitgebracht werden. Diese Rahmenbedingungen erscheinen vie-len als zu schwierig, um einen Besuch zu wagen. So bleibt die Gegend weiter ein unentdecktes Kleinod, zur Freude einiger Besucher, die die Unberührtheit schätzen. Die Anwohner, die Einnahmen aus dem Tourismus brauchen, würden jedoch gern mehr Gäste in der Gegend begrüßen können.

Reinhold Haas ist Zahnarzt und begeis-terter Wanderer im Südlichen Afrika. Er hat Chimanimani mehrmals besucht und eine Internetseite mit vielen Fotos und Tipps für Interessierte eingerichtet: www.africa-tour.de

„Etwas so schönes habe ich noch nie gesehen“, „landschaftlich einzigartig“, „absolut fantas-

tisch“. Die wenigen Touristen, die die Chimanimani Berge in der Provinz Mani-ca im Westen Mosambiks besucht haben, sprechen von diesem Erlebnis in Superla-tiven. Besucher erwarten dichte Regen-bergwälder, grasbedeckte Hochebenen, schroffe Bergformationen, rauschende Flüsse und Wasserfälle. Eine landschaft-lich abwechslungsreiche Szenerie, fast unberührt von menschlichen Eingriffen.

Artenreiches SchutzgebietDer Gebirgszug ist die südlichste Erschei-nung des afrikanischen Grabenbruches. Der höchste Berg Mosambiks, der 2.436 m hohe Monte Binga, befindet sich in dieser Region. Mit 45 endemischen Pflanzen ist die Vegetation ungewöhn-lich artenreich. Es wachsen Baum- und Palmfarne, Berghibiskus, Orchideen und Aloen. Auch die Vogelwelt ist vielfältig: Schreiseeadler, Uhus, Eulen, Bienen-fresser und Eisvögel und viele weitere Vogelarten leben in den Chimanimani-Bergen.

Auf der simbabwischen Seite werden die Chimanimani-Berge schon seit Jahr-zehnten als Nationalpark geschützt; in Mosambik sind die Berge erst seit einigen Jahren als Schutzgebiet ausgewiesen.

GemeindebeteiligungNeben der Schönheit der Natur gehören vor allem die Kontakte zur lokalen Bevöl-kerung zu den besonders eindrucksvollen Erlebnissen eines Chimanimani- Aufent-haltes.

Die mosambikanische Regierung möchte die Region touristisch entwickeln und hat mit Unterstützung ausländischer Geber die Erschließung initiiert. Dabei steht die Idee im Vordergrund, die an-sässigen Gemeinden in die touristischen Angebote einzubeziehen und ihnen da-durch neue Einkommensmöglichkeiten zu eröffnen, z.B. als Führer oder durch den Verkauf ihrer Produkte. Ein Teil der Einnahmen aus den Camps wird an die Gemeinden abgeführt.

Herausforderung InfrastrukturEin unterstützenswerter Projekt, doch kaum jemand kennt und besucht die ab-gelegene Bergregion. Dies liegt vor allem am Fehlen der touristischen Infrastruktur. Es gibt nur wenige ungefestigte Pisten, die in das Gebiet führen, Allradfahrzeuge sind selbst in der Trockenzeit unabding-bar und in der Regenzeit machen zahl-reiche Flüsse die Straßen unpassierbar. Ei-nige provisorische Camps mit einfachen Strohhütten und Campingmöglichkeiten sind eingerichtet worden, aber es gibt

Wandern im Schutzgebiet von Chimanimani

Angepasster TourismusWährend entlang der Küste die Tourismusindustrie schnell wächst, zieht das Berggebiet von Chimanimani kaum Besucher an, eine touristische Infrastruktur fehlt fast vollständig. Das Ausbleiben von Besuchern gefährdet ein Projekt, in dem sich für die ortsansässige Be-völkerung Einkommensmöglichkeiten aus dem Tourismus entwickeln sollen. Aber eine Tä-tigkeit als Führer oder Einnahmen aus dem Verkauf lokaler Produkte setzen zahlende Be-sucher voraus. Ein Plädoyer für den Besuch einer der schönsten Landschaften Mosambiks.

Von Reinhold Haas

Wandern mit kundigen Führern

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Der Autor bietet in den Sommerfe-rien 2007 eine nichtkommerzielle Wandertour in der Chimanimani-Region für eine kleine Reisegruppe an. Nähere Informationen bei [email protected] oder über den KKM.

18 Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006

S C H W E R P U N K T

Regeneraid

Haltbarkeit verbessernDas Grundproblem der kräftigen Halme, die nach zwei, drei Jahren erntereif sind, ist die Haltbarkeit. „Ohne eine Immuni-sierung gegen Pilze und insbesondere ge-gen Termiten hat Bambus als Baumaterial eine Lebenszeit von nur zwei Jahren“, weiß Mitstreiter Christian Gallei. Das technische Verfahren der Immunisierung war schon bekannt, so dass Detering das Gesamtprojekt als eine Art „Süd-Süd-Wis-senstransfer“ bezeichnet. Die Studenten wollen beweisen, dass eine Vision Realität werden kann.

Im Sommer 2004 ernten sie Bambus-halme in Sofala und immunisieren diese „Hoffnungsträger“, indem sie eine Salz-lösung hindurch pressen.

Beispiel MarkthalleIm Sommer 2006 ist es dann soweit: Die Studentengruppe fährt ein zweites Mal nach Mosambik und errichtet in Zusam-

menarbeit mit lokalen Handwerkern eine 400 qm große Markthalle.

Der Bau der Markthalle ist das erste konkrete Bambusprojekt in Mosambik und die mosambikanische Regierung in-teressiert sich für die Ergebnisse. Auch sie betrachtet Bambus als ein Potenzial im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwick-lung und auf Einkommensmöglichkeiten für die ländliche Bevölkerung. Aus diesem Grund ist Mosambik auch im Jahr 2004 dem Internationalen Netzwerk für Bam-bus und Rattan (INBAR) beigetreten.

Stefan Derschum ist Redakteur bei der Lippischen Landes-Zeitung und freier Autor. Der Artikel ist die aktualisierte Ver-sion eines Artikels, der im August 2006 in der Lippischen Landes-Zeitung und der taz erschien.

Weblink: www.regeneraid.de

Das Potenzial von Bambus als Baumaterial

RegeneraidBambus ist ein schnell wachsendes Baumaterial und kann eine gute und preiswerte Alternative zum Holz darstellen. Eine deutsche Studentengruppe baute in Gorongosa eine Markthalle aus Bambus, um die Möglichkeiten dieses Baustoffs im afrikanischen Kontext aufzuzeigen.

Markthalle aus Bambus in Gorongosa

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Von Stefan Derschum

Vor drei Jahren spürte Sven Dete-ring was Stillstand bedeutet. Der Architekturstudent aus Detmold

erinnert sich an seine Zeit als Hospitant in einem Bauvorhaben in der mosambika-nischen Stadt Beira. „Es war seltsam. Ich stand vor fertigen Bauten, denen aber das Dach fehlte, obwohl die Regenzeit kurz bevor stand. Nichts ging dort mehr, weil einfach das Bauholz fehlte.“ Holz, erklärt Detering, sei ein zunehmend teurer Bau-stoff, der in Mosambik oft aus 300 bis 400 Kilometern Entfernung herbeigeschafft werden müsse. „Die einzige Alternative ist Bambus, ein natürliches und schnell wachsendes Baumaterial insbesondere für ländliche Regionen, in denen Bambus auch wachsen kann. Bambus sei in Asien und Südamerika als kommerzieller Bau-stoff längst etabliert, nur in Afrika nicht.

Lokal etabliertLediglich die ländliche Bevölkerung in Afrika setzt Bambus bislang ohne weitere Behandlung beim Bau von einfachen Dä-chern und Flechtwänden oft mit beidsei-tigem Lehmverputz ein. Darüber hinaus werden mit den Halmen Zäune errichtet und aus dem gespalteten Material werden Körbe, Reusen und Möbel gefertigt. Eine Nutzung in größerem kommerziellen Maßstab erfolgt nicht.

Studenteninitiative für BambusSven Detering gründet eine Projektgrup-pe an der Universität, die Idee zum Verein „Regeneraid“ entsteht. Bambus soll als Baumaterial in Afrika propagiert werden, der Bau einer Markthalle aus Bambus in Gorongosa in der Provinz Sofala soll das Potenzial des Baustoffs verdeutlichen.

Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006 19

Entwicklung braucht Energie

Um das Ziel der Armutsbekämpfung bis 2015 zu erreichen, ist mindes-tens eine Verdoppelung des Ener-

gieeinsatzes in den Entwicklungsländern erforderlich. Mosambik ist eines von vier Pilotländern des „Aktionsprogramms 2015“ des BMZ. Unter Punkt VI wurde festgelegt: „Zugang zu lebensnotwen-digen Ressourcen sichern – intakte Um-welt fördern.“

Der größte Teil der mosambika-nischen Bevölkerung hat keinen Zugang zu kommerzieller Energie. Der tägliche Energiebedarf wird durch Feuerholz, Holzkohle oder Dung gedeckt. Nur knapp 6% der Bevölkerung haben einen Strom-anschluss.

Holz in Form von Kohle und Brenn-holz ist die hauptsächliche Energiequelle. 98 % der ländlichen Bevölkerung nutzen diese Form der Energie zum täglichen Kochen. Das bedeutet für Frauen und Mädchen oftmals stundenlange Suche nach Holz, in vielen Regionen ist der Brennstoff gar nicht mehr verfügbar.

Mit Hilfe von Erneuerbaren Energien ist es möglich, eine dezentrale Energie-versorgung aufzubauen. Der DED unter-stützt das Energieministerium in Chimoio bei der Einführung erneuerbarer Energien in der Provinz Manica.

PhotovoltaikEinen Schwerpunkt der Projektarbeit bildet die Ausrüstung von Schulen und Hospitälern mit Photovoltaikanlagen. Ein auf dem Dach montiertes Modul wandelt Sonnenlicht direkt in elektrische Energie um, die in einer Batterie gespei-chert wird. Somit ist es möglich, in den

Nachtstunden die Klassenzimmer zu be-leuchten, und Erwachsene erhalten die Möglichkeit, eine Schulbildung nachzu-holen. Vier Schulen und zwei Kranken-häuser wurden im Jahr 2005 mit dieser Technologie ausgestattet. Das Licht ist ein Impuls für die Alphabetisierung. Der Schulbesuch am Abend konkurriert nicht mit der Arbeit auf dem Feld und anderen häuslichen Pflichten. Besonders Frauen und Mädchen nehmen nun die Chance wahr, Lesen und Schreiben zu lernen. Di-rektor Antonio berichtet auch von einem regen Zulauf der Dorfgemeinschaft für Versammlungen.

Aus dem Krankenhaus in Chipandau-me berichtet Krankenschwester Mery be-geistert;

„Wir haben seit Mai einen Zuwachs von 20 % bei den Geburten. Dank der Beleuchtungstechnik arbeiten wir unter

einwandfreien hygienischen Vorausset-zungen. Die alten Petroleumlampen haben abgedankt. Seit das Krankenhaus beleuchtet ist, trauen sich die Leute auch nachts hierher. Mit Hilfe des Kühl-schrankes können wir lebensnotwendige Medikamente und Infusionen auf Vorrat halten. Testverfahren haben endlich ei-nen aussagekräftigen Wert. Vorher waren durch die hohen Außentemperaturen die Ergebnisse oftmals verfälscht und brach-ten mehr Verunsicherung als Klarheit.“

BiomasseIn Zusammenarbeit mit GTZ – PROBEC (Programme for Biomass Energy Conser-vation in Southern Africa) wird den Haus-halten zur Einsparung von Brennholz ein energiesparender Lehmofen angeboten, der bis zu 80% Energieersparnis bringt. Es werden Workshops angeboten, bei denen

Einführung regenerativer Energien in der Provinz Manica

Entwicklung braucht EnergieEnergie ist teuer in Mosambik und für viele Menschen gar nicht verfügbar. Dass umwelt-freundliche erneuerbare Energien den Menschen auch ökonomische Vorteile und die Ver-besserung ihrer Lebensbedingungen bringen können, zeigt sich in einem Projekt des DED in der Provinz Manica.

Mühsame Suche nach Feuerholz

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Von Uli Spriessler

20 Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006

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bis zu zehn Teilnehmerinnen pro Kurs in sechs Stunden die Konstruktion und die benötigten Materialien des Ofens kennen lernen. Es handelt sich um eine einfache Lehmbauart aus Ziegelsteinen und Asche, alles ist meist in nächster Nähe auffindbar. Die Materialien sind aus dem Bau oder Verputz von Häusern bekannt. Meist sind es Frauen, die dieses Handwerk beherr-schen, oftmals werden auch Kochtöpfe und Vasen aus Lehm gefertigt.

Es wurden insgesamt 447 Frauen in den vergangen 18 Monaten zu qualifi-zierten Ofenbauerinnen ausgebildet, es entstanden 737 „Poupa Lenha“ Öfen. Rita hatte vor einem Jahr an einem Kurs im Bairro 25 de Septembro teilgenom-men und in der Zwischenzeit 65 Öfen gebaut: „Dank des Energiesparofens gibt es bei uns jetzt geregelte Mahlzeiten. Da wir hier in Chimoio keine Möglichkeit haben Holz zu sammeln, müssen wir es für viel Geld kaufen. 30.000 Meticais (1 Euro) für ein Bündel Holz reichten mit dem traditionellen Dreisteine-Feuer gerade einen Tag, jetzt koche ich mit der gleichen Menge Holz nahezu vier Tage. Ich verdiene gutes Geld mit dem Ofen-bau, bis zu 1.200.000 Mts (40 Euro) im Monat. Sehen sie! Meine Kinder haben jetzt Schuhe und für Albertina konnte ich eine Schuluniform kaufen. Es gibt nur ein kleines Problem: Oftmals haben die Leute nicht das Geld, um den Ofen zu kaufen. 60.000 Mts (2 Euro) sind für manche schon zu viel. Dann bekom-me ich auch Waren angeboten, wie ein Hühnchen oder Mais. Manchmal erhalte ich auch gar nichts, das ärgert mich ein bisschen, aber ich denke dann, dass sich die Lebensverhältnisse der Familie mit Hilfe des Ofens in kurzer Zeit verbessern werden.“

Um auch Schulen, Hospitälern und Industriebetrieben die Möglichkeit zu geben energiesparende Öfen einzusetzen, wurde ein Metallofen konstruiert, der ein Topffassungsvermögen von 55 l, 80 l oder 100 l zulässt. Das Besondere an diesem Ofen ist die Gestaltung der Brennkammer, die nach seinem Erfinder Rocket benannt wurde. „Mangi Mangi“ wird er in Manica genannt. Das bedeutet schnell, schnell im örtlichen Shona Dialekt. In 20 Minuten werden 20 Liter Wasser zum Kochen gebracht. Das Brennmaterial wird auf

nung von Dieseltreibstoff einen hohen CO2-Ausstoss, enorme Lärmbelästigung und oftmals Boden- und Grundwasser-verschmutzung. In Honde, ca. 140 km von Chimoio entfernt, sind die Vorausset-zungen gut, das 1.500 Einwohner-Städt-chen mit alternativem Strom zu versor-gen. Nach 15 Monaten Bauzeit ist in der Zusammenarbeit mit GTZ-PRODER und örtlichen Firmen der Kanal entstanden, der den geregelten Wasserfluss zum Tur-binenhaus bringt. Die ersten Strommas-ten sind gesetzt, Kabel verlegt und Strom-anschlüsse installiert. Nach der Regenzeit folgt der letzte große Akt, der Bau der Staumauer. Das hört sich gigantisch an. Vier Meter hoch und fünf Meter breit, das reicht um 70 kVA zu erzeugen, die öko-logische Verträglichkeit wurde ebenfalls sachverständig überprüft. Schon in kur-zer Zeit wird der üppige Buschbewuchs die Narben, die während der Bauphase entstanden sind, wieder verschlossen haben.

Uli Spriessler hat Maschinenbau studiert. Er arbeitet seit 15 Jahren im Dienste der Regenativen Techniken und ist seit 2005 für das Energieministerium in Chimoio als Projektleiter tätig.

einem Rost in den Brennofen eingeführt, die Luft zum Verbrennen wird unterhalb des Rostes eingezogen. Dadurch wird die Luft vorgewärmt und lediglich die Spitzen der Holzscheite kommen zum Brennen. Ein genügend hoher Verbrennungsraum lässt die entstehenden Gase noch im Ofen verbrennen. Dies bedeutet fast kei-ne Rauchentwicklung und damit deutlich reduzierte Gesundheitsprobleme. Eine ortsansässige metallverarbeitende Firma im Bairro Nhamadzesse hat im Jahre 2005 34 Öfen dieses Typs gebaut, zusätz-lich ein Sondermodell „Saúde“, von dem 28 Stück an Krankenhäuser mit einem Dampfdrucktopf zur Desinfizierung von medizinischen Geräten, geliefert wurden. Die Kundschaft erweist sich als überaus zufrieden. Schon nach drei Monaten hat sich die Anschaffung von 120 Euro ge-rechnet.

WasserkraftwerkeDie Kleinwasserkraft – Technologie (KWK ) ist unter der Vorraussetzung eines ausreichenden Wasserangebotes eine gu-te Alternative zum Dieselgenerator. Die Stromentstehungskosten liegen bei KWK niedriger. Dieselanlagen werden meist nur zu Zeiten eines hohen Energiebedarfs betrieben: Früh morgens und abends. Die Betriebskosten sind durch den teuren Kraftstoff sehr hoch, mit steigender Tendenz. Auch verursacht die Verbren-

Einkommen durch Lehmofenbau

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Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006 21

Das Millenniumsentwicklungsziel 7 widmet sich der Sicherstellung der ökologischen Nach-haltigkeit. Eines der konkreten Unterziele besagt, dass bis zum Jahr 2015 70% der Bevöl-kerung in Mosambik Zugang zu sauberem Trinkwasser haben und für 60% die sanitäre Basisversorgung gewährleistet ist. Für Mosambik bedeutet dies noch einen weiten Weg. Die Erfolgsaussichten werden eher pessimistisch beurteilt, da sich der Zugang in den letz-ten Jahren sogar eher verschlechtert hat. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Neben dem starken Wachstum der Städte sind es vor allem finanzielle Engpässe, geringe Leistungsfä-higkeit des Wassersektors und die mangelnde Umsetzung der nationalen Wasserpolitik.

vier Menschen dort Zugang zu sauberem Wasser. In den städtischen Gebieten sind es inzwischen nur noch 57,7 % im Ver-gleich zu 66,8% für das Jahr 2001. Der Rückgang wird mit der zunehmenden Landflucht und dem schnellen Wachs-tum der Städte erklärt. Der Ausbau der städtischen Wasserversorgung kann mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten. Als weiterer Einflussfaktor gilt, dass die Privatisierung der städtischen Wasser-versorgung in Maputo und einigen Pro-vinzhauptstädten, verbunden mit Preis-steigerungen, Wasser für viele Menschen unerschwinglich gemacht hat.

Bekämpfung der SymptomeDie Wasserstudie von Water Aid konsta-tiert, dass im Bereich der ländlichen Was-serversorgung eher an den Symptomen gearbeitet wird anstatt die Ursachen der Probleme anzugehen. Auf die hohe Kindersterblichkeit durch Durchfaller-krankungen und die steigenden Cho-lerazahlen aufgrund von verunreinigtem Wasser, reagiert man mit dem Chloren von Brunnen. Ursache der Probleme ist jedoch das Fehlen einer adäquaten sani-tären Basisversorgung. Außerdem funk-tionieren weiterhin viele Pumpen und Brunnen nicht, so dass die Bevölkerung gezwungen ist, auf ungeschützte Wasser-quellen wie Flusswasser zurückzugrei-fen. Für das Jahr 2005 ergaben Untersu-

chungen, dass von 13.200 Wasserstellen 4.000 (ca. 30%) nicht nutzbar waren. Die Politik zur Sanitärversorgung ist va-ge, es gibt keinen Konsens zu wichtigen strategischen Punkten, zum Beispiel was die Subventionierung von Sanitäranlagen betrifft.

FinanzierungslückenDie mosambikanische Regierung hat er-mittelt, was getan werden müsste und welche Kosten bis zum Jahr 2015 ent-stehen, um die MDGs für den Wasser- und Sanitärbereich zu verwirklichen. Für den ländlichen Bereich werden 9.400 zu-sätzliche Wasserstellen benötigt und 70 Wasserversorgungssysteme für kleinere Städte. Die Kosten belaufen sich auf 215 Millionen USD, von denen lediglich 71 Millionen USD sichergestellt sind. Einfache Wasserversorgungssysteme für Kleinstädte werden kaum berücksichtigt. Noch größer ist die Finanzierungslücke bei der städtischen Wasserversorgung. Die Kalkulationen besagen, dass 980 Millionen USD benötigt werden und nur 114,6 Millionen USD zugesagt sind. Auch der Sanitärbereich erweist sich als unterfinanziert: Von 520 Millionen USD, sind bislang nur 30 Millionen USD ge-deckt. Insgesamt kommt die Regierung auf eine Finanzierungslücke von ca. 1,5 Milliarden USD bis zum Jahr 2015 für den Wasser- und Sanitärbereich.

Der Fortschrittsbericht der mosam-bikanischen Regierung aus dem Jahr 2005 gibt im Wassersektor

wenig Anlass zu Optimismus. Hatten im Jahr 2001 37,1% der Bevölkerung Zugang zu sauberem Trinkwasser, so waren es zwei Jahre später nur noch 35,7%. Optimistischere Zahlen liefert der Entwicklungsbericht der Vereinten Nati-onen: Der Zugang zu Wasser stieg dem-nach von 36% im Jahr 1990 auf 43% im Jahr 2004. Abweichende Aussagen zur Versorgungslage sind keine Seltenheit für den Wassersektor und erschweren eine realistische Planung. Eine Wasserstudie der Nichtregierungsorganisation Water Aid aus dem Jahr 2005 belegt zum Teil enorme Diskrepanzen. Während die Re-gierung für den Distrikt Sanga in Niassa eine Wasserversorgung von über 70% feststellte, ergaben detaillierte Kartie-rungen von Water Aid im selben Distrikt nur eine Versorgungsrate von 21%.

Stagnation statt FortschrittSelbst wenn immer die optimistischeren Zahlen zugrunde gelegt würden, bleibt es unwahrscheinlich, dass Mosambik sein 2015-Ziel im Wassersektor erreicht. Die Entwicklung verläuft zu langsam bzw. stagniert. In den ländlichen Gebie-ten bleibt der Zugang der Bevölkerung zu Wasser auf einem niedrigen Niveau konstant: Weiterhin hat nur einer von

Wasserpolitik: Finanzierungslücken und Umsetzungsprobleme

Nur tröpfelnde Fortschritte

Von Andrea Queiroz de Souza

Nur tröpfelnde Fortschritte

22 Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006

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Geringe LeistungsfähigkeitDie Erhöhung der Finanzen ist eine not-wendige Bedingung. Dies setzt allerdings voraus, dass die Mittel zeitnah und sinn-voll ausgegeben werden können. Die derzeitige geringe Leistungsfähigkeit des Wassersektors wirkt als ein limitierender Faktor. Im Jahr 2004 hat die Regierung nur 30% der zur Wasserinfrastruktur ein-geplanten Mittel überhaupt ausgegeben. Ähnliche Zahlen gelten für die vorange-gangen Jahre. Mehrjährige Programme mit millionenschwerer Finanzausstattung tragen häufig kaum zu einer Verbesse-rung der Infrastruktur bei und verfehlen die ursprünglich geplanten Ergebnisse deutlich.

Besonders auf Distriktebene fehlen gut ausgebildete Leute, die eine Imple-mentierung der Programme gewährlei-sten können. Auch die Mittel sind längst noch nicht dezentralisiert. Ein großer Teil verbleibt auf nationaler Ebene und kommt nicht in den Distrikten an. Es gibt nur wenige Firmen, die sich auf ländliche Wasserversorgung spezialisiert haben. Sie beklagen, keinen Zugang zu Krediten zu haben, ohne die die notwendigen Inve-stitionen nicht möglich sind. Weitere Klagen beziehen sich auf die fehlende

Transparenz der Auftragsvergabe, da häufig Aufträge ohne Ausschreibung an ehemals staatliche Unternehmen verge-ben werden. Bei größeren Programmen kommen die Bohrfirmen meist aus Süd-afrika oder Malawi.

Gute Pläne, schwache UmsetzungBereits im Jahr 1995 wurde die Nationale Wasserpolitik definiert (siehe Rundbrief 62), die eine Abkehr von der zentralen Planung hin zu einem nachfrageorien-tierten Ansatz (demand driven approach) festschreibt. Allgemein wird der Politik-wechsel im Wassersektor sehr positiv be-wertet. Im Jahr 2001 folgte ein Handbuch zur Implementierung der ländlichen Was-serstrategie. Diese Dokumente sollen alle Handelnden (Staat, lokale Gemeinden, Nichtregierungsorganisationen und den Privatsektor) auf ein gemeinsames, ein-heitliches Vorgehen festlegen. Die Betei-ligung der lokalen Bevölkerung ist dabei ein zentraler Baustein der Strategie: Die Initiative für ein Wasserprojekt soll von den Gemeinden selbst ausgehen. Dazu gehört, dass sie die Technologien und Managementinstrumente auswählen. Vorgesehen ist, eine Eigenbeteiligung der Gemeinden an den Projektkosten zu ver-

langen. Nichtregierungsorganisationen wie Water Aid haben mit der Anwendung der Politik und des Handbuches positive Erfahrungen gemacht; die Nachhaltigkeit der Wasserprojekte konnte verbessert werden.

Wie so häufig in Mosambik, klaffen allerdings Anspruch und Realität weit auseinander. Kaum jemand wendet die nationale Wasserpolitik an. Regierung und einige internationale Organisationen wenden bei den ländlichen Gemeinden weiterhin den alten Versorgungsansatz (supply driven approach) an, da sie erst auf die Auswertung der Erfahrungen aus Pilotprojekten warten wollen. Die Folge ist, dass über zehn Jahre nach Veröffent-lichung der neuen nationalen Wasserpoli-tik die Praxis in den ländlichen Distrikten kaum den dort vorgegeben Überlegungen entspricht.

Weiterführende Hinweise:http://www.wateraid.org.ukMosambik-Rundbrief 62: Schwerpunkt Wasser: Menschenrecht oder Geschäft?

Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006 23

Dezentralisierung ist ein Schlagwort der Entwicklungszusammenarbeit in Mosambik. Wegen der schlech-

ten und zum Teil leidvollen Erfahrungen mit dem zentralistischen Einparteienstaat drängten vor allem die Geberländer auf schnelle Demokratisierung und Dezent-ralisierung des Landes. Ein wichtiger Zwischenschritt waren 1999 die ersten Kommunalwahlen, bei denen in 33 Städten und Gemeinden Parlament und Bürgermeister direkt gewählt wurden. Ein verheißungsvoller Anfang und viele in Mosambik hofften, dass dies die Pro-blemlösung und Partizipation nachhaltig voranbringen würde. Leider erwies sich dies zunächst als Trugschluss, wie das Beispiel Maputos zeigt.

Ohne zu übertreiben lässt sich sagen, dass in der ersten Legislaturperiode vie-les drunter und drüber ging in der Stadt-verwaltung. Wer zum Beispiel im Jahr 2002 den internationalen Flughafen von Maputo anflog, sah direkt neben der Lan-debahn dicke Rauchwolken. Ursachen waren zahlreiche Brandherde auf der Müllkippe von Maputo in Hulene. Bei der Fahrt ins Zentrum waren am Straßen-rand überquellende Müllcontainer nicht zu übersehen. Die erste frei gewählte Stadtregierung Maputos war etwa zwei Jahre im Amt und die Stadt befand sich

in einer Art Müllausnahmezustand. Einer der Gründe war, dass formell zwar eine gewählte Stadtregierung im Amt war, die jedoch personell, organisatorisch und institutionell auf ihre Aufgaben und Ver-antwortungen kaum vorbereitet worden war. Der permanente Müllentsorgungs-notstand war ein Symbol dafür.

Nachhaltige AbfallwirtschaftAbfallwirtschaft ist ein geeigneter Indi-kator für die Leistungsfähigkeit und den

Entwicklungsstand einer Stadtverwaltung und lässt zudem Rückschlüsse auf den Stand der Dezentralisierung zu. Im Jahre 2002 hatten zwei Drittel der Einwohner Maputos keinen Anschluss an die städ-tische Abfallwirtschaft, obwohl die Stadt rund 40 Prozent ihres gesamten Budgets für das Sammeln von Abfällen verwen-dete. Deshalb litt besonders die in den dicht besiedelten suburbanen Quartieren lebende arme Bevölkerung unter erheb-lichen Umwelt- und Hygienerisiken. Die

Im Ballungsraum Maputo produzieren 1,2 Millionen Menschen täglich etwa 1.000 Tonnen feste Abfälle. Während im urbanisierten Zentrum eine regelmäßige, wenn auch noch un-zureichende, Müllabfuhr stattfindet, kann die Mehrzahl der Einwohner in den suburbanen Stadtvierteln noch nicht auf den Service der städtischen Müllabfuhr hoffen. Die Folge sind wachsende Müllberge an Straßenrändern und auf den wenigen Freiflächen. Aber auch im modernen Stadtzentrum sieht man häufig überquellende Mülltonnen und Berge von Abfall im Umfeld von nicht abgeholten Großcontainern. Hinzu kommt, dass die überlas-tete und ungesicherte Müllkippe Maputos, die von Wohngebieten umschlossen ist, ein gravierendes Umwelt- und Gesundheitsproblem darstellt. Der Autor gibt einen Einblick in die kommunale Abfallwirtschaft und stellt Konzepte und Initiativen für eine umweltge-rechtere Lösung vor.

Wege aus dem Müllchaos?Aufbau einer nachhaltigen Abfallentsorgung in Maputo

Wege aus dem Müllchaos?

Von Gereon Hunger

Schädlich für die Gesundheit: Arbeitsplatz Müllkippe

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24 Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006

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Ende 2003 gewählte Stadtregierung von Maputo hat den Ernst der Lage erkannt und versucht, die Probleme besser in den Griff zu bekommen.

Seit 2002 berät und unterstützt die GTZ (Gesellschaft für Technische Zusam-menarbeit) die Stadt Maputo beim Auf-bau einer nachhaltigen Abfallwirtschaft. Im Rahmen des Projektes AGRESU (Apo-io a Gestão de Resíduos Sólidos Urbanos) wird neben der Entwicklung tragfähiger Organisationsstrukturen sowie institutio-neller und personeller Kapazitäten auch der Aufbau einer lokalen Recyclingwirt-schaft gefördert. Dabei spielt der infor-melle Sektor eine herausragende Rolle.

Müll als EinkommensquelleDie Müllkippe Maputos stellt zwar ein großes Umweltproblem dar, ist aber gleichzeitig Einnahmequelle für Hun-derte von informellen Abfallsammlern. Der Ballungsraum Maputo mit mehr als 1,2 Millionen Einwohnern produziert immerhin ca. 1.000 Tonnen feste Ab-fälle am Tag. Die Tendenz ist steigend. Als die Müllkippe in den 60-iger Jahren in Betrieb genommen wurde, lag sie in unbesiedeltem Gebiet. Landflucht und spontane Ansiedlungen in Folge des Bürgerkrieges führten allmählich dazu, dass die Müllkippe von Hulene heute in einem dichtbesiedelten Stadtviertel liegt. Die negativen Auswirkungen auf die Ge-sundheit der Frauen, Männer und Kinder sind belegt.

Von städtischer Seite erfolgt keine Getrenntsammlung der Abfälle, um die Wertstoffe aufzubereiten oder wieder zu verwenden. Der Großteil der Wertstoffe landet auf der Müllkippe, wo diese von in-formellen Abfallsammlern aussortiert wer-den. Das Pilotprojekt RECICLA, ein ge-meinsames Projekt der GTZ und der Stadt Maputo sowie der CARITAS Mosambik, versucht, ehemaligen informellen Abfall-sammlern (7 Frauen und 7 Männern) ein regelmäßiges Einkommen und bessere Arbeitsbedingungen zu verschaffen. In ei-ner Aufbereitungsstation in unmittelbarer Nähe zur Müllkippe reinigen, sortieren und zerkleinern diese Plastikabfälle, die zuvor von Abfallsammlern zu Festpreisen angekauft wurden. Anschließend werden die veredelten Plastikabfälle an die loka-len mittelständischen Plastikproduzenten

rin beraten, als geschäftsfähige Kleinun-ternehmen zu agieren. Durch geeignete Schulungsmaßnahmen wurden sie auf ihre neue Rolle als Dienstleister für die Stadt vorbereitet. Die Stadtverwaltung be-tritt damit Neuland, denn bislang hatte es keine Verträge mit privaten Dienstleistern gegeben. Dieser Ansatz stellt über die ver-tragliche Regelung der Arbeitsbeziehung sicher, dass Geringqualifizierte ein regel-mäßiges Einkommen erhalten. Damit ist die Abfallentsorgung für ca. 42.500 Einwohner, die vorher keinen Service er-hielten, nachhaltig sichergestellt.

NachhaltigkeitAlle Ansätze zur Verbesserung der Ab-fallwirtschaft in Maputo müssen jedoch scheitern, wenn nicht zwei entschei-dende Herausforderungen gemeistert werden. Erstens muss die Finanzierung gesichert sein. Die diesjährige Entschei-dung der Stadtregierung, die Kosten der Abfallwirtschaft bis 2016 zu 100% durch Stadtreinigungsgebühren decken zu wol-len, stellt einen entscheidenden Durch-bruch dar. Das zu Grunde liegende Ge-bührensystem (proportionale Gebühr ge-koppelt an den Energieverbrauch), das ge-meinsam mit der GTZ entwickelt wurde, ist sozialverträglich gestaltet, ermöglicht Kreuzsubventionen und entspricht dem Verursacherprinzip. Die zweite große He-rausforderung betrifft die Organisations-struktur und die Personalressourcen der Stadtverwaltung. Sowohl Qualifikation als auch Anzahl der Mitarbeiter und Mit-arbeiterinnen müssen an die Erfordernisse des Sektors angepasst werden. Auch hier sind bereits die ersten Erfolge im Zuge der Reorganisation der Stadtreinigungsdirek-tion zu verzeichnen.

Gereon Hunger studierte Geologie und absolvierte ein Postgraduiertenstudium in Hydrogeologie. Er arbeitet seit 1997 in Mosambik und ist seit 2001 GTZ-Berater im Projekt AGRESU.

verkauft. Konstante Einnahmen und faire Preise für die Abfallsammler, zusätzliche Wertschöpfung sowie Kosteneinsparun-gen für die Plastikfirmen ließen eine für alle Beteiligten vorteilhafte Partnerschaft entstehen.

Bleibt die naheliegende Frage, ob durch dieses Projekt eine umweltbedro-hende Müllkippe quasi legitimiert wird. Immerhin sind die Arbeitsbedingungen der Abfallsammler auf der Müllkippe ge-fährlich. Sollte man also versuchen, diese Form der Einkommenssicherung zu un-terbinden? Wäre den Menschen damit geholfen? Die gesammelten Wertstoffe bilden die Lebensgrundlage für diese Menschen, die meist keine anderen Al-ternativen haben. Die Frage muss deshalb heißen: Wie können die informellen Ab-fallsammler langfristig in eine organisierte Entsorgung und Verwertung von Abfällen integriert und ihre Lebensbedingungen dadurch verbessert werden? Das geschil-derte Projekt ist ein erster Schritt in diese Richtung, dem weitere folgen müssen.

Die Schließung der Müllkippe von Hulene ist heute keine Utopie mehr. Nachdem bereits im Jahr 2005 ein ge-eigneter Standort für eine neue, umwelt-gerechte Hausmülldeponie identifiziert wurde, wird seit Anfang dieses Jahres im Rahmen einer Machbarkeitsstudie deren Eignung und die Durchführbarkeit dieses Projektes untersucht. Bei positiven Er-gebnissen kann bis Ende 2009 mit einer Inbetriebnahme gerechnet werden.

Ausweitung der AbfallsammlungEine weitere wichtige Komponente in der Arbeit von AGRESU stellt die Ausweitung der Abfallsammlung auf die suburbanen Stadtviertel dar. Aufgrund der hohen Be-bauungsdichte gab es bisher keine Ent-sorgung durch städtische Fahrzeuge. In Kooperation mit Care International und „Medecins sans Frontieres“ (MSF) wur-de in zwei suburbanen Stadtvierteln eine reguläre und angepasste Abfallsammlung etabliert. Es werden zwei lokale Initiati-ven in den Stadtvierteln Maxaquene und Urbanização unterstützt, die mit Hand-karren die Sammlung gewährleisten und die Abfälle in von der Stadtverwaltung gestellten Containern am Rand der jewei-ligen Gebiete verbringen. Zum Abschluss der Pilotphase wurden die Gruppen da-

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Erste Eindrücke von Maputo: Stra-ßengedränge, überfüllte Verkehrs-mittel, Straßenverkäufer, die im

Schatten eines Baumes, der in den Nacht-stunden vielleicht als öffentliche Toilette dient, ihre Waren auslegen. Alles unter-malt von Lärm und dem Gestank der Abgase. Auch im historischen Stadtteil, der Baixa, wo sich die Architektur wohl-tuend unterscheidet von der Bauweise der Wohnkomplexe in den eng bebauten Stadtrandgebieten mit ihren ewig grauen, unverputzten Zementblockwänden, bie-tet sich ein trauriges Bild: Abwasser, das durch die Straßen rinnt, Ruinen, in de-ren Innenhöfen Ratten im Müll wühlen, Bäume, deren Äste wahrscheinlich mit einfachen Macheten gestutzt wurden, so dass an den Schnittstellen Wasser ein-dringt und diese seitlich verfaulen. Sucht man nach Vögeln, fallen einem zuerst die Krähen auf, die um die Müllhaufen krei-sen, die sich überall auftürmen.

Gibt es in dieser Stadt überhaupt ein Umweltbewusstsein? Um dieser Frage nachzugehen, habe ich einige der we-nigen existierenden Umweltinitiativen aufgesucht.

Ökologische DienstleistungenADASBU (Associação de Desenvolvimen-to da Água e Saneamento do Bairro de Urbanização) ist ein Verein, der sich nicht in erster Linie als Umweltgruppe versteht, sondern Dienstleistungen, die einen starken Bezug zur ökologischen Nach-haltigkeit haben, im Stadtviertel Urba-

nização anbietet. Gegründet wurde der Verein im Jahr 2000, als nach der Hoch-wasserkatastrophe das Thema verantwor-tungsbewusster Umgang mit der Umwelt stärker in das öffentliche Bewusstsein rückte. In enger Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung versucht ADASBU, durch Mobilisierung und Sensibilisierung Anwohner des Viertels und nationale und internationale Nichtregierungsorganisati-onen (NRO) zusammenzubringen, um infrastrukturelle Probleme des Stadtteils zu lösen.

„Es ist manchmal schwer, Charak-teristika die sich aus Armut herleiten, abzugrenzen von dem Eindruck einer mangelnden Verantwortungsbereitschaft seitens der Bewohner des Viertels“, er-klärte mir ein Vereinsmitglied während eines Rundgangs durch den Bairro. Der Verein kann auf erfolgreiche Kampagnen und Aktivitäten zurückschauen und seine Mitglieder engagieren sich aktiv in lau-fenden Projekten zu verbesserten Latri-nen, Müllbeseitigung, Wasserversorgung und Aufklärungskampagnen.

Reflektionen zu Umweltinitiativen und -bewusstsein in Mosambik

Von Silvana Recke

Direkter Nutzen zähltDirekter Nutzen zählt„Wie steht es um das Umweltbewusstsein der Stadtbewohner von Maputo?“ fragte sich die Autorin dieses Beitrags und besuchte einige Umweltinitiativen in und am Rande der Hauptstadt. Sie musste feststellen, dass der unmittelbare Nutzen der Ressourcen für die Menschen im Vordergrund steht und Umweltschutz nicht als Mittel zur Armutsbekämp-fung wahrgenommen wird. Lokale Initiativen bemühen sich darum, Umweltschutz und praktischen Nutzen zunehmend miteinander zu verbinden und das Umweltbewusstsein in der Bevölkerung durch Bildungsarbeit zu fördern.

Lokale Initiativen: Müllbeseitigung in den Bairros

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Schöne Papiere, schwierige UmsetzungEs wurden seitens der Regierung ent-scheidende Rahmenbedingungen und ge-setzliche Richtlinien für eine ökologische Nachhaltigkeit in der Ressourcennutzung geschaffen, die auf integrative Methoden und transversale Inhalte bauen. Die Um-setzung durch die Kommunen und den einzelnen Bürger (ob Marktfrau oder Kleinunternehmer) ist aber nicht unprob-lematisch.

Ob die Stärkung von Kapazitäten und Kompetenzen letztendlich eine Fra-ge des politischen Willens ist, blieb mir auch nach den verschiedenen Besuchen von Aktivistengruppen in Catembe zwei-felhaft. Der politische Wille, Kapazitäten und Kompetenzen im Bereich Ökologie zu stärken und die Einhaltung von Richt-linien durchzusetzen, scheint schwach zu sein.

Initiativen von zivilen Gruppen wer-den mitunter dadurch erschwert, dass gegenseitiges Vertrauen und Verständnis fehlen. Für die Durchführung ihrer Akti-vitäten sind die Initiativen häufig auf Au-ßenfinanzierung durch internationale Ge-berorganisationen angewiesen. Allerdings engagieren sich in den letzten Jahren nur wenige Geber im Bereich Umwelt, das Thema ist gerade nicht „in“ in der internationalen Entwicklungszusammen-arbeit. Häufig bestehen auf Geberseite auch Zweifel an der Nachhaltigkeit der Projektaktivitäten und der Weiterführung nach Finanzierungsabschluss.

Die Zusammenarbeit mit der Bevöl-kerung gestaltet sich dort als schwierig, wo die Menschen keinen unmittelbaren Nutzen für sich sehen. Aktivisten von Hitalhula, Catembe, bemerkten, dass sei-tens der Bevölkerung Umweltschutz nicht als ein Mittel der Armutsbekämpfung wahrgenommen wird, sondern als Ein-schränkung in der gewohnheitsmäßigen Ressourcennutzung. So gibt es Verstöße gegen Schonfristen des Meeres, obwohl die Schonfristen der Regeneration der Meeresressourcen dienen und dadurch eine langfristige Nutzungsmöglichkeit überhaupt erst sicherstellen sollen. Öko-logische Verfahren in der Landwirtschaft treffen kaum auf Interesse, da sie keine sofortigen positiven Resultate bringen. Um die Bevölkerung selbst in die Projekte

Oberflächliche Lösungen Eins wird in den Problemlösungsvor-schlägen und Umsetzungsszenarien der Gruppen immer wieder deutlich: Das Bewusstsein über den Zusammenhang zwischen der Nutzung von natürlichen Ressourcen wie z.B. Wasser oder Holz und Umwelt- und Gesundheitsproblemen führt nicht zu einer Änderung der Einstel-lung oder des Verhaltens.

Fehlende Kapazitäten der Müllentsor-gung durch die eingerichteten Instanzen der Stadtverwaltung werden, wo mög-lich, ergänzt durch Initiativen seitens der Bevölkerung. Die Verringerung der Müll-produktion ist allerdings kein Thema.

Mängel in der Trinkwasserversor-gung, auch in den äußeren Randgebieten wie Khongolote und Matola Rio, werden nicht dadurch ausgeglichen, dass man das Auffangen des Regenwassers und Filter-methoden, besonders in der Regenzeit, propagiert und unterstützt. Vorschläge in dieser Richtung wurden von Salomon Lda, einer Beratungsfirma für Wassernut-zung und Umwelt, für die Rekonstruktion einer Schule vorgelegt. Schüler sollten zu Hygienemaßnahmen nicht nur unter-richtet werden, sondern diese praktisch erleben und umsetzen. Obwohl die be-darfsgerechte Nutzung von Regenwasser von MICOA, dem Umweltministerium, auf dem Papier angepriesen wird, erfährt es in der Realität wenig Beachtung.

Auch im Bereich Brennstoffe werden nachhaltige Lösungen kaum genutzt. „Wenn die Preise für die Holzkohle in der Stadt steigen, z.B. am Ende des Jahres während der Weihnachtsfeiertage, fährt man halt nach Boane oder Namaacha, um sie dort kostengünstiger einzukaufen. Man achtet wenig auf die karge, baum-lose Landschaft, wie z.B. entlang der Strasse Boane-Matutuine. Kaum jemand investiert in den Holzkohleverbrauch re-duzierende Öfen, die etwa 150.000,00 Mts (ca. 4,65 Euro) mehr kosten.“ erzählt die Mitarbeiterin von IUCN-Moçambique (Internationale Vereinigung für den Schutz der Natur).

aktiv einzubeziehen, benötigt es im Vor-feld viel Sensibilisierungsarbeit, wenn der konkrete Leidensdruck nicht groß ist.

Zunehmend verloren gehen im städ-tischen Raum Kenntnisse über die Na-tur

Trotz der vielen ausdrucksstarken Tänze, die zu bestimmten Mondphasen aufgeführt werden und der vielen My-then, werden Naturräume nur beschränkt wahrgenommen oder undifferenziert als Mato (Busch) bezeichnet. Fauna und Flora werden nach Kriterien kategori-siert, bei denen ihr unmittelbarer Nutzen im Vordergrund steht. Außer Gebrauch geratene Heilpflanzen, z.B. verschiedene Kakteenarten und der Rizinusstrauch, werden als Unkraut bekämpft.

Notwendige UmwelterziehungInsgesamt scheint ein Umweltbewusst-sein in der städtischen Bevölkerung kaum vorhanden, solange nicht sehr gravie-rende Schäden sich auf das Alltagsleben der Menschen auswirken. Nachhaltige Ressourcennutzung stellt sich als ein „Luxus“ dar, den man sich nicht leisten kann. Die Notwendigkeiten des „Hier und Jetzt“ und die konkrete Grundbe-dürfnisbefriedigung stehen klar im Vor-dergrund. Trotzdem ist ein wachsendes Umweltbewusstsein wichtig, wenn man der fortschreitenden Zerstörung der Le-bensgrundlagen entgegenwirken will. Ohne Umweltbewusstsein wird es keine nachhaltige Entwicklung geben können. Ansätze im Bildungsbereich versuchen, das Thema Umwelt in die Schulbildung zu integrieren, es soll hin auf ein stärke-res Umweltbewusstsein erzogen werden. Ökologische Nachhaltigkeit muss in ihrer Bedeutung für die ganzheitliche Entwick-lung der mosambikanischen Gesellschaft Priorität erhalten und in allen Schichten des gesellschaftlichen Spektrums verwur-zelt werden. Ein stärkeres Bewusstsein um Zusammenhänge zwischen sozialen sowie ökonomischen Aktivitäten und dem natürlichen Rahmen, in dem sie stattfinden, ist dabei ein wichtiges Ins-trument.

Silvana Recke lebt und arbeitet seit vier Jahren in Maputo.

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Zwischen Schutz und Nutzen

Mosambik hat derzeit sechs Nati-onalparks (Parques Nacionais), sechs Naturschutzreservate (Re-

servas) und 12 Jagdschutzgebiete (Couta-das Oficiais) ausgewiesen, die seit 2001 unter der Verwaltung des Tourismusmini-steriums (davor Landwirtschaftsministeri-um) stehen. Diese Schutzgebiete nehmen fast 16% (127.193 km²) der gesamten Landesfläche ein. Darüber hinaus gibt es noch weitere Wald- und Naturschutzge-biete, die weiterhin dem Landwirtschaft-ministerium unterstehen.

Nach dem 1999 neu verfassten Na-turschutzgesetz (Lei de Floresta e Fauna Bravia, No l0/99) dienen Nationalparks dem Schutz ganzer Ökosysteme mit be-sonderem landschaftlichen Charakter. Sie sind gleichzeitig als Nationalerbe (pa-trimónio nacional) eingestuft und haben die höchste Schutzkategorie. Reservate dienen dem Schutz seltener, endemischer oder bedrohter Tier- oder Pflanzenarten bzw. fragiler Ökosysteme. Bei den Jagd-schutzgebieten handelt es sich teilweise um Pufferzonen, die an Nationalparks oder Reservate angrenzen. Über die Ver-gabe privater Konzessionen werden diese Gebiete oft für den lukrativen Jagdtouris-mus genutzt.

Geschichte des NiedergangsIn Mosambik wurden die ersten Schutz-gebiete von der portugiesischen Koloni-almacht im Vergleich zu den benachbar-ten britischen Kolonien erst spät ausge-wiesen. Erst in den 60er Jahren, als die ehemals reichen Wildbestände durch die immer populärer werdende Großwild- und Trophäenjagd, durch den Handel mit Elfenbein und Fellen und die unkontrol-

lierte Nutzung des Wildfleischs für die Versorgung der Arbeiter auf den großen Zuckerplantagen bereits stark dezimiert waren, wurden die ersten Schutzgebiete deklariert. Im Jahr 1966 entstand mit dem Gorongosa der erste Nationalpark des Landes (zum Vergleich: der Krüger Nationalpark in Südafrika wurde bereits 1926 gegründet). Er war in den 70er Jahren wegen seiner reichhaltigen Tier-welt weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Die ca. 3.000 Elefanten, große Büffel-, Zebra- und Antilopenherden und die damals größte Löwenpopulation des gesamten Kontinents, machten den Park für Touristen attraktiv. Wilderei und un-kontrollierte Jagden waren aber in den touristisch weniger erschlossenen Schutz-gebieten an der Tagesordnung.

Nach der Unabhängigkeit sprach sich die FRELIMO-Regierung zwar für den Schutz der natürlichen Ressourcen aus,

aber effektive Kontrollen wurden kaum durchgeführt. Die Wilderei nahm immer weiter zu. Der lang anhaltende Bürger-krieg hat schließlich die Wildbestände völlig dezimiert und Großwild in den meisten Parks innerhalb weniger Jahre fast ausgerottet. Beide Kriegsparteien haben durch den Handel mit Elfenbein und dem Horn der Nashörner ihre Kriegs-kassen aufgefüllt. Für die hungernde Landbevölkerung und die Soldaten bei-der Lager war Wildfleisch eine begehrte Nahrungsquelle. Im Gorongosa Park, der ab 1983 wegen des Krieges geschlossen war, hatte die RENAMO ihr Hauptquar-tier aufgeschlagen, und die Gegend um Gorongosa wurde zu einem der am hef-tigsten umkämpften Kriegsschauplätze. Die ersten Bestandsaufnahmen nach dem Krieg waren deprimierend: Es wird davon ausgegangen, dass die Wildpopu-lation im Gorongosa um 95% dezimiert

Nationalparks, Naturschutzreservate und Jagdschutzgebiete

Zwischen Schutz und NutzenIn Mosambik ist das Interesse an der Entwicklung der Naturschutzgebiete gestiegen, da Tourismus als ein zukünftig wichtiger Wirtschaftszweig angesehen wird. Bei der Auswei-sung großer Schutzflächen entstehen Konflikte zwischen Schutz und Nutzung durch die ansässige Bevölkerung. Gleichzeitig liegen in der touristischen Erschließung auch Chancen, lokale Gemeinden an den neuen Einkommenschancen zu beteiligen.

Von Monika Orlowski

Chimanimani: Schutz von Ökosystemen und Nutzen aus dem TourismusFo

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worden war. Eine Erholung des Tierbe-standes ohne Bestockung von außen war nicht mehr möglich. Im Marromeu Re-servat hatten nur noch ca. 2.000 Büffel von über 100.000 überlebt. Im Elefan-tenreservat südlich von Maputo wurde der Bestand an Elefanten auf nur noch 150 Tiere geschätzt.

Neuanfang und ZukunftsaussichtenNach 1992 setzte ein deutlicher Wandel in der Naturschutzpolitik des Landes ein. Der Tourismus wurde als einer der wich-tigsten zukünftigen Wirtschaftszweige identifiziert und neben der Erschließung der weitläufigen Strände sollen die Nati-onalparks und Naturreservate der Haupt-anziehungspunkt für Touristen werden. Dies ist nur möglich, wenn die Schutz-gebiete über einen entsprechenden Wild-bestand verfügen, der sich mit den Parks der Nachbarländer messen kann. Ab 2000 wurden zwei neue Nationalparks (Limpopo und Quirimbas) und die Re-serva de Chimanimani ausgewiesen. Der Gorongosa Nationalpark konnte nach er-folgter Entminung 1998 wieder eröffnet werden. Finanziert durch die nordameri-kanische Carr Foundation, die insgesamt 30 Millionen Euro in den Wiederaufbau des Parks investieren will, hat 2006 die erste Phase der Wiederbestockung mit Zebras, Gnus und Büffeln begonnen. Bis 2015 sollen mehrere tausend Büffel, Zebras und Gnus und mehrere Hundert Elefanten, Flusspferde und Großantilopen eingeführt werden. Verläuft diese Phase erfolgreich, werden weitere aus dem Park verschwundene Tierarten wie z.B. Nas-

hörner und Geparden folgen. In diesem Jahr wurde das historische Chitengo Safa-ri Camp wiedereröffnet und soll bis 2007 weiter ausgebaut werden.

Mosambik ist mit drei Gebieten an dem Konzept der so genannten Peace Parks (eine Initiative der südafrikanischen Peace Parks Foundation) oder Transfron-tier Conservation Areas betei ligt, die im Südlichen Afrika immer mehr an Bedeu-tung gewinnen. Durch die grenzübergrei-fende Vernetzung bereits bestehender Schutzräume und die Einrichtung von geschützten Korridoren zwischen den Parks soll es den Tieren wieder ermög-licht werden, ihre saisonalen Migrations-routen aufzunehmen, und die Populati-onen der bisher isolierten Parks sollen sich austauschen können. Wegen der großen Popularität des Krüger National-parks in Südafrika ist das international am meisten beachtete Projekt der Great Lim-popo Transfrontier Park, der den Krüger mit dem Limpopo Park in Mosambik und dem Gonarezhou Nationalpark in Sim-babwe verbindet (s. Rundbrief 68). Das zweite Transfrontier Conservation Projekt ist der Lubombo Park, der die Reserva Especial de Maputo (Elefantenreservat) mit dem Tembe Elefant Park und dem Ndumu Game Reserve in Südafrika und dem Hlane Nationalpark in Swaziland zu einem gemeinsamen Schutzgebiet vernet-zen soll. Das Elefantenreservat ist in den letzten 10 Jahren immer wieder Spielball unterschiedlichster Interessensgruppen gewesen, was den gezielten Aufbau des Schutzgebietes bisher verhindert hat. Eu-kalyptusplantagen für die südafrikanische

Papierindustrie, ein Megatourismuspro-jekt eines amerikanischen Multimillionärs und der Bau eines Tiefseehafens wurden für das Gebiet südlich von Maputo disku-tiert. Zurzeit scheint das Pendel wieder Richtung Conservation Area auszuschla-gen. Dieses Gebiet hat durch seine Nähe zu Maputo und Südafrika ein hohes tou-ristisches Potenzial. Trotz nur unzurei-chender Schutzmaßnahmen hat sich die Elefantenpopulation in den letzten zehn Jahren deutlich erholt; die Parkverwal-tung schätzt den Bestand inzwischen auf über 400 Tiere.

Die dritte grenzübergreifende Schutz-zone soll den Chimanimani Nationalpark in Simbabwe mit der neuen Reserva de Chimanimani auf mosambikanischer Sei-te vernetzen (s. Seite 17)

Neben dem Gorongosa Nationalpark und den drei Peace-Park-Projekten hat der Marinepark des Bazaruto Archipels einen hohen touristischen Stellenwert. Schon in der Kolonialzeit war ein Teil des Archipels unter Schutz gestellt und 2001 wurde die Fläche auf 1.420 km² ausgedehnt. Wegen der großen Vielfalt an Fischen und Korallen sind die Riffe um die Inseln bei Tauchern sehr beliebt und auch Sportfischer kommen auf ihre Kos-ten. Eine Besonderheit des Archipels ist das Vorkommen einer kleinen Population von Seekühen (Dugongs); Schätzungen gehen von max. 100 Exemplaren dieser vom Aussterben bedrohten Tierart aus. Es handelt sich dabei wahrscheinlich um die einzige noch überlebensfähige Population an der gesamten ostafrikanischen Küste.

Touristische Infrastruktur Da die Tourismusindustrie insgesamt in Mosambik noch im Aufbau begriffen ist und sich die meisten Schutzgebiete erst wieder mühsam von den Plünderungen der Kriegszeit erholen müssen, ist es nicht verwunderlich, dass es in den meisten Parks noch an touristischer Infrastruktur fehlt. Kennzeichnend für die gegenwärtige Entwicklung ist, dass sich in den Parks, denen die Regierung das höchste touris-tische Vermarktungspotential zuschreibt und private Konzessionen zum Bau von Lodges vergibt, vor allem Unternehmen ansiedeln, die ihre Leistungen deutlich im oberen Preissegment anbieten. Daneben gibt es oft einfache Campingmöglich-keiten für Selbstversorger, Angebote in

Tierbestände wieder aufstocken

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Auflagen für eine nachhaltige Nutzung und die Einbeziehung der lokalen Ge-meinden einhergeht.

Konflikte zwischen Schutz und NutzenTrotz aller Bemühungen liegen die The-orie der Naturschutzgesetze und die Re-alität in Mosambik noch weit auseinan-der. Es ist vergleichsweise einfach, große Schutzgebiete auszuweisen, denn Land ist nach dem Gesetz Staatseigentum. Geht es aber darum, die Gesetze zum Schutz von Fauna und Flora umzusetzen, treten viel-fältige Interessenskonflikte auf. Obwohl es sich bei den unter Schutz stehenden Gebieten um Grenzflächen handelt, die für die Landwirtschaft unattraktiv sind, sind alle ausgewiesenen Nationalparks

mittlerer Preisklasse fehlen jedoch. Dies ist teilweise politischer Wille, da bestimm-te Zonen für exklusiven Tourismus reser-viert wurden (z.B. die Bazaruto Inseln), liegt aber teilweise auch an der schweren Zugänglichkeit und Abgeschiedenheit der Reservate (z.B. Reserva do Niassa), wo Veranstalter darauf angewiesen sind, ihre Gäste einzufliegen und rundum zu versorgen, was entsprechend exklusive Preise zur Folge hat. Vergleicht man di-ese eher zögerliche touristische Entwick-lung jedoch mit dem „Wildwuchs“ und Ausverkauf, der sich teilweise an den Küsten Mosambiks abspielt, kann man nur hoffen, dass die Vergabe von privaten Konzessionen in den Nationalparks und Reservaten vom Tourismusministerium mit großer Umsicht und entsprechenden

und Reservate (außer Gilé) besiedelt. Die Jagd ist ein wichtiger Bestandteil der Überlebenssicherung der lokalen Bevöl-kerung. Aber auch private Investoren, die z.B. an der Großwildjagd gut verdie-nen, haben kein Interesse daran, dass sie ihre Konzessionen verlieren, weil etwa ein Jagdschutzgebiet zum Nationalpark aufgewertet wird.

Konflikte zeichnen sich besonders in den Parks ab, die in Zukunft verstärkt tou-ristisch genutzt werden sollen und des-halb mit Großwild, besonders Elefanten, neu bestockt werden. So wird es zuneh-mend notwendig, die Dorfbewohner und ihre Felder vor den Übergriffen der Dick-häuter zu schützen (s. S. 30).

Andererseits bietet eine touristische Erschließung bei frühzeitiger Einbezie-hung der lokalen Bevölkerung auch neue Einkommens- und Entwicklungschan-cen. Alle internationalen Geber, die die Entwicklung der verschiedenen Parks finanziell und technisch unterstützen, haben die gleichzeitige Förderung der lokalen Bevölkerung auf ihre Fahnen geschrieben. Teilweise werden der Bau von Community Lodges und andere Ge-meindeprojekte gefördert, aber es fehlt an einem einheitlichen Konzept und der Ver-netzung der unterschiedlichen Initiativen. Die Einzelmaßnahmen hängen stark von der Vorgehensweise der verschiedenen Durchführungsorganisationen zur Imple-mentierung der Parks oder einzelner Ge-ber ab. Hier ist die Regierung, besonders das Ministerium für Tourismus, gefordert, ein klares Konzept zu entwickeln, dass den Gemeinden in und am Rande der Schutzgebiete einen fairen Anteil an der touristischen Nutzung ihrer Ressourcen sichert.

Monika Orlowski ist Diplomagraringeni-eurin mit Schwerpunkt Nachhaltige Regi-onalentwicklung und lebt in Maputo. Die ungekürzte Artikelfassung kann auf der Webseite des KKM www.kkmosambik.de abgerufen werden.

Nationalparks: www.moztourism.gov.mz, Nationalparks Bazaruto, Quirimbas und Reserva de Niassa: www.wwf.org.mz, Nationalparks Limpopo: www.limpopopn.gov.mz und Gorongosa: www.gorongosa.net

Übersicht Nationalparks und Naturreservate in Mosambik

Name des Schutzgebietes

Provinz Fläche (in km2) ausgewiesen seit

Nationalparks

Parque Nac. Da Gorongosa

Sofala 5.370 1966/1967 *)

Parque Nac. Das Quirimbas

C. Delgado 7.506 2002

Parque Nac. Do Banhine

Gaza 7.000 1973

Parque Nac. Do Bazaruto

Inhambane 1.600 1971/2001 *)

Parque Nac. Do Limpopo

Gaza 10.000 2001

Parque Nac. Do Zinave

Inhambane 6.000 1973

Reservate

Reserva Do Gilé Zambézia 2.100 1960

Reserva do Marromeu

Sofala 1.500 1960

Reserva do Niassa Niassa 42.200 1964/1969 *)

Reserva do Pomene

Inhambane 200 1964

Reserva Especial do Maputo

Maputo 700 1960/1969 *)

Reserva de Chimanimani

Manica 1.000 2003

Jagdgebiete / Coutadas Oficiais

Coutada Oficial No. 4 – 15

Manica und Sofala Gesamt: 42.017 Zwischen 1960 und 1972

*) erste Zahl Jahr der Unterschutzstellung, zweite Zahl Jahr der Gebietserweiterung

30 Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006

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Menschen oder Tiere schützen?

Der Great Limpopo Transfrontier Park umfasst den Krüger Natio-nalpark in Südafrika, den Limpo-

po-Nationalpark in Mosambik und den Gonarezhou Nationalpark in Simbabwe. Mosambik verbindet mit diesem Park ho-he Erwartungen an Einnahmen aus dem Tourismus in einer bislang wirtschaftlich wenig attraktiven Region. In Verbindung mit der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika wird ein Touristenstrom erwartet, der neben den Fußballspielen auch die Schönheiten des Südlichen Afri-ka genießen will. Weltbank und die Kre-ditanstalt für Wiederaufbau (KfW) unter-stützen das Nationalparkprojekt als eine Maßnahme zur Armutsbekämpfung für die in der Region ansässige Bevölkerung.

Angst vor VertreibungBei unserer Reise im August 2006 be-suchten wir mehrere Gemeinden in-nerhalb des Limpopo-Nationalparks. Insgesamt leben ca. 27.000 Menschen innerhalb des Parks. Ein Drittel soll bald-möglichst umgesiedelt werden. Das sind acht Gemeinden, die im sogenannten Herzstück des Parks angesiedelt sind.

Die siebenköpfige Familie Maluleke wohnt im Park. Die Familie lebt von der Subsistenzlandwirtschaft. In diesem Jahr gleicht der sonst wasserreiche Shingwed-zi-Fluß, von wo die Familie das Wasser für den Haushalt und die Felder bezieht, einem kleinen Bach. Da ist es schwierig ausreichend zu ernten, um die Familie zu ernähren und Überschüsse zum Verkauf zu erzielen.

Bei unserem letzten Besuch im No-vember 2004 waren viele Menschen zuversichtlich angesichts möglicher Ar-beitsplätze im Rahmen der geplanten Infrastruktur im Park bzw. Entschädi-gungen, die mit einer Umsiedlung in Aussicht gestellt worden waren. Heute ist von Hoffnung wenig zu spüren, Skepsis und Angst herrschen vor.

Familie Maluleke lässt keinen Zweifel daran: „Wenn wir hier weg müssen, dann haben wir verloren. Wir leben in einem Gebiet mit immer wiederkehrenden Dür-reperioden, aber wir kennen uns hier aus. Wir wissen, wo die Wasserstellen sind, um auch bei Dürre zu überleben. Wenn sie uns von hier fortbringen in ein uns unbekanntes Gebiet, dann wird es sehr schwierig für uns und unsere Zukunft.

Das Land ist viel mehr als nur eine Hei-mat für uns, hier sind unsere Ahnen be-graben. Seit Generationen haben unsere Familien auf diesem Land gelebt.“

Die Familie Maluleke ist kein Ein-zelfall. Die Mehrzahl der Bevölkerung ist erst nach Ende des Krieges mit Hilfe internationaler Organisationen in die Re-gion zurückgekehrt. Viele haben im Krieg gekämpft bzw. waren in Flüchtlingslagern in Südafrika untergebracht.

Nach der Rückkehr waren die Waf-fen sorgsam weggepackt oder abgegeben worden.

Seit die ersten Tiere 2003 den Park besiedelten und die Ernten der Bauern zerstörten, kamen die Waffen wieder zum Einsatz. Der Dorfälteste im grünen Armeemantel erzählt: „In der Vergan-

Anwohnerinteressen im Limpopo Nationalpark

Menschen oder Tiere schützen?Der Limpopo-Nationalpark soll Mosambik in Zukunft höhere Einnahmen aus dem Touris-mus bringen. Die im und um den Park ansässige Bevölkerung nimmt den Park jedoch zu-nehmend als Bedrohung ihrer Lebensgrundlage wahr und beklagt, dass sie von positiven Entwicklungen bislang nicht profitiert. Entschädigungsangebote, die ohne die Einbezie-hung der betroffenen Gemeinden ausgearbeitet wurden, sind inzwischen von einer Mehr-zahl der Gemeinden abgelehnt worden. Mosambikanische Nichtregierungsorganisationen setzen sich für die Interessen der Bewohner ein.

Von Inge Hoffmann-Vaz

Gemeinden im Park: Angst vor Vertreibung

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liegen, nur noch sehr eingeschränkt Land-wirtschaft betreiben und jagen können. „Damit ist unsere Existenz gefährdet, soll-te es keine Alternativen geben,“ bestätigt uns ein Mitglied des lokalen Komitees. In einem Gespräch mit der Parkverwaltung wurde ihnen außerdem eröffnet, dass sie im Zuge der Umsiedlung eine Gemeinde aufnehmen sollen. „Wie soll das gehen? Wir haben nicht einmal ausreichend Land und Wasser für uns selbst,“ erklärt ein Dorfbewohner.

Bewohnerinteressen vertretenUNAC, ORAM-Zona Sul, Caritas und Cedes, vier mosambikanische Nichtre-gierungsorganisationen, haben sich zu einem Konsortium zusammengeschlos-sen und vertreten gemeinsam gegenüber der Parkverwaltung und der mosambika-nischen Regierung die Interessen der Be-völkerung im Limpopo-Nationalpark. Alle vier Organisationen waren bereits vor der Entstehung des Nationalparks in dieser Region tätig und genießen das Vertrauen der Bevölkerung. Sie begleiten geplante Baumaßnahmen für die umzusiedelnde Bevölkerung und schlichten Konflikte der verschiedenen Interessensgruppen. Sie nehmen an Dorfversammlungen teil und unterstützen die Gemeinden bei der Or-ganisation von Komitees. Sie beraten die Komitees und klären sie über ihre Rechte und die Pläne der Parkverwaltung auf.

genheit haben wir mit den Tieren gelebt. Wenn ein Elefant unsere Ernten zerstörte, haben wir ihn getötet. So waren die ande-ren Tiere abgeschreckt und kamen nicht wieder. Jetzt ist dieses Gebiet ein Nati-onalpark. Wir dürfen keine Tiere töten und sie nicht verjagen, sonst müssen wir eine Strafe zahlen.“ Dennoch, so berich-tet der Dorfälteste, hat ein Nachbar ein Tier getötet. Die Parkwächter kamen, sie haben ihn unter Hausarrest gestellt und mehrere Häuser nach Waffen durchsucht. Der Dorfälteste und einige Dorfbewohner baten die Parkverwaltung um eine Erklä-rung. Es gab jedoch keine Erklärungen und auch keine neuen Informationen hinsichtlich fairer Entschädigungsange-bote. Alle bisherigen Vorschläge waren ohne Einbeziehung der Bevölkerung aus-gearbeitet worden. Die Gemeinde Bingo hat, wie fünf andere Gemeinden, die Vor-schläge abgelehnt.

Bevor wir weiterfahren, versichert uns der Dorfälteste nochmals: „Wir las-sen uns hier nicht vertreiben. Es kommen immer mehr Tiere an unsere Dörfer he-ran, aber wir gehen nicht weg zu ihren Bedingungen. Wir brauchen fruchtbares Land, Anerkennung unserer Ältesten, Zu-gang zu Wasser und ausreichend Platz für unsere Häuser und unser Vieh. Notfalls werden wir kämpfen.“

Fehlende AlternativenUnser nächster Besuch führt uns in eine Gemeinde, die am Rande des Parks lebt und deshalb von der Umsiedlung vorerst nicht betroffen ist. Die Menschen hatten sich eine Beteiligung am Parkgeschäft erhofft oder zumindest Arbeitsplätze für die jungen Menschen im Dorf. Der Auf-bau von Infrastruktur im Park geht voran, aber die Jobs bleiben bislang aus. Es gibt keine Pläne der Parkverwaltung oder Re-gierung, den Jugendlichen aus der Region eine Ausbildung bzw. eine Jobqualifizie-rung zu ermöglichen. Für eventuell in der Zukunft entstehende Jobs wären sie nicht ausreichend qualifiziert. „Fremde kom-men und nehmen uns unsere Chancen,“ so heißt es in Chibotane. Die Bevölke-rung kennt die Pläne der Parkverwaltung für ihre Region nicht. Diese Unsicherheit beunruhigt die Menschen. Sie vermuten, dass sie künftig innerhalb des National-parks, wo ihre Felder und Jagdgebiete

Faire Entschädigungen für die betrof-fenen Gemeinden unter Einbeziehung ihrer Interessen auszuhandeln ist ein ers-ter Schritt, der sich nun als langwieriger Prozess erweist, obwohl die Bedrohung durch die Tiere für die Bevölkerung täg-lich an Bedeutung gewinnt.

In einer zweiten Phase soll es um ei-ne nachhaltige Entwicklung der Dorfge-meinschaften gehen, die fremde Gemein-den aufgenommen haben oder am Rande des Parks angesiedelt sind. Möglichkeiten einer Beteiligung am Parkgeschäft sollen identifiziert und konkretisiert werden.

Chancen die Grenzen des Natio-nalparks nochmals zu verschieben, wie ursprünglich von den verschiedenen Gruppen der Zivilgesellschaft gefordert, bestehen nicht mehr. Es geht jetzt darum, der Bevölkerung innerhalb des Parks ei-ne angemessene Existenzgrundlage zu sichern und die Menschen am Parkge-schäft zu beteiligen.

Der Limpopo-Nationalpark wurde oh-ne die lokale Bevölkerung geplant, aber entscheidend für den Erfolg des Parks wird sein, inwieweit sich für die Bevöl-kerung eine Perspektive für eine bessere Zukunft bietet.

Inge Hoffmann-Vaz ist Länderreferentin für Mosambik in der Abteilung Projekte und Programme Afrika bei Brot für die Welt.

„Hier kennen wir uns aus“

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Klondike in Manica

„Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles“ sprach schon der weise Herr von

Goethe. Warum sollte das in Mosambik anders sein?

Insbesondere, da sich über Mosambik Teile eines so genannten Grünsteingürtels erstrecken, eines gold- und kupferhaltigen Quarzgesteins. Eine Zone des Grünsteins erstreckt sich entlang der tansanischen Grenze in Niassa. Eine weitere dieser Zonen befindet sich im Grenzgebiet zu Simbabwe, in den Provinzen Tete und Manica. Wahrscheinlich ist dies die Fort-setzung des simbabwischen Goldgürtels, der das sagenumwobene Reich des Kai-sers Monomatapa ermöglichte.

Schon immer begehrtDas Wissen um mögliche Goldfunde in Afrika beflügelte die portugiesischen Entdeckerfahrten. Die Suche nach dem sagenhaften Goldland südlich der Saha-ra, genannt Ofir, Punt oder Eldorado, war eines der großen Motive für Entdecker im 13. und 14. Jahrhundert. Auch spä-ter wird in Reiseberichten immer wieder Gold erwähnt. Sogar in dem Bericht des Missionars Livingston über seine Reise findet man immer wieder Hinweise auf das Gold von Manica und er beschreibt die handwerkliche Goldgewinnung wie sie auch heute, mehr als 150 Jahre später, noch stattfindet.

Kleingewerbe GoldsucheMan schätzt, dass in der Provinz Manica ungefähr 25.000 Personen von der hand-werklichen Goldsuche leben. Konkrete Zahlen existieren nicht, da es sich um ein illegales Gewerbe handelt. Die Anzahl der

Goldwäscher wächst ständig an, da Men-schen auf der Suche nach Einkommens-möglichkeiten alles versuchen, was eine Existenzsicherung darstellen könnte.

Die Goldwäscher, „Garimpeiros“ ge-nannt, sind Menschen die allein oder in kleinen Gruppen mit primitivsten Mitteln eine Art Subsistenzbergbau betreiben. Das heißt, dass sie das goldhaltige Gestein im Tagebau aus ungesicherten Minen heraus-brechen, in handbetriebenen Steinmüh-len zermahlen und in Waschschüsseln auswaschen. Da Gold schwerer ist als Quarz bleibt ein Bodensatz Goldflitter in den Schüsseln zurück. Danach binden sie die winzigen Goldelemente mit Quecksil-ber zu einem Amalgam. Das Quecksilber wird durch Erhitzen verdampft und nach dem Auswaschen mit starker Salpeter-säure bleiben größere Goldkügelchen zurück. Diese werden vom Goldsucher an die Aufkäufer verkauft.

Gefährliche GoldgewinnungDiese Art der Goldgewinnung wirft ei-ne Menge Probleme auf. Immer wieder kommen durch Schlammlawinen in den ungesicherten Quarzminen Menschen zu Tode. Die letzte dieser Meldungen stammt vom Oktober und ist dadurch pikant, dass offensichtlich Häftlinge in Untersuchungshaft für diese Arbeit „ver-liehen“ wurden. Es scheint durchaus üblich zu sein, verurteilte Strafgefangene für Minenarbeit zu vermieten, weil sie billiger sind als Tagelöhner. Dies gilt aber nicht für Untersuchungshaftgefangene. Angesichts der Arbeitsbedingungen ist diese Art der „Leiharbeit“ ohnehin ein Skandal.

Ein weiteres Problem der Goldsu-cherei ist der Landschaftsverbrauch. Zur Goldwäsche benötigt man Wasser. Und entlang des Wassers findet man in der Re-gel auch fruchtbare Felder. Also besetzen

Von Claudia-Maria Kukla

Zunehmende Probleme durch Goldabbau

Klondike in ManicaImmer mehr Menschen in Mosambik versuchen, ihren Lebensunterhalt durch Goldsuche zu sichern. Doch nicht märchenhafter Reichtum verbindet sich mit dem Bild der Goldwä-sche, sondern harte Arbeit unter gefährlichen Bedingungen. Die Ausbeute reicht gerade zur Überlebenssicherung, der Goldabbau bringt eine Vielzahl von Problemen mit sich. Die Autorin besuchte ein Goldgräbercamp in der Provinz Manica und recherchierte zu den Hin-tergründen der Goldsuche.

Goldwäsche mit einfachster Ausrüstung

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die Garimpeiros Felder, die der Landwirt-schaft dienen könnten. Sie werfen Däm-me auf, um das Wasser in flachen Becken zu stauen und trampeln Wege. Außerdem siedeln sie in der Nähe ihrer Arbeit, meist am Hang über den Becken.

Durch die Verseuchung, die durch das Verdampfen des Quecksilbers ent-steht, sind die Felder auf lange Zeit hin unbrauchbar für landwirtschaftliche Ak-tivitäten. Die Garimpeiros, die meist mit bloßen Füßen im Wasser stehen und oh-ne jegliche Schutzmaßnahmen arbeiten, sind hochgradig gefährdet, sich schlei-chend durch Quecksilber zu vergiften. Dies ist besonders schlimm, weil es sich um eine erbgutverändernde Krankheit handelt, die langfristig auch das zentra-le Nervensystem schädigt. Da sie das Immunsystem beeinträchtigt, steigt die Gefahr von HIV-Infektionen an. Auch die erhöhte Neigung zu Reizbarkeit und De-pressionen, die als Anfangssymptome der Vergiftungen genannt werden, machen aus Goldgräbercamps, die ohnehin unter vielen Konflikten leiden, brisante Orte.

Schulungen für GoldsucherUm die Schädigung von Mensch und Um-welt zu reduzieren, führte das amerika-nische Blacksmith-Institut diverse Schu-lungen durch, in denen Goldgräbern der Region beigebracht wurde, Quecksilber mittels primitiver Retorten aus emaillier-ten Metallschüsseln, zurück zu gewinnen. Damit wird die Abhängigkeit von den pri-vaten Goldaufkäufern verringert, die das von ihnen gelieferte Quecksilber vom Goldpreis abziehen. In der Regel haben die Goldsucher keine Möglichkeiten, das notwendige Quecksilber selbst zu kaufen, da es schwer zu beschaffen ist und sie von der Hand in den Mund leben.

WirtschaftlichkeitDie industrielle Goldgewinnung wird ab einer Ratio von 5 g Gold auf eine Tonne Gestein interessant. Daher gibt es um in-dustrielle Minen riesige Abraumhalden, die oft zum zweiten Mal von Garimpeiros durchsucht und ausgeschlämmt werden, da für die handwerkliche Goldsuche, aus der übrigens ein Viertel der welt-weit gewonnenen Goldmenge stammt, schon Erträge ab 0,5 g pro Tonne Anreiz genug sind. In der Region Manica er-hielten mehrere Firmen aus Kanada und

Südafrika die Lizenz zum industriellen Abbau. Dem Vernehmen nach sind die Probebohrungen erfolgreich und es wird demnächst mit dem Bau der Anlagen be-gonnen.

Im Wachstum begriffenDie mosambikanische Statistik gibt an, dass die Gesamtmenge des abgebauten Goldes im Jahr 2003 63 kg betrug. Im Jahr 2002 waren es noch 17 kg. Das sind nur sehr geringe Mengen im Vergleich zu den 464,2 t Gold, die das Hauptförder-land Südafrika 2004 erzeugte. Aber der Goldbergbau lag durch den Bürgerkrieg lange brach und mit den modernen För-dermethoden können Quarze ausgebeu-tet werden, die noch vor 30 Jahren nicht wirtschaftlich waren. Der Goldbergbau in Südafrika ist der teuerste weltweit, da die Stollen mittlerweile bis zu 5 km un-ter der Erde liegen. Die Förderindustrien schauen sich nach Gebieten um, in denen die goldführenden Gesteinsschichten an oder dicht unter der Erdoberfläche liegen. Prospektierungen für industrielle Goldge-winnung sind dem Vernehmen nach in den Provinzen Sofala, Manica, Tete und Niassa im Gange.

Die Schwierigkeiten für den Staat Mosambik liegen darin, dass es zwar eine Goldaufkaufbehörde gibt, die sogar höhere Preise als die privaten Aufkäufer bezahlt. Aber diese Behörde schickt keine Aufkäufer vor Ort und stellt kein Queck-silber zur Verfügung. Daher verkaufen die meisten Garimpeiros ihr Gold an private Aufkäufer, die das Gold aus dem Land

schmuggeln. So entgehen dem Staat die lukrativen Einnahmen aus diesem Ge-schäft.

Illegale aus SimbabweEin weiteres Problem mit der Goldsuche in Manica besteht darin, dass sie inzwi-schen auch Simbabwianer anzieht. Es gab in diesem Jahr im Bereich des Chimani-mani-Naturparks eine Abschiebeaktion, da im Naturpark eigentlich gar nicht nach Gold gegraben werden dürfte. Er-schwert wird die Kontrolle der illegalen Goldsuche dadurch, dass die Polizei nur eine Station in dieser Region hat, und dass dies- und jenseits der Grenze dieselben Volksgruppen leben und die Leute meist über keine Ausweispapiere verfügen. Ge-rüchten zufolge werden auch unbegleite-te Flüchtlingskinder als billige Arbeiter in den Goldgräbercamps ausgebeutet. Dass zumindest Minderjährige in dem hochgif-tigen und konfliktreichen Umfeld leben und arbeiten, konnte ich bei einem Be-such selbst feststellen.

Sommerchield 5Trotz der widrigen Umstände in den Camps haben zumindest die von mir besuchten Garimpeiros eine Art Galgen-humor bewahrt. Sie nannten ihr Camp „Sommerchield 5“ nach dem bekannten Botschafts- und Reiche-Leute-Viertel Ma-putos.

Claudia-Maria Kukla ist Beraterin des Weltfriedensdienstes bei der lokalen Nichtregierungsorganisation ProPAZ .

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Reich werden die Goldwäscher nicht

34 Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006

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auf dem „Pfad des Lebens“, einer Metho-de der Erlebnispädagogik: Zu erkennen, dass man die Angst besiegen und wieder Mut zu fassen kann. Dass unüberwind-lich scheinende Hindernisse überwunden werden können, dass man gemeinsam Dinge vollbringen kann, die man alleine nicht schafft, dass jeder einzelne etwas besonders gut kann.

An diesem Tag gab es für die zehn Jugendgruppen viele Hindernisse auf dem Weg zu der Bergkuppe zu überwin-den. Einmal versperrt eine Bretterwand den Weg, die unüberwindlich scheint. Schließlich wird einer der Großen auf den Schultern der anderen nach oben ge-stemmt. Er zieht sich hoch, kommt oben

auf der Wand zu sitzen und kann nun die Kleineren nach sich hochziehen. Oben ist der Blick frei, hinter der Bretterwand ist ein kleines Treppchen aufgebaut und alles ist viel leichter als es schien.

... führt zum ZielAlle zehn Gruppen erreichen schließlich das Ziel der Schnitzeljagd, die Bergspitze mit wunderbar weiter Aussicht auf das Umland. Dort führen sich die Gruppen gegenseitig ihre Theaterstücke vor. Sie zeigen was sie können: Tanzen, Singen, Dichten. Es gibt keinen Sieger, der Weg ist das Ziel und alle zehn Gruppen sind ihren Schnitzeln folgend auf dem Gipfel angekommen.

Mit Mut auf das SeilMit Mut auf das SeilErlebnispädagogische Arbeit mit Aidswaisen in Zambézia

Die junge Esperança blickt ange-spannt nach oben, ihr Gesichts-ausdruck spiegelt Entsetzen wie-

der. Am liebsten würde sie weinen. Sie hat Angst. Hoch zwischen zwei Bäumen sind drei miteinander verbundene Seile gespannt und bilden eine Hängebrücke. Alle aus der Gruppe müssen auf der ge-nagelten Holzleiter hinauf und über die schaukelnde Brücke. Schließlich ist auch Esperança an der Reihe. Zögernd schiebt sie Fuß vor Fuß. Ihre Hände klammern sich an die beiden Führungsseile in Hüft-höhe. Besonders die ersten Schritte vom sicheren Baum weg sind qualvoll. Aber sie schafft es, erreicht die andere Seite, klettert die Leiter hinunter und gesellt sich zu ihrer Gruppe.

Der Pfad des Lebens …Später sitzt die Gruppe zusammen im Laub und Projektleiter Antonio fragt in die Runde wie es war. Er fragt nach der Angst, fragt, wie sie sich anfühlte, wer schon einmal solche Angst verspürt ha-be. Und erzählt, welche Angst er selbst ausstand, als er in einem Camp über das Seil musste. Die Furcht über den boden-losen Abgrund zu balancieren – das war fast so, wie damals als sein Onkel starb, der ihn und seine Geschwister nach dem Tod seiner Eltern aufgenommen hatte. Panik erfasste ihn, schlimmer als damals als seine Eltern starben, denn nun hatte er niemanden mehr. Er musste für seine Geschwister sorgen, und wie sollte es weitergehen? Ein unüberwindbar schei-nender Abgrund tat sich auf, er fühlte sich total verlassen. Und darum geht es

Ein ungewöhnliches Projekt zur Arbeit mit Aidswaisen in der Provinz Zambézia unterstützt terre des hommes schweiz. Jugendlichen um die Grenzstadt Milange wird psychosoziale Unterstützung angeboten. Neben konkreten Hilfsangeboten, lernen die Jugendlichen durch erlebnispädagogische Methoden, über ihre Gefühle zu sprechen und neuen Mut zu fassen, ihre Situation zu bewältigen und sich gegenseitig zu unterstützen.

Von Annette Mokler

Angst besiegen ...

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Die Jugendlichen gehören zehn Kin-derclubs aus verschiedenen Dörfern der Grenzregion Mosambiks mit Malawi an. Sie sind zum größten Teil Waisen, deren Eltern der grassierenden Aids-Pandemie im Südlichen Afrika zum Opfer gefallen sind. In manchen Gegenden liegt die In-fektionsrate mit der tödlichen Krankheit nach inoffiziellen Schätzungen bei 30 Prozent. Milange als Grenzstadt zu Ma-lawi ist besonders betroffen.

Herausforderung WaisenbetreuungDie Betreuung der Waisen stellt die Ge-sellschaft vor immense Aufgaben. Die Kinder müssen nicht nur den Verlust ihrer Eltern verkraften, sie sind auch plötzlich auf sich allein gestellt, müssen täglich ums Überleben kämpfen. Oft übernehmen die älteren Geschwister, selbst noch minder-jährig, die Verantwortung für die jünge-ren Geschwister und den Haushalt. Meist können die Kinder und Jugendlichen in dieser Situation nicht mehr zur Schule ge-hen. Es fehlt ihnen neben all der Arbeit die Zeit und auch das Geld für Schulma-terial oder eine Schuluniform. Ohne die-se Ausrüstung ist ein Schulbesuch nicht möglich. Nur wenige Kinder haben das Glück, bei Verwandten unterzukommen und dort gut betreut zu werden. Oft wer-den die aufgenommenen Kinder schlech-ter behandelt als die leiblichen, sie dürfen nicht zur Schule gehen oder bekommen nicht genug zu essen.

Psychosoziale UnterstützungIm Rahmen des Projekts von terre des hommes schweiz erhalten die Aidswai-sen im mosambikanischen HUMULIZA-Projekt im Distrikt Milange in der Provinz

Zambézia materielle und psychosoziale Unterstützung. Sie haben die Möglich-keit, sich zu treffen und über ihre Erfah-rungen und Nöte zu sprechen. In zehn Gemeinden um Milange arbeitet je eine lokale Betreuungsperson mit Kindergrup-pen, so genannten Kinderclubs. Diese ste-hen allen Kindern offen, was der Stigma-tisierung der Aidswaisen entgegenwirkt. Die Kinderclubs treffen sich einmal wö-chentlich und besprechen ihre Probleme. Sie studieren Theaterstücke ein, tanzen und singen. Häufig führen sie die einstu-dierten Stücke in ihren Gemeinden auf. Dies steigert das Selbstwertgefühl der Ju-gendlichen. Ihre Theaterstücke handeln häufig von der Situation von Aidswaisen und appellieren an die Erwachsenen, ih-nen eine Chance zu geben.

Unterstützt werden sie dabei von Lehrpersonen und BetreuerInnen der Gemeinde. Gemeinsam suchen sie nach

Möglichkeiten, damit die Kinder trotz ihrer Verantwortung und ihrer Arbeits-belastung im Haushalt den Unterricht besuchen können. Dazu gehört auch ma-terielle Unterstützung wie Schulmaterial und Schuluniformen.

Risiko HungerWährend ich diesen Artikel schreibe, kommt ein Anruf von Antonio aus Mo-sambik. Er klingt sehr bedrückt. Schon im Sommer hatte er angekündigt, dass im Herbst und Winter die Menschen hun-gern würden, wenn die Dürre anhalte. Zu allem Überfluss haben nach dieser Dür-reperiode nun schwere Regenfälle die Ernten in der Region stark zerstört. Bis zur nächsten Maisernte im März ist es noch lang. Die Menschen hungern und Familien verbieten ihren Kindern, sich zu viel zu bewegen. Angesichts dieser Lage mussten die Projektaktivitäten in den Kin-derclubs stark reduziert werden.

Diese Situation macht deutlich, dass psychosoziale Unterstützung in Notsitua-tionen durch konkrete ökonomische Un-terstützungsmaßnahmen ergänzt werden muss. Zu diesem Zweck hat HUMULIZA einen Nothilfefonds eingerichtet. Dank der guten Organisation kann das Pro-jekt, zusammen mit Repräsentanten der Dörfer, die Bedürftigen schnell identifi-zieren.

Annette Mokler ist bei terre des hommes schweiz in Basel verantwortlich für das Länderprogramm Mosambik.

... und Hindernisse überwinden

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Stärke im Zusammenhalt erleben

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36 Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006

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Herr Menete, die Geberländer bescheinigen der mosambika-nischen Regierung eine gute

Politik und erfolgreiche Armutsbe-kämpfung. Zu Recht?

Die makroökonomischen Daten sind in der Tat viel versprechend. Die Wirtschaft wächst mit sieben Prozent, die Exporte sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Das Problem ist nur, dass die Armen da-von nicht viel merken.

Aber nach offiziellen Angaben ist der Anteil der Armen an der Bevölkerung seit den neunziger Jahren von 70 auf etwas über 50 Prozent gesunken . . .

Die G-20 gibt seit 2004 jährlich einen alternativen Armutsbericht heraus. Dazu haben wir in den Provinzen rund 8.000 Menschen nach ihrer Lebenssituation befragt. Die meisten haben angegeben, dass es ihnen in den letzten Jahren eher schlechter gegangen ist. Die offiziellen Be-richte zu den Millenniumszielen zeigen, dass es in einigen Bereichen Fortschritte gibt, in anderen, zum Beispiel in der Er-nährungssicherung, jedoch nicht. Wenn die Leuten heute weniger arm sind, wa-rum hat sich dann nicht auch ihre Ernäh-rungslage verbessert?

Die offiziellen Armutsstatistiken sind also nicht verlässlich?

Sie müssen jedenfalls mit Vorsicht genos-sen werden. Die Regierung selbst räumt ein, dass die Datenlage unsicher ist. Zum Beispiel soll in der nördlichen Provinz

Sofala die Armutsquote in den letzten Jahren von 80 auf nur noch 30 Prozent gesunken sein. Dabei zählt Sofala zu den Provinzen mit den größten Problemen. Viele dort klagen, es gebe zu wenig In-vestitionen und Hilfe. Vor einigen Jahren haben in Sofala zwei Zuckerfabriken die Produktion aufgenommen und Arbeits-plätze geschaffen. Es ist denkbar, dass die Regierung vor allem dort ihre Daten erhoben und die Ergebnisse dann auf die gesamte Provinz hochgerechnet hat. Zu-dem sind einmal erhobene Werte wenig aussagekräftig. In der Provinz Gaza im Süden zum Beispiel ist die Armutsquote stark abhängig von den Niederschlägen: Regnet es genug, sind die Werte gut. Herrscht Dürre, steigt die Armut.

Die Regierung hat dieses Jahr ihr zweites Strategiepapier zur Armuts-bekämpfung vorgelegt. Wie hat die Beteiligung der Zivilgesellschaft sich seit Vorlage des ersten Papiers 2001 entwickelt?

Sie hat sich sehr verbessert. Seit 2003 ist die Zusammenarbeit zwischen Regie-rung, Zivilgesellschaft und Gebern im so genannten „Armutsobservatorium“ fest institutionalisiert. Zudem wurden im ver-gangenen Jahr technische Arbeitsgruppen zur Revision des ersten und Vorbereitung des zweiten Strategiepapiers eingerichtet, in denen auch die Zivilgesellschaft vertre-ten ist. Vor allem aber sind wir seit zwei Jahren am Joint Review Process zwischen Regierung und Gebern zur Überwachung

der Budgethilfe beteiligt. Das ist wahr-scheinlich noch wichtiger als die Einrich-tung des „Armutsobservatoriums“, weil hier die politisch relevanteren Gespräche stattfinden.

War es schwer, die Regierung zu mehr Zusammenarbeit zu bewegen?

Ja, teilweise schon. Die Regierung hat sich unter Beteiligung immer etwas ganz anderes vorgestellt als wir. Ginge es nach ihr, dann würde sie uns lediglich ad hoc Beschlüsse vorlegen, kurz mit uns darü-ber diskutieren und dann absegnen las-sen. Wir haben deutlich gemacht, dass wir auf einer Institutionalisierung der Zu-sammenarbeit und auf längerfristige Be-ratungen bestehen, damit wir uns besser auf Entscheidungen vorbereiten können. Derzeit bemühen wir uns vor allem um einen besseren Zugang zu Informationen. Zusammen mit Journalisten haben wir erreicht, dass das Parlament demnächst über ein Gesetz zur Informationsfreiheit berät.

Wo bestehen außerdem noch Defi-zite?

Vor allem bei der Implementierung der Strategiepapiere. An Entscheidungen, wie die Armutsbekämpfung sich im Staatshaushalt niederschlägt beispiels-weise, sind wir überhaupt nicht beteiligt. Allerdings ist das nicht allein Schuld der Regierung. Wenn es um sehr technische Fragen geht, können wir als Zivilgesell-

Interview mit Fernando Menete von der Gruppe 20 / GMD

Erkämpfte Räume nutzenErkämpfte Räume nutzen

Von Tillmann Elliesen

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Gut 50 Entwicklungsländer haben seit Ende der neunziger Jahre Strategiepapiere zur Armutsbekämpfung (PRSPs) vorgelegt. Manche, wie Mosambik, sogar bereits ihr zweites. Die Papiere dienen zunehmend als Rahmenkonzepte für die Entwicklungszusammenarbeit und zur Erreichung der Millenniumsziele. Nichtstaatliche Akteure sollen an den Papieren mitarbeiten, doch in vielen Ländern geschieht das nur sehr oberflächlich. Fernando Menete vom Netzwerk Grupo 20 (G-20) erläutert, wie die mosambikanische Zivilgesell-schaft ihren Einfluss stärken konnte und mit welchen Problemen sie weiterhin kämpft.

Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006 37

schaft irgendwann nicht mehr mitreden, weil uns die nötigen Fachkenntnisse fehlen. Ein Regierungsvertreter hat uns gegenüber mal gesagt: „Ihr glaubt doch wohl nicht, dass ich mit Bauern über die Inflation diskutiere.“ Nachdem wir uns in den letzten Jahren viele Räume für eine bessere Beteiligung erkämpft ha-ben, müssen wir jetzt erkennen, dass wir diese Räume oft gar nicht ausfüllen kön-nen. Seit dem letzten Jahr verstärken wir deshalb das Training unserer Mitarbeiter und versuchen Allianzen einzugehen mit Leuten, die die nötigen Kenntnisse haben, Wissenschaftlern zum Beispiel.

Partizipation beschränkt sich in vielen Ländern auf städtische Organisationen; die Landbevölke-rung hat häufig keine Möglichkeit, sich zu artikulieren. Gilt das auch für Mosambik?

Wir kennen das Problem. Es kommen im-mer wieder Beschwerden von Vertretern der Provinzen, niemand diskutiere mit ihnen über ihre Vorstellungen. Ständig schicke die Regierung oder die Zivilgesell-schaft Leute zu ihnen, die Informationen verlangten und allerlei Fragen stellten. Dann verschwänden sie wieder und nie-mand höre mehr etwas von ihnen. Die Bedürfnisse sind sehr unterschiedlich: Städtische Organisationen diskutieren oft allgemeine politische Themen, während für die Landbevölkerung die alltäglichen Probleme wichtig sind.

Hat die G-20 denn keine Bezie-hungen zu ländlichen Organisati-onen?

Doch, es gibt mittlerweile Ableger in den Provinzen – sowohl der G-20 als auch des Armutsobservatoriums. Möglichkeiten zur Partizipation gibt es also auch außer-halb der Städte. Wir versuchen deshalb, auch unsere Vertreter auf Provinz- und Distriktebene zu schulen, so dass sie von diesen Möglichkeiten Gebrauch machen können.

In Deutschland wird viel über die Legitimität zivilgesellschaftlicher Organisationen diskutiert. Ist das auch bei Ihnen ein Thema?

Ja, und begonnen hat diese Diskussion mit der Arbeit an den PRSPs. Der Regierung wird immer wieder mal vorgeworfen, sie fühle sich stärker der Zivilgesellschaft und den Gebern gegenüber rechenschafts-pflichtig als dem Parlament. Wir haben immer dafür plädiert, dass das Parlament genauso wie die Zivilgesellschaft und die Geber am PRSP-Prozess beteiligt wird.

Geschieht das nicht?

Nur sehr oberflächlich, wenn zum Bei-spiel der Haushalt verabschiedet wird. Das Parlament hat dasselbe Problem wie die Zivilgesellschaft: Oft mangelt es ihm an den nötigen Kenntnissen, um beispielsweise Budgetfragen angemes-sen zu behandeln. Dazu kommt, dass

politische Diskussionen in Mosambik stark von der Bipolarität zwischen FRE-LIMO und RENAMO geprägt sind. Die Parlamentarier entscheiden in der Regel nach Parteizugehörigkeit und nicht nach sachlichen Kriterien. Wir laden hin und wieder Parlamentarier zu unseren Debat-ten ein, aber meistens besteht kein großes Interesse. Leider entsteht dadurch der Eindruck, dass parlamentarische Debat-ten eigentlich überflüssig sind. Wir ver-suchen deshalb seit einiger Zeit, wichtige politische Debatten, zum Beispiel über den Haushalt, stärker in die Gesellschaft hineinzutragen.

In vielen Entwicklungsländern gibt es mittlerweile unüberschaubar viele Nichtregierungsorganisati-onen, die mal mehr, mal weniger gute Arbeit leisten. Viele Organisa-tionen beschäftigen sich vor allem damit, an Entwicklungshilfegelder zu kommen. Gibt es diesen Trend auch in Mosambik?

Ja, es gibt eine professionelle Elite in den Städten, die sich nur mit Entwicklungs-politik beschäftigt. Wir nennen das das „Workshop-Business“. Ich sehe das aber eher gelassen. Denn ich habe die Hoff-nung, dass längerfristig durch die Arbeit der Profis das gesellschaftliche Bewusst-sein für Themen der Armutsbekämpfung wächst und dadurch auch die zivilgesell-schaftliche Basis stärker wird.

Fernando Menete arbeitet in Maputo für das zivilgesellschaftliche Entschul-dungsbündnis Grupo da Dívida und für die Grupo 20, ein Netzwerk nichtstaat-licher Organisationen, das den PRSP-Prozess begleitet. Menete war einer der Referenten auf dem diesjährigen Herbst-seminar des KKM.

Tillmann Elliesen ist Redakteur der Zeit-schrift E & Z. Entwicklung und Zusam-menarbeit

www.divida.org www.op.gov.mz/documentos/grupo20.htm

Fernando Menete: Zivilgesellschaftliche Basis wird stärker

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38 Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006

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Ein Affe schlendert an einem Fluß entlang und entdeckt plötzlich ei-nen Fisch. Er hatte zuvor noch nie

einen Fisch gesehen. „Die arme Kreatur wird ertrinken,“ denkt er. Todesmutig stürzt er sich in die Fluten, ergreift den Fisch und zieht ihn aus dem Wasser. Der Fisch zappelt heftig in seinen Händen. „Wie er sich freut, dass ich ihn gerettet habe,“ stellt der Affe glücklich fest. Ein paar Minuten später ist der Fisch tot. „Wenn ich fünf Minuten früher gekom-men wäre, dann hätte ich ihn retten kön-nen,“ bedauert der Affe.

Falsche WahrnehmungKeine Frage, wir sind mitten drin im Thema des diesjährigen Herbstseminars: „Stimmen gegen Armut – Beiträge der Zi-vilgesellschaft in Mosambik und Deutsch-land für eine armutsorientierte Entwick-lungspolitik“. Mit der Geschichte vom Affen und dem Fisch weist Elísio Maca-mo uns auf ein Kernproblem in der Ent-wicklungszusammenarbeit hin: Falsches Begreifen führt zu falschem Eingreifen. Die Folgen von Fehlentscheidungen tra-gen jedoch die Länder des Südens allein; sie können niemanden verantwortlich machen und verklagen, wenn andere für sie die falschen Entscheidungen getroffen, sie falsch beraten haben. Die Geldgeber geben nach dem „Trial and Error“-Prin-zip Lösungsstrategien vor, bei Misserfolg ändern sie ihre Philosophie und suchen nach neuen Strategien . Häufig wird für ein Scheitern „der Afrikaner“ verantwort-

lich gemacht; er ist schuld, dass es nicht funktioniert. In Wahrheit, so gibt Macamo zu bedenken, lassen sich falsche Ansätze und Projekt gewordene Philosophien nicht einfach wieder auslöschen, denn sie haben Spuren im Land hinterlassen, haben bestehende Strukturen verändert und dazu beigetragen, dass Mosambik, dass Afrika, so ist, wie wir es heute erle-ben. „Armutsbekämpfung in Mosambik – was können wir tun?“ mit dem Titel seines Vortrags kann Macamo sich nicht ganz anfreunden. Kann man Armut wirk-lich beseitigen und steht hinter der Frage nicht schon die überhebliche Grundü-berzeugung, dass Mosambik nicht in der Lage ist, seine Armutsprobleme selbst zu lösen? Mosambik scheint als Objekt für das schlechte Gewissen des Westens her-halten zu müssen. Um dieses Gewissen zu beruhigen, wurden Mosambik unter anderem die Schulden erlassen. Wozu? Um es wieder in die Lage zu versetzten, neue Schulden zu machen. Die Probleme im Süden werden allzuoft vom Norden, von der Entwicklungszusammenarbeit definiert; dort werden auch die Lösungs-ansätze erdacht und erarbeitet und mit Enthusiasmus und Überzeugungskraft nach Mosambik bzw. Afrika transpor-tiert. Die Mosambikaner sehen sich dem Aktionismus der Europäer ausgesetzt, müssen auf neue Strukturen, Konzepte, Programme reagieren und sind nicht selten damit überfordert. Sollte sich der Norden nicht hin und wieder die Frage stellen, ob das Misslingen von entwick-

lungspolitischen Ansätzen nicht in erster Linie darin begründet ist, dass der Norden von falschen Annahmen ausgeht – vom falschen Begreifen und Eingreifen in eine Welt, die komplex, vielschichtig und ein-fach anders ist als die europäische?

Elísio Macamo versteht es, wie kaum ein anderer, mit seiner leisen, unaufdring-lichen Art und seinen eindringlichen Ge-schichten ein Bild von Afrika, von Mo-sambik zu zeichnen, das sowohl bei den SeminarteilnehmerInnen, als auch bei den aus Mosambik geladenen Referenten gelegentlich Widerspruch, ja teilweise Unbehagen oder Unmut hervorruft. Nach und nach nimmt er uns vertraute und inzwischen auch liebgewordene Begriffe auseinander und entlarvt sie als rhetorische Hülsen, die mehr unserer Rechtfertigung dienen als dem Wohl der Menschen in Afrika.

Demokratische Strukturen stärkenDie Zivilgesellschaft, Lieblingskind der Öffentlichkeit und der Geldgeber, die es zu hätscheln und zu stärken gilt? Elísio Macamo stellt in diesem Zusammen-hang die Frage, inwieweit die mosam-bikanische Zivilgesellschaft tatsächlich soziale und gesellschaftliche Interessen des Landes und seiner Bevölkerung ver-tritt oder ob sie nicht vielmehr die vom Norden vorgegebenen entwicklungspoli-tischen Themen aufgreift, und umsetzt. Partizipation, beliebtes Schlagwort im Entwicklungshilfejargon, hält Macamo im Prinzip für gut und wünschenswert

Affe rettet FischAffe rettet FischReflektionen vom KKM-Herbstseminar

Von Judith Christner

Der Norden definiert die Probleme des Südens und liefert die Lösungen. Würde Afrika die geplanten Strategien, Programme und Projekte umsetzen, würde es dem Kontinent besser gehen. Oder nicht? Wenn Programm scheitern, wird häufig der Süden dafür verant-wortlich gemacht: Afrika sei zu korrupt, die Strukturen zu schwach… Kaum einmal wird hinterfragt, ob unsere Denk- und Lösungsansätze richtig sind. Die Konsequenzen aus den Entwicklungsexperimenten muss der Süden selbst tragen. Die Autorin fasst Eindrücke und Diskussionen des diesjährigen Herbstseminars zusammen.

Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006 39

– in der Praxis jedoch für problematisch. Vielfach, so führt er aus, ersetzt die so-genannte Partizipation die Auseinander-setzung mit dem politischen System, mit dem Parlament. In Überlegungen und Konzepten der Geldgeber spielt das Par-lament keine Rolle. PARPA II beispiels-weise, das mosambikanische Strategie-papier zur Armutsbekämpfung, wurde nicht im Parlament diskutiert und verab-schiedet. Kritische politische Streitfragen und Entscheidungen sollten in der von der Verfassung dafür bestimmten Arena ausgetragen werden und nicht an ihr vor-beigehen. Nur das Parlament spiegele die demokratischen Strukturen wieder und eine Umgehung dieser Strukturen schwä-che die Idee der Demokratie. Trotz vieler Schwächen sei das Parlament vom Volk gewählt.

Solidarische HandlungsoptionenMachen wir denn alles falsch? Sollen wir lieber gar nichts tun? Fast schleicht sich ein wenig Verzweiflung ein angesichts der aufgezeigten Fehlentwicklungen. Und Zweifel: Ist nicht doch auch die Sichtweise der beiden Referenten aus Mosambik, Benjamin Pequinino und-Fernando Menete richtig? Sie fordern die Unterstützung der Zivilgesellschaft, und zwar insbesondere solcher Gruppen, die nicht der Regierungspartei nahe stehen. Sollte der Staat nicht lieber umgangen werden, um nicht die Regierungspartei noch weiter zu stärken? Gibt es nicht doch zuviel Korruption im Staat und zu

wenig Transparenz bei der Verwendung der Mittel? Wird die Zivilgesellschaft nicht doch unterdrückt oder klein gehal-ten? Spielt sie nicht eine wichtige Rolle als unabhängige Kritikerin?

Wie immer war die Zeit viel zu kurz, um ausgiebig zu diskutieren und ver-meintliche Widersprüche aufzuklären. Doch am Ende gab es bei den meisten Beteiligten einen Konsens hinsichtlich dessen, dass sich die Solidaritätsbewe-gung in Deutschland langfristig nicht nur mit Entwicklung beschäftigen, sondern

sich um eine Re-Politisierung des Blicks auf Mosambik bemühen sollte.

Einen wachen und kritischen Blick auf die von der Zivilgesellschaft befürchte-te Frelimisierung von Politik und Verwal-tung werfen, Aktivitäten unterstützen, die das gewählte Parlament und damit die Demokratie stärken und entwickeln könnten und uns für mehr Rechtssicher-heit und Tranparenz auf allen Ebenen engagieren. Und auf jeden Fall weiter machen. Zwar gibt es keine Patentre-zepte, aber wir können uns bemühen um Geduld und einen langen Atem, um Menschen in Mosambik dabei zu unterstützen, sich Handlungsspielräume zu verschaffen, damit sie sich nicht wie Gäste im eigenen Land fühlen; ihnen Zeit lassen, die Veränderungen um sie herum zu verstehen und mit ihnen umzugehen. Und begreifen, dass schnelles Eingreifen vom Norden auf Dauer wenig hilft:

Macamo schließt mit einer eigenen Definition von Entwicklung: Die Fähig-keit, eigene Probleme zu schaffen und sie auch zu lösen – wenn eine Gesellschaft dazu in der Lage ist, dann hat sie es ge-schafft.

Eine Veröffentlichkeit der Seminarbeiträ-ge ist für das Jahr 2007 geplant.

Macamo: Demokratische Strukturen stärken

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Pequinino: Viele der so genannten NROs vertreten nur eigene Interessen

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Eine Gruppe von SchülerInnen und Lehrkräften der Gewerbeschule 6 in Hamburg reiste im Sommer

für einen Monat nach Mosambik. Da es sich bei der G 6 bislang um die einzige Berufsschule handelt, die Partnerschafts-kontakte mit Mosambik pflegt, stießen die Hamburger auf großes Interesse im Erziehungsministerium. Dort besteht der Wunsch einer stärkeren Kooperation im Bereich berufliche Qualifizierung. Neben Besuchen in der zukünftigen Partnerschu-le Escola Secundária de Moamba, wo die SchülerInnen gleich Hand anlegten und mosambikanische SchülerInnen bei der Reparatur kaputter Schulmöbel anleiteten, zeigten sich die SchülerInnen vor allem von den Projekttagen in der Bauschule von Massinga beeindruckt. Hier bauten mosambikanische und deutsche Tisch-lerauszubildende gemeinsam einen Fuß-ball-Tischkicker. Die mosambikanischen Auszubildenden, die bislang nur Türen, Tische und Stühle gefertigt hatten, mach-ten hier zum ersten Mal Erfahrungen mit handlungsorientiertem Lernen. Die deut-

schen Auszubildenden mussten sich auf vollkommen ungewohnte Fertigungsbe-dingungen einstellen.

Weiterer Erfahrungsaustausch im Bereich der Berufsvorbereitung ist geplant

G 6 in MosambikG 6 in Mosambik

„Illegitime Schulden streichen“ lautet die neue erlassjahr.de-Kampagne. Der G8-Gipfel 2007

in Heiligendamm und die deutsche EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 sollen genutzt werden, um die Frage der Legitimität bestimmter Schulden zum Thema zu machen. Sind die Menschen in Argentinien wirklich für die Schulden aus der nuklearen Zusammenarbeit zwischen der Militärjunta und deutschen Unter-

nehmen verantwortlich? Lange haben öf-fentliche wie private Gläubiger versucht, solche Frage einfach totzuschweigen. Die norwegische Regierung hat als erste Gläu-bigerregierung ausdrücklich wegen ihrer Mitverantwortung für eine verfehlte Kre-ditvergabe auf Rückzahlungen aus fünf Ländern verzichtet. Sie will sich auch in-ternational für eine Streichung illegitimer Schulden einzusetzen und die Weltbank entsprechend unter Druck setzen. Als

erste Aktion der deutschen Kampagne ist geplant, einen offenen Brief an die Bun-deskanzlerin zu schreiben. Das neue Fachinfo „Free Rider – Die Angst der Weltbank vor den Gläubigern“ befasst sich mit der aktuellen Diskussion über die Gefahr, dass unter bisherigen In-itiativen entschuldete Länder durch eine unkontrollierte Kreditaufnahme wieder in eine Überschuldungssituation zurück-fallen. Das Fachinfo liefert Hintergründe zur Situation und diskutiert alternative Lösungen, mit denen für eine deutsche Initiative zum G8-Gipfel geworben wer-den soll.Detaillierte und aktuelle Informationen finden sich auf der Website unter www.erlassjahr.de. Diverse Newsletter (Pres-seliste, Info-Liste, erlassjahr-Aktionen, Fach-Info) können kostenlos abonniert werden. Die Print-Ausgabe des Entschul-dungs-Kuriers erscheint zweimal im Jahr (Bestellinformationen auf der Website).

Gemeinsamer Bau eines Fußball-Tischkickers

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Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006 41

Der Berliner Stadtbezirk Lichten-berg und der 5. Distrikt von Ma-puto unterhalten die wohl einzige

deutsch-mosambikanische Städtepartner-schaft. Sie besteht seit nunmehr elf Jahren und wird immer wieder durch Austausch lebendig gehalten.

Kann so eine Partnerschaft über diese Entfernung funktionieren? Abgestimmt und ausgestattet mit „offiziellen Papie-ren“ der Bezirksbürgermeisterin Christi-na Emmrich und vom Verein Solidaritäts-dienst – international, SODI, begab ich mich auf eine private Reise.

Ich besuchte Schulen und Gesund-heitsstationen, Alphabetisierungskurse, die Lebensmittelausgaben an Aidswai-sen, die Verwaltung des 5. Stadtbezirkes und verschiedene Frauenorganisationen.

Dort erlebte ich eine funktionierende In-frastruktur, wenn auch auf niedrigem Ni-veau und eine große Offenheit, Improvi-sationstalent, Gelassenheit und Humor.

Ein Besuchsziel war der Verein der verwitweten und alleinstehenden Frauen, AVIMAS. Hier haben mich die Erfolge des Vereins beim Sammeln von Spenden überrascht. Mit diesen Mitteln war es möglich, ein kleines Haus zu kau-fen. Außerdem wurde ein Friseursalon eingerichtet, in dem auch ausgebildet wird. Über die gewerbliche Entwicklung wollen die Frauen Geld einnehmen, so auch durch Nähkurse im Haus. Gespen-dete Nähmaschinen ermöglichen diese Weiterbildung.

Zwei Schulen besuchte ich. Eine, die Primarschule in Bagamoyo, pflegt bereits eine Partnerschaft mit der Lichtenberger

Puschkinschule, die andere – die Primar-schule Malhazine – sucht noch Partner in Berlin-Lichtenberg.

So eine Städtepartnerschaft kann nur mit Nehmen und Geben funktionieren, das weiß auch der Bürgermeister des 5. Distriktes, Rui Matusse. Ein fachlicher Austausch ist zu vielen Dingen gewünscht und möglich. Beispielsweise zum Thema Gewalt an Schulen.

Von Berlin aus sind die Probleme in Maputo nicht lösbar, aber wir können helfen. So wie es beispielsweise die Lich-tenberger Puschkin-Oberschule tut, die jährlich einen „Run for help“ organisiert, deren Erlös der Partnerschule im 5. Di-strikt zugute kommt.

StädtepartnerschaftStädtepartnerschaftvon Birgit Monteiro

Schon das Bild auf dem Umschlag macht neugierig. Maria Mutola, die überragende mosambikanische

Läuferin, wie sie als Erste über die Zielli-nie läuft. Der Eindruck von Stärke und

Optimismus setzt sich auch im Innenteil der neuen Unterrichtsmaterialien „Wir al-le können gewinnen im Kampf gegen die Armut“ fort. Wie können die Millenni-umsziele in Mosambik erreicht werden? fragt Monika Scheffler, die auch schon für die Koordination Südliches Afrika lebendige Unterrichtsmaterialien zu den Millenniumszielen für die Sekundarstufe II entwickelte.

In den nun vorliegenden Materialien wird gezeigt, dass das Thema Millenni-umsziele am konkreten Beispiel Mosam-bik für Schülerinnen und Schüler der Se-kundarstufe I (ab der 7. Klasse) spannend sein kann.

Anhand von 20 Arbeitsblättern kön-nen die Jugendlichen sich damit beschäf-tigen, was Millenniumsziele sind, was sie beinhalten und wie sie erreicht werden können. Was ist notwendig, um Ziele zu erreichen? Welche Ziele der UNO konn-

ten in der Vergangenheit erreicht wer-den? Was ist Armut? Was kann gegen die Armut unternommen werden? Wo liegen die Unterschiede zwischen Deutschland und Mosambik? Was bedeutet der Kli-mawandel für Mosambik? Wie kann Ent-wicklungspartnerschaft aussehen? Diese und andere Fragen greift das Heft auf, didaktische Hinweise und Vorschläge für Lehrerinnen und Lehrer erleichtern die Unterrichtsvorbereitung.

Auch Menschen, die nicht dem Leh-rerberuf nachgehen, werden interessante Fakten zu den Millenniumszielen und Mosambik finden.

„Wir alle können gewinnen im Kampf gegen die Armut! Wie die Mil-lenniumsziele in Mosambik erreicht werden können“, Unterrichtseinheit für Sek. I ab 7. Klasse, Hrsg.: KKM, Bielefeld, 2006, 40 Seiten, 2,50 Euro plus Versand, ISBN: 978-3-00-0199769

Neue Unterrichtsmaterialien zu den Millenniumszielen und Mosambik

Wir alle können gewinnen!Wir alle können gewinnen!

42 Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006

S O L I D A R I T Ä T

Sie blicken freundlich oder grimmig, recken ihre Hände oder haben sie eng am Körper. Aus allen Rich-

tungen blicken den Betrachter markante Gesichter an. Die neun großen, bis zu drei Meter hohen Holzskulpturen, die 34 Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit dem Künstler Zeferino geschaffen haben, sind ein echter Hingucker. Vor fast zwei Jahren arbeitete Zeferino Chicoamba auf Einladung des KKM für anderthalb Monate in deutschen Schulen. Eine seiner Stationen war die Felix-Fechenbach-Gesamtschule in Leo-poldshöhe, die schon seit vielen Jahren für Mosambik engagiert ist. In Leopolds-

höhe stellte Schulleiter Gerfried Stanzel zwei Kunstleistungskurse für eine Woche vom normalen Unterricht frei. So hatten sie Zeit für das große Skulpturenprojekt. Aus riesigen Pappelstämmen entstanden mit Unterstützung von Zeferino und ei-niger Motorsägen die riesigen Skulpturen. Noch Monate brauchten die Schülerinnen und Schüler, um die Skulpturen fertig zu stellen. Der Aufwand hat sich gelohnt. Bürger-meister Gerhard Schemmel war so be-eindruckt, dass er die Skulpturen in der Gemeinde aufstellen ließ. So hat Zeferi-nos Besuch in Leopoldshöhe bleibende Spuren hinterlassen.

Masken von Zeferino werden inzwi-schen in Deutschland angeboten über die Recycelbar, ein Importunternehmen für Fairhandelsprodukte. Interessenten können sich wenden an: Ursula Jenkner, Sprottauer Str. 52, 53117 Bonn, Telefon: 02 28-96 69 90 15

Zeferinos SpurenZeferinos Spuren

Die Hauptschule Scharnhorst, die im Rahmen des WM-Schulpro-jekts „Fair Play for Fair Life“ die

Botschafterrolle für Mosambik übernom-men hatte (siehe Rundbrief 67), bekam im September selbst Botschafterbesuch. Carlos dos Santos, Mosambiks Botschaf-ter in Deutschland, stattete Scharnhorst einen Besuch ab. Jubelnd und Mosam-bikfähnchen schwingend, empfingen die Jugendlichen und Lehrkräfte den hohen Gast. In einer Ausstellung wurde ihm vorgeführt, was die Schule in den letzten anderthalb Jahren alles unternommen hat, um Mosambik zu repräsentieren. Im Rahmen des „Fair Play“ Projektes hatten die Dortmunder Hauptschule ihre Reprä-sentationsrolle so hervorragend erfüllt, dass sie mit einer „Wild Card“ ausge-zeichnet worden war, die sie zur Teilnah-me an den WM-Schulen-Finalspielen in Potsdam berechtigte.

Auch Botschafter dos Santos zeigte sich beeindruckt vom Engagement und der Begeisterung der Scharnhorster. Zum Besuchsprogramm gehörte eine Tanz-darbietung der Schülergruppe „Mozam-

Botschafter in DortmundBotschafter in Dortmund

bique Dancers“ und die Überreichung von Bildern zum Thema „Freundschaft mit Mosambik“, die die Jugendlichen im Kunstunterricht gemalt hatten. Bot-schafter dos Santos lobte den großen Einsatz der Scharnhorster und gab seiner

Botschafter Mosambiks unter sich ...

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Hoffnung Ausdruck, dass die neue Schul-partnerschaft zur Escola Secundária in Namaacha sich gut entwickeln möge. Auch die Scharnhorster wünschen sich langfristige Beziehungen zu der Schule in Mosambik.

Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006 43

ERDE

Zart ist der tau der die haut schauern lässtmit verschränkten armen wird die lust immer wenigernebel erfinde ich an stelle von glut beim durchquerender wüste des blickes der müde sogar resigniert isteingeengt ist die lust auf alles fast nichts

auch die felsen verbrauchen sichauch die seele aus stahl gibt schließlichden vergänglichsten ewigen unwettern nachwir legen blumen nieder auf ideale die unsgeformt haben – fundamente geländer und lücken

doch jeden moment zu jeder gegenwartgibt es kinder die besten karnickelfür das festmahl der makroökonomiedas bankett der statistiken aus papierdie uns verwalten bedrohen bedrängen

und erwachsene in ihrer ewigen kindheit streifen umherauf der suche nach versprochener erde und tempel im lichtedes mondes selbst wenn es tag ist und wartenauf den nächsten kometen die pest oder unwetteropfer oder sieg der letzte schmerz die letzte liebe

es schmerzt die seele am dünnen faden zu tragen den degen und säbel zwischen brustkorb und wandlasst mich trinken von der lava der noch flirrenden zeitund soviel ich kann kotzen von dieser angsterstarrt zu sein zwischen brennenden trümmern

und arglos pisse ich auf die sünde existieren zu müssenspucke ganz offen auf den konsens zwischen euchmeine herren ich mache mir in die hosen ganz ohnebefehl und für heute gibts keinen kuss meine liebeviel dreck und sarkasmus steckt in dieser fröhlichkeit

über die ich mich immer mehr ärgere und deshalbbleibe ich hier und verpasse auch das floßich weiß es wird eines tages zurückkehren müssenlangsam schleiche ich mich an die ecke wo ich ganz nah ander einsamkeit bin voll von mir und jetzt vollkommen leer

WASSER

Ich sehe das meer deutlich in der verlorenen irisdeiner weil dir schlecht ist halbgeschlossenen augenschritt für schritt will ich mich diesem meer näherndem ozean der unsere geheimnisse wahrt

von der flut weiß ich die sich ergießt an die ufer der lustauch deiner meiner sünden unser beider geheimnisseich und du – vielleicht – treibende muschelnam rande der angst an der grenze des begehrens

unsere körper bleiben uns noch tätowiertmit nichtigkeiten die hände gewaltig zu fäusten geballtdie unendliche landschaft verliert sich am ende der iriswir bewegen uns nicht mehr verharren gemeinsam in einsamkeit

denn illusion ist unsterblich ich erwarte den neuen tagkristallfarbenes blau weiße krone der welle aus schaumdein reiner blick dein schwaches lächeln das die liniedes horizonts überschreitet der in meiner brust ist

eine möwe kratzt am himmel und entzündet die nachtich sehe dich nackten mond muse der sonne die in mir brennt

Vom Willen (Da Vontade), Teil 1Vom Willen (Da Vontade), Teil 1

Von Guita Jr.(Übersetzung von Michael Kegler)

K U L T U R

44 Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006

K U L T U R

LUFT

In die lunge passt er nicht mehr der beißendequalm jener tage der rauchenden jointsdes hasses der nicht zu verdrängen ist

erstickt die lust zu schreienin die nacht hinaus frei unterm himmelbis zum nächsten luftholenlebendig zu sein leben und versuchen zu siegen

schaum und sabber rinnen aus dem mundder seufzer zwischen den lippen gefangendie sich verleugnen beim küssen und liebenund dir flüstern dass ich immer noch lebe und bin

und alles der vergessenheit übergebenich spüre den abgrund des ekelsdas zucken vor dem gewaltigen stöhnen den pfeil in die schläfe vergraben

FEUER

Ich habe das letzte streichholz aus einer streichholzschachtelich streiche es an und das pulver explodiert und es atmetnun brennt es die flamme erhellt mein gesichtund bevor die zigarette die ich noch habe anbrenntspüre ich dass die gedanken sich verwirren und stolpern und schattenin brand stecken die sich regen und immer mehr werdeneilige schritte steigen treppen hinauf und hinabschritte in den fluren in meiner brustdie zu keuchen beginnt

die augen halte ich offen ich gehetaumele zu einer riesigen roten leinwand die brenntdie flächen der hände pulsieren und schwitzenwerden feucht irgendwas ist da was brennt spüre ichregale und bücher in flammen sirenenautos absperrungen prügel halunkendiktaturen von früher zerberstendes holz vordem krachen der angst die sich bahn brichteine menschenmasse und dschungel indianerhand in hand und in flammen und brennen

blind spüre ich aschein den händen der brust im gesicht überallaus der ferne ein zaghaftes weinen eines kindesdas auf die andere seite spaziert

ICMA Literaturwettbewerb

Unter dem Titel „Moçambique-Alemanha, Cruzamentos Culturais“ veranstaltet das ICMA (Mosambikanisch-Deutsches Kulturinstitut) einen neuen Literaturwettbewerb

Mosambikaner und Deutsche können litera-rische Texte zu Erfahrungen einreichen, die sich aus den Überkreuzungen und Begeg-nungen der beiden Völker ergeben.

Die drei Gewinner erhalten Prämien von 500, 300 und 200 Euro. Die Texte müssen bis zum 28. Februar 2007 beim ICMA eingehen.

Für weitere Informationen: [email protected]

Guita Jr. (Francisco Xavier Guita Júnior) wurde 1964 im mosam-bikanischen Inhambane geboren,

wo er heute noch lebt und als Lehrer arbeitet. Er ist Gründungsmitglied der li-terarischen Zeitschrift Xiphefo sowie des gleichnamigen Kulturvereins.

Sein erstes Buch Agora e Depois das Coisas mit zuvor in Xiphefo veröffentli-chten Gedichten erschien 1997 im Verlag der mosambikanischen Schriftstellerverei-nigung AEMO. 1999 erhielt er für seinen Gedichtband Da Vontade de Partir den Prémio Fundação Rui de Noronha, wel-cher die Veröffentlichung des Bandes im darauffolgenden Jahr ermöglichte, 2001 erschien der mit dem Prémio de Poesia TDM ausgezeichneten Band Rescaldo bei Editorial Ndjira in Maputo.

2006 brachte der portugiesische Ver-lag Editorial Caminho Os Aromas Essen-ciais heraus, in dem Guita Da Vontade de Partir und Rescaldo – zwei Bände, die sich in den Augen des Autors auf die ei-ne oder andere Weise ergänzen – für die portugiesische Ausgabe zusammengefasst hat.

Die hier übersetzten Gedichte bilden den ersten Teil des Zyklus „Da vontade de Partir“ aus „Os Aromas Essenciais“, Editorial Caminho, Lissabon 2006. Die Veröffentlichung der Übersetzung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Ver-lages.

Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006 45

Bewegte, verrückte Zeiten

Straßenschild zu stoßen gilt. In der Stra-ße Nr. 513.2 gibt es Wichtigeres: Neue Bewohner ziehen in die verlassenen Häu-ser der Kolonialisten ein. Andere Weiße sitzen auf gepackten Koffern, manchmal wird ein bisschen nachgeholfen, wenn etwa das Haus des Dr. Pestana dem neu-en Parteisekretär gut gefällt. Doch bevor Pestana die Flucht nach Portugal antritt, durchbohrt er Wasser- und Stromlei-tungen und macht das Haus, das er ei-gentlich hatte behalten wollen, für die neuen Bewohner schlicht zur Ruine. Der Parteisekretär muss im Haus des faschis-tischen Inspektors Monteiro wohnen bleiben, und in die Ruine des Arzthauses ziehen später Binnenflüchtlinge ein oh-ne Papiere. Bewegte Zeiten, verrückte Zeiten, in denen Zeca Ferraz, der Auto-mechaniker, plötzlich die Wagen seiner Kunden herrenlos in der Garage stehen hat und Valgy, der tatsächlich verrückte indische Melancholiker, sein Geschäft in der Innenstadt fast täglich auf neue ökonomische und soziale Gegebenheiten einstellen muss.

Faszinierend ist, neben der ironischen, plaudernden, bisweilen fast Saramagoesk abschweifenden Erzählweise, wie João Paulo Borges Coelho so ganz nebenbei Abstand nimmt von dem seit Ascêncio de Freitas und spätestens Mia Couto ir-gendwie etablierten „afrikanisierenden“ Duktus mosambikanischer Prosa. Urban ist sein Ausdruck, wie das Ambiente und die Zeit, in der der Roman spielt, in der mit Traditionen (jedweder Couleur) zu-nächst einmal gebrochen wird.

Doch plötzlich sitzt im Wohnzim-mersessel des Parteisekretärs der faschis-tische Inspektor Monteiro. Im Haus der vielköpfigen Familie eines Angestellten der Bierfabrik mit Beziehungen ins Woh-

nungsbauministerium lebt weiterhin die frühere Besitzerin, eine gealterte Dirne einstmals „besserer“ Kreise, und als der neue halbseidene Geschäftsführer der nunmehr staatlichen Zitrusfrüchteexport-gesellschaft in seine Dienstvilla einzieht, scheint es dort auch nicht ganz mit rech-ten Dingen zuzugehen: Die Geister der Vergangenheit kehren zurück. Erst in Ge-stalt alter Porträts an den Wänden und in der Phantasie zweier Trunkenbolde, dann in der jener früheren, geflohenen, vertrie-benen oder anscheinend doch nicht ganz verschwundenen Bewohner der Straße, die ihren Nachfolgern zunehmend auf die Haut rücken. Und schließlich kommt es doch noch zum großen afrikanischen Zauber, dessen Hintergrund der schmut-zige Krieg ist, der eigentlich ja ganz ab-seits der schönen ruhigen Straße mit dem merkwürdigen Namen tobt.

Kurzum: Dem erst in diesem Jahr für einen anderen Roman mit dem Prémio José Craveirinha ausgezeichneten Histori-ker João Paulo Borges Coelho ist mit die-ser „Chronik“ des fiktiven Mikrokosmos der Straße Nr. 513.2 ein großartiges Por-trät der ersten Jahre nach der mosambika-nischen Unabhängigkeit gelungen: Frag-mentarisch und doch konsistent, quer zu ideologischen Interpretationslinien, iro-nisch, dramatisch, anspielungsreich und nicht frei von Metaphern, vor allem aber erzählerisch einfach brilliant.

João Paulo Borges Coelho:Crónica da Rua 513.2Editorial Caminho, Lissabon 2006

Die Straße Nummer 513.2 ist un-spektakulär. Rua da Boa Vista hätte man sie nennen können

– hat man aber nicht. Mit ihren von Gärten und Bougainvillien umgebenen Einfamilienhäusern hat sie sich irgend-wie zwischen das Meer und ein ärmeres Stadtviertel gedrängt, als wollten ihre por-tugiesischen Bewohner den Blickkontakt nicht verlieren zu dem Ozean über den sie einstmals gekommen waren. Das war vor der Revolution.

Nun aber drängt das Volk in die Stra-ße, rebellisch und aufgebracht. Schlag-worte machen die Runde und Umwäl-zungen. Auch Vertreibungen und Flucht, Versuche des reaktionären Widerstandes ewiggestriger. Die Revolution ist im Gange im ganzen Land, und auch in der Straße mit dem unspektakulären Namen, der bleibt, weil es keinen alten Helden zugunsten neuer Namen von Sockel und

Rezension zu João Paulo Borges Coelhos Roman Crónica da Rua 513.2

Bewegte, verrückte ZeitenVon Michael Kegler

46 Mosambik-Rundbrief Nr. 71 • Dezember 2006

Der andere Fuß der Sirene

Em todo o mundo é assim: morrem as pessoas, fica a História. Aqui, é o inverso: morre apenas a História,

os mortos não se vão. (Auf der ganzen Welt ist es so: Die Personen sterben, die Geschichte bleibt. Hier ist es umgekehrt: Nur die Geschichte stirbt, die Toten ge-hen nicht.)

Da ist Mwadia, die Frau, die mit ihrem Mann in einem Ort namens Anti-gamente (Einstmals) lebt. Aber dann fällt eine Sternschnuppe vom Himmel, und auf der Suche nach ihr findet Mwadia ei-ne Madonnenstatue. Seltsamerweise hat die ausgeblichene, beschädigte Statue nur einen Fuß. Auf Anraten des Curandeiro macht sich Mwadia auf den Weg in ihren Heimatort Vila Longe (das weit entfernte Dorf), um dort für die Statue eine neue Heimat zu suchen.

Im Jahr 1560 begegnet uns die Sta-tue wieder: Der Jesuit Gonzalo da Sil-veira sticht von Goa aus in See, um den legendären König von Monomotapa zu suchen. Mit an Bord sind ein junger Prie-ster und der als Dolmetscher fungieren-de Sklave Nimi Nsundi aus dem Kongo. Der hält die geweihte Marienstatue, die Gonzalo mit sich führt, für die im Kongo beheimatete Göttin Kianda, eine Sirene. Als er versucht, Kianda wieder in ihre Si-renengestalt zu verwandeln und ihr einen Fuß abhackt, wird er ertappt und zum Tode verurteilt. Die Statue aber bleibt, wie sie ist, wird nicht ausgebessert und wird später für eine Nacht dem Kaiser von Monomotapa überlassen in der Hoff-nung, ihn so zum christlichen Glauben zu bekehren.

Im Vila Longe, in einer vergessenen Ecke Mosambiks, wo Mwadia sich mit ihrer Vergangenheit konfrontiert sieht,

trifft gleichzeitig ein amerikanisches Missionars ehepaar ein: Er Afroamerika-ner, sie Brasilianerin. Sie arbeiten für ei-ne Organisation zur Armutsbekämpfung und interessieren sich für die Geschichte der Sklaverei – was große Verwunderung auslöst, denn was soll diese Beschäftigung mit der Vergangenheit?

Der zunehmend von der afrikani-schen Realität desillusionierte Missionar steigert sich als Kompensation in alles hin-ein, was ihm als traditionelle Spiritualität angeboten wird. Höhepunkt ist eine von der Dorfgemeinschaft inszenierte Initiati-on, während derer er einen afrikanischen Namen erhält. Danach verschwindet er spurlos.

Derweil erliegt seine brasilienstäm-mige Frau dem Werben des Ex-Boxers und Ex-Posthalters Matambira. Und ihr gelingt es, in die Geheimnisse der Men-schen von Vila Longe einzudringen, die

oft im Widerspruch zu den gesellschaftli-chen Rollen stehen, die diese einnehmen. Zugleich wird sie sich zunehmend ihrer Brasilianität bewusst, die sie so anders macht als ihre Umwelt.

Mia Couto spart nicht mit bissiger Ironie, wenn er die kulturellen Missver-ständnisse in der Begegnung der von außen Kommenden mit den Bewohnern von Vila Longe schildert.

Und doch bleibt die Mestiçagem, also das Neue, das aus der Mischung diverser Kulturen entsteht, eines der große The-men, das sich, wie in allen seinen Roma-nen, auch hier, auf allen Ebenen wieder findet. Die vielfältige Spiritualität, die den Roman durchzieht, stellt sich indes so dar, dass in Vila Longe die Grenze zwischen Leben und Tod aufgehoben sind, weil die Toten nicht gingen und die Lebenden le-bendig begraben sind. Die Grenze zwi-schen Traum und Wachsein ist fließend, die Geister der Vergangenheit sprechen zu uns, und Menschen verwandeln sich in längst Verstorbene. Und jeder lauscht seinen unterschiedlichen inneren Sirenen und Dämonen und versucht, mit ihnen zu leben.

Mia CoutoO outro pé da sereiaEditorial Ndjira (Maputo) / Editorial Caminho (Lissabon) / Companhia das Letras (São Paulo)

Claudia-Maria Kukla studierte Latein-amerikanistik, Luso- und Frankophonie. Heute ist sie als Beraterin im Auftrag des Weltfriedensdienstes bei der lokalen Or-ganisation ProPAZ in Maputo tätig.

K U L T U R

Rezension zu Mia Coutos neuem Roman

Der andere Fuß der SireneVon Claudia-Maria Kukla