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© RAINER MAURER, Pforzheim - 1 - Prof. Dr. Rainer Maurer - 1 - Prof. Dr. Rainer Maurer Exkurs: Der Nordamerikanische Auto-Pakt von 1964 und seine Auswirkung auf den intra-industriellen Handel Eine Art „natürliches Experiment“ für das Zustandekommen und die Wirkung von intra-industriellem Handel stellt der Nordamerikanische Auto-Pakt zwischen den USA und Kanada von 1964 dar: Bis 1964 waren die Zölle auf Fahrzeuge zwischen den USA und Kanada so hoch, dass es nur wenig Handel mit Autos zwischen beiden Ländern gab. Da in Kanada die gleichen Firmen wie in den USA tätig waren, stellte die kanadische Autoindustrie in der Tat eine um den Faktor 1/10 verkleinerte Version der US-Autoindustrie dar. Die Produktivität der Kanadischen Werke war aufgrund der Existenz von Größenvorteilen um rund 30 % niedriger als in der US-Industrie. Gründe dafür werden deutlich, wenn man bedenkt, dass in Kanada aufgrund der kleineren Absatzmengen in einem Werk mehr als nur ein Modell hergestellt wurde. Dies machte regelmäßig mehrere Wochen dauernde Werkschließungen für die Produktionsumrüstung notwendig. Als 1964 dann mit dem Auto-Pakt eine Freihandelszone für Autos zwischen den USA und Kanada errichtet wurde, strukturierte sich die gesamte Industrie um: In Kanada wurde die Produktpalette von General Motors z.B. um die Hälfte reduziert. Trotzdem kam es in der kanadischen Autoindustrie nicht zu einem Arbeitsplatzabbau, weil bei den verbliebenen kanadischen Autotypen die Produktionsmengen ausgedehnt wurden. Der Produktionszuwachs bei diesen Typen wurde dann in die USA exportiert, während die Autotypen, die vormals in Kanada hergestellt wurden nun aus den USA importiert wurden: Es setze also massiver intra-industrieller Handel ein.

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- 1 -Prof. Dr. Rainer Maurer - 1 -Prof. Dr. Rainer Maurer

Exkurs: Der Nordamerikanische Auto-Pakt von 1964 und seine Auswirkung auf den intra-industriellen Handel

Eine Art „natürliches Experiment“ für das Zustandekommen und die Wirkung von intra-industriellem Handel stellt der Nordamerikanische Auto-Pakt zwischen den USA und Kanada von 1964 dar:

Bis 1964 waren die Zölle auf Fahrzeuge zwischen den USA und Kanada so hoch, dass es nur wenig Handel mit Autos zwischen beiden Ländern gab. Da in Kanada die gleichen Firmen wie in den USA tätig waren, stellte die kanadische Autoindustrie in der Tat eine um den Faktor 1/10 verkleinerte Version der US-Autoindustrie dar.

Die Produktivität der Kanadischen Werke war aufgrund der Existenz von Größenvorteilen um rund 30 % niedriger als in der US-Industrie. Gründe dafür werden deutlich, wenn man bedenkt, dass in Kanada aufgrund der kleineren Absatzmengen in einem Werk mehr als nur ein Modell hergestellt wurde. Dies machte regelmäßig mehrere Wochen dauernde Werkschließungen für die Produktionsumrüstung notwendig.

Als 1964 dann mit dem Auto-Pakt eine Freihandelszone für Autos zwischen den USA und Kanada errichtet wurde, strukturierte sich die gesamte Industrie um: In Kanada wurde die Produktpalette von General Motors z.B. um die Hälfte reduziert. Trotzdem kam es in der kanadischen Autoindustrie nicht zu einem Arbeitsplatzabbau, weil bei den verbliebenen kanadischen Autotypen die Produktionsmengen ausgedehnt wurden. Der Produktionszuwachs bei diesen Typen wurde dann in die USA exportiert, während die Autotypen, die vormals in Kanada hergestellt wurden nun aus den USA importiert wurden: Es setze also massiver intra-industrieller Handel ein.

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Exkurs: Der Nordamerikanische Auto-Pakt von 1964 und seine Auswirkung auf den intra-industriellen Handel

Während 1962 Kanada lediglich Autos im Wert von 16 Millionen US-$ in die USA exportierten und aus den USA Autos im Wert von 519 Millionen US-$ importierten, exportierte Kanada 1968 Autos im Wert von 2,4 Milliarden US-$, während sie aus den USA Autos im Wert von 2,9 Milliarden US-$ importierten. Sowohl Importe als auch Exporte erhöhten sich also drastisch.

Auch in der Entwicklung der Produktivität schlug sich der intra-industrielle Handel so nieder wie von der Theorie impliziert: 1970 hatte die kanadische Autoindustrie ihren durch niedrige Stückzahlen verursachten Produktivitätsrückstand fast vollständig aufgeholt.

(Quelle: Krugman/Obstfeld (2006, S. 130-131)

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Autoproduktion vor Abschluss des Nordamerikanischen Auto-Pakts:

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USA Kanada

Produktion auf dem US-amerikanischen Markt

=>

Große Nachfrage

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Große Produktionsmengen

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Starke Wirkung der Größenvorteile

=>

30% höhere Produktivität

Produktion auf dem kanadischen Markt

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10x kleinere Nachfrage

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10x kleinere Produktionsmengen

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Geringere Wirkung der Größenvorteile

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30% niedrigere Produktivität

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= um Faktor 10

verkleinerte Version der

US-Produktion

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Autoproduktion nach Abschluss des Nordamerikanischen Auto-Pakts:

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USA Kanada

=> Ausnutzung der Größenvorteile durch lokale Konzentration der Produktion:

=> Gemeinsamer Automarkt = Keine Handelsschranken!

Verlagerung der Produktion in die USA

Verlagerung der Produktion nach Kanada=> Starker Anstieg der Produktivität in Kanda aufgrund starkem Anstiegs der Produktions-mengen je Produkttyp!

=> Anstieg der Produktivität in den USA aufgrund Anstiegs der Produktionmengen je Produkttyp!

=> Ausgleich der lokalen Überschussproduktion durch Export!