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Chökor TIBETHAUS JOURNAL www.tibethaus.com Ausgabe 56_12_2013 | 6,00 EURO BUDDHISMUS · GESELLSCHAFT · KUNST + KULTUR · HEILKUNDE · WISSENSCHAFT

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Chökor TIBETHAUS JOURNAL

www.tibethaus.com Ausgabe 56_12_2013 | 6,00 EURO

BUDDHISMUS · GESELLSCHAFT · KUNST + KULTUR · HEILKUNDE · WISSENSCHAFT

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DER DALAI LAMA KOMMT IM MAI 2014 NACH FRANKFURT

Seine Heiligkeit, der 14. Dalai Lama wird auf Einladung des Tibethaus Deutschland e.V. vom 13. bis 16. Mai 2014zu Gast in Deutschland sein.

Im Ruhrgebiet am 13. - 14. Mai 2014 (in Kooperation mit dem Projekt HERAUSFORDERUNG ZUKUNFT) in Frankfurt am Main vom 14. - 16. Mai 2014

TERMINE IN FRANKFURT AM MAIN: DONNERSTAG, 15. MAI 2014

9.30 - 11.30 Uhr | Diskussionsrunde: Ethik ohne Religion?Die Herausforderung der Weltreligionen durch eine säkulare Gesellschaft.S. H. der Dalai Lama wird mit namhaften Vertretern der Weltreligionen zusammenkommen.

14.00 - 15.30 Uhr | Öffentlicher Vortrag: Mitgefühl und SelbstbewusstseinS. H. der Dalai Lama spricht über grundlegende Orientierungen in der modernen Gesellschaft.

AM FREITAG, 16. MAI 2014 findet in Frankfurt außerdem das erste Tibethaus-Benefiz-Konzertstatt mit deutschen, internationalen und tibetischen Künstlern.

Weitere Informationen zu den Veranstaltungsorten, auch im Ruhrgebiet, zu Referenten, zur Ticket-bestellung (ab 10. Januar 2014) u.v.m. finden sich unter:www.dalailama-frankfurt.infowww.dl2014.de

Tibethaus Deutschland e.V. ist ein tibetisches Kulturinstitut in Frankfurt am Main, das unter der Schirmherrschaft S. H. dem 14. Dalai Lama und unter der Spirituellen Leitung von S. E. Dagyab Kyabgön Rinpoche steht.www.tibethaus.com

© Tenzin Choejor © Manuel Bauer© Tamara von Rechenberg

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Mustang – mein wohl längster Weg zu einem Interview Tamara von Rechenberg

Foto © Tamara von Rechenberg

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Mustang – geographisch, kulturell, historisch

Bereits vor mehr als zehn Jahren wurde ichdurch eine Dokumentation auf eine Gegendim Himalaya aufmerksam, von der ich zuvornoch nie etwas gehört hatte.

Sie handelte von der Schönheit der Berg-welt Mustangs, dem ehemals unabhängi-gen und ältesten Königreich Lo im Nordenvon Nepal. Es ist unterteilt in Lower undUpper Mustang. Die obere Region liegtmit einer Größe von 2.563 km² zwischenden Distrikten Dolpo, Manang und Myadian der Grenze zum tibetischen Hochland.König Jigme Palbar Bista, der in dem klei-nen, dorfähnlichen Hauptort von Mustangnamens Lo Manthang lebt, ist der 25. Re-präsentant der Lo-Dynastie. Er trägt nochheute den offiziellen Titel Raja (König) undist mit der tibetischen Adeligen SahibaSidol Palbar Bista verheiratet. Anfang 2008trat der König aufgrund der Abschaffungder Monarchie in Nepal von seinem Amtzurück. Er wird jedoch weiterhin in deminnenpolitisch autonomen Mustang alsRaja respektiert und hat sich neben sei-nen repräsentativen Aufgaben u.a. auchum das Wohl, d.h. die wirtschaftlichenund sozialen Belange der 12.000 Lopas zukümmern.

Mustang – das Land der Lopa

Das kleine, ganz versteckte Königreich im„verbotenen Land“ hinter den Bergen desHimalaya ist erst seit 1992 für Ausländerzugänglich. Wenn von Mustang gesprochen wird, trittein Strahlen auf die Gesichter derjenigen,die diese einzigartige Landschaft bereisthaben. Auch heute braucht man eine Sonder-genehmigung und muss 50 US-Dollar proTag zahlen, um Mustang und die atembe-raubende Schönheit des Himalaya erlebenzu können. Viele Touristen scheuen diesehohen Kosten und weichen auf alterna-tive Wege in der umliegenden Himalaya-Region aus. Erst in diesem Jahr wurde dieStraße nach Mustang fertiggestellt, undschon wird darüber diskutiert, ob der damitverbundene Komfort-Tourismus ein Segenoder ein Fluch für das Land sein wird. Diemeist immer noch unter der Armuts-grenze lebende Bevölkerung ist mehr-heitlich tibetischen Ursprungs. Ihre haupt-sächliche Einkommens- und Nahrungs-quelle ist die Landwirtschaft sowie dasZüchten von Schafen und Ziegen. AuchYaks sieht man vereinzelt in dieser nahezubaumlosen Gegend. Angebaut werdenauf den wegen der Trockenheit künstlichbewässerten Feldern meist Weizen oderGerste. Die Dörfer sind häufig sehr abge-

legen. Manchmal kommen Reisende, auchum zu essen oder auf der Suche nach einerÜbernachtungsmöglichkeit. Die neue Straßeverändert diese Situation zunehmend.Nun rauschen zahlungskräftige Touristenin Mietfahrzeugen an den Dörfern vorbei,was zur Folge hat, dass diese zusätzlicheEinkommensquelle der Einwohner immermehr versiegt.

Mustang – Begegnungen auf dem Reiseweg

Mustang stand schon lange ganz obenauf meiner Reiseziel-Wunschliste, docherst in diesem Jahr war es mir möglich,diese Reise in einen der abgelegenstenWinkel dieser Erde zu unternehmen.Ein Journalistenfreund aus Dharamsala,Saransh Sehgal, und ich machen uns alsoauf den Weg. Von Pokhara aus kann mannormalerweise in ca. 20 Minuten mit einemkleinen Flugzeug nach Jomsom fliegen.Doch im August lässt der „Heavy Mon-soon” dies nicht immer zu. Das hat zurFolge, dass wir genötigt sind, bei starkenUnwettern zu Fuß, per Bus oder mit einemJeep über eine Schlammpiste nach Jomsomzu gelangen. Jomsom befindet sich aufeiner Höhe von 2.700 m und ist eine reineDurchgangsstation mit einer „GermanBakery” und einheimischen „Momo-Res-taurants”, wo es neben dem berühmtenApfelbrandy auch Coca-Cola zu trinkengibt. Der nächste Ort ist Kagbeni. Er liegtmit seinem alten Kloster im Windschattenvon zwei Achttausendern (Annapurnaund Dhaulaghiri) im oberen Kali GandakiTal in Lower Mustang und wird als „Tornach Mustang” bezeichnet. Die dort leben-den jungen Mönche werden von einemsehr liebenswerten Klostervorsteher be-treut, den wir − zu seiner Freude − mitgefalteten Händen vor der Brust mit TashiDelek begrüßen.

Mustang – wo die Schönheit grenzenlos scheint

Unsere Weiterreise in das menschenleereUpper Mustang, in dem der ehemaligeRegierungssitz liegt, führt uns durch eineimposante Bergwelt und wüstenähnlicheTäler, vorbei an bizarren Felsformationen,Höhlen mit durchlöchertem Sandsteinund tiefen Schluchten. Hier hoffen wir, denKönig interviewen zu können.

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Zu Fuß oder auf dem Pferderücken kom-men wir in abgelegene Dörfer mit kleinendurch künstliche Bewässerung entstan-denen Oasen. In tiefergelegenen Regio-nen sieht man auch Obst- und Gemüse-anbau, wie z.B. das bekannteste Apfel-und Aprikosenanbaugebiet Nepals inMarpha, Tukuche. Auf dem Weg besuchenwir viele traditionelle Pilgerorte wie z.B.die alte Königsstadt Tsarang (3.560 m).Oder auch das Höhlenheiligtum ChyungsiRhanchung Chörten (3480 m) hinter demOrt Samar, in dem die Votivtafeln desPadmasambhava zu sehen sind. Wir wohnen in Privatunterkünften sowiein einfachen Herbergen. Je höher wir stei-gen, desto schwerer fällt das Atmen,insbesondere auf den mehr als 4.000 mhohen Pässen. Dennoch ist es eine großeFreude, den Achttausendern, die oft ausden Wolken herausragen, so nahe zusein. Wir werden bescheiden angesichtsdieser grandiosen Landschaft, aber auchdurch das Erleben der Dorfgemeinschaf-ten. Hautnah bekommen wir das einfacheLeben der Menschen mit und die gegen-seitige Unterstützung in diesem oft exis-tenzbedrohenden, ariden Klima.Abends, wenn wir nicht todmüde in un-sere Schlafsäcke kriechen, sitzen wir zu-sammen und formulieren unsere Fragenfür das geplante Interview. Diese ergebensich wie von selbst aus unseren Begeg-nungen und Eindrücken. Auch sind wir

uns bewusst, dass die Fluchtroute Tau-sender Tibeter, die nach der BesetzungTibets durch China geflohen waren, hierentlang führte. Langsam aber sicher nähernwir uns dem Hauptort Lo Manthang. Aufdem Weg dorthin gibt uns der eine oderandere Einheimische Tipps, wie wir er-folgreich Kontakte für das von uns er-hoffte Interview mit dem König knüpfenkönnen. Und auch mit dem Kronprinzenvon Mustang, dem Neffen des Königs, derzum Nachfolger bestimmt wurde. Ob wirjedoch auf politische Fragen, die wir stel-len möchten, überhaupt Antworten be-kommen werden, erscheint uns fraglich.

Mustang – ein Traum wird wahr

Irgendwann ist es nicht mehr weit, undvor uns öffnet sich der Blick auf die atem-beraubende Kulisse nördlich des Anna-purna-Massivs. Bereits von den hohenPässen aus erspähen wir Upper Mustangund das hinter der gewaltigen Gebirgs-kette des Himalaya versteckt liegendeLo Manthang. Und dann endlich können wir den vier-stöckigen, festungsartigen ehemaligenKönigspalast, der über 600 Jahre alt ist,betreten. In den nächsten zwei Tagenwerden wir für unsere Mühen und An-strengungen der bisherigen Reise mehrals belohnt: Das Interview mit dem Kron-prinzen von Mustang, Jigme Singi Palbar

Bista, und die Audienz mit dem König sindgenehmigt. Ein weiteres Interview können wir mitdem Italiener Luigi Fieni arrangieren,der seit 2001 wichtige Restaurierungsar-beiten in Mustang mit Hilfe eines kleinenTeams von Einheimischen durchführt. Inden Tempeln und Höhlen von Lo Manthangwurden von der American HimalayanFoundation (AHF) im Jahr 1998 Reste vonäußerst kunstvollen Wandmalereien ausdem 15. Jh. entdeckt. Die AHF hat es sich zur Aufgabe gemacht,die durch Ruß und Schmutz fast unkennt-lich gewordenen kostbaren Kulturschätzewieder sichtbar zu machen. Die Farbenund Formen dieser alten buddhistischenMalereien, die aufgrund des hier herr-schenden rauen Klimas und durch Erdbe-ben größtenteils zerstört wurden, warennur noch zu erahnen. Die ersten, sehr auf-wendigen Restaurierungsarbeiten in Formvon Säuberungen wurden mit Hilfe effi-zientester Methoden durchgeführt undbrachten schon bald die wahre Schönheitdieser Kunstwerke zutage. Luigi Fieni hat gegen jegliche Traditiondurchgesetzt, dass auch Tibeterinnen ihnbei den Restaurierungs arbeiten unter-stützen dürfen. Frauen haben normaler-weise in dieser Gegend fast keine bzw.nur sehr eingeschränkte Zukunftsper-spektiven außerhalb der Familie.

Foto © Tamara von Rechenberg

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Wir suchen also die aus dem 15. Jh. stam-mende Thubchen Gompa auf. Die dort vor-genommenen Restaurierungen werdenvon Mantras des Teams um Luigi Fieni be-gleitet, d.h., buddhistische Gebete fließenin die Arbeit an diesen Wandmalereienein. Bereits am Eingang zur ThubchenGompa werden wir von den vier Ton-statuen der „Wächter der vier Himmels-richtungen“ begrüßt. Im Inneren derGompa, in der großen Versammlungs-halle, findet sich die Statue Padmasam-bhavas und seiner beiden Gefährtinnen.Am Abend besuchen wir die Jampa Gompa,das im Jahr 1387 erbaute und älteste Klos-ter von Lo Manthang. Dort sind wiederMantra-Klänge zu hören, die auf einegroße, festliche Zeremonie hindeuten, derwir schließlich beiwohnen dürfen. Die tra-ditionellen Rituale der hier lebenden sehralten Mönche und jungen Lamas lassenuns in ein alle Sinne umfassendes Erle-ben von Räucherwerk, Farben und Klän-gen eintauchen. Überraschend wird unsauch ein Interview mit Gyalchung PalbarRinpoche, dem jungen Lama, gewährt.Upper Mustang ist bisher vom Massen-tourismus noch nahezu verschont geblie-

ben. Die Reise hat es uns ermöglicht,einen Ort zu erleben, an dem die tibe-tische Kultur noch mehr oder wenigerungestört gelebt wird.Auch begleitete uns Lama Tsering Tashi,der Abt und Direktor der Klosterschulevon Lo Manthang, zwei Tage lang und waruns in vielerlei Hinsicht eine große Hilfe.Ihm gilt unser größter Dank, denn nurdurch seine Vermittlung war es möglich,in nur 48 Stunden all das Schöne undInteressante zu erleben. Wenn Sie uns – meinen Begleiter SaranshSehgal und mich − heute auf Mustangansprechen, werden Sie in zwei strah-lende Gesichter mit leuchtenden Augenschauen.

Tamara von Rechenberg studierteMarketing und Kommunikation in Frank-furt. 1988 gründete sie zusammen mitJürgen Schubert die „cct werbeagentur“ inHeidelberg. Seit vielen Jahren unterstütztsie tibetische Institutionen und fotogra-fiert während der Reisen, Vorträge undUnterweisungen des Dalai Lama weltweit.

Foto © Tamara von Rechenberg

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Interview mit Restaurator Luigi Fieni

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In der Hauptstadt Lo Manthang arbeitet der italienische Kunstrestaurator Luigi Fieni mit seinem Team, um dort die kulturellen Reichtümer des Tales zu restaurierenund zu bewahren. Fotos © Tamara von Rechenberg

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Saransh Sehgal: Wie kamen Sie zu die-ser Tätigkeit als Restaurator buddhisti-scher Klöster im Himalaya?

Luigi Fieni: Durch Zufall, aber auch durchgroßes Glück, weil ich gerade mein Res-taurator-Studium in Italien abschloss undmein Professor Kontakt zu dem Architektenhatte, der mit den Restaurierungsmaßnah-men hier bereits begonnen hatte. Dieserbat meinen Professor, das Projekt zu über-nehmen und einen Assistenten mitzubrin-gen. So kam ich hier bereits eine Wochenach meinem Abschluss an. Zunächst warich Assistent, aber nach vier oder fünfJahren übergab mir mein Professor alles,und ich wurde verantwortlich für Projektein Asien.

S.S.: Gefällt es Ihnen hier im OberenMustang in Nepal?

L.F.: (lacht) Sonst würde ich nicht immerwieder herkommen!

S.S.: Soweit wir wissen, kommen Siebereits seit 15 Jahren für dieses Projekthierher.

L.F.: Genau. Die Zeit vergeht schnell. Ichbin hier quasi groß geworden, denn beimeiner Ankunft war ich 25 und jetzt binich 40 Jahre alt. Wir, also das Team, sindhier zusammen groß geworden.

S.S.: Wir haben auch gehört, dass Sie tibe-tische Frauen als Restauratorinnen einge-stellt haben. War das einfach?

L.F.: Nein, überhaupt nicht. Es war zu vielArbeit für drei Restauratoren. Und als wirmehr Leute anforderten, schickte man uns– sogar als Auszubildende – nur Männer.Da wollten wir wissen, warum sie keineFrauen schickten, was das sollte. Im Grundehaben wir mit der Tradition gebrochen,dass Frauen keine sakralen Objekte odersonst irgendetwas im Kloster berührendürfen. Sie galten als unrein. Deshalbbrauchten wir drei Jahre, bis wir vom Abtdes Klosters Lo Gekar eine Genehmigungerhielten.

S.S.: Hat die buddhistische Gemeinde dar-auf reagiert?

L.F.: Ja. Das verstieß gegen die Regeln,war traditionell nicht vorgesehen. Wir ver-

stießen gegen die Sitten, wollten aber un-bedingt Frauen dabeihaben, weil sie so ge-duldig sind, wie es diese Arbeit erfordert.

S.S.: Mit welchen Problemen werden Siedenn in der alltäglichen Arbeit konfron-tiert?

L.F.: Wir haben hier ganz viele Probleme.Manchmal kommen sie unerwartet, manch-mal gefällt einem aber auch das Arbeits-ergebnis nicht, dann müssen Korrekturenvorgenommen werden. Wir müssen mitdem Klima klarkommen und manchmalauch mit Naturgewalten. Im letzten Jahrbildeten sich zwei Risse im Kloster, so dasswir die Restaurierung und den neuen An-strich noch einmal überarbeiten mussten.Jeden Tag passiert etwas Unerwartetes,und jedes Mal grübelt man darüber, wel-che Möglichkeiten einem eigentlich zurVerfügung stehen. In Europa ist das vieleinfacher. Wenn man etwas braucht, greiftman zum Telefon und schon ist es unter-wegs. Hier ist das viel komplizierter.

S.S.: Sie sind jetzt seit über 15 Jahren hier –identifizieren Sie sich mit den Einheimi-schen?

L.F.: Weitgehend. Ein Mitglied des Teamsist schon von Anfang an dabei. Im Jahr2005 oder 2006 betrachtete ich einmalseine Hände und sagte ihm, dass mir seinRing gefiel. Einen Monat später organisier-ten meine Mitarbeiter dann eine kleineGeburtstagsparty für mich. Kurz vor Mit-ternacht begleitete er mich zurück nachHause. Er sah mich an und nahm seinenRing ab. Das war ein ganz besondererAugenblick für mich.

S.S.: Wenn Sie eines Tages aus Mustangfortziehen müssen, wohin gehen Sie dann?

L.F.: Keine Ahnung! Ich würde gern mitmeinem jetzigen Team weiterarbeiten.Wir haben hier 15 Jahre gemeinsam ver-bracht und sind alle sehr, sehr gut gewor-den. Ich würde die anderen also gern inweiteren Projekten in Asien einsetzen.Finden Sie mal ein kleines spezialisiertesTeam, das Restaurierungen in Asien sodurchführt, wie es erforderlich ist!Es handelt sich hier ja nicht um Museen,sondern um lebendige Tempel, wo Men-schen beten und Bilder zugänglich seinmüssen. In Europa bzw. im Westen liegt

den Menschen mehr an den Künstlernals am eigentlichen Bild. Das ist hier an-ders. Das muss sich ändern. Die Leutevon der American Himalayan Foundation,mit denen ich zusammenarbeite, und dieLeute hier vor Ort wollen das auch. Ichmöchte außerdem diese Methode ein-führen, eine neue Art zu restaurieren, dieMalerei und Restaurierung zusammen-führt.

S.S.: Welche Botschaft möchten Sie denMenschen aus diesem kleinen, altenbuddhistischen Kloster in Mustang mit-geben?

L.F.: Die meisten Probleme entstehenaus Mangel an Respekt. Ich finde, vieleWestler treten bei ihrer Arbeit bzw. ihremLeben im Ausland wie Kolonialisten auf,das ist problematisch. Es wäre schön,wenn jeder die Belange und Unterschiededer jeweiligen Kulturen verstehen undrespektieren würde. Das ist mein Wunsch,und das versuche ich hier auf meine Weiseim Rahmen meiner Restaurierungsarbeitumzusetzen.

S.S.: Nennen die Einheimischen Sie nun„Luigi Mustangi“?

L.F.: (lacht) Die meisten.

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Foto © Tamara von Rechenberg

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Saransh Sehgal: Wie fühlt man sich alsTeil dieser jahrhundertealten Monarchievon Mustang?

Jigme Singhe Palbar Bista: Ich bin stolzauf alle guten Taten meines Vaters. Wegenmeiner Eltern empfinde ich immer noch einetiefe Zuneigung zu den Menschen hier. Esist ein Segen, Teil dieses Königreichs zu sein!

S.S.: Welche Probleme haben die Men-schen in Mustang zu bewältigen?

J.S.P.B.: Wir haben nach wie vor zahlrei-che Probleme. Viele alte Klöster müssenrestauriert werden. Auch der Gesundheits-und Bildungsbereich muss dringend aus-gebaut werden. Mein Haupt augenmerkgilt jedenfalls uneingeschränkt der All-gemeinbildung meiner Landsleute.

S.S.: Haben Sie gute Erinnerungen anTibeter auf der anderen Seite der Grenze?

J.S.P.B.: In Tibet haben wir nicht nurFreunde, sondern auch enge Verwandte.Meine Mutter stammt aus Shigatse [derzweitgrößten Stadt in Tibet] und meineFrau aus Lhasa. Deshalb hatte ich schonimmer eine enge Verbindung zum tibeti-schen Volk.

S.S.: Die Straße, die von China, d.h. dertibetischen Grenze, direkt nach Kathmandu,der Haupt stadt von Nepal, führt, ist baldfertig. Glauben Sie, das wird Veränderun-gen nach sich ziehen?

J.S.P.B.: Enorme Veränderungen! Und zwarim positiven Sinne. Der parallel fließendeKali Gandaki ist als Salzhandelsroute be-kannt. Sobald wir eine für Kraftfahrzeugegeeignete Straße haben, erwarte ich mehrKulturtouristen.

S.S.: Wie schätzen Sie die aktuelle Situa-tion in Mustang bzw. Nepal ein?

J.S.P.B.: Ich fürchte, in Nepal geschiehtzurzeit ganz viel, vor allem was die politi-sche Instabilität betrifft. Und was Mus-tang angeht, so wandern viele jungeLeute aus, wodurch das Über leben unse-rer Gesellschaft enorm bedroht ist. Wennjunge Leute infolge der Förderung vonÖkotourismus gutes Geld verdienen kön-nen, ergäbe sich dadurch eine Lebens-grundlage für alle Einwohner von Mustang.

S.S.: Finden Sie, dass China immer mehrDruck auf Nepal ausübt?

J.S.P.B.: Ja, das stimmt. Zurzeit wird Mus-tang sowohl von China als auch vonIndien unterstützt, aber wir wissen nicht,was in Zukunft geschieht. Ich glaube aller-dings nicht, dass sich eine zuneh mendeEinflussnahme durch China auf die Re-gion Mustang sonderlich auswirken würde.Ich hoffe, dass unsere Regierung aus-gewogene Beziehungen zu beiden Nach-barn aufrecht erhält.

Interview mit dem Kronprinzen von Mustang,Jigme Singhe Palbar Bista

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Jigme Dorje Trandul (König von Mustang) und Jigme Singhe Palbar Bista (Kronprinz) Foto © Tamara von Rechenberg

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S.S.: Wie ist Ihre Einstellung zur Tibet-Problematik? Sie sind ja selbst ein halberTibeter.

J.S.P.B.: Dazu kann ich nur sagen, dassdie chinesische Regierung in Tibet dieMenschenrechte respek tieren sollte. Ichunterstütze die Forderung Seiner Heilig-

keit des Dalai Lama nach echter tibeti-scher Autonomie.

S.S.: Wünschen sich die Menschen inMustang, dass Seine Heiligkeit der DalaiLama, Seine Hei ligkeit Karmapa und SeineHeiligkeit Sakya Trizin die Region Mustangeines Tages besuchen?

J.S.P.B.: Das wünschen wir uns, weil wir sieals Gurus verehren und von ganzem Her-zen lieben. Persönlich glaube ich jedoch,dass dies Seiner Heiligkeit dem Dalai Lamaund Karmapa aus politischen Gründennicht möglich sein wird. Allerdings wirdSeine Heiligkeit Sakya Trizin uns demnächstin Lo besuchen.

S.S.: Im Laufe der Jahre haben die Men-schen in Mustang viel Unterstützung ausChina erhalten. Was halten Sie davon?

J.S.P.B.: Die chinesische Regierung unter-stützt uns, weil Nepal China darum gebe-

ten hat, uns im Alltag behilflich zu sein.Während der letzten 3 bis 4 Jahre hatuns China also im Nahrungs mittelbereichunterstützt, worum wir sie allerdings garnicht gebeten hatten.Als die Lebensmittel hier ankamen, warenalle ziemlich überrascht, weil wir damitnie irgendwelche Probleme hatten.

S.S.: Früher war die Grenze geöffnet, unddie Einheimischen konnten sie einfachpassieren, um an religiösen Feiern teilzu-nehmen oder ihre Verwandten zu besu-chen. Nun ist die Grenze geschlos sen.Wie geht es den Menschen in Mustangdamit?

J.S.P.B.: Wir sind sehr traurig. Tibet undMustang sind kulturell und geschichtlichsehr eng miteinan der verbunden. Früherbesuchten unsere Leute häufig denKailash, jetzt geht das nicht mehr. Wirbitten die nepalesische Regierung immerwieder, die Grenze zu öffnen – nicht nurfür Einheimische, sondern auch für Touri-sten, die für die Zukunft der Region sowichtig sind.

S.S.: Ich habe Seine Heiligkeit Karmapaschon mehrere Male interviewt, kam abernie dazu, ihn zu fragen, wie er aus Tibetfliehen konnte. Wissen Sie – da er ja überdie Grenze nach Mustang geflohen ist –,

wie es ihm gelungen ist, unter den Augender Chinesen und der Einheimischen zuentkommen?

J.S.P.B.: Das geschah im Winter. Wir warenauch ziemlich überrascht. Ich war damalsin Kathmandu, und meine Familie sah inden BBC-Nachrichten, dass Karmapa

geflohen war. Zuvor hatten wir bereitsmitbekommen, dass wiederholt jungeLeute aus Manag die Region besucht hat-ten. Ich hatte die Einheimischen gefragt,warum diese Leute aus Manag Mustangim Winter besuchten, und sie hatten mirerklärt, dass sie als Pilger durch Mustangreisten. Es stellte sich dann heraus, dasssie nicht als Pilger gekommen waren,sondern um die Flucht des Karmapaabzusichern. Die Familie war sehr über-rascht.

S.S.: Was braucht die Region am drin-gendsten?

J.S.P.B.: Am dringendsten braucht sieBildung und ein Gesundheitswesen. Ichhoffe, dass wir schon bald ein Kranken-haus haben werden.

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Foto © Tamara von Rechenberg

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