0478 AVP 3/98 30.01.1999 11:32 Uhr Seite 1 ... · Arzneiverordnung in der Praxis ~ Ausgabe 3/1998 3...

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Antidepressiva in der Schwangerschaft Seite 10 Aufsättigungs- und Erhaltungsdosis von Amiodaron beachten Seite 11 Therapie-Symposium ‘98 Seite 11 Antibakterielle Therapie der Otitis media Seite 2 Keine verläßlichen Wirkungen von Cimicifuga-Präparaten Seite 3 Kontinuierliche Heparinbehandlung bei Schlaganfall-Patienten? Seite 4 Digitalisglykoside zur Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz Seite 6 Olanzapin – atypisches Neuroleptikum zur Behandlung der Schizophrenie Seite 12 HMG-CoA-Reduktasehemmer: Datenübersicht Seite 13 Vorsicht vor Fehldosierungen bei Doxazosin Seite 14 Doxycyclin/Amoxicillin Seite 15 Das Serotonin-Syndrom: Risiken neuerer Antidepressiva Seite 7 Warn-Signale Seite 8 Orthostatische Hypotension durch Paroxetin Seite 8 Schwere allergische Reaktion unter einem pflanzlichen Arzneimittel Seite 8 Aus der 64. und 65. Sitzung des Ausschusses „Unerwünschte Arzneimittelwirkungen“ Seite 9 Keine Verschreibungspflicht für Coffein-haltige Analgetika-Kombinationen Seite 17 Und nochmals „Wie verträglich sind Echinacea-haltige Präparate?“ Seite 18 Supplementierung von Calcium und Vitamin D 3 jenseits des 65. Lebensjahres Seite 18 „... und wünschen wir in unserer Zeitschrift nur positive Ergebnisse zu veröffentlichen“ Seite 19 Alendronat zur Verhütung von postmenopausalem Knochensubstanzverlust Seite 20 Mefloquin zur Malariaprophylaxe Seite 20 Arzneiverordnung in der Praxis Impressum Redaktion: Prof. Dr. med. D. Höffler (v.i.S.d.P.); Prof. Dr. med. K.-O. Haustein; Prof. Dr. med. U. Schwabe; J. D. Tiaden, Arzt und Apotheker; M. Voss, Arzt; E. Besche; R. Bartscherer Anschrift der Redaktion: Arzneimittelkommission der deutschen Ärzte- schaft, Vorsitzender: Prof. Dr. med. B. Müller-Oerlinghausen, Geschäftsführer: Dr. med. K.-H. Munter Postfach 41 01 25, 50861 Köln, Telefon: 02 21 / 40 04 -521/-525 Telefax: 02 21 / 40 04 -539 e-mail: akdae@ t-online.de ISSN 0939-2017 Realisation und Vertrieb: nexus GmbH, Aachener Str. 6, 40223 Düsseldorf, Telefon: 02 11 / 905 35 86, Telefax: 02 11 / 905 36 36 Druck: W.A. Meinke, Düsseldorf Abonnement: Die Schutzgebühr des Jahresabonnements für 4 Ausgaben AVP einschl. 4 Sonderhefte Thera- pieempfehlungen beträgt DM 58,– (für Studen- ten/AiP: DM 35,–; Nachweis erforderlich). Ihre Abo-Anforderung richten Sie bitte an die Arzneimittelkommission. Wir möchten darauf hinweisen, daß die in „Arzneiver- ordnung in der Praxis“ erscheinenden Publikationen prinzipiell den Charakter von Autorenartikeln – wie in jeder anderen Zeitschrift – haben. Die gemäß Arznei- mittel-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zu veröffentlichenden Therapie- empfehlungen in ihrer aktuellen Fassung werden als solche gekennzeichnet. © Alle Rechte vorbehalten. AkdÄ, Köln 1998 Herausgegeben von den Mitgliedern der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Ausgabe 3/1998 · September Aus der Praxis – Für die Praxis Therapie aktuell Neue Arzneimittel – kritisch betrachtet Die preisgünstige Verordnung Unerwünschte Arzneimittelwirkungen … was uns sonst noch auffiel In dieser Ausgabe… ... Beiträge zur Therapie der Otitis media und über das Serotonin-Syndrom ... ... eine pharmakologische Datenübersicht zu HMG-CoA- Reduktasehemmern ... ... und im Preisvergleich: Amoxicillin und Doxycyclin. ARZNEIMITTELKOMMISSION DER DEUTSCHEN ÄRZTESCHAFT AkdÄ im Internet www .akdae.de

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Antidepressiva in der Schwangerschaft Seite 10Aufsättigungs- und Erhaltungsdosis von Amiodaron beachten Seite 11Therapie-Symposium ‘98 Seite 11

Antibakterielle Therapie der Otitis media Seite 2Keine verläßlichen Wirkungen von Cimicifuga-Präparaten Seite 3Kontinuierliche Heparinbehandlung bei Schlaganfall-Patienten? Seite 4Digitalisglykoside zur Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz Seite 6

Olanzapin – atypisches Neuroleptikum zur Behandlung der Schizophrenie Seite 12HMG-CoA-Reduktasehemmer: Datenübersicht Seite 13Vorsicht vor Fehldosierungen bei Doxazosin Seite 14

Doxycyclin/Amoxicillin Seite 15

Das Serotonin-Syndrom: Risiken neuerer Antidepressiva Seite 7Warn-Signale Seite 8Orthostatische Hypotension durch Paroxetin Seite 8Schwere allergische Reaktion unter einem pflanzlichen Arzneimittel Seite 8Aus der 64. und 65. Sitzung des Ausschusses „Unerwünschte Arzneimittelwirkungen“ Seite 9

Keine Verschreibungspflicht für Coffein-haltige Analgetika-Kombinationen Seite 17Und nochmals „Wie verträglich sind Echinacea-haltige Präparate?“ Seite 18Supplementierung von Calcium und Vitamin D3 jenseits des 65. Lebensjahres Seite 18„... und wünschen wir in unserer Zeitschrift nur positive Ergebnisse zu veröffentlichen“ Seite 19Alendronat zur Verhütung von postmenopausalem Knochensubstanzverlust Seite 20Mefloquin zur Malariaprophylaxe Seite 20

Arzneiverordnungin der Praxis

ImpressumRedaktion:Prof. Dr. med. D. Höffler (v.i.S.d.P.); Prof. Dr. med. K.-O. Haustein; Prof. Dr. med. U. Schwabe; J. D. Tiaden, Arzt und Apotheker; M. Voss, Arzt;E. Besche; R. Bartscherer

Anschrift der Redaktion:Arzneimittelkommission der deutschen Ärzte-schaft, Vorsitzender: Prof. Dr. med. B. Müller-Oerlinghausen, Geschäftsführer: Dr. med. K.-H. MunterPostfach 41 01 25, 50861 Köln, Telefon: 02 21 / 40 04 -521/-525 Telefax: 02 21 / 40 04 -539e-mail: [email protected] 0939-2017

Realisation und Vertrieb:nexus GmbH, Aachener Str. 6, 40223 Düsseldorf,Telefon: 0211/9053586, Telefax: 0211/9053636Druck: W.A. Meinke, Düsseldorf

Abonnement:Die Schutzgebühr des Jahresabonnements für4 Ausgaben AVP einschl. 4 Sonderhefte Thera-pieempfehlungen beträgt DM 58,– (für Studen-ten/AiP: DM 35,–; Nachweis erforderlich). IhreAbo-Anforderung richten Sie bitte an die Arzneimittelkommission.

Wir möchten darauf hinweisen, daß die in „Arzneiver-ordnung in der Praxis“ erscheinenden Publikationenprinzipiell den Charakter von Autorenartikeln – wie injeder anderen Zeitschrift – haben. Die gemäß Arznei-mittel-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzteund Krankenkassen zu veröffentlichenden Therapie-empfehlungen in ihrer aktuellen Fassung werden alssolche gekennzeichnet.

© Alle Rechte vorbehalten. AkdÄ, Köln 1998

Herausgegeben von den Mitgliedern der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Ausgabe 3/1998 · September

Aus der Praxis – Für die Praxis

Therapie aktuell

Neue Arzneimittel – kritisch betrachtet

Die preisgünstige Verordnung

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

… was uns sonst noch auffiel

In dieser Ausgabe…

. . . Beiträge zur Therapie der Otitis media und über das Serotonin-Syndrom . . .

. . . eine pharmakologischeDatenübersicht zu HMG-CoA-Reduktasehemmern . . .

. . . und im Preisvergleich: Amoxicillin und Doxycyclin.

ARZNEIMITTELKOMMISSIONDER DEUTSCHEN ÄRZTESCHAFT

AkdÄim Internet

www.akdae.de

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2 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Ausgabe 3/1998

Therapie aktuell

Antibakterielle Therapie der Otitis mediaDefinition, Ätiologie, klinischesBild der Otitis media acutaDie akute Otitis media wird definiert alsEntzündung des Mittelohrraumes mitraschem Beginn und kurzer Dauer (< 3 Wochen); sie ist eine der häufigstenInfektionskrankheiten im Kindesalter.Erwachsene erkranken nur selten aneiner akuten Mittelohrentzündung. DieOtitis media acuta tritt in der Regelwährend oder kurze Zeit nach einem –vielfach viralen – Infekt des oberenRespirationstraktes auf. WichtigsteSymptome sind Ohrenschmerzen, Fie-ber, Hörstörungen, Krankheitsgefühl,bei Kleinkindern mitunter auch Durch-fall und Erbrechen. Die Diagnostikstützt sich auf Anamnese, klinischenund insbesondere otoskopischen Be-fund.

Bakteriologie

Wichtigste bakterielle Erreger der aku-ten Otitis media sind: Streptococcuspneumoniae (häufigster Erreger), unbe-kapselte Haemophilus influenzae, sel-tener Moraxella catarrhalis, Strepto-coccus pyogenes oder Staphylococcusaureus.

Während in Ländern wie den USA undSkandinavien vielfach versucht wird,den Krankheitserreger mittels Punktionoder Paracentese nachzuweisen, wird inDeutschland nur bei therapieresisten-tem Krankheitsverlauf, bei Komplika-tionen (Mastoiditis, Meningitis, Hirn-abszeß), bei immundefizienten Kindernund Neugeborenen ein Erregernachweisangestrebt. Bei Einsatz aufwendigerbakteriologischer Techniken können beica. 90% der an akuter Mittelohrentzün-dung erkrankten Kinder pathogeneBakterien nachgewiesen werden. Mitun-ter finden sich auch viral-bakterielleMischinfektionen; RS-, Rhino-, Influen-za-, Parainfluenza- und Adenoviren sindmögliche virale Erreger.

Therapie der akuten OtitismediaDie symptomatische Therapie bestehtin der Gabe abschwellender Nasentrop-fen (z. B. Xylometazolin) oder alternativisotonischer Kochsalzlösung über einenZeitraum von 5 bis 7 Tagen, fiebersen-kender und schmerzlindernder Medika-mente (z. B. Paracetamol). Ohrentrop-fen sind bei Patienten mit akuter Otitismedia nicht indiziert.

Otitis media acuta: PRO AntibiotikatherapieDurch die antibiotische Therapie ist die Häufigkeit schwerer intrakraniellerKomplikationen von früher 3% auf0,15% zurückgegangen. In einer Meta-analyse von 5400 Kindern mit akuterMittelohrentzündung konnte gezeigtwerden, daß Antibiotika einen signifi-kanten Einfluß auf Heilung und Verhin-derung von Komplikationen haben.Neuere Studien mit einer zweiten Mit-telohrpunktion wenige Tage nach Be-ginn einer antibakteriellen Behandlungzeigen einen Effekt der Antibiotikagegenüber Placebo. Eine Minderung desRisikos einer kontralateralen Otitismedia und eine raschere Schmerzlinde-rung durch Antibiotika sind ebenfallsbeschrieben.

Otitis media acuta: CONTRA AntibiotikatherapieDie akute Otitis media weist eine relativhohe Selbstheilungsrate von bis zu 60bis 80% auf! Offensichtlich profitiertnur ein gewisser Anteil der Kinder(Metaanalysen: maximal 15 bis 16%)von der antibiotischen Behandlung. Esexistieren Untersuchungen, die keineUnterschiede bei einer Antibiotikathera-pie, alleiniger Paracentese sowie Anti-biotikagabe plus Paracentese in der The-rapie der akuten Otitis media bei Kin-dern über zwei Jahre sahen. In den Niederlanden wurden bei äußerst

restriktivem Antibiotikaeinsatz keinegehäuften Komplikationen beobachtet –engmaschige klinische Kontrollen vor-ausgesetzt. Schließlich ist auch dieGefahr der Resistenzentwicklung beiroutinemäßiger Antibiotikatherapie ge-geben, beispielsweise bei Kindern mitrezidivierender Otitis media.

Antibakterielle Therapie – Indikation und DurchführungEine akute Otitis media beim Kind (vorallem bei jüngeren Kindern) sollte beiausgeprägter Symptomatik und klini-schem Vollbild der Erkrankung für 7 Tage antibiotisch behandelt werden.Patienten mit beginnenden Komplika-tionen (z. B. seröse Labyrinthitis, Facia-lisparese u. a.) müssen antibiotisch the-rapiert werden (bei ausbleibender Spon-tanperforation des Trommelfelles zu-sätzlich Paracentese).

Die Penetration des Antibiotikums indie Mittelohrschleimhäute und die oraleBioverfügbarkeit sind wichtige phar-makokinetische Parameter. Im allge-meinen erreichen die Antibiotikakon-zentrationen in der Mittelohrmukosaund der Mittelohrflüssigkeit 20 bis 50%der im Serum ermittelten Konzentratio-nen.

Amoxicillin ist für die kalkulierte Thera-pie Mittel der Wahl, Pneumokokken undH. influenzae als häufigste Erreger wer-den bei der derzeitigen Resistenzsitua-tion zuverlässig erfaßt (Anteil der Beta-Lactamasebildner bei H. influenzae ca.3%).

Mittel zweiter Wahl sind orale Cephalo-sporine wie Cefuroxim und Makrolidewie Roxithromycin. Roxithromycin soll-te nicht zusammen mit der Nahrungverabreicht werden, während für Cefu-roxim die zeitgleiche Applikation mitder Nahrungsaufnahme anzuraten ist.

Bei der sehr seltenen Otitis media acutades Erwachsenen kann mit einem Oral-Penicillin wie Propicillin oder Penicillin V

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3Arzneiverordnung in der Praxis ~ Ausgabe 3/1998

therapiert werden, da bei diesen Patien-ten Pneumokokken die weitaus häufig-sten bakteriellen Erreger sind.

Säuglinge in den ersten 6 bis 8 Lebens-wochen und immundefiziente Patientensollten nach Antibiogramm – ggf. paren-teral – antibiotisch behandelt werden.

Otitis media mit Erguß

Die seröse Otitis media erfordert keineantibiotische Therapie. Eine sicherwirksame medikamentöse Behandlungexistiert nach heutigem Wissensstandnicht. Im Vordergrund stehen Maßnah-men zur Verbesserung der Tubenfunk-tion und somit der Mittelohrbelüftung.

Otitis media chronica

Die chronische Schleimhauteiterung(= chronisch-mesotympanale Otitis me-

FAZIT

Die Indikation zur antibiotischen The-rapie der akuten Otitis media ergibtsich aus der Schwere des Krankheits-bildes (Fieber, Schmerzen, Krankheits-gefühl) und dem otoskopischen Be-fund. Patienten mit mildem Krankheits-verlauf und wenig ausgeprägtemTrommelfellbefund können bei engma-schigen ärztlichen Kontrollen (nach 24und 48 Stunden!) rein symptomatischbehandelt werden. Amoxicillin ist Mittel der Wahl für diekalkulierte antibiotische Therapie (7Tage). Alternativen sind Oral-Cepha-losporine und Makrolide. Weitere Studien mit besserem Ver-suchsprotokoll zur präziseren Indika-tionsstellung einer antibakteriellenTherapie der Otitis media acuta sindgerade in Deutschland erforderlich.

dia) und die chronische Knocheneite-rung (= Cholesteatom) bedürfen derHNO-fachärztlichen Behandlung undsind eine Domäne der Mikrochirurgiedes Mittelohres. Eine antibiotische The-rapie (gezielt nach Antibiogramm) spieltnur bei akuten entzündlichen Exazer-bationen eine Rolle.

Literatur

beim Verfasser

Dr. med. H. LuckhauptHNO-Klinik der Ruhr-Universität St. Elisabeth-Hospital Bleichstr. 1544787 Bochum

Für die kritische Durchsicht des Manu-skriptes danken wir Herrn Prof. Dr. med.R. Reck, Darmstadt.

Keine verläßlichen Wirkungen von Cimicifuga-PräparatenCimicifuga-Präparate (Cimicifuga race-mosa) stammen aus der schwarzenSchlangenwurzel bzw. dem Trauben-silberkerzenwurzelstock. Sie werdeneingesetzt bei prämenstruellen undpostklimakterisch bedingten Beschwer-den mit einer Verordnungshäufigkeitvon ca. 20 Mio. DDD im Jahre 1998 10.Die Pflanze kommt in Nordamerika vorund enthält Triterpenglykoside, unterihnen Actein und Cimicifugosid. Desweiteren wurde das Isoflavonoid Formo-nonectin isoliert.

In England und den USA werden Cimici-fuga-Präparate bei Bronchialkatarrhen,Chorea, Erkrankungen des rheumati-schen Formenkreises und bei Amenor-rhoe, Dysmenorrhoe, verschiedenenanderen Beschwerden im Uterus- undOvarialbereich etc. angewandt 1. InHager’s Handbuch der Pharmazeuti-schen Praxis werden die chemischenFormeln für die Steroide Acetylacteolund Cimigenol angegeben, welche mitnur großer Näherung an Steroidhormo-ne erinnern. Ein 27-Deoxyactein wirdals Standardsubstanz für Cimicifuga-

Präparate angenommen, wobei dieStruktur mit den Estrogenen nur einesehr weitläufige Verwandtschaft auf-weist, so daß bei der differenziertenWirksamkeit von Estrogenen und Ge-stagenen auf verschiedene Rezeptoren(Estrogen-, Androgen-, Gluko- und Mine-ralokortikoidrezeptoren) eine estrogen-ähnliche Wirkung von der chemischenStruktur her kaum zu erwarten ist.

Nach den Untersuchungen von Costelloet al.2 und Gizicky3 sollen Cimicifuga-Präparate hormonähnliche Wirkungenüber die Beeinflussung des Hypophy-senvorderlappens auslösen. Diese Be-funde sind von Siess und Seybold 4 nichtbestätigt worden. Weitere Indikationen,wie sie voranstehend angeführt wurden,stammen aus dem vergangenen Jahr-hundert. Saubere klinisch-pharmakolo-gische oder therapeutische Studien lie-gen nicht vor. Extrakte aus Cimicifugasollen nur die LH-Sekretion senken, wasmit abnehmenden Serumspiegeln be-legt wurde 5. Neuerlich durchgeführteStudien 6,7,8,9 bei Patientinnen mit soma-tischen, psychischen und neurovegeta-

FAZIT

Insgesamt kann einer Anwendung vonCimicifuga-Präparaten zur Behand-lung von prämenstruellen und post-klimakterischen Beschwerden nichtzugestimmt werden, weil ein saubererWirksamkeitsnachweis bisher aus-steht.

tiven klimakterischen Beschwerdensind mit Vorbehalt zu diskutieren, weilsie nicht placebo-kontrolliert durchge-führt wurden, was gerade bei diesemIndikationsbereich unbedingt zu verlan-gen ist. Zahlreiche psychische Faktorensind bei diesen Beschwerdebildern be-teiligt und die Placeborate kann bis auf50 % ansteigen! Darüber hinaus sind dietoxikologischen Effekte von Cimicifuga-Extrakten und -Inhaltsstoffen bishernicht untersucht worden.

LiteraturListe über AkdÄ-Geschäftsstelle

Professor Dr. med. K.-O. HausteinKlinikum der Friedrich-Schiller-Universität JenaKlinische Pharmakologie ErfurtNordhäuser Straße 7899089 Erfurt

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Die kontinuierliche, intravenöse, PTT-gesteuerte Heparinbehandlung nachakutem ischämischen Hirninfarkt odertransitorisch ischämischer Attacke istkeine kurative Maßnahme, sondern einefrühe Prophylaxe, um Rezidivembolienoder ein Fortschreiten einer lokalenThrombose zu verhindern. Ihr Nutzenist bisher nicht durch Studien belegt.Absolute Voraussetzung für die PTT-wirksame kontinuierliche Heparinisie-rung ist der Ausschluß einer Hirn-blutung durch ein kraniales Computer-tomogramm.

Heute werden insbesondere Patientenmit gesicherten oder vermuteten kar-diogenen Hirnembolien heparinisiert,zumal retrospektive Studien naheleg-ten, daß nach einer kardiogenen Embo-lie in 5 – 14 % der Fälle innerhalb von 14Tagen mit einer erneuten kardiogenenHirnembolie gerechnet werden mußund die Inzidenz von Rezidivemboliendurch die Behandlung um die Hälftegesenkt werden kann. Vielfach werdenauch Patienten mit frischen Verschlüs-sen der hirnversorgenden Gefäße, intra-kraniellen Stenosen und Dissektionenkontinuierlich heparinisiert.

Neue Studienergebnisse haben die Indi-kation der kontinuierlichen intravenö-sen Heparinbehandlung zur Frühpro-phylaxe von Rezidivinsulten sehr inFrage gestellt. Die Rezidivraten nacheinem ischämischen Hirninfarkt odereiner transitorisch ischämischen At-tacke liegen selbst bei kardiogenenHirnembolien nach mehreren Untersu-chungen nicht höher als bei 3,5 – 4 %.Die nordamerikanische TOAST-Studiezum Nachweis der Wirksamkeit einesintravenös verabreichten Heparinoidshat keine positiven Resultate ergeben(4). In einer kürzlich erschienenenSchlaganfallstudie (International StrokeTrial, IST) traten unter einer subkuta-nen Heparineinstellung von 2 x 12500IE/Tag, die eine gewisse PTT-Wirksam-

keit erwarten läßt, bei 1,8 % von 4856Patienten innerhalb von 14 Tagen Hirn-blutungen, bei weiteren 2 % transfusi-onspflichtige oder tödliche systemischeBlutungen auf, so daß die Komplika-tionsrate die nur geringfügige Reduktionvon Rezidivinsulten übertraf (2). DieseStudie weist allerdings Mängel auf, sodaß die Ergebnisse einer Bestätigungbedürfen. Ausgehend von den Ergebnis-sen der IST-Studie muß die Indikationeiner kontinuierlichen Heparinbehand-lung zur frühen Prophylaxe von Rezidiv-insulten neu bedacht werden.

Im eigenen Krankengut erlitten 12 (1,6 %) von 753 Patienten eine intraze-rebrale Blutung mit klinischer Ver-schlechterung (1). In Einzelfällen kön-nen aber ausgedehnte Blutungen in den

plikationen sind folgende Indikationengerechtfertigt:1. Kardiogene Hirnembolien mit hohem

Risiko für Hirnembolierezidive (Tab. 2)2. Hochgradige intra- oder extrakraniel-

le Gefäßstenosen3. Frische Verschlüsse von hirnversor-

genden Gefäßen, um eine Thrombus-progression oder Embolisation zuverhindern

4. Dissektionen5. Laborchemisch gesicherte Koagulo-

pathie wie Protein C-Mangel, ProteinS-Mangel, Erhöhung der Antikardio-lipin-Antikörper.

Anzustreben ist die möglichst frühzeiti-ge Heparinisierung. Man beginnt in derRegel mit einer Bolusinjektion von 5000IE i. v., der sich eine kontinuierlicheintravenöse Applikation von zunächst1000 IE/Stunde anschließt. Anzustre-ben ist das 2 – 21/2-fache des Ausgangs-PTT-Wertes. Es wird diskutiert, ob dieinitiale Bolusinjektion mit einem an-fänglich sehr steilen PTT-Anstieg überden gewünschten Zielwert hinaus mit

Sollen Patienten mit Schlaganfall eine kontinuierliche Heparinbehandlung erhalten?

Tabelle 1: Kontraindikationen für die kontinuierliche Heparinisierung

• Intrazerebrale Blutung im CCT/MRT

• Schlecht einstellbare Hypertonie

• Ausgedehnter Infarkt (ggf. 3 Tage warten)

• Hohes Lebensalter

• Endokarditis (Entscheidung vom individuellen Einzelfall abhängig machen)

• Bekannte Heparin-induzierte Thrombozytopenie Typ II

Vorsicht bei Vorbehandlung mit einem Thrombozytenaggregationshemmer

Hirninfarkt auch spontan auftreten undmit einer klinischen Verschlechterungeinhergehen. Berücksichtigt man dieHirninfarktgröße, so lag das Risiko füreine Hirnblutung bei den heparinisier-ten Patienten mit einem Infarkt, dermehr als 2/3 des Mediastromgebietesbetraf, bei etwa 6 %. Das Risiko extra-zerebraler Blutungskomplikationen, die zu einem Absetzen der Therapieführten, lag in unserer Untersuchungbei 3,7 %.

Unter Berücksichtigung der Kontraindi-kationen (Tab. 1) und möglicher Kom-

einer vermehrten Gefährdung für Blu-tungskomplikationen verbunden ist (1).Insbesondere bei ausgedehnten Hirnin-farkten und älteren Patienten sollte auf-grund einer Zunahme des Blutungsrisi-kos auf eine Bolusgabe verzichtet wer-den. Wie die tägliche Routine zeigt,macht es vielfach Schwierigkeiten, dengewünschten Zielwert kontinuierlich zuhalten. Es kommt öfter zu Unter- oderÜberschreitungen. Die Patienten wer-den etwa 7 – 10 Tage lang heparinisiert,wobei ein Zeitraum von 2 – 3 Wochennicht überschritten wird. Eine regel-mäßige Thrombozytenzahlbestimmung

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5Arzneiverordnung in der Praxis ~ Ausgabe 3/1998

ist unter der Heparinbehandlung erfor-derlich, um die Thrombozytopenie TypII zu erkennen, die mit lebensbedrohli-chen thrombembolischen Komplikatio-nen einhergehen kann.

Unbestritten ist die subkutane Low-dose-Heparinisierung mit 2 x 5000 IEtäglich oder die Gabe eines niedermole-kularen Heparins zur Thrombosepro-phylaxe in der Akutphase des Schlagan-falls bei bettlägerigen Patienten. DieseBehandlung erfolgt unabhängig davon,ob ein ischämischer Hirninfarkt odereine intrakranielle Blutung vorliegt.Eine neuere Studie von Kay et al. (3) hatsogar ergeben, daß die Verabreichungeines niedermolekularen Heparins inder Akutphase des Schlaganfalls mögli-cherweise eine therapeutische Wirk-samkeit hat, indem das Ausmaß der ver-bleibenden Behinderung vermindert wird.

Dieses Ergebnis konnte allerdings ineiner neueren multizentrischen doppel-blinden placebokontrollierten Studienicht bestätigt werden (5).

Literatur1. Glahn, J., O. Busse: Heparinbehand-

lung des akuten ischämischen Insul-tes, Hämostaseologie 17: 100 – 107(1997)

FAZIT

Die frühe Prophylaxe mit einer kontinu-ierlichen, intravenösen Heparinisie-rung soll das Fortschreiten einesThrombus und damit Rezidivembolienverhindern. Die Wirksamkeit dieser imHinblick auf Blutungskomplikationennicht ungefährlichen Therapie ist nichtgesichert. Der CT-Ausschluß einerintrakraniellen Blutung ist unbedingteVoraussetzung. Eine generelle Thera-pieempfehlung kann nicht gegebenwerden. Bei kardiogenen Embolien mit hohem Rezidivembolierisiko (z. B.künstliche Herzklappen, frischer Vor-derwandinfarkt) sowie bei Gerin-nungsstörungen kann die Heparinisie-rung empfohlen werden. In Fragekommt sie auch bei hochgradigenextra- und intrakraniellen Stenosen,bei frischen Verschlüssen und bei Dis-sektionen. Ein anfänglicher Bolus er-höht möglicherweise das Blutungsrisi-ko. Die Therapiedauer liegt bei 7 – 10Tagen, der angestrebte PTT-Wert beidem 2 – 21/2-fachen des individuellenAusgangswertes. Patienten mit er-kennbarem Blutungsrisiko bleiben vonder kontinuierlichen Heparinisierungausgeschlossen. Die subkutane Hepa-ringabe zur Embolieprophylaxe bei bett-lägerigen Patienten ist unumstritten.

Hohes Risiko:• Akuter Vorderwandinfarkt (ausgedehnte murale Thromben, Vorhofflimmern)

• Mechanischer Klappenersatz

• Mitralstenose mit Vorhofflimmern

• Vorhofflimmern mit Thromben im linken Vorhof

• Endokarditis

Geringeres oder unbekanntes Risiko:• Chronische Phase nach Myokardinfarkt

• Dilatative Kardiomyopathie

• Vorhofflimmern bei hypertensiver oder koronarer Herzerkrankung

• Biologischer Klappenersatz

• Idiopathisches Vorhofflimmern

• Herzwandaneurysmen

• Offenes Foramen ovale

• Mitralklappenprolaps, Mitralringverkalkung

Tabelle 2: Risiko für Hirnembolie-Rezidive bei verschiedenen Herzerkrankungen

2. International Stroke Trial Collabora-tive Group, The International StrokeTrial (IST): a randomised trial of aspi-rin, subcutaneous heparin, both, orneither among 19435 patients withacute ischaemic stroke, Lancet349,9065: 1569-1581 (1997)

3. Kay, R. et al: Low-molecular-weightheparin for treatment of acute ische-mic stroke, New England Journal ofMedicine 333, 24: 1588-1593 (1995)

4. The Publications Committee for theTrial of ORG 10172 in Acute StrokeTreatment (TOAST) Investigators:Low Molecular Weight Heparinoid,ORG 10172 (Danaparoid), and Out-come after Ischemic Stroke, JAMA279, 16: 1265–1272 (1998)

5. Hommel, M for the FISS bis Investi-gators Group: Fraxiparine in ischae-mic stroke study (FISS bis), Cerebro-vasc Dis 8: 63 (1998)

Prof. Dr. med. Otto BusseNeurologische KlinikKlinikum MindenFriedrichstraße 17, 32427 Minden

Für die kritische Durchsicht des Manu-skriptes dankt die Redaktion Herrn Prof.Dr. med. H. Prange, Göttingen.

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6 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Ausgabe 3/1998

Sind Digitalisglykoside für die Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz noch erforderlich?

Der therapeutische Wert der vor mehrals 200 Jahren in die Therapie einge-führten Digitalisglykoside wird seitmehr als 20 Jahren insbesondere in denangloamerikanischen Ländern kritischbeurteilt.

Die Behandlung der chronischen Herz-insuffizienz mit ACE-Hemmern undDiuretika steht im Vordergrund, weil maninzwischen davon ausgeht, daß die ver-minderte Kontraktilität ein Regulations-problem des Organismus ist und nichtallein durch eine Verbesserung der Kon-traktilität zu erreichen ist. Unbestrittenbleibt der Wert der Digitalisglykosidebei Patienten mit Vorhofflimmern undgleichzeitig bestehender chronischerHerzinsuffizienz. Es sei jedoch daraufhingewiesen, daß die Digitalisglykosidedie einzigen positiv inotrop wirkendenStoffe sind, die weder die Herzfrequenznoch den Sauerstoffbedarf des Myokardssteigern. Damit haben sie Vorteile ge-genüber den Sympathikomimetika undPhosphodiesterasehemmern, welche nurkurzfristig wegen ihrer zahlreichen un-erwünschten Wirkungen im StadiumNYHA IV eingesetzt werden können.

In den vergangenen 20 Jahren sind zahl-reiche, wissenschaftlich verwertbareStudien an Patienten mit chronischerHerzinsuffizienz (NYHA II-III, III undIV) durchgeführt worden, die überwie-gend günstige Effekte von Digoxin auf-zeigten, welche jedoch auch auf Digito-xin zu übertragen sind [vgl. 1]: Diezusätzliche Gabe von Digoxin führt beibereits behandelten Patienten zu einerAbnahme bzw. Verbesserung nachfol-gender Parameter und bei dessen Abset-zen wiederum zu deren Zunahme oderVerschlechterung: 1. der linksventri-kulären enddiastolischen Füllung, 2.der Ejektionsfraktion und 3. des klini-schen Status und des NYHA-Stadiums.

Nach den 1993 veröffentlichten RADI-ANCE- und PROVED-Studien [2, 3] kam

es unter der Gabe des Glykosids zur Ver-besserung des Gesamtzustandes derPatienten, ohne daß Differenzen bezüg-lich der Mortalität in beiden Gruppen(Placebo vs. Digoxin) auftraten. DasRisiko einer Verschlechterung der Herz-insuffizienz war in der Placebogruppeallerdings bereits nach 2 Monaten sicht-bar (p < 0,001). Sowohl in der PROVED-als auch in der RADIANCE-Studie warendie Dosiserhöhung für Diuretika und/oder die dekompensationsbedingte Kli-nikeinweisung signifikant reduziert.Beide Studien blieben jedoch eine Ant-wort auf die Frage nach einer lebensver-längernden Wirkung von Digitalisglyko-siden schuldig.

Eine möglicherweise endgültige Stel-lung der Digitalisglykoside in der Be-handlung der chronischen Herzinsuffi-zienz wurde mit der DIG-Studie (Digita-lis Investigation Group) [4] erzielt. Inbeide Gruppen wurden jeweils etwa3.400 Patienten mit bevorzugt chroni-scher Herzinsuffizienz der NYHA-Sta-dien II (54 % der Patienten) und III(30 % der Patienten) eingeschlossen, diebereits einen ACE-Hemmer und einSaluretikum erhielten. Mehr als 40 %der Patienten erhielten zusätzlich einorganisches Nitrat. Digoxin führte beieiner Beobachtungszeit von 52 Monatenzu keiner Abnahme der durch die Herz-insuffizienz bedingten Mortalität ge-genüber der Placebogruppe (p = 0,06).Dementgegen kam es aber bei Patientenmit dekompensationsbedingten Kran-kenhauseinweisungen bei gleichzeitigsich verschlechternder Herzinsuffizienzzu einer signifikanten Abnahme derTodesfälle (p < 0,001).

Literatur:

1. Haustein KO: Digitoxin und Digoxin.Eine Darstellung des aktuellen Wis-sensstandes, Dresdner ÄrzteseminareBd. 13, Johann Ambrosius Barth-Ver-lag, Heidelberg, Leipzig 1996

2. Uretzky BF, Young JB, Shahidi FE etal: Randomized study assessing theeffect of digoxin withdrawal in pati-ents with mild to moderate chroniccongestive heart failure: results of thePROVED Trial. J Am Coll Cardiol 22:955 – 962 (1993)

3. Packer M, Gheorghiade M, Young JBet al: Withdrawal of digoxin frompatients with chronic heart failuretreated with angiotensin-converting-enzyme inhibitors. New Engl J Med329: 1 – 7 (1993)

4. The Digitalis Investigation Group:The effect of digoxin on mortality andmorbidity in patients with heart failu-re. New Engl J Med 336: 525 – 533(1997)

Professor Dr. med. K.-O. HausteinKlinikum der Friedrich-Schiller-Universität JenaKlinische Pharmakologie ErfurtNordhäuser Straße 7899089 Erfurt

Für die kritische Durchsicht des Manu-skriptes danken wir Herrn Prof. Dr. med.H.J. Gilfrich, Frankfurt/M.

FAZIT

1. Digitalisglykoside (Digoxin) senkennicht die Mortalität von Patientenmit chronischer Herzinsuffizienz, abersie setzen verläßlich die Zahl derdekompensationsbedingten Kran-kenhauseinweisungen und die da-mit einhergehenden Verschlechte-rungen des Gesamtzustandes herab.

2. Digitalisglykoside verbessern dieLebensqualität, führen aber nicht zueiner höheren Lebenserwartungdieser Patienten.

3 Digitalisglykoside sind nach wie vorbei den höheren Stadien der chroni-schen Herzinsuffizienz (NYHA IIIund IV) in Kombination mit Diuretikaund ACE-Hemmern indiziert, beisupraventrikulärer Tachyarrhythmieund gleichzeitig erniedrigter Ejek-tionsfraktion gegebenenfalls bereitsim Stadium NYHA II, wobei sich ihreherzfrequenzsenkenden und denHerzrhythmus regularisierendenWirkungen zusätzlich günstig aus-wirken können.

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7Arzneiverordnung in der Praxis ~ Ausgabe 3/1998

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen – vorbeugen, erkennen, behandeln

Das Serotonin-Syndrom: Risiken neuererAntidepressiva (SSRIs)

Seit der Einführung neuerer Antide-pressiva vom Typ der selektiven Seroto-nin-Wiederaufnahme-Hemmer (Selec-tive Serotonin Reuptake Inhibitors;SSRIs), die zur Behandlung vielfältigerpsychiatrischer Erkankungen, wie De-pressionen, Zwangsstörungen, Bulimieoder Angsterkrankungen, eingesetzt wer-den, liegen der Arzneimittelkommissionder deutschen Ärzteschaft mehrereBerichte vor, wonach durch eine Erhö-hung des Neurotransmitters Serotoninim ZNS zum Teil schwerwiegende Stö-rungen der Gesundheit ausgelöst wer-den können.

Diese bestehen in

• psychischen Symptomen (vor allemUnruhe, Verwirrtheit, inadäquateStimmung),

• vegetativ-autonomen Dysfunktionen(Übelkeit, Diarrhoe, Schweißaus-brüche, Tremor, Blutdruckschwan-kungen, Tachykardie, Hyperthermie)und

• motorischen Störungen (vor allemAtaxie, Myoklonien, Hyperreflexie).

Sie kommen unter den AntidepressivaCitalopram (z. B. Cipramil®), Fluoxetin(z.B. Fluctin®, Fluoxetin®), Fluvoxamin(Fevarin®), Paroxetin (Seroxat®, Tagonis®),Sertralin (Gladem®, Zoloft®), Venlafaxin(Trevilor®)vor allem in Kombination mit

• MAO-Hemmern (z. B. Tranylcypro-min, Moclobemid),

• trizyklischen Antidepressiva (z. B.Amitriptylin, Imipramin, Clomipra-min und Trazodon),

• anderen psychoaktiven Substanzen(z. B. Buspiron, L-Tryptophan, Lithi-um-Salzen),

• Opioiden (z. B. Dextromethorphan,Tramadol, Pethidin) oder

• Migränemitteln (z. B. Dihydroergota-min, Sumatriptan) vor.

Das Serotonin-Syndrom entwickelt sichtypischerweise innerhalb kurzer Zeitnach Dosiserhöhung oder nach Hinzu-fügen einer weiteren entsprechendenSubstanz. Dabei ist zu berücksichtigen,daß auch nach Absetzen solcher Sub-stanzen im Falle langer Halbwertszeitenoder wirksamer Metaboliten noch überlängere Zeit kritische Plasmakonzentra-tionen bestehen können. Pathogene-tisch spielen dabei neben der pharmako-dynamischen Wechselwirkung wahr-scheinlich zusätzlich pharmakokineti-sche Interaktionen (verminderter Abbaudes Serotonins durch die Leber) eineRolle, sowie außerdem Konsum vonAlkohol oder Cocain.

Im klinischen Verlauf kommt es manch-mal lediglich zu einer diskreten Verhal-tensänderung in Form von Verwirrtheit,Hypomanie, Unruhe, Agitiertheit (dieleicht als Verschlechterung der psychi-schen Grundstörung interpretiert wer-den kann), selten zum Vollbild des Sero-tonin-Syndroms mit unter Umständensehr schwerwiegenden, potentiell le-bensbedrohlichen Komplikationen inForm von ausgeprägter Hyperthermie(>42 °C), epileptischen Anfällen, respi-ratorischer Insuffizienz, disseminierterintravasaler Gerinnung (DIC), Rhab-domyolyse mit Leber-, Nieren- und Mul-tiorganversagen.

Differentialdiagnostisch ist vor allemdas maligne neuroleptische Syndrom(MNS) abzugrenzen, das nach Therapiemit hochpotenten D2-antagonistischenNeuroleptika auftritt. Bei beiden Syn-dromen werden psychische Störungen,autonome Instabilität, Rigor, Hyper-thermie sowie erhöhte CK-Konzentra-tionen beobachtet. Im Unterschied zumSerotonin-Syndrom manifestiert sichdas maligne neuroleptische Syndromals akinetisch stuporöses Zustandsbild

mit Hyporeflexie. Eine CK-Erhöhungtritt in fast allen Fällen des MNS auf,während diese beim Serotonin-Syn-drom eher seltener zu finden ist. Alsweitere Differentialdiagnosen kommendie maligne Hyperthermie, die perniziöseKatatonie, Enzephalitis-Formen sowieverschiedene Intoxikationen in Frage;meist klärt sich jedoch die Diagnosedurch anamnestische Angaben.

Die Therapie des Serotonin-Syndromserfolgt durch sofortiges Absetzen allerserotoninergen Substanzen, was in derRegel zu raschem Abklingen der Sym-ptomatik innerhalb von 6 bis 12 Stun-den führt. Die Behandlung sollte unterstationären Bedingungen, bei Hyperre-flexie und Myoklonien mit Benzodia-zepinen, bei Hyperthermie mit Parace-tamol erfolgen. Nichtspezifische 5-HT1-und 5-HT2-Antagonisten wie Methyser-gid oder Cyproheptadin wurden zumTeil klinisch erfolgreich zur medika-mentösen Therapie eines Serotonin-Syndroms eingesetzt. Bei schwerenKomplikationen, wie starker Hyperther-mie, sind zur Verhinderung einer Rhab-domyolyse oder DIC eine muskuläreParalyse sowie aggressive Maßnahmenzur Kühlung erforderlich. Eine endotra-cheale Intubation kann notwendig sein.

Dr. med. J. StinglProf. Dr. med. L. G. SchmidtPsychiatrische Klinik und Poliklinik derFreien Universität BerlinEschenallee 314050 Berlin

Für die kritische Durchsicht des Manu-skriptes danken wir Herrn Prof. Dr. med.B. Müller-Oerlinghausen, Berlin.

FAZIT

Vermeiden der Kombination mehrererserotoninerger Substanzen; beson-dere Vorsicht bei therapieresistentenDepressionen.

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8 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Ausgabe 3/1998

Schwere allergische Reaktionen untereinem pflanzlichen ArzneimittelIn den vergangenen Jahren wurdenmehrfach allergische Reaktionen unterder Einnahme Echinacea-haltiger Arz-neimittel beobachtet, die auch in einerMitteilung der Arzneimittelkommissionim Deutschen Ärzteblatt Heft 42/1996,S. A-2723 und Heft 45/1996, S. A-2970)veröffentlicht wurden. Im folgendenwird über einen Patienten berichtet, beidem eine schwere Thrombozytopenieauftrat:

Der 29jährige Patient nahm im Februar1996 wegen eines grippalen Infekteskurzfristig eine Echinacea-haltige Lö-sung (3mal 20 Tropfen täglich) ein.Wegen einer Spondylitis ankylosans

wurde der Patient bereits seit 3 Monatenmit Indometacin (50 mg täglich) behan-delt. Am 11. Tag nach Absetzen desEchinacea-Präparates (17. Tag nachBehandlungsbeginn) fielen dem Patien-ten Gingivablutungen auf, später tratenPetechien an den Unterschenkeln undFüßen hinzu. 6 Wochen nach Behand-lungsbeginn waren die Thrombozytenauf 1000 pro µl abgefallen, zirkulierendeImmunkomplexe waren auf 1,9 µg/mlangestiegen (Norm: < 1,5 µg/ml). Trotzeiner sofort eingeleiteten Behandlungmit Prednisolon wurde eine Stabilisie-rung der Thrombozytenwerte erst ca. 6 Monate nach Behandlungsbeginnerreicht.

Einige Hersteller warnen vor einer zulangfristigen Anwendung von Echi-nacea-haltigen Arzneimitteln. Wichtigerscheint auch, auf die mögliche Gefahreiner wiederholten Applikation unddadurch verursachten Sensibilisierunghinzuweisen, wobei die in den Zuberei-tungen enthaltenen Glykoproteine undPolysaccharide verantwortlich sein könn-ten. Dies gilt für parenteral und peroralverabreichte Arzneimittel sowie fürpflanzliche und homöopathische Präpa-rate. Bei fraglichem therapeutischenWert sollte sich der Arzt überlegen, ober diese Arzneimittel als Immunstimu-lans für die unterschiedlichsten Indika-tionen einsetzt.

Prof. Dr. med. Knut-Olaf Haustein,Erfurt

Warn-Signale

Zopiclon (Ximovan®) kann zur pri-mären oder sekundären Abhängigkeitführen. Über vier entsprechende Fällewird im British Medical Journal berich-tet. Die Autoren empfehlen dieselbenVorsichtsmaßnahmen bei der Verord-nung dieser Substanz wie bei Benzodia-zepinen. [Brit Med J 316: 117 (1998)].

R

Amiodaron kann zu einer Blaufärbungbelichteter Gesichtspartien (Nase, Lip-pen, Wangen) führen. [N Engl J Med337: 1815 (1997)]

Es wird über einen Fall berichtet, beidem es (reversibel) bei einer 68jährigenPatientin unter Terbinafin zum Absin-ken der INR-Werte (Quick-Wert-Anstieg)unter gleichzeitiger Warfarin-Therapiekam. [Brit Med J 316: 440 (1998)].

R

Zu einer Nortriptylin-Intoxikation kames bei einem 74jährigen Mann, der seit 3 Monaten wegen einer Depression be-handelt wurde, nachdem er wegen einerNagelmykose zusätzlich Terbinafin er-halten hatte. Der Fall wird mit Plasma-

spiegelbestimmungen von Nortriptylinbelegt. [Brit Med J 316: 441 (1998)].

R

Bei einem 38jährigen Mann trat 15 Tagenach Beginn einer Behandlung mit Ter-binafin eine beidseitige Parotisschwel-lung auf. [Brit Med J 316: 440 (1998)].

R

Bei sechs Asthma-Patienten entwickeltesich unter dem Leukotrien-Rezeptor-Antagonisten Zafirlukast eine schwereeosinophile Multiorgan-Vaskulitis, einsog. Churg-Strauss-Syndrom, nach Ver-ringerung oder Absetzen der Glucocor-ticoide. [Lancet 350: 342 (1997)].

Orthostatische Hypotension durch ParoxetinEs wird über eine 75jährige Patientinberichtet, die wegen einer Depressionmit 10 mg des selektiven Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitors Paroxetin(Seroxat®, Tagonis®) täglich behandeltwurde. Die Dosis wurde nach 14 Tagenauf 20 mg gesteigert. Die Patientin klag-te über Schwindel, sie hatte im Liegeneinen Blutdruck von 170/90 mmHg undim Stehen von 90/60 mmHg.

Das Mittel wurde abgesetzt, und derBlutdruck normalisierte sich. Bei einerReexposition wurde der gleiche Befunderhoben. Die Autoren berichten, daß inEngland bereits eine größere Zahl vonParallelfällen gemeldet wurde.

Bei der besonderen Gefährdung ältererPatienten insbesondere durch die Fol-gen einer orthostatischen Dysregulation

(Knochenbrüche!) verdient diese Beob-achtung besondere Aufmerksamkeit.Sie zeigt, daß nicht grundsätzlich voneinem Vorteil aller SSRIs hinsichtlichdes Risikos kardiovaskulärer UAWs (imVergleich zu nichtselektiven Mono-amin-Rückaufnahme-Hemmern) ausge-gangen werden darf.

LiteraturAndrews C. Pinner G. Postural hyper-tension induced by paroxetine. Brit MedJ 316: 595 (1998) HÖ

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9Arzneiverordnung in der Praxis ~ Ausgabe 3/1998

Aus der 64. und 65. Sitzung des Ausschusses „Unerwünschte Arzneimittel-wirkungen“ (20. 3. 1998/26. 6. 1998)

MibefradilDer AkdÄ wurden 15 Fälle von bradykar-den Zwischenfällen mit Mibefradil be-richtet. In 10 Fällen wurde das Mittelallein, in 5 Fällen die Kombination mitBetarezeptorenblockern angeschuldigt.Weiterhin wurden 3 Synkopen im Zu-sammenhang mit Mibefradil beobach-tet. In 3 Fällen führte die (fehlerhafte!)Kombination mit Simvastatin zu Myal-gien.

Inzwischen wurden vom Hersteller bzw.vom Bundesinstitut für Arzneimittelund Medizinprodukte Maßnahmen zurRisikoabwehr ergriffen und Mibefradilvom Markt genommen (s. Mitteilungder AkdÄ im Deutschen Ärzteblatt 95:38, A-2345 [18. 9. 1998]).

ACE-HemmerDer AkdÄ liegen 274 Meldungen überAngioödeme vor. Insgesamt ist diesesEreignis wohl relativ selten, da es abersehr bedrohlich ist, wird noch einmaldarauf hingewiesen, daß die Indikationzur ACE-Hemmer-Therapie nur danngestellt werden soll, wenn eine zwingen-de Notwendigkeit besteht. Dies ist beiHerzinsuffizienz und diabetischer Ne-phropathie, nicht aber bei der unkom-plizierten, essentiellen Hypertonie ge-geben.

Angiotensin II-Rezeptor-AntagonistenDer AkdÄ liegen bisher keine Fälle vor,die eindeutig als Angioödem gedeutetwerden können. Diesbezüglich bestehtein deutlicher Unterschied zu den ACE-Hemmern.

Der AkdÄ wurden insgesamt 33 Fällevon Herzrhythmusstörungen gemeldet.Dies läßt sich theoretisch mit einerErhöhung des Angiotensin II-Spiegelserklären, der zur Erhöhung von Nor-adrenalin führt, dessen arrhythmogene

Potenz bekannt ist. Um besondere Auf-merksamkeit in diesem Punkt wird ge-beten.

Alpha1-RezeptorenblockerAus der großen Zahl der UAW-Meldun-gen geht hervor, daß es sich vorwiegendum verstärkte Reaktionen aus der Haupt-wirkung handelt, also um Schwindelund andere Symptome einer zu starkenBlutdrucksenkung. Es soll noch einmalin AVP darauf hingewiesen werden, daßdie Indikation klar zu stellen ist und aufSymptome der relativen Überdosierunggeachtet werden muß.

ProtonenpumpenhemmerErblindungsfälle wurden bisher nur inDeutschland gemeldet. Dies ist im Hin-blick auf die weite Verbreitung der Sub-stanzen bemerkenswert. Die Meldungenbetreffen ganz offenbar nicht nur Ome-prazol, sondern auch andere Protonen-pumpenhemmer. Der Mechanismus derEntstehung ist vollständig unklar. Auchüber die Inzidenz können bisher keineAussagen gemacht werden. Es wird dis-kutiert, ob die Indikation für Protonen-pumpenhemmer in der letzten Zeit un-zulässig ausgeweitet wurde und ob nichtin vielen Fällen auf andere Substanzenwie z. B. Ranitidin ausgewichen werdenkönnte, die evtl. weniger gefährlich sind.

AmiodaronEs wurde über einen Fall eines cere-bellären Syndroms unter Amiodaronberichtet. Es handelte sich dabei umeine eindeutige Überdosierung. Es ist zubeachten, daß auf keinen Fall die Sätti-gungsdosis weitergegeben werden darf,sondern daß vielmehr zum richtigenZeitpunkt auf die Erhaltungsdosis über-gegangen werden muß.

OlanzapinDer AkdÄ liegen sechs Berichte über

Leukozytopenien vor. Die Ausschußmit-glieder halten anfangs wöchentlicheBlutbildkontrollen für erforderlich. Daeine strukturelle Ähnlichkeit zu Cloza-pin besteht, ist damit zu rechnen, daßPatienten, die auf Clozapin mit einerLeukopenie geantwortet haben, diesauch bei Olanzapin tun.

ZolpidemEs ist unklar, ob es Fälle von primärerAbhängigkeit gibt. Fälle von sekundärerAbhängigkeit sind aber beschrieben.Dies steht im Gegensatz zu Aussagender Hersteller. Der Beipackzettel istdiesbezüglich unzureichend, denn eswird auf diese Problematik nicht hinge-wiesen. Die AkdÄ bittet die Ärzte umerhöhte Aufmerksamkeit und ggf. umMeldungen. Abhängigen Patienten soll-te nicht etwa Zolpidem verordnet wer-den unter der Vorstellung, daß diesnicht zu einer Abhängigkeit führt.

VenlafaxinDer AkdÄ wurden fünf Fälle von Kreis-laufreaktionen unter diesem Antide-pressivum berichtet. Diese Reaktionensind durch den Wirkungsmechanismusgut verständlich und erklärbar. DieseSubstanz ist keineswegs nebenwir-kungsärmer als ältere Antidepressiva,deren UAW-Profil besser bekannt ist unddie preiswerter sind.

CitalopramDer AkdÄ wurden insgesamt drei Fällevon Sprachstörungen unter der Gabedieses Medikamentes berichtet. Obwohlder Kausalzusammenhang nicht sichererscheint, sollte diesem Punkt weitereAufmerksamkeit gewidmet werden.

MoclobemidDer AkdÄ liegen einzelne Berichte überLeberreaktionen vor. Da auch im Lancetein entsprechender Fall publiziertwurde und es weitere Literatur dazugibt, ist es erstaunlich, daß in der Fach-information kein entsprechender Hin-weis enthalten ist.

Prof. Dr. med. Dietrich Höffler, Darmstadt

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10 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Ausgabe 3/1998

Aus der Praxis – für die Praxis

Antidepressiva in der Schwangerschaft

Eine 37jährige Frau im 4. Schwanger-schaftsmonat sollte wegen einer Depres-sion behandelt werden. Bei ihr warennach Angaben des Arztes keine nen-nenswerten Vorerkrankungen bekannt,ebenso bestand keine Komedikation.

Welche Antidepressiva können währendder Schwangerschaft mit ausreichenderSicherheit und den voraussichtlichgeringsten Risiken für Mutter und Kindverabreicht werden?

Eine kontrollierte klinische Studie ausdem Jahr 1996 [1] zeigt, daß die Inzi-denz von Depressionen auch währendder Schwangerschaft, und nicht nur inder Postpartalphase, signifikant höherliegt als bei nicht-schwangeren Frauen.Die Inzidenz wird zwischen 4 und 29 %angegeben [1, 2]. Frühere Arbeitenmachten dagegen wahrscheinlich, daßdie Inzidenz der endogenen Depressionwährend der Schwangerschaft eher ab-nimmt, die der neurotischen Depressiondagegen zunimmt.

Die Indikation zur medikamentösen Be-handlung während Schwangerschaftund Stillzeit bedarf einer sehr kritischenPrüfung. Schwere endogene Depressio-nen mit Suizidneigung bedürfen selbst-verständlich einer medikamentösenBehandlung. Bei Vorliegen leichtererreaktiver Depressionen oder Angstzu-ständen bedingt durch die Schwanger-schaft sollte das Nutzen-Risiko-Verhält-nis für einen Einsatz von Antidepressivasehr sorgfältig abgewogen werden. Indiesen Fällen sind regelmäßige psycho-therapeutische Gespräche (vgl. Thera-pieempfehlungen „Depression“ der AkdÄ)

möglicherweise ausreichend. Des weite-ren ist der Gestationszeitpunkt ein be-deutender Faktor bei der Entscheidungfür oder gegen eine Pharmakotherapie.Zum vorliegenden Fall ist zu sagen, daßim 4. Monat ein eigentliches Terato-genitätsrisiko nicht mehr besteht.

Grundsätzlich lassen sich bei den Anti-depressiva 3 Gruppen unterscheiden: 1. Nichtselektive Monoamin-Rückauf-

nahme-Inhibitoren [NSMRI], z. B. dietri- und tetrazyklischen Antidepres-siva: Amitriptylin, Clomipramin, Maprotilin oder Doxepin

2. Selektive Monoamin-Rückaufnah-me-Inhibitoren [SSRI (SelektiveSerotonin-Rückaufnahme-Inhibito-ren), NSRI (Serotonin-Noradrenalin-Rückaufnahme-Inhibitoren)], z. B.Fluoxetin, Citalopram, Sertralin,Venlafaxin

3. Monoaminooxidasehemmer [MAO-Hemmer], z. B. Moclobemid, Tranyl-cypromin

In retro- oder prospektiv durchgeführ-ten Studien konnte kein eindeutigerKausalzusammenhang zwischen einemAuftreten fetaler Mißbildungen bzw.postpartalen Entwicklungsstörungenund der Einnahme von Antidepressivain der Schwangerschaft nachgewiesenwerden [3]. Teratogene Wirkungen von NSMRIssind nach den vorliegenden Studienunwahrscheinlich. Es bleibt wie immerjedoch fraglich, ob dies an der zu klei-nen Zahl untersuchter, im 1. Trimenonexponierter Schwangerschaften liegt (z. B n = 414 unter 300 000 erfaßtenGeburten) oder an dem de facto nichtexistierenden Risiko [4, 5].Über die Risiken der Einnahme vonSSRIs in der Schwangerschaft undStillzeit liegen noch keine ausreichen-

den Erfahrungen vor, weshalb sie in derSchwangerschaft möglichst nicht ver-wendet werden sollten [6]. Für Fluvoxa-min, Paroxetin und Sertralin wurden ineiner prospektiven Studie keine erhöhtenInzidenzen von Fehlbildungen gefun-den. Nach einer neuen Studie kann zwardas Risiko von Fehlbildungen unterFluoxetin-Therapie als sehr gering ein-geschätzt werden, jedoch besteht eineerhöhte Komplikationsrate in der Spät-schwangerschaft bzw. während derGeburt [6].

Auch Tranylcypromin und Moclobemidaus der Gruppe der MAO-Hemmer soll-ten während Schwangerschaft und Lak-tation möglichst nicht verordnet wer-den [7].

Grundsätzlich gilt für alle Antidepressi-va auch, diese nur bei besonders schwer-wiegenden Fällen vor dem 2. Trimenonund dann, auch unter Berücksichtigungder in der Schwangerschaft verändertenPharmakokinetik, nur in der niedrig-sten Effektivdosierung einzusetzen [8].

Wurde versehentlich mit einem neuenunzureichend untersuchten Mittel indie Schwangerschaft hineinbehandeltoder ist eine solche Behandlung auch imersten Trimenon zwingend geboten,erfordert dies nicht, eine intakte Schwan-gerschaft abzubrechen. Eine Ultraschall-feindiagnostik etwa in der 20. Wochekann in einem solchen Fall helfen, Ent-wicklungsanomalien auszuschließen.

Literatur

Liste über AkdÄ-Geschäftsstelle

Fallbericht aus der Arzneimittel-Informationshotline der AkdÄ

FAZIT

Nach dem heutigen Wissensstand sindteratogene Wirkungen von NSMRIsunwahrscheinlich.

KS

0478_AVP_3/98 30.01.1999 11:32 Uhr Seite 10

11Arzneiverordnung in der Praxis ~ Ausgabe 3/1998

Aufsättigungs- und Erhaltungsdosis von Amiodaron beachten!Im Rahmen der Diskussion proarrhyhth-mischer Effekte von Antiarrhythmikawird bei der Notwendigkeit einer medi-kamentösen antiarrhythmischen Be-handlung zunehmend auf das Klasse III-Antiarrhythmikum Amiodaron zur Be-handlung supraventrikulärer und ven-trikulärer Arrhythmie zurückgegriffen.Diese hochwirksame Substanz bedarfaufgrund ihrer extrem langen Halb-wertszeit und einiger schwerwiegenderNebenwirkungen besonderer Sorgfalt,vor allem während der Initialphase derTherapie. Die Notwendigkeit einer Auf-sättigung, die bei oraler Anwendung 10bis 14 Tage dauern kann, birgt zudemdie Gefahr, daß bei nicht exakter Über-mittlung der Dosierungsempfehlungen

von Station zu Station oder von Klinikzu Praxis unabhängig von den mögli-chen Nebenwirkungen Intoxikations-symptome auftreten, die nicht immerals Folge der Gabe dieses Antiarrhyth-mikums erkennbar werden.

Der vorliegende Fall (AkdÄ-Nr. 124 229)stellt eine solche Amiodaron-Intoxika-tion dar.

Bei dem 70jährigen Patienten wurdewegen einer absoluten Arrhythmie beiVorhofflimmern Amiodaron oral einge-setzt und mit einer Sättigungsdosis von600 mg täglich begonnen. Diese Dosie-rung wurde 15 Tage beibehalten, wobeisich bereits zu diesem Zeitpunkt Dop-pelbilder und Augenprobleme ergaben.

Anschließend erhielt der Patient für 7Tage 2 x 200 mg, um dann auf 200 mgAmiodaron überzugehen. Jetzt stelltensich Übelkeit, ein zentraler Lageschwin-del und eine leichtgradige Extremi-tätenataxie ein, so daß eine stationäreneurologische Untersuchung notwen-dig wurde. Die Symptomatik nahm danntrotz Absetzen von Amiodaron weiterzu, um erst etwa 8 Wochen nach Abset-zen der Substanz schrittweise abzuklin-gen. Alle Routine-Laborparameter lagenim Normbereich, die eingehende neuro-logische Untersuchung ergab keinenAnhalt für eine sonstige Ursache desDownbeat-Nystagmus-Syndroms.

In der Literatur wird über wenige Fälleberichtet, bei denen eine cerebelläreSymptomatik auftrat. In nahezu allenBerichten findet sich eine erhöhteAmiodaron-Dosis als Ursache. HÖ

Termin: Mittwoch, 25. November 199815.30 Uhr – 19.00 Uhr

Tagungsort: Kassenärztliche VereinigungNordrhein, Bezirksstelle KölnSedanstraße 10 – 1650668 Köln

Teilnahmegebühr: DM 35,–incl. Pausengetränke und Informations-material(Für Ärztinnen und Ärzte im Praktikumkostenlos: als Fortbildungsveranstaltunganerkannt.)

Wissenschaftliche Prof. Dr. med. B. Müller-Oerlinghausen,Leitung: Prof. Dr. med. R. Lasek,

Auskunft und Dr. med. K.-H. MunterOrganisation: Geschäftsstelle der

Arzneimittelkommission der Deutschen ÄrzteschaftAachener Str. 233 – 23750931 KölnTelefon: 0221 / 4004-525, -528Telefax: 0221 / 4004-539

* inkl. 10 Minuten Diskussionszeit

WISSENSCHAFTLICHES PROGRAMM

Therapieempfehlung der AkDÄ

Moderation: Prof. Dr. med. R. Lasek, Köln

15.30 – 15.45 Uhr EinleitungProf. Dr. med. B. Müller-Oerlinghausen

15.45 – 16.25 Uhr* Empfehlung zur Therapie derHerzinsuffizienzProf. Dr. med. K.-O. Haustein, Erfurt

16.25 – 17.05 Uhr* Empfehlung zur Therapie der AngstPriv.-Doz. Dr. med. B. Bandelow,Göttingen

17.05 – 17.30 Uhr Pause

Neue Arzneimittel

Moderation: Prof. Dr. med. B. Müller-Oerlinghausen

17.30 – 18.15 Uhr Neues Arzneimittel – ein ÜberblickProf. Dr. rer. nat. U. Fricke, Köln

18.15 – 18.30 Uhr Stellenwert von Montelukast in derTherapie des Asthma bronchialeProf. Dr. med. G. W. Sybrecht,Homburg/Saar

18.30 – 18.45 Uhr Stellenwert neuer Fluorochinolone in der AntibiotikatherapieProf. Dr. med. D. Höffler, Darmstadt

18.45 – 19.15 Uhr DiskussionDr. med. H. HarjungDr. med. W. Niebling

Therapie-Symposium ‘98 der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

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12 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Ausgabe 3/1998

Neue Arzneimittel – kritisch betrachtet

Olanzapin (Zyprexa®)

Zugelassene Indikation

Akut- und Langzeitbehandlung derSchizophrenie.

Wirkung

Olanzapin ist ein neu entwickeltes,sogenanntes atypisches Neuroleptikum(„Antipsychotikum“); chemisch handeltes sich um ein Thienobenzodiazepin-Derivat, das strukturelle Ähnlichkeitmit Clozapin (Leponex®) aufweist. (Dieunbestrittenen Vorteile von Clozapinkönnen bislang wegen der restriktivenHandhabung nicht bei allen Patientengenutzt werden.) Neurobiochemischzeigt Olanzapin eine Affinität zu ver-

schiedenen Neurotransmittersystemen,wobei insbesondere die kombinierteBeeinflussung von 5HT2-und D2-Rezep-toren (im Verhältnis 3 : 1) ausschlagge-bend für die klinische Wirkung zu seinscheint.

In den bisher vorliegenden Studienwurde Olanzapin (5 – 20 mg pro Tag) beischizophrenen Patienten eingesetzt, diesowohl positive als auch negative Sym-ptome (z. B. Affektverflachung, Antriebs-mangel, Sprachverarmung, sozialerRückzug) aufwiesen; im Vergleich zuHaloperidol (5 – 20 mg) zeigte sich beipositiven Symptomen eine ähnlich guteWirksamkeit; bei Behandlung der Nega-tivsymptome war Olanzapin überlegen.

Gegenwärtig wird zur Behandlung derSchizophrenie eine Tagesdosis von 5 –20 mg empfohlen.

Unerwünschte Arzneimittel-wirkungenIn placebo-kontrollierten Studien wur-den mit einer Häufigkeit von mehr als10 % die Symptome Schläfrigkeit undGewichtszunahme gefunden. Seltener(1 – 10 %) fanden sich Schwindel, Appe-titsteigerung, periphere Ödeme, ortho-statische Hypotonie, Obstipation undMundtrockenheit. Zu Beginn der Be-handlung kann es zu einer vorüberge-henden Erhöhung der Transaminasenkommen.

Die für klassische Neuroleptika typi-schen Nebenwirkungen auf das extra-

Ein Fallbericht kann mehrere UAW beinhalten. Die Prozent-Bezugsgröße ist die Anzahl der Fallberichte. Daher kann der Prozentwert über 100 steigen.Die in AVP veröffentlichten Daten zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) basieren – soweit nicht ausdrücklich anders erwähnt – auf einerAuswertung der in der Phoenix-Datenbank der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft enthaltenen Berichte aus dem Spontan-erfassungssystem zu Arzneimittelnebenwirkungen der Jahre 1990 bis Juni 1998. Es ist zu beachten, daß aus den Daten eines Spontanerfassungssystemskeine Aussagen zu absoluten Häufigkeiten (Inzidenzen) des Auftretens von UAW möglich sind. DT

0478_AVP_3/98 30.01.1999 11:32 Uhr Seite 12

13Arzneiverordnung in der Praxis ~ Ausgabe 3/1998

pyramidal-motorische System (z. B.Parkinsonoid, Dyskinesien, Akathisie)fanden sich im Vergleich zu Haloperidol– ähnlich wie unter Clozapin – signifi-kant seltener; ebenso gab es bisher keineHinweise für das Auftreten einer Agra-nulozytose wie bei dem strukturver-wandten Clozapin. Jedoch ist der AkdÄinzwischen der Verdachtsfall einer Agra-nulozytose unter Olanzapin gemeldetworden.

Bei Patienten mit bekanntem Risikoeines Engwinkelglaukoms ist Olanzapinkontraindiziert.

Kinetik

Maximale Plasmaspiegel werden nachetwa 5 – 8 Stunden erreicht, die Elimi-

nationshalbwertszeit liegt zwischen 27und 39 Stunden. Olanzapin wird umfas-send metabolisiert, wobei die bisheridentifizierten mehr als zehn Metaboli-ten inaktiv sind.

Fertigarzneimittel

Zyprexa® 5 mg/ 7,5 mg/ 10 mg (= 5/ 7,5/10 mg Olanzapin)

Prof. Dr. med. Gerd LauxBezirkskrankenhaus GaberseeGabersee 783512 Wasserburg am Inn

Für die kritische Durchsicht des Manu-skriptes danken wir Herrn Prof. Dr. med.B. Müller-Oerlinghausen, Berlin.

FAZIT

Das neu entwickelte atypische Neuro-leptikum (Antipsychotikum) Olanzapinzeigt nach den bisher vorliegendenStudienergebnissen eine gute Wirk-samkeit sowohl bei den positiven alsauch bei den negativen Symptomender Schizophrenie bei gleichzeitiggeringer Inzidenz extrapyramidal-mo-torischer Nebenwirkungen. Der Stel-lenwert innerhalb des medikamen-tösen Spektrums der Schizophrenie-behandlung und insbesondere seineVor- und Nachteile gegenüber Clozapinlassen sich derzeit noch nicht ab-schließend beurteilen.

Substanz Handels- HWZ Aktiver Bioverfüg- Einfluß Eiweiß- Dosis Marktein- TTK (DM) Ausschei- Ausschei-(INN) namen (h) Metabolit barkeit von bindung (mg) führung bei Dosis dung dung

(%) Nahrung (%) (mg)* renal (%) hepatisch (%)

Atorvastatin Sortis 14 ja 12 nein >98 10-20 02.1997 2.41 (10) 2 ganz über-(-80) 3.67 (20) wiegend

Cerivastatin Lipobay 3 ja 60 nein >99 0,1-0,3 09.1997 2.24 (0,2) 30 702.65 (0,3)

Fluvastatin Cranoc, 0,5 nein 24 nein 98 20-40 09.1994 1.57 (20) <6 >90Locol 2.20 (40)

Lovastatin Mevinacor 2-4 ja 5 nein >9% (10)-20- 04.1989 2.41 (20) ca. 10 >8040-80 3.67 (40)

Pravastatin Pravasin, ca. 2 nicht 17 nein 50-60 10-20 02.1991 2.18 (10) 20 70Liprevil relevant (-40) 3.30 (20)

Simvastatin Zocor, 2 ja 5 nein 95 10-20 06.1990 2.41 (10) ca. 13 ca. 60Denan (40) 3.67 (20)

HMG-CoA-Reduktasehemmer (CSE-Hemmer): Datenübersicht

* Tagestherapiekosten (TTK) für vergleichbare Dosierungen, mit denen eine LDL-Absenkung um 25-30% erwartet werden kann, sind fett gedruckt

Besonderheiten der einzelnen Substan-zen:

• Lovastatin: Marcumar, Warfarin: Pro-thrombinzeit kann verlängert sein,Überwachung!

• Atorvastatin: höchste prozentualeAbsenkung des LDL-Wertes erreich-

bar. Digoxin-Spiegel werden um ca.20 % erhöht, ggf. Überwachung!

• Die meisten klinischen Daten liegenfür Simvastatin und Pravastatin vor,für die die Senkung der kardiovas-kulären und Gesamtmortalität bereitsbelegt ist.

Es fällt auf, daß nennenswerte Unter-schiede nicht bestehen.

Dr. rer. nat. Stephan Grossmann, Apo-theke der Städtischen Kliniken Darm-stadt, Grafenstraße 9, 64283 Darmstadt

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14 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Ausgabe 3/1998

Vorsicht vor Fehldosierung von Doxazosin(Cardular ® PP, Diblocin ® PP)!

Der Alpha1-Rezeptorenblocker Doxazo-sin hat sich als Antihypertensivumbewährt. Es handelt sich um eine neben-wirkungsarme, langwirksame Substanz,die allerdings durch die periphere Dila-tation zu einer reflektorischen Tachy-kardie führen kann und daher nichtselten mit einer bradykardisierendenSubstanz (z. B. Betablocker) kombiniertwerden muß.

Die pharmazeutischen UnternehmenAstra und Pfizer haben vor einigenMonaten eine neue Form auf den Marktgebracht: Diblocin ®PP und Cardular®PP. Es handelt sich um eine Retard-form und, wie die Firmen es nennen,um eine „galenische Weiterentwick-lung“. Die bisherige nichtretardierteZubereitungsform wird nicht mehr ver-fügbar sein.

Dies ist bemerkenswert, weil Doxazosineine Halbwertszeit von ca. 22 Stundenbesitzt. Somit ist bei dem unretardier-ten Doxazosin bereits eine 24-Stunden-Wirkung gesichert. Nur in Ausnahme-fällen wurde bisher zweimal täglichdosiert. Die Firmen legen unter der „PP-Form“ Blutspiegelkurven vor, diegleichmäßiger sind als bei der Stan-dardtherapie. Ob dies tatsächlich einVorteil ist, sei dahingestellt. Die von denFirmen vorgelegten klinischen Studienlassen aber weder eine stärkere Blut-drucksenkung noch eine bessere Ver-träglichkeit im Vergleich zur herkömm-lichen Doxazosin-Standardtherapie er-kennen.

Die neue Retardform ermöglicht es nunnicht mehr, abgestuft zu dosieren: ob

man will oder nicht, muß man 4 mggeben. Dies ist oft weder notwendig,noch ist es ohne Nachteile. Man istsomit der Dosierungsmöglichkeit von 1oder 2 mg beraubt – es sei denn, manwürde auf Cardular®Uro 1 oder 2 mgbzw. Diblocin®Uro 1 oder 2 mg (Indika-tion: benigne Prostatahyperplasie) aus-weichen. Da sich das Prinzip der Alpha-Rezeptorenblockade bei Miktionsstö-rungen infolge einer benignen Prosta-tahyperplasie (BPH) als wirkungsvollherausgestellt hat, ist diese Medikationsinnvoll. Man würde allerdings zögern,hier 4 mg einzusetzen, es sei denn, derPatient leidet schon primär unter einerHypertonie, und man möchte beideErkrankungen behandeln.

Die von den beiden Firmen synchronvorgenommenen „Verbesserungen“durch die Retardform führen nur zuNachteilen bei Patienten und Ärzten:

1. Eine abgestufte Dosierung von 1 bis 4 mg ist nicht mehr möglich, es seidenn, man würde auf die „Uro-For-men“ ausweichen.

2. Viele tausend Patienten, die bishermit der Substanz gut eingestellt wor-den sind, müssen umgestellt werden.Soll dies sachgerecht gemacht wer-den, sind (da die Alphablocker be-kanntlich besonders bei schwererHypertonie indiziert sind) mehrfach wiederholte Arztbesuche nötig, invielen Fällen wird sogar eine stationä-re Einstellung erforderlich sein. DieKosten dürften in die Millionengehen.

3. Es wird mit Sicherheit zu einererheblichen Verwirrung von Patien-

ten, Ärzten und Apothekern führen,die praktisch nur dadurch informiertwerden, daß die früheren Zuberei-tungsformen nicht mehr geliefertwerden. Wir sind sicher, daß dies beimanchen Patienten zu bedrohlichenFehldosierungen und Blutdruckspit-zen führen wird.

4. Man wird unter diesen Bedingungenden Kollegen, soweit sie nicht auf die„Uro“-Formen (Indikation: BPH) aus-weichen wollen (wie erklärt man denPatienten einen solchen Beipackzet-tel, inbesondere wenn es sich um eineFrau handelt?), anraten müssen, aufTerazosin (Heitrin®) auszuweichen.Diese im wesentlichen wirkgleicheSubstanz hat allerdings nur eineHalbwertszeit von 12 Stunden, mußalso deshalb häufiger 2 x 1 täglichverordnet werden, steht aber in Dosierungen von 1, 2 und 5 mg zurVerfügung.

5. Laut Herstellerinformation wird dieTablettenhülle scheinbar unverändertim Stuhl ausgeschieden. Man mußdamit rechnen, daß es dadurch zuunnötigen Arztbesuchen beunruhig-ter Patienten kommt, selbst wennvorab eine entsprechende Aufklärungerfolgte.

6. Wir gehen davon aus, daß die Retard-präparate Cardular®PP und Diblo-cin®PP deshalb eingeführt wurden,weil Doxazosin bald als Generikumerhältlich sein wird und sich die phar-mazeutischen Hersteller durch die„galenische Weiterentwicklung“ ele-gant einem anstehenden Preisver-gleich entziehen können.

Prof. Dr. med. Dietrich HöfflerMedizinische Klinik IIIKlinikum DarmstadtGrafenstraße 964276 Darmstadt

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15Arzneiverordnung in der Praxis ~ Ausgabe 3/1998

Die preisgünstige Verordnung

Antibiotika gehören zu den therapeu-tisch bedeutsamen Arzneimittelgrup-pen. Laut Arzneiverordnungs-Report ‘97haben die Verordnungen bei den Anti-biotika erstmalig im Vergleich zum Vor-jahr abgenommen.

Besonders das zur Gruppe der Tetra-cycline gehörende Doxycyclin und auchdas zur Gruppe der Aminopenicilline ge-hörende Amoxicillin haben bei den Ver-ordnungen einen bedeutenden Stellen-wert.

Beide Wirkstoffe können aufgrund dergroßen Generikaauswahl aber preisgün-stig verordnet werden. Die für denPreisvergleich aufgeführten Packungs-größen spiegeln eine Auswahl wider.

Doxycyclin und Amoxicillin

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16 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Ausgabe 3/1998

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17Arzneiverordnung in der Praxis ~ Ausgabe 3/1998

… was uns sonst noch auffiel

Keine Verschreibungspflicht für Coffein-haltige Analgetika-Kombinationen

den USA zugelassen (8), das die aktivenBestandteile Acetylsalicylsäure, Parace-tamol und Coffein enthält. Die Wirk-samkeitsstudien wurden kürzlich publi-ziert (9).

Neue Marktzahlen: Dem Verschreibungs-ausschuß wurden bisher unveröffent-lichte vergleichende Marktzahlen aufder Basis der verlässlichen IMS-Daten(Institut für Medizinische Statistik) vor-gelegt. Danach ist der Anteil der ver-kauften Coffein-haltigen Analgetika inDeutschland in den letzten 15 Jahrenvon über 60% auf unter 30% gefallen(Zähleinheiten), obwohl dem Coffein einden Analgetika-Verbrauch stimulieren-der Effekt nachgesagt wird. Der Gesamt-verbrauch von etwa 50 Zähleinheiten(ZE) pro Kopf der deutschen Bevölke-rung und Jahr ist in den letzten 15 Jah-ren konstant geblieben. Gleiches gilt fürdie Schweiz (ca. 30 ZE) und Belgien (ca.60 ZE), d. h. in Ländern, in denen Kom-binationsanalgetika nicht verboten wur-den. Erstaunlich ist dagegen ein Anstiegdes Gesamtverbrauchs von Analgetika,beginnend unmittelbar mit dem Verbotbzw. der Unterstellung unter die Ver-schreibungspflicht in Kanada von 43 auf64 ZE (1995), in Australien von 39 auf86 ZE (1995), in Schweden von 92 auf140 ZE (1995). Angesichts einer analge-tika-induzierten Mortalität von 1,67bzw. 0,2 pro 1 Million Kurzanwendun-gen pro Jahr von ASS bzw. Paracetamol(10) ist dies ein unerwünschter Effektder regulatorischen Maßnahme.

Literatur

Liste über AkdÄ-Geschäftsstelle

Der Sachverständigenausschuß für Ver-schreibungspflicht hat ohne Gegenstim-men, unter verstärkter Beteiligung derÄrzteschaft (neue Zusammensetzungdes Ausschusses seit 1. 1. 1998) be-schlossen, seine Entscheidung von 1994zugunsten der Verschreibungsfreiheitvon Kleinpackungen von Coffein-halti-gen Analgetika-Kombinationen nicht zuändern. Diese Entscheidung ist teilweiseauf Unverständnis gestoßen und hatauch kritische Kommentare hervorge-rufen, es wurde sogar gefordert, denVerschreibungspflicht-Ausschuß auf-zulösen. Die Arzneimittelkommissionder deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) infor-miert über die tatsächliche Sachlage.

Auf der Risikoseite nichts Neues: DieInitiative für die Entscheidungsvorlageging von der Politik, nicht vom Bun-desinstitut für Arzneimittel und Medi-zinprodukte (BfArM) aus. Das BfArMlegte die Erklärungen der U.S. NationalKidney Foundation (NKF) (1) und derVorstände der Deutschen Nephrologi-schen Gesellschaften (2), ferner dieDaten der wertvollen, vielzitierten Stu-die von POMMER et al. (3) vor. Esbestätigte damit, daß sich auf der Risi-koseite seit der Bewertung durch dieAufbereitungskommission B3 (Neurolo-gie/Psychiatrie) nichts Grundlegendesgeändert hat. Nun ist die Studie vonPOMMER et al. gerade ein Nachweisdafür, daß Analgetika-Kombinationen(sofern sie nicht Phenacetin enthalten)nicht nephrotoxischer sind als beispiels-weise Acetylsalicylsäure (ASS) oderParacetamol alleine; dies gilt insbeson-dere auch für Coffein-haltige Kombina-tionen, wie man leicht nachvollziehenkann, wenn in den Daten von POMMERet al. die Menge der mit Coffein kumu-liert eingenommenen analgetischenSubstanz kalkuliert wird. Das scheinbarhöhere nephrotoxische Risiko von Anal-getika-Kombinationen gegenüber Mono-

analgetika in dieser Studie hat sich alsreiner Dosiseffekt herausgestellt, wie dieMitglieder der Aufbereitungskommis-sion B3 gezeigt haben (4). Die auf Initiativevon DE BROE zustandegekommene Er-klärung der NKF wurde von berufenerSeite kritisiert (5). Doch auch die Datenvon DE BROE sprechen eher für einehöhere (!) Nephrotoxizität von Mono-als von Kombinationsanalgetika (4).

Nephrologischer Sachverstand: DerAusschuß tagte unter Beteiligung vonMICHIELSEN, eines renommierten bel-gischen Nephrologen, welcher seiner-zeit den Aufbau des belgischen Dialyse-netzes maßgeblich mitbestimmt hat.MICHIELSEN legte überzeugend dar,daß DE BROE belgische Prävalenzdatenmit schwedischen und australischenInzidenzdaten verglichen und zwangs-läufig falsche Schlüsse gezogen hat.Darüber hinaus zeigte er auf der Basisder belgischen Inzidenzdaten, daß derRückgang der Analgetika-Nephropathiein Belgien den exakt gleichen Verlaufnimmt wie vor Jahren in Australien, nurzeitlich um die unterschiedlichen Ver-botszeitpunkte für Phenacetin versetzt(6), und dies, obwohl in Belgien nachwie vor Kombinationsanalgetika einenbedeutenden Verkaufsanteil haben. Die-se Entwicklung ist in allen europäischenStaaten vergleichbar (7), so daß dieAnalgetika-Nephropathie in den Staa-ten, die Phenacetin früh verbotenhaben, heute eine untergeordnete Rollespielt. Aussterben wird sie jedoch nicht,da andere Monoanalgetika wie auchKombinationsanalgetika eine – wenn-gleich im Verhältnis zu Phenacetingeringe – Nierentoxizität besitzen.

Neue Zulassung der FDA: Die Food &Drug Administration (FDA) hat kürzlichmit Exedrin® Extra Strength ein neuesArzneimittel mit der Indikation Migränefür den verschreibungsfreien Vertrieb in

FAZITAlles in allem ergab sich auch aus derSicht der AkdÄ für den Ausschuß für Verschreibungspflicht kein Grund,seine frühere Entscheidung zu revidie-ren, wonach Kleinpackungen Coffein-haltiger Analgetika-Kombinationen re-zeptfrei verkäuflich bleiben.

AkdÄ

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18 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Ausgabe 3/1998

Supplementierung von Calcium und Vitamin D3 jenseits des 65. Lebensjahres:Nützlich für Knochendichte und -stabilität

Vitamin D-reichere Versorgung ange-nommen, offenbar ist das bei älterenMenschen nicht unbedingt so. Vermut-lich kann die Wirksamkeit einer solchenSupplementierung noch gesteigert wer-den, wenn der Arzt aufgrund einerAnamneseerhebung und Untersuchungdas Risiko eines Calcium- und VitaminD-Mangels einengt und damit die Pro-phylaxe noch gezielter durchführt.

Literatur

1. Dawson-Hughes B, Harris SS, KrallEA, Dallal GE: Effect of calcium andVitamin D supplementation on bonedensity in men and women 65 years ofage or older. N Engl J Med 337: 670 –676 (1997)

2. Chapuy MC et al.: Vitamin D3 and cal-cium to prevent hip fractures in theelderly women. N Engl J Med 327:1637-1642 (1992)

Prof. Dr. med. R. Ziegler, Heidelberg

B. Dawson-Hughes und ihre Arbeits-gruppe in Boston supplementierten bei176 Männern und 213 Frauen jenseitsdes 65. Lebensjahres täglich 50 mg Cal-cium plus 700 I. E. Vitamin D3 oderPlacebo.Es handelte sich um eine noch gehfähi-ge Gruppe von Menschen, die direktangeschrieben oder über Informations-veranstaltungen erreicht wurden. Aus-schlußgründe für die Teilnahme an derStudie waren z. B. Krebserkrankungen,Hyperparathyreoidismus sowie relevan-te Therapien mit osteotropen Substan-zen wie Estrogene u. a. Hormone, Bis-phosphonate, Fluoride. Die Doppel-blindstudie lief über drei Jahre. Kon-trollparameter waren die Knochendich-te sowie Laborkontrollen; klinischeFrakturereignisse wurden mit Hilfe vonKrankenhausberichten verifiziert.

Im Vergleich zur Placebogruppe hattendie Calcium/Vitamin D-Supplementier-ten nach einem Jahr an allen Meßstellen(Femur, Wirbelsäule, Gesamtkörper)eine signifikant höhere Knochendichte,

nach dem 2. und 3. Jahr war die Signifi-kanz nur bei der Gesamtkörpermessungersichtlich. Unter der Therapie lagen dieMarker des Knochenumbaus niedriger,wobei Frauen stets höhere Werte alsMänner aufwiesen. Die Zahl erstmaligernicht-vertebraler Knochenbrüche be-trug in der Placebogruppe (202 Perso-nen) 26 – in der Calcium/Vitamin D-Gruppe (187 Menschen) ereigneten sich11 derartige Frakturen. Aus ihren Daten leiten die Autoren ab,daß diese Form der Supplementierungbei älteren Menschen eine mäßige Ver-minderung des Knochendichteverlustesbewirkt und die Zahl nicht-vertebralerKnochenbrüche reduziert.

Aus europäischer Sicht ist interessant,daß das Ergebnis den Daten ausLyon/Frankreich entspricht, die 1992von Chapuy et al in der gleichen Zeit-schrift publiziert wurden und den Nut-zen der Optimierung der Calcium- undVitamin D-Zufuhr bei Älteren hinsicht-lich der Skelettstabilität belegen. Fürdie USA wurde eine etwas Calcium- und

FAZITEine Supplementierung von 50 mg Cal-cium und 700 I.E. Vitamin D3 hat beiüber 65jährigen einen positiven Effektauf die Knochenstabilität.

Und nochmals „Wie verträglich sindEchinacea-haltige Präparate?“Vor Veröffentlichung dieser Mitteilungim Deutschen Ärzteblatt (Heft 45/1996,S. A-2970) wurde der Text, wie es ausjuristischen Gründen üblich ist, denpharmazeutischen Verbänden und be-troffenen Herstellern zur Kenntnisgegeben. Ein führender pharmazeuti-scher Unternehmer für Echinacea-halti-ge Präparate beschränkte sich daraufhinnicht auf sachliche Einwände, die – inbegründeten Fällen – durchaus berück-sichtigt werden.

Ungeachtet der eigenen Argumentewurde unter Berufung auf das Urteil desOberverwaltungsgerichts Münster vom

20.11.1995 „angenommen, daß Sie (dieAkdÄ) von der Veröffentlichung des vor-gesehenen Beitrags absehen werden.“Falls die AkdÄ dies nicht innerhalb einerzweitägigen Frist schriftlich bestätige,„würden wir es bedauern, wenn wirnach Ablauf dieser Frist zur Wahrungunserer Rechte anwaltliche bzw. ge-richtliche Hilfe in Anspruch nehmenmüßten.“ Ein pharmazeutischer Ver-band äußerte ebenfalls „erhebliche,auch rechtliche Bedenken“ aufgrunddieses Urteils.

Das OVG hatte hierbei jedoch lediglichfestgestellt, daß die AkdÄ vor Abschluß

eines laufenden Stufenplanverfahrensnach § 63 AMG die Ärzteschaft nichtüber Einzelheiten des betreffenden Ver-fahrens informieren bzw. diese nichtkommentieren dürfe. Ein Stufenplan-verfahren für Echinacea-haltige Arznei-mittel lag aber im o. g. Fall nicht vor.

Dieses Beispiel gibt jedoch zur FrageAnlaß, inwieweit auf Herstellerseite einInteresse an Arzneimittelsicherheit be-steht. Wir – die AkdÄ – jedenfalls, stehenzu unserem Gründungsauftrag aus demJahre 1911, die deutsche Ärzteschaftunabhängig und objektiv zu informie-ren.

Prof. Dr. med. Knut-Olaf Haustein,Erfurt

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19Arzneiverordnung in der Praxis ~ Ausgabe 3/1998

„... und wünschen wir in unserer Zeitschrift nur positive Ergebnisse zu veröffentlichen.“

Jeder publizierende Wissenschaftlerweiß – oder besser meint zu wissen –,daß Arbeiten ohne positive Resultatenicht oder nur mit erheblicher Verzöge-rung veröffentlicht werden. Die hierreferierte Arbeit von Ioannidis hat zwardie Berechtigung dieser Ansicht nichtallgemeingültig bewiesen, aber immer-hin anhand einer Analyse von etwa 100AIDS-Studien mit zusammen etwa40.000 Patienten überzeugend darge-legt, daß die eingangs geschilderte Auf-fassung keineswegs ein Vorurteil ist.

Positive Ergebnisse wurden hochsignifi-kant schneller als negative veröffent-licht: 4,3 vs. 6,5 Jahre, gerechnet vomBeginn der Studie (p < 0,001). DieserUnterschied ist keineswegs durch eineunterschiedliche Studiendauer bedingt,wie der Vergleich der Zeiten zwischenFertigstellung und Publikation zeigt:1,7 vs. 3 Jahre (p < 0,001). Der Autornennt 8 Studien, die 6 Jahre nachBeginn noch nicht veröffentlicht waren,7 davon mit negativem Ausgang. ImGegensatz dazu hatten alle 5 Studien,die innerhalb von weniger als 3 Jahrenpubliziert worden waren (und dies inherausragenden Fachzeitschriften), po-sitive Aussagen zum Inhalt.

Bei dem Problem geht es um mehr alsdie Eitelkeit der betroffenen Autoren.Vielmehr kann eine systematische Ver-nachlässigung von Studien mit negati-ven Ergebnissen zu einer Schieflage(„publication bias“) in der Literaturführen, Wirkungen gleich welcher Artwerden gedanklich überschätzt. DieserEffekt ist sowohl aus wissenschaftlicher

Sicht als auch unter gesundheitspoliti-schen und ökonomischen Gesichts-punkten fatal, Präparate oder Verfahrenwerden als Folge der Überbewertungunverhältnismäßig oft verschriebenoder angewandt.

Es ist daher ein Verdienst des Verfassersebenso wie der Herausgeber von JAMA,dieses Problem zum Gegenstand einesvergleichsweise umfangreichen Beitra-ges gemacht zu haben.

Leider enthält die Arbeit nach Ansichtdes Referenten einen methodischenFehler. Der Autor spricht nur generellvon Studien mit negativen Resultaten,ohne zu differenzieren. Neben dem vonihm wohl gemeinten Typ (von Studien),die eine Antwort auf Studien mit positi-ven Folgerungen darstellen, gibt es –mindestens theoretisch – auch Studienmit negativem Ausgang, bei denen einpositiver Befund weder wahrscheinlichnoch von irgend jemand ernsthaft be-hauptet worden ist. So muß die Zurück-haltung von Herausgebern und Re-viewern gegenüber Arbeiten mit negati-vem Ausgang durchaus nicht reine Will-kür (oder Schlimmeres) sein.

Was ist zu tun, um die Folgen der uner-freulichen Situation zu mindern?

• Erstens sollten die Autoren von Stu-dien mit negativen Ergebnissen ihrenWiderspruch zu Veröffentlichungenmit positiven stärker herausstellen,statt diese (wohl aus dem Wunschheraus, die eigenen Resultate nichtinfrage zu stellen) eher beiläufig zu

besprechen. Die Autoren sollten sichu. U. auch nicht scheuen, ihre Arbeitausdrücklich als einen Beitrag zurVerminderung des Entstehens eines„publication bias“ zu kennzeichnen.

• Zweitens sollten die Herausgeber/Reviewer wissenschaftlicher Zeit-schriften vermeiden, Arbeiten mitunerwarteten Ergebnissen (häufignegativen) schärfer nach methodi-schen Mängeln zu durchsuchen alssolche mit erwarteten positiven. Viel-mehr muß eine gleichgewichteteBewertung unabhängig vom Resultatangestrebt werden.

• Drittens müssen die Verfasser vonÜbersichtsarbeiten (sog. Metaanaly-sen) die Möglichkeit einer Publika-tions-Schieflage („publication bias“)sorgfältig beachten.

Literatur

Ioannidis, JPA: Effect of the StatisticalSignificance of Results on the Time toCompletion and Publication of Rando-mized Efficacy Trials. JAMA 279: 281 –286 (1998)

Prof. Dr.-Ing. P. Koeppe, Berlin

FAZITDie gegenwärtig deutliche Verzöge-rung – oder sogar Ablehnung – derVeröffentlichung von Studien mit nega-tivem Ergebnis führt zu einer Schiefla-ge in der Literatur („publication bias“),d. h. einer Überbewertung von Wir-kungen gleich welcher Art. Angesichtsder grundsätzlichen Bedeutung undder praktischen Konsequenzen mußdieser Effekt in Zukunft stärker beach-tet werden.

0478_AVP_3/98 30.01.1999 11:32 Uhr Seite 19

20 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Ausgabe 3/1998

Vorbeugung eines Knochenverlustes beipostmenopausalen Frauen unter 60 Jahrendurch Alendronat

Eine amerikanische Arbeitsgruppe (D.Hoskeng et al.) verglich die Knochen-dichte bei Patientinnen, die 2,5 mg und5 mg Alendronat, eine Estrogen/Gesta-gen-Kombination oder Placebo erhiel-ten.

Die Studie bietet große Zahlen (Alen-dronat/Placebo: 1.174 Frauen, Estro-gen/Gestagen-Kombination: 435 Frau-en). Die Autoren zeigten, daß die Wir-kung von Alendronat dosisabhängig ist:2,5 mg Alendronat/Tag wirkten weniger

als 5 mg/Tag. Die Estrogen/Gestagen-Therapie war um einen geringen Pro-zentsatz effektiver als eine Alendronat-Dosis von 5 mg. Die Autoren folgerten,daß Alendronat den Knochenverlust beipostmenopausalen Frauen unter 60 Jah-ren fast genauso wirksam verhindert wieeine Estrogen/Gestagen-Kombination.

Eine andere umfangreiche Studie (DMBlack et al.) kam grundsätzlich zu glei-chen Schlüssen.

Es sei noch einmal ausdrücklich daraufhingewiesen, daß Alendronat mit reich-lich Flüssigkeit nüchtern eingenommenwerden muß, da Fälle von Oesophagus-schäden berichtet wurden (siehe AkdÄ-Mitteilung im Deutschen Ärzteblatt 95:22, A-1404 [29. 5. 1998]).

Literatur

1. Hosking D et al: Prevention of BoneLoss with Alendronate in Postme-nopausal Women under 60 Years ofAge. N Engl J Med 338: 485 – 492(1998)

2. Black DM et al.: Randomised trial ofeffect of alendronate on risk of fractu-re in women with existing vertebralfractures. Lancet 348: 1535 – 1541(1996) HÖ

Alendronat verhütet postmenopausalenKnochensubstanzverlust bei Frauen ohneOsteoporose

Die hier vorliegende Studie, die doppel-blind, randomisiert und kontrolliertdurchgeführt wurde, verglich Placebo, 1 mg, 5 mg, 10 mg und 20 mg Alendro-nat über zwei Jahre. Ab einer Dosierungvon 5 mg war eine deutliche Wirkung

nachweisbar. Diese Dosis wurde – wie zuerwarten – besser vertragen als diehöheren.Die Autoren kommen zu dem Schluß,daß auf der Basis von Wirksamkeits-und Sicherheitsüberlegungen 5 mg

Alendronat als die optimale Dosis für dieVerhütung des postmenopausalen Kno-chensubstanzverlustes erscheinen. Diebefürchtete Ösophagitis wurde in der 5- und 10 mg-Gruppe nicht beobachtet.

Literatur

McClung M et al.: Alendronate preventspostmenopausal bone less in womenwithout osteoporosis. Ann Intern Med128: 253-261 (1998)

In einer Metaanalyse von 10 randomi-sierten kontrollierten Untersuchungenmit 2750 Teilnehmern wurde die Wirk-samkeit und Sicherheit von Mefloquin(Lariam©) bei der Malaria-Prophylaxeerfaßt.

Die Wirksamkeit von Mefloquin wardeutlich größer als die von Placebo, abernicht signifikant besser als die vonDoxycyclin. Die Abbruchrate war beiMefloquin signifikant höher als bei Pla-cebo. Auch im Vergleich mit anderenChemoprophylaktika (Doxycyclin, Chlo-roquin, Chloroquin + Proguanil) be-

stand ein Trend zu einer höheren Ab-bruchrate bei Mefloquin; dieser Trendwar jedoch nicht signifikant. Häufigsteunerwünschte Wirkungen von Meflo-quin waren Schlafstörungen, Müdigkeitund Diarrhöen.

Literatur

Croft A., Garner P: Mefloquine to preventmalaria: a systematic review of trials.Brit Med J 315: 1412 – 1416 (1997)

Prof. Dr. med. Hasso Scholz, Hamburg

Mefloquin zur Malariaprophylaxe

FAZITInsbesondere wegen der hohen Ab-bruchrate und der dadurch einge-schränkten Wirksamkeit wird Meflo-quin nicht für die Routineprophylaxeder Malaria empfohlen. Mefloquin soll-te als Malariaprophylaktikum nur inGegenden mit Chloroquin-resistenterMalaria verwendet werden.

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