Arzneiverordnung in der Praxis -...

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THERAPIEEMPFEHLUNGEN DER ARZNEIMITTELKOMMISSION DER DEUTSCHEN ÄRZTESCHAFT 1. AUFLAGE 2000 Arzneiverordnung in der Praxis ARZNEIMITTELKOMMISSION DER DEUTSCHEN ÄRZTESCHAFT

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THERAPIEEMPFEHLUNGEN DER ARZNEIMITTELKOMMISSION DER DEUTSCHEN ÄRZTESCHAFT 1. AUFLAGE 2000

Arzneiverordnungin der Praxis

ARZNEIMITTELKOMMISSIONDER DEUTSCHEN ÄRZTESCHAFT

Evidenz in der Medizin

Kategorien zur Evidenz

Aussage (z. B. zur Wirksamkeit) wird gestützt durch mehrere adäquate, valide klinischeStudien (z. B. randomisierte klinische Studie) bzw. durch eine oder mehrere valideMetaanalysen oder systematische Reviews. Positive Aussage gut belegt.

Aussage (z. B. zur Wirksamkeit) wird gestützt durch zumindest eine adäquate, valide klinische Studie (z. B. randomisierte klinische Studie). Positive Aussage belegt.

Negative Aussage (z. B. zur Wirksamkeit) wird gestützt durch eine oder mehrere adäquate,valide klinische Studien (z. B. randomisierte klinische Studie), durch eine oder mehrereMetaanalysen bzw. systematische Reviews. Negative Aussage gut belegt.

Es liegen keine sicheren Studienergebnisse vor, die eine günstige oder schädigendeWirkung belegen. Dies kann begründet sein durch das Fehlen adäquater Studien, aber auch durch das Vorliegen mehrerer, aber widersprüchlicher Studienergebnisse.

Die Wirksamkeit eines Arzneimittels bzw. einer thera-peutischen Maßnahme kann nur dann als nachgewiesengelten, wenn hierzu Belege, d. h. eine ausreichende»Evidenz«, aus validen klinischen Prüfungen vorliegen.

In der Wertigkeit haben Nachweise zum Erreichenbedeutender therapeutischer Ziele wie Reduktion vonMorbidität und Letalität Vorrang vor Surrogatparame-tern wie z. B. Senkung von LDL-Cholesterin oder Blut-druck. Der Wirksamkeitsnachweis sollte wichtigsteGrundlage für eine therapeutische Entscheidung sein.

Die Therapieempfehlungen versuchen daher, insbe-sondere mit den »Kategorien zur Evidenz« transpa-

rent zu machen, für welchen Wirkstoff und für welcheIndikation eine Wirksamkeit belegt ist. Ergebnisse epi-demiologischer Untersuchungen können aber nur eineGrundlage der ärztlichen Therapieentscheidung sein,bei der eine Vielzahl individueller Gegebenheiten deseinzelnen Patienten berücksichtigt werden muss. Hinzukommt, dass es nicht für alle therapeutischen Maßnah-men Belege zur Wirksamkeit gibt bzw. geben kann.Auch für diese Situation finden sich in den Therapie-empfehlungen Hinweise. Letztlich ist der Arzt hier ge-fordert, auf der Basis bislang vorliegender Kenntnisseund Erfahrungen das für den Patienten Richtige zu tun.

INHALT

VORWORT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

GRUNDLAGEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Vorbemerkungen zur Pathologie und Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . 5

Definition und Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Diagnoseplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

THERAPIE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Indikationsstellung zur Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Therapieziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Nichtmedikamentöse Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Pharmakotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

I. Funktionelle Dyspepsie (FD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

II. Reizdarmsyndrom (RDS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

LITERATUR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

ANHANG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

Kurzgefasster Leitlinien-Report zur Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

Empfehlungen zur Therapie bei funktioneller Dyspepsie und Reizdarmsyndrom

Inhaltlich abgestimmt mit der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- undStoffwechselkrankheiten (DGVS)

AVP-Sonderheft Therapieempfehlungen, 1. Auflage, Juli 2000

Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom ~ 1. Auflage 2000 Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

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VORWORT

Funktionelle gastrointestinale Erkrankungen sind häufig (1) und stellen den

Arzt oft vor nicht unerhebliche diagnostische und therapeutische Probleme.

Hierzu trägt bei, dass eine unzureichende Kenntnis der Erkrankungsursachen

auch Unsicherheiten in der Therapie bedingt und die Diagnose letztlich nur

per exclusionem, d. h. durch Ausschluss organischer Erkrankungen, zu stellen

ist. Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom beeinträchtigen nicht die

Lebenserwartung, sondern die Lebensqualität und können durch Arbeits-

ausfall auch zu höheren indirekten Kosten führen. Das Fehlen organischer

Befunde bei z. T. erheblichen Beschwerden erfordert ein enges Vertrauens-

verhältnis zum Patienten, ggf. auch psychotherapeutische Beratung. Bei so

vielen Variablen in Diagnostik und Therapie erscheinen sichere Kenntnisse

über den Nachweis der Wirksamkeit der in dieser Indikation eingesetzten

Arzneimittel anhand klinischer Prüfungen besonders wichtig.

Diese Therapieempfehlungen nach Nr. 14 der Arzneimittel-Richtlinien versu-

chen daher hier mit den »Kategorien zur Evidenz« Transparenz zu schaffen,

wobei jedoch deutlich wird, dass die Datenlage oft unzureichend oder

widersprüchlich ist. Auch in derartigen Situationen Orientierung zu geben,

ist Anliegen dieser Therapieempfehlung und entspricht mit der Anwendung

der »bestmöglichen Evidenz« letztlich auch den Prinzipien der Evidence

Based Medicine.

Diese Therapieempfehlungen repräsentieren den Konsens der entsprechen-

den Fachmitglieder und allgemeinmedizinischen Kommissionsmitglieder und

des Vorstandes der Arzneimittelkommission.

Prof. Dr. med. R. Lasek

Prof. Dr. med. B. Müller-Oerlinghausen (Vorsitzender)

Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

1. Drossman DA, Li Z, Andrussi E et al.: U. S. householder survey of functional GI disorders:prevalence, sociodemography, and health impact. Dig Sci 1993; 38: 1569-1580.

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Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom ~ 1. Auflage 2000

Vorbemerkungen zurPathologie undPathophysiologie

Funktionelle Magen-Darm-Beschwerdensind bei Einsatz von in der Praxis oderKlinik üblicherweise verfügbaren Unter-suchungsmethoden gekennzeichnetdurch fehlende morphologische Abnor-mitäten, die die Symptome hinreichenderklären. Rationale Behandlung undFührung von Patienten mit funktionellenMagen-Darm-Beschwerden werden des-halb erschwert durch das Fehlen vonobjektiven Diagnosekriterien, aber auchvon gesicherten Kenntnissen der patho-genetischen Vorgänge, und demzufolgepathophysiologisch begründeter Thera-piemaßnahmen. Funktionelle Magen-Darm-Beschwerden können in Beschwer-den, die vom oberen Gastrointestinal-trakt (funktionelle Dyspepsie; FD) undsolche, die vom Darm, besonders vomDickdarm (Reizdarm; RDS)*, ausgehen,unterteilt werden, obwohl epidemiolo-gische und klinische Studien zeigen,dass die Mehrzahl aller Patienten gleich-zeitig Symptome angibt, die sich aufOber- und Unterbauch beziehen.

Funktionelle Dyspepsie (FD)Je nach Leitsymptomen werden unter-schiedliche Subtypen auf dem Bodenverschiedener pathogenetischer Mecha-nismen vermutet, eine scharfe Trennungdieser Subtypen ist jedoch nicht mög-lich. Vielmehr ergeben sich häufig Über-schneidungen der einzelnen Störungen(Tabelle 1).

Ursächlich kommen Motilitätsstörun-gen (Dysmotilität) sowie Perzeptions-störungen (zentrale Verarbeitungsstörungnervaler afferenter Signale = viszeraleHyperalgesie) im Oberbauch in Betracht.Hierbei wird angenommen, dass Deh-nungsreize und andere Signale aus derMagenwand oder dem Dünndarm überdie afferenten vegetativen Nerven so-wohl im Hirnstamm als auch in den sub-kortikalen vegetativen Zentren fehlver-arbeitet werden und so als Beschwerdenin den kortikalen Zentren bewusst ge-macht werden. Ferner ist es wahrschein-

lich, dass dyspeptische Beschwerdendurch eine erhöhte periphere Nozi-rezeption über Neurotransmitterstö-rungen ausgelöst bzw. verstärkt werden.

Die Säuresekretion des Magensscheint zumindest ein pathogenetischerFaktor für die FD zu sein, da etwa einDrittel der Patienten auf säurereduzie-rende Medikamente wie H2-Rezeptoren-blocker oder Protonenpumpeninhibito-ren (PPI) ansprechen, obwohl wiederumdie absolute Säuresekretionskapazitätdes Magens keine nachweisbare Rollespielt.

Noch unklar im pathogenetischenKonzept der FD ist die Rolle der durchHelicobacter pylori (H. p.) verursach-ten chronisch aktiven Typ-B-Gastritis,die bei 40–50 % aller Patienten mit FDnachgewiesen wird. Hierbei wird ver-nachlässigt, dass die B-Gastritis einepathologisch-morphologische Diagnosedarstellt und somit streng genommender FD nicht zugeordnet werden darf,zumal bisher für die H. p.-Gastritis keineinheitliches Beschwerdeprofil beschrie-ben wird. Bisherige Studien erbrachtenkeinen zweifelsfreien Nachweis einesZusammenhanges zwischen der funktio-nellen Dyspepsie und H. pylori. Wäh-rend einzelne Therapiestudien eine Bes-serung der Symptome nach Sanierungder Helicobacter pylori-Infektion zeigten,fanden andere Studien keinerlei Effekte.

ReizdarmsyndromÄhnlich wie bei der FD liegen auch beimReizdarmsyndrom (RDS) keine gesicher-ten Kenntnisse über einheitliche patho-genetische Störungen und Störmusterfür die Beschwerdeauslösung vor. Mög-licherweise ist eine im Vergleich zum Ge-sunden erhöhte Empfindlichkeit gegen-über der Dehnung der Darmwand mit-verantwortlich.

In den letzten Jahren wird eine Stö-rung der »Gehirn-Darm-Achse« alswichtiger Faktor in der Pathogenese desReizdarmsyndroms diskutiert. So führenzum einen vermehrte seelische Belastun-gen zu Störungen der Dünn- und Dick-darmmotilität, häufig begleitet vonStörungen der Motilität des oberenGastrointestinaltraktes, der Gallenwege,der Harnblase und sogar der Lungen-funktion.

Zur Zeit wird eine erhöhte Empfind-lichkeit im Sinne einer zentralen Perzep-tions- und Verarbeitungsstörung (visze-rale Hyperalgesie, abnorme viszeraleNozirezeption) als wesentlicher Auslöse-faktor abdominaler Symptome beimReizdarmsyndrom untersucht. Einefrüher durchgemachte Darminfektion istbei einer Teilpopulation als Auslöser desRDS wahrscheinlich. Ernährungsfaktoren(Nahrungsmittel, Ernährungsweise undEssverhalten) können Symptome desRDS eher beeinflussen als verursachen.

GRUNDLAGEN

Tabelle 1: Mögliche pathogenetische Mechanismen funktioneller Magen-

Darm-Beschwerden

Funktionelle Dyspepsie (FD)

• Motilitätsstörungen

(z. B. Hypomotilität mit Magenstase, selten Hypermotilität)

• Perzeptionsstörungen

(z. B. Wahrnehmungsschwelle gegenüber mechanischen Stimuli)

• säureinduzierte Störungen

• Helicobacter pylori (H.p.)-positive chronische B-Gastritis (Datenlage kontrovers)*

Reizdarm

• viszerale Hyperalgesie (erhöhte Empfindlichkeit als zentrale

Perzeptions- und Verarbeitungsstörung)

• Motilitätsstörungen (Obstipation, Diarrhoe)

• Störungen des enterischen, autonomen und/oder zentralen Nervensystems

• psychosomatische Störungen

* Nach bisheriger internationaler Übereinkunft wird die H. p.-positive Dyspepsie in den Formenkreis

der funktionellen Dyspepsie eingeschlossen.

* Der Begriff Colon irritabile wurde verlassen, da dieBeschwerden nach heutiger Kenntnis nicht nur imDickdarm, sondern auch im Dünndarm ausgelöstwerden.

Darüber hinaus gilt als akzeptiert, dassbei einem Teil der Patienten mit Reiz-darmsyndrom nachweisbare psychischeund psychosomatische Störungen nichtUrsache, sondern Folge der Beschwer-den sind bzw. diese in ihrer Wahrneh-mung und Intensität modulieren undverstärken können. Körperlicher, sexuellerMissbrauch in der Kindheit und Jugendkönnen ein RDS mit verursachen.

Die Zusammensetzung der bakteri-ellen Darmflora wie auch das zufälligeAntreffen von Sprosspilzen, vorzugs-weise von Candida albicans, in Stuhl-proben spielt für die Pathogenese desRDS keine Rolle!

Definition undKlassifikation

Funktionelle Magen-Darm-Beschwerdensind definiert als das gehäufte und ver-stärkte Auftreten von Beschwerden, die imoberen und unteren Gastrointestinaltraktausgelöst werden, mehr als 12 Wochenanhalten oder sich wiederholen, ohnedass hierfür eine organische Erkran-kung der Speiseröhre, des Magens oderdes Duodenums, Dünn- und Dickdarmsoder der Nachbarschaftsorgane Leber,Galle, Bauchspeicheldrüse, Urogenital-trakt bei der Routinediagnostik gefun-den wird.

Aus diagnostischen und therapeu-tisch praktischen Gründen ist es emp-fehlenswert, die funktionellen Magen-Darm-Beschwerden je nach Sympto-men, Ausprägung und Charakteristik ineine funktionelle Dyspepsie (FD) (ICD-10: 536.9) und ein Reizdarmsyndrom(RDS) (ICD-10: 564.1) zu unterschei-den.

Verschiedene internationale Arbeits-gruppen haben versucht, Definition undKriterien des Reizdarmsyndroms zu erar-beiten. Häufig werden die sog. Manning-Kriterien für die Diagnosestellung des RDSherangezogen. Diese wurden vor allemerarbeitet, um die a-priori-Wahrschein-lichkeit einer organischen Ursache vonSymptomen abzuschätzen und damiteine diagnostische Abklärung auf Pa-tienten gezielt beschränken zu können.Auch die heute favorisierten modifiziertenRom-Kriterien sind aufgrund ihres rigi-den und komplizierten Score-Systems fürdie praktische Anwendung wenig geeig-net. Sie haben möglicherweise bei derPlanung von klinischen Studien Bedeu-tung. Eine Neufassung und Modifikationder Rom-Kriterien wurde vor kurzempubliziert1, 2.

Bei den funktionellen Magen-Darm-Beschwerden handelt es sich nicht umeine vage Beschreibung von wechselndzufälligen Beschwerden im Abdomen imSinne einer Befindlichkeitsstörung, son-

dern um eigenständige Krankheitsenti-täten, die isoliert als FD oder RDS, oft(zu ca. 30 %) aber auch gemeinsam alsfunktionelles Magen-Darm-Syndrom,dann häufig mit unterschiedlicher Wich-tung der verschiedenen Beschwerde-cluster, auftreten. Gelegentliche Magen-Darm-Beschwerden, die situativ unterbesonderer, z. B. stress- oder ernährungs-bedingter Belastung auftreten, schnellwieder verschwinden, gut auf das Vermei-den der auslösenden Faktoren ansprechenund die Lebensqualität auf Dauer nichtnachhaltig beeinträchtigen, können da-gegen als flüchtige Befindlichkeitsstörun-gen eingestuft werden.

Das Reizdarmsyndrom kann – je nachBeschwerdeausprägung und Stuhlab-normität – in vier verschiedene Typenunterteilt werden:

� Typ I = Diarrhoe dominant(ICD-10: K 58.0)

� Typ II = Obstipation dominant

� Typ III = Meteorismus/Schmerzdominant(ICD-10: K 58.9 � RDS ohneDiarrhoe)

� Typ IV = Blähsucht, Gasbildung(ICD-10: K 58.9 � RDS ohneDiarrhoe)

GRUNDLAGEN

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Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom ~ 1. Auflage 2000 Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

Tabelle 2: Unterschiedliche anamnestische Merkmale beim funktionellen Magen-Darm-Syndrom gegenüber organischen Abdominalerkrankungen

Anamnesemerkmale organische Erkrankung funktionelles Magen-Darm-Syndrom

Anamnese kurz lang (Neigung zur Chronifizierung)

Qualität der Beschwerden »monoton« »variabel« (Symptomenflut, Symptomenwandel)

Schmerzlokalisation umschrieben diffus, wechselnd

Gewichtsverlust ++ (+) (diätetisch)

Stressabhängigkeit der Beschwerden + +++

zeitlicher Zusammenhang + +++mit Life Events, Konflikten

Nahrungsabhängigkeit ++ (+)(Qualität, zeitlich)

Nachtruhe gestört ++ (+)(außer bei primären Schlafstörungen)

funktionelle vegetative Begleitsymptomeabdominal + +++extraabdominal (+) +++

Diagnostik

Die wichtigsten diagnostischen Maß-nahmen sind die sorgfältige Anamnese-erhebung (einschl. Fragen nach Alkohol-abusus und Rauchen) sowie die klinischeUntersuchung:

Typisch für die FD sind :� Oberbauchschmerzen� frühes Sättigungsgefühl� Druck- und Völlegefühl� nicht-saures Aufstoßen� Übelkeit, Erbrechen� Sodbrennen*, saures Aufstoßen

(als Begleitsymptom)

Typisch für RDS sind:� diffuse Leibschmerzen� Meteorismus/Blähungen� Flatulenz� Stuhlunregelmäßigkeiten mit Erleich-

terung nach dem Stuhlgang oderGefühl der inkompletten Stuhlent-leerung

Vom Reizdarmsyndrom abzugrenzen istdie habituelle chronische funktionelleObstipation, die zu Beginn ausschließ-lich durch eine Obstipation (Darmträg-heit) ohne entsprechende Schmerzaus-prägung und Beschwerdesymptomatikcharakterisiert ist. Mit der Zeit könnensich oft, möglicherweise durch chroni-schen hochdosierten Laxanzienabususgebahnt, zusätzliche Symptome einesRDS mit Blähungen, ziehenden Leib-schmerzen u. a. hinzugesellen, sodassdann Überschneidungen mit demObstipation-dominanten Typ II des RDSmöglich sind.

Beschwerden, wie sie für das funktio-nelle Magen-Darm-Syndrom typischsind, kommen auch bei einer Vielzahlvon organischen Erkrankungen desgesamten Bauchraumes als Leitsympto-me oder Begleitsymptome vor underfordern bereits in der Anamneseerhe-bung differentialdiagnostische Berück-sichtigung (Tabelle 2).

Zahlreiche somatische Erkrankungenmüssen berücksichtigt und zur Siche-rung der Verdachtsdiagnose eines funk-tionellen Magen-Darm-Syndroms aus-geschlossen werden. In Tabelle 3 sindverschiedene organische Differentialdiag-nosen sowie die entsprechenden Diag-noseverfahren zu deren Sicherung wieder-gegeben. Wichtigste Untersuchungstech-niken sind hierbei die endoskopischeUntersuchung des Dickdarms, evtl.unterstützt durch Röntgenkontrastmit-teluntersuchungen, Ösophagogastro-duodenoskopie, Ultraschalluntersuchungdes Abdomens sowie einige orientierendeLaboruntersuchungen. Weitere invasivediagnostische Maßnahmen, wie z. B.Computertomographie oder endoskopi-sche retrograde Cholangiopankreatiko-graphie (ERCP), können in der Regelvermieden werden.

Diagnoseplan

Die positive Diagnosesicherung desfunktionellen Magen-Darm-Syndromsstützt sich auf

1. das typische Beschwerdebild und die anamnestischen Charakteristikenund Merkmale

2. Normalbefunde bei den morpholo-gischen Untersuchungen desMagen-Darm-Traktes und derUmgebungsorgane

3. Normalwerte für die orientierendenLaboruntersuchungen* (Abbildung 1)

1. Stufe: Therapia ex juvantibus ohneweiterführende DiagnostikDiese ist nur bei besonders gelagertenFällen mit flüchtigen Beschwerden undkurzer Anamnesedauer zulässig. Alarm-

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Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom ~ 1. Auflage 2000

GRUNDLAGEN

Tabelle 3: Wichtige Differentialdiagnosen zum funktionellen Magen-Darm-Syndrom und entsprechende diagnostische Nachweisverfahren

Differentialdiagnose Diagnoseverfahren

Oberer GastrointestinaltraktRefluxösophagitis ÖsophagogastroduodenoskopieUlcus ventriculiUlcus duodeniMagenkarzinom/Lymphom

Dickdarm/Dünndarmchronisch-entzündliche Darmerkrankung Prokto-Koloskopiekolorektales Karzinom (Prokto-Sigmoidoskopie + Röntgen-chronische Divertikulitis Kontrasteinlauf), evtl. Röntgen-

Dünndarm-Passage

Endokrine UrsachenHyper-/Hypothyreose Schilddrüsenhormone, Ultraschall,

SzintigraphieHyperparathyreoidismus Calcium, PhosphatDiabetes mellitus Blutzucker, HbA1

Leberakute Hepatitis Leberenzyme,chronische Hepatitis UltraschallLeberzirrhoseLebermetastasen

Gallenwege/PankreasCholezystolithiasis UltraschallCholedocholithiasis Ultraschall, (Labor), (i. v.-Galle), ERCPchronische Pankreatitis Ultraschall, (Labor), CT, ERCPKarzinome der Gallenwege Ultraschall, (Labor), CT, ERCPPankreaskarzinom Ultraschall, (Labor), CT, ERCP

* Es besteht die Übereinkunft, dass das alleinigeSymptom »Sodbrennen« nicht auf eine FD, sondern auf eine Refluxkrankheit der Speiseröhre hin-weist, auch wenn keine Läsionen im unteren Speise-röhrenbereich nachweisbar sind. In diesem Fall dürfteein chronisch gesteigerter Säurereflux bei guterSchutzfunktion der Ösophagusschleimhaut (hyper-sensitiver Ösophagus) vorliegen.

symptome und Risikofaktoren wie Ge-wichtsabnahme, Hämatemesis, Melaena,Anämie, andere Hinweise auf organischeMagen-Darm-Erkrankungen in der Anam-nese, Anorexie und Kräfteverfall u. a.müssen unverzüglich zu einer organbe-zogenen differenzierten Diagnostik füh-ren. Cave: Übersehen einer gleichzeiti-gen Karzinomdiagnose bei FD/RDS.

Kontrollierte Untersuchungen weisendarauf hin, dass eine solche ex-juvantibus-Therapie zu keinen Einsparungen vonspezifischen diagnostischen Methodenführt, denn die Mehrzahl der Patientenwird früher oder später einer weiterge-henden Diagnostik zugeführt werden3.

2. Stufe:BasisdiagnostikBei über 2–3 Wochen anhaltendenBeschwerden sind je nach vorherrschen-der Symptomatik sowohl eine Abdomen-sonographie als auch eine endoskopi-sche Untersuchung des oberen Gastro-intestinaltraktes (inkl. Ureaseschnelltestauf H. pylori oder bioptische Histologie)oder des Dickdarms durchzuführen.Positive endoskopische oder radiologi-sche Zeichen für das FMD-Syndrom sindnicht gesichert.

Auch bei Nachweis von Gallenblasen-steinen muss anhand einer eingehendenanamnestischen Befragung an die Mög-lichkeit gedacht werden, dass die vorlie-genden Beschwerden nicht durch dieCholezystolithiasis, die asymptomatischsein kann, sondern durch ein vom Magen-Darm-Trakt ausgehendes funktionellesSyndrom verursacht werden kann.

GRUNDLAGEN

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Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom ~ 1. Auflage 2000 Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

Abbildung 1: Basisdiagnostik des funktionellen Magen-Darm-SyndromsBei isolierten Magenbeschwerden werden nur Ösophagogastroduodenoskopie,bei isolierten Dickdarmbeschwerden nur Koloskopie oder Sigmoidoskopie +Röntgen-Kontrasteinlauf (Rö-KE) und bei sich überlappenden Beschwerdenbeide Untersuchungsverfahren angewendet.

Typische Anamnese und Präsentation(siehe auch Tabelle 2)

• Beschwerdewechsel• fehlende Progredienz• konstantes Gewicht• Assoziation mit Stress• sog. allgemeine vegetative

Begleitsymptome

somatisch psychischGlobusgefühl innere UnruheParästhesien KonzentrationsschwächeAtemhemmung ErschöpftheitHerzsensationen u. a. depressive Stimmungslage/

Angstzustände/Schlafstörungen u. a.

negativ

Funktionelles Magen-Darm-Syndrom

* Der Test auf okkultes Blut im Stuhl ist beim symptomatischen Patienten für die diagnostischeAbklärung wegen der relativ hohen Rate an falsch negativen Befunden nicht geeignet.

Labor Morphologische Untersuchungen

• BKS • Sonographie• kleines Blutbild • Ösophagogastro-

duodenoskopie• SGOT/Gamma-GT (Ureaseschnelltest, Histologie)• Elektrolyte • hohe Proktokoloskopie• Harnstoff oder Kreatinin oder Proktosigmoidoskopie +

Rö-KE• evtl. Schilddrüsenparameter • Rö-Dünndarmpassage• evtl. H. pylori-Atemtest/

Serologie

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Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom ~ 1. Auflage 2000

THERAPIE

Indikationsstellung zur Therapie

Angesichts des Leidensdrucks werdentherapeutische Schritte schon bei derersten Vorstellung des Patienten einge-leitet, oft in Form einer Therapia exjuvantibus (s. o.). Diese richtet sich nachder Art und Schwere der vorherrschen-den Beschwerden und schließt dieEinbindung von Allgemeinmaßnahmenein. Eine Behandlungsdauer mit Medi-kamenten von mehr als 8 Wochen istnur in seltenen Fällen sinnvoll und ange-zeigt.

Therapieziel

Ziele der Behandlung und Führung vonPatienten mit FD und RDS sind die mög-lichst langfristige Verminderung bis Be-seitigung der subjektiv oft sehr starkenund als quälend empfundenen Be-schwerden und die damit verbundeneVerbesserung bis Normalisierung derLebensqualität. Objektive Kriterien fürden Behandlungserfolg gibt es hierbeinicht.

Die medikamentöse Therapie des Reiz-darms zielt auf Stuhlregulierung, Ent-blähung und Verminderung der schmerz-auslösenden Motilitätsstörungen (Spas-men, verlangsamte oder beschleunigtePropulsion u. a.).

NichtmedikamentöseTherapie

AllgemeinmaßnahmenNach Sicherung der Diagnose des funk-tionellen Magen-Darm-Syndroms ist diewichtigste Maßnahme, dem Patientenmit einfachen Worten das Wesen unddie Ursachen der Beschwerden zu er-klären und die Behandlungsmöglichkei-ten aufzuzeigen. Für dieses erste Thera-piegespräch sollte genügend Zeit zurVerfügung stehen, und es sollte vondem behandelnden Arzt durchgeführtund nicht sofort an einen Psychothera-peuten oder Psychiater weitergegebenwerden. Eine Überweisung an einen Fach-arzt für psychotherapeutische Medizinoder Psychiatrie ist aber dann zu erwä-gen, wenn sich nach 3–6 Monaten keinBehandlungserfolg einstellt.

Wichtiger Bestandteil dieses Gesprä-ches ist es, die zahlreichen differential-diagnostisch zunächst in Frage kom-menden und durch den vorausgegange-nen diagnostischen Prozess ausgeschlos-senen organischen Erkrankungen anzu-sprechen, um den Patienten somit zurMitarbeit bei der Bewältigung der Be-schwerden zu motivieren (sog. »kleinePsychotherapie«). Die Ausschlussdiag-nostik ist somit ein wichtiger Be-standteil der Therapie. Die Beschwerdensollten in diesem Gespräch nicht nurvom Arzt ernst genommen und nicht

bagatellisiert werden, sondern es sollteauch in wiederholten Gesprächen demPatienten ein Krankheitsmodell an dieHand gegeben werden einschließlichder Suche nach auslösenden oder ver-stärkenden Stressfaktoren im privatenbzw. beruflichen Leben und Ernährungs-beratung mit dem Ziel einer gut verträg-lichen Kost (Beachte: Alkohol-, Tabak-,Kaffeekonsum). Außerdem werden all-gemeine roborierende Maßnahmen mitkörperlicher Bewegung, Stressabbau,Entspannungsübungen wie autogenesTraining u. a. empfohlen. Hierdurch mussein Vertrauensverhältnis und eine erhöh-te Bereitschaft des Patienten geschaffenwerden, die es ihm ermöglichen, die Ab-dominalbeschwerden als Funktions-störungen zu begreifen und zu akzeptie-ren und ein Gefühl der Mitverantwort-lichkeit zu etablieren (Tabelle 4).

Es ist wichtig, dass dieses Therapie-gespräch bei der Führung von Patientenmit funktionellem Magen-Darm-Syn-drom in regelmäßigen Abständen wie-derholt wird, je nach Beschwerdeverlaufund Intensität. Somit sollen bereits inden ersten Therapiegesprächen psycho-somatische Elemente sowie psychody-namische und psychotherapeutischeAnsätze versucht werden einschließlichder Präsentation der Ausschlussdiagnos-tik und einer kathartischen Abreaktion.Gegebenenfalls muss diese, besondersbei Beschwerden eines RDS, durch einenPsychotherapeuten durch spezifischekonfliktbearbeitende Psychotherapie mitassoziativer Anamnese und klinischemInterview vertieft werden.

Pharmakotherapie

Medikamente werden in erster Linieals flankierende Maßnahmen emp-fohlen. Ihre Wirkungsweise wird mitdem Patienten erörtert. Hierbei sollte dieErwartungshaltung möglichst abge-schwächt werden mit dem Hinweis,dass die Medikamente die beschwerde-auslösende Störung nicht grundsätzlichbeseitigen, sondern lediglich sympto-matisch die aktuellen Beschwerdenabmildern bzw. vorübergehend beseiti-gen können. Eine medikamentöseLangzeittherapie ist weder für die

Tabelle 4: Allgemeinmaßnahmen, Strategien und Elemente bei der

Führung von Patienten mit funktionellem Magen-Darm-Syndrom

• Therapiegespräch (Ziele)

– Aufklärung über Wesen und Ursachen der Beschwerden

– klare Diagnosevermittlung

– Schaffung eines stabilen Vertrauensverhältnisses

– Entwicklung von einfach verständlichen Krankheitsmodellen

– Konfliktklärung im psychosozialen Bereich

– Förderung der Eigenverantwortung

– Aufzeigen von unterstützenden medikamentösen

Behandlungsmöglichkeiten

– therapeutisches Bündnis für die Langzeitbetreuung

• Ernährungsberatung (Keine spezifische Diät!)

• körperliche Bewegung

• Stressabbau

• Entspannungsübungen (autogenes Training u. a.)

• Vermeiden wiederholter Diagnostik

funktionelle Dyspepsie noch für dasReizkolon indiziert!

Kriterien für die Auswahl der Medika-mente beim funktionellen Magen-Darm-Syndrom sind:

� vordergründige Beschwerden� möglichst (!) wissenschaftlich nach-

gewiesene Wirksamkeit� individuelle Wirkung und Verträg-

lichkeit (Nebenwirkungen Tabelle 5)� Erfahrungen des Therapeuten

I. Funktionelle Dyspepsie (FD)

Säurehemmende Pharmaka und ProkinetikaDie zielgerichtete Behandlung einer Er-krankung, die sich überwiegend perexclusionem definiert und durch dasFehlen objektiver Diagnosekriterien so-wie gesicherter pathogenetischer Kennt-nisse charakterisiert ist, stellt den behan-delnden Arzt vor erhebliche, z. T. un-überwindbare Probleme. Diese Unsicher-heit wird durch die wenig zufrieden stel-lende Datenlage anhand klinischer Stu-dien zur Behandlung der FD verstärkt.

Dazu tragen neben den Unschärfen desKrankheitsbildes oft schwer vergleichbareStudienansätze, heterogene, oft kleinePatientengruppen und der hohe Prozent-satz (bis zu 70 %) von Placebo-Respon-dern4 bei.

Die wichtigsten Wirkstoffgruppen,die zur Behandlung der FD eingesetztwurden, sind säurehemmende Pharmaka(H2-Rezeptorenblocker, Protonenpumpen-inhibitoren) und Prokinetika (Metoclo-pramid, Domperidon, Cisaprid).

Obwohl verschiedene klinischeStudien zur Wirksamkeit von

H2-Rezeptorenblockern* bei derfunktionellen Dyspepsie keinen oder nurbei einem Teil der Patienten einen Un-terschied gegenüber der Placebogabestatistisch sichern konnten5, 6, sprichtdie metaanalytische Auswertung derGesamtzahl bewertbarer klinischerStudien der Cochrane Collaboration7

für eine Überlegenheit gegenüberPlacebo. Vergleiche der einzelnen H2-Rezeptorenblocker untereinander findensich nicht. Langzeituntersuchungenzur FD fehlen bislang für alle säure-hemmenden Wirkstoffe.

Jüngere Untersuchungen zurWirksamkeit von Protonenpum-

peninhibitoren* bei der FD ergabeneine statistisch signifikante, im Ausmaßallerdings nur geringe Überlegenheitvon Omeprazol (beschwerdefrei 38 %der Patienten) gegenüber Placebo (be-schwerdefrei 28 % der Patienten), wo-bei eher Patienten mit säurebedingtenUlkus-ähnlichen Schmerzen und be-gleitenden Reflux-Symptomen profitier-ten8. Untersuchungen zu anderen Pro-tonenpumpeninhibitoren liegen nichtvor7.

Die Untersuchungen zur Wirksamkeitvon Prokinetika bei FD wurden nahezuausschließlich mit Cisaprid durchge-führt. Der positive Ausgang vieler dieserStudien muss jedoch aufgrund zumeistkleiner Fallzahlen und anderer methodi-scher Mängel in Frage gestellt werden7.Dabei ergeben sich hinsichtlich derStudien zu Cisaprid Hinweise für einenPublication Bias7.

Es ist nicht überraschend, dass ausdiesen relativ kleinen Studien keine aus-reichende Information zum Gefahren-potenzial von Cisaprid gewonnen wer-den konnte, das aber eine entscheidendeGröße bei der Bewertung der Nutzen-Risiko-Balance darstellt. Heute ist be-kannt, dass Cisaprid bei Monotherapie,insbesondere aber gefördert durch Inter-aktion mit Arzneimitteln, die durch dasCytochrom P450-3A4 metabolisiert wer-den, über eine Beeinflussung kardialerKaliumkanäle zu schweren, lebensbe-drohlichen Arrhythmien führen kann.Aufgrund dieser schweren Nebenwirkun-gen hat das Bundesinstitut für Arznei-mittel und Medizinprodukte (BfArM)das sofortige Ruhen der Zulassung an-geordnet. So stehen derzeit aus derGruppe der Prokinetika nur therapeuti-sche Alternativen wie Metoclopramidund Domperidon zur Verfügung, die imVergleich zu Cisaprid weniger untersuchtund vermutlich auch geringer wirksamsind7.

Eine sich an den vordergründigenBeschwerden orientierende Behand-lung, d. h. bei Ulkus- und Reflux-ähnli-chen Beschwerden mit Schmerzen undsekundärem Sodbrennen eher säure-

Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom ~ 1. Auflage 2000 Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

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THERAPIE

Abbildung 2: Vorschlag zum empirischen/praktischen Vorgehen bei funktioneller Dyspepsie

Funktionelle Dyspepsie

Vorwiegend säuretypische Vorwiegend motilitäts-Beschwerden bedingte BeschwerdenOberbauchschmerzen Druck- und VöllegefühlSodbrennen Übelkeit

nicht-saures Aufstoßen

Weitere Therapieresistenz

Überprüfung der Diagnose (Tabelle 3)

säurehemmende Pharmaka (Tabelle 5)*

Prokinetika (Tabelle 5)*

* Bei ausbleibendem Therapieerfolg nach 2–4 Wochen Wechsel der Wirkstoffgruppe* Zur Behandlung der FD nicht zugelassen.

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Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom ~ 1. Auflage 2000

THERAPIE

Tabelle 5: Medikamente zur Behandlung der funktionellen Dyspepsie sowie wichtige unerwünschte Arzneimittel-

nebenwirkungen (UAW) und Arzneimittelinteraktionen (IA), pk: pharmakokinetische IA, pd: pharmakodynamische IA

Wirkstoff/-gruppen Dosierung Wichtige UAW/IA

Säurehemmende Pharmaka

H2-Rezeptorenblocker*

Ranitidin 1–2 x 150 mg/d UAW: Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Cho-

Famotidin 1–2 x 20 mg/d lestase, Transaminasenanstieg, Pankreatitis, Kreatinin-

Nizatidin 1–2 x 150 mg/d anstieg, Gelenk- und Muskelschmerzen, Gynäkomastie,

Roxatidin 2 x 75 mg/d Potenzstörungen, interstitielle Nephritis, Unruhe,

Halluzinationen, Depressionen, Polyneuropathien,

Myoklonien, Doppelbilder, allergische Reaktionen

Ranitidin und Roxatidin: Leukopenie oder Thrombo-

penie, Herzrhythmusstörungen

IA: Keine klinisch relevanten Interaktionen

(s. Fachinformation)

Protonenpumpeninhibitoren*

Omeprazol 1 x 20 mg /d UAW: gastrointestinale Störungen, Blutbildveränderungen,

Pantoprazol 1 x 40 mg /d allergische Reaktionen, Muskel- und Gelenkbeschwer-

Lansoprazol 1 x 30 mg /d den, Schwindel, Kopfschmerzen, Sehstörungen, Unruhe,

Rabeprazol 1 x 20 mg/d Leberfunktionsstörungen, periphere Ödeme, Depressionen

IA: Omeprazol: Wirkungsverstärkung von: Diazepam,

Warfarin, Phenytoin; Makrolidantibiotika: Wirkungsver-

stärkung beider Substanzen (pk); Ketoconazol,

Itraconazol: verminderte Resorption aufgrund pH-

Änderung durch Protonenpumpenhemmung (pd);

Lanzoprazol: Wirkungsverstärkung von Theophyllin (pk),

verstärkte Blutzuckersenkung von Tolbutamid (pk),

Sulcralfat: verminderte Resorption von Lanzoprazol (pd),

Amoxicillin: verlangsamte Resorption; Pantoprazol,

Rabeprazol: Ketoconazol (pd), Itraconazol s. o.; weitere

Interaktionen können nicht ausgeschlossen werden.

Prokinetika

Metoclopramid (MCP) 3 x 5–10 mg/d UAW: Kopfschmerzen, Schwindel, Unruhe, Depressionen,

Dyskinesien, Hyperprolaktinämie, Blutdruckveränderun-

gen, allergische Reaktionen, Herzrhythmusstörungen

IA: Anticholinergika schwächen die Wirkung ab (pd),

Cimetidin, Digoxin vermindern die Wirkung (pk),

Antibiotika, Lithium, ASS, Paracetamol, Alkohol erhö-

hen bzw. beschleunigen die Resorption (pk); Neuro-

leptika, Antidepressiva, Anxiolytika: Wirkungsverstär-

kung und Häufung extrapyramidaler UAW (pd),

MAO-Hemmer, Sympathomimetika unter MCP:

Wirkungsabschwächung (pd)

Domperidon 3 x 5–10 mg/d UAW: Hyperprolaktinämie, allergische Reaktionen

IA: Anticholinergika: Wirkungsabschwächung

* Zur Behandlung der FD nicht zugelassen.

Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom ~ 1. Auflage 2000 Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

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THERAPIE

hemmende Pharmaka, bei motilitätsbe-zogenen dyspeptischen Beschwerdenmit vorwiegendem nicht-sauren Auf-stoßen, Völle- und Druckgefühl sowiefrühem Sättigungsgefühl primär Proki-netika einzusetzen, erscheint plausibel;ein Erfolg dieses Vorgehens konnte aberin mehreren Studien nicht hinreichendgesichert werden. So zeigten Untersu-chungen zur Behandlung eines unselek-tierten Patientenguts mit funktionellerDyspepsie, wie es in der allgemeinmedi-zinischen Praxis vorkommt, dass sich nichtvorhersagen lässt, welche Patienten aufsäurereduzierende Pharmaka oder aufProkinetika ansprechen5, 6, 9.

Wenn auch nicht regelhaft vorausge-sagt werden kann, welche Patienten vonwelchem therapeutischen Prinzip profi-tieren, erscheint durchaus in Abhängig-keit von Art und Schwere der Sympto-matik ein medikamentöser Behand-lungsversuch gerechtfertigt. Die Medi-kamente sollten nur befristet über 2–4Wochen während der beschwerderei-chen Intervalle unterstützend eingesetztwerden, da eine erfolgreiche Dauerbe-handlung und eine medikamentöseRezidivprophylaxe bisher nicht bekanntsind. Bei Versagen der zunächst einge-schlagenen, probatorisch über 2–4 Wo-chen durchgeführten Therapie ist einWechsel auf das jeweilige andere Thera-pieprinzip zu empfehlen, d. h. statt vor-heriger Gabe eines Säurehemmers wirdjetzt ein Prokinetikum verabreicht undumgekehrt (Abbildung 2).

Zur Behandlung der funktionellenDyspepsie stehen die in Tabelle 5 aufge-listeten Wirkstoffe bzw. Wirkstoffgrup-pen zur Verfügung.

Eradikation von Helicobacter pyloriBislang liegen keine ausreichen-den Ergebnisse aus klinischen Stu-

dien vor, die als Beleg der Wirksamkeiteiner Eradikationstherapie bei funktio-neller Dyspepsie dienen und einenroutinemäßigen Einsatz begründenkönnten4, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 23. Zudem fandsich in mehreren Untersuchungenkeine Korrelation der Helicobacterpylori-Infektion bzw. -Eradikation mitder Symptomatik der funktionellenDyspepsie8, 9, 13, 16, 23.

Es gibt Hinweise darauf, dass sich ineinem Kollektiv von Patienten mit funk-tioneller Dyspepsie Patienten finden, diean einer klinisch wenig ausgeprägtenchronischen Ulkuskrankheit leiden, ohnedass bei den endoskopischen Kontrollenein Ulkusschub nachgewiesen werdenkonnte. So wurde in Follow-up-Studiengezeigt, dass 3–5 % von Patienten mitfunktioneller Dyspepsie in einem Beob-achtungszeitraum von 5 Jahren einenUlkusschub entwickeln. Es wäre somitdenkbar, dass besonders diese Patientenauf eine H. p.-Eradikationstherapie an-sprechen. Dies könnte auch die unter-schiedlichen Ansprechraten in den ver-schiedenen internationalen Studienerklären.

Daher sollte lediglich im Einzelfall beihartnäckigem rezidivierenden Verlauf,positivem H. pylori-Test und entspre-chend starker Aktivität der chronischenGastritis eine H. pylori-Eradikation erwo-gen werden. Hierbei ist das Ansprechenauf diese Therapie oft erst mehrereWochen oder Monate nach erfolgrei-cher Eradikationstherapie zu erwarten.

Die weit verbreitete Anwendungvon Antazida lässt sich nicht

durch Ergebnisse klinischer Studienbegründen7.

PhytotherapeutikaZur Behandlung der funktionellen Dys-pepsie stehen verschiedene Phytothera-peutika zur Verfügung, denen z. T. spas-molytische, z. T. auch tonisierende Eigen-schaften zugeschrieben werden. Hin-weise zur Wirksamkeit von Phytothera-peutika bei funktionellen Magen-Darm-störungen anhand klinischer Studien fin-den sich jedoch nur vereinzelt. Eine jün-gere deutsche Studie zu einem pflanzli-chen Kombinationspräparat aus BitteremBauernsenf (Iberis amara) und 8 anderenDrogenauszügen zeigte im Vergleich zurPlacebogruppe überlegene Wirkungenbei der funktionellen Dyspepsie17.

Weitere ArzneimittelPräparate aus bakteriellen Stoff-wechselprodukten zeigten in

einer kontrollierten Prüfung keine Wirk-samkeit bei funktioneller Dyspepsie18.

Für andere Arzneimittel wie Azidaoder auch Homöopathika und

Anthroposophika finden sich keine

hinreichenden Wirksamkeitsbelegeaus klinischen Prüfungen.

II. Reizdarmsyndrom (RDS)

Der Mangel sowohl an gesichertem Wis-sen zur Pathogenese als auch an umfas-senden Daten aus klinischen Prüfungenbedingt eine überwiegend empirischbegründete und symptomatische Thera-pie und erfordert zudem eine besonderskritische Indikationsstellung. Die Mehr-zahl der vorhandenen klinischen Prüfun-gen zum RDS sind mit methodischenMängeln behaftet1, 19, 20, 21, 22. Die medika-mentöse Behandlung des RDS orien-tiert sich daher an den vorrangigenBeschwerden, wie sie auch der Eintei-lung des RDS in Typ I–IV zugrunde liegen. So können neben nichtmedika-mentösen Maßnahmen (s. o.) stuhl-regulierende, entblähende, spasmoly-tische oder motilitätsregulierende Arzneimittel erforderlich sein. Auch dieArzneimittelbehandlung des RDS ist miteiner hohen Placeborate (40–70 %) ver-bunden19, 23.

StuhlregulierungIm Gegensatz zur zeitlich begrenztenPharmakotherapie von Schmerzen, Blä-hungen und Meteorismus werden stuhl-regulierende Substanzen beim Reiz-darmsyndrom längerfristig in bedarfs-adaptierter Dosierung verordnet.

Beim Obstipations-dominanten Typ IIdes RDS werden Laxanzien eingesetzt,wenn Ballast-/Quellstoffe zur Stuhlregu-lierung nicht mehr ausreichen1. Dabeisind drastisch wirkende Laxanzien wieAnthrachinone oder Bisacodyl zu ver-meiden und osmotisch wirkende Ab-führmittel zu bevorzugen (Tabelle 6).

Allerdings liegen keine hinrei-chenden Belege aus klinischen

Studien zur Wirksamkeit von Laxan-zien beim RDS vor1, 24, 25, 26.

Bei der Ernährungsberatung ist dar-auf zu achten, dass eine allzu ballast-stoffreiche Kost häufig verstärkte Blä-hungen verursacht, insbesondere durchschwer verdauliche Getreideprodukte.Während sich die Einnahme von Weizen-kleie und Leinsamen wegen verstärkterBlähungen oft als problematisch er-weist, werden bei guter Akzeptanz trink-

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Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom ~ 1. Auflage 2000

THERAPIE

bare Quellmittel eingesetzt. Untersuchun-gen zu Flohsamenpräparaten (Plantagoafra und ovata) ergaben Hinweise, dassdie regelmäßige Einnahme nicht nur dieStuhlkonsistenz und Stuhlfrequenz ver-bessert, sondern auch begleitendeSchmerzen und Blähungen lindert27.

Insgesamt reichen die Belege ausklinischen Studien nicht aus, um

eine Wirksamkeit von Ballaststoffen/Quellmitteln auf Schmerzen oderStuhlverhalten beim RDS nachzuwei-sen1, 19, 20, 28.

Bei verminderter Rektumsensibilitätstehen zusätzlich zu den Quellmittelnrektale Entleerungshilfen (Supposito-rien, Klistiere) zur Verfügung.

Auch beim Diarrhoe-dominantenTyp I des RDS können Quellmittel wiez. B. Flohsamenpräparate hilfreich sein,in schweren Fällen unterstützt durchAntidiarrhoika wie Loperamid. Für andereAntidiarrhoika wie z. B. Diphenoxylat lie-gen keine Untersuchungen zum RDS vor19.

Die symptomatische Wirksam-keit von Loperamid erscheint

hinsichtlich verbesserter Stuhlkonsis-

tenz, Senkung der Stuhlfrequenz undSchmerzverminderung auch beimRDS weitgehend gesichert29, 30, 31, 32, 33.

Entblähende MaßnahmenKarminativa (z. B. Pfefferminzöl) und ent-blähende Mittel wie Dimethylpoly-siloxan können probatorisch versuchtwerden.

Ihre Wirksamkeit ist jedochnicht in kontrollierten Studien

belegt.

Spasmolyse und MotilitätsregulationSpasmolytisch wirkende Anticholiner-gika spielen eine untergeordnete Rolleund sollten nur beim schmerzreichenRDS Typ III eingesetzt werden. Mebeve-rin soll über eine Papaverin-ähnlichelokale spasmolytische Wirkung auf dieglatte Muskulatur besonders des Dick-darms verfügen. Sowohl für Mebeverin34

als auch für quarternäre Anticholinergika21

wird bei oraler Gabe eine ausreichendeResorption in Frage gestellt.

Die Bewertung der Wirksamkeitvon anticholinergen und direk-

ten Spasmolytika wird durch die oftmangelhafte methodische Qualitätund Heterogenität der vorhandenenStudien sowie hohe Placeboraten er-schwert. So kamen Übersichtsarbeitenzu klinischen Studien für Spasmolytikabeim RDS zu widersprüchlichen Er-gebnissen. Während die Reviews vonIvey21 und Klein20 die Wirksamkeit vonSpasmolytika durch die vorliegendenStudien als nicht hinreichend belegtansahen, fand Poynard35 in seinermetaanalytischen Auswertung u. a. fürdas in Deutschland handelsüblicheMebeverin Verbesserungen für denParameter »globale Einschätzung«.Die Auswertung zu den ParameternBauchschmerzen, Obstipation undMeteorismus erbrachte für Mebeverinjedoch keine signifikanten Ergebnisseim Vergleich zu Placebo35.

Für das zuweilen beim RDS vomObstipationstyp eingesetzte Cisapridwurde aufgrund schwerer Nebenwir-kungen das Ruhen der Zulassung ange-ordnet (s. a. Abschnitt »FunktionelleDyspepsie)«.

Tabelle 6: Medikamente beim Reizdarmsyndrom sowie wichtige unerwünschte Arzneimittelnebenwirkungen(UAW) und Arzneimittelinteraktionen (IA)

Wirkstoff/-gruppen Dosierung Wichtige UAW/IA

LaxanzienQuellmittel UAW: krampfartige Magen-Darm-Beschwerden, Elektrolytver-z. B. Flohsamenpräparate 1–2 x 5 g/d luste, Albuminurie, Hämaturie, Pseudomelanosis coli,

ÜberempfindlichkeitsreaktionenIA: keine bekannt

osmotische Laxanzien UAW: abdominelle Schmerzen, Flatulenz, Diarrhoe, Übelkeit,z. B. Lactulose 1–2 x 5–10 g/d Erbrechen, Störungen des Elektrolyt- und Wasserhaus-

haltesIA: Diuretika, Glucocortikosteroide, Amphotericin B:

Verminderung der Serumkaliumkonzentration; Herzglykoside: Verstärkte Glykosidwirkung durch Kaliummangel

Rektumentleerungshilfen (Lubrikanzien)z. B. Glycerin 1–4 x 1–2 g/d UAW: Reizungen der Enddarmschleimhaut

AntidiarrhoikaLoperamid 2–6 x 2 mg/d UAW: Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen,

Obstipation, Schwindel, Benommenheit, Mundtrocken-heit, Ileus

IA: keine bekannt

SpasmolytikaMebeverin 3x 135 mg/d UAW: Hautreaktionen, Schwindel, Müdigkeit

IA: Verminderung der Mebeverinwirkung durch Antazida

Zur Behandlung des RDS werdenauch Phytotherapeutika angeboten.Zum Beleg der Wirksamkeit von Phyto-therapeutika finden sich jedoch in derLiteratur nur vereinzelt Hinweise. Eineklinische Studie berichtet über günstigeWirkungen eines Mischpräparates ausIberis amara und 8 anderen Drogen-auszügen36 beim RDS.

Für Bakterienpräparate wie E.coli Nissle 1917 liegen keine

Studienbeweise zur Wirksamkeit vor.

Klinische Prüfungen zur Wirk-samkeit von Homöopathika

(Asa foetida, Nux vomica) zeigten ein-mal nicht signifikante, in einer weiterenStudie signifikante Effekte37, 38, die je-doch aufgrund methodischer Mängelnicht als Beleg der Wirksamkeit dieserTherapeutika gelten können.

Die Wirksamkeit von Psycho-pharmaka ist in dieser Indika-

tion nicht hinreichend durch prospek-tive kontrollierte Untersuchungenbelegt. Sie sollten daher grundsätzlichzurückhaltend eingesetzt werden19, 39.

Die obstipierende Wirkung von Anti-depressiva stellt allein keine Indikationzur Gabe beim RDS dar. Ein Behandlungs-versuch in Einzelfällen sollte auf gegen-über anderen Interventionen resistenteFälle beschränkt werden. Bei manifesterDepression sowie bei Angst- und Zwangs-zuständen sind Psychopharmaka ge-rechtfertigt, möglichst in Zusammenar-beit mit einem psychotherapeutischoder psychiatrisch geschulten Arzt (s.Therapieempfehlungen der Arzneimit-telkommission der deutschen Ärzteschaftzur Depression und zu Angst- undZwangsstörungen)40, 41.

Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom ~ 1. Auflage 2000 Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

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THERAPIE

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40 Arzneimittelkommission der deutschen Ärzte-schaft: Empfehlungen zur Therapie derDepression. Arzneiverordnung in der Praxis1997, Sonderheft 8.

41 Arzneimittelkommission der deutschen Ärzte-schaft: Empfehlungen zur Therapie vonAngst- und Zwangsstörungen. Arzneiverord-nung in der Praxis 1999, Sonderheft.

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Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom ~ 1. Auflage 2000

LITERATUR

Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom ~ 1. Auflage 2000 Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

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ANHANG

Kurzgefasster Leitlinien-Report zur Methodik

Weitergehende Ausführungen s. (1).Die Erarbeitung der Therapieempfehlun-gen der Arzneimittelkommission derdeutschen Ärzteschaft (AkdÄ) erfolgt unterwesentlicher Berücksichtigung der »Be-urteilungskriterien für Leitlinien in dermedizinischen Versorgung – Beschlüsseder Vorstände von Bundesärztekammerund Kassenärztlicher Bundesvereini-gung, Juni 1997« (2).

1. GründeFormaler Anlass und Grundlage für dieErarbeitung der Therapieempfehlungender Arzneimittelkommission sind dieArzneimittel-Richtlinien, in deren Nr. 14es heißt: »Es wird empfohlen, insbeson-dere die von der Arzneimittelkommis-sion der deutschen Ärzteschaft erstelltenund in ›Arzneiverordnung in der Praxis‹veröffentlichten Therapieempfehlungenin der jeweils aktuellen Fassung zu be-rücksichtigen.« Inhaltlich entspricht eszugleich der Grund- und Gründungsin-tention der Arzneimittelkommission, ge-sichertes Wissen der Pharmakotherapiein die tägliche Verordnungspraxis zuüberführen, um bestehenden therapeu-tischen Defiziten zu begegnen.

2. Ziele der Empfehlungen/Leitlinien

Ziel der Empfehlungen/Leitlinien ist es,soweit möglich, Transparenz zu schaffen,welche therapeutischen »Endpunkte«(Senkung von Letalität, Morbidität, symp-tomatische Besserung, Beeinflussungvon Surrogatparametern) mit den ein-zelnen Maßnahmen der Pharmakothe-rapie nach Aussage klinischer Studien zuerreichen sind. Diese Transparenz istVoraussetzung für eine rationale undwirtschaftliche Arzneitherapie und dientdem grundlegenden Ziel aller Medizin,nämlich der Sicherung und Verbes-serung der gesundheitlichen Versor-gung der Patienten. Die Arzneimittel-kommission der deutschen Ärzteschaftist sich dabei bewusst, dass derartigeEmpfehlungen/Leitlinien niemals allenEinzelfällen in der medizinischen Praxisgerecht werden können. Sie sind alseine solide Plattform der therapeutischenVernunft zu verstehen, die aber selbststän-

diges und verantwortliches ärztlichesHandeln im Individualfall weder ein-schränken noch ersetzen kann.

3. AdressatenDie Empfehlungen/Leitlinien wurden,entsprechend dem Geltungsbereich derArzneimittel-Richtlinien, vorrangig fürniedergelassene, hauptsächlich im allge-meinmedizinischen/hausärztlichen Bereichtätige Ärzte konzipiert, können aber ingleicher Weise auch dem in der Kliniktätigen Arzt hilfreich sein.

4. Autoren/HerausgeberDie Therapieempfehlungen/Leitlinienwerden herausgegeben von der Arznei-mittelkommission der deutschen Ärzte-schaft. Die bereits 1911 zur Förderungeiner rationalen Arzneimitteltherapiegegründete Kommission ist heute einwissenschaftlicher Fachausschuss derBundesärztekammer und rekrutiert sichaus Mitgliedern der verschiedenstenmedizinischen Fachgebiete. Dies istwesentliche Grundlage für die inter-disziplinäre Erstellung der Therapie-empfehlungen der Arzneimittelkommis-sion, in deren Arbeitsgruppen nebenden Vertretern der das Thema betreffen-den Disziplinen immer auch Allgemein-mediziner, Pharmakologen und/oder klinische Pharmakologen und ggf. Bio-metriker einbezogen sind. Mitglieder derArzneimittelkommission der deutschenÄrzteschaft unterzeichnen eine Erklärungzur Unabhängigkeit von Interessen-bindungen.

5. Träger/FinanzierungDie Arzneimittelkommission der deut-schen Ärzteschaft wird finanziert vonBundesärztekammer und Kassenärzt-licher Bundesvereinigung.

6. ThemenauswahlUm eine willkürliche Themenwahl zuvermeiden, stützt sich die Arzneimittel-kommission grundlegend auf die EVaS-Studie (3), die Auskunft darüber gibt, mitwelchen 20 Hauptanliegen oder Haupt-diagnosen Patienten den allgemeinme-dizinisch tätigen Arzt aufsuchen. WeitereGesichtspunkte zur Erstellung von The-rapieempfehlungen sind vermutete the-rapeutische Defizite (z. B. Tumorschmerz-behandlung), Gebiete mit größeren the-

rapeutischen Unsicherheiten bei gleich-zeitig hoher Prävalenz (z. B. Behandlungvon Rückenschmerzen oder funktionellenMagen-Darm-Störungen) und Gebiete,für die nachgewiesen wurde, dass durchkonsequente Behandlung eine Reduk-tion von Morbidität und/oder Letalitätzu erreichen ist (z. B. Therapie von Fett-stoffwechselstörungen und der arteriel-len Hypertonie). Der Beschluss zur Erar-beitung einer Therapieempfehlung wirdvom Vorstand der Arzneimittelkommis-sion gefasst.

7. Erstellung undKonsensusprozess

Therapieempfehlungen der Arzneimit-telkommission werden von den entspre-chenden Fach- und allgemeinmedizini-schen Mitgliedern nach einem festgeleg-ten Procedere erarbeitet (Abbildung 1).Themenauswahl, Aufstellung der Ar-beitsgruppe und Literaturaufarbeitungerfolgen wie unter 4., 6. und 8. skizziert.Ein vom federführenden Autor erstelltesErstmanuskript wird innerhalb derArbeitsgruppe konsentiert und danacheinem Panel vorwiegend allgemeinme-dizinisch-hausärztlich arbeitender Kolle-gen zur Kritik insbesondere hinsichtlichder Praxistauglichkeit vorgelegt. Dies istein Prozess, der einen persönlichen,schriftlichen, z. T. auch anonymisiertenMeinungsabgleich und in der Folgezahl- und umfangreiche Textmodifika-tionen beinhaltet. Auf dem seit mehre-ren Jahren hierfür institutionalisierten»Therapie-Symposium« der Arzneimit-telkommission wird das noch vorläufigePapier der Öffentlichkeit zur Diskussiongestellt und nachfolgend nationalenoder internationalen wissenschaftlichenFachgesellschaften zur Begutachtungund Abstimmung übergeben. Letztlichmuss die Therapieempfehlung vom Vor-stand der Kommission im Konsens alspublikationsreif verabschiedet werden.

8. Identifizierung undInterpretation der Evidenz

Am Anfang aller Überlegungen zur Evi-denzermittlung für eine Therapieempfeh-lung steht die klinische Fragestellung,für welche therapeutisch relevantenAussagen die Darstellung des Belegtheits-grades anhand der Literatur wünschens-wert bzw. erforderlich erscheint. Es folgt

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Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom ~ 1. Auflage 2000

ANHANG

eine Literaturrecherche, die abhängigvom Gegenstand einen extensiven oderauch nur ergänzenden Charakter z. B.dann trägt, wenn, wie bei den Therapie-empfehlungen der Arzneimittelkommis-sion üblich, ausgewiesene Spezialistenbereits über einen hinreichenden Fundusverfügen. Die Recherchen werden mitDatenbanken, wie z. B. Medline,Cochrane Library, Drugdex, durchge-führt, enthalten aber auch Suchen inden Internetangeboten z. B. der AHCPR,der Canadian Medical Association, desScottish Intercollegiate Guidelines Net-work, des New Zealand GuidelinesProject sowie in den Internetseiten dernationalen und internationalen wissen-schaftlichen Fachgesellschaften. Gegen-stand der Suche sind in der Regel publi-zierte randomisierte kontrollierte Studien,Metaanalysen, systematische Reviews,ggf. auch als Bestandteil bereits existie-render Leitlinien. Die Rechercheergeb-nisse werden nach Ein- und Ausschluss-kriterien selektiert, die sich von der spe-ziellen Fragestellung ableiten. DieBewertung der Studien hat allgemein-

gültigen biometrischen Anforderungen,wie z. B. Eignung der Hauptzielkriterienfür die Aussage, hinreichende Fallzahl,Repräsentativität der Studienpopulation,relevante Dosierungen, Signifikanz desErgebnisses, Rechnung zu tragen, mussaber erforderlichenfalls auch den Beson-derheiten der Arzneimittelprüfung beibestimmten Erkrankungen gerecht wer-den (s. z. B. Empfehlungen der CPMP-Guidelines für die Demenz). Systemati-sche Fehler sind prinzipiell auf der Ebeneder Informationsselektion und -bewer-tung möglich. Es wird versucht, ihr Auf-treten durch Sorgfalt bei der Rechercheund interpersonellen Abgleich bei derBewertung zu minimieren. Der Belegt-heitsgrad wird anhand von vier Stufenkategorisiert (s. Seite 2: Kategorien zurEvidenz). Die Aussagen zur Evidenzmüssen prioritär in die entsprechendentherapeutischen Überlegungen einbezo-gen werden, sind aber nur ein – wennauch sehr bedeutsames – Instrument imKonzert der therapeutischen Entschei-dung (s. a. Punkt 2. und Seite 2»Evidenz in der Medizin«). Die Limitie-

rung evidenzbasierter Klassifizierungenzeigt sich in Situationen, in denen keineoder nur unzureichende klinischeStudien vorhanden sind, z. T. weil derDurchführung, wie beispielsweise beider Tumorschmerztherapie, verständli-che ethische Bedenken entgegenstehen.

9. PharmakoökonomischeAspekte

Die Arzneimittelkommission erkennt dieBedeutung von Kostenaspekten im Sinneeiner wirtschaftlichen Arzneimittelver-ordnung. Bei unumstrittener Prioritätder Qualitätssicherung wird sich die Arz-neimittelkommission daher auch Fragender Wirtschaftlichkeit nicht verschließen,sofern sie sich mit den Prinzipien einerrationalen Pharmakotherapie zum Wohleder Patienten in Einklang bringen lassen.In den Therapieempfehlungen der Arz-neimittelkommission sind Einsparpoten-tiale implizit, denn auf lange Sicht isteine rationale Pharmakotherapie zumeistauch eine rationelle Therapie. Hinsicht-lich der Implementierung von Kosten-Nutzen-Analysen muss jedoch betont

Abbildung 1: Vorgehen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) bei der Erstellung vonTherapieempfehlungen

Öffentliche Präsentation und Diskussion auf Therapie-Symposien der AkdÄ

Diskussion und Konsensusfindung in der Arbeitsgruppe

Abstimmung mit Hausärztepanel

Abstimmung mit wissenschaftlichenFachgesellschaften

Erstellung einerArbeitgruppe

Themenselektion

Vorstand der AkdÄ

Freigabe zur Publikation

Literaturaufarbeitung und Erstellung

eines ersten Manuskripts

werden, dass es für die meisten thera-peutischen Interventionen bislang nureine unzureichende Datenlage gibt, dieeine sichere Abschätzung ökonomischerKonsequenzen kaum gestattet (4).Zudem ist auf die Gefahr hinzuweisen,dass »mit Kosten-Nutzen-Analysen …soziale und moralische Entscheidungenpseudorational verdeckt« werden, »dieeigentlich normativer Natur und dahernur politisch zu lösen sind« (5).

10.GestaltungEin sorgfältig erarbeiteter Inhalt verlangteine adäquate Form. Obwohl keine gesi-cherten Erkenntnisse über den Einflussder Gestaltung auf die Wirkung von Leit-linien vorliegen, geht die Arzneimittel-kommission davon aus, dass eine über-sichtliche druckgraphische Gestaltung,eine für alle Therapieempfehlungen glei-che Gliederung und eine konzise, aberdennoch klare Diktion die Attraktivitätdes Informationsangebots erhöhen unddamit auch die Bereitschaft fördern, sichmit dem Thema auseinanderzusetzen.

11.AktualisierungEine zweijährliche Überarbeitung undHerausgabe der Empfehlungen wird an-gestrebt.

12.Abstimmungsprozess mit wissenschaftlichenFachgesellschaften

Die hier vorliegenden Therapieempfeh-lungen wurden inhaltlich abgestimmt mitder Deutschen Gesellschaft für Verdau-ungs- und Stoffwechselkrankheiten(DGVS), wobei der Konsensusbericht derDGVS zum Reizdarmsyndrom (Hotz J,Enck P, Goebell H, Heymann-Mönnikes I,Holtmann G, Layer P: Reizdarmsyndrom –Definition, Diagnosesicherung, Patho-physiologie und Therapiemöglichkeiten.Konsensus der Deutschen Gesellschaft fürVerdauungs- und Stoffwechselkrankhei-ten. Z Gastroenterol 1999; 37: 685–700)zu einer durchaus vergleichbaren Bewer-tung der Evidenz medikamentöser Maß-nahmen kam.

13. Implementierung undVerbreitung

Auf der Grundlage der ausführlichenEvidenz-gestützten Therapieempfeh-lung werden eine Kurzfassung (Hand-lungsleitlinie) »für den Praxisschreib-tisch« und eine Patienteninformationerstellt. Auf Anfrage können auchInhalte der Therapieempfehlungen (z. B.Abbildungen und Tabellen) alsOverheadfolien für Fort- undWeiterbildung bezogen werden. Es istzentrales Anliegen der Arzneimittelkom-mission der deutschen Ärzteschaft, diewissenschaftlich fundierten Therapie-empfehlungen einem möglichst großenÄrztekreis als Leitfaden für die eigenetherapeutische Praxis zugänglich zumachen. Diese Intention wird unter-stützt durch den bereits zitiertenHinweis in Nr. 14 der Arzneimittel-Richtlinien des Bundesausschusses derÄrzte und Krankenkassen. Ärzte, die dieTherapieempfehlungen der AkdÄ nichtkostenfrei über ihre kassenärztlichenVereinigungen zugestellt bekommen,können die Therapieempfehlungengegen eine Gebühr erhalten (s. letzteUmschlagseite).

Die Therapieempfehlungen sind imInternet unter www.akdae.de frei zugäng-lich. Die für Arzneimittelfragen zustän-digen Mitarbeiter in den KVen werdenals Multiplikatoren einer rationalen Arz-neimitteltherapie regelmäßig über dieerscheinenden Therapieempfehlungeninformiert. Die Arzneimittelkommissionhat weiter in einer Information an alleLehrstuhlinhaber für Pharmakologie undKlinische Pharmakologie angeregt, dieTherapieempfehlungen in der Lehre zunutzen, um so bereits Studenten eineevidenzbasierte Sicht der Pharmako-therapie nahezubringen.

14.EvaluationDie Evaluierung von Therapieempfeh-lungen hinsichtlich ihres Einflusses aufArzneiverordnung, Kosten und Beein-flussung verschiedener therapeutischerZiele wird zunächst im Rahmen vonEinzelprojekten angestrebt.

1. Lasek R, Müller-Oerlinghausen B: Therapie-empfehlungen der Arzneimittelkommission derdeutschen Ärzteschaft – Ein Instrument zurQualitätssicherung in der Arzneimitteltherapie. ZÄrztl Fortbild Qualitätssich 1997; 91 (4): 375-383.

2. Bundesärztekammer und KassenärztlicheBundesvereinigung: Beurteilungskriterien fürLeitlinien in der medizinischen Versorgung –Beschlüsse der Vorstände von Bundesärzte-kammer und Kassenärztlicher Bundesvereini-gung, Juni 1997. Deutsches Ärzteblatt 1997; 94:A-2154-2155.

3. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgungin der Bundesrepublik Deutschland: Die EvaS-Studie. Eine Erhebung über die ambulante medi-zinische Versorgung in der BundesrepublikDeutschland. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag,1989.

4. Scottish Intercollegiate Guidelines Network:SIGN Guidelines – An introduction to SIGNmethodology for the development of evidence-based clinical guidelines, SIGN PublicationNumber 39, 1999.

5. Arnold M: Solidarität 2000 – Die medizinischeVersorgung und ihre Finanzierung nach derJahrtausendwende. Stuttgart: F. Enke, 1993.

Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom ~ 1. Auflage 2000 Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

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ANHANG

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IMPRESSUM

Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom ~ 1. Auflage 2000

HerausgeberArzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

RedaktionArzneimittelkommission der deutschenÄrzteschaft vertreten durch den Vorstand;

Prof. Dr. med. D. Höffler (v.i.S.d.P.),Prof. Dr. med. R. Lasek,J. D. Tiaden, Arzt und Apotheker

Anschrift der RedaktionGeschäftsstelle der Arzneimittel-kommission der deutschen ÄrzteschaftPostfach 41 01 2550861 KölnTelefon: 02 21 / 40 04 -517Telefax: 02 21 / 40 04 -539E-Mail: [email protected] 0939-2017

Realisation und Vertriebnexus GmbHKrahkampweg 10540223 DüsseldorfTelefon: 02 11 / 905 35 86Telefax: 02 11 / 905 36 36

Layout & SatzSabine JentzschKronprinzenstraße 2540217 DüsseldorfTelefon: 02 11 / 3 98 41 20E-Mail: [email protected]

© Arzneimittelkommission der deutschenÄrzteschaft, Köln 2000Die Therapieempfehlungen einschließlichHandlungsleitlinie sind urheberrechtlichgeschützt. Jede Verwertung in anderenals in den gesetzlich zugelassenen Fällenbedarf der vorherigen Genehmigungder AkdÄ.

Die in den TE enthaltenen Dosie-rungsangaben sind Empfehlungen.Sie müssen dem einzelnen Patientenund seinem Zustand angepasstwerden. Die angegebenen Dosie-rungen wurden sorgfältig überprüft.Da wir jedoch für die Richtigkeitdieser Angaben keine Gewähr über-nehmen, bitten wir Sie dringend,die Dosierungsempfehlungen derHersteller zu beachten.

Hinweis

=Evidenz-basiert

Die Therapieempfehlungen können zusammen mit dem Arzneimittelbulletin Arzneiverordnung in derPraxis (AVP) gegen eine jährliche Schutzgebühr von derzeit DM 58,– (AiP/Studenten: DM 35,–) bei derArzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft abonniert werden. (Korrespondenzadresse siehe Impressum)

Empfehlungen zur Therapievon Tumorschmerzen, 2. Auflage

Empfehlungen zur Therapiebei funktioneller Dyspepsieund Reizdarmsyndrom

Empfehlungen zur Therapievon Kreuzschmerzen, 2. Auflage

AKTUELL

AUS DER LEITLINIENARBEIT DER ARZNEIMITTELKOMMISSION DER DEUTSCHEN ÄRZTESCHAFT

Empfehlungen zur Therapie von Angst- undZwangsstörungen

Empfehlungen zur Therapie von akuten Atem-wegsinfektionen

Empfehlungen zur Therapie der arteriellenHypertonie

Empfehlungen zurTherapie der peri-pheren arteriellenVerschlußkrankheit

Empfehlungen zur Therapie von chronischenKopf- und Gesichts-schmerzen, 2. Auflage

Empfehlungen zur Therapie von Fettstoff-wechselstörungen, 2. Auflage

Empfehlungen zur Primär- und Sekundär-prävention des ischämischenInsults

Empfehlungen zur Therapie der Demenz

Empfehlungen zurTherapie von dege-nerativen Gelenk-erkrankungen

Empfehlungen zur Therapie der Depression

Empfehlungen zur Therapie der chronischen Herzinsuffizienz