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© Sandra Fuchs Mini-ZF 3420 KE2 Interview SoSe 2016 1 1. Was ist ein Interview? 1.1 Begriffsklärungen und Bandbreite der Interviewmethode Definitionen Begriffe Unterschiede Alltagsgespräch vs. Interview Bandbreite Entrevue = verabredete Zusammenkunft Entrevoir = einander kurz sehen, sich begegnen, treffen 2 typische Merkmale: a) zwei Personen treffen sich b) eine Person stellt Fragen, die andere Person gibt Antworten Keßler, 1988: „Zielgerichtete Kommunikation .. zwei oder mehr Befrager .. einem oder mehrere Befragte … Informationssammlung …Erleben und Verhalten“ Westhoff, 2000: „Gespräch zwischen einem oder mehreren .. nach impliziten oder expliziten Regeln …“ - nicht nur zwischen 2 Personen - Erleben & Verhalten - Beschreibung, Erklärung, Vorhersage - Beziehungsdiagnostik oder Bedingungsanalyse - bestimmte Interviewtechniken können Veränderungsprozesse initiieren - Fokussierung auf Ressource - fließender Übergang zwischen Diagnostik & Intervention - Reflexionsprozesse, die positive/negative Effekte zur Folge haben können Gespräch / Befragung - Synonyme - Oberbegriffe Explikation als mündliche Form der Befragung (vs. schriftliche Befragung) Exploration: Wenn Erkundung des subjektiven Lebensraums eines Probanden im Mittelpunkt steht (Hauptmethode der biographischen PT von Hans Thomae) Anamnese - Daten zur Vorgeschichte einer erkrankten Person / störungsbezogene Vorgeschichte - Infos bevor eigentlich Behandlung beginnt Biografisches Interview Erhebung der gesamten Biografie eines Menschen (→Eigen- vs. Fremdanamnese) Katamnese - rückblickend Infos sammeln, nachdem Behandlung abgeschlossen ist Eigenanamnese Betroffene Person selbst gibt Auskunft Systemisch orientiertes Erhebungsinventar zur Eigenanamnese bei Kindern (Kubinger, 2003) Fremdanamnese Andere Personen (zB Eltern) werden zur Vorgeschichte befragt Anamnestischer Elternfragebogen (Deegener, 2001) Interview ähnelt auf den ersten Blick einem Alltagsgespräch Aber: komplexer & schwieriger Alltagskonversation Interview - Nicht unbedingt expliziter Zweck - Wiederholungen sind i.d.R. unerwünscht und werden vermieden - beide können Fragen stellen - Interesse & Desinteresse an bestimmten Themen wird von beiden ausgedrückt - basiert auf implizitem Wissen („Tatort“) - allzu detaillierte Antworten und Statements werden i.d.R. aus Höflichkeit und aufgrund von Konventionen vermieden - Zweck, Ziel („zielgerichtete mündl. Kommunikation“) - Wiederholungen oft notwendig (ggf. in verschiedenen Formulierungen) - Hauptsächlich der Interviewer stellt Fragen (festgelegte Rollen) - eher der Interviewer drückt Interesse und Desinteresse aus; Alleinige Aufgabe des Interviewers, den Informationsfluss durch Signale zu steuern - implizites Wissen soll möglichst expliziert werden - Antworten sollten so detailliert wie möglich sein, da Interviews darauf abzielen zu bestimmten Themen möglichst viele und möglichst detaillierte Infos zu sammeln - Rolle des Fragenden & des Antworten eindeutig festgelegt - In Psychologie und SoWi variiert, was unter Interview verstanden wird enorm im Hinblick auf: - Settings/Medien - Dauer - Anzahl der Interviewer & Interviewten - Rolle des Befrager (weiche, neutrale, harte Interviews) - Zielsetzung - Grad der Strukturierung & Standardisierung → unterschiedliche Arten bzw. typen von Interviews → in Abhängigkeit von Strukturierung & Standardisierung lassen sich Interviews mit unterschiedlichen Methoden auswerten Als diagnostisches Verfahren sehr häufig eingesetzt, z.T. das häufigste Instrument zur Datenerhebung

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1. Was ist ein Interview?

1.1 Begriffsklärungen und Bandbreite der Interviewmethode Definitionen Begriffe Unterschiede Alltagsgespräch vs. Interview Bandbreite

Entrevue = verabredete Zusammenkunft

Entrevoir = einander kurz sehen, sich begegnen, treffen

2 typische Merkmale: a) zwei Personen treffen sich b) eine Person stellt Fragen, die andere Person gibt Antworten

Keßler, 1988: „Zielgerichtete Kommunikation .. zwei oder mehr Befrager .. einem oder mehrere Befragte … Informationssammlung …Erleben und Verhalten“

Westhoff, 2000: „Gespräch zwischen einem oder mehreren .. nach impliziten oder expliziten Regeln …“

- nicht nur zwischen 2 Personen - Erleben & Verhalten - Beschreibung, Erklärung, Vorhersage - Beziehungsdiagnostik oder Bedingungsanalyse

- bestimmte Interviewtechniken können Veränderungsprozesse initiieren - Fokussierung auf Ressource - fließender Übergang zwischen Diagnostik & Intervention - Reflexionsprozesse, die positive/negative Effekte zur Folge haben können

Gespräch / Befragung - Synonyme - Oberbegriffe

Explikation als mündliche Form der Befragung (vs. schriftliche Befragung)

Exploration: Wenn Erkundung des subjektiven Lebensraums eines Probanden im Mittelpunkt steht (Hauptmethode der biographischen PT von Hans Thomae)

Anamnese - Daten zur Vorgeschichte einer erkrankten Person / störungsbezogene Vorgeschichte - Infos bevor eigentlich Behandlung beginnt

Biografisches Interview Erhebung der gesamten Biografie eines Menschen (→Eigen- vs. Fremdanamnese)

Katamnese - rückblickend Infos sammeln, nachdem Behandlung abgeschlossen ist

Eigenanamnese Betroffene Person selbst gibt Auskunft Systemisch orientiertes Erhebungsinventar zur Eigenanamnese bei Kindern (Kubinger, 2003)

Fremdanamnese Andere Personen (zB Eltern) werden zur Vorgeschichte befragt Anamnestischer Elternfragebogen (Deegener, 2001)

Interview ähnelt auf den ersten Blick einem Alltagsgespräch Aber: komplexer & schwieriger

Alltagskonversation Interview

- Nicht unbedingt expliziter Zweck - Wiederholungen sind i.d.R. unerwünscht und werden vermieden

- beide können Fragen stellen

- Interesse & Desinteresse an bestimmten Themen wird von beiden ausgedrückt

- basiert auf implizitem Wissen („Tatort“)

- allzu detaillierte Antworten und Statements werden i.d.R. aus Höflichkeit und aufgrund von Konventionen vermieden

- Zweck, Ziel („zielgerichtete mündl. Kommunikation“)

- Wiederholungen oft notwendig (ggf. in verschiedenen Formulierungen)

- Hauptsächlich der Interviewer stellt Fragen (festgelegte Rollen)

- eher der Interviewer drückt Interesse und Desinteresse aus; Alleinige Aufgabe des Interviewers, den Informationsfluss durch Signale zu steuern

- implizites Wissen soll möglichst expliziert werden

- Antworten sollten so detailliert wie möglich sein, da Interviews darauf abzielen zu bestimmten Themen möglichst viele und möglichst detaillierte Infos zu sammeln

- Rolle des Fragenden & des Antworten eindeutig festgelegt

- In Psychologie und SoWi variiert, was unter Interview verstanden wird enorm im Hinblick auf:

- Settings/Medien

- Dauer

- Anzahl der Interviewer & Interviewten

- Rolle des Befrager (weiche, neutrale, harte Interviews)

- Zielsetzung

- Grad der Strukturierung & Standardisierung → unterschiedliche Arten bzw. typen von Interviews

→ in Abhängigkeit von Strukturierung & Standardisierung lassen sich Interviews mit unterschiedlichen Methoden auswerten

Als diagnostisches Verfahren sehr häufig eingesetzt, z.T. das häufigste Instrument zur Datenerhebung

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1.2 Grade der Strukturierung & Standardisierung 4 Aspekte Standardisiertes Interview Unstandardisiertes Interview Teilstandardisiertes Interview

In einem Interview lassen sich 4 Aspekte standardisieren:

Fragen (Wortlaut, Anzahl, Abfolge)

Antworten (ja/nein)

Auswertung (vorgegebene Kategorien, festgelegte Merkmals-& Anforderungsdimensionen)

Verhalten Interviewer (hängt eng mit Fragenstandardisierung zusammen, Reaktionen auf nachfragen, Rolle → Einfluss auf non- & paraverbales Verhalten)

→Festlegung der Makrostruktur eines Interviews (konkrete Formulierung der Fragen betrifft Mikrostruktur)

Das Ausmaß der Standardisierung & Strukturierung ist graduell und lässt sich als Kontinuum zwischen 2 Extremen (unstandardisiert-alle Aspekte festgelegt)

→ Bei vollständiger Standardisierung aller Aspekte lässt sich ein Interview durch eine schriftliche Befragung/einen Fragebogen ersetzen (sofern nicht Beobachtung als zusätzliche Datenquelle)

Individuelle Variationen sind weder vorgesehen noch erwünscht Vorteile - gute Vergleichbarkeit verschiedener Interviews - ökonomische Auswertung - Anforderungen an Interviewer sind reduziert (Novizen) - Interviewer muss sich keine Gedanken/Sorgen machen, ob alle Aspekte eines Themas detailliert genug exploriert - .. welche Frage in welcher Formulierung als nächstes gestellt werden soll - Klassische Gütekriterien sind leichter/überhaupt zu ermitteln - potentielle Interviewerfehler besser kontrollierbar bzw. reduzierbar Nachteile - subjektiver Lebensraum bzw. subjektive Repräsentationen des Probanden werden ggf. nicht angemessen erfasst - festgelegte Fragen werden von unterschiedlichen Befragten ggf. unterschiedlich verstanden (Wortäquivalenz ≠ Bedeutungsäquivalenz) - das geforderte strikte Festhalten an Standardisierung im Gespräch kann unnatürlich wirken

Gewisse Themen sind festgelegt, die angesprochen werden sollen; weitere Themen, die im Gesprächsverlauf auftauchen, können und sollen weiter exploriert werden Vorteile s. Nachteile standardisiertes Interview → Das Individuum und seine Welt können deutlich besser erfasst werden - Bedeutungsäquivalenz von Fragen ist bei mehreren Befragten wichtiger als die Wortäquivalenz - adaptives Diagnostizieren ist in stärkerem Ausmaß möglich (antwortabhängiges Weiterfragen)

Nachteile s. Vorteile des standardisierten Interviews - wie können Gespräche, die unterschiedlich verlaufen sind, gruppenzogen ausgewertet werden? - keine Garantie, dass trotz Freiheiten, alle relevanten Infos erfasst werden (bewusstes Nichtansprechen, Vergessen)

- spezielle Fertigkeiten notwendig (Training, Erfahrung) - ggf. Überforderung Beispiel: Narratives Interview (Fritz Schütze, 1983)

- versucht die Vorteile der standardisierten & unstandardisierten Befragung zu vereinen und die entsprechenden Nachteile zu vermeiden

- basiert auf Gesprächsleitfaden

- gewisse Themen sind in mehr oder weniger ausformulierten Fragen festgelegt (sollen in jedem Fall angesprochen/gestellt werden)

- Vorgabe einer gewissen Struktur

- Individuelle Variationen möglich (Zusatzfragen, neu formulierte Fragen)

Aber: Halbstrukturierte/halbstandardisierte Interviews nicht automatisch die beste Form und Methode der Wahl zur Durchführung mündlicher Befragungen Grad der Standardisierung & Strukturierung hängt von Zielsetzungen des Interviews ab!

- Diagnose klinischer Störungsbildern: höhere Strukturierung (klassische Gütekriterien, prognostische Validität)

- weniger standardisiertes Vorgehen, wenn zu einer (Forschungs)Fragestellung noch kaum theoretische und empirische Befunde vorliegen (breite Erkundung des Phänomens)

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2. Zur Komplexität des Interviews Kognitionspsychologische

Perspektive Tiefenpsychologie:

Übertragung & Gegenübertragung Motivationale Ebene Lernpsychologische

Perspektive Sozialpsychologie des

Interviews

- Interviews sind außerordentlich komplexe Prozesse - nahezu die gesamte wissenschaftliche Psychologie ist erforderlich - nicht zu allen nachfolgenden Bereichen liegen empirische Befunde aus der Interviewforschung vor - es können viele unterschiedliche Bedingungen in einem Interview potentiell wirksam sein

- Interviews als Informationsverarbeitungs-prozesse, die vom Erwartungen, Emotionen und Motiven begleitet werden

- verbale, nonverbale, paraverbale Signale

- Befürchtungen

- Argwohn & Ärger

- Sympathie & Antipathie

- Hoffnung

- Stolz

- Kompetenzgefühle

- Freude

Susan Andersen, Serena Chen (2007):

- Empirischer Beleg, dass bisherige / vergangene Beziehungen mit wichtigen Personen Einfluss auf aktuelle Beziehungen haben

- Jeder von uns hat mentale Repräsentationen von positiv / negativ konnotierten signifikanten Anderen in seinem Gedächtnis gespeichert

- Diese Repräsentationen werden aktiviert, wenn wir einer Person begegnen, die der mentalen Repräsentation eines signifikanten Anderen ähnelt.

- Trigger

- hohe Wahrscheinlichkeit, dass sozial-kognitiv begründete Übertragungsprozesse auch auftreten, wenn Interviewer und VPn sich zum ersten Mal begegnen. (empirisch nicht untersucht)

- Bedürfnisse nach Kontrolle & Komplexitätsreduktion

- Selbstdarstellungsmotive

- Motive nach Selbstwertregulation

- altruistische Motive

- Machtmotivation

- Prozess der wechselseitigen Verstärkung

- verbale und nonverbale Verstärker (→ Regulation Redefluss)

In Interviews geht es insb. um soziale Wahrnehmungs- & Beurteilungsprozesse -Ersteindrucksprozesse

- Stereotypisierungsprozesse

- Kategorisierungsprozesse

- Einfluss soziodemografischer Merkmale (Alter, Geschlecht, Sprachverhalten, ethnische Zugehörigkeit, Schichtzugehörigkeit)

- Attributionsverzerrungen

- asymmetrischer Kommunikationsprozess

Aus sozialpsychologischer Sicht geht es in einem Interviews also um gegenseitiges Wahrnehmen & Beurteilen vor dem Hintergrund der genannten Prozesse.

Die beteiligten Personen werden Erwartungen generieren, mögliche Konsequenzen antizipieren, Hypothesen aufstellen.

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Persönlichkeitsmerkmale als moderierende Variablen

Fazit Soziale Urteilsbildung in Einstellungsinterviews

Konsequenzen für die Gestaltung der Interviewsituation

Vorteile des Interviews

Die oben referierten Informations-, emotionalen, motivationalen nd sozialpsychologischen Prozesse werden annahmegemäß von Persönlichkeitsmerkmalen mitbedingt bzw. moderiert. - Selbstwertschätzung

- Ängstlichkeit

- kognitive, soziale und emotionale Kompetenzen (Interviewer)

- kognitive Komplexität (Interviewter)

Insgesamt wird sich der Interviewte darüber Gedanken machen

- was hier vorgeht

- was man eigentlich von ihm will

- wie er sich am besten verhalten soll

- warum bestimmte Fragen gestellt werden Einige der Prozess (s.o.) laufen dabei nur teilweise bewusst ab, andere sind gar nicht explizit repräsentiert (Motive, habituelle Tendenzen) Frage- & Antwortschema erlaubt keine allzu langen Denkphasen

&

Konventionen

Intergierende Bedingungen (Schuler, 2002):

Situationsparameter - Position - Organisation - Umwelt - Diagnosebedingungen - Vorinformation

Mechanismen der Informationsverarbeitung

Person, Verhalten & Eindruck des Bewerbers

Person Verhalten & Eindruck des Interviewers

Beziehung / Interaktion

Entscheidung des Bewerbers & des Interviewers

Aus der genannten Komplexität und den daraus resultierenden potentiellen Problemen lassen sich eine Reihe von Konsequenzen für die Gestaltung von weichen Interviews ableiten (in harten Interviews gelten andere Regeln)

1. Transparenz - eindeutige Definition - transparent & bewältigbar - ausführliche einleitende Informationen

2. Beziehung gestalten - gute vertrauensvolle Arbeitsbeziehung (moralische und methodische Gründe) - konstruktive Nutzung der Beziehungsebene

3. freundlich sein, aber neutral bleiben - gutes, zielgerichtetes Gespräch Verbal & nonverbal Interesse signalisieren - keine Wertungen . nicht solidarisieren

4. Möglichkeit zur Metakommunikation einplanen - ggf. Beziehungsebene thematisieren - stattfindende Kommunikation reflektieren Einflüsse Interviewer, Interviewter & Interkation sind aus methodischer Sicht Störeffekte!

Training, geeignete Maßnahmen

Es ist in der Tat einfacher, einen vorhandenen Fragebogen vorzugeben und auszuwerten. Aber ein Interview biete gerade im Vergleich zur Fragebogen-Methode entscheidende Vorteile, auf die im Rahmen einer multimethodalen Diagnosestrategie nicht verzichtet werden kann: - auch quantitative Veränderungen zwischen Bedeutungssystemen erfassen

- flexibler

- erlauben spontane Reaktionen

- Berücksichtigung nonverbaler Signale

- eindeutig bestimmbare Identität des Interviewpartners

- höhere Kontrolle im Hinblick auf

Erhebungssituation Reihenfolge der Fragen Dauer Vollständigkeit Rücklauf

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3. Anwendungsgebiete & Typen von Interviews in der Psychologie

3.1 Interviews in unterschiedlichen psychologischen Anwendungsfeldern Klinische Psychologie & Beratung Personalpsychologie Forensische Psychologie

- Interviews werden nicht nur in der Psychologie als Datenerhebungsmethode verwendet, sondern auch in anderen Wissenschaften (insb. Journalismus)

- In Psychologie mit höherem zeitlichem Aufwand verbunden

- Frage: Unter welchen Bedingungen lohnt sich Interviewmethode überhaupt?

„Immer dann, wenn es keine geeigneten Fragebogen-Verfahren gibt!“ Fisseni (2004):

Individualdiagnostik, wenn …

1. Bei Erarbeitung einer diagnostischen Fragestellung

2. zur Abklärung des Kontextes der diagn. Fragestellung

3. Bei Erhebung persönlicher & intimer Informationen In Forschung Abhängig von quantitativem oder qualitativem Vorgehen

- quantitativ: eher vorbereitender Charakter

- qualitativ: Exploration, Forschungsmethode

zentraler Stellenwert

unterschiedliche diagn. Zielsetzungen:

- Deskription Symptomatik - Erklärung Störungsbilder - Klassifikatorische Einordnung eines Störungsbildes (SKID-I und SKID-II) - prädiktive Diagnostik - Evaluation von Veränderungen - klinische Dokumentation

SIFF (strukturiertes Unterview für das Fünf-Faktoren-Modell)

Behandlungssteuernde Funktion - fließender Übergang Diagnostik & Intervention - Reflexionsprozesse

Innerhalb verschiedener Therapieschulen sind jeweils spezielle Arten der Gesprächs & Interviewführung entwickelt worden:

Carl Rogers: Gesprächspsychotherapie, Empathie, unbedingte Wertschätzung, klientenzentriert

DeShazer: lösungsorientierte Kurzzeittherapie (spezielle Fragetechniken zur Exploration von Ressourcen & Ausnahmen von Problemmuster, spezielle hypothetische Fragen, Z.B. „Wunderfrage“) Spielbasierte Befragungstechniken zur Befragung von kleineren Kindern, z.B. Szeno-Test (vs. Loyalitätskonflikte, Langeweile)

Berufseignungdiagnostik Auswahl & Platzierung von Mitarbeitern

Personalentwicklung Veränderung der Leistungsvoraussetzungen MMI = Multimethodales Interview: 1. Gesprächsbeginn 2. Selbstvorstellung des Bewerbers 3. Freier Gesprächsteil 4. Berufsunteressen, Berufs- & Organisationswahl 5. Biographiebezogene Fragen 6. Realistische Tätigkeitsinformation 7. Situative Fragen 8. Gesprächsabschluss EOG = entscheidungsorientiertes Gespräch bietet Systematik zur Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von Interviews Verhaltensgleichung (Kluck, 2008) V = fI (U,O,K,E,M,S)

- zur Identifikation entscheidungsrelevanter Variablen - und entsprechenden Konstruktion von Fragen

Zeugenaussagen spielen in Ermittlungs- und Strafverfahren eine entscheidende Rolle Geiselman & Fisher (1977) haben eine besondere Form der Befragung entwickelt, in der sog. Erinnerungshilfen verwendet werden: Kognitives Interview

4 Erinnerungshilfen:

1. Mentales Zurückversetzen in den Wahrnehmungskontext, damit Erinnerungsleistung verbessert wird

2. Den Befragten bitten, alles zu erzählen, was ihm einfällt-

3. Schilderung des Ereignisses in unterschiedlichen Reihenfolgen

4. Schilderung des Ereignisses aus verschiedenen Perspektiven Köhnken et al. (2008): Viele empirische Studien zeigen, dass in Kognitiven Interviews mehr korrekte, aber auch etwas mehr inkorrekte Details berichtet werden als in herkömmlichen Zeugenbefragungen. → Der Zuwachs an korrekten Details ist somit insg. höher.

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3.2 Interviews in der psychologischen Forschung Biographische Persönlichkeitsforschung Interviewtechniken in der qualitativen Sozialforschung

Biographisch-idiographischer Ansatz von Hans Thomae Das Individuum & seine Welt sollte möglichst genau wertneutral sowie theoretisch & methodisch unvoreingenommen erfasst werden. (vs. normative Forschungsansätze; Kritik an Fragebogenmethode) → Denk- & Ausdrucksweisen einer Person → möglichst unverzerrte psychische Wirklichkeit erfahren & erfassen

Wissenschaftstheoretische Kritik Empirische Wissenschaft kann die „einfach so“ an der Erfahrung anschließen, sondern beginnt immer mit mehr oder weniger expliziten Annahmen, die Einfluss ausüben („top-down Forschung)

Freie Exploration - wenig strukturierte Form des Interviews - möglichst unvoreingenommen Daten über das Erleben & Verhalten eines Individuums - Chance für den „Durchschnittsmenschen“ - Zugang zu einer durch den methodologischen Zugriff noch nicht veränderten seelischen Wirklichkeit - zunächst spontan über Leben oder bestimmte biographische Einheiten berichten - Haltung gegenüber der VPn, der nicht als „passive“ VPn aufgefasst wird, sondern eher als Kollege bzw. Experte seines Daseins

Daseinstechniken / Reaktionsformen -Zwar radikal idiographischer Ansatz, aber dennoch Konstrukte vorgeschlagen, die für die Analyse der Berichte herangezogen werden können. - vs. Coping/Bewältigung - „Bewältigung“ meint sowohl aktive & erfolgreiche als auch passiv-vermeidenden Umgang mit Stress (vs. Lazarus) → Möglichkeiten des Umgangs mit bedeutenden, insb. belastenden Lebenssituationen

Back to phenomena! (David Magnusson, 1992)

Der biographische Ansatz von Dan P. McAdams - Nach McAdams unterscheiden sich Personen auch in der Art & Weis, wie sie Identität & Bedeutung im Rahmen einer individuellen Lebenserzählung konstruieren - Identität als narrative Identität (internalisierte Geschichte) - Kultur hält „Menü“ bereit; Leben als Folge von „Erlösungsgeschichten“ - harte und frustrierende Arbeit kann in Gegenwart besser bewältig werden

Narratives Paradigma s. Interview- & Kodierleitfäden, McAdams

4 Grundannahmen

1. Die soziale Wirklichkeit wird in Interaktionsprozessen der beteiligten Akteure gemeinsam hergestellt und konstruiert.

2. der Prozesscharakter & die Reflexivität sozialer Wirklichkeiten interessieren und müssen mit entsprechenden Methoden untersucht werden.

3. Objektive Lebensbedingungen werden durch ihr subjektive Bedeutung für soziale Akteure relevant (→ Interpretation mit hermeneutischen Methoden)

4. Kommunikation spielt in der qualitativen Forschung eine sehr wichtige Rolle (dialogisches Verfahren der Datenerhebung)

12 Kennzeichen, von denen insb. das sechste Kennzeichen für die Interviewmethode bedeutsam ist: Reflexivität des Forschers

Miner or Traveler Wissen wird in qualitativen Interviews als Konstruktion aufgefasst, die durch das gemeinsame Kommunizieren der beteiligten Akteure entsteht.

Varianten - Qualitative Interviews finden sich in vielen verschiedenen Varianten; - Börtz & Döring listen 19 Interviewtypen auf

Narratives Interview - hauptsächlich in der qualitativen Biographieforschung ( z.T. autobiographisch-narratives Interview genannt) Anfangs-/Haupterzählung Phase des Nachfragens Bilanzierungsphase

Fokussiertes Interview (Merton, Fiske, Kendall, 1959): - Fokussierung auf ein bestimmtes Objekt oder einen bestimmten Gegenstand, der als Gesprächsanreiz bzw. Stimulation des Gesprächs fungiert - Hypothesen zum fokussierten Gegenstand wiederlegen/bestätigen - Interview offen gestalten & Freiräume schaffen für neue Aspekte

Interviews werden besonders bei idiographisch orientierten Fragestellungen eingesetzt, die dann aber in einem weiteren Forschungs- & Analyseprozess nomothetisch weiterverarbeitet werden.

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4. Konzeption & Erstellung eines Interviewleitfadens Hinweise zur Formulierung von Fragen Typen von Fragen Hinweise zum Aufbau des Interviewleitfadens

Mikrostruktur: Konkrete Formulierungen & Anordnung von Fragen zu Blöcken Hron (1904), Fisseni (2004):

- Erfahrungsregeln

- Fragen so formulieren, dass sie vom Interviewten richtig (i.S. des Interviewers) verstanden werden

- Valide Antworten

- dem Befragten die Antwort erleichtern und ggf. die Bedrohung des Interviews entschärfen Einfach & kurz formulieren (vs. kompliziert, umständlich, zu lang, Fremdwörter, Fachtermini)

Eindeutig, auf einen Aspekt bezogen (vs. uneindeutig, doppelte Verneinung, mehrere Aspekte)

Keine Suggestivfragen Schuler (2002) - verständlich, klar, nicht zu lang - dem Sprachniveau des Empfängers entsprechend - sozial akzeptabel - in der Sache relevant → zwei weitere eher ethische Prinzipien

Fragentypen lassen nach den Funktionen, die sie in einem Interview erfüllen unterteilen:

1. Funktionale Fragen - sollen größere Einheiten des Gesprächs steuern - Gelenk- & Schaltfunktion

Kontakt- & Einleitungsfragen Eisbrecher, Small Talk, Vertrauen in neue Situation

Überleitungsfragen/Überleitungsabschnitte

Zusammenfassen, erläutern, ggf. Redefluss stoppen

Kontrollfragen Verständnis des bisher Gesagten überprüfen

COLUMBO-Technik Sich absichtlich dumm stellen

Filterfragen Weiterleitung der Fragen in Abhängigkeit von Antworten der VPn

2. Formale Fragen - Zielen darauf ab, dem Interviewpartner zu signalisieren, in welcher Form er etwas darstellen soll.

Geschlossene Fragen - Identifikationsfragen - Selektionsfragen - Ja-Nein-Fragen → Details klären → bei gehemmten Personen → bei VPn, die dazu neigen, vom Thema abzuschweifen

Offene Fragen →wenn neues Thema eröffnet wird → zur Unterstützung der ausführlicheren Behandlung eines Themas → konkrete Beispiele

Direkte Fragen vs. indirekte Fragen Je direkter, umso leichter zu erkennen, worauf Frage abzielt

Allgemeine vs. konkrete (Nach-)Fragen

- Interview folgt einer Dramaturgie, die sich mit Hilfe der Fragen & deren Platzierung beeinflussen lässt. - Bereits gestellte Fragen können auf weitere Fragen ausstrahlen (insb. dann, wenn dabei emotional belastende oder besonders erfreuliche Themen angesprochen werden)

Ablenkungs-/Pufferfragen - Bringen VPn auf andere Gedanken - Glätten die evtl. aufgetretenen emotionalen Wogen

- grundsätzlich: Motivation & Aufmerksamkeit (Spannungskurve der Aufmerksamkeit nach Seidenstück (1976) im ersten Drittel am höchsten) - nicht länger als 90 Minuten

Eröffnung des Interviews -Einstiegsfragen, Small Talk, kurze Aufwärmphase, Einführung

Gegenstand & Ziele

Ablauf

Zeitlicher Rahmen

Einverständnis zur Video-/Tonaufzeichnung

Zusicherung Anonymität

Etwaige Frage der VPn → Transparenz, Vertrauensbasis Fragen zu soziodemographischen Daten nicht zu lang

Hauptteil - leicht beantwortbare Fragen - vorzugsweise offene Fragen - einleitende Sätze, Assoziationshilfen - allg > konkret / Nachfragen - heikel Fragen - nach belastenden Themen: Fragen zu Stärken / Ressourcen

Zusammenfassungen/Überleitungen Am Ende eines thematischen Blocks

Abschluss - Dank an Interviewpartner - aktuelle Stimmung abklären - Weitere Fragen beantworten - weiteres Vorgehen und Kontaktmöglichkeiten erläutern - Small Talk -Verabschiedung

Direkte Fragen sind unbedingt geschlossene Fragen; indirekte Fragen sind fast immer offenen Fragen

Nachfragen ≠ Kontrollfragen

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5. Planung & Durchführung von Interviews Anwerbung & Einladung Vorbereitung & Eröffnung Gesprächsführung Rechtliche & ethische

Rahmenbedingungen Interviewtraining

- Anwerbung & Einladung unterscheidet, je nachdem in welchem Kontext und mit welchen Zielsetzungen (Forschungsprojekte: i.d.R. ohne Konsequenzen für Befragte vs. Einstellungsinterview: ggf. existentielle Frage) - Freiwilligkeit ist je nach Kontext anders zu verstehen - Für Interviews mit je nach Anwendungskontext unterschiedlichen Zielsetzungen gelten deshalb auch spezifische Bedingungen zur Planung und Durchführung. - Vor allen Interviews wird ein Termin telefonisch / per Mail verbredet - Kontaktaufnahme kann sowohl vom Interviewer als auch vom Befragten ausgehen. - Insbesondere bei telefonischem Erstkontakt (Ersteindrucksprozesse) ist auf gute Vorbereitung (überlegen & aufschreiben, was man sagen will) - mehrere Alternativtermine - Pausen zwischen den Interviews einplanen! - Kognitive Erschöpfung des Interviewers vermeiden - selber Grad an Aufmerksamkeit & Konzentration

- eventuell Vorinformationen berücksichtigen insb. bei Einstellungsinterviews

- Kleider machen Leute / Interviewer Statusunterschiede nicht überbetonen, weder overstyled noch underdressed, je nach Kontext, wohl fühlen, nicht in negativer/positiver Hinsicht irritieren & vom Thema des Interviews ablenken

- Wartegelegenheit bereitstellen Stuhl; Interviewpartner keinesfalls zu lange warten lassen

- Auf Ungestörtheit & Privatheit achten

- Gestaltung des Interviewraums konstruktiv-angenehme Arbeitsatmosphäre, über Eck, 90° Winkel, ca. 1 m Abstand, runder Tisch

- Getränke & Snacks anbieten v.a. wenn VPn lange Anreise hatte; im Rahmen des Small Talks

- Ersten Realkontakt gut vorbereiten Pünktlich, paar Minuten vor VPn da sein, Handschlag, Personen Vorstellung, Garderobe ablegen, Platz anbieten, Snacks & Getränke, Einstiegsfragen & Small Talk

2 übergeordnete Ziele: a) für den Gesprächsgegenstand relevante, reliable & valide Infos b) beim Thema des Interviews bleiben

Verbale Ermunterungen Inhaltlich neutrale Ermunterungen Mmh, aha → Redefluss an sich verstärken

Inhaltlich zustimmende Ermunter. → Können beeinflussen, worüber der Interaktionspartner spricht → Drücken Bewertungen des Interviewers aus

Grundsätzlich eher neutrale Ermunterungen verwenden

Nonverbales Verhalten Lächeln, Blickkontakt, zugewandte Köperhaltung, offene Gestik - Können Ausdrucksverhalten fördern oder stoppen - Turn taking - Komplementärsignal

Themenwechsel Alle Infos gesammelt, Thema ist bedrohlich, abschweifen vom Thema, uninteressantes Thema

Zusammenfassungen Fragender Tonfall, Sonderfall: Konfrontation mit Widersprüchen

Umgang mit schwierigen Interviewsituationen Bewusstsein über schwierige Situation, im Rollenspiel proben

2 Strategien: Reflexion von Gefühlen & Meta-Kommunikation

Grundsätzlich gelten für die Durchführung von Interviews dieselben ethischen & rechtlichen Standards wie für alle anderen psychodiagnostischen Verfahren.

- Richtlinien der EAPA für gesamten diagnostischen Prozess

- Ethische Richtlinien der DGPs und des BDP

- Grundlegende Rechte (GG, Art. 1)

- § 201 StGB Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes

- § 203 StGB, § 203, Absatz 1 StGB Verletzung von Privatgeheimnissen

Bundesdatenschutzgesetz Einverständniserklärungen!

Störeffekte ausschließen / relativieren beeinträchtigen / überlagern „wahre“ / valide Antworten

Merkmale & Verhaltensweisen eines guten Interviewers Interesse psychische Belastbarkeit, hohe Anpassungsfähigkeit, gute Allgemeinbildung, Fähigkeit zur Kontrolle verbales/nonverbales Verhalten, selbstkritische Haltung & Reflexionsfähigkeit

3 zentrale (Persönlichkeits-) Merkmale: Akademische Intelligenz Soziale Intelligenz Stressresistenz

Do´s and Dont´s beim Interviewen

Lasterkatalog beim Interviewen Abschalten Identifizieren, Monologisieren, Dirigieren, Dogmatisieren, Distanzieren, Umfunktionieren

Verhaltensbezogene Hinweise für einen guten Interviewer

Interviertrainings (allg. Hinweise) Vermittlung von inhaltl. Kenntnissen, Erläuerung Interviewleitfaden, Dokumentation, Umgang mit Antwortverweigerungen, Probeinterviews

Prinzipien & Elemente für Trainings zu Einstellungsinterviews

DIPA (Strobel, 2004) Diagnoseinstrument zur Erfassung der Interviewerkompetenz in der Personalauswahl

Effektivität von Interviewtrainings - empirischer Nachweis grundlegender Eigenschaften erfolglos - Trainings, die auf strukturierten Interviews basieren, verbessern Objektivität & Validität

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6. Gütekriterien bei Interviews

Übertragung der Testgütekriterien auf Interviews Gütekriterien bei standardisierten Interviews

- Mehrere Aspekte müssen berücksichtigt werden

1. Inwieweit lassen sich die klassischen Testgütekriterien (Objektivität, Reliabilität & Validität) überhaupt auf die Interviewmethode übertragen

2. Wenn nur eingeschränkte Übertragung möglich: Sollen für Interviews ganz andere Gütekriterien gelten? Die Klassischen Gütekriterien lassen sich bei standardisierten Interviews besser ermitteln und weisen auch eher befriedigende Werte auf.

Objektivität Kennzeichnet die Unabhängigkeit der Ergebnisse eines Tests vom Untersucher (→ Standardisierung)

Auswertungs- Durchführungs- Interpretations-

Aufzeichnungs-

Intrapersonelle Ausmaß, in dem das Verhalten von Interviewer(in bei der Durchführung, Aufzeichnung, Auswertung & Interpretation vorhergesagt werden kann oder wegen systematischer Fehler, Vorurteile, persönlichem Interviewstil nicht vorhergesagt werden kann.

Interpersonelle (Konkordanz) Hängt von Übereinstimmung mehrerer Interviewer ab; wird auch von der intrapersonellen O. beeinflusst

Die Objektivität bei Interviews bei zwei oder mehreren Interviewern wachwankt zwischen Cohen´s Kappa -.30 bis 0.94

Reliabilität Maß für die Genauigkeit, unabhängig von Messintention

Interne Konsistenz (zwischen 0.43 und 0.81) Retest- (0.67 bis 0.99)

Validität Augenschein- Inhalts- Inkrementelle Konstrukt- Kommunikative Validierung Handlungsvalidierung

Die referierten Befunde zu O, R, V sind heterogen. Interviews ermöglichen zwar die Erfassung objektiver, reliabler und valider Informationen, garantieren sie aber nicht.

SKID Auswertungsobjektivität: zwischen <.70 und >.80 bei Persönlichkeitsstörungen in 17% der Fälle Kappa-Koeffizienten <.70 bei Achse-I-Störungen Retest-Reliabilität: Mittlerer Kappa-Koeffizient von .61 über 390 Patienten und 21 Störungen Bei 202 Nicht-Patienten von nur .37 und 16 verschiedene klinische Diagnosen

MMI Beurteilerübereinstimmungen zwischen .71 und .83 Metaanalyse: .84 bei strukturierten Interviews und .68 bei unstrukturierten

Konventionelle& verhaltensbezogene Interviews Inkrementelle Validität bei Berufserfolg: .51 (nur Intelligenz) .63 (Intelligenz plus strukturiertes Interview)

Inkrementelle Validität bei Ausbildungserfolg: .56 (nur Intelligenz) .59 (Intelligenz plus strukturiertes Interview)

Schlussfolgerungen zur Validität von eignungsdiagnostischen Interviews

Amelang / Schmidt-Atzert (2006) - Validierung an subj. Kriterien erklärt nicht die Validität von eignungsdiagn. Interviews - Strukturierte I. sind unstrukturierten überlegen - niedrigere Validitäten, wenn mehrere Interviewer

- verhaltensbeschreibende Interviews sind situativen Interviews überlegen.

Schuler (2002) Strukturierte Interviews können hinsichtlich Validität mit besten anderen Auswahlverfahren in Konkurrenz treten!

Metaanalyse (Hell et al., 2007) k = 44 Einzelstudien Mittlere korrigierte Validität: r= .16 bei strukturierten Auswahlgesprächen Mittlere korrigierte Validität: r= .11 bei unstrukturierten Inkrementelle Validität für Schulnoten und Studierfähigkeitstests: .522 (Schulnoten und Interview) vs.. 517 (nur Schulnoten) .502 (Studierfähigkeitstest und Interview) vs. .478 nur Studierfähigkeitstests

Grundsätzlich gilt, dass mit zunehmender Standardisierung & Strukturierung eines Interviews auch die klassischen Gütekriterien besser erreicht werden können.

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7. Auswertung von Interviews

Quantitative Einschätzung der Antworten

Inhaltliche Zusammenfassung der Antworten

Inhaltsanalyse Quantitative Textanalyse

Interviews liefern neben verbalen Daten auch paraverbale Aspekte und nonverbales Verhalten, die mit geeigneten Beobachtungsver-fahren mehr oder weniger differenziert analysiert werden können.

Interviewantworten lassen sich auf zuvor festgelegten Merkmals- oder Anforderungsdimensionen quantitativ einschätzen (insb. bei standardisierten Interviews)

Fünfstufige Skala 1 = weit unter den Anforderungen 2 = knapp unter den Anforderungen 3 = erfüllt gerade die Anforderungen 4 = knapp über den Anforderungen 5 = weit über den Anforderungen

Auch das Verhalten des Bewerbers wird in die Einschätzung einbezogen.

SKID-II Die (nicht vorgegebenen) Antworten eines Probanden zu Kriterien für verschiedene Persönlichkeitsstörungen werden vom Diagnostiker wie folgt kodiert: 1 = Kriterien für Persönlichkeitsstörung nicht erfüllt 2 = Kriterien für Persönlichkeitsstörung erfüllt 3 = sicher vorhanden und kriteriumsmäßig ausgeprägt ? = Information nicht ausreichend

Bei der Kodierung der Antworten soll Diagnostiker aus das Verhalten der VPn im Interview

berücksichtigen.

Wenn keine Kategoriensysteme oder Auswertungsschemata zur Verfügung stehen, kann ein Interview in eine drei Schritte umfassende „Thematische Zusammenfassung“ inhaltlich zusammengefasst werden:

3 Schritte 1. Aufzeichnung durchgehen, relevante Themenbereiche identifizieren, Textstellen zu den Themenbereichen markieren 2. Aussagen zu den Themenbereichen auf jeweils separate Blätter übertragen 3. Verarbeitung zu einem fortlaufenden Text

→ Deutlich aufwendiger im Vergleich zu quantitativen Einschätzungen

Hinweise zur sprachlichen Gestaltung Schilderung der VPn genau, aber gekürzt wiedergeben: - Sprachduktus - Am Beginn Verhalten der VPn kennzeichnen - mittelbare Wiedergabe per Konjunktiv - unstrittige Angaben im Indikativ Chronologisch bei biografischen Angaben, thematisch geordnet bei Aussagen über augenblickliche Situation - Zitate sparsam

Interpretation ist zusätzlicher Auswertungsschritt (Am Schluss)

Noch aufwendiger und differenzierte als die thematische Zusammenfassung

Inhaltsanalyse Systematisch-intersubjektive Beschreibung des Bedeutungsinhaltes von Texten aller Art.

2 methodologische Zielkriterien: Systematik & Intersubjektivität

Liegt ein Text nicht in schriftlicher Form vor, muss er erst zeitaufwendig transkribiert werden; Spracherkennungssoftware bedeutet eine eher geringe Zeitersparnis, weil sie noch nicht ausgereift genug ist.

Ablauf einer Inhaltsanalyse

1. Festlegung Auswahl- & Analyseeinheiten - welche Textteile überhaupt in die Inhaltsanalyse einbezogen werden - welche formal oder inhaltlich definierten Komponenten der ausgewählten Einheiten analysiert werden sollen

2. Kategorienexplikation - Erstellung eines Latgeoriensystems bzw. Kodierleitfadens, mit dem die interessierenden Textteile aufbereitet werden können.

- Kann Theorie- und materialgeleitet erfolgen:

Kriterien Kategoriensystem

- Ein Kategoriensystem muss bestimmten Kriterien genügen: erschöpfend, saturiert und disjunkt. Erschöpfend, wenn alle relevanten Textbestandteile den Kategorien zugeordnet werden könenn. Saturiert, wenn alle Kategorien durch Texteinheiten ausgefüllt sind. Disjunkt, wenn die Zurodnung von Textteilen nur zu einer Kategorie

Ermittlung der Kodiererübereinstimmung - Zufallsauswahl von 10-15% des gesamten Textmaterials - Kappa-Koeffizient

Bei einer rein quantitativen Textanalyse sind die Vorteile der Computerunterstützung noch deutlicher. Worthäufigkeiten einzelner Wörter und Kategorienzuordnung sowie der damit assoziierte linguistische Stil dienen als Marker für psychologische Prozesse & Merkmale. „Ich-Aussagen“ bei hoher Narzissmusausprägung

LIWC Ein Programm zur quantitativen Textanalyse ist Linguistic Inquiry and Wort Count. - Ursprünglich zur Analyse geschriebener Essays - Auch zur Auswertung von Interviews, insb. wenn dabei längere Texte generiert wurden (z.B. bei offenen unstandardisierten Befragungen).

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