108 - Kommunikationsethik - Brosda - VL1-6 + Lit.

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Kommunikationsethik I Vorlesung mit Übungen Bachelor-Studiengang Kommunikationswissenschaft Universität Leipzig Dr. Carsten Brosda

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Modul 108, Kommunikationsethik, Prof. Brosda, VL1-6 + Literaturempfehlungen, SO08, Uni Leipzig

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Kommunikationsethik I

Vorlesung mit ÜbungenBachelor-Studiengang Kommunikationswissenschaft

Universität Leipzig

Dr. Carsten Brosda

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Worum geht es in dieser Vorlesung?

Was ist Kommunikations- und Medienethik?Was untersucht sie?Wie lässt sie sich begründen?

Welche empirische Relevanz besitzen sie?Wie kann Ethik in der Praxis helfen?

auf der Makroebene (Gesellschaft)auf der Mesoebene (Mediensysteme)auf der Mikroebene (Individuum)

Erarbeitung eines Analyserasterszur Beantwortung dieser Fragen

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Worauf stützt sich diese Vorlesung?

Leipziger Tradition der medienethischen Analyse Das Analyseraster hat sich bewährtz.B. Lehrveranstaltung von Prof. Dr. Michael Haller (WS 07/08)

Breite Literatur zum Thema, z.B.Debatin, Bernhard / Funiok, Rüdiger (Hrsg.) (2003): Kommunikations- und Medienethik. Konstanz.Funiok, Rüdiger (2007): Medienethik. Verantwortung in der Mediengesellschaft. Stuttgart.Haller, Michael / Holzhey, Helmut (Hrg.) (1992): Medien-Ethik. Beschreibungen, Analysen, Konzepte. Opladen. (2. Aufl. 1993)Schicha, Christian / Brosda, Carsten (Hrsg.) (2000): Medienethik zwischen Theorie und Praxis. Normen für die Kommunikationsgesellschaft. Münster

Weitere Literaturhinweise folgeneigene Liste im Verlauf der Lehrveranstaltung

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Um welche Fragen geht es heute?

Wieso ist Kommunikations- und Medienethik relevant?Was ist Ethik?Wie wird Medienethik als angewandte Ethik konzipiert?Welche Spannungsfelder entstehen zwischen Normsystemen?Wie funktioniert Abwägung?Wie löst man Konflikte generell?Nach welchem Schema analysiert man Wertkonflikte?

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Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick

Immer wieder sonntags…

…äußern sich Medienmacher zu Problemen ihres beruflichen Alltags.…klagen gesellschaftliche Gruppen einen anderen Stil in Journalismus, Werbung oder Public Relations ein.…empören wir uns als Publikum über die Medien.

Dabei geht es oft um ethische Fragen – einige Beispiele für heftig diskutierte Ereignisse:

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Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick

Geiselnahme mit Live-Interviews

Dreitägiges Geiseldrama 1988Banküberfall – Irrfahrt von Gladbeck über Bremen nach Köln weiter nach FrankfurtDrei Tote

MedienhysterieLive-Interviews in der Kölner CityBoulevard-Reporter fuhr im Auto mit.Journalisten behindern Polizeiarbeit

Sensationslust oder Erfüllung des Informationsauftrags?

P.S.: Der Presserat hat diese Frage beantwortet und solche Interviews für unzulässig erklärt.

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Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick

Was darf Satire -?

In 30. September 2005 veröffentlichte die dänische Zeitung Jyllands-Posteneine Serie „islamkritischer“Karikaturen.An den Veröffentlichungen entzündeten sich wütende Proteste im Nahen Osten.

Freiheit der Satire oder Verunglimpfung einer Religionsgemeinschaft?

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Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick

„Experimente wie mit Ratten“

„Performatives Ereignisfernsehens“Die erste Big Brother-Staffel war heftig umstritten.

Kritiker fürchteten die Aufgabe der Menschenwürde.Befürworter betonten die Freiwilligkeit der Teilnahme.

Mittlerweile läuft die Sendung in der 8. Staffel, ohne Aufsehen zu erregen.

Mediennormalität oder Menschenverachtung?

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Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick

Gekaufte Dialoge im „Marienhof“

Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft hat 2002 Dialogteile der ARD-Serie „Marienhof“ produziert.

60.000 Euro, 7 SendungenThemen: Zeitarbeit, Bildung, Steuer-/AbgabensenkungKein Quellenverweis

„Monitor“ deckt Zusammenarbeit in 2005 auf

Propaganda oder Werbung für die Marktwirtschaft?

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Bunte Pullis für Sterbende

Benneton schockt in den 90er Jahren mit Bildern von Kranken und Kriegsopfern.Zeitungen lehnen Motive teilweise ab.Kampagnenmacher Oliviero Toscanini: „Mag die Werbung auch eine Industrie sein, so ist sie doch trotzdem eine Kunst.“

Provokation oder Kunst?

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Ethische Fragen sind allgegenwärtig

Beispiele stammen aus allen Bereichen der Medien

JournalismusUnterhaltungPublic RelationsWerbungPolitische Kommunikation

Kritik nimmt oft eine Kommunikations- und Medienethik zum Maßstab

Aber was charakterisiert ethische Fragen?

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Was ist Ethik?

Wissenschaftliche Beschäftigung mit Genese und Anwendung von Normen

„Moralphilosophie“ bzw. „Reflexionstheorie der Moral“Moral bezeichnet die Normen, die Handeln anleiten.Ethik reflektiert diese moralischen Normen und ihre Begründung.

Ethik sucht nach allgemeingültigen Begründungen für gutes und gerechtes Handeln.

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Verantwortungsbewusstsein als Ziel

Aufklärung menschlicher PraxisEinübung in ethische ArgumentationsweisenMoralisches Handeln als unverzichtbare Qualität der Humanität

Ethik macht sensibel dafür, dass jeder über die Güte seines Handelns verantwortlichentscheiden sollte und (meistens) auch kann.

Sie zielt auf Innen- bzw. Selbststeuerung.

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Struktur kommunikativen Handelns

begründen

prüfen

GemeinsameSituationsdefinition

Verständigungsorientierung durch Grundstruktur von Sprache

WahrheitRichtigkeitWahrhaftigkeit

WahrheitRichtigkeitWahrhaftigkeit

Machteinflüsse Machteinflüsse

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Kommunikative Interaktion beruht auf weit reichenden Annahmen

Widerspruchsfreiheit und Konsistenz Wahrhaftigkeit und ArgumentativitätFairness

Gleichberechtige Anerkennung aller TeilnehmerTransparenzOffenheitFreiheit von äußeren Zwängen

Diese Diskursregeln sind Grundlage einer allgemeinen Kommunikationsethik!

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Angewandte Ethik: Ideale in der Praxis

Angewandte Ethiken beschäftigen sich mit dem Verhältnis von

Idealnormen(Philosophie)

Praxisnormen(v.a. Recht und Politik)

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Die Erzengel-Perspektive

Idealnormen formulieren Prinzipien,die abstrakt sind unddie intersubjektive Gültigkeit besitzen.

Diskurse über Ethik sind in der Idealvorstellung „herrschaftsfrei“.

Problem: Idealnormen sind oftzu allgemein,zu unbestimmt,zu rigide,

um faktisch als Regeln für die konkrete Praxis dienen zu können.

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Verschiedene Quellen für Idealnormen

Mögliche Begründungen für normative Ethik

Grund- und Menschenrechteallgemeine Prinzipien oder MaximenInstitutionelle RollenerwartungenVertragsmodelleArgumentative DiskurseReligionTradition…

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Die Mühen der Ebenen

Praxisnormen: bereichsspezifische „Durchführungsregeln“, die den historischen und sozio-ökonomischenRahmen berücksichtigen.

Diskurse über Ethik sind geprägt vonZeitknappheitkonkreten Herrschafts- und Gewaltverhältnisseen,Informationsgefälle.

Ethische Diskurse werden erst durch institutionelle Vorkehrungen möglich.

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Medien sind ethisch relevant

Praxisnormen werden in angewandten Ethiken formuliert.

Angewandte Ethiken gibt es in vielen Bereichen:

MedizinWissenschaftÖkologie…

Auch mediales Handeln braucht angesichts seiner gesellschaftlichen Bedeutung eine angewandte Bereichsethik.

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Gesellschaftliche und politische Bedeutung der Medienkommunikation

Herstellen von ÖffentlichkeitKonstitutiv für DemokratieKonkrete gesellschaftliche Erwartungen

InformationOrientierungPartizipationSoziale Integration

Qualität von Medienkommunikationist entscheidend.

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Spezifika der Medienkommunikation

Medienkommunikation basiert auf Humankommunikation

GeltungsansprücheVerständigungsorientierung

Aber: höhere KomplexitätKeine direkte InteraktionDritter Partner vermitteltGeltungsansprüche sind mehrfach gebrochenNicht rein lebensweltlichSystemischer Rahmen mit entsprechenden MachtstrukturenFiktionale FormateLudische (spielerische) Formate

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Ethik in den Medien

Medienmacher haben als Vermittler einen Freiraum, der nicht durch harte Normen geregelt ist.

Harte Normen sind v.a. strafrechtliche oder privatrechtliche Vorschriften (erlaubt vs. nicht erlaubt)

Es gibt nicht eine „Top-Norm“ oder ein Regelwerk, die eine Unterscheidung zwischen „falsch“und „richtig“ ermöglichen würden.

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Ethische Spannungsfelder der Medienkommunikation

Aufgrund der Komplexität medialer Kommunikation gibt es mehrere Werte- und Normensysteme

Sie sind nicht deckungsgleich,aber gleichzeitig gültig.

Widersprüchliche Zielnormen erzeugen Spannungsfelder.

Die verschiedenen Ansprüche und Erwartungen können sich im konkreten Fall ergänzen oder widersprechen.

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Sechs relevante Wert- und Normensysteme des Medienhandelns

Individuelle Einstellungen

Berufsrolle

Kommunika-tionswünschedes Publikums

Ökonomische Imperative

Systemische Funktions-

zuschreibungen

Medialer Kommunika-tionsmodus

Medienhandeln

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1. Medialer Kommunikationsmodus

Individuelle Einstellungen

Berufsrolle

Kommunika-tionswünschedes Publikums

Ökonomische Imperative

Systemische Funktions-

zuschreibungen

Medialer Kommunika-tionsmodus

Medienhandeln

Öffentliche Kommunikation allgemeines InteressePrangerwirkung („Bloßstellen“)

Vermittelte KommunikationDisperses Publikum

Wünsche und Bedürfnisse nur begrenzt und abstrakt bekannt

Spezifika der Mediengattungen und -typen

Formate sind vorgegebenTechnik bestimmt Art der Kommunikation

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2. Funktionszuschreibungen an dasjeweilige Funktionssystem

Individuelle Einstellungen

Berufsrolle

Kommunika-tionswünschedes Publikums

Ökonomische Imperative

Systemische Funktions-

zuschreibungen

Medialer Kommunika-tionsmodus

Medienhandeln

Beispiel Journalismusdemokratietheoretische Aufgaben (Information; Meinungsbildung)gesellschaftspolitische Funktionen (wie Integration, Mobilisierung oder Nutzwert)

meritorische Funktionen**Meritorik = Lehre vom (ökonomisch nicht rentablen) allgemeinen Gut (Bildung, Gesundheit)

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3. Ökonomische Imperative

Individuelle Einstellungen

Berufsrolle

Kommunika-tionswünschedes Publikums

Ökonomische Imperative

Systemische Funktions-

zuschreibungen

Medialer Kommunika-tionsmodus

Medienhandeln

Medienwettbewerb Duales SystemKoppelung an Werbefinanzierung

MehrwertstrebenPrivatwirtschaft: Wachstum, Rendite

Machtstreben UnternehmermentalitätKonzern-Management

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4. Kommunikationswünsche desPublikums (Bedürfnisstrukturen)

Individuelle Einstellungen

Berufsrolle

Kommunika-tionswünschedes Publikums

Ökonomische Imperative

Systemische Funktions-

zuschreibungen

Medialer Kommunika-tionsmodus

Medienhandeln

Partizipationswünsche Sozialität

Kompensationswünsche Entschädigung für Mühen der Rezeption

VersicherungswünscheMinderung von Unsicherheit und Ungewissheit

KontemplationswünscheGedankliche und emotionale Verbundenheit mit der Welt

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5. Berufsrolle

Individuelle Einstellungen

Berufsrolle

Kommunika-tionswünschedes Publikums

Ökonomische Imperative

Systemische Funktions-

zuschreibungen

Medialer Kommunika-tionsmodus

Medienhandeln

Traditionen (Herkünfte)Berufsorganisation (Rollenverständnis)Formalisierung des Handwerks (Ausbildung)Selbstkontrolle (als Ausdruck der Professionalisierung)

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6. Individuelle Einstellungen der Medienakteure

Individuelle Einstellungen

Berufsrolle

Kommunika-tionswünschedes Publikums

Ökonomische Imperative

Systemische Funktions-

zuschreibungen

Medialer Kommunika-tionsmodus

Medienhandeln

Selbstbilder SozialisationBerufsperspektivenPersönlichkeitsstruktur

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Normenkonflikte sind Alltag

Auf den einzelnen Handlungsebenen

…und…

zwischen den verschiedenen Handlungsebenen

Keine der einzelnen Ebenen ist „unmoralischer“ als eine andere

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Wie kann Medienethik bei der Lösung dieser Normkonflikte helfen?

Sie kann der medialen Praxis Hinweise geben und sie anleiten.

Sie hilft dabei, die Normsysteme (z.B. Profession vs. Publikum) gegeneinander abzuwägen.

Konkrete Entscheidungen müssen Medienakteure moralisch selbst rechtfertigen.

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Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick

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Wie wäge ich richtig ab?

Ein kniffliges Beispiel aus dem SZ-Magazin vom 29.9.2006

Stimmt das konkret?Wer wohnt hier wirklich?

Dokumentarische Verantwortung

vs.Zuspitzung im Leseinteresse

Wie entscheidet man sich hier richtig?

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Was wäge ich ab?

Eigenes Selbstverständnis

„Was kann ich vor mir selbst verantworten?“; Gewissen

vs.Folgen der eigenen

Handlungen für DritteObjekte/Betroffene des Berichts

VertragstreueLeistungserbringer bemüht sich, die nachgefragte Leistung zu erbringen

vs.

Orientierung auf Verständigung

Sprachliche Interaktion ist auf Geltungsansprüche (wahr, richtig,

wahrhaftig) bezogen

PräsentationslogikZuspitzen, aber nicht überziehen

(Glaubwürdigkeit erhalten) vs.

InformationsfunktionSachüberprüfung; Sachbericht

erfordert dokumentarische Bilder

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Wie wird dieser permanente Abwägungsprozess verlässlicher?

GrundkonsensSchnittmengen („gesicherte“ Normen wie: Wahrhaftigkeit, Verzicht auf physische Gewalt, Gleichbehandlung)Grundrechte & Wertekonsens

„Kodifizierung“ dieses Grundkonsenses in einer angewandten Bereichsethik („Medienethik“), die die Besonderheiten medialen Handelns berücksichtigt.

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Aber: Das Meiste bleibt unsicher und muss regelmäßig verhandelt werden

Konkrete Normenkonflikte auf verschiedenen Handlungsebenen und Wertemustern lassen sich nicht prinzipiell lösen.

In diesen Konflikten geht es nicht um Moral gegen Unmoral, sondern um Synchronisation dissonanter oder gegensätzlicher Moralen.

Wichtig: Unterschiedliche Bereichsethiken dürfen nicht zu unterschiedlichen Ethiken führen.

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Sechs theoretische Vorschlägezur Konfliktlösung

Hierarchisierung der NormenBegrenzung der Geltung von MoralenSonder-/BerufskodizesUniversalisierung moralischer Sätzeempirische Analyse der Motive und FunktionsablaufeSynchronisation der Berufs- bzw. Sonderethik

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Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick

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1. Hierachisierung der Normen

top-down-VerfahrenKlassischer Ansatz

Je nach Blickwinkel stehen unterschiedliche Normen an der Spitze der Hierarchie:

Allgemeine Moral: „Du sollst nicht lügen“Berufsnorm: „Stell‘ Öffentlichkeit her!“Systemnorm Marktwirtschaft: „Sorg‘ für die größtmögliche Reichweite/Quote!“

Problem: autokratische Normenbegründung

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Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick

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2. Begrenzung der Geltung von Moralen

regionale, zeitliche, strukturelle BegrenzungenLiberaler Ansatz

BeispieleAufmerksamkeit ist das Höchste (und was ist mit der Menschenwürde?)Voyeurismus ist legitim (und wie steht es um Privatsphäre?)Das „Normale“ bestimmt die Moral (aber das Amoralische wandelt sich)

Problem: Grenzziehungen können sehr willkürlich sein.

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Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick

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3. Sonder- und Berufskodizes

wie in Medizin, Recht, Kirche, Medienindustriegesellschaftlicher Ansatz

Beispiele:Ich habe das Leben zu schützen bzw. zu verlängern (und Thema Sterbehilfe?)Ich darf andere täuschen (Recherche)

Problem: Kollisionen zwischen allgemeiner Moral und Berufsmoral schaffen Legitimationsprobleme.

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4. Universalisierung moralischer Sätzeund Interessen

Ansätze für Globalisierung und Zivilgesellschaft

Beispiele:Menschenwürde (Oder doch zuerst die Grundbedürfnisse?) Unversehrtheit (Wer/was macht krank?) Rechte auf Persönlichkeitsentfaltung (Aber was ist, wenn man sie nicht entfalten will?)

Problem: Verallgemeinerung von Werten geht nur um den Preis ihrer Abstraktion.

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Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick

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5. Empirische Analyse der Motiveund Funktionsabläufe

bottom-up-Verfahrenangelsächsische Tradition

Beispiele:Folgenhaftigkeit des Handelns Fallbezogene Konfliktentscheidungen

Problem: Wie begründet man, dass die Normen allgemein gelten sollen?

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Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick

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6. Synchronisation der Berufsethik

auf dem Boden der Grundwerte durch Situationsanalyse Ansätze für werteplurale, komplexe Zivilgesellschaften

Beispiele aus dem redaktionellen Entscheidungshandeln:

Aktualität – Wahrheit/VollständigkeitÖffentlichkeit – PersönlichkeitsschutzMarketing für redaktionelle Themen

Problem: Aufwändiges, anspruchsvolles Verfahren, das hohe Professionalität verlangt.

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Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick

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Also: Was tun bei Konflikten?

Generell:KonfligierendeNormensysteme genau kennenSich Geltungsgründe bewusst machen

Situativ:Normenkonflikt erkennenSituation analysierenHandlungsspielräume erfassen

Es gibt kein ethisches Patentrezept!

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Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick

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Die Analyseebenen…

1. Die Makroebene - Die Organisation der Gesellschaft: Werte, Normen, Rechtssystem

2. Die Mesoebene - Die Organisation der Medien: Ökonomie des Mediensystems und Funktionen des Medienhandelns als Beruf

3. Die Mikroebene - Handlungsweisen des Medienakteurs: individuelles Berufshandeln

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Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick

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…und der übliche Kollisonsverlauf

1. Die Makroebene - Die Organisation der Gesellschaft: Werte, Normen, Rechtssystem

2. Die Mesoebene - Die Organisation der Medien: Ökonomie des Mediensystems und Funktionen des Medienhandelns als Beruf

3. Die Mikroebene - Handlungsweisen des Medienakteurs: individuelles Berufshandeln

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Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick

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Makroebene

Der Analyseansatz

Die Kultur (ihre Geschichte, ihre Mentalitäten, ihre Wertemuster) bestimmt die Geltungsgründe der Moral

Die mit der demokratischen Ordnung verbundenen Erfordernisse

(Gewährleistungen)

MesoebeneDie Imperative der Ökonomie (Markt und Wettbewerbsgesellschaft)

MesoebeneAn Medienkommunikation gebundene Merkmale und

Erfordernisse

Medienakteur

Mikroebene

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Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick

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Die nächsten Vorlesungstermine

5.5. Begründungen der Medienethik19.5. Makro-Ebene:

Gesellschaftliche ErwartungenRechtlicher Rahmen

2.6. Meso-Ebene:Organisatorische RahmenbedingungenÖkonomische Imperative

16.6. Mikro-Ebene:Handeln und Entscheiden unter Medienzwängen

30.6. Medienethische Reformbedarfe

im Juli Klausur

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Kommunikationsethik II

Vorlesung mit ÜbungenBachelor-Studiengang Kommunikationswissenschaft

Dr. Carsten Brosda

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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick

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Rückblick: Wo stehen wir?

Themen der letzten SitzungWieso Medienethik?Spannungsfelder zwischen unterschiedlichen NormsystemenBeispiele für argumentative Abwägung

Offen geblieben ist die Frage nach den Begründungen unterschiedlicher Ethiken

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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick

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Um welche Fragen geht es heute?

Vorlesung: Wie werden ethische Anforderungen begründet?

TugendenWerteZweckeDiskurseFunktionen

Gruppenarbeit: Wie lassen sich die klassischen Ethik-Konzepte auf die Medien übertragen?Abschluss: Welche Medienethik-Perspektiven gibt es?

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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick

Begründungsfragen

Ethik richtet sich auf moralisches Handeln

Deskriptive Ethik: Eingrenzung und ExplikationNormative Ethik: Erörterung der fundamentalen Begründungsfragen

Begründung oder Rechtfertigung von Moral kein rein philosophisches, sondern Alltags-Problem

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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick

Wie entsteht eine Pflicht zur Begründung? – Ein Beispiel

[nach Norbert Hoerster 1976]

A will sich von seiner Frau scheiden lassen, um seine Sekretärin zu heiratenB hält das für moralisch falsch und macht A deswegen VorhaltungenA fragt nach Gründen für die moralische Verurteilung

B könnte folgende Begründungen ins Feld führen:

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Grund 1: Der Wille Gottes

„Wenn Du Dich scheiden lässt, versündigst Du Dich; nach dem Willen Gottes darf eine gültig geschlossene Ehe zu Lebzeiten der Ehepartner nicht aufgelöst werden.“

Religiöse Begründung

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Grund 2: Das Versprechen

„Du hast Deiner Frau durch die Eheschließung in bindender und feierlicher Form versprochen, zeitlich unbegrenzt mit ihr zu leben. Ein solches Versprechen darf man nicht brechen, nur weil man jemanden kennen gelernt hat, den man attraktiver findet.“

DeontologischeBegründung

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Grund 3: Der allgemeine Nutzen

„Das Unglück, das Du durch eine Scheidung über Deine Frau und Deine Kinder brächtest, würde das Glück, das Du in Deinem Alter noch für Dich und Deine neue Frau erwarten könntest, weit überwiegen. Man darf sein eigenes Glück nicht auf Kosten anderer verfolgen.“

Utilitaristische Begründung

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Grund 4: Die eigenen Interessen

„Auf die Dauer gesehen würdest Du Dir in Deiner Situation mit einer Scheidung und einer Wiederheirat nur schaden. Man sollte nie etwas tun, wodurch man auf lange Sicht die eigenen Interessen verletzt.“

Egoistische Begründung

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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick

Debatte beginnt, wenn die Geltung der Gründe bestritten wird

Immer zwei AspekteBegründung eines moralischen PrinzipsBehauptung, dass kritisiertes Handeln unter das Prinzip fällt

A kann……bestreiten, dass die Norm sein Handeln betrifft.…die Norm anzweifeln.

Zweite Option ist Grundlage einer ethischen Debatte, in der Gründe für und wider die Geltung einer Norm diskutiert werden.

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Gängige Wege der Moralbegründung

Tugenden (Aristoteles, Platon)Deontologie (Kant)Utilitarismus (Bentham, Mill)Gesinnung vs. Verantwortung (Weber)Gerechtigkeit (Rawls)Verantwortung (Jonas)Diskurse (Habermas) Funktionen (Luhmann)Begründende Selbstreferenz (Konstruktivismus)

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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick

Platon: Idee des Guten als Ursprung aller Tugenden

Ethik ist eine praxisorientierende Theorie

Tugenden im Zentrum

Ein Leben gemäß der Tugenden ist Voraussetzung dafür, Glück zu erreichen

Tugenden richten sich nicht gegen falsche Neigungen, sondern sollen die richtigen wecken.

Platon, 427-347 v. Chr.

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Die Kardinaltugenden

Gerechtigkeit(als koordinierende Tugend)

ErwerbtreibendeSelbstzuchtBegehren

KriegerTapferkeitMut

PhilosophenkönigeEinsichtErkennen

StaatsaufbauTugend„Seelenbestandteil“

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Aristoteles: Politisch-sittliche Existenz

Kritik an der Ideenlehre PlatonsIdeen sind Teil der „Gesamtheit der Erscheinungen“Empirischer AnsatzTugenden werden gelehrt bzw. eingeübt

Praxis zielt auf Glück (eudaimonia)

Vier Strategien, Glück zu erreichenGenussausrichtungGelderwerbPolitisch-sittliche ExistenzTheoretische Existenz

Aristoteles384 -322 v. Chr.

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Tugenden einüben

Verstandesmäßige Tugendenwie Weisheit, Klugheit, Auffassungsgabesind das Ergebnis von Belehrung

Ethische Tugendenwie Großzügigkeit, Besonnenheit, Tapferkeitsind das Ergebnis der Gewöhnung und Einübung.

Klugheit (sittliche Einsicht) ermöglicht, die sittliche Grundausrichtung situationsgerecht zu konkretisieren.

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Das Maß der Mitte als Maßstab

„Mesótes-Lehre“ nach AristotelesReflektieren von Extrempositionen, und gefühlte Identitätsbalance.

Beispiele:Mitte von Furcht und Tollkühnheit

TapferkeitMitte von Wolllust und Stumpfheit

MäßigungMitte von Verschwendung und Geiz

Großzügigkeit

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Kant: Vom Wert der Handlung an sich

Nicht mehr gutes Leben, sondern gutes Handeln im Mittelpunkt

Zentrale AnnahmenMenschen sind vernunftbegabt Menschen haben einen freien Willen

Guten Willen formulieren und seine Umsetzung ermöglichen

universelle Grundlage des Gutennicht Interessen, sondern aus Pflicht gespeistfür sich genommen bereits moralisch wertvoll

Immanuel Kant,1724-1804

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Suche nach der Maxime des Handelns

Moralische GesetzeSubjekt wird selber zum GesetzgeberMoral ist nicht heteronom, sondern autonomMaximen wie der kategorische Imperativ leiten HandelnHandlungsgründe sollen universell gelten und sind deshalb notwendig abstraktBewertung danach, ob eine Handlung von einer bestimmten inneren Beschaffenheit ist

„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“

(aus: „Kritik der praktischen Vernunft“, 1788)

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Pflichten sind wichtig

Vier Typen von PflichtenPflicht gegen sich selbstPflicht gegen andereVollkommene Pflicht (Verstoß nicht denkmöglich)Unvollkommene Pflicht (Verstoß denkmöglich, widersprüchlich)

Deontologische Pflichtethik

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Bentham & Mill: Vom Nutzen der Dinge

Utilitaristische EthikNutzen einer Handlung für die AllgemeinheitZiel: Maximierung des allgemeinen Glücks

Drei BegründungenWerttheorieAggregation individuellen Wohlergehens Konsequentialistische Auslegung

Teleologische (zielorientierte) Ethik

Jeremy Bentham1748-1832

John Stuart Mill,1806-1873

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Probleme des Utilitarismus

Handlungskonsequenzen nur schwer abschätzbar -„Gefangenendilemma“.Nutzenmaximierung bedeutet noch keine gerechte NutzenverteilungMoralische Rechte wie Menschenrechte nicht begründbarVergangene Vereinbarungen kein Maßstab

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Weber: Gesinnung oder Verantwortung?

Gesinnungsethik beurteilt allein die Intention des Handelns.

Verantwortungsethik beurteilt auchden Zweck der Handlung im Lichte der empirischen Umstände.

Weber: „abgrundtiefer Gegensatz“

Aber: Verantwortungsethik ist keine reine Folgenethik, sondern berücksichtigt auch Handlungspflichten

Max Weber,1864-1920

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Rawls: Ein Vertrag über Gerechtigkeit

Gerechtigkeit als Fairness

Grundsätze nach RawlsGrundfreiheiten so umfangreich wie sozial verträglich möglichUngleichheiten müssen wenig Begünstigten die bestmöglichen Aussichten bieten

Wahl dieser Grundsätze erfolgt im Urzustand

John Rawls1921-2002

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Faire Entscheidungssituation als Gedankenexperiment

„Urzustand“ heißt „Schleier des Nicht-Wissens“über späteren gesellschaftlichen Status

Konsequenz:

Jeder wird eine Gesellschaft wählen, in der auch der schlechteste Platz akzeptabel ist

Vertragstheorie plus Spieltheorie („Maximin-Regel“)

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Jonas: Das Prinzip Verantwortung

Das Gute ist „objektiv“ im Sein bestimmt

Ökologischer Imperativ„Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“

Ähnlich schon Albert Schweitzer:„Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“

Hans Jonas1903-1993

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Habermas: Ethik im Diskurs

Ziel: argumentativer Konsens über Normen

Diskursethik besagt, „[…] daß nur die Normen Geltung beanspruchen dürfen, die die Zustimmung aller Betroffenen als Teilnehmer eines praktischen Diskurses finden (oder finden könnten)“.

Prozedurale Moraltheoriedeontologischkognitivistischformalistischuniversalistisch

Jürgen Habermas* 1929

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Regeln für Diskurse

Abstinenz zu inhaltlichen KlärungenMoralphilosophie beschreibt die ProzedurenKonkrete Fragen werden von den Betroffenen diskutiert

Fokus auf DiskursregelnWiderspruchsfreiheit und Konsistenz Wahrhaftigkeit und ArgumentativitätFairness

Institutionelle Vorkehrungen für Diskurse

Keine Letztbegründung, sondern Plausibilität der Geltung der Regeln

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Luhmann: Ethik ist gescheitert

Akademische Ethik ist gescheitert („paradigm lost)Ethik kann Moral nicht begründen, sondern findet sie vorMoral soll mit moralfreien Begriffen erfasst werden – z.B. als Komplexitätsreduktion

„Die Gesamtheit der faktisch praktizierten Bedingungen wechselseitiger Achtung und Missachtung macht die Moral einer Gesellschaft aus.“

Niklas Luhmann1927-1998

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Ironie als ethische Chance

Moral neigt zum Enthusiasmus.Für eine enthusiastische Moral gibt es keine Ethik.

Ethik ist in Moral verwickelt: Betroffensein und Mitleiden einerseitsironische Distanz andererseits.

Nur in ironischer Distanz ist Reflexion der Moral möglich

Moralischen Enthusiasmus vermeidenProblemidentifikation ermöglichen

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Konstruktivistische Ethik

Frage nach der Verantwortung des „Beobachters“ bzw. des „Konstruierenden“

Soziologisch: Zweckrationale Dimensionmit Blick auf das Handeln in Systemen und in der Interaktion kognitiver Systeme Frage nach der Brauchbarkeit der Konstruktion

Erkenntnistheoretisch:Wertrationale Dimension

mit Blick auf das handelnde Individuum volle Verantwortung und Begründungsfähigkeit

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Verantwortung des „Konstruierenden“

Fünf ethische Prinzipien (Baum/Scholl 2000)

ethische Reflexivität gegenüber den eigenen Konstruktionen und ihren Wirkungen auf andereVerantwortungsakzeptanz für die Konstruktion als Folge der Autonomie des Konstruierenden Verlässlichkeit der Konstruktionen Toleranz gegenüber der Vielzahl möglicher Konstruktionen Begründungspflicht für die jeweils eigene Konstruktion

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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick

Statt einer Zusammenfassung:Ein Moralphilosoph, der etwas taugt,…

…predigt nicht Moral, sondern analysiert sie.…ist ein Spezialist dafür, moralische Überzeugungen explizit zu formulieren.…ist darauf trainiert, moralische Dissense zu strukturieren.…wird unangenehm, wenn in die Kiste schmutziger Tricks gegriffen wird:

Immunisierungsstrategien,moralische Diskreditierung Andersdenkender, Zuständigkeitsanmaßen

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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick

Statt einer Zusammenfassung:Ein Moralphilosoph, der etwas taugt,…

…weiß, dass es in moralischen Kontexten Fragenverbote und Reflexionstabus gibt, aber er akzeptiert sie nicht.…geht nicht davon aus, dass die motivierende Kraft moralischer Überzeugungen allzu groß ist.…weiß, dass zur Klärung moralischer Fragen auch Sachverstand aus anderen Disziplinen herangetragen werden muss.

(Rainer Hegselmann)

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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick

…und jetzt

PAUSE!PAUSE!

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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick

Gruppenarbeit

Begründungsmuster müssen von Ideal- auf Praxisebene konkretisiert werden.

Gruppendiskussion zuTugendethikDeontologische EthikUtilitarismusVertragsmodellenDiskursethik

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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick

Leitfragen für Gruppenarbeit

Inwiefern lassen sich die Überlegungen des jeweiligen Ansatzes übertragen?…auf einzelne Bereiche

JournalismusPRWerbungFiktionale AngeboteSpielshows

…auf welcher EbeneIndividuenInstitutionenPublikum

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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick

Wie geht‘s weiter?

20 Minuten Gruppendiskussion

5 Minuten Präsentation je Gruppe

Diskussion

Ausblick

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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick

Tugenden in der Medienethik

Normativ-ontologische Ansätze

Ausführliche Tugendkataloge(z.B. von Emil Dovifat 1962)

Idee der Mäßigungberufliche Tugend des Journalismus (Boventer)angemessener Medienkonsum (Lübbe)

Heute kaum mehr zeitgemäß!

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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick

Deontologie in der Medienethik

Handlungsprinzipien, die „gutes“mediales Handeln anleiten können, sind im ethischen Diskurs weit verbreitet.

Berufliche Kodizes (Pressekodex, PR, Werbung) sind häufig in deontologischer Sprache verfasst.

In Frankreich heißt die journalistische Berufsethik sogar „Déontologie“

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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick

Utilitarismus in der Medienethik

Medienethische Ansätze greifen v.a. die Folgenbewertung auf, ohne umfassend utilitaristisch zu argumentieren.

Folgen medialen Handelns sind schwer abzuschätzen

AusdifferenziertheitVermittlungunsichere Wirkungshypothesen

Eher individuell - Utilitarismus lässt sich kaum in allgemeine Gebote fassen

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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick

Gesinnung vs. Verantwortung in der Medienethik

Beliebte kommunikationswissenschaftliche Unterscheidung mit Weberschen Begriffen

Journalismus (gesinnungsethisch – Herstellen von Öffentlichkeit)Politik oder PR (verantwortungsethisch – Zwecke).

Aber: Diese Interpretation ist unzulänglichDeontologische Ethik ist nicht gleich Gesinnungsethik Journalisten haben eigene Handlungsziele Journalismus muss sich auch für Folgen rechtfertigenMaxime und Folgen kollidieren heftig im Journalismus

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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick

Verträge in der Medienethik

Rawlssche Theorie ist relevant für die Begründung einer demokratischen Medienordnung und ihre Institutionen.

Vertragstheoretische Überlegungen spielen bei der Formulierung von Kodizes etc. eine Rolle

Gedankenexperiment des „Schleiers des Nichtwissens“ ist eine wertvolle Entscheidungsheuristik

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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick

Diskurse in der Medienethik

Formal: Ethik für Diskurse über EthikVerfahren zur Klärung berufsethischer FragenSelbststeuerung über ethische DiskurseAnleitung für berufliche Debatten über Ethik

Aber auch materiell: Ethik medialer DiskursePrüfung der Akzeptabilität von Geltungsansprüchenreflexive Vermittlung; Einhaltung der Diskursregeln gesellschaftliche Teilhabe

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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick

Systeme in der Medienethik

Starker Kontrapunkt zum normativen Individualismus

System- und Rollenerwartungen thematisieren

Individualethik muss um Professions-und Institutionenethik ergänzt werden.

Bietet wenig Handlungsanleitung

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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick

Konstruktivismus in der Medienethik

Erkenntnistheoretischer Schwerpunkt

Ertrag der Reformulierung des individualethischen Verantwortungsbegriffs offen

Probleme:Möglichkeit intersubjektiverVereinbarungen bleibt unklarGefahr der Beliebigkeit

Aber auch:Chance der individualethischen Ansprache

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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick

Nicht nur eine Frage der Perspektive...

Medienethik ist keine Frage einer bestimmten theoretischen Ausrichtung

Selbst „amoralische“ Theorien denken über Ethik nachIdeologiebildung hat keinen ZweckDen einen Begründungsrahmen gibt es nicht

Medienethische Konzepte……beziehen meist Handlungsmaxime und Handlungsfolgenaufeinander – und untersuchen Kollisionen.…sind heute eher formal als materiell angelegt, d.h. sie beraten eher die Praxis, als dass sie sie anweisen.…differenzieren zwischen Individuum, Institution, System etc.

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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick

Geltungsgründe in der Empirie

Ab jetzt geht es um diese verschiedenen Ebenen der Geltung ethischer Überlegungen

Wechsel von der normativen zur deskriptiven Ethik (Explikation und Eingrenzung)

Beim nächsten Mal: Die Makro-Ebeneder gesellschaftlichen Erwartungen unddes rechtlichen Rahmens

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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick

Die nächsten Vorlesungstermine

19.5. Makro-Ebene:Gesellschaftliche ErwartungenRechtlicher Rahmen

2.6. Meso-Ebene:Organisatorische RahmenbedingungenÖkonomische Imperative

16.6. Mikro-Ebene:Handeln und Entscheiden unter Medienzwängen

30.6. Medienethische Reformbedarfe

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Kommunikationsethik III

- Die Makro-Ebene

Vorlesung mit ÜbungenBachelor-Studiengang Kommunikationswissenschaft

Dr. Carsten Brosda

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Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick

Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 2

Rückblick: Wo stehen wir?

Themen der letzten SitzungenWarum ist eine Kommunikations-und Medienethik relevant?Wie können ethische Aussagen begründet werden?Welche Spannungsfelder bestehen zwischen unterschiedlichen ethischen Ansprüchen?

Jetzt kann der Einstieg in die Analyse der verschiedenen Ebenen beginnen.

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Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick

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Makro-Perspektive

MesoebeneDie Imperative der Ökonomie (Markt und Wettbewerbsgesellschaft)

MesoebeneAn Medienkommunikation gebundene Merkmale und

Erfordernisse

Medienakteur

Mikroebene

[von Michael Haller übernommen]

Die mit der gesellschaftlichen,

demokratischen Ordnung

verbundenen Erfordernisse

Makroebene

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Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick

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Um welche Fragen geht es heute?

Vorlesung: Welche kulturellen und gesellschaftlichen Anforderungen und Begrenzungen formulieren wir für Medienkommunikation?

ÖffentlichkeitskonzepteMenschenrechte, GrundgesetzBVerfGE, Rundfunkstaatsverträge, Landespressegesetze

Gruppenarbeit: Diskussion aktueller FallbeispieleAbschluss: Wie lassen sich die Normen der Makroebene operationalisieren?

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Einige Literaturhinweise

Zum Thema Öffentlichkeit u.a.Habermas, Jürgen (1990): Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchung zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Frankfurt am Main. (Neuauflage mit aktualisierendem Vorwort)Gerhards, Jürgen (1997): Diskursive versus liberale Öffentlichkeit. In: KZfSS, Heft 1/1997, 49. Jg., S. 1-34.Imhof, Kurt (2003): Der normative Horizont der Freiheit. „Deliberation“und „Öffentlichkeit“: zwei zentrale Begriffe der Kommunikationswissen-schaft. In: Publizistik Sonderheft 4/2003, S. 25-57.Pöttker, Horst (Hrsg.) (2000): Öffentlichkeit als gesellschaftlicher Auftrag. Klassiker der Sozialwissenschaft über Journalismus und Medien. Konstanz.

Zum Thema Medienrecht u.a.Branahl, Udo (1996): Medienrecht. Eine Einführung. 2., überarbeitete Auflage. Opladen. [mittl. 5., vollständig überarbeitete Auflage 2006] Berg, Klaus / Kohl, Helmut / Kübler, Friedrich (Hrsg.) (1992): Medienrechtliche Entscheidungen. Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Presse- und Rundfunkrecht. Konstanz.

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Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick

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Zwei Perspektiven

Systematisch

Wie wird Öffentlichkeit heutzutage gewährleistet?Grundgesetz und Urteile des BundesverfassungsgerichtsLandespressegesetze und Rundfunkstaatsverträge

Historisch

Wie ist Öffentlichkeit entstanden?

Welche idealtypischen normativen Erwartungen sind

mit ihr verknüpft?

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Herausforderungen der Moderne

WirtschaftlichErhöhter InformationsbedarfGewerbefreiheit ermöglicht ‚Handel‘ mit Informationen

PolitischAbstraktion des Staates vom Herrscher - VermittlungsinstanzWachsendes bürgerliches Selbstbewusstsein

KulturellBuchdruck schafft SchriftkulturLegitimationsverlust kirchlicher oder monarchischer Interpretationdynamisches Gesellschaftsverständnis

Verkehr und TechnikVerbesserte Reproduktionsbedingungen Verbesserte Verbreitungsbedingungen

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Herstellung von Öffentlichkeit nötig

Reaktion auf Differenzierung und SegmentierungWeniger individuelles Erfahrungswissen

Geschwächter Blick für gesamtgesellschaftliche ProblemeSchwindende Kompetenz, allgemein verbindliche Entscheidungen zu treffen

Es braucht eine Sphäre, in der Orientierung und Gemeinsamkeit entstehen.

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Idealtypus bürgerliche Öffentlichkeit

Räsonnement statt MachtdemonstrationSphäre zur Diskussion allgemeiner AngelegenheitenZunächst: Literatur – dann Politik(rechtliche) Gewährleistung privater SchutzräumePrinzipiell unabgeschlossenes PublikumTeilnehmerkreis: Bürgerliche ‚Klasse‘ – Bildung und BesitzEntscheidungen anhand argumentativer Qualität

Ideal: Unbeschränkte Kommunikation als Grundlage von Demokratisierung Faktisch nie verwirklicht,aber Idee zeigt Wirkung

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Enorme normative Bedeutung

konzeptionelle Einlösung der bislang abstrakten Beteiligungs-rechte aufgeklärter Bürger

Arkanbereiche werden öffentlich begründungsbedürftig

Idee der Öffentlichkeit dringt regulativ auf ihre Umsetzung

Streben nach Meinungs- und PressefreiheitKritik und Kontrolle der Staatsmacht

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Öffentlichkeit wird zum gesellschaftlichen Strukturprinzip

kommunikative Verflüssigung von Macht- und Herrschaftsansprüchenargumentationsgestützte Revision gesellschaftlich-politischer Entscheidungenrationale Begründung gesellschaftlicher Prinzipien des ZusammenlebensBewährung von Traditionen im Räsonnement aller BetroffenenMeinungsfreiheit und Kunstfreiheit

Makro-Normeneiner Ethik der Öffentlichkeit

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Strukturwandel der Öffentlichkeit

Formale Relevanz von Öffentlichkeit als Legitimationsressource im demokratisch-politischen Prozess steigt

Sicherung der formalen Funktionsfähigkeit von Öffentlichkeit

durch Verrechtlichungdurch Etablierung von Massenmedien

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Verrechtlichung von Öffentlichkeit

positiv formulierte staatsbürgerliche Partizipationsrechteinstitutionelle und verfassungsrechtliche Garantien

Öffentlichkeit wird zu einer Institution im Zentrum des demokratischen Prozesses.Sie vermittelt zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen.

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Etablierung von Massenmedien

Gesellschaftliche Bedeutungmaterielle Grundlage öffentlicher Kommunikationinstitutionelle Gewährleistung von Öffentlichkeit

Politische Bedeutungintermediäres System„Resonanzboden für externe Themen, Informationen oder Meinungen“ (Otfried Jarren)

Volkswirtschaftliche BedeutungVoraussetzung einer hochgradig differenzierten und anpassungsfähigen Wirtschaft‚Informationstransport‘ aller Art

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Folgen des Strukturwandels

Öffentlichkeit wird zweiseitig begehbarUrsprünglicher Zugang: Lebensweltliche KommunikationJetzt auch: Zugriff durch Staats- und Wirtschaftsakteure

Gefahr einer normativen Entleerung durch Funktionalisierung

Die Qualität ihrer rechtlichen Sicherung wird zur zentralen ethisch-politischen Aufgabe!

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Debatte über das „richtige“Öffentlichkeitsmodell

Liberale ÖffentlichkeitsmodelleMarktverständnis öffentlicher KommunikationPrinzip eines freien Gedanken- und Meinungsaustauschs zentrale Anforderung: Zugangsoffenheit.

Deliberative ÖffentlichkeitsmodelleGleiche Teilnahme- und ArtikulationsmöglichkeitenSelbstaufklärung der Beteiligten‘, LernfähigkeitRationalerer Output durch Begründungspflichten

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Es geht um die Ausgestaltung

Wichtig: Umstritten ist nicht, dass Öffentlichkeit gebraucht wird, sondern nur, was von ihr erwartet wird!

Die Unterschiede in den Konzepten haben Auswirkungen auf die abgeleiteten Normen.Die wichtigsten Makro-Normen sind die rechtlichen Rahmenbedingungen.

Daher: Wechsel zur systematischen Analyse

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Meinungsfreiheit ist ein Menschenrecht

Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948

„Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“

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Präzisierung notwendig

Ähnliche Aussagen in:Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten des EuroparatesErklärung zum Weltethos des Parlaments der Weltreligionen Allgemeinen Erklärung der Menschenpflichten

Aber: Menschenrechte müssen in einklagbare Grundrechte übersetzt werden

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Grundrechte formulieren Werte und Ansprüche

Konkretisierung und Ergänzung der Menschenrechteunmittelbare Geltung - für den Staat bindendNicht nur

klassische Grundrechte / Abwehrrechtesondern auch

soziale Leistungsrechteinstitutionelle GarantienMitwirkungsrechte

Kollisionen zwischen verschiedenen Grundrechten verlangen Abwägung und Entscheidung

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Meinungsfreiheit im Grundgesetz

Artikel 5

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

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Folgerungen aus Artikel 5 GG?

MeinungsfreiheitInformationsfreiheitMedienfreiheitZensurverbot

auchGrundrechtsschranken

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Meinungsfreiheit

bezieht sich auf das Äußern und Verbreiten der eigenen Meinung oder von Informationenumfassende Rede- und MitteilungsfreiheitSchutz umfasst jede denkbare Form – aber es gibt eine bedeutende Unterscheidung

Unwahre Tatsachenbehauptungen sind nicht verboten (Ausnahme: „Ausschwitzlüge“), aber nicht geschützt. Sie müssen im Streitfall gerichtlich beweisbar sein.Wertende Stellungnahmen umfassend geschützt unabhängig davon, ob sie „wertvoll“ oder „wertlos“, „richtig“oder „falsch“, emotional oder rational sind.

Auch Kunst ist geschützt.

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Informationsfreiheit

Recht, sich ungehindert aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren

Allgemein zugänglich sind Quellen, aus denen ein individuell nicht bestimmbarer Personenkreis schöpfen kanninsbesondere auch ausländische Quellen

Auf individueller Ebene komplementär zu Meinungsfreiheit

Meinungs- und Informationsfreiheit wurden als individuelle Abwehrrechte etabliertMeinungsfreiheit ist mittlerweile ein etabliertes Teilhaberecht, Informationsfreiheit zunehmend auch (Beispiel: Informationsfreiheitsgesetz)

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Medienfreiheit

„Öffentliche Aufgabe“ der MedienMassenmedien sind „Medium“ und „Faktor“ im Prozess der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung (BVerfG zu Rundfunk)staatsunabhängig organisierter Meinungsmarkt, der die gesellschaftliche Vielfalt widerspiegelt Vielfaltspostulat bezogen auf das Gesamtangebot der Berichterstattung

Außenpluralität (verschiedene Anbieter)Binnenpluralität (medieninterne Vielfalt)

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Medienfreiheit: Presse

„Eine freie Presse ist für die freiheitliche Demokratie schlechthin konstitutiv“

(BVerGE 1958 ff.)

Schutz umfasst den gesamten Herstellungsprozess (Rechte für alle Mitarbeiter)Pressetätigkeit darf nicht von staatlicher Zulassung abhängig seinKeine Standesgerichtsbarkeit

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Medienfreiheit: Rundfunk

Schutz umfasst gesamte Programmgestaltungöffentlich-rechtliche Anstalten: binnenpluralistischer Ansatzprivate Sender: unterschiedliche Modelle des PluralismusBindung an Programmgrundsätze, die vom Aufsichtsrat (öffentlich-rechtlich) bzw. von LMA (privat) kontrolliert werden

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Zensurverbot

Staatliche Maßnahmen, durch die die Herstellung oder Verbreitung eines Geisteswerks von behördlicher Vorprüfung und Genehmigung seines Inhalts abhängig gemacht wird sind verboten

Es darf kein Veröffentlichungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt geben!

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Grundrechtschranken

Normkollisionen zwischen Meinungsfreiheit und anderen Grundrechten möglich

Schutz der persönlichen EhreÜble Nachrede und Verleumdung (Tatsachenbehauptungen)Schmähkritik (Meinungsurteile)

Schutz der PersönlichkeitsrechteSchutz der JugendSchutz von UnternehmenSchutz des StaatesSchutz des öffentlichen Friedens

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Kollision mit unsicherem Ausgang

Normen können Meinungsfreiheit begrenzenz.T. klare gesetzliche Schranken (falsche Tatsachen)z.T. Güterabwägung (Berichte aus der Privatsphäre)

Öffentliches Interesse ausschlaggebendOft: Grundrechtsschutz für die MeinungsfreiheitAber: Es bleibt ein ungeregeltes „Niemandsland“.Und: Manche Grundrechtsschranken wiegen auch aus kultureller Tradition schwer

Medienakteure müssen auch selbst abwägen, ob sie höherrangige andere Rechte verletzen.

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Grundgedanken des Medienrechts

Öffentliche Aufgabe der Medien und insbesondere des Journalismus durch Privilegien schützen und stärken (z.B. Informationsrechte)Sorgfaltspflichten – auch ethische relevante Hinweise – formulieren (z.B. Beweislastumkehr; Recherche)Ansprüche der Betroffenen auf faire Behandlung sichern (z.B. Gegendarstellungsrecht)

Landespressegesetze und Rundfunkstaatsvertrag versuchen diese Normen zu synchronisieren

[von Michael Haller übernommen]

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Öffentliche Aufgabe lt. LPGe und RStV

Einerseits:Aus „unabhängiger Sicht“ berichtenzutreffend (wahrhaftig) informierenüber allgemein Wichtiges informieren Beitrag zur Meinungsbildung leistenWürde des Menschen achten (insb. RStV)

normative Funktionszuweisungenberufethische Forderungen

[von Michael Haller übernommen]

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Öffentliche Aufgabe lt. LPGe und RStV

Andererseits keine strafbaren Inhalte publizieren (LPGe)

die „Achtung vor Leben, Freiheit, [...] vor Glauben und Meinung anderer“ wahren (RStV)

Kommentar und Bericht „deutlich trennen“Kennzeichnung „entgeltlicher“ Veröffentlichungen

Ebenfalls normative Zuweisungen

[von Michael Haller übernommen]

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Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 34

Ethikrelevante Rechtsforderungen

Trennung von öffentlicher und privater SphäreUnabhängige Information und Kommentierung als Voraussetzung der OrientierungRespekt vor der Menschenwürde

Voraussetzungen einer funktionierenden Öffentlichkeit (am Beispiel Journalismus)

Aber: Qualität von Öffentlichkeit lässt sich rechtlich nicht abschließend regeln!

z.T, [von Michael Haller übernommen]

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…und jetzt

PAUSE!PAUSE!

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Gruppenarbeit: Fallbeispiele

LeitfragenWo liegt das ethische Problem –auch angesichts der verschiedenen Anspruchssysteme (Sitzung I)?Wie ist der Fall der Erwartungen an Öffentlichkeit zu bewerten?Sind – auf den ersten Blick -rechtliche Probleme erkennbar?

Vorgehen20 Minuten Gruppendiskussion5 Minuten Präsentation je Gruppe

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Darf man das Foto eines toten Mädchens veröffentlichen?

Die BILD veröffentlichte am 5. April 2008 ein Obduktionsfoto eines in Schwerin in der Wohnung ihrer Eltern verhungerten fünfjährigen Mädchens.

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Sind Beleidigungen Pflicht?

Pop-Produzent Dieter Bohlen fällt in der RTL-Sendung „Deutschland sucht den Superstar“regelmäßig durch Ausfälle gegenüber den Kandidaten auf.

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Lässt sich alles ästhetisieren?

Die italienischen Modedesigner „Dolce & Gabbana“haben 2007 u.a. mit diesem Motiv Werbung für ihre Kreationen gemacht.Besonders in Italien und Spanien gab es heftige Kritik.

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Darf man Demonstranten kaufen?

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat im Dezember 2006 bezahlte Hostessen vor dem Reichstag gegen die von der Bundesregierung geplante Gesundheitsreform demonstrieren lassen.

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Rechtfertigt die Konfrontation in einem scharf geführten Wahlkampf alles?

Im hessischen Landtagswahlkampf 2008 hat der Roland Koch (CDU) ein kontroverses Plakat in einer „negative campaigning“-Aktionvorgestellt.

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Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 42

Ist das Private immer öffentlich?

Immer mehr Menschen veröffentlichen private Informationen über sich im Internet……und wundern sich, wenn Dritte davon Gebrauch machen.

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Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 43

Darf man Witze über Nazis machen?

Im Herbst 2007 präsentieren Harald Schmidt und Oliver Pocher in ihrer ARD-Sendung ein Gerät namens „Nazometer“, das bei historisch „sensiblen“Begriffen Alarm schlägt.Die viel kritisierte Satire war Thema in den ARD-Programmgremien.

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Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 44

Wie stellt man ethnischeoder religiöse Gruppen dar?

Am 23. Dezember 2007 hat die ARD einen „Tatort“-Krimi mit dem Titel „Wem Ehre gebührt“ausgestrahlt, in dem es um einen mutmaßlichen Inzest-Fall in einer alevitischen Familie ging. Die Aleviten warfen den „Tatort“-Machern vor, uralte Vorurteile wieder aufleben zu lassen.

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Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick

Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 45

Gesellschaften brauchen Öffentlichkeit

Öffentlichkeit ist weiter eine normative KategorieIhre Gewährleistung verändert sich

Viel-Kanal-Bedingungen (Ausdifferenzierung vs. Marginalisierung)Internet (Zerfaserung vs. Interaktivität)Gesellschaftswandel (veränderte Rezeptionsbedingungen)

Erwartungen bleibenInformation, OrientierungPartizipationRationalisierungauch: Bildung, Unterhaltung

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Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick

Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 46

Verantwortung im Mediensystem

Medienrecht gibt ethisch relevante OrientierungAllgemeine HandlungsmaximenKonkrete Verbote und Grundrechtsschranken

Aber: Abstrakte Rechtsvorschriften reichen nicht –ethische Orientierung erwächst aus Medienhandeln.

Deshalb beim nächsten Mal:

Der Blick auf die Meso-Ebene der Medieninstitutionen und der Selbststeuerung!

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Kommunikationsethik IV

- Die Meso-Ebene

Vorlesung mit ÜbungenBachelor-Studiengang Kommunikationswissenschaft

Dr. Carsten Brosda

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Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick

Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 2

Rückblick: Wo stehen wir?

Themen der letzten SitzungenBegründungskontexte der Kommunikations- und MedienethikNormen auf der Makro-Ebene –Öffentlichkeits-Modelle und rechtliche Vorschriften

Jetzt geht es weiter mit den Spannungsfeldern und Selbstregulierungsversuchen der Meso-Ebene.

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Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick

Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 3

Um welche Fragen geht es heute?

Welche Spannungsfelder existieren auf der institutionellen Ebene des Mediensystems und wie wird damit in den einzelnen Feldern umgegangen?

Mechanismen der ethischen SelbstregulierungProfitorientierung vs. Herstellung von Öffentlichkeit

Was steht in den verschiedenen Medienethik-Kodizes?

Publizistische GrundsätzeDPRG-SelbstverpflichtungWerberatProgramm-Richtlinienetc.

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Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick

Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 4

Makroebene

Der Analyseansatz

Die Kultur (ihre Geschichte, ihre Mentalitäten, ihre Wertemuster) bestimmt die Geltungsgründe der Moral

Die mit der demokratischen Ordnung verbundenen Erfordernisse

(Gewährleistungen)

Medienakteur

Mikroebene

[von Michael Haller übernommen]

Mesoebene

Imperative derÖkonomie (Markt und

Wettbewerb) Medienkommunikation gebundene Merkmale

und Erfordernisse

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Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick

Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 5

Steuerung von Makro zu Meso

Makro-Ebene

=> Rechtliche Steuerung

=> GesellschaftlicheMoral

Meso-Ebene

=> Berufsethische Steuerung

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Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick

Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 6

Presse- oder Gewerbefreiheit?

Pressefreiheit Gewerbefreiheit

Freiheit von Zensur – Orientierung auf Öffentlichkeit„Jedermannsrecht“vorwiegend individualrechtlich

Eigentumsfreiheit –Orientierung auf ÖkonomieFreiheit der Medienbetriebestrukturrelevante Regulierung

Starke Wechselwirkungen

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Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick

Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 7

(1) Meinungsfreiheit vs. Arbeitnehmerpflichten

Medienschaffende

Recht auf freieMeinungsäußerung

Pflichten als Arbeit-oder Auftragnehmer

Artikel 5 GG z.B. ArbeitsrechtPressefreiheitPressefreiheit GewerbefreiheitGewerbefreiheit

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Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick

Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 8

(2) Öffentlichkeit vs. Markt

Medienprodukte

diskursfähigmeritorisch

marktfähigwerberelevant

Öffentlichkeit MarktPressefreiheitPressefreiheit GewerbefreiheitGewerbefreiheit

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Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick

Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 9

Medienprodukte sind „Kuppelprodukte“

Koppelung von immateriellen Inhalten und materieller Form => VerkaufbarkeitErfolg auf Zuschauermarkt und Werbemarkt angestrebtPublizistisch-redaktioneller Teil

Primär auf Lesermarkt gerichtetÖffentliches und meritorisches Gutnicht marktfähig

WerbeteilPrimär auf den Werbemarkt gerichtetPrivates und nicht meritorisches Gutvoll marktfähig

Querfinanzierung:Werbeerlöse ermöglichen redaktionelle Inhalte

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Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick

Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 10

Konsequenz der Kuppelung

Quote /Auflage

Budget

Inhalt

Notwendige Ressourcen für „gute“Medienprodukte sind in einem marktgesteuerten Mediensystem nur bei Erfolg (auf beiden Märkten) vorhanden

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Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 11

(3) Publizistik vs. Ökonomie

Medienbetrieb

Kommunikative Qualität

ÖkonomischerProfit

Publizistische Ziele Ökonomische ZielePressefreiheitPressefreiheit GewerbefreiheitGewerbefreiheit

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Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick

Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 12

Medien als Wirtschaftsbetriebe

Zweck eines Medienbetriebs ist (nach Otfried Jarren) die„kostengünstige Her-, Bereitstellung und Distribution von Informations- und Kommunikationsangeboten“Dies geschieht nach ökonomischen Prämissen

Offene AlltagsfragenWer bestimmt, was geschrieben, produziert und gesendet wird?Wer legt die Selektions- und Präsentationskriterien fest?Wer entscheidet über Erfolgsmaßstäbe?

Rein zweckrational utilitaristisch?Oder auch werthaltige Handlungsmaximen?

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Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick

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Handeln im Medienbetrieb

Strukturierung(ermöglichend)

MediatisierungKolonialisierung

(Zwänge)

Medienhandeln

MedienbetriebBerufsrollen / Organisation /

technische Strukturen

Publizistische Programme

Ökonomische Programme

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Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick

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Empirisch: Profitinteresse wird in allen Spannungsfeldern wichtiger

Bedeutung der ökonomischen Programme im Medienbetrieb wächst

Verschärfter Wettbewerb als zunehmend dominierendes Steuerungsprinzip

Das heißt: Ökonomisierung…der Entscheidungsprämissen…der Entscheidungsprogramme…der Ressourcenallokation…des Angebots (nach Klaus-Dieter Altmeppen)

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Gesucht: Eindämmungsstrategien

Unterschiedliche Blickwinkel in der PraxisMedienakteure (Journalisten, auch Unterhaltungsexperten) klagen über wachsenden Einfluss der Wirtschaftsinteressen.Werbe- und PR-Fachleute sehen Chancen der Medienbeeinflussung

Normative Suche nach einer Stärkung der Öffentlichkeitslogik in den Medien. Möglichkeiten:

Eine auch rechtlich gewährleistete SphärentrennungMechanismen verstärkter ethischer Selbststeuerung (Selbstkontrolle)

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Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick

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Unterschiedliche Mediensphären

ökonomischer Wettbewerb zur Steuerung unangemessenflexible Organisationsstrukturen Organisatorische Stärkung publizistischer Normen(z.B. durch Redaktionsstatute etc.)

Private Gebrauchswert-information

ökonomischer Wettbewerb zur Steuerung angemessenKorrektur von Marktversagen durch Urheberrechts-, Qualitätstransparenz- und Wettbewerbspolitik

„Forumsbereich“

MeritorischeInformation

ÖffentlicheInformation

Medienproduktion

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Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick

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Ethische Selbstkontrolle ist in allen Sphären von Bedeutung

ForumsbereichVerantwortung für MeinungsfreiheitNotwendige Alternative zur staatlichen Regulierung

Selbstkontrolle notwendig

Private GebrauchswerteVerantwortung für GewerbefreiheitMinimierung staatlicher Regulierung

Selbstkontrolle sinnvoll

Beide Bereiche streben nach……Akzeptanz und Vertrauen des Publikums…weitreichender Autonomie

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Freiwillige Medienselbstkontrolle

Gesellschaftliche Leistungsfähigkeit von Öffentlichkeit als regulierendes PrinzipOrientierung auf das GemeinwohlWahrung der Berufsethik nach innenVerteidigung von Medienfreiheiten nach außen

Literaturhinweis:Achim Baum u.a. (Hrsg.): Handbuch Medienselbstkontrolle. Wiesbaden 2005

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Die Maxime der Freiwilligkeit

Abwehr äußererEingriffe

Gewährleistung gesellschaftlicher Leistungen

Öffentliche MoralMedienrecht

Selbstbindung durch berufliche Moral

kodifizierte gesellschaftliche Anforderungen

professionelle Anerkennungrechtliche Vorschriften

InnensteuerungAußensteuerung

SelbstkontrolleFremdkontrolle

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Media Accountability Systems

„An M*A*S is any non-governmental means of inducing media and journalists to respect theethical rules set by theprofession. “

(Claude-Jean Bertrand)

Über 80 derartige M*A*S sind weltweit bekannt

www.media-accountability.org

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Differenzierung von M*A*S

Dokumente (geschrieben, gesendet, online)z.B. Ethik-Kodizes, Korrekturboxen, Leserbriefe

Individuen, Gruppen und Institutionenz.B. Ombudsleute, Media-Watch-Dogs, Medienkritiker

Prozessez.B. Ethik-Ausbildung, Forschung, Zuschauerbeteiligung

M*A*S können sowohl intern, als auch extern oder kooperativ gestaltet sein.

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Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick

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M*A*S-Beispiel: Verbände und Räteder Medienselbstkontrolle

Professionelle Zusammenschlüsse von Akteuren des jeweiligen Medienzweigs

zum Teil inklusive gesellschaftlicher Akteurezum Teil inklusive wirtschaftlicher Akteure

Unterschiedliche Regulierungsmodelle:(I) Freiwillige Selbstkontrolle(II) Regulierte Selbstkontrolle(III) Gesellschaftliche Kontrolle

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(I) Freiwillige Selbstkontrolle

Ziel ist die Bewahrung von Handlungsfreiheitengesetzliche Eingriffe verhindernImage der Branche schärfenProfessionalisierung stärkenVerstöße mit öffentlichen Rügen ahnden („Prangerwirkung “)

Träger: Berufs- oder WirtschaftsverbändeBeispiele

Deutscher PresseratDeutscher WerberatDeutscher Rat für Public Relations

professionelle Anerkennung

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Freiwillige Selbstkontrolle der gedruckten MedienZuständig für redaktionellen Teil der PrintmedienMitglieder des Presserates

journalistische Berufsverbände djv und djuVerlegerverbände BDZV und VDZ

Grundlage: „Publizistische Grundsätze“(erstmals 1973, aktuelle Fassung von 2005)Instrument: Rügen durch BeschwerdeausschussSpruchpraxis: www.presserat.de

Freiwillige Selbstkontrolle I:Deutscher Presserat

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Freiwillige Selbstkontrolle II: Deutscher Werberat

Gründer: Zentralausschuss der Dt. WerbewirtschaftGrundlagen der Entscheidungen

Grundregeln zur kommerziellen Kommunikation (2007)spezifische Richtlinien z.B. zu Werbung mit und vor Kindern, Alkoholwerbung, Reifenwerbung, Verkehrsgeräuschen, Diskriminierung, Werbung mit Politikern

Bearbeitung von Beschwerden durch Branchenvertreter

Wenn berechtigt: Hinweis an den WerbetreibendenWenn die Kampagne nicht beendet wird: öffentliche Rüge

Spruchpraxis: www.werberat.de

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Freiwillige Selbstkontrolle III: Deutscher Rat für PR e.V.

TrägerDeutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG)Gesellschaft der Public Relations Agenturen (GPRA)

Beschwerdeausschuss mit Branchenvertretern und kooptierten Experten (Hochschullehrer und Altgediente)Grundlage der Beurteilungen:

Code d‘AthenesCode de LisbonneDPRG-SelbstverpflichtungenRichtlinien des Rates

Spruchpraxis: www.drpr-online.de

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(II) Regulierte Selbstkontrolle

Umsetzung gesetzlicher VorschriftenExplizite Zuweisung der Verantwortung an die MedienakteureInsbesondere im Bereich Jugendschutz

Grundlage: Jugendschutzgesetz von 2003Beispiele

Freiwillige Selbstkontrolle FilmFreiwillige Selbstkontrolle FernsehenUnterhaltungssoftware SelbstkontrolleFreiwillige Selbstkontrolle Multimedia

Professionelle und staatliche Anerkennung

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Regulierte Selbstkontrolle I: Freiwillige Selbstkontrolle Filmwirtschaft

Jugendgefährdende FilmeTräger: Filmwirtschaft, Bundesregierung (Kultur und Medien sowie Familie), Landesjugendschutzbehör-den, Kirchen, ARD, ZDF, LandesmedienanstaltenExperten prüfen Filme, Videos, Trailer und Werbefilme auf Antrag durch Inhaber der RechteAltersfreigaben: O.A., ab 6, ab 12, ab 16, n.u. 18www.fsk.de

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Regulierte Selbstkontrolle II: Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen

Jugendgefährdende Sendungen im FernsehenVorbild FSKgegründet durch private FernsehsenderTätigkeiten

Begutachtung von Fernsehsendungen Altersfreigabe nach SendezeitBeratung der Sender

Experten prüfen Programm und bestimmen Altersfreigabewww.fsf.de

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Regulierte Selbstkontrolle III: Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle

Jugendgefährdende ComputerspieleTräger: Wirtschaftsverbände, Oberste Landes- und Bundesjugendbehörden, Kinder- und Jugendhilfe, Kirchen, Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, Kultusministerkonferenz, MedienpädagogenLeistungen

Beratung von Anbietern von SoftwareproduktenPrüfung von Informations-, Instruktions- und LernprogrammenAlterskennzeichnung durch Experten:O.A., ab 6, ab 12, ab 16, keine Jugendfreigabe

www.usk.de

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Regulierte Selbstkontrolle IV:Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia

Jugendgefährdende Beiträge um InternetMitglieder: AOL, Deutsche Telekom, T-Online, Google, Microsoft, Yahoo, VPRT, Bundesverband digitaler WirtschaftEinrichtung einer Beschwerdestelle

Bemängelt werden Kinderpornographie, Rechtsradikalismus und Gewaltdarstellungen im NetzPrüfungsausschuss: Juristen, Medienwissenschaftler, Medienpädagogen, Soziologen, Journalisten, IT-Experten

www.fsm.de

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(III) Gesellschaftliche Kontrolle

Einbeziehung gesellschaftlicher Akteure in die MedienkontrollePrinzip der öffentlich-rechtlichen InstitutionenStaatsferne soll gewährleistet sein – maximal Aufgabe der RahmenbestimmungGesellschaftlich relevante Gruppen übernehmen Steuerung und Zielkontrolle

professionelle und gesellschaftliche Anerkennung

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Gesellschaftliche Kontrolle I:ZDF-Fernsehrat (1962)

77 Mitglieder

Aufgaben u.a.Beratung in ProgrammfragenWahl des IntendantenGenehmigung des HaushaltesBehandlung von Zuschauerbeschwerden

JournalistenverbandDGB und VerdiZeitungsverlegerZentralrat der JudenLandwirtschaftchristliche KirchenArbeitgeberverbändePolitische ParteienDeutscher BeamtenbundBund und Länder

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Gesellschaftliche Kontrolle II:Landesanstalt für Medien NRW

Strukturmerkmaleöffentlich-rechtlich organisiertgebührenfinanziert

gesetzlich festgelegte Aufgaben u.a.Förderung der MedienkompetenzSicherung der MeinungsvielfaltSanktionierung bei RechtsverstößenFörderung offener KanäleMedienforschungBeratung von Betreibern der KabelbetreiberÜberwachung des JugendschutzesÜberwachung der Werbebestimmungen

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Kritik an den Selbstkontrollinstanzen

Konflikte zwischen publizistischen und wirtschaftlichen Zielen (z.B. Presserat)Manchmal nur „Alibifunktion“Nur Rügen, keine Geldstrafen - „Zahnlose Tiger“Nichtöffentlichkeit der BeschwerdeverfahrenMangelnde Bekanntheit der Gremien

Aber nachvollziehbares Prinzip: Kontrolle bleibt in der „Währung“ der Öffentlichkeit – das heißt: Aufmerksamkeit für Verfehlungen

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Ethik-Kodizes liefern Maßstäbe

Selbstkontrollinstitutionen gewährleisten die Verfahren der Selbstkontrolle

Debatte über NormenFeststellen und Ahnden von Normverstößen

Dafür braucht es Maßstäbe.

Diese finden sich in ethischen Kodizes und Leitlinien der Berufs- oder Branchenverbände.

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Kodizes in vielen Formen

Print-Journalismus: Publizistische Grundsätze des Deutschen PresseratesPublic Relations: Selbstverpflichtung von DPRG-Mitgliedern und Code de LisbonneWerbung: Grundregeln zur kommerziellen Kommunikation des Deutschen Werberatesund Advertising Self Regulation ChartaFernsehen: z.B. Richtlinien für Sendungen des Zweiten Deutschen Fernsehens

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Gruppenarbeit: Ethik-Kodizes

LeitfragenWelche Kernvorgaben formulieren die Ethik-Kodizes?Inwiefern sind die Kernvorgaben für den jeweiligen Medienbereich spezifisch?Wie sehen Sie die Chancen einer Realisierung in der Praxis?

Vorgehen20 Minuten Gruppendiskussion5 Minuten Präsentation je Gruppe

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Charakteristika der Ethik-Kodizes

Kodizes sind meist Mischung ausdeontologischen Handlungsmaximen undteleologischen Folgenabschätzungen.

Regelmäßig finden sichBekenntnisse zum Prinzip der Öffentlichkeit Bekräftigungen rechtlicher VorschriftenHinweise zur Regelung gängiger NormkonfliktePraktische Konkretisierungen abstrakter Postulate

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Kritik an Ethik-Kodizes

Idealisierende Forderungenzum Teil sehr vagezum Teil bloße Wiederholung gesetzlicher Regelungenoft nur Verbote, keine „positiven“ Leitbilderbisweilen historisch erklärliche,aber heute willkürlich wirkende Geltungsbereiche

z.B. Pressekodex nur PrintWas ist mit einem Journalismuskodex?

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Der Einzelne bleibt in der Pflicht

Selbstkontrollinstanzen und Ethik-Kodizesdämpfen die Wucht ökonomischer Einflüsse undgeben Hinweise für gutes Medienhandeln.

Aber sie lassen den Einzelnen nicht aus der Verantwortung.Die Umsetzung der Normen bewährt sich in konkreten Entscheidungssituationen.

Deshalb beim nächsten Mal:Die Mikro-Ebene des medialen Handelns

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Kommunikationsethik V

- Die Meso-Ebene (Forts.)- Die Mikro-Ebene

Vorlesung mit ÜbungenBachelor-Studiengang Kommunikationswissenschaft

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Rückblick: Wo stehen wir?

Themen der letzten SitzungenBegründungskontexte der Kommunikations- und MedienethikNormen auf der Makro-Ebene –Öffentlichkeits-Modelle und rechtliche VorschriftenSpannungsfelder auf der Meso-Ebene – ökonomische Logik und Selbstkontrolle

Jetzt geht es weiter mit den Inhalten der Ethik-Kodizes und der Verantwortung der Akteure auf der Mikro-Ebene.

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Um welche Fragen geht es heute?

Was steht in den wesentlichen medienethischen Kodizes?

Welche Kernvorgaben werden formuliert?Sind sie jeweils branchen- und bereichsspezifisch?

In welchen Situationen agieren Medienakteure ethisch?

Spannungsfelder medialen Entscheidens und HandelnsWelche Leitbilder helfen bei der Synchronisation konflikthafter Normen?

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Ethische Kodizes geben Hinweise

BeispielePrint-Journalismus: Publizistische Grundsätze des Deutschen PresseratesPublic Relations: Selbstverpflichtung von DPRG-Mitgliedern und Code de LisbonneWerbung: Grundregeln zur kommerziellen Kommunikation des Deutschen Werberatesund Common Principles der EASAFernsehen: z.B. Richtlinien für Sendungen des Zweiten Deutschen Fernsehens

Welche Kernvorgaben werden formuliert?Sind sie jeweils bereichsspezifisch?

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Pressekodex normiert Printmedien

(1) Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde

(2) Sorgfalt(3) Richtigstellung(4) Grenzen der

Recherche(5) Berufsgeheimnis(6) Trennung von

Tätigkeiten(7) Trennung von Werbung

und Redaktion(8) Persönlichkeitsrechte

(9) Schutz der Ehre (10) Religion,

Weltanschauung, Sitte

(11) Sensationsbericht-erstattung, Jugendschutz

(12) Diskriminierungen(13) Unschuldsvermutung(14) Medizin-

Berichterstattung(15) Vergünstigungen(16) Rügenabdruck

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Normenkonflikte im Pressekodex

Beispiele auf der MakroebeneMenschenwürde - Persönlichkeitsrechte

vs. Imperativ des VeröffentlichensVerbot sensationeller Darstellung

vs. Sensorfunktion der Öffentlichkeit(Berichte über Katastrophen und Bevölkerungswarnungen

Beispiele auf der Meso-EbeneSorgfaltsgebot

vs. ökonomische EffizienzkriterienRichtigstellung durch Rügenabdruck

vs. Unternehmensimage

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Kodizes der Werbewirtschaft

Formale Bekenntnisse zur SelbstkontrolleVage allgemeine Normierungen

Grundwerte der Gesellschaft, Anstand und Moral achtenVerbrauchervertrauen bewahrenKinder und Jugendliche körperlich oder seelisch nicht schadenDiskriminierung nicht dulden oder befördernGewalttätiges, aggressives oder unsoziales Verhalten nicht dulden Angst, Unglück und Leid nicht instrumentalisierenSicherheit der Verbraucher

Begründung für fehlende Konkretion:Gerechtigkeit im Einzelfall als ZielKonkretere Generalnormen werden kreativer Branche nicht gerechtGesonderte Richtlinien für spezifische Problemfelder

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PR (1): DPRG-Selbstverpflichtung

(1) Öffentlichkeit dienen, Wahrhaftigkeit(2) Anwalt der Interessen des Auftraggebers(3) Loyalität zu Organisation, in der gearbeitet wird(4) Korrigierendes Einwirken auf Auftraggeber bei

Verstößen gegen Achtung und Fairness(5) Information nach bestem Wissen und Gewissen(6) Achtung der Unabhängigkeit und Freiheit von

Gesprächspartnern(7) Ansehen des Berufsstandes nicht beschädigen

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PR (2): Code de Lisbonne

(1) Geltungsbereich(2) Menschenrechte(3) Aufrichtigkeit, moralische

Integrität, Loyalität(4) Transparenz(5) Respekt vor Kodizes(6) Keine Vertretung

konkurrierender Interessen(7) Diskretion(8) Auftraggeber informieren(9) Geschäftsinteressen(10) Keine Erfolgsvereinbarung(11) Kein Erfolgshonorar

(ausgesetzt

(12) Keine Zuwendung von Dritten

(13) (pers.) Verpflichtung auf Kodex

(14) Unabhängigkeit der Informationsmedien

(15) Keine Täuschung der Öffentlichkeit

(16) Gekaufte Kommuniktion(17) Kein unlauterer

Wettbewerb(18) Kein Schaden am

Berufsstand(19) Verbreitung des Kodex

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Normkonflikte in PR-Kodizes

Konkrete Verpflichtung gegenüber Partikularinteresse des Auftraggebers

vs. allgemeine Bekenntnisse zur Gemeinwohlförderung in Öffentlichkeit

Strategische Kommunikationvs. Verständigungsorientierung der Öffentlichkeit

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ZDF-Richtlinien

Allgemeines: Menschenwürde, Wahrhaftigkeit und Sachlichkeit, Trennung von Nachricht und KommentarFamilie, Bildung: Jugendschutz, Bildungsauftrag, Ehe und Familie, Gleichstellung von Mann und FrauDemokratie: Grundsätze des demokratischen und sozialen Rechtsstaates, Pluralität, Zugänglichkeit, Meinungsbildung, Überparteilichkeit, AusgewogenheitKulturelles ErbeFrieden und VölkerverständigungReligiöse ToleranzVom Grundgesetz geschützte sittliche Wertordnung

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Normkonflikte in ZDF-Richtlinien

Zuspitzung im Sinne von Aufmerksamkeitvs. Ausgewogenheit

Meinungsfreiheit und Überparteilichkeitvs. Verpflichtung zum besonderen Schutz von Ehe und Familie(Darstellung von Missständen als „Einzelfall“)

Formale mediale Professionalitätsgebotevs. konkret formulierte, inhaltlichegesellschaftliche Erwartungen

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Charakteristika der Ethik-Kodizes

Kodizes sind meist Mischung ausdeontologischen Handlungsmaximen undteleologischen Folgenabschätzungen.

Regelmäßig finden sichBekenntnisse zum Prinzip der Öffentlichkeit Bekräftigungen rechtlicher VorschriftenHinweise zur Regelung gängiger NormkonfliktePraktische Konkretisierungen abstrakter Postulate

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Kritik an Ethik-Kodizes

Idealisierende Forderungenzum Teil sehr vagezum Teil bloße Wiederholung gesetzlicher Regelungenoft nur Verbote, keine „positiven“ Leitbilderbisweilen historisch erklärliche,aber heute willkürlich wirkende Geltungsbereiche

z.B. Pressekodex nur PrintWas ist mit einem Journalismuskodex?

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Der Einzelne bleibt in der Pflicht

Selbstkontrollinstanzen und Ethik-Kodizesdämpfen die Wucht ökonomischer Einflüsse undgeben Hinweise für gutes Medienhandeln.

Aber sie lassen den Einzelnen nicht aus der Verantwortung.Die Umsetzung der Normen bewährt sich in konkreten Entscheidungssituationen.

Deshalb richtet sich der Blick auch auf dieMikro-Ebene des medialen Handelns

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Makroebene

Der Analyseansatz

Die Kultur (ihre Geschichte, ihre Mentalitäten, ihre Wertemuster) bestimmt die Geltungsgründe der Moral

Die mit der demokratischen Ordnung verbundenen Erfordernisse

(Gewährleistungen)

MesoebeneDie Imperative der Ökonomie (Markt und Wettbewerbsgesellschaft)

MesoebeneAn Medienkommunikation gebundene Merkmale und

Erfordernisse

Mikroebene

[von Michael Haller übernommen]

Akteure

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Die Frage nach der Verantwortung

Erinnern Sie sich?Kommunikationsethik zielt auf intersubjektive KommunikationÖffentlichkeit ist das Produkt kommunizierender AkteureMeinungsfreiheit ist ein Individualrecht

Und auch daran?Presse- und Medienfreiheit sind institutionelle GarantienKodizes richten sich an OrganisationenÖkonomische Imperative werden stärker

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Was bedeutet dieses Spannungsfeld?

Wer trägt die Verantwortung bei Verfehlungen?Der Einzelne, weil er die letztlich entscheiden muss?Die „Umstände“ (System, Institutionen), weil sie ethisch angemessenes Handeln eventuell nicht ermöglichen?Das Publikum, weil es ja gar nichts anderes haben möchte?

Um welche Ebene geht es?Individuelle Sensibilisierung durch IndividualethikStrukturelle Gestaltung durch SystemethikAllgemeine Appelle durch Publikumsethik

(vgl. dazu Pürer, Heinz: Ethik in Journalismus und Massenkommunikation.Versuch einer Theorien-Synopse. In: Publizistik, 37. Jg., Heft 3/1992, S. 304-321)

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(1) Individualethik

Persönliche VerantwortungKonkrete Beachtung gesetzlicher Bestimmungen und KodizesMitmenschliche Achtung gegenüber Objekt und PublikumSchlüsselrolle des Einzelnen und seiner Entscheidungen bedingt Verantwortung

Appell an die persönliche Moral

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(2) Systemethik

Eigentlich besser: StrukturethikEnsemble verschiedener Normsetzungen („Stufen“)

GesetzgeberMedieneignerMedienmitarbeitern (Hierarchien)

Individuen werden von Verantwortung entlastet,aber nicht gänzlich aus ihr entlassenSchwierig zu konzipieren

Individuen sind zentrale ethische VerantwortungsträgerIntersubjektive ethische Diskurse begründen NormenHandeln prägt Strukturen, die ihrerseits Handeln beeinflussenFrage, ob Strukturen, ethisches Handeln motivieren oder behindern

Appell an „moralische Sensibilität“ politischer und medialer Strukturen (Institutionen)

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(3) Publikumsethik

weist dem Publikum im Prozess der Massenkommunikation Verantwortung zuGedanke der „Medien-Ökologie“Steuerung der Medienqualität durch Rezeptionsverhalten

Verweigerung minderwertiger SendungenKritische Reaktionen auf fragwürdige Inhalte

Appell an Moral des Publikums

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Kein Entweder-Oder

Der Einzelne kann und darf nicht aus der Verantwortung entlassen werden, …

…aber er ist nicht alleine für alles verantwortlich.

Ein Beispiel: …

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Beispiel: Geiselnehmer live im Radio

9:30: 2 Bankräuber in Steglitz, Beute 5.000 €.9:50: Ein Bankräuber steigt in Doppeldecker-Bus. Polizistin hinterher, er entwindet ihr die Waffe. Irrfahrt beginnt - an roten Ampeln werden die meisten Insassen frei gelassen (ca. 20). Täter schießt sich durchs Hosenbein, ohne sich zu verletzen.10.41: Bus von SEK gestoppt - Busfahrer flüchtet - zwei Geiseln: 25j. Polizistin und 52j. SFB-Hörfunkredakteur.11.19 - 12.05: Täter fordert und bekommt Cola und Handy - erlaubt auch den Geiseln zu telefonieren. ca.12.35: Täter ruft 91,4 an und gibt Interview…

[von Michael Haller übernommen]

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Beispiel: Geiselnehmer live im Radio

ca.12.35:Täter ruft 91,4 an und gibt Interview…

[von Michael Haller übernommen]

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Warum wird dieses Interview gesendet?

Quote?Anerkennung durch Kollegen?„Sensationslust“ des Publikums?Eigene Jobsicherheitsbedürfnisse?Handlungsmaximen? (Goldene Regel, etc.)Ethik-Kodizes?…

Welcher Maßstab gilt für den entscheidenden Redakteur?

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(Zu) Viele Anforderungen…

Individuelle Einstellungen

Berufsrolle

Kommunika-tionswünschedes Publikums

Ökonomische Imperative

Systemische Funktions-

zuschreibungen

Medialer Kommunika-tionsmodus

[von Michael Haller übernommen]

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Nach welchem Maßstab abwägen?

„Jeder ist sich selbst der Nächste…“Ökonomische Vernunft –persönliche Nutzenmaximierung?

„Was Du nicht willst, das man Dir tut…“Deontologische Vernunft –Goldene Regel bzw. kategorischer Imperativ?

„Entscheidend ist, was hinten rauskommt…“Teleologische Vernunft – Folgenabschätzung?

Jeder Maßstab kann vernünftig sein.Aber allein greifen sie zu kurz

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Ganz unterschiedliche Beispiele…

Journalist Udo Röbel und das Geiseldrama von GladbeckPublizist Tom Kummer und die FaktenFernseh-Juror Dieter Bohlen und die angehenden SuperstarsPR-Berater Klaus Kocks und die öffentlichen LügenWerbefotograf Oliviero Toscani und die Bilder

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Gruppenarbeit:Individuelle Entscheidungen?

LeitfragenWie schildern die Medienakteure ihre Handlungs- und Entscheidungssituationen?Wie gehen sie mit den Erwartungen um, die an sie gestellt werden?Was beeinflusst ihre Entscheidungen?

Vorgehen20 Minuten Gruppendiskussion5 Minuten Präsentation je Gruppe

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Individuelle Verantwortung reicht nicht

Erstens: Pluralismus der Moralenkein allgemein anerkannter Maßstab im Alltag

Zweitens: Widersprüche auf der Mesoebeneüberfordern die „Vernünftigkeit“ des Einzelnen

z.B.: kommerzielle Ziele vs. Berufsrolle

Drittens: Der Einzelne folgt seinen persönlichen Bedürfnissen, Ängsten und Wünschen

[von Michael Haller übernommen]

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Professionalität als Lösung?

Normenkonflikte entstehen, weil ein Medienakteur

keine Handlungsspielräume oder keine Alternativen sieht (nur Entweder-oder-Situationen) – oder keine Handlungssicherheit besitzt (kein Bewusstsein für Grundwerte, Fairness u.a.)

Individuelle und systemische Gründe

[von Michael Haller übernommen]

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Beim nächsten Mal…

Reflexion des eigenen Tuns ist wichtigDeshalb geht es in unserer letzten Sitzung auf der Mikroebene weiter um die Frage:Was tun in kniffligen Situationen?

Wo bekomme ich Rat und Anregung?Was verschafft mir Orientierung?

Fallbeispiele und positive LeitbilderZusammenfassung und Fazit

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Kommunikationsethik VI

- Die Mikro-Ebene (Forts.)- Abschluss

Vorlesung mit ÜbungenBachelor-Studiengang Kommunikationswissenschaft

Dr. Carsten Brosda

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Rückblick: Wo stehen wir?

Themen der letzten SitzungenBegründungskontexte der Kommunikations- und MedienethikNormen auf der Makro-Ebene –Öffentlichkeits-Modelle und rechtliche VorschriftenSpannungsfelder auf der Meso-Ebene – ökonomische Logik und Selbstkontrolle (Ethik-Kodizes)Verantwortung des Individuums

Heute: Abschluss, Wiederholung und Fazit

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Um welche Fragen geht es heute?

Wie kann ein Medienakteur mit seiner Verantwortung umgehen?

FallbeispieleNormsynchronisation

Noch einmal zum Abschluss: Warum Medienethik?

Normative Kraft der ÖffentlichkeitPositive Leitbilder

Wiederholung und Vertiefung wichtiger Aspekte.

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Gute Vorbilder?

„Pures Adrenalin jagte durch meinen Körper. Ich befand mich mitten in einem Kinofilm. Live und in Farbe. Zu einem kühlen Kopf war ich nicht mehr fähig. … So folgte zwangsläufig ein Reflex dem anderen. … Ich stand wie unter Trance.“(Udo Röbel)„Ich habe einfach ein sehr abstraktes Verhältnis zu meiner Arbeit bekommen, ein surreales. Ich wollte das entdecken, es war wie ein Rausch, es hat soviel Spaß gemacht, solche Geschichten zu entwerfen, zu designen.“(Tom Kummer)

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Gute Vorbilder?

„Jetzt regen sich die Leute alle auf, weil ich bei DSDS den schlechten Kandidaten ein paar lustige Sprüche reindrücke, aber das ist doch nur Show. Ich bin Entertainer, ich will die Leute unterhalten.“ (Dieter Bohlen)„Da stellt sich überhaupt nicht die Wahrheitsfrage. Ich spiele meine Rolle als PR-Mann.“ (Klaus Kocks)“Ich verkaufe keine Produkte. Ich verkaufe eine Betrachtungsweise. Benetton braucht Bilder. Benetton braucht Kommunikation. Die Brücke ist das Geld, das mich bezahlt.” (Oliviero Toscani)

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Moral des Medienhandelns?

Selbstzeugnisse von Praktikern oszillieren zwischen zwei Extrempositionen

zynisch-abgeklärte Distanz (oft individuell)emphatische Selbstüberhöhung (oft Gruppe)

Medienethische Reflexion hilft, den Realitätsgehalt dieser beiden moralischen Positionen zu analysieren, zu bewerten und Alternativen zu zeigen.

Das ist notwendig. Ein fiktionales Beispiel:

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Möglichkeiten der Moral?

„I‘m mad as hell.And I‘m not going to takethis anymore“

(aus: „Network“,medienkritischer Spielfilm von 1976)

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So that you can take it: Medienethik

Reflexionstheorie der Moral des MedienhandelnsBeratung bei der Entwicklung und Anwendung moralischer Gebote und Verbote in den Medien

Hilfestellung bei dem Versuch, „gut“ in den Medien zu handeln

Konkrete Praxisnormen einer Angewandten Ethik im Anschluss an die abstrakten Idealnormen der Moralphilosophie

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Ganz konkret: Was tun?

Handeln verlangt Entscheiden.Entscheidungen haben Konsequenzen.

Konsequenzen nicht immer abzusehenEntscheidungen nicht immer frei

Drei Fallbeispiele aus dem JournalismusEingriff in die PersönlichkeitssphäreZwänge des WettbewerbsSensationelle Berichterstattung

Aus: Institut zur Förderung des publizistischen Nachwuchses (IfP) /Deutscher Presserat (Hrsg.) (2005): Ethik im Redaktionsalltag. Konstanz.

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(1) Eingriff in Persönlichkeitsrechte?

Lokalpolitikerin und Ehefrau des Bürgermeisters wird beim Ladendiebstahl einer Parfümflasche ertappt.Regionalzeitung berichtet mit Namensnennung und weist darauf hin, dass es sich um Gemeindevertreterin handelt.

Besteht ein Zusammenhang zwischen Amt, Mandat und Straftat, der Namensnennung rechtfertigt?Was spricht dafür, Straftaten öffentlicher Mandatsträger in der Öffentlichkeit bekannt zu machen, was dagegen?

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Verlässlichkeit kann geprüft werden

Beschwerde: Namensnennung verstößt gegen PersönlichkeitsrechteRedaktion: Transparenz der Verlässlichkeit von Lokalpolitikern, evtl. hätte auf Namensnennung verzichtet werden können, nicht aber auf Hinweis auf Funktion und Ehefrau des Bürgermeisters

Presserat: Beschwerde unbegründetLokale Person der ZeitgeschichteÖffentliche Kritik an Verlässlichkeit zulässig und nötig

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(2) Unzulässige Zuspitzung?

Jugendmagazin berichtet über Anfälligkeit Jugendlicher für rechtsextreme Propaganda.Bericht ist illustriert mit Fotos, die Jugendliche mit Utensilien der rechten Szene (Nationalzeitung, Bomberjacken etc.) zeigen, die von der Redaktion zum Bildtermin mitgebracht wurden. Jugendlichen wurde zugesagt, als „normale“ Schüler abgebildet zu werden. Außerdem sollten sie ein Honorar bekommen

Ist es gerechtfertigt, die Interviewten über die Ziele einer Reportage im Unklaren zu lassen, wenn man bestimmte ideologische Tendenzen aufdecken will?Ist es grundsätzlich (bei Reportagen, bei Fotos etc.) legitim, eine Situation für die Leser zu inszenieren?

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Irreführung der Leser nicht zulässig

Beschwerde: Mutter eines Jugendlichen hält die Darstellungen für erfunden, sie seien außerdem für ein Honorar gekauft wordenRedaktion: Jugendliche wurden mit rechtsextremen Gedanken konfrontiert, um Beeinflussung offen zu legen.

Presserat: Öffentliche RügeUnlautere Methoden bei der Beschaffung von personenbezogenen Daten, Nachrichten, Informationen und Bildern (Ziff. 4)Journalist wird zum Handelnden auch durch das Honorarangebot)Irreführung der Leser – Verstoß auch gegen Sorgfaltspflicht (Ziff. 2)

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(3) Sensationelle Aufmachung?

Pressekodex Ziffer 14:„Bei Berichten über medizinische Themen ist eine unangemessen sensationelle Darstellung zu vermeiden, die unbegründete Befürchtungen oder Hoffnungen beim Leser erwecken könnte“

Wo sehen Sie Gefahren des Titelbildes?Wie weit darf die Zuspitzung auf der Titelseite gehen?

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Hoffnungen nicht unberechtigt wecken

Beschwerde: Titelbild weckt unberechtigte Hoffnungen bei BetroffenenRedaktion: Titelbild ist von Geschichte, die differenziert alle Seite darstellt, nicht zu trennen

Presserat: MissbilligungInsbesondere die Formulierung „Ende des Sterbens“ weckt unberechtigte Hoffnungen.Suggestive Wirkung des Titelbildes wird von Forschungsergebnissen nicht gedeckt.

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Normkonflikte abwägen & entscheiden

Aufmerksamkeit(Wirkung)

Komplexität der Darstellung

Aktualität/ Wettbewerb

Wahrhaftigkeit der Aussagen

Persönlichkeits-sphäre (Opfer)

Öffentliches Interesse

[von Michael Haller übernommen]

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Was beeinflusst die Entscheidungen?

Individuelle Einstellungen

Berufsrolle

Kommunika-tionswünschedes Publikums

Ökonomische Imperative

Systemische Funktions-

zuschreibungen

Medialer Kommunika-tionsmodus

[von Michael Haller übernommen]

ProfessionalitProfessionalitäät &t &Ethische SensibilitEthische Sensibilitäätt

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Mit Konflikten umgehen lernen

Potenzielle AntwortenStrukturen kommen einzelnen Normen entgegenIndividuelle Abwägungen und Entscheidungen sind nötig

Gefahr in normativen Praxisdebatten:Einseitige Betonung einzelner Maßstäbe

übertriebene Selbstidealisierung – Berufsideologieübertriebene Anpassung an Zwänge – Zynismus

Notwendig: Rationale NormsynchronisationProfessionelle RoutinenEthische Reflexion moralischer Maßstäbe

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Formale Leitlinien zur Synchronisation unterschiedlicher Normen

Professionalität: genaue Kenntnis des Gestaltungsraums einer NormSchaffung von Handlungsalternativen, Erweitern der SpielräumeRespekt (Achtung) vor der Persönlichkeit jedes IndividuumsAbschätzen der „Wirkung“ auf Adressaten undauf Objekte der PräsentationBerücksichtigung fundamentaler Grundwerte

[von Michael Haller übernommen]

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Die offene Frage: Welche Medienethik?

Es gibt eine Moral des Medienhandelns. Es ist offen, aus welchen Quellen sie sich speist.

Welcher normative Referenzrahmenstrukturiert mediales Handeln?Welche moralischen Begründungen werden in der Normsynchronisation akzeptiert?Welche Maßstäbe zur Bewertung medialen Handelns werden als legitim bewertet.

Kurz: Vor welchem Hintergrund wird die Moral des Medienhandelns reflektiert?

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Normative Referenzen der Medienethik

Abstrakte Prinzipien aus der EthiktheorieNormative Gehalte öffentlicher KommunikationFremdregulierung: Rechtliche PostulateÖkonomische Zielprogrammierung der Medienbetriebe Selbstregulierung: Media Accountability Systems und EthikkodizesVerantwortung des Einzelnen

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Aber was ist das genuin Eigenedes medialen Handelns?

Die Herstellung von Öffentlichkeit durch medienvermittelte Kommunikation !

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Die normative Kraft des Öffentlichen

Moderne Gesellschaften brauchen Öffentlichkeit zur Selbstregulierung

Orientierung über gemeinsame Situation Diskurs- und Debattenräume => MeinungsbildungReservoir an Deutungs- und Bedeutungsangeboten

Wer öffentlich kommuniziert, lässt sich auf grundlegende normative Erwartungen ein.Diese Erwartungen sind der genuine Hintergrund medienethischer Reflexionen.

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Die eigentümliche Kraft der Sprache

Wer spricht, der sagt nicht nur etwas, sondern baut auch eine soziale Beziehung auf (Doppelstruktur der Rede)

Propositionen: inhaltliche AussagenIllokutionen: soziale Beziehungen (performative Verben)

Wer spricht, erhebt GeltungsansprücheWahrheitRichtigkeitWahrhaftigkeit

Wir sind bereit, Geltungsansprüche im Zweifelsfall zu diskutieren und zu begründen.

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Verständigungsorientierung

Wer spricht, der unterstellt, dass der Partner sich mit ihm verständigen will – auch kontrafaktisch.

Öffentlichkeit basiert auf diesen Annahmen.

Die Unterstellungen sind bei Produktion und Rezeption medialer Inhalte wirksam!Würde man nicht davon ausgehen, dass Verständigung möglich ist, wäre jeder kommunikative Aufwand völlig umsonst.

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Aus diesen Überlegungen lassen sich positive Leitbilder entwickeln

Das Beispiel:

Diskursethik des Journalismus!

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Argumente als Maßstab

Diskursethik beschreibt Verfahren zur Normbegründung und belässt die inhaltliche Klärung praktischen Diskursen.

Sie rekonstruiert Gefährdungen und Bedingungen für die Möglichkeiten verständigungsorientierter Kommunikation in modernen Gesellschaften.

Wahrheit und normative Richtigkeit werden in öffentlichen Diskursen von den Betroffenen erörtert und festgestellt.

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Formale und prozedurale Ethik

Öffentliche Diskurse sind Grundlage von Demokratie und friedlichem Zusammenleben. Diskursethik beschreibt, wie sie geführt werden.Deshalb keine inhaltlichen Vorgaben, sondern:

Ethik für Diskurse über journalistische EthikVerfahren zur Klärung berufsethischer FragenSelbststeuerung des Journalismus über ethische DiskurseAuch die Synchronisation von Normen erfolgt diskursiv

Ethik journalistischer DiskursePrüfung der Akzeptabilität von Geltungsansprüchenreflexive Vermittlung; Einhaltung der Diskursregeln

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Journalismus soll reflexiv vermitteln

Erwartung an Journalismus ist eine kommunikativ reflexive Vermittlung und Prüfung der Akzeptabilität der Geltungsansprüche öffentlicher Aussagen.Damit verknüpfte Zielvorstellungen:

Gewährleistung gesellschaftlicher Kommunikation ermöglicht soziale Verständigung und Integration.Reflexive Vermittlung ermöglicht soziale Orientierung.Inanspruchnahme der kommunikativen Kompetenz von Rezipienten ermöglicht soziale Teilhabe.Journalismus dient der Reproduktion individueller, kultureller und sozialer Ressourcen der Lebenswelt.

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Konkrete Maßstäbe sind ableitbar

Umfassende RechercheInklusion aller BetroffenenRelevanzPrüfung der GeltungsansprücheNachvollziehbarkeit des journalistischen UrteilsVollständige Vermittlung

Argumentative VermittlungExplikation der sozialen DimensionResponsivitätKontextualisierungLebensweltliche AnschlussfähigkeitKritisierbarkeit

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Kluge Medienethik nutzt zwei Perspektiven

Präskriptiv: Theoretisch-normative Begründung von HandlungsnormenDeskriptiv: Empirische und praktische Analyse bestehender Handlungs- und Entscheidungsmuster im Hinblick auf ihre moralische „Programmierung“

Medienethik rekonstruiert und bewertet die moralischen Unterstellungen, die Medienakteure in ihrem Handeln machen.

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Deshalb ist Medienethik wichtig

Transparentmachen der handlungsleitendenNormenIdentifikation und Analyse bestehender NormkonflikteBegründung eigenständig normativer medialer HandlungsmaßstäbeAbgleich mit den RealisierungsbedingungenWiderstand gegen die Unterwerfung unter „importierte“ bzw. kolonialisierendeHandlungsimperative (Ökonomie etc.)

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Das positive Beispiel zum Schluss

Der Kriegsfotograf James Nachtwey reflektiert seinen Beruf und seine Arbeit.

(aus dem Film „War Photographer“)

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Denken Sie im Beruf daran:

Normen strukturieren Ihr Handeln.

Ethische Reflexion kann Ihnen dabei helfen,diese Normen zu erkennen,sie zu bewertenund sich je nach Gültigkeit zwischen ihnen zu entscheiden.

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Denken Sie im Beruf daran:

Ethik ist Nachdenken über Moral.

Medienethik ist auch Nachdenken darüber, wie Sie Ihren Job nicht nur erfolgreich, sondern auch gut machen können!

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Literatur zur Vorlesung „Kommunikationsethik“ (Sommersemester 2008)

Für einen ersten Überblick zum Thema Ethik:

Birnbacher, Dieter / Hoerster, Norbert (Hrsg.) (1976): Texte zur Ethik. München. [darin insbesondere: Hoerster, Norbert: Ethik und Moral, S. 9-23.]

Höffe, Otfried (Hrsg.) (2008): Lexikon der Ethik. 7., neubearbeitete und erweiterte Auflage. München

Höffe, Otfried (Hrsg.) (2006): Lesebuch zur Ethik. Philosophische Texte von der Antike bis zur Gegenwart. München

Pauer-Studer, Herlinde (2003): Einführung in die Ethik. Wien.

Pieper, Annemarie (2007): Einführung in die Ethik. 6. Auflage. Tübingen; Basel.

Zur Medienethik allgemein:

Debatin, Bernhard / Funiok, Rüdiger (Hrsg.) (2003): Kommunikations- und Medienethik. Konstanz.

Funiok, Rüdiger (2007): Medienethik. Verantwortung in der Mediengesellschaft. Stuttgart.

Funiok, Rüdiger / Schmälzle, Udo F. / Werth, Christoph H. (Hrsg.) (1999): Medienethik – eine Frage der Verantwortung. Bonn.

Haller, Michael / Holzhey, Helmut (Hrg.) (1992): Medien-Ethik. Beschreibungen, Analysen, Konzepte. Opladen. (2. Aufl. 1993)

Holderegger, Adrian (Hrsg.) (1999): Kommunikations- und Medienethik. Interdisziplinäre Perspektiven. Freiburg (CH); Wien.

Institut zur Förderung des publizistischen Nachwuchses (IfP) / Deutscher Presserat (Hrsg.) (2005): Ethik im Redaktionsalltag. Konstanz.

Karmasin, Matthias (2002): Medien und Ethik. Ditzingen.

Leschke, Rainer (2001): Einführung in die Medienethik. Stuttgart.

Pürer, Heinz (1992): Ethik in Journalismus und Massenkommunikation. Versuch einer Theorien-Synopse. In: Publizistik, Heft 3/1992, 37. Jg., S. 304-321.

Schicha, Christian / Brosda, Carsten (Hrsg.) (2000): Medienethik zwischen Theorie und Praxis. Normen für die Kommunikationsgesellschaft. Münster

Teichert, Will (1996): Journalistische Verantwortung. Medienethik als Qualitätsproblem. In: Nida-Rümelin, Julian (Hrsg.): Angewandte Ethik. Die Bereichsethiken und ihre theoretische Fundierung. Ein Handbuch. Stuttgart, S. 750-776.

Wiegerling, Klaus (1998): Medienethik. Stuttgart; Weimar.

Zu einzelnen medienethischen Konzepten

Normativer Individualismus

Boventer, Hermann (1984): Ethik des Journalismus. Zur Philosophie der Medienkultur. Konstanz.

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Kritischer Rationalismus

Spinner, Helmut F. (1985): Das ‚wissenschaftliche Ethos‘ als Sonderethik des Wissens. Über das Zusammenwirken von Wissenschaft und Journalismus im gesellschaftlichen Problemlösungsprozeß. Tübingen.

Empirische Ansätze

Rath, Matthias (Hrsg.) (2000): Medienethik und Medienwirkungsforschung. Opladen; Wiesbaden.

Konstruktivismus

Baum, Achim / Scholl, Armin (2000): Wahrheit und Wirklichkeit. Was kann die Journalismusforschung zur journalistischen Ethik beitragen? In: Schicha, Christian / Brosda, Carsten (Hrsg.): Medienethik zwischen Theorie und Praxis. Normen für die Kommunikationsgesellschaft. Münster, S. 90-108.

Weischenberg, Siegfried / Scholl, Armin (1995): Konstruktivismus und Ethik im Journalismus, in: Gebhard Rusch / Schmidt, Siegfried J. (Hrsg.): Konstruktivismus und Ethik. DELFIN 1995. Frankfurt am Main, S. 214-240.

Systemtheorie:

Weischenberg, Siegfried (1992): Die Verantwortung des Beobachters. Moderne Medienethik aus der Perspektive einer konstruktivistischen Systemtheorie (1). In: Rundfunk und Fernsehen, Heft 4/1992, 40. Jg., S. 507-527.

Rühl, Manfred / Saxer, Ulrich (1981): 25 Jahre Deutscher Presserat. Ein Anlaß für Überlegungen zu einer kommunikationswissenschaftlich fundierten Ethik des Journalismus und der Massenkommunikation. In: Publizistik, Heft 4/1981, 26.Jg., S. 471-507.

Diskursethik

Brosda, Carsten (2008): Diskursiver Journalismus. Journalistisches Handeln zwischen kommunikativer Vernunft und mediensystemischem Zwang. Wiesbaden (insb. Kapitel VI)

Loretan, Matthias (2002): Diskursethisches Programm zur kognitiven Begründung der Medienethik. In: Communicatio Socialis, Heft 3/2002, 35. Jg., S. 265-297.

Steuerungsmechanismen

Ökonomie

Medien & Kommunikationswissenschaft, Heft 2/2001, 49. Jg. [Themenheft zu Ökonomisierung und Kommerzialisierung der Medien mit Beiträgen u.a. von Altmeppen, Heinrich, Knoche und Siegert]

Heinrich, Jürgen (1994): Medienökonomie. Band 1: Mediensystem, Zeitung, Zeitschrift, Anzeigenblatt. Opladen.

Karmasin, Matthias (1993): Das Oligopol der Wahrheit. Medienunternehmen zwischen Ökonomie und Ethik. Wien; Köln; Weimar.

Recht

Branahl, Udo (1996): Medienrecht. Eine Einführung. 2., überarbeitete Auflage. Opladen. [mittlerweile 5., vollständig überarbeitete Auflage 2006]

Selbstkontrolle

Baum, Achim u.a. (Hrsg.) (2005): Handbuch Medienselbstkontrolle. Wiesbaden.