123. Jahrgang Nr. 31.894 „Austausch im Geist der Freundschaft“

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Buenos Aires (AT) – Trachten, Fahnen und Mu- sik – farbenfroh ging es zu bei der offiziellen Eröffnung des 10. Treffens der deutsch- sprachigen Gemeinschaſten in Lateinamerika (CAAL), die gestern Vormittag im Stadtparlament von Buenos Aires gefeiert wurde. Gäste aus Brasilien, Uruguay, Chile, Peru und Paraguay konnte Rudolf Hepe, der Vizeprä- sident des Verbandes der deutsch-argentinischen Vereinigungen (FAAG), im reprä- sentativen „Salón San Martín“ begrüßen. Dabei brachte er seinen Wunsch zum Ausdruck, dass die insgesamt viertägige Veranstaltung zu einem „kulturellen Austausch im Geist der Freundschaſt“ werde. Als erster Festredner er- griff der hiesige Stadtpar- lamentarier Daniel Presti das Wort. Der Politiker von Mauricio Macris Pro-Partei hob den großen Einfluss deutschsprachiger Einwan- derer in Argentinien hervor. Er lobte an Deutschland Stärke, Mut und Einigkeit. Daran könne man sich auch in Argentinien ein Beispiel nehmen, seine internen Dif- ferenzen zurückzustellen und gemeinsam das Land voranzubringen. Die deutschstämmige Kongressabgeordnete Cornelia Schmidt-Liermann betonte die Wichtigkeit, die deutsche Sprache und Kultur zu pflegen und an nachfolgende Ge- nerationen weiterzugeben. Aus eigener Erfahrung wisse „Austausch im Geist der Freundschaft“ 10. Treffen der deutschsprachigen Gemeinschaften in Lateinamerika Von Marcus Christoph Seit 1889 (V.l.n.r.) Johannes Matyassy, Dr. Robert Zischg, Cornelia Schmidt- Liermann, Daniel Presti, Dr. Klaus Schmidt, Rudolf Hepe. Foto: mc Inhalt Argentinien Prozess wegen Spionage ..................................... 3 Die AFIP und die „Countrys“................................ 4 Die Woche in Argentinien .................................... 5 Meinung Erboster Mittelstand .............................................. 6 Mitt geschnitten...................................................... 7 Randglossen ............................................................. 8 Ausflüge & Reisen Die Alvear mit dem langen Stammbaum ....... 9 Gemeinschaften Ein glänzend-schimmernder Abend mit „Los Amados“ zugunsten der DWG ................ 11 Wirtschaft Die Reform des Gesetzes über Arbeitsrisiken ............................................... 13 Das Budget für 2013 ............................................. 14 Argentinien ............................................................. 15 Lateinamerika ........................................................ 20 Geschäftsnachrichten.......................................... 21 Wirtschaftsübersicht Die Inflationsheuchelei ....................................... 22 Für 2013 wird mit einer Super-Rekordernte gerechnet ................................................................ 24 123. Jahrgang Nr. 31.894 Sonnabend, 22. September 2012

Transcript of 123. Jahrgang Nr. 31.894 „Austausch im Geist der Freundschaft“

Buenos Aires (AT) – Trachten, Fahnen und Mu-sik – farbenfroh ging es zu bei der offiziellen Eröffnung des 10. Treffens der deutsch-sprachigen Gemeinschaften in Lateinamerika (CAAL), die gestern Vormittag im Stadtparlament von Buenos Aires gefeiert wurde. Gäste aus Brasilien, Uruguay, Chile, Peru und Paraguay konnte Rudolf Hepe, der Vizeprä-sident des Verbandes der deutsch-argentinischen Vereinigungen (FAAG), im reprä-sentativen „Salón San Martín“ begrüßen. Dabei brachte er seinen Wunsch zum Ausdruck, dass die insgesamt viertägige Veranstaltung zu einem „kulturellen Austausch im Geist der Freundschaft“ werde.

Als erster Festredner er-griff der hiesige Stadtpar-lamentarier Daniel Presti das Wort. Der Politiker von Mauricio Macris Pro-Partei hob den großen Einf luss deutschsprachiger Einwan-derer in Argentinien hervor. Er lobte an Deutschland Stärke, Mut und Einigkeit. Daran könne man sich auch in Argentinien ein Beispiel nehmen, seine internen Dif-ferenzen zurückzustellen

und gemeinsam das Land voranzubringen.Die deutschstämmige Kongressabgeordnete Cornelia

Schmidt-Liermann betonte die Wichtigkeit, die deutsche Sprache und Kultur zu pflegen und an nachfolgende Ge-nerationen weiterzugeben. Aus eigener Erfahrung wisse

„Austausch im Geist der Freundschaft“10. Treffen der deutschsprachigen Gemeinschaften in Lateinamerika

Von Marcus Christoph

Seit 1889

(V.l.n.r.) Johannes Matyassy, Dr. Robert Zischg, Cornelia Schmidt-Liermann, Daniel Presti, Dr. Klaus Schmidt, Rudolf Hepe.

Foto: mc

InhaltArgentinienProzess wegen Spionage ..................................... 3 Die AFIP und die „Countrys“ ................................ 4 Die Woche in Argentinien .................................... 5

MeinungErboster Mittelstand .............................................. 6 Mitt geschnitten ...................................................... 7 Randglossen ............................................................. 8

Ausflüge & ReisenDie Alvear mit dem langen Stammbaum ....... 9

GemeinschaftenEin glänzend-schimmernder Abend mit

„Los Amados“ zugunsten der DWG ................ 11

WirtschaftDie Reform des Gesetzes über Arbeitsrisiken ............................................... 13 Das Budget für 2013 ............................................. 14 Argentinien ............................................................. 15 Lateinamerika ........................................................20 Geschäftsnachrichten ..........................................21

WirtschaftsübersichtDie Inflationsheuchelei .......................................22 Für 2013 wird mit einer Super-Rekordernte gerechnet ................................................................24

123. Jahrgang Nr. 31.894Sonnabend, 22. September 2012

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Titelseite

sie, dass man sich als junger Mensch seiner Wurzeln nicht immer ausreichend bewusst sei. Schmidt-Liermann gab zu bedenken, dass Argentinien zwar als Land bekannt sei, wo ehemalige Nazis Unterschlupf fanden. Dass anderer-seits auch viele NS-Gegner hierher gekommen seien, trete hingegen in den Hintergrund, beklagte die Politikerin. Gerade das Schicksal und Wirken dieser Flüchtlinge und Verfolgter aber gelte es zu würdigen.

Der deutsche Gesandte Dr. Klaus Schmidt lobte den Beitrag des CAAL-Treffens für die Pflege und den Er-halt der deutschen Sprache und Kultur. Schmidt sprach von der „besonderen Herausforderung“, auch junge Leute dafür zu gewinnen. Hierbei spielten die hiesigen deutschsprachigen Schulen eine Schlüsselrolle, so der Gesandte, der den erkrankten Botschafter Bernhard Graf von Waldersee vertrat.

Österreichs Botschafter Dr. Robert Zischg bezeichnete die Veranstaltung zunächst als „wunderbare Gelegenheit, die Hemmschwelle zwischen Botschaften und den Lands-leuten zu überbrücken“. Jene seien „offene Häuser“, bei denen es nicht nur um bürokratische Angelegenheiten gehe, sondern um Service für den Bürger. Zischg meinte, dass es zuweilen schwierig sei, im Ausland die deutsche Sprache an nachfolgende Generationen weiterzugeben.

Die Sprache sei aber eminent wichtig, denn hinter ihr stehe auch die jeweilige Tradition, die mit ihr verbun-den sei. Treffen von Auslandsdeutschen würden einen „wunderbaren Blick in unsere Vergangenheit“ erlauben. Schließlich würden hier Lieder, Tänze und sonstiges Brauchtum mitunter viel traditioneller gepflegt als in Europa.

Die Bedeutung der Sprache hob auch der Schweizer Botschafter Johannes Matyassy hervor: Hinter jeder Spra-che stehe eine eigene Kultur. Es gehe also um weit mehr als nur Grammatik. Es sei für das Leben der Gemeinschaften essenziell wichtig, dass die Sprache weitergegeben wer-de. In diesem Zusammenhang lobte Matyassy auch das Argentinische Tageblatt. Dessen 123-jähriges Bestehen zeige, dass der Bedarf immer noch groß sei, sich in der Muttersprache zu informieren.

Die CAAL-Treffen finden jedes Jahr statt. Der Aus-tragungsort wechselt. Im Rahmen der aktuellen Zu-sammenkunft hatte es am Donnerstag in Olivos bereits erste Vorträge und Diskussionsrunden gegeben. Am Wochenende stehen dann Veranstaltungen in Temperley und Villa Ballester an.

Farbenfrohes Gruppenbild zum Abschluss der offiziellen Eröffnungsfeier.

Foto: mc

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Argentinien

Buenos Aires (AT/mc) – Es geht um den Vorwurf der Spionage: Auf der Anklagebank sitzen ehemalige Ge-heimdienstler, aber auch Journalisten, die sich in diesen Tagen vor Richterin Sandra Arroyo Salgado verantworten müssen. Sie sollen in den Jahren 2006 bis 2008 E-Mails von staatstragenden Politikern gehackt und deren Inhalt veröffentlicht haben. Auf der illustren Opferliste stehen Namen wie Cristina Fernández de Kirchner (als Senatorin und Präsidentin), Daniel Scioli (damals Vizepräsident), Jorge Taiana (Ex-Außenminister) oder Alberto Fernández (damals Kabinettschef).

Im Mittelpunkt der Anklage, für deren Vorbereitung die Justiz sechs Jahre lang ermittelt hat, steht Juan Bau-tista „Tata“ Yofre, der in den neunziger Jahren Chef des Geheimdienstes SIDE gewesen ist. Er gilt als Kopf der Bande, zu der auch die ehemaligen Geheimagenten Pablo Carpintero und Pablo Velázquez sowie der Chef des Inter-net-Portals „Seprin“, Héctor Alderete, gezählt werden. Sie sollen ihre auf illegale Weise erworbenen Informationen an Journalisten wie Carlos Pagni („La Nación“), Roberto García („Perfil“) und Edgar Mainhard („Urgente 24“) wei-tergegeben haben. Letztere hätten, so die Beschuldigung, um die dubiose Herkunft des Materials gewusst, es aber

dennoch veröffentlicht. Die Anklage gegen die Redakteure lautet auf „Hehlerei“.

„Das Ziel war Beschaffung und Verkauf von Daten, Nachrichten und Informationen aus den Bereichen der Politik, der Wirtschaft und des Militärischen, die aus Gründen der Staatsräson hätten geheim bleiben sollen“, heißt es in der Anklage. Da sich die Beteiligten vor allem um Informationen bemüht hätten, die die höchsten Ent-scheidungsebenen des Staates beträfen, müsse die Anklage auf Spionage lauten, so Arroyo Salgado. Dies könne Haft-strafen von bis zu zehn Jahren nach sich ziehen.

Die Richterin verfügte im laufenden Verfahren nun schon einmal Zwangspfändungen: Gegen Yofre in Höhe von 500.000 Pesos, gegen Carpintero und Alderete 300.000 Pesos und gegen die Medienvertreter 200.000 Pesos. Auf die Anordnung von Untersuchungshaft wurde vorerst verzichtet, da sich die Beschuldigten bislang kooperativ gezeigt hätten. Ausnahme ist Velázquez, der sich nach Uruguay abgesetzt hat. Bislang verweigern die Behörden des Nachbarlandes die Auslieferung an die argentinische Justiz.

Prozess wegen SpionageGeheimdienstler und Journalisten angeklagt

Sonnabend, 22. September 2012 - Seite 4 -

Argentinien

Buenos Aires (AT/mc) – Die Steuerbehörde AFIP ist in diesen Wochen ständig in den Schlagzeilen. Erst die scharfen Maßnahmen zur Durchsetzung der Devisen-beschränkungen, dann die statistische Erhebung zu den Mediengewohnheiten der Bürger (wir berichteten). Nun sorgte ein Fragebogen für Ärger und Verwirrung, der die sogenannten „Countrys“ im Umland der Hauptstadt ins Visier nahm. Dabei wollte das von Ricardo Echegaray geleitete Amt auch persönliche Daten von den Bewohnern der exklusiven Wohnanlagen wissen.

Die Empörung über das Vorhaben war so groß, dass die Behörde nun offenbar einen Rückzieher gemacht hat. So jedenfalls stellt es die Tageszeitung „Clarín“ dar. Zudem berichtet das Blatt über personelle Konsequenzen in der AFIP. Demnach habe Echegaray seiner Mitarbeiterin María Gabriela De Castro die Verantwortung für die un-populäre Aktion gegeben und die Funktionärin entlassen. Die Kehrtwende der Behörde dürfte wohl auch vor dem Hintergrund der jüngsten massiven Proteste gegen die Regierung zu sehen sein.

Mit den umstrittenen Fragebögen, mit deren Vertei-lung die AFIP in der Vorwoche begonnen hatte, wollte die Behörde ermitteln, wem die jeweiligen Immobilien in den Countrys gehören. Details wie Steuernummer, Miet-zahlungen, Hausangestellte wollten die Steuerbeamten wissen. Doch damit nicht genug: Sie fragten auch nach den Familienverhältnissen derjenigen, die die Häuser nutzen. Das reichte bis zu Angaben über die schulische Situation der Kinder. Zudem ging es um Angaben zu Autos, Booten und sonstigen Besitztümern.

Angesichts des gegenwärtigen Kampfes der AFIP gegen

den Devisenerwerb wundert es nicht, dass auch dieser Aspekt in dem „Country“-Fragebogen eine wichtige Rol-le spielte. So wollten die Echegaray-Beamten Auskünfte darüber, welche Auslandsreisen die Betroffenen in den vergangenen 24 Monaten gemacht haben, und ob sieAn-träge gestellt haben, um Fremdwährungen erwerben zu dürfen. Bei Bejahung sollten genaue Reisedaten und der exakte Devisenbetrag genannt werden.

Die Fragen zielten so sehr ins Private, dass Experten einen Verstoß gegen den gesetzlich verbürgten Schutz der Privatsphäre (Gesetz Nr. 25.326) ausmachten und den Betroffenen rieten, den drei Seiten starken Fragebogen nicht auszufüllen. Gleichzeitig reichten die Parlamentarier Federico Pinedo, Patricia Bullrich, Eduardo Amadeo und Gabriela Michetti Klage gegen die AFIP wegen „Amts-missbrauchs“ ein.

Die AFIP und die „Countrys“Umstrittener Fragebogen führt zu Ärger und Verwirrung

Ricardo Echegaray.

Sonnabend, 22. September 2012 - Seite 5 -

Argentinien

Umstrittene NominierungFernando Vaca Narvaja ist noch nicht im Amt. Und doch hat seine geplante Ernennung zum Minister für Öffentliche Maßnahmen in der Provinz Río Negro schon im Vorfeld für Wirbel gesorgt. Schließlich war Vaca Narvaja einst einer der führenden Köpfe der „Monto-neros“. Jener peronistischen Guerrilla-Organisation, die sich seit Anfang der siebziger Jahre gewaltsam für eine Rückkehr Juan Domingo Peróns an die Macht einsetz-te, nach dessen Tod dann aber von der Regierung der Perón-Witwe Isabel Perón und anschließend von der Militärjunta bekämpft wurde. Attentate, Überfälle und Lösegelderpressungen gehörten zu den Methoden der „Montoneros“. Doch die Vergangenheit Vaca Narvajas ist für Provinzgouverneur Alberto Wertilneck kein Grund, von einer Nominierung des einstigen Gue- rril-leros abzusehen. Er bewertete die aufgekommene Kritik als „pathologische Hexenjagd“. Die Reizfigur selbst gibt sich gelassen: „Über diese Geschichte wissen alle Bescheid. Es lässt sich gar nicht verheimlichen“, so der heute 64-Jährige, der zuletzt das staatliche Bahnunter-nehmen „Tren Patagónico“ leitete. Neben Vaca Narvaja sollen noch zwei weitere ehemalige „Montone- ros“ ins Kabinett von Wertilneck aufgenommen werden: Luis Di Giácomo als zukünftiger Kabinettschef und Ernesto Paillalef als Landwirtschaftsminister.

Weniger KelperAuf den Malwineninseln ist ein Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen. Dies geht aus der Volkszählung auf den Inseln hervor, die im vorigen April durchgeführt wurde und deren Auswertung nun vorliegt. Demnach gibt es derzeit 2932 Menschen, die dauerhaft auf den Malwinen wohnen. Das entspricht einem Rückgang um vier Prozent gegenüber dem Vergleichswert vor sechs Jahren, als noch 3039 „Kelper“ registriert worden wa-ren. Die Entwicklung wird vor allem damit begründet, dass die Zahl der Zivilangestellten bei den britischen Streitkräften weniger geworden sei. Bei der statistischen Erhebung gaben 59 Prozent der Inselbewohner mit Blick auf ihre Nationalität an, sich als „Falkländer“ zu fühlen, 29 Prozent bezeichneten sich zugleich auch als britisch. 9,8 Prozent stammen von der Insel St. Helena, 5,4 Prozent sind Chilenen. Argentinier erscheinen nicht in der Statistik. Die Zahlen der Volkszählung sind für die Inselregierung vor allem mit Blick auf das Referendum im kommenden März wichtig, bei dem die Insulaner über ihren völkerrechtlichen Status entscheiden wollen.

Radikaler siegtIn einem Jahr, in dem eigentlich keine Wahlen vorge-sehen sind, kommt es, dass sich überregionale Blätter für einen Urnengang interessieren, der in einer kleinen Ortschaft in der Provinz Entre Ríos am vorigen Sonntag stattfand. Auf die aktuelle politische Agenda kam das Dorf Pastor Britos, da es bei den regulären Wahlen im Oktober vorigen Jahres ein Patt zwischen den beiden Bewerbern um das Amt des Bürgermeisters gegeben hatte. Doch diesmal setzte sich Amtsinhaber Armando Fernández von der Radikalen Bürger Union (UCR) mit 134 zu 81 Stimmen klar gegen seine Kirchner-peronis-tische Mitbewerberin Elsa Brescasín durch. Bis zu den Neuwahlen war es ein langer Weg. Die Wahlkommission

von Gualeguaychú hatte nach dem Remis des Vorjahres zunächst angeordnet, dass die Entscheidung per Los getroffen werden sollte. Doch Fernández wie Brescasín verweigerten sich. Wahlgerichtsbarkeit wie Regierung der Provinz befassten sich mit der Angelegenheit, ehe die Wahlkommission eine Neuwahl einberief.

Bus rammt HausEs war ein heftiger Streit zwischen einem Busfahrer und einem Fahrgast, der am Montagmorgen in Buenos Aires dazu führte, dass ein Bus in ein Gebäude krachte und 36 Menschen verletzt wurden. Augenzeugen berichteten von einem Konflikt, der sich entzündete, als ein Passagier Probleme beim Bezahlen mit der SUBE-Karte hatte. In Folge der Meinungsverschiedenheiten schlug der Mann den Fahrer so heftig, dass dieser die Kontrolle über das Fahrzeug verlor und in ein Haus an der Straßenecke „Paraguay“ und „Agüero“ fuhr. Alberto Traverso, der Chef der betroffenen Buslinie, bestätigte die Darstellung. Der Busfahrer zog sich schwere Verletzungen zu. Er war eingeklemmt und musste von der Feuerwehr aus dem Bus befreit werden. Sieben weitere Personen erlitten Knochenbrüche. Die weiteren Betroffenen kamen mit leichteren Verletzungen davon.

Gewalt im HospitalChaos und Gewalt haben am Sonntag den Betrieb im Krankenhaus „Mariano y Luciano de la Vega“ in Moreno (Provinz Buenos Aires) lahm gelegt. Vorausgegangen war eine Streiterei in der Siedlung Las Catonas, bei der ein Mann eine Schussverletzung im Oberschenkel erlitt. Der Verletzte schleppte sich ins Krankenhaus, wohin ihm seine Feinde folgten. Dort kam es zu wilden Streitereien. Für besonderen Schrecken sorgte eine Frau, die mit einer Schusswaffe viele Anwesende bedrohte. Schließlich gelang es der Polizei, die Lage zu beruhigen. Das Krankenhauspersonal trat in einen Streik, um für mehr Sicherheit zu demonstrieren. Alejandro Collia, der Gesundheitsminister der Provinz, griff persönlich ein und versprach mehr Polizeischutz für das Hospital.

UnwetterEin starker Südostwind (Sudestada) und starke Regen-fälle haben in Buenos Aires und Umgebung in der Nacht von Dienstag zu Mittwoch für starkes Hochwasser ge-sorgt. Besonders betroffen waren die Küstenabschnitte nahe La Plata, Quilmes, Bernal, Ensenada, Tigre und Vi-cente López, wo es zu Überschwemmungen kam. In der Hauptstadt führte das Unwetter zwar zu Verkehrschaos. Die Wasserschäden hielten sich jedoch in Grenzen, auch weil der neue Abflusskanal am unterirdisch verlaufenden Maldonado-Fluss für Entlastung sorgte. Wie Luciano Timerman, der Koordinator des Provinz-Krisenstabes mitteilte, sei der Wasserstand des Río de la Plata auf eine Höhe von bis zu 2,80 Metern gestiegen. Die Winde erreichten nach Angaben des nationalen Wetterdienstes (SMN) Geschwindigkeiten von 90 Stundenkilometern. Insgesamt mussten 26 Menschen evakuiert werden: 20 in San Pedro und sechs in Quilmes. Am Mittwoch be-ruhigte sich die Wettersituation wieder.

(AT/mc)

Die Woche in Argentinien

Sonnabend, 22. September 2012 - Seite 6 -

Meinung

Zum dritten Mal während der Kirchnerregierungen protestierten erzürnte Mittelständler, dieses Mal in der Hauptstadt Buenos Aires und Umgebung auf mehreren Plätzen sowie in anderen Städten des Landesinneren, mit Aufmärschen sowie Kochtöpfen

und Hupen. Vorher hatte Juan Carlos Blumberg 2004 einen Aufmarsch inspiriert, der sich auf die obwaltende Unsicherheit bezog. Blumbergs Sohn Axel war von Ver-brechern ermordet worden. Präsident Néstor Kirchner empfing Blumberg und ging auf seine Bemühungen ein, doch die Unsicherheit verschärfte sich zumal in letzter Zeit mit zahllosen Verbrechen, von denen die Polizei viele aufklärte und die Verbrecher verhaftete. Der zweite gro-ße Aufmarsch erfolgte vor vier Jahren unter Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner, als die Landwirte gegen die Resolution 125 protestierten, die variable Exportzölle herbeiführen sollte, so dass die Zollsätze zunahmen, wenn die Preise stiegen, und abnahmen, wenn sie fielen. Bei derzeit sehr hohen internationalen Preisen würden die ohnehin hohen Exportzölle von bis zu 35 Prozent bei Sojaexporten weit darüber liegen.

In beiden Fällen waren die Kundgebungen entspre-chenden Aufrufen von Blumberg bzw. der vier maßge-benden Agrarverbände gefolgt. Am Donnerstagabend der Vorwoche protestierten hunderttausende Menschen des argentinischen Mittelstands, ohne dass eine Person wie Blumberg oder vier Agrarverbände, geschweige denn Berufspolitiker im Amt sie dazu aufgefordert hätten. Die Protestler fanden sich dank Facebook, Twitter und Blogs von zahllosen Menschen, ohne einer Führung zu folgen, spontan um 20 Uhr am Donnerstag auf Plätzen und Straßenkreuzungen ein. Das war sicherlich ein bemer-kenswertes Novum.

Offenbar war der Unmut groß, der so viele Menschen spontan auf Straßen und Plätze trieb, ohne einer Führung zu folgen. Die meisten gehörten dem argentinischen Mit-telstand an, der die große Mehrheit der argentinischen Bevölkerung ausmacht. Ohne zumindest einen Teil der Stimmen des Mittelstands kann keine Regierung eine Mehrheit der Stimmen sammeln. Es gibt in Argentinien wie in allen Ländern reiche Menschen, aber Supermilliar-däre wie in anderen Ländern Lateinamerikas sind seltene Erscheinungen, wogegen der Mittelstand für breite Schich-ten sorgt, darunter wohlhabende und weniger reiche

Menschen, die ausgebildet sind, arbeiten oder pensioniert sind und ihre Vermögen verwalten.

Die Kundgebungen sprachen diesem Mittelstand aus der Seele, als sie abermals gegen die obwaltende Unsicher-heit, gegen die zweistellige Inflation in einer Welt stabiler Preise, gegen die Wiederwahl der Präsidentin, gegen die Schikanen der Regierung, die Dollarhortungen verbietet und den Auslandstourismus verhindert, gegen die Kor-ruption allgemein und gegen die Bespitzelung möglicher Dissidenten lauthals protestierten.

Die Kundgebungen und Schlagworte sowohl münd-lich als auch auf handgemachten Plakaten besagten, dass niemand sich vor möglichen Verfolgungen der Regierung fürchtete. Präsidentin Cristina Kirchners Drohung vor wenigen Wochen, dass man sich vor Gott und ein biss-chen vor ihr selbst fürchten müsse, fruchtete nichts. Der argentinische Mittelstand ist trotzig, äußert seinen Unmut frei und lässt sich nicht drangsalieren.

Die Regierung hat den Auflauf auf der Plaza de Mayo und anderen Plätzen frei zugelassen. Niemand wurde von der Polizei belästigt. Kein Mitläufer der Regierung erschien. Insofern waren die Kundgebungen ein echter Ausdruck freier demokratischer Meinungsrechte, was entschieden zu begrüßen ist.

Regierungssprecher bemühten sich nach den Kundge-bungen, sie herunterzuspielen. Kabinettschef Juan Manuel Abal Medina behauptete, die Protestler interessierten sich nur für Käufe in Miami. Andere Sprecher deuteten an, dass sie nur reiche Menschen seien, als ob der Mittelstand nicht auch gut gekleidet wäre, ebenso wie führende Mit-glieder der Regierung, angefangen mit der Präsidentin, die sich gerne gut kleidet und im Ausland einkauft. Diese Äußerungen missverstehen den argentinischen Mittel-stand, der sich mutig auf Straßen und Plätzen geäußert hat und sich nicht fürchtet.

Indessen soll nicht erwartet werden, dass die Regierung nach den Kundgebungen ihren Kurs ändern wird. Die Inflation wird weiterhin verneint werden, aber munter aufflackern. Die übliche Demagogie mit ausufernden Staatsausgaben und Geldschöpfung der Zentralbank wird auch weiter bestehen, denn sie ist unzertrennlicher Teil des sogenannten Regierungsmodells, bis die Stimme des Volkes bei Wahlen einen neuen Kurs für die gewünschten Reformen in die Wege leitet.

Erboster Mittelstand

Sonnabend, 22. September 2012 - Seite 7 -

Meinung

Es wirkt etwas hilflos, aber was soll er auch tun. Mitt Romney will jetzt Präsident für 100 Prozent aller US-Amerikaner werden. Im Prinzip ist das ebenso selbstverständlich wie widersinnig. Wenn ein amtierender Präsident Zustimmungsraten von

über 60 Prozent hat, sind das schon Traumergebnis-se. Der Präsident wird immer von einem Großteil der Bevölkerung abgelehnt, in manchen Fällen wie Barack Obama oder George W. Bush, sogar gehasst werden. Der Satz passt nicht zu einem Wahlkampf, sondern mehr als versöhnliche Geste bei einer präsidialen Amtsantrittsrede.

Mitt Romney musste ihn dennoch sagen, denn Anfang der Woche wurde ein Video veröffentlicht, in dem der republikanische Präsidentschaftskandidat die „47 Prozent Obama-Wähler“ als Sozialschmarotzer verunglimpft. „Es gibt 47 Prozent aller Amerikaner, die seine Fans sind. Sie sind von der Regierung abhängig, sie sehen sich als Opfer und sind davon überzeugt, dass sie ein Recht auf Kran-kenversicherung, Unterkunft und Essen haben. Es sind die Leute, die keine Einkommensteuer zahlen“, sagte Romney im Mai bei einem Spendendinner für den betuchtesten Teil des 53-prozentigen Rest-Amerikas. 50.000 Dollar hat nach Presseberichten die Teilnahme an dem Dinner mit Mitt gekostet.

Die Reaktion der Medien auf die Veröffentlichung des Videos war fast unisono. Der eher konservative Wirt-schaftsdienst Bloomberg, der Romneys Parteikollegen, dem New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg gehört, titelte am Dienstag auf seiner Webseite nüchtern: „Heute hat Mitt Romney die Wahlen verloren.“ Schön wär’s, wird man im Obama-Lager denken, aber nicht so dumm sein, das zu glauben. Vor vier Jahren hatte Oba-ma selbst als Präsidentschaftskandidat republikanische Wähler als „verbitterte“ Menschen bezeichnet, die sich „an Waffen oder Religion oder ihre Abneigung gegen alle Menschen, die anders sind“ klammern.

Man mag das sympathischer als Romneys verbalen Ausrutscher empfinden, aber in den USA ist solch ein Statement ein politisches Desaster. Fast 60 Prozent der Be-völkerung glaubt an Gott, 44 Prozent geht wöchentlich in die Kirche, Synagoge, Tempel oder Moschee. Was die Waf-fen angeht, liegen die USA weltweit einsam an der Spitze. Auf 100 Einwohner kommen dort 88,8 Schusswaffen. Nach jedem Amoklauf, Schul- oder Universitätsmassaker werden es mehr, weil viele Angst vor einer Verschärfung der Waffengesetze haben. Darüber zu lästern ist zwischen New York und Los Angeles ein Sakrileg.

Obama hat die Wahlen dennoch gewonnen. Vielleicht

weil sich die 88,8 Schusswaffen in den Händen von 30 bis 40 Einwohnern befinden und sicher nicht alle gläubigen Menschen automatisch Abtreibungsgegner und Schwu-lenhasser sind. Vor allem aber, weil solche Ausrutscher im Laufe des Wahlkampfes schnell vergessen werden. Vor zwei Wochen war Ex-Präsident Bill Clinton mit seiner kämpferischen Parteitagsrede noch Obamas Matchwin-ner. Der amtierende Präsident hatte in den Umfragen bis zu sechs Prozentpunkte Vorsprung. Momentan liegen Obama und Romney wieder fast gleichauf. In ein paar Tagen, wird Obama wegen des Romney-Videos wieder davonziehen, dann kommt wieder ein anderes Thema.

Natürlich werden Obamas Wahlstrategen Romneys Wählerbeleidigung noch ein Weilchen am Kochen halten. Vor allem, weil die Sache mit den 47 Prozent schlicht falsch ist. Wenn alle Bedürftigen, Sozialhilfeempfänger und von der Einkommensteuer befreiten Geringverdiener wählen würden, könnte Romney gleich das Handtuch werfen. 2008 beteiligten sich 56,8 Prozent der Wahlberechtigten an den Präsidentschaftswahlen. Die 43,2 Prozent Nicht-wähler dürften wohl mit einer deutlichen Mehrheit zur von Romney verunglimpften Bevölkerungsgruppe zählen. Damals hatte Obama auch bei Wählern, die mehr als 200.000 Dollar im Jahr verdienen, mit 53 Prozent Stim-manteilen eine komfortable Mehrheit.

Obama wurde und wird auch von Superreichen wie dem Microsoft-Gründer Bill Gates, dem Investor Warren Buffett oder dem Gros der Hollywood- und TV-Millionäre unterstützt. In der Regel sind das Menschen, die sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst sind. Sie zahlen den Steu-erhöchstsatz von 35 Prozent und klagen nicht darüber. Der 250-fache Millionär Mitt Romney zahlt nur 14 Prozent, weil seine Einnahmen von 14 Millionen jährlich (2011) aus Kapitalrenditen stammen. Diesem Steuersatz unterliegt in den USA eine Familie mit einem Jahreseinkommen von mehr als 12.000 Dollar. Wenn sich kein anderes Thema aufdrängt, wird Romney sich noch häufiger mit dieser offensichtlichen Diskrepanz auseinandersetzen müssen.

Das größte Problem in Romneys Kampagne ist er selbst. Vermutlich wird er auch diesen Fehler ausbügeln kön-nen, aber er macht einfach zu viele neue. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass er in zwei Wochen in den Umfragen wieder dicht bei Obama liegt. Aber was dann? Romney wird sich wieder ein Fettnäpfchen suchen. Zudem sind landesweite Umfragen nicht wirklich aussagekräftig. In entscheidenden Swing States, Wechselwählerstaaten wie Florida oder Ohio, liegt Obama mit fünf bis sieben Pro-zentpunkten vorne.

Mitt geschnittenVon Stefan Kuhn

Sonnabend, 22. September 2012 - Seite 8 -

Meinung

Die Provinzregierung in Mendoza hat die Konse-quenzen aus den landesweiten Protestkundge-

bungen gegen die Wiederwahl der Präsidentin gezogen und einen Gesetzesentwurf im Provinzparlament zu-rückgezogen, der die Wiederwahl in Folge des Gouver-neurs ermöglichen sollte. Mendoza und Santa Fe sind die einzigen Gliedstaaten in Argentinien, die eine Wie-derwahl in Folge ausdrücklich in ihren Verfassungen untersagen. Die politische Stimmung in Argentinien ist offenbar der Wiederwahl in Folge nicht geneigt, wie sie die Gefolgsleute der Präsidentin befürworten. Die Präsidentin selber schweigt unterdessen in der Erwartung, dass die jetzige Gegenstimmung wieder umschwenkt. Das Thema dürfte nach den nächstjäh-rigen Parlamentswahlen neu auftauchen, aus denen ersichtlich werden wird, ob die Regierung im Kongress die erforderliche Zweidrittelmehrheit aufbringen kann, um eine verfassunggebende Versammlung zwecks Wie-derwahl einzuberufen. Derzeit ist das nicht der Fall.

Die besonders emsige Steuerbehörde AFIP belästigt neuerdings die Eigentümer und Mieter von Woh-

nungen in sogenannten Countries, rund 300 allein in der Umgebung von Buenos Aires, mit einem umfangreichen Fragenkatalog, aus deren Antworten die Steuerbehörde offenbar erwartet, Steuersünder zu erwischen. Der Fra-genkatalog betritt indessen auch private Intimsphären, die die Steuerbehörde nichts angehen, so dass bereits Kenner der Materie empfehlen, den Katalog nicht zu beantworten. Gegebenenfalls können daraus unange-nehme Inspektionen der AFIP erfolgen oder sogar Ge-richtsanträge, derweil die Behörde sicherlich in der Flut der Antworten mit zahllosen Daten ertrinken dürfte. Der AFIP-Vorstoß entspricht einer Fischereipartie, die zahllose Menschen bedrängt, um gelegentlich wenige Opfer zu fischen.

In Argentinien wäre das ja irgendwie noch verständ-lich. Hier-zulande kostet eine Rolle Klopapier bis

zu sieben Pesos. „Exportqualität“ versteht sich, wobei man nicht so recht nachvollziehen kann, welche Staaten solche Luxusprodukte importieren. Jedenfalls liegt es nahe, dass man an der Arbeitsstelle oder im Restaurant dann und wann mal eines dieser teuren Zellulosema-terialien mitgehen lässt. In Deutschland ist das eher unüblich. Nicht weil man dort nicht klaut, sondern weil das Papier in solchen Lokalitäten sich mehr zum Feinschliff als zur Hygiene eignet. Verbreiteter als Klo-papierdiebstahl ist sicher, dass man sich hinternscho-nendere Ware von zu Hause mitbringt. Exportqualität versteht sich. Die kostet in Deutschland umgerechnet weniger als zwei Pesos.

Dennoch sollen in einer Außenstelle des Landeskri-minalamts Thüringen größere Mengen an Klopa-

pier verschwunden sein. Dort sind unter anderem die Dezernate Organisierte Kriminalität und Staatsschutz untergebracht. Man hat also Erfahrung mit dem Bösen auf dieser Welt. Die Fahnder traten auf den Plan, na-türlich ohne gegen Gesetze zu verstoßen. Die Staatsan-waltschaft genehmigte die Überwachung des Klopapier-lagers, es wurde mehrere Wochen von einer versteckten Kamera beobachtet. Für die Auswertung wurde ein Staatsschützer abgestellt. Nichts tat sich. Als das LKA auch noch den Toi-lettenraum überwachen wollte, spielte die Staatsanwaltschaft nicht mehr mit. So viel Aufwand für eine Nichtigkeit, könnte man sich zu Recht aufregen. Kein Wunder, dass denen die NSU-Terroristen durch die Lappen gegangen sind. Man könnte das aber auch fachlich sehen. Wer nicht einmal in der Lage ist, einen Klopapierdieb zu schnappen...

Randglossen

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Kulturmetropole Buenos Aires erfahren?

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Veranstaltungs- und einen Ausstellungskalender.

Sonnabend, 22. September 2012 - Seite 9 -

Ausflüge & Reisen

Die Alvear waren beileibe nicht die wohlhabendsten Großgrundbesitzer Argentiniens. Mit bescheidenen 10.000 Hektar in der Provinz Buenos Aires konnten sie den Álzagas (160.000 ha), Anchorenas (rund 75.000 ha) oder Díaz Vélez (67.000 ha) nicht das Wasser reichen.

Dafür sollte die Familie die berühmtesten Männer der argentinischen Geschichte hervorbringen. Angefangen mit Carlos María de Alvear (1789-1852), Militär, Politi-ker und Diplomat, der 1815, fünfundzwanzigjährig, als Director Supremo den Provincias Unidas del Río de la Plata vorstand.

Die Alvear stammten aus Spanien. Carlos María de Alvear nahm an mehreren Kämpfen um die Unabhän-gigkeit teil und war mit San Martín befreundet, jedoch eine kontroverse Persönlichkeit. Er war auch Argentiniens erster Botschafter in den USA. Seiner Bedeutung entspre-chend wurde ihm 1926 ein großes Reiterstandbild in der Recoleta errichtet, das der französische Bildhauer Antoine Bourdelle in zehnjähriger Arbeit schuf, auf einem beson-ders hohen Sockel aus geschliffenem rosarotem Granit thronend. Manche bedauern diese Anordnung, denn die sehr gut gelungene Statue kann man so nicht im Detail betrachten.

1822 wurde dem General Alvear im Montevideaner Exil sein Sohn Torcuato Antonio de Alvear y Sáenz de la Quintanilla geboren. Präsident Julio Argentino Roca ernannte ihn 1883 zum ersten Bürgermeister von Buenos Aires (bis 1887), und als solcher setzte Torcuato für die aufstrebende Hauptstadt zahlreiche bauliche Reformen durch, inspiriert an modernen europäischen Großstädten wie vor allem Paris, London und Rom. Er war es auch, der die Öffnung der Avenida de Mayo durchsetzte.

Einigen noch präsent sein dürfte Marcelo Torcuato de Alvear (1868-1942), der zwischen 1922 und 1926 verfassungsmäßiger Präsident Argentiniens war. Seine Amtszeit war geprägt durch den wirtschaftlichen Wieder-

aufschwung nach dem ersten Weltkrieg, den Fortschritt auf dem Gebiet des Automobils, des Straßenbaus und des Erdöls, sowie das Fehlen von Konflikten im allgemeinen.

Für manche jedoch ist „Marcelo T.“ in der Erinnerung im Zusammenhang mit Regina Paccini, eine fast gleich-altrige Sängerin, die er 1907 ehelichte. Während des ersten

Die Alvear mit dem langen StammbaumVon Marlú Kirbus

Kolumne und Büste zur Erinnerung an Bürgermeister Torcuato de Alvear.

Sonnabend, 22. September 2012 - Seite 10 -

Ausflüge & Reisen

Weltkriegs lebte das Ehepaar in Paris und tat sich durch seine Wohltätigkeit hervor, wofür beide den Orden eines Kommandeurs der Ehrenlegion verliehen bekamen.

Auch in ihrem späteren Leben widmete die in Lissabon als Tochter eines italienischen Vaters (Tenor) geborene Re-gina ihre Kraft der Wohltätigkeit, insbesondere durch die Erschaffung der Casa del Teatro für hilfsbedürftige Schau-spieler. Bezeichnenderweise wurde die Paccini, ähnlich wie später Evita, von der „aristocracia bovina“, der argentini-schen High Society, abgelehnt. Die Stadt Villa Regina im Alto Valle del Río Negro (Neuquén) soll nach ihr benannt sein.

Ein Denkmal muss nicht unbedingt eine Skulptur oder ein Standbild sein. Eine Gedenktafel aus Bronze oder Marmor tut es auch. Im Falle der Alvear sind die Protagonisten neben Monumenten auch in Straßen, Boulevards, Plätzen und Theatern verewigt. Das Alvear Palace Hotel ist wohl das am häufigsten zitierte Bauwerk mit dem Namen dieses bemerkenswerten Geschlechts. Bald wird auch das höchste Bauwerk Südamerikas diesen Namen tragen.

Das Reiterstandbild von Carlos María de Alvear in der Recoleta.

Interessieren Sie sich für Sport? Möchten Sie wissen, wie Ihr Lieblingsclub gespielt hat?

In der neuen Online-Ausgabe des Argentinischen Tageblatts gibt es noch mehr Artikel. Fotos und Videos dazu, und außerdem die vollständigen Tabellen der argentinischen Liga.

Sonnabend, 22. September 2012 - Seite 11 -

Gemeinschaften

Jeder möchte, ja braucht sogar Highlights in seinem Leben. Dazu gehörte sicher der DWG-Abend in der Re-sidenz der Deutschen Bot-schaft, deren Räume, wie in den 17 zurückliegenden Jahren der neue Botschafter der Bundesrepublik Deutsch-land, Bernhard Graf von Waldersee und seine Gattin Katerina Gräfin von Wal-dersee für diesen Anlass zur Verfügung gestellt hatten.

Langsam füllte sich der Saal für diesen Event, in Erwartung einer, wie ange-kündigt, prickelden Show des Humors, des Theaters und der Musik, deren Künstler sowohl gekonnt vorführten als auch das Publikum in einem lustigen Frage-Ant-wortspiel beteiligten.

Nach der herzlichen Begrüßung des Botschafters, der in warmen Worten allen den Anwesenden wie auch allen Sponsoren der DWG (Für dieses Konzert: Sra. Hebe C. de Roemmers – Platin-Sponsor; Wintershall und Mercedes-Benz – Gold-Sponsoren; KPMG und Volkswagen – Silber-Sponsoren; Sra. Beatriz E. de von Buch, Henkel, Knauf und Transportes Universales: – Bronze-Sponsoren); sowie den korporativen Sponsoren, die die DWG das ganze Jahr unterstützen: Allianz, Cencosud, Mercedes Benz, Roemmers und Wintershall – Platin-Sponsoren; BASF und Siemens Fundation – Gold-Sponsoren; Deutsches

Hospital und Volkswagen – Silber-Sponsoren sowie Bayer – Bronze-Sponsor) den Dank aussprach für ihr soziales Engagement und Verantwortung bei dieser so wichtigen Mission der DWG. Gleichzeitig stellte er sich den Anwesenden als neuer Botschafter vor, der mit diesem Event seinen ersten größeren öffentlichen Auftritt vollzog. Anschließend sprach der Präsident der DWG, Juan Diego Finsterbusch: Seiner Rede voraus gingen selbstverständ-lich Begrüßungs- und Dankesworte an den neuen Bot-schafter und das Publikum. Besondere Erwähnung zollte

Ein glänzend-schimmernder Abend mit „Los Amados“ zugunsten der DWGVon Helma Rissel

v.l.n.r: Bernhard Graf von Waldersee, Juan Diego Finsterbusch, Pilar Albrecht und Gustavo Albrecht (Wintershalls-CEO)

Sonnabend, 22. September 2012 - Seite 12 -

Gemeinschaften

er der Peso-Einnahme von 435.000, nicht weit entfernt von der geplanten Einnahme von 450.000, die für den Umbau von Wohnräumen in Los Pinos bestimmt sind, um über mehr Einzelzimmer zu verfügen und für die gestellte Mission, Menschen in Not zu helfen, d.h. insgesamt mehr als 3000 Familien zu unterstützen im Großraum Buenos Aires und in verschiedenen Provinzen des Landes. Die Fürsorgetätigkeit der DWG ist nur möglich, dank der Zusammenarbeit mit anderen Organisationen im Innern des Landes wie auch mit dem Deutschen Hospital und erstreckt sich auf die Unterstützung des Maria Luisen Kinderheims in Villa Ballester. Bei dieser Arbeit habe sich die Mindener Hilfe in Deutschland mit der Zusen-dung von Containern (Familien Panthenius/Reckziegel) mit Hilfsmaterial sehr engagiert. Das heißt Dank an alle Sponsoren, Spender und Wohltäter der DWG, die in so-zialer Verantwortung und mit viel Engagement helfen, um Not zu lindern. In diesem Zusammenhang erwähnte er „das Argentinische Tageblatt“ und andere Medien, die dank ihrer Veröffentlichungen aktiv mithelfen zu helfen. Besondern Dank sprach er auch dem Personal der DWG – den Damen Mónica Illing, Gladys Rottenbücher und Angélica Albospino wie auch der sowie der Frau Konsul Nicole Heins, Frau Peggy Reichert und weiterem Perso-nal der Botschaft - für ihre effiziente Unterstützung und

Zusammenarbeit bei der Organisation und Durchführung dieser Benefizveranstaltung aus.

Und dann öffnete sich der virtuelle Vorhang zu einer Show, die für alle das lachende Auge ansprach, bei die-sem ansteckenden Mix aus Humor, dem Bolerotanz und Lateinamerika-Rhythmen. Unter der Leitung von Alejo Chino Amado und seiner Show verging die Zeit wie im Fluge, immer gespickt mit heißen Rhythmen der Band, die schon viele Preise für ihre Leistung gewonnen hat. Zum Schluss der Show wiegte sich das gesamte Publikum im Takt des dargeboten Rock ‘n’ Roll.

Im Anschluss an den Kunstgenuss folgte die kulinari-sche Befriedigung der Anwesenden mit einem üppigen, reichhaltigen vom Botschafter und seiner Gattin gestif-tetem Büfett.

Wer Gutes tut, dem geht es gut, sagt ein Sprichwort, und weiterführend könnte man sagen, dass immer ein weinendes und lachendes Auge bestehen wird, dieses Mal wurde das lachende für einen guten Zweck gefüttert und erheitert.

Alejandro Viola (Sänger und Direktor der Band „Los Amados“) begrüsst die Gattin des Deutsche Botschafters,

Katerina Gräfin von Waldersee.

„Los Amados“.

Sonnabend, 22. September 2012 - Seite 13 -

Wirtschaft

Am Mittwoch kündigte Präsidentin Cristina Kirch-ner an, dass sie das Projekt über Arbeitsunfälle und –krankheiten im Kongress eingebracht hat. Sie hatte diese Reform schon vor über einem Monat angekündigt. Das Problem, auf das sie jetzt hinwies, nämlich die zahl-reichen Prozesse, die sich aus dem Umstand ergaben, dass der Arbeitnehmer zunächst die im Gesetz vorge-sehe Entschädigung beanspruchen und dann noch vor Gericht einen höheren Betrag fordern konnte, war von Unternehmerverbänden schon vor acht Jahren vorgelegt worden. Dies bedeutete eine erhebliche Verteuerung der Arbeitkosten. Erst jetzt hat CK gemerkt, dass dabei vornehmlich die Arbeitsanwälte üppig verdienen, also die Partner von Arbeitsminister Carlos Tomada in sei-ner Kanzlei und seine Kollegen. Auf dies hat sie erneut hingewiesen, offensichtlich jedoch nicht gemerkt, dass die Hinausschiebung der Lösung eine verkappte Form der Korruption darstellt.

Das neue Gesetzesprojekt sieht vor, dass die Bean-spruchung der im Gesetz vorgesehen Entschädigung gleichzeitig den Verzicht auf einen Prozess mit sich bringt. Wer hingegen auf diese Zahlungen verzichtet, kann vor Gericht klagen. Ein Weg schliesst den anderen aus. Dabei handelt es sich gemäss dem neuen Projekt um eine Zivilklage und nicht um einen Arbeitsprozess. Das ist deshalb wichtig, weil die Arbeitsrichter zum grossen Teil ehemalige Gewerkschaftsanwälte sind, was bei den Zivilrichtern nicht der Fall ist. Die Arbeitnehmer können gleichzeitig gegen die Arbeitsrisikoversicherungsgesell-schaft (ART) und gegen das Unternehmen klagen. Diese können sich jedoch auch gegen dieses Risiko versichern.

Die gesetzlichen Entschädigungen werden um 20% erhöht, wobei der Zusatz den “moralischen Schaden” ausgleichen soll, also die Unannehmlichkeiten, die mit einer Arbeitskrankheit und einem Unfall verbunden sind, die nicht direkt zum Ausdruck kommen. Die Zah-lungen müssen binnen 15 Tagen erfolgen. Die Beträge der Entschädigungen werden alle sechs Monate im Ausmass des Lohnindices des Arbeitsministeriums erhöht. Vor-sichtshalber wurde der Index der Konsumentenpreise des INDEC hier bei Seite gelassen. CK erwähnte, dass die Entschädigung für einen Todesfall dabei von den $ 180.000, die im Januar 2010 festgesetzt worden waren, auf $ 383.000 steigt.

Die Anwaltshonorare werden bei Prozessen auf 20% beschränkt, und die Abkommen, bei denen der Anwalt einen Prozentsatz auf den schliesslich gezahlten Betrag erhält (“cuota litis”), werden verboten. Ebenfalls werden die Provisionen der Makler dieser Versicherungen von 35% auf 20% gesenkt.

In der Tat dürften die Arbeitnehmer dazu neigen, die gesetzlichen Entschädigungen zu beanspruchen, und auf den Prozessweg zu verzichten. Denn in diesem Fall er-

halten sie die Entschädigung viel später. Das bestehende Gesetz, das als solches weiter in Kraft bleibt, sieht auch vor, dass die Kosten der ärztlichen Behandlung sofort gedeckt werden, während beim Prozessweg der Arbeit-nehmer keine unmittelbare Deckung hat.

Das bestehende Gesetz stammt aus dem Jahr 2006 und wurde vom damaligen Arbeitsminister José Armando Caro Figueroa redigiert, der das spanische Gesetz als Vorbild nahm, es jedoch verbesserte. Es war ein er-folgreiches Gesetz, das einem chaotischen Zustand ein Ende setzte, der seit 1984 bestand. Mit dem Übergang der Militärregierung auf die Demokratie wurden neue Richter ernannt, wobei die Gewerkschafter über die Justizialistische Partei im Senat erreichten, dass bei Ar-beitsgerichten ihre Leute ernannt wurden. Diese Richter setzten absurd hohe Entschädigungen fest, und stuften allerlei normale Krankheiten als Arbeitskrankheiten ein. Das Gesetz von 1995 enthält deswegen auch eine Liste von Arbeitskrankheiten. Die Entschädigungen gingen ab 1984 explosiv in die Höhe, und die Versicheruns-gesellschaften gingen dazu über, keine Arbeitsrisiken mehr zu versichern. Viele Kleinunternehmen konnten die Entschädigungen nicht zahlen, und einige mussten dabei aufgeben. Grossunternehmen gingen dabei auf Ei-genversicherung über, wobei sie in vielen Fällen schon ein System hatten, das auch sofortige ärztliche Behandlung mit einschloss. Dabei verzichtete der Arbeitnehmer auf den Prozessweg.

Das Problem mit dem Gesetz entstand, weil die Ar-beitsanwälte plötzlich kaum noch Prozesse und somit auch keine Einnahmen hatten. Sie übten politischen Druck aus, verteufelten den Obersten Gerichtshof der Menem-Regierung, und erreichten schliesslich, dass der neue Gerichtshof, mit Mitgliedern, die von Néstor Kirch-ner ernannt worden waren, die Verfassungswidrigkeit des Verbotes erklärte, einen Prozess einzuleiten, auch wenn schon eine Entschädigung kassiert worden war. Auch in anderen Aspekten wurde das Gesetz als verfassungswid-rig erklärt. Das neue Projekt überwindet die Einwände des Obersten Gerichtshofes, indem dem Arbeitnehmer die Wahl überlassen wird, welchen Weg er geht, aber ihm der Prozessweg jenoch nicht verboten wird.

Gegenwärtig sind 550.000 Unternehmen dem System an-geschlossen, die insgesamt 8,7 Mio. Arbeitnehmer beschäf-tigen. Die Zahl der Arbeitsunfälle und –krankheiten wird auf 550.000 pro Jahr geschätzt. Das Gesetz vom Jahr 1995 hat auch erreicht, dass die Arbeitsunfälle und –krankhei-ten stark abnahmen, weil die ARTs mit den Unternehmen bei Vorbeugungsmassnahmen die Tarife senken. CK wies darauf hin, dass über diesen Aspekt der Arbeitsproblematik an einem neuen Gesetz gearbeitet werde.

Die Reform des Gesetzes über Arbeitsrisiken

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Wirtschaft

Am Donnerstag erklärte Wirtschaftsminister Hernán Lorenzino vor der Deputiertenkammer die Grundlagen des Haushaltsgesetzes für 2013. Das echte (als “finanziell” bezeichnete) Defizit wurde für dieses Jahr (2012) auf $ 34,22 Mrd. veranschlagt, wobei jedoch $ 27,96 Mrd. an Zuschüssen der ZB, der ANSeS u.a. staatlicher Ämter als echte Einnahmen gebucht wurden, obwohl sie es nicht sind. Ohne dies steigt das Defizit auf $ 62 Mrd. Das pri-märe Ergebnis (ohne Berücksichtigung der Zinsen auf die Staatsschuld) wird im Projekt für 2013 mit einem Überschuss von 2,32% des BIP veranschlagt, wobei das finanzielle Ergebnis, mit Zinsen, praktisch ausgeglichen ist, wie es die Präsidentin in letzter Minute gefordert hatte, allerdings mit viel kreativer Buchhaltung.

Die gesamten Steuereinnahmen im weiteren Sinn wer-den auf $ 822,07 Mrd. veranschlagt, 22,7% mehr als 2012. Davon verbleiben $ 570,94 Mrd. für den Nationalstaat, was 23,1% mehr als im Vorjahr darstellt. Die Gesamtausgaben sollen bei einem leicht geringeren Prozentsatz zunehmen. Voraussichtlich werden die Einnahmen jedoch höher liegen, da die Inflation wohl auf etwa dem gegenwärtigen Stand verbleibt und mit einer besseren Konjunktur gerech-net wird. Der Überschuss wird dann vom Kabinettschef willkürlich verteilt.

Dr Haushalt 2013 wurde auf folgenden Voraussetzungen aufgebaut:u Das Bruttoinlandsprodukt soll um 4,4% auf $ 2.552 Mrd. zunehmen, was gleich u$s 500 Mio. wäre. In Dollar nimmt das BIP wegen des zurückbleibenden Wechselkur-ses stärker zu als in konstanten Pesos. Dabei wird jedoch von einer BIP-Zunahme von 3,4% (auf $ 2.163 Mrd.) im Jahr 2012 ausgegangen, was zu hoch erscheint. u Die Zunahme des Indices der Konsumentenpreise wird auf 11,2% (Jahresdurchschnitt 2013 bezogen auf 2012) veranschlagt, verglichen mit 10% in diesem Jahr. Von Dezember 2012 bis Dezember 2013 beträgt die Zunahme 10,8%, gegen 10,7% im Jahr 2012. Die Indexfälschung soll somit weitergehen, obwohl dem IWF eine Neuberechnung versprochen wurde.u Der Wechselkurs soll 2013 durchschnittlich 5,10 Pesos zum Dollar betragen, gegen $ 4,53 im Jahr 2012. Die Ab-

wertung würde somit 12,6% ausmachen, leicht über der Zunahme der internen Preise. Dies bedeutet in der Praxis eine Verschärfung der Überbewertung des Peso.u Die Exporte werden auf u$s 92,85 Mrd. veranschlagt, gegen u$s 82,30 Mrd. in diesem Jahr. Die Zunahme ist bei der erwarteten höheren Ernte von Getreide und Ölsaaten, und auch höheren Kfz-Exporten nach Brasilien zu erwar-ten, und sollte eigentlich höher sein.u Die Importe werden auf u$s 79,52 Mrd. veranschlagt, gegen u$s 70,06 Mrd. in diesem Jahr. Nachdem die Im-porte dieses Jahr künstlich verringert wurden, und bei guter Konjunktur ohnehin mehr importiert wird, sollte der Betrag für 2013 höher sein.u Der Aussenhandelsüberschuss wird auf u$s 13,32 Mrd. veranschlagt, gegen u$s 12,25 Mrd. 2012.

Das Gesetzesprojekt bestimmt auch, dass der Staat Mittel in Höhe von $ 34,34 Mrd. aufnehmen kann, um Infrastrukturinvestitionen zu finanzieren. Das wäre dann ein zusätzliches Defizit, da bei der Staatsbuchhal-tung Ausgaben und Investitionen zusammengezählt werden. Dann sind $ 2 Mrd. für einen Fonds vorgese-hen, der für die Finanzierung von YPF bestimmt ist. Die Steuerschulden von Aerolíneas Argentinas werden gestrichen, was eine weitere verkappte Subvention dar-stellt. Der Import von Gas, Dieselöl und Benzin wird von Zöllen und Steuern befreit und mit bis zu $ 12 Mrd. subventioniert. Die Schulden von CAMMESA, Enarsa und Edisa, die sich aus subventionierten Stromtarifen ergeben, werden erlassen. Das müsste jedoch als Staats-ausgabe gebucht werden. Von den ZB-Reserven sollen 2013 u$s 7,97 Mrd. für Schuldenamortisation eingesetzt werden.

Der Haushaltsvoranschlag ist auf irrealen Grundlagen aufgebaut und enthält viele Schätzungen, die nicht erfüllt werden können, und auch viel kreative Buchhaltung. In der Tat wird das Budget somit im Laufe des Jahres 2013 effektiv gestaltet, mit kontinuierlichen Änderungen. Es ist auf alle Fälle positiv, dass ausgeglichene Staatsfinanzen angestrebt werden.

Das Budget für 2013

Sonnabend, 22. September 2012 - Seite 15

Wirtschaft

ArgentinienDer Dollarkurs schloss am Donnerstag zu $ 4,695, um

0,11% über der Vorwoche und um 8,68% über Ende De-zember 2011. Die ZB-Reserven betrugen zum Donnerstag u$s 45,24 Mrd. Der Rofex Terminkurs lag zum 30.09. bei $ 4,695, zum 30.12. bei $ 4,923 und zum 31.03.13 bei $ 5,183. Der Terminkurs per Ende September 2013 lag um 23,17% über dem Tageskurs. Der Schwarzkurs erreichte bei Dollarnoten ca. $ 6,32 und bei Überweisungen ca. $ 6,54.

***Der Merval Aktienindex der Börse von Buenos Aires

verzeichnet in einer Woche zum Donnerstag ein Minus von 0,32 %, und lag 1,55% über Ende 2011.

***Par-Bonds in Pesos notierten zur Vorwoche 1,12% im

Plus und lagen 11,10% unter Ende 2011. Discount-Bonds in Pesos gewannen zur Vorwoche 1,68% und lagen um 3,16% unter Ende 2011. Boden 2014 gewannen 0,54% und gingen im Laufe dieses Jahres um 4,81% zurück. Boden 2015 gewannen zur Vorwoche 2,69% und lagen 5,35% im Minus, und Boden 2013 gewannen zur Vorwoche 1,63% und verzeichneten ein Plus von 5,83% seit Jahresbeginn.

***Gold wurde am Donnerstag in Buenos Aires (Banco

Ciudad) bei 18 Karat zu $ 176,52 (Vorwoche $ 175,97) je Gramm gehandelt, und bei 24 Karat zu $ 252,17 (Vorwoche $ 251,38).

***Der Leiter von YPF, Miguel Galuccio, unterzeichnete

Ende der Vorwoche ein Abkommen mit dem Direktor für Lateinamerika und Afrika des US-Erdölunterneh-mens Chevron, Alí Moshiri, über die Ausbeutung des Schiefergaslagers Vaca Muerta in Neuquén. Chevron, die schon 5% bis 6% des argentinischen Erdöls fördert, hat die diesbezügliche Technologie in den letzten 15 Jahren in den USA entwickelt. YPF hat sie indessen nicht. Es handelt sich jedoch vorläufig nur um ein Absichtsabkommen, wo-

bei die wichtigsten Aspekte, nämlich die wirtschaflichen Bedingungen und vor allem der Gaspreis noch bestimmt werden müssen.

*** Die Steuereinnahmen der Provinzen lagen insgesamt

in 7 Monaten 2012 um 25,3% über der gleichen Vorjah-resperiode, hat das Argentinische Institut für die Ent-wicklung Regionaler Wirtschaften (IADER) ermittelt. Die Zunahme ist fast gleichhoch wie bei den nationalen Steuern, die dieses Jahr um 25,5% über dem Vorjahr la-gen. Doch bei den einzelnen Provinzen bestehen grosse Unterschiede: die höchste Zunahme hatte Mendoza, mit 53,3%. Es folgen Entre Rios mit 46,1%, Catamarca mit 45%, Formosa mit 33,4%, Tucumán mit 31,5%, San Juan mit 31,5%, San Luis mit 31,1%, Neuquén mit 29,7%, die Bundeshauptstadt mit 29,4%, Tierra del Fuego mit 29,3%, Córdoba mit 27,9%, Rio Negro mit 27,1%, Buenos Aires mit 26,6%, Chaco mit 25,2%, Santa Fé mit 22,5%, Jujuy mit 21,9% und Salta mit 21%.

***Das Erdölunternehmen Shell führt Bohrarbeiten für

ca. u$s 17 Mio. in Salinas Blancas, Provinz Neuquén, durch. Bei erfolgreichen Ergebnissen, soll von hier aus die Raffinerie in Dock Sud beliefert werden. Shell war bisher in Argentinien nicht auf dem Gebiet der Erdölförderung tätig. Die angestrebte vertikale Integration ist eine Neu-igkeit.

***Die Depositen bei Investmentfonds erreichten im

August $ 40 Mrd., eine Zunahme um 1,8% gegenüber dem Vormonat. Diese Steigerung wurde durch eine ver-stärkte Neigung von Anlagen in den verschiedenen Fonds vom Geldmarkt (“money market”) beflügelt, deren Mittel vorwiegend für Konsumfinanzierung eingesetzt werden, bei raltiv hohen Zinsen. Bei diesen Fonds werden alle Anlagen in argentinische Pesos angeboten. Hier betrug das Plus 7,7%. Dagegen fielen die Investitionen in Aktien

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Wirtschaft

sowie in Mischfonds.***

Um 18,5% gegenüber dem Vorjahr stieg die Anzahl argentinischer Auslandsreisenden. Die Auslandsüber-nachtungen stiegen dabei um 11,4% gegenüber dem Berichtszeitraum. Die Auslandsausgaben betrugen fast u$s 2 Mrd., 27,4% mehr als im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres.

***Um 2,7% innerjährlich fielen im August die Ver-

käufe gebrauchter Autos u.a. KfZ (167.691 Einheiten). Gegenüber Juli, als 151.937 Kfz den Besitzer wechselten, stieg der Verkauf in Einheiten um 10,37%. In den ersten acht Monaten wurden 1.16 Mio. Einheiten verkauft, ein Rückgang um 2,86% gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

***Die Erdölproduktion von YPF lag im Juli 2012 um

10,24% über dem gleichen Vorjahresmonat, und in 12 Monaten zum Juli um 7,21% über der vorangehenden 12-Monatsperiode, berichtet das Energieinstitut Gene-ral Mosconi. Hingegen lag die Gasförderung von YPF im Juli um 1,63% unter dem gleichen Vorjahresmonat, und in 12 Monaten zum Juli um 5,57% unter der vorangehenden 12-Monatsperiode.

***Der Stromverbrauch ist im August innerjährlich

leicht um 0,8% gestiegen, hauptsächlich von der Nach-frage im Landesinnere getrieben. Wie Fundelec (Fund-ación para el Desarrollo Eléctrico) weiter berichtet, lag die Gesamtnachfrage netto bei 10.406,7 Gigawatt. Thermische Energie war mit 63% die Hauptquelle, gefolgt von hydro-elektrischer Energie (31,6%) und der Atomergie (5,7%).

***Argentiniens grösstes Bergbauunternehmen La

Alumbrera (eine Tochter des schweizerischen Xstrata Konzern) vereinbarte mit dem argentinischen Un-ternehmen IPH die Produktion von Stahlkabeln für Schaufelbagger. Das erlaubt IPH, Investitionen von bis zu u$s 15 Mio. durchzuführen, und $ 25 Mio. für Importe zu sparen, die überwiegend aus Chile und den USA stammen.

***Der Fall der Zahlung der Provinzregierung von For-

mosa von $ 7,6 Mio. an den Fonds “The Old Fund”, der von Alejandro Vandenbroele geleitet wird, wird immer mehr belastend für Vizepräsident Amado Boudou. Am 21. Mai 2010 erhielt der Fonds das Geld über einen pro-vinziellen Fonds, den FonFiPro, der kleine Kredite (bis zu $ 20.000) an Kleinunternehmen vergibt und unabhängig von der öffentlichen Provinzverwaltung verwaltet wird. Der Betrag wurde von “The Old Fund” zunächst als Kredit gebucht, danach als Zahlung für Dienstleistungen, deren Natur jedoch nicht angegeben wird, wobei der Fonds auch nicht über eine Struktur verfügt, die für Beratun-gen dieser Art geeignet wäre. Abgesehen davon kann es bei der Regelung einer innerstaatlichen Schuld, nämlich von einer Provinz an den Nationalstaat, keine privaten Zwischenhändler oder Berater geben. Richter Ariel Lijo, dem eine Klage in dieser Angelegenheit vorliegt, hat bisher nicht erreicht, dass Gouverneur Gildo Insfran und/oder Amado Boudou, der damals Wirtschaftsminister war, eine Erklärung über den Fall abgeben. Offensichtlich handelt es sich um einen reinen Diebstahl, der mit Zustimmungen des Gouverneurs und des Wirtschaftsministers vollzogen wurde, die somit verdächtigt werden, das Geld eingesteckt zu haben. Für Boudou ist dieser Fall schlimmer als der von Ciccone, weil es hier überhaupt keine Rechtfertigung gibt.

***In einem sogenannten “Mosconi-Bericht”, den die

neue Leitung von YPF ausgearbeitet hat, wird darauf hingewiesen, dass Repsol zwischen 1997 und 2011 die Erdölproduktion von YPF und 56% und von Gas um 64% verringert habe, bei einem gleichzeitigen Rückgang der Reserven um 49%. In den ersten vier Jahren der Ver-waltung von YPF durch Repsol seinen Auslandsaktiven für u$s 3,06 Mrd. verkauft worden, womit YPF 70% der Erdöl- und Gasreserven im Ausland verloren habe.

***Der Aussenhandelsausschuss der Deputiertenkam-

mer hat letzte Woche dem Projekt über einen Zollko-dex für den Mercosur zugestimmt, der die Grundlage

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Wirtschaft

einer zukünftigen Zollunion bilden soll. Es wurde nicht erklärt, ob und wie dies das bestehende argentinische Zollgesetzbuch ändert, das im Januar 1981 (unter der Mili-tärregierung, mit J. A. Martinez de Hoz als Wirtschaftsmi-nister) verabschiedet wurde und seither mit geringfügigen Änderungen weiter besteht. Die Abschaffung der Zölle im Handel zwischen den Mercosur-Staaten und die Verein-heitlichung der Zollsätze gegenüber Drittländern wurde schon Anfang der 90er Jahre in den Mercosur-Verträgen vereinbart, aber nur zum Teil durchgeführt. Während jetzt das Parlament in Richtung einer Vertiefung des Mercosur geht, schreitet die Regierung auf Anweisung von Binnenhandelssekretär Guillermo Moreno in die entgegengesetzte Richtung vor, mit Schaffung von Hin-dernissen für Importe aus Mercosur-Staaten.

***Das Projekt über Reform und Vereinheitlichung des

Zivil- und Handelsgesetzbuches sieht angeblich vor, dass die Verjährungsfrist bei provinziellen Steuern von jetzt 5 auf nur 2 Jahre verringert wird. Der Deputierte der Regierungspartei “Frente para la Victoria” für Salta, Fernando Yarade, wies in einem Brief an die bikamerale Kommissión, die das Projekt studiert, darauf hin, dass die Provinzregierungen in einer so kurzem Frist nicht in der Lage seien, die Schulden einzutreiben. Er schlug vor, dass die Festsetzung der Verjährungsfristen den Provinz-regierungen überlassen werde. In der Tat kommt eine so kurze Verjährungsfrist in der Praxis einer Weisswaschung gleich, die die Steuerhinterziehung fördert.

***Der Gouverneur der Provinz Buenos Aires, Daniel

Scioli, bemüht sich intensiv um die Steuerreform, die im Wesen in einer Erhöhung der städtischen Immobili-ensteuer (vor allem bei Häusern in Country Clubs), der Steuer auf teure Automobile, der Bruttoumsatzsteuer für Unternehmen mit einem hohem Umsatz, und der Stempelsteuer für landwirtschaftliche “Pools” bezieht.

***Der Internationale Währungsfonds hat der argentini-

schen Regierung eine Frist von drei Monaten gegeben,

um die Statistiken des INDEC (im Wesen die Statistik über die Konsumentenpreise, die notorisch gefälscht wird) in Ordnung zu bringen. Argentinien steht kurz vor einer IWF-Mahnung, die zunächst den Verlust des Stimm-rechtes im Vorstand zur Folge hat, und dann den Weg zu einem Ausschluss eines Landes einleitet. Angeblich waren schon 10 Staaten der Meinung, dass diese Mahnung schon jetzt hätte erfolgen müssen. Diese Staaten beziehen ihre Kritik an Argentinien nicht nur auf die Fälschung der Preisstatistik (die die Inhaber von Staatspapieren in Pesos mit CER-Indexierung schädigt), sondern auch über die Importbeschränkungen, die die WHO-Ordnung verlet-zen, sowie über die Weigerung, Schulden zu zahlen und mit Gläubigern zu verhandeln.

***Ein Bericht des Kontrollamtes “Auditoría General de

la Nación”, das vom Parlament abhängt, weist darauf hin, dass das staatliche Energieunternehmen Enarsa dem staatlich kontrollierten Unternehmen YPF einen Preis für importiertes Dieselöl zugestanden hat, der über dem Weltmarktpreis liegt, und ausserdem bei Frachten und Versicherungen für diese Importe Auf-schläge von 200% genehmigt hat.

***Ein weiterer Bericht der “Auditoría General de la

Nación” hat ermittelt, dass ein Kredit der Interameri-kanischen Entwicklungsbank (BID) für die Beseitigung von offenen Mülllagern in Tourismusgebieten, der aus dem Jahr 2007 stammt, nur zu 17% effektiv abgehoben wurde, so dass die BID eine Busse von u$s 126.216 ver-hängte. Es handelte sich um einen Kredit von u$s 60 Mio., der an die Auflage gebunden war, dass der argentinische Staat u$s 15 Mio. besteuert. Die Durchführung des Pro-gramms wurde den Staatssekretariaten für Tourismus und für Umwelt anvertraut, wobei jedoch nur 19 Gemeinden sich anschlossen. In Argentinien bestehen ca. 50 Touris-musgebiete, die mehr als eine Gemeinde umfassen, und 470 Naturschutzgebiete.

***Die argentinische Regierung hat ein Abkommen über

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Wirtschaft

gegenseitige Unterstützung in steuerlichen Angelegen-heiten mit der Organisation für Entwicklung und Zu-sammenarbeit OCDE (“Organisation for Cooperation and Develeoment of the Economy”) unterzeichnet, das sich auf einen erweiterten Datenaustausch bezieht. Bei der letzten Konferenz der G20 in Cannes, Frankreich, wurde der Beschluss bestätigt, sich aktiv an der Konven-tion über gegenseitige Hilfe für die Steuerverwaltung zu beteiligen.

***Die wirtschaftliche Tätigkeit lag im August 2012 um

0,5% unter dem gleichen Vorjahresmonat, aber um 0,9% über Juli 2012, hat eine Schätzung des Ökonomen Orlando Ferreres ermittelt. Für 8 Monate schätzt er ein gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum unverändertes BIP.

***Die ZB hat am Dienstag Wechsel für $ 2,65 Mrd.

zugeteilt, muss jedoch einen Betrag von $ 2,84 Mrd. amortisieren, so dass sich eine monetäre Expansion von $ 500 Mio. ergab. Die Zinsen blieben auf dem Niveau der Vorwoche.

***Binnenhandelssekretär Guillermo Moreno leitete

eine über hundertköpfige Unternehmerdelegation aus dem Bereich der Zulieferanten der Kfz-Industrie nach Sao Paulo, Brasilien, um über Lieferungen an die brasili-anischen Kfz-Fabriken zu verhandeln. Fabio Rozenblum, Vorsitzender des Verbandes argentinischer Fabrikanten von Zubehörteilen, äusserte sich zuversichtlich und rechnet mit einen beträchtlichen Wachtumspotenzial, nicht zuletzt auch wegen der Importsubstitutionen aus Drittländern und den Ergänzungsmöglichkeiten mit der brasilianischen Autoteileindustrie.

***Laut einer Studie der Universidad Técnica Nacional

(UTN) wuchs die Wirtschaftsleistung in der Provinz San Juan dank des Bergbausektors zwischen 2005 und 2011 um 88%. Durch die Inbetriebnahme des Bergwerks von Veladero haben die Wirtschaftsindizes der Provinz

einen wichtigen Schub erhalten. Seitdem habe San Juan ihre Beteiligung am nationalen BIP von 0,96% auf 1,29% erhöhen können. Es ist begreiflich, dass Gouvernuer Gioja den Bergbau energisch verteidigt.

***Wie das Statistikamt INDEC am Dienstag mitteilte,

hatten im Juni 9,9 Mio. Haushalte Zugang zum Internet, bei einer innerjährlichen Steigerung der Anschlüsse von 52%. Die Breitbandanschlüsse wuchsen innerjährlich um 56%, während die der Unternehmen, Behörden, Schulen oder Nichtregierungsorganisationen im Berichtszeitraum ein Wachstum von 73,7% auf 1,76 Mio. Anschlüsse ver-zeichnen konnten.

***Präsidentin Cristina Kirchner kündigte am Mittwoch

eine Ausweitung des Programmes über Kredite der Ban-co Nación für Lastwagenkäufe an. Jetzt werden auch die Unternehmen eingeschlossen, die Omnibusdienste aus-serhalb der Städte bieten, sowie Traktoren u.a. Landwirt-schaftsmaschinen, und auch Maschinen für Strassenbau, die Motoren haben. Ebenfalls sollen die Fabrikanten dieser Produkte von der Banco Nación finanziert werden. Das Gesamtkontingent für diese Kredite beträgt $ 8,5 Mrd., von denen schon $ 700 Mio. für 2.107 Lastwagen und 729 Anhänger beantragt und $ 350 Mio. genehmigt worden sind. Die Zinsen werden bei diesen Krediten mit 7,5 Pro-zentpunkten subventioniert, die das Transportsekretariat über die Banco Nación zahlt. Eine weitere Neuerung besteht darin, dass jetzt auch Leasingkredite zugelassen werden, bei denen der Kreditgeber Eigentümer des finan-zierten Objektes ist, bis der Kredit ganz amortisiert wird. Diese Kredite sind nur für Objekte bestimmt, die im Land erzeugt werden. Der Zinssatz beträgt netto für kleine und mittlere Unternehmen 6,5%, für grosse 9,5%.

***Der Umsatz von 1.100 Geschäften, die Haushaltsge-

räte verkaufen und vom INDEC erfasst werden, lag im 2. Quartal 2012 zu konstanten Preisen (also in Mengen) um 1,6% unter dem Vorjahr. Dennoch verzeichnet Juni eine Erholung. Vom Gesamtumsatz entfällt 30% auf

Sonnabend, 22. September 2012 - Seite 19

Wirtschaft

Fernsehgeräte. An zweiter Stelle stehen Computer und an dritter Küchenherde, Heizkörper und Thermotanks, und danach kommen Luftkühlanlagen.

***Justizminister Julio Alak hat bekanntgegeben, dass

die Münzanstalt jetzt auch die Ausweise für Kfz und Fahrer, einschliesslich der Patentschilder, ausstellen werde. Seit 1986 wurden sie von privaten Unternehmen gefertigt, die eine Ausschreibung gewonnen hatten. Jetzt sollen sie in der vom Staat übernommenen Ciccone-Druckerei gefertigt werden. Dies ist ein neuer Vorstoss des Staates als Unternehmer.

***Die Provinz Santa Fe erhält einen Kredit von Kuwait

über u$s 100 Mio. auf 20 Jahre zu 3%, der für den Bau eines Kanals im Norden der Provinz bestimmt ist. Ort-schaften in der Nähe der Stadt Reconquista sollen dadurch Trinkwasser erhalten. Die Bauarbeiten beginnen erst im April des kommenden Jahres.

***Der Exportzoll auf Biodieselöl und Sojaöl wird in

Zukunft alle 15 Tage neu festgesetzt, kündigte am Mittwoch Präsidentin Cristina Kirchner an. Zuständig dafür wird eine Kommission sein, die aus Beamten des Wirtschafts-, Planungs- und Industrieminiserium, sowie der Staatssekretariate für Binnenhandel und Energie besetzt sein wird. Wie die Präsidentin weiter mitteilte, wurde diese Vereinbarung gemeinsam mit den Kammern getroffen. Zuletzt wurde am vergangenen 10. August per Dekret der Exportzoll für Biodieselöl von 14 auf 24% an-gehoben. Als Konsequenz verringerte sich der Preis für den Binnenmarkt von $ 5.195 auf $ 4.450 je Tonne. Am

Donnerstag wurde der Exportzoll auf 19,11% festgelegt, fast 5 Prozentpunkte weniger als bisher.

***Die Regierung der Provinz Buenos Aires teilte mit,

dass sie in Country Clubs und geschlossenen Wohnvier-teln 3.300 Grundstücke und 2400 “swimming Pools” entdeckt habe, die nicht angegeben waren. Ausserdem wurden 19 Country Clubs entdeckt, die als unbenutzte Grundstücke angegeben waren, jedoch 816 Häuser hatten.

***Die ZB hat ein System differenzierter Mindestreser-

ven (“encajes”) eingeführt. Für die grossen Städte und deren Umgebung sinken die Mindestreserven allgemein von 19% auf 17% der Girodepositen, und in den anderen Gebieten von 19% auf 15%. Bei Fristdepositen werden die Reserven um einen bzw. zwei Prozentpunkte gesenkt. Hinzu kommt noch eine weitere Herabsetzung der Reser-ven um 3 Prozentpunkte für Banken, die 30% und mehr ihrer Kredite an den Privatsektor an kleine und mittlere Unternehmen vergeben. All dies führt zu einer starken monetären Expansion.

***Der Index der Industrieproduktion des Statistischen

Amtes (INDEC), der als EMI (Estimador Mensual Ind-strial) benannt wird und eine Schätzung auf Grund der kurzfristig verfügbaren Daten über wichtige Bereiche der Industrie darstellt, lag im August 2012 um 0,8% unter dem gleichen Vorjahresmonat, jedoch um 6,2% über Juli 2012. Die ersten 8 Monate 2012 lagen somit um 1,2% unter dem Vorjahr.

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Sonnabend, 22. September 2012 - Seite 20

Wirtschaft

LateinamerikaDie Brauerei CCU Argentina hat in Uruguay über die

Produktion und Vermarktung von Mineralwasser der Marke Nativa sowie der Herstellung der Brause Nix Fuss gefasst. Die Besitzer beider Getränke wurden gänzlich von CCUSA gekauft, das Stammhaus von CCU Argentina.

***Der Präsident des staatlichen bolivianischen Erd-

ölunternehmes “Yacimientos Petrolíferos Fiscales Bolivianos”, Carlos Villegas, gab den Bau einer Eisen-bahnverbindung bekannt, die den Harnstoff einer in Bau befindlichen Fabrik nach Brasilien und Argentinien befördern soll. Die Fabrik in Bulo Bulo, die Ende 2015 in Betrieb genommen werden soll, wird von der Firma

Samsung gebaut, mit einer Investition von u$s 843 Mio., und 80% der Produktion soll exportiert werden.

***Uruguay plant drei Großprojekte mit regionaler

Bedeutung: einen Tiefseehafen, eine Anlage für den Empfang von Flüssiggas und die Erneuerung des Eisen-bahnsystems. Die Projekte machen jedoch nur Sinn, wenn die Integration der Region weiter fortschreitet, weil sonst nach Ansicht von Beobachtern Überkapazitäten entstehen würden. Die Regierung will hier ausländische Investoren anziehen. (Germany Trade & Invest)

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Sonnabend, 22. September 2012 - Seite 21

Wirtschaft

GeschäftsnachrichtenFV

Die Serien Nebraska, Llosa, Llosa Monocomando und Cromoterapia dieses auf dem Gebiet der Aussstatung von Badezimmern führenden Unternehmens wurden mit dem Preis für gutes Design ausgezeichnet.

Inversora Agroindustrial SudamericanaDer bedeutende Erdölunternehmer Alejandro Bulghe-

roni leitet dieses Unternehmen, welches von der britischen Bibendum Wine Ltd. die Firma Argento Wine Company

übernommen hat. Die Investmentgruppe besitzt in der Provinz Mendoza mehrere hundert Hektar, auf denen Weine der Premiumklasse angebaut werden, daneben aber auch die Weinkellerei Vistalba, die uruguayische Weinkellerei Garzón und Renwood Winery in Kali-fornien. Argento Wine Company nimmt sich jetzt vor, einige Weinanbaugebiete im Valle de Uco und Agrelo zu erwerben.

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Sonnabend, 22. September 2012 - Seite 22 -

Wirtschaftsübersicht

Der massive Protest, der am Donnerstag der Vorwoche stattfand, an dem sich eine nie vorher in so grossem Umfang auftretende Men-

schenmenge nicht nur auf der Plaza de Mayo versammelte, sondern auch in den Bezirken Belgrano, Caballito, Olivos (vor der Residenz des Präsidenten), in Rosario, Córdoba u.a. Städten des Landes, brachte allgemein die schlechte Stimmung zum Ausdruck, die gegenüber der Regierung besteht. Die Motive sind vielfältig, wohl mit der anor-malen Häufigkeit von Überfällen und Einbrüchen, von Raub und Mord, an erster Stelle, was direkt mit dem zu-nehmenden Rauschgiftkonsum zusammenhängt. Für all dies hat die Regierung keine Antwort, und das empfindet die Gesellschaft sehr deutlich. Danach kommen andere Themen, wie die zunehmende Einmischung der Regierung in das Privatleben der Einwohner, die in letzter Zeit bei Dollarkäufen und Auslandsreisen krass zum Ausdruck kommt. Und schliesslich geht es noch allgemein um die phänomenale Korruption, die Knebelung der Justiz (die die Korrupten unter Schutz nimmt und anständige Men-schen verfolgt), den Autoritarismus, die Arbeitslosigkeit und nicht zuletzt um die Inflation.

Doch hier besteht eine grosse Heuchelei. Die argenti-nische Gesellschaft will im Grunde keine Stabilität. Die grosse Leistung von Präsident Menem, während einem Jahrzehnt eine interne Preisstabilität erhalten zu haben, wie sie seit fast einem halben Jahrundert nicht mehr bestand und in fortgeschrittenen Staaten üblich ist, wird nur ausnahmsweise anerkannt. Im Gegenteil: sie wird mit Missachtung der Rechte der Arbeiter, Verschwinden vieler Industriebetriebe und allgemeiner sozialer Ungerechtig-keit in Verbindung gesetzt. Dabei wird jedoch gleichzeitig behauptet, die Inflation sei eine unsichtbare Steuer, die vornehmlich die Armen belaste, was den vorangehenden Behauptungen widerspricht. In der Tat hat die Stabilität und die Entlastung des Staates von den Defiziten seiner

Unternehmen damals eine erweiterte Sozialpolitik erlaubt. Stabilität bedeutet viel mehr, als allgemein angenom-

men wird. Lohnerhöhungen können dann nicht mehr bei 25% und mehr liegen, sondern höchstens bei 5%, der Im-port von Gütern, die mit lokal hergestellten konkurrieren, muss zugelassen werden, der Staat muss seine Ausgaben einschränken, die Steuerlast muss gesenkt werden und die Zinsen müssen abnehmen. Alles gleichzeitig! Und eventuell muss dann auch eine Rezessionsperiode in Kauf genommen werden. Der Übergang von einer Inflation von etwa 25% jährlich auf Stabilität, oder auch nur Inflation von 5%, ist traumatisch.

1991 erreichten Menem und Cavallo das Wunder der Stabilität bei gleichzeitig hohem Wachstum, nämlich 9% 1991 und auch 1992. Das war weil massiv privatisiert wurde, was mit einem Effizienzsprung und hohen Inves-titionen begleitet wurde, und die Wirtschaft dereguliert und stark geöffnet wurde. Das liesse sich jetzt nicht wie-derholen. Ebenfalls konnte Menem stabilisieren, nachdem das Land in einem Jahr zwei Hyperinflationswellen erlebt hatte (März 1989 und März 1990), die der Gesellschaft, den Politikern und Gewerkschaftern einen tiefen Schrecken eingejagt hatten, was dem Präsidenten die Möglichkeit gab, hart durchzugreifen. Auch diese Voraussetzung ist jetzt nicht gegeben. Eine Inflation von 200% in einem Monat ist gewiss nicht das gleiche wie eine von 25% in einem Jahr.

Doch die Gewerkschaften, und auch die Arbeitnehmer, sind nicht bereit, auf Lohnerhöhungen zu verzichten, die die vergangene Inflation (und zum Teil auch die erwartete) ausgleichen, die Industrie will keine Importkonkurrenz und die einzelnen Gesellschaftsgruppen versuchen, vom Staat etwas zu erhalten. Würde Cristina Kirchner jetzt ernsthaft auf Stabilitätskurs steuern, so würde ihre An-hängerschaft bestimmt stark schrumpfen.

Die Inflationsheuchelei

Sonnabend, 22. September 2012 - Seite 23 -

Wirtschaftsübersicht

Die Regierung betreibt bewusst eine “verwaltete Infla-tion”. Das wird jedoch offiziell nicht erklärt, wobei die Regierung durch die notorische Fälschung des offiziellen Indices über die Konsumentenpreise, der die Inflation zum Ausdruck bringen soll, dem Problem aus dem Weg geht. Dabei hat man auch den Eindruck, dass man hoch-genommen wird, was auch zur Missstimmung beiträgt. Doch auch wenn die Präsidentin, die ununterbrochen und wohl zu viel spricht, das Inflationsproblem ignoriert, so hat die Regierung eine bewusste Politik, die auf eine Inflation von 20% bis 25% abzielt. Der Streit mit dem CGT-Leiter Hugo Moyano ist entbrannt, als dieser für seine Lastwa-genfahrer 30% beanspruchte. Nachdem 2011 in vielen Fällen Lohnerhöhungen von 35% und auch über 40% erreicht wurden, wurde die Regierung nervös und nahm das Thema ernst. Moyano musste schliesslich nachgeben und sich mit 25% begnügen. Andere Gewerkschafter er-reichten mehr, aber in den meisten Fällen hielten sie sich an die offizielle Richtlinie. Bei Lohnerhöhungen von 30% steigt die Inflation sofort um eine oder zwei Stufen. Dann verkürzt sich der Weg zur Hochinflation und zur Hyper-inflation. Und dann ist es aus mit dieser Regierung. Und das scheint auch CK und ihrer Mannschaft klar zu sein.

Die verwaltete Inflation kommt auch in der Wechsel-kurspolitik zum Ausdruck. Hier gibt die Regierung zu, dass der Kurs durch Käufe und Verkäufe der ZB festgesetzt wird, bei einer Abwertung, die unter der Hälfte der wirkli-chen internen Inflationsrate liegt, jedoch mit der INDEC-Inflation einher geht. Die Regierung will nicht stärker

abwerten, wie es vernünftigerweise sein müsste, weil dann die Inflation angespornt würde und auch der Gewerk-schaftsdruck zunehmen würde. Das Zahlungsbilanzpro-blem, dass bei diesem unterberwerten Kurs entsteht, will die Regierung mit quantitativen Beschränkungen lösen, die jedoch störend auf die Wirtschaft wirken, von der Gesellschaft als Ausdruck des Totalitarismus empfunden werden, und in vielen Fällen zu Preiserhöhungen führen.

Die Bevölkerung scheint in letzter Zeit auch die jähr-liche Preiszunahme von 25% als zu hoch zu empfinden. Das hängt auch damit zusammen, dass diese Inflationsrate weltweit zu einer Ausnahme geworden ist. In Lateiname-rika liegen alle Staaten, ausser Argentinien und Venezeula, unter 10%. Das war früher, besonders in der Nachkriegs-zeit, nicht so. Der UCR-Politiker Ernesto Sanz wies 2011 bei der internen Parteiwahl darauf hin, dass er eine ein-stellige Inflation anstrebe. Das heisst, dass das was das INDEC mit Fälschung erreicht, Wirklichkeit sein soll. Das war sehr realistisch gedacht. Doch auch dieses bescheidene Ziel ist für diese Regierung schwierig, nachdem sie stets Wind in die Segeln der Gewerkschafter geblasen hat, und die Kontrolle über die auswuchernden Staatsausgaben verloren hat. Die milde Rezession, die einen Rückgang der Inflation auf eine einstellige Zahl wohl begleiten würde, will die Regierung auf alle Fälle vermeiden. Somit bleibt es bei den bestehenden 25%, mit der Gefahr, dass die In-flation gelegentlich doch davonspringt.

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Sonnabend, 22. September 2012 - Seite 24 -

Wirtschaftsübersicht

Für 2013 wird mit einer Super-Rekordernte gerechnet

Die Gesamternte von Getreide und Öl-saat wird für die Periode 2011/12 jetzt offiziell auf 91 Mio. t veranschlagt, was etwas über den

bisherigen Schätzungen liegt. Landwirtschaftminister Norberto Yauhar meinte, die Dürre sei schliesslich nicht so umfassend gewesen, wie gelegentlich angenommen wurde. In früheren Zeiten hätte die Ernte unter den klimatischen Umständen der Periode 2011/12 wohl nur 60 Mio. betragen; aber direkte Aussaat, genetisch ver-änderte Samen und auch gewönliche, die gegen Dürre widerstandsfähiger sind, bessere Anbaumethoden und Düngung haben die Wirkung der Dürren beschränkt. Auf alle Fälle waren es dieses Jahr an die 10 Mio. t weniger als 2010/11, was in Werten um die u$s 4,5 Mrd. darstellt und mit zur konjunkturellen Abkühlung dieses Jahres beigetragen hat. Dass das BIP dieses voraussichtlich mit einem Plus von leicht über 1% abschliesst (nach einem Rückgang im 2. Quartal), bedeutet somit, dass andere Bereiche die geringere Leistung der von der Dürre be-troffenen Agrarwirtschaft (was auch Kulturen ausserhalb der zentralen Pampagegend umfasst) ausgeglichen haben.

Für 2012/13 sieht der Experte Gustavo Lopez, der sich auf Ernteschätzungen spezialisiert hat, 112 Mio. t vor (Siehe die Zeitschrift “Márgenes Agropecuarios” vom August). Er rechnet dabei mit einem Durchschnittswert von u$s 450 je Tonne, gegen u$s 464 im vorangehenden Landwirtschaftszyklus. 21 Mio. t mehr als im Vorjahr stellen somit zwischen u$s 9 und u$s 10 Mrd. mehr dar. Sowohl am Beitrag zum BIP wie zum Export hat dies eine grosse Wirkung.

Die Ernte hätte ohne Schwierigkeiten 120 Mio. t er-reichen können, wenn die Regierung den internen Preis von Weizen und Mais durch die absurde Exportkon-tingentierung nicht künstlich unter den Paritätspreis gedrückt hätte. Die mit Weizen gesäte Fläche ist dieses Jahr mit 3,5 Mio. ha mit Abstand die niedrigste in diesem Jahrhundert. Die Festsetzung eines Exportkontingentes von 6 Mio. t der neuen Weizenernte (die im November beginnt), die zur Erholung des Preises geführt hat, kam zu spät und hat somit keine Wirkung auf die Saatpläne der

Landwirte gehabt. Auch diesen Schaden für die argentini-sche Wirtschaft muss man auf das Konto von Guillermo Moreno buchen, aber auch auf das einer Präsidentin, die ihn hartnäckig stützt.

Diese hohe Produktion wird die Wirtschaft im Jahr 2013 einmal direkt ankurbeln, dann aber auch die Zah-lungsbilanzkrise entschärfen, was auch wachstumsför-dernd ist. Wenn private Ökonomen somit für 2013 mit einer BIP-Zunahme von 3% und eventuell sogar mehr rechnen, so beruht das weitgehend auf dieser Rekordernte, die eine kumulative Wirkung auf die ganze Wirtschaft hat, wobei nach einem Stagnationsjahr die BIP-Zunahme ohnehin einfacher ist. Das Wachstum wird auch durch zahlreiche Investitionen und die ständige Einverleibung neuer Technologie angetrieben. Die Investitionsrate der Wirtschaft ist auch dieses Jahr hoch, auch wenn sie leicht zurückgegangen ist. Sie dürfte um die 20% des BIP liegen. Die Investition verteilt sich gegenwärtig auf eine Unmenge kleiner Objekte und ist daher besonders pro-duktiv. Die Gefahr für die Wirtschaft sind die Engpässe, die durch fehlende Investitionen auf dem Energiebereich verursacht werden.

Die nächste Ernte steht klimatisch im Zeichen der Näherung der warmen Pazifikströmung “El niño” an die amerikanische Küste, was zu höherer Wasserverdunstung und mehr Regen auf dem Kontinent führt. Dies haben wir schon im August zu spüren bekommen, mit einer Wassermenge, wie es sie nie vorher gegeben hat. Dies hat zu Überschwemmungen in der Provinz Buenos Aires geführt, die etwa 4,5 Mio. ha umfassen. Der Schaden hängt jedoch von der Dauer des Hochwassers ab. Dort wo es in den nächsten Wochen abfliesst, kann dann noch Mais, Sojabohne u.a. Arten gesät werden, gelegentlich wegen der hohen Bodenfeuchtigkeit unter sehr günstigen Bedingungen, so dass hohe Hektarenerträge zu erwarten sind, die eventuell sogar den Verlust ausgleichen, der sich daraus ergibt, dass weiter überschwemmte Gebiete nicht verwendet werden können. Der üppige Regen ist jedoch

Sonnabend, 22. September 2012 - Seite 25 -

Wirtschaftsübersicht

allgemein, und begünstigt besonders die trockenen Grenzgegenden, wo die Erträge dann stark zunehmen, wobei gelegentlich auch dort gesät wird, wo es unter normalen Umständen nicht möglich ist.

Die Produktionszunahme ist jedoch nicht nur klima-tisch bedingt. Sie wird einmal durch die hohen interna-tionalen Preise angespornt, und dann ist sie das Ergebnis des schleichenden technologischen Fortschrittes, der sich ständig durchsetzt. Die fortgeschrittensten Landwirte, die die beste Technologie verwenden, mit immer neuen Fortschritten, haben eine indirekte Wirkung auf andere, was auch durch die CREA-Verbände gefördert wird, die sich mit Erfahrungsaustausch befassen und weit verbreitet sind.

Von der gesamten Produktion, die für 2012/13 erwartet wird, entfällt 65% auf Ölsaaten (vornehmlich Sojabohne), gegen 62% 2011/12. G. Lopez weist darauf hin, dass dies nicht positiv sei, weil es dabei eine geringere Abwechslung unter den Kulturen gibt, die dem Boden besser bekommt. Bei Getreide wird der Rückgang beim Weizen durch Zu-nahmen bei anderen Kulturen mehr als ausgeglichen. Es sollen laut G. Lopez insgesamt 50,53 Mio. t sein, 15% mehr als im Vorjahr. Aber bei Weizen werden es 17% weniger sein, bei Mais hingegen 24% mehr, bei Sorghum 42% mehr, bei Gerste 38% mehr und bei anderen Arten (vornehm-lich Roggen) 23% mehr. Der Aufschwung der Gerste ist auffallend: von 472.000 t in der Periode 2007/08 steigt die Produktion 2012/13 auf erwartete 1,5 Mio. t. Dies wurde auch durch das geringere Interesse am Weizen angespornt.

Bei den Ölsaaten wird 2012/13 mit 61,96 Mio. t 34% mehr als 2011/12 erwartet, was vornehmlich auf die Zunahme bei Sojabohne um 36% beruht. Denn bei Son-nenblume wird nur 8% mehr erwartet und bei anderen Ölsaaten (Erdnuss, Raps u.a.) 22% mehr.

G. Lopez rechnet für 2012/13 mit einer gesäten Fläche von 35,8 Mio. ha, nur 1% mehr als im Vorjahr. Die Pro-duktionszunahme beruht fast ausschliesslich auf höheren Erträgen. Von der genannten Fläche entfallen jedoch 2,9 Mio. ha auf die Aussaat von Sojabohne auf Feldern, auf denen schon Weizen geerntet wurde, so dass die gesäte Fläche netto 32,9 Mio. ha beträgt. Diese späte Aussaat ergibt normalerweise leicht geringere Erträge.

Vor zwei Jahrzehnten lag die bebaute Fläche noch bei etwa 25 Mio. ha. Die Zunahme der gesäten Fläche ist

einmal durch Einsatz trockener Gebiete möglich gewesen, was auf die direkte Aussaat zurückzuführen ist. Aber der andere Faktor ist die Verringerung der Fläche, die früher für Mästung der Rinder eingesetzt wurde. Diese erfolgt jetzt weitgehend in “feed lots”, wo die Rinder in kürzerer Zeit das angestrebte Gewicht erhalten. Auch dies ist ein technologischer Fortschritt der Landwirtschaft.

Die Landwirtschaft hat wesentlich zum hohen Wirt-schaftswachstum des letzten Jahrzehnts beigetragen, und trägt jetzt zur Erholung der Wirtschaft bei. Ebenfalls hat sie einen hohen Beitrag zu den Staatseinnahmen geleistet und somit die Sozialpoltik der Kirchner-Regierungen überhaupt möglich gemacht. Allein die Exportzölle werden laut G. Lopez nächstes Jahr u$s 10,64 Mrd. ein-bringen, ca. 20% mehr als 2012. Den durchschnittlichen Exportzoll gibt er mit 28,6% an, leicht über den 27,6% des Vorjahres, was auf die höhere Beteiligung der Sojabohne zurückzuführen ist, die 35% zahlt. Die Landwirtschaft schafft dann auch Fiskaleinnahmen bei der Gewinnsteuer u.a. Steuern.

All das wird jedoch von Präsidentin Cristina Kirchner und ihren Ideologen nicht anerkannt. Sie träumt von einem Wachstum, das durch die industrielle Expansion getragen wird, und spricht von Technologie, ohne zu berücksichtigen, dass die Landwirtschaft auch in Argen-tinien zu einer hochtechnologischen Tätigkeit geworden ist. Ebenfalls schwebt ihr das Konzept der Schaffung von Mehrwert auf der Grundlage landwirtschaftlicher Pro-dukte vor, ohne sich bewusst zu sein, dass die moderne Landwirtschaft schon sehr viel Mehrwert schafft. Die explosive Zunahme der Erträge der letzten Jahrzehnte wurde mit viel Mühe, unternehmerischem Einsatz, Bo-denstudien und gezielter Verwendung von Düngemitteln, genetisch veränderten und auch einfach verbesserten Samen, besseren Anbaumethoden und Einsatz moderner Maschinen erreicht. Und all das ist Mehrwert. Leider sagen dies die Leiter der landwirtschaftlichen Verbände nicht, so dass sie sich nicht wundern sollten, wenn in der Regierung wenig Verständnis für ihre Problematik be-steht und es keinen fruchtbaren Dialog gibt, der zu einer Landwirtschaftspolitik führt, die sowohl ihnen, wie der Wirtschaft allgemein, dient.