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73 12/2004 72 12/2004 Ultraleicht UL-Tour durch Italien Einmal rum um den Stiefel Einmal rum um den Stiefel P iste zwo sieben, QNH eins null zwo zwo«, er- tönt die vertraute Stim- me vom Turm in Eggenfelden. Nach tagelangem Regen end- lich Übergang zu Hochdruck- wetter mit Sonne im Voralpen- raum – beste Voraussetzungen für unsere Italientour. Mit zwei ULs wollen wir bis nach Sizi- lien: Markus von Freiberg mit seinem selbstgebauten Vaga- bund und ich mit meinem Eu- rofox. Zunächst müssen wir den Al- penhauptkamm überqueren, geplant ist eine Route von Zell am See nach Lienz. Doch kurz vor dem Hochtor hängen wir unter der Basis in 8200 Fuss und müssen erkennen, dass wir hier nicht drüberkommen: Es fehlen gerade mal 250 Fuß! Auch am Felbertauerntunnel scheitern wir – zurück nach Zell am See, auftanken und Al- ternativen durchgehen. Pinz- gau–Gerlos–Bozen? Es klappt. In Italien wollen wir ganz nach UL-Manier flie- gen, also auch keine Plätze der Allgemeinen Luftfahrt benut- zen, sondern nur UL-Pisten. Unser erster Tankstopp ist in Termon fällig, einem 280-Me- ter-Platz südlich von Bozen. Die Landung sitzt beim ersten Mal – muss sie auch, denn Durchstarten ist unmöglich: Der One-way-strip endet im Westen an einem Hang. Hier gibt es kein Benzin, und so füllt Markus, der lediglich 300 Ki- lometer Reichweite hat, seine Tanks aus den mitgeführten Kanistern. Da UL-Fliegen in Italien wo- chentags nur bis 150 Meter GND erlaubt ist, geht’s schon wenig später unter 100 Meter am steilen Ostufer des Garda- sees entlang über das blaugrü- ne Wasser. Wir bewundern die warmen pastellfarbenen Töne der Hotel-Fassaden von Riva und Malcesine, die im Abend- licht leuchten. Nachdem wir Brescia nördlich umkreist ha- ben, rufe ich über Funk unse- ren Freund Pietro, der uns be- reits auf dem sehr gepflegten Rasen des 600-Meter-UL-Ge- ländes erwartet. Unsere Flugzeuge verbrin- gen die Nacht in einem geräu- migen Hangar, während wir im Vereinsheim schlafen. Gleich am anderen Morgen beginnt für Markus die Suche nach Benzin mit 98 Oktan – sein Limbach gönnt sich diesen Lu- xus. Doch das be- gehrte Gebräu gibt’s nur an we- nigen Tankstel- len; zum Glück findet Markus eine. Mit rudimentären Italie- nischkenntnissen – sehr vor- teilhaft! – und den Tipps unse- rer italienischen Fliegerkame- raden versehen, hangeln wir uns von Platz zu Platz. Il Gab- biano, ein wunderschönes UL- Gelände an der Küste, gerade mal 30 Kilometer von Elba ent- fernt, haben wir als Tagesziel gewählt. Vor den Bergen des Appennin noch schnell ein Abstecher hinunter zum Po, dem längsten Fluss Italiens. Im Low-level-Flug geht’s zwi- schen Cremona und Parma, wo der Fluss sehr breit ist, zwei Meter überm Wasser hinüber zum anderen Ufer. Danach müssen wir bald Höhe gewinnen, denn um ans Meer zu kommen, ist der Pas- so del Cisa zu überqueren, was 4000 Fuss erfordert. Bei Massa gleiten wir im Langsamflug an den imposanten grau-rosafar- benen Abraumhalden des weltberühmten Carrara-Mar- mors vorbei. Wenige Minuten später tauchen wir zum Golf von Genua ab. Nun fliegen wir eine Stunde lang in engster Formation und weniger als 50 Meter Höhe über dem satt- blauen Mittelmeer den Strand entlang. Mit seinen doppelten Flächen hat’s Markus nicht leicht, meinen Eurofox immer im Blick zu behalten: Er fliegt links hinter und unter mir und lächelt ständig in meine Out- board-Kamera, die alle 20 Se- kunden ein Foto schießt. In Gabbiano kreisen wir mehrmals über der Piste, checken die Windrichtung und die Landebahn auf Hinder- nisse.Diese Vorgehensweise ist in Italien an UL-Geländen üb- lich und auch ratsam, denn ULs dürfen offiziell nicht fun- ken, und unter der Woche sind die meisten Plätze nicht be- setzt. Andrea, Flugplatzboss und Bauer, ist inzwischen auf uns aufmerksam geworden. Nach der Landung erwartet er uns schon. Wir erfahren, dass er ein Weingut besitzt – eine Stunde später können wir wählen, ob wir zuerst seinen Roten oder Weißen probieren wollen. An- dreas Schwester hat ebenfalls einen Bauernhof und Zimmer für Gäste. Heute abend sind wir bei ihrer Familie zum Es- sen eingeladen. An einer gro- ßen Tafel, an der auch andere Gäste und Bedienstete sitzen, werden wir verköstigt. Die Weinbergschnecken, die’s als Vorspeise gibt, schmecken be- sonders gut. 600 Kilometer in einem offe- nen Doppeldecker, das ist viel. Auch, weil jede Suche in der Luftfahrtkarte eine Herausfor- derung darstellt. Umso wich- tiger nehmen wir die Flugvor- bereitung – auf den großen Tischen im Frühstücksraum lassen sich die Karten hervor- ragend ausbreiten. Wieder mal zeigt sich, dass unsere sorgfäl- tige Flugvorbereitung mehr Zeit in Anspruch nimmt als er- wartet, und so kommen wir auch an diesem Tag erst wieder gegen 12 Uhr los. Wegen der vielen Beschränkungsgebiete um Rom und Neapel wollen wir nicht an der Küste entlang fliegen, sondern weiter östlich über die Berge. Es erstaunt uns immer wie- der, dass UL-Plätze, die sogar eine Kennung haben, also be- hördlich zugelassen sind, mit- ten in Flugbeschränkungsge- bieten und Delta-Lufträumen mit Untergrenze GND liegen. Vor unserer Tour haben wir uns deshalb beim AIS in Frankfurt erkundigt, wie wir Wovon Privatpiloten träumen, das ist mit einem UL in Italien Realität: wenige Meter über Grund dahinbrummen, faszinierende Landschaften und traumhafte Strände aus nächster Nähe erkunden, landen, wo der Grundstückseigentümer nichts dagegen hat. Oder auf romantischen kleinen Pisten. Ebenso beeindruckt waren zwei UL-Piloten aus Bayern von der Gastfreundschaft, die sie auf ihrem Italien-Trip erlebten Tiefflug: Markus von Freiberg mit seinem Vagabund über der Poebene. Unter der Woche sind für ULs in Italien maximal 150 Meter GND erlaubt Oben: auf Nord- ostkurs bei Jesolo nahe Venedig. Rechts: Andrea, Flugplatzchef von Il Gabbiano, hilft beim Karten- studium 280-Meter-Piste direkt am Hang: In Termon, dem ersten UL-Platz nach der Alpenüberquerung, ist Durchstarten unmöglich

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Ul tra le ich tUL-Tour durch Italien

Einmal rum um den StiefelEinmal rum um den StiefelP iste zwo sieben, QNHeins null zwo zwo«, er-tönt die vertraute Stim-

me vom Turm in Eggenfelden.Nach tagelangem Regen end-lich Übergang zu Hochdruck-wetter mit Sonne im Voralpen-raum – beste Voraussetzungenfür unsere Italientour. Mit zweiULs wollen wir bis nach Sizi-lien: Markus von Freiberg mitseinem selbstgebauten Vaga-bund und ich mit meinem Eu-rofox.

Zunächst müssen wir den Al-penhauptkamm überqueren,geplant ist eine Route von Zellam See nach Lienz. Doch kurzvor dem Hochtor hängen wirunter der Basis in 8200 Fussund müssen erkennen, dass wirhier nicht drüberkommen: Esfehlen gerade mal 250 Fuß!Auch am Felbertauerntunnelscheitern wir – zurück nachZell am See, auftanken und Al-ternativen durchgehen. Pinz-gau–Gerlos–Bozen?

Es klappt. In Italien wollenwir ganz nach UL-Manier flie-

gen, also auch keine Plätze derAllgemeinen Luftfahrt benut-zen, sondern nur UL-Pisten.

Unser erster Tankstopp ist inTermon fällig, einem 280-Me-ter-Platz südlich von Bozen.Die Landung sitzt beim erstenMal – muss sie auch, dennDurchstarten ist unmöglich:Der One-way-strip endet im

Westen an einem Hang. Hiergibt es kein Benzin, und so fülltMarkus, der lediglich 300 Ki-lometer Reichweite hat, seineTanks aus den mitgeführtenKanistern.

Da UL-Fliegen in Italien wo-chentags nur bis 150 MeterGND erlaubt ist, geht’s schonwenig später unter 100 Meter

am steilen Ostufer des Garda-sees entlang über das blaugrü-ne Wasser. Wir bewundern diewarmen pastellfarbenen Töneder Hotel-Fassaden von Rivaund Malcesine, die im Abend-licht leuchten. Nachdem wirBrescia nördlich umkreist ha-ben, rufe ich über Funk unse-ren Freund Pietro, der uns be-

reits auf dem sehr gepflegtenRasen des 600-Meter-UL-Ge-ländes erwartet.

Unsere Flugzeuge verbrin-gen die Nacht in einem geräu-migen Hangar, während wir imVereinsheim schlafen. Gleicham anderen Morgen beginntfür Markus die Suche nachBenzin mit 98 Oktan – sein

Limbach gönntsich diesen Lu-xus. Doch das be-gehrte Gebräugibt’s nur an we-nigen Tankstel-len; zum Glückfindet Markus eine.

Mit rudimentären Italie-nischkenntnissen – sehr vor-teilhaft! – und den Tipps unse-rer italienischen Fliegerkame-raden versehen, hangeln wiruns von Platz zu Platz. Il Gab-biano, ein wunderschönes UL-Gelände an der Küste, gerademal 30 Kilometer von Elba ent-fernt, haben wir als Tagesziel

gewählt. Vor den Bergen desAppennin noch schnell ein Abstecher hinunter zum Po,dem längsten Fluss Italiens.Im Low-level-Flug geht’s zwi-schen Cremona und Parma, woder Fluss sehr breit ist, zweiMeter überm Wasser hinüberzum anderen Ufer.

Danach müssen wir bald Höhe gewinnen, denn um ans

Meer zu kommen, ist der Pas-so del Cisa zu überqueren, was4000 Fuss erfordert. Bei Massagleiten wir im Langsamflug anden imposanten grau-rosafar-benen Abraumhalden desweltberühmten Carrara-Mar-mors vorbei. Wenige Minutenspäter tauchen wir zum Golfvon Genua ab. Nun fliegen wireine Stunde lang in engsterFormation und weniger als 50Meter Höhe über dem satt-blauen Mittelmeer den Strandentlang. Mit seinen doppeltenFlächen hat’s Markus nichtleicht, meinen Eurofox immerim Blick zu behalten: Er fliegt

links hinter und unter mir undlächelt ständig in meine Out-board-Kamera, die alle 20 Se-kunden ein Foto schießt.

In Gabbiano kreisen wirmehrmals über der Piste,checken die Windrichtung unddie Landebahn auf Hinder-nisse. Diese Vorgehensweise istin Italien an UL-Geländen üb-lich und auch ratsam, dennULs dürfen offiziell nicht fun-ken, und unter der Woche sinddie meisten Plätze nicht be-setzt.

Andrea, Flugplatzboss undBauer, ist inzwischen auf unsaufmerksam geworden. Nachder Landung erwartet er unsschon.Wir erfahren, dass er einWeingut besitzt – eine Stundespäter können wir wählen, obwir zuerst seinen Roten oderWeißen probieren wollen. An-

dreas Schwester hat ebenfallseinen Bauernhof und Zimmerfür Gäste. Heute abend sindwir bei ihrer Familie zum Es-sen eingeladen. An einer gro-ßen Tafel, an der auch andereGäste und Bedienstete sitzen,werden wir verköstigt. DieWeinbergschnecken, die’s alsVorspeise gibt, schmecken be-sonders gut.

600 Kilometer in einem offe-nen Doppeldecker, das ist viel.Auch, weil jede Suche in derLuftfahrtkarte eine Herausfor-derung darstellt. Umso wich-tiger nehmen wir die Flugvor-bereitung – auf den großen

Tischen im Frühstücksraumlassen sich die Karten hervor-ragend ausbreiten. Wieder malzeigt sich, dass unsere sorgfäl-tige Flugvorbereitung mehrZeit in Anspruch nimmt als er-wartet, und so kommen wirauch an diesem Tag erst wiedergegen 12 Uhr los. Wegen dervielen Beschränkungsgebieteum Rom und Neapel wollenwir nicht an der Küste entlangfliegen, sondern weiter östlichüber die Berge.

Es erstaunt uns immer wie-der, dass UL-Plätze, die sogareine Kennung haben, also be-hördlich zugelassen sind, mit-ten in Flugbeschränkungsge-bieten und Delta-Lufträumenmit Untergrenze GND liegen.Vor unserer Tour haben wiruns deshalb beim AIS inFrankfurt erkundigt, wie wir

Wovon Privatpiloten träumen, das ist miteinem UL in Italien Realität: wenige Meterüber Grund dahinbrummen, faszinierendeLandschaften und traumhafte Strände ausnächster Nähe erkunden, landen, wo derGrundstückseigentümer nichts dagegenhat. Oder auf romantischen kleinen Pisten.Ebenso beeindruckt waren zwei UL-Pilotenaus Bayern von der Gastfreundschaft, diesie auf ihrem Italien-Trip erlebten

Tiefflug: Markus von Freiberg mit seinem Vagabund über der Poebene.Unter der Woche sind für ULs in Italien maximal 150 Meter GND erlaubt

Oben: auf Nord-ostkurs bei Jesolo

nahe Venedig.Rechts: Andrea,

Flugplatzchef von Il Gabbiano,

hilft beim Karten-studium

280-Meter-Piste direkt am Hang:In Termon, dem ersten UL-Platznach der Alpenüberquerung, istDurchstarten unmöglich

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tor geht’s nun in einem ver-rosteten Fiat Panda zu sechsTankstellen, um am Ende dochnur Superbenzin zu erhalten.

Das Wetter in den Bergenverschlechtert sich zusehends,Wolken verhüllen die etwa3000 Fuß hohen Gipfel.Ali Ca-labria, der nächste Flugplatz,den wir heute noch schaffenwollen, liegt auf einer Hoch-ebene, alle anderen erreichba-ren Plätze in den Bergen. Die

lokalen Piloten versichern uns,die Wetterentwicklung sei fürdiese Tageszeit normal; wirsollten immer an der Küsteentlang fliegen, Ali Calabriasei ohne Probleme machbar.

Um Sprit zu sparen, fliegenwir unter Ausnutzung des Bo-deneffekts mit 50 Prozent Leis-tung dicht überm Wasser ander Küste entlang. Eine Not-landung am Strand wäre über-all möglich.

Italienische Piloten scheinenes zu riechen, wenn ein Dop-peldecker naht. Offensichtlichgibt es solche Raritäten hiernicht. Als der Vagabund gelan-det ist, wird er sofort von wiss-begierigen Fliegern umstellt.Es dauert nicht lange, und derhalbe Aeroclub hat sich einge-funden. Nach dem sehr an-strengenden und anspruchs-vollen Flug muss Markus zumEinstand jetzt noch Pasagier-

flüge durchführen, währendvon mir jeder Neuankömmlingwissen möchte, wieviele Ca-valli unter meiner Motorhaubestecken, woher wir kommenund wohin wir wollen.

Guiseppe, der Präsident deslokalen Fliegerclubs, lädt unszu sich nach Hause ein. Über-all an den Wänden hängen Bil-der, hunderte weitere, auchAbbildungen von Skulpturen,zeigt er uns auf dem PC – allesseine Werke. Zum Abendessenwird original italienische Kü-che aufgetischt; todmüde krie-

chen wir im Fliegerheim in dieSchlafsäcke.

Am nächten Tag umrundenwir die spektakulär an einenSteilhang gebaute Stadt Tro-pea, die den Eindruck erweckt,jeden Moment ins Meer zuplumpsen. Möven gleich glei-ten wir um die Steilküste desCapo Vaticano, ein zerklüf-teter, ins Meer ragender Fels-vorsprung mit paradiesischenStränden. Wir überqueren die

Straße von Messina, und ob-wohl das Meer auf unsererRoute nur 20 Kilometer breitist, überkommt mich ein seltsa-mes Gefühl: Wenn jetzt derMotor stehen bleibt … Wieverhält sich der Hochdeckerbei einer Wasserung? Würdeich noch einen Notruf absetzenkönnen, und würde ihn jemandhören?

Wir sind gerade am süd-lichen Stadtrand von Messina,als Markus mich darauf hin-weist, dass ich von einem Hub-schrauber verfolgt werde. Ein

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Ul tra le ich tuns als UL-Flieger in Italienverhalten sollten. Niemandkonnte uns dazu verbindlicheAuskünfte geben. So passenwir uns eben den örtlichen Ge-pflogenheiten an, fliegen im-mer recht tief, um den anderenLuftverkehr nicht zu gefähr-den, und machen um ausge-dehnte Stadtgebiete einengroßen Bogen. Diese Art zufliegen – natürlich verantwor-

tungsbewusst –bereitet einen ir-ren Spass!

In San Lazzaromachen wir Rast.Dieses »Aviosu-pervicie« – so heißen die meis-ten UL-Gelände in Italien –liegt unweit des Lago di Bolse-na, des größten europäischenVulkansees. Seine Insel Bisent-ina war einst Sommerreszidenzder Päpste – wir residieren imSchatten unserer Tragflächenund verspeisen genüsslich dieSalami, die Markus schon vorzwei Tagen gekauft hat. Ichspüre den Sommerwind, jenesleichte, warme, mit Heuduft gewürzte Hauchen, das die rei-fen Weizenhalme des nahenGetreidefelds wogen lässt undmir eine leise Melodie ins Ohrflüstert.

Erst gegen Abend erreichenwir den Flugplatz des AeroClub Nino de Filippo bei Bene-vento, zirka 60 Kilometer nord-östlich von Neapel. Der Platzmacht dem Namen der Stadtalle Ehre – ordentlich Wind istin dieser Region normal. ImAnflug bläst er uns auf die Nase; wie sehr, merken wir, alswir schon nach gut 100 Meternstehen.

Der Vorstand des Flieger-clubs spricht sogar ein bisschenDeutsch. Er macht uns mit Vin-cenzo bekannt, der für Markusam nächsten Morgen gut undgerne 100 Kilometer fährt, um98-oktaniges Benzin zu ergat-tern. Seine Hilfsbereitschaft istgrenzenlos. Doch Fehlanzeige:Weit und breit gibt’s keinenSprit mit 98 Oktan. Wir sindnicht mehr in Norditalien – hierim Süden ist es unmöglich, Su-per-plus-Qualität aufzutreiben.Die Tankstellen führen nur Die-sel oder »Benzina verde«. Mitdiesem grünlichen Saft mussMarkus’ Automotor-Abkömm-

ling Vorlieb nehmen,was er mitleichtem Klingeln quittiert.

Wegen des D-Luftraums flie-gen wir nach dem Start tiefüber die gut 5000 Fuss hohen,dicht bewaldeten Berghänge,aus denen warmer, würzigerKiefern- und Fichtenduft her-aufströmt. Im Südwesten grüßtaus dem Dunst der Vesuv, des-sen Lavamassen einst Pompeijunter sich begraben haben.Kurz nach Salerno erreichenwir endlich wieder die Küste.Badegäste sehen wir nur ver-einzelt. In Italien dürfen ULsüberall landen, wo niemandwas dagegen hat – nur zu gernwürde ich jetzt mit den Haupt-rädern eine Spur in den Sandziehen. Doch ich verkneife esmir; leicht könnte so etwas miteiner längeren Zugfahrt enden.Die Bahngleise, die hier dieKüste säumen, sind mir einmahnendes Zeichen.

Nach zirka 150 Kilometernzeigt das GPS auf eine kurzeWiese zwischen Ferienbunga-

lows. Soll das Avio Lao sein, wowir tanken wollen? Markus,der zwei Kilometer hinter mirfliegt, hat eine sehr lange ge-teerte Landebahn erspäht.Wasnun? Im tiefen Überflug stel-len wir fest, dass dies ein Flug-platz im Bau sein muss, denndie Landebahn ist erst halb ge-teert und hat eine Längsstufevon vielleicht 10 bis 20 Zenti-metern zwischen den beidenPistenhälften. Das hätte böseins Auge gehen können!

Wir suchen weiter. Drei Ki-lometer entfernt machen wireinen grau-grünen Streifen aus,neben dem zwei Hangars ste-hen. Erst auf den zweiten Blickkann man Landereiter erah-nen; ein zerfetzter Windsackvervollständigt das Bild: Dasmuss der Flugplatz sein!

Beim Aufsetzen pflügen un-sere Räder durch Büschel vongemähtem Gras. Der Eigentü-mer des Geländes kommt undfragt, ob wir Benzin bräuchten.Wegen Markus Limbach-Mo-

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Tierische Idylle: Am Flugplatz Il

Gabbiano werdenMarkus von Frei-berg und Martin

Kienzer zur Wein-probe eingeladen

Dicht überm Meer am Strand entlang: mit ULs legal und

kein Problem, solange das Ufer Notlandeplätze bietet

Links: Tankenin Ali Calabria.»Benzina ver-de« muss reichen, 98Oktan gibt’s in Süditalienkaum. Rechts:Bei Messinabegleitet einCarabinieri-Hubschrauberdie ULs.Unten rechts:Tropea an der Straße vonMessina

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mit ULs, der in Italien erlaubtist, lockern Fallschirmspringerdas Programm auf. Mittlerwei-le sind wir hier als »i due tede-sci« (die zwei Deutschen) sobekannt, dass man uns bittet,einen Formationsflug vorzu-führen. Unversehens werdenwir von Zuschauern zu Akteu-ren. Wir lernen immer mehrFreunde kennen. Einer, Sergio,macht sogar einen Platz in sei-nem überfüllten Hangar frei,damit Markus seinen empfind-lichen Vagabund unterstellenkann. Wir sind glücklich undkönnen die Gastfreundschaftkaum fassen.

Vor der Heimreise müssenwir uns noch um unsere Flug-zeuge kümmern – Markus aufangenehmere Weise als ich.Während er bei den hübsches-ten Damen nach farblosemNagellack fragt, um die Regen-

löcher in seinem Holzpropel-ler zu versiegeln, brauche ichhandfestere Hilfe: Bei meinemEurofox ist die Aufhängungdes rechten Fahrwerksbeinsam Rumpf gerissen! Cicco, Ma-jor der italienischen Luftwaffeund am Flugplatz anscheinendMädchen für alles, organisierteinen Karosserieschlossser, derdas gebrochene Fahrwerks-bein wieder anschweißt.

Meine Freude währt aller-dings nur bis zur übernächstenLandung in Sibari – Fahr-werksbruch an derselben Stel-le! Doch was ich dann erlebe,erinnert an einen Formel-1-Boxenstopp: Nach gerade mal30 Minuten gebe ich schon wie-der Vollgas und starte in denhellblauen Himmel über Süd-italien! Das Improvisations-talent der Italiener ist grenzen-los.

Markus, der wegen des star-ken Seitenwinds und der nur250 Meter langen Bahn mit sei-nem Taildragger nicht in Sibarilanden wollte, erwartet michbereits in Pisticci an der Ost-küste Kalabriens.Dieser aufge-lassene Militärplatz bei Materaist 2000 Meter lang und wird

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Ul tra le ich t

Blick nach links: Da ist er! EinCarabinieri-Heli fliegt in mei-ner Höhe, etwa 50 Meter überdem Wasser, mit 200 Meter Ab-stand und gleicher Geschwin-digkeit parallel zu mir. Nach etwa zehn Kilometern ver-schwindet er. Ob fliegen nachUL-Manier doch nicht in Ord-nung ist?

Über Taormina, der schön-sten Stadt Siziliens, bringe ichdas griechisch-römische Am-phitheater vor mein Kamera-objektiv. Doch ich kann denAnblick gar nicht richtig genie-ßen ob der Dinge, die uns mög-licherweise erwarten.

Und tatsächlich: Wir sind ge-rade auf unserem Zielflugplatzam Fuße des Etna gelandet, alsuns der Flugbetriebsleiter da-rauf aufmerksam macht, dassdie Carabinieri ein deutschesFlugzeug zu niedrig übermStrand im Delta-Luftraum be-obachtet hätten. Gleichzeitigbedeutet er uns aber, dass dieskeine Konsequenzen hätte;nächstes Mal sollten wir unshalt vorher melden. Mir fälltein Stein vom Herzen – in Zu-kunft werden wir uns immermelden.

Was wir nicht wissen: AmWochenende, morgen undübermorgen, findet hier in Etna Volo ein UL-Meeting mitFlugshow statt. Neben beste-chend ausgeführtem Kunstflug

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offenbar nur noch von ULs ge-nutzt.

Die nächste Etappe bis Ter-moli an der Adria führt unsüber eine märchenhafte Hü-gellandschaft, deren Schönheitihresgleichen sucht. Aber dieRegion ist auch beängstigend –nirgendwo auf der gesamtenTour habe ich mich so ein-sam gefühlt. Ein ausrangierter Militärjet hilft, den Flugplatzzu erspähen. Gleich neben der Piste steht ein rot-weißerLeuchtturm, der schon unzäh-lige Schiffe gesehen haben magund nun als Tower dient.

Nach der besonders weichenLandung gleich ein Blick aufsFahrwerk: Schon wieder hatdie Aufhängung den Geist auf-gegeben! Abermals ist dieHilfsbereitschaft unserer ita-lienischen Fliegerkameradenunglaublich – allerdings wäremeine stoffbespannte Kistebeim Schweißen fast abge-fackelt.

Am nächsten Morgen tren-nen sich unsere Wege: Markuswill sich vor der Heimreisenoch die Toscana anschauen,während ich über Österreicheinen Abstecher zum Eurofox-

Hersteller Aeropro in die Slo-wakei einschiebe. Dass es 16Uhr ist – an einem Samstag –als ich in Nitra eintreffe, ummein Fahrwerksproblem dau-erhaft beseitigen zu lassen,spielt keine Rolle: Um 21.30 istalles neu montiert. Klasse Ar-beit, Jungs! Martin Kienzer

Elba

A

D

R

IA

Sehr empfehlenswert für Ita-lien-Touren ist ein schlauesBuch, das unter anderem UL-Plätze mit den wesentlichenDaten enthält:Avioportolano,Volume I, Guida al volo turis-tico e sportivo; Herausgeber:Eil Systems, via F.lli Bandiera76, 30175 Marghera Venezia,Telefon 0039/(0)41/93 55 49,Fax 0039/(0)41/92 24 94, E-Mail [email protected],www.avioportolano.it

Flugplatzführer Italien

Oben: Etna Volo liegt am Fuße des berühmten sizilianischen Vulkans.Rechts oben: Bruch der Fahrwerksaufhängung am Eurofox.

Rechts unten: märchenhafte Landschaft zwischen Pisticci und Termoli

Gastfreundschaft auf Sizilien: Essen mit neu gewonnenenFreunden am Flugplatz Etna Volo

Schon von weitem gut erkennbar: In Termoli an der Adria steht ein ausrangierter Jet der italienischen Luftwaffe

Foto

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