18 ENTDECKEN - Max Planck Society...Tisch gekdert. Die meisten Lemuren er-kannten, welches Futter...

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Kontakt Redaktion Wissenschaft Telefon: 07 11/72 05-11 31 E-Mail: [email protected] A uf seinem Weg zum Bau einer Raumstation ist China ein großes Stück vorangekommen. Nach dem bisher längsten bemannten Raumflug Chi- nas kehrte das Raumschiff Shenzhou 10 am Mittwoch erfolgreich zur Erde zurück. Der 15-tägige Flug der drei Taikonauten been- dete eine wichtige Testphase für die Ent- wicklung der Raumstation, die bis 2020 fertig gestellt werden soll. Der Flug des „Magischen Schiffes“ war „ein voller Erfolg“, sagte der Kommandeur des Raumfahrtprogramms, Zhang Youxia. Nach zwei Wochen im All schwebte die Kapsel bei starkem Wind an einem Fall- schirm in Nordchina zur Erde. In einer gro- ßen Staubwolke schlug das Raumschiff im Grasland von Amugulang in der Inneren Mongolei auf, einer autonomen Region Chinas. Der Hitzeschild rauchte noch von der Reibungswärme beim Eintritt in die Erdatmosphäre. In nur fünf Minuten hatten die Ber- gungsmannschaften die Kapsel erreicht und öffneten die Luke für erste medizini- sche Tests. Knapp eineinhalb Stunden spä- ter kletterte Kommandant Nie Haisheng mit wackeligen Beinen aus der Kapsel. Der 48-Jährige wurde sofort auf einen Stuhl ge- setzt. Ihm folgten Wang Yaping (33) und Zhang Xiaoguang (46). Wang Yaping hatte 60 Millionen Schülern aus dem All eine Unterrichtsstunde in Physik gegeben. dpa Raumfahrt Drei Taikonauten landen nach 15 Tagen in einer Erdumlaufbahn. Längste Mission Chinas im All Verhaltensforschung Affen mit Erfahrung im Stibitzen Halbaffen aus größeren sozialen Gruppen haben eine besonders gute Beobachtungs- gabe. Sie schätzen die Aufmerksamkeit ihres Gegenübers besser ein und stibitzen Futter schneller als Tiere, die in kleineren Familien aufgewachsen sind. Das berichten amerikanische Verhaltensforscher nach Experimenten mit Lemuren im Online- Journal „PLOS One“. Evan MacLean von der Duke-Universität (USA) hatte 60 Le- muren mit Futterstückchen auf einem Tisch geködert. Die meisten Lemuren er- kannten, welches Futter nicht von einem Menschen beobachtet wurde und nahmen dieses. Die Wahl war schneller, wenn das Tier einer Art angehörte, die in größeren sozialen Gruppen lebt. Die Tiere schlossen demnach auf das mögliche Risiko, entdeckt zu werden – und das umso besser, je mehr Erfahrung sie aus ihrer Gruppe hatten. dpa Genetik Uralte Pferde-DNA im Permafrost Aus einem 700 000 Jahre alten Pferdekno- chen haben Forscher das Erbgut komplett entziffert. Das Genom sei das mit Abstand älteste eines Tieres, das je analysiert wer- den konnte, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“. Es erlaube nicht nur neue Einblicke in die Evolution der Pferde, sondern lasse auch hoffen, dass künftig DNA aus anderen fossilen Proben gewon- nen werden könne, die bisher als zu alt er- achtet wurden. Ludovic Orlando von der Universität Kopenhagen und sein Team hatten den Knochen im kanadischen Terri- torium Yukon ausgegraben. Dort hatte er im Permafrostboden gelegen. Die Analyse bestätigt, dass das Przewalski-Pferd das letzte überlebende echte Wildpferd ist. dpa Die Taikonautin Wang Yaping ist mit zwei Kollegen im Norden Chinas gelandet. Foto: dpa Menschen werfen Speere seit zwei Millionen Jahren M ützen wie ein Baseballspieler des 21. Jahrhunderts hatten die Frühmenschen Homo erectus vor zwei Millionen Jahren zwar noch nicht, aber werfen konnten sie wohl ähnlich gut wie ein Spitzen-Pitcher einer Profimann- schaft, der einen Baseball mit immerhin mehr als 160 Stundenkilometern in Rich- tung Gegenspieler schleudert. Damals ging es allerdings weniger um sportliche Ehren, sondern ums Beutemachen und damit um die Ernährung, erklären Neil Roach von der Harvard-Universität und seine Kollegen im Wissenschaftsmagazin „Nature“. Bei dieser Jagd waren die Vorfahren des modernen Menschen jedoch klar im Nach- teil: Sie waren deutlich langsamer als Raub- tiere und erheblich schwächer, obendrein hatten sie keine natürlichen Waffen wie Klauen oder Reißzähne. Die Frühmen- schen mussten Tiere aus sicherer Entfer- nung töten oder schwächen, um sie an- schließend leichter zu erwischen. Sollte das nicht klappen, konnte man immerhin noch andere Raubtiere wie Löwen oder Leopar- den von ihrer Beute vertreiben und so selbst an eine Fleischmahlzeit kommen. Da Pfeil und Bogen noch nicht erfunden wa- ren, blieben den Frühmenschen nur Steine oder aus Holz geschnitzte Speere. Zwar werfen auch in heutiger Zeit die Jäger der letzten Naturvölker ihre Speere im Durchschnitt nur sieben Meter weit. Dieser geringe Abstand genügt aber, um das Risiko einer schweren Verletzung erheb- lich zu verringern. Bessere Werfer überle- ben also länger und haben bessere Chan- cen, sich fortzupflanzen. Am Ende dieser Entwicklung stehen die Profiwerfer der US-amerikanischen Baseballer, die Bälle erheblich schneller schleudern als alle Tie- re einschließlich der nächsten Verwandten des Menschen. Ein kräftiger erwachsener Schimpansen-Mann schafft allenfalls eine Wurfgeschwindigkeit von 35 Stundenkilo- metern, während schon ein zwölfjähriger Menschenjunge nach ein wenig Training auf dreimal schnellere Würfe kommt. Um herauszubekommen, wie heutige Menschen dieses erstaunliche Tempo er- reichen, setzte Neil Roach genau die glei- chen dreidimensionalen Kameras ein, mit denen Videospiele oder die Animationen in Fantasyfilmen wie „Herr der Ringe“ herge- stellt werden. Damit nahmen sie die Bewe- gungen von Basketballspielern in Universi- tätsmannschaften auf. Anschließend untersuchten sie diese Würfe und fanden zunächst einmal genau das, was auch Zu- schauer beobachten und Trainer fordern: Zunächst steht der Spieler mit dem Arm ohne Ball in Wurfrichtung. Dann holt der Arm mit dem Ball nach hinten aus und führt den Schwung über den Kopf während der Unterarm angewinkelt wird. Gleichzeitig macht er einen großen Schritt nach vorn, dreht dabei Hüften und Ober- körper in Richtung Gegenspieler und streckt den Unterarm wieder. Aus dem Stand wirft auch ein trainierter Sportler ohne diese komplizierte Bewe- gung viel schwächer. Während sich der Arm rückwärts bewegt, dehnt sich das Netzwerk aus Sehnen und Bändern, das sich über die Schultern zieht. Die mit dieser Dehnung gespeicherten Energiemengen setzen die Sehnen später schlagartig frei und be- schleunigen so die ohnehin bereits schnelle Bewegung des Arms nach vorne enorm. Die Schulter eines Menschen funktioniert bei dieser Bewegung ähnlich wie eine Schleu- der oder eine Armbrust, die beim Spannen ebenfalls Energie speichern und später rasch auf den geschleuderten Stein oder den Pfeil übertragen. Die Rotation des Ar- mes, der Schritt Richtung Gegenspieler und die Rotation von Hüfte und Oberkör- per addieren weitere Kraft in den Wurf. Um diese Bewegungen auszuführen, braucht der Werfer eine schmale Hüfte, die eine rasche Körperdrehung erlaubt. Lange Beine geben zusätzlichen Schwung. Vor allem müssen sich die Stellung von Schulter und Armen zum Rest des Kör- pers ein wenig ändern, um beim Spannen der Schleuder viel Energie zu speichern. Alle diese Anpassungen waren zum ersten Mal beim Frühmenschen Homo erectus vor zwei Millionen Jahren verwirklicht. Offen- bar war die Perfektionierung des Werfens von Erfolg gekrönt. Vor 1,9 Millionen Jah- ren begannen die Frühmenschen jedenfalls deutlich mehr Fleisch zu verspeisen, die Jäger mussten also erfolgreicher sein. Die Frühmenschen setzten vermutlich nur ein paar Mal am Tag zu einem Wurf an. Auf sie sind die Sehnen und Bänder auch heutiger Baseballspieler ausgelegt. Eifrige Spieler bezahlen ihren Sport daher oft mit Bänderschwächen und Bänderrissen. Anthropologie Bewegungsanalysen zeigen: der Frühmensch Homo erectus hatte alles, um große Tiere zu jagen. Von Roland Knauer I m Jahr 1985 hat das Max-Planck-Insti- tut für Festkörperforschung in Stutt- gart einen Glücksgriff getan, wie er sel- ten gelingt. Es berief den Physiker Klaus von Klitzing zu einem seiner Direktoren. Noch im gleichen Jahr erhielt der Neuberu- fene den Nobelpreis für Physik. Wenig überraschend ist, dass er nach dieser Eh- rung häufig gefragt wurde, warum er „so dumm ist, in Deutschland zu bleiben“, wie er der StZ schon ein Jahr später erzählte. Bis heute ist der Forscher, der viele interna- tionale Kontakte pflegt, in Stuttgart geblie- ben. Einen Eindruck bietet eine Fachta- gung mit zahlreichen Gastrednern aus dem In- und Ausland, mit der das Institut in die- sen Tagen seinen Direktor feiert. Klaus von Klitzing wird am Freitag 70 Jahre alt. Typisch für diesen Mann der präzisen physikalischen Experimente: er stellt sich gegenüber der Öffentlichkeit nicht über seine Mitarbeiter. Besucher, die ihn nach Details seiner Arbeit fragen, verweist er oh- ne Eitelkeit an seine Mitarbeiter. „Die kön- nen Ihnen das viel besser erklären.“ Und als er bei der Verleihung des Nobelpreises eine Tischrede halten musste, freute er sich über sein Glück und sagte, als er die Nach- richt bekommen habe, sei sein erster Gedanke gewesen, wie viele an- dere Physiker nun de- primiert seien, weil sie den Preis nicht erhal- ten hätten. Mit Witz und Selbstironie erzählte er in der Leser-Uni der StZ einmal über seine Arbeit und die Entde- ckung, die ihn zum No- belpreisträger machen sollte. Ein Foto zeigt ihn an einem Labortisch, der Labor- kittel weiß, die Haare noch schwarz, neben elektronischen Messgeräten ein gefülltes Glas, eine Flasche Côte du Rhône, Baguette und Käse. „Entdeckung des quantisierten Hall-Effekts“, steht darunter, und: „Gre- noble, 5.2.1980 um 2 Uhr morgens“. Es war der Moment, in dem es ihm und seinen Mitarbeitern gelang, die Ergebnisse eines Experiments zu erklären, das schnell berühmt wurde. Die Physik der Quanten behandelt meist Effekte, die der Mensch nicht direkt beobachten kann, weil sie sich in der Welt der Atome und Moleküle ab- spielen. Von Klitzing und seine Mitarbeiter hatten eine Präzisionsmessung gemacht, die seitdem als Maß für physikalische Grundgrößen in der nichtatomaren Welt genutzt wird. Der elektrische Widerstand, Alltagsgröße in der Elektronik, lässt sich in der Einheit „Klitzing“ messen. Ein Klitzing sind 25 813,8 Ohm. Den Hall-Effekt entdeckte der US-ame- rikanische Physiker Edwin Hall schon 1879. Wenn ein elektrischer Strom zwischen den beiden Polen eines Magneten hindurch- fließt, senkrecht zum Magnetfeld, dann be- schreiben die Elektronen eine Spiralbahn oder, wenn sie durch eine Metallplatte strö- men, kreisförmig gekrümmte Bahnen. Das Magnetfeld lenkt sie von der geraden Bahn ab. Die Elektronen strömen also bevorzugt zu einer Seite der Metallplatte, und deshalb entsteht zwischen den beiden Seiten der Platte eine elektrische Spannung, die Hall- Spannung. Das ist der Hall-Effekt. Von Klitzings Mitarbeiter hatten Elekt- ronen nun so zwischen einer Metall- und einer Halbleiterschicht eingesperrt, dass durch die Grenzschicht praktisch nur eine einzige Lage Elektronen fließen konnte. Das Ganze kühlten sie auf knapp minus 270 Grad Celsius. Sie erzeugten senkrecht zu der Elektronenlage ein starkes Magnetfeld und maßen die Hall-Spannung. Änderten sie nun die Magnetfeldstärke, dann änderte sich auch die Hall-Spannung – aber sie tat das nicht gleichmäßig, wie Ed- win Hall beobachtet hatte, sondern in Stu- fen. Das Experiment war so präzise, dass von Klitzing feststellen konnte: die Stufen haben einen Abstand, der nur von zwei Na- turkonstanten abhängt, nämlich der La- dung des Elektrons und dem von Max Planck entdeckten Wirkungsquantum. Die Stufen folgen aufeinander im Abstand von einem Klitzing, einem halben Klitzing, einem Drittel Klitzing und so weiter. Wie hoch der Wert des quantisierten Hall-Effekts bis heute ist, zeigt das Sympo- sium zu Ehren von Klitzings. Bei der Eröff- nung am Mittwochabend war der Hörsaal im Max-Planck-Institut mit mehr als 300 Gästen besetzt. Klaus von Klitzing zeigte sich „beeindruckt“ über die große Zahl von „führenden Wissenschaftlern auf dem Ge- biet der Quanten-Hall-Forschung“. Eines der großen Themen ist der Ver- such, über diesen Effekt physikalische Messgrößen neu zu bestimmen. Das Kilo- gramm wird zum Beispiel immer noch von einem Standard-Kilogramm in Paris abge- leitet. Doch Terry Quinn, Emeritus des Internationalen Büros für Maß und Ge- wicht in Paris, ist zuversichtlich, dass sich das verbessern wird. Sein Thema: „Der Quanten-Hall-Effekt als Schlüssel zu einem neuen internationalen Einheiten- system“. Sein Fazit: „Wir sind fast so weit.“ Ein Glücksgriff, wie er selten gelingt Nach ihm ist eine physikalische Größe benannt: Ein Klitzing sind 25 813,8 Ohm. Nobelpreisträger Der Stuttgarter Physiker Klaus von Klitzing legte die Grundlagen für präzisere Messungen. Von Rainer Klüting K laus von Klitzing war erst 36, als er den Quanten-Hall-Effekt bei einem Forschungsaufenthalt in Grenoble entdeckte. Fünf Jahre später erhielt er da- für den Nobelpreis, kurz nachdem er nach Stuttgart berufen worden war. Herr von Klitzing, wie sehen Ihre Pläne aus? Ich werde Direktor am Max-Planck-Insti- tut bleiben. Wenn man leistungsfähig ist und die Kollegen und der Präsident zustim- men, kann man das bis zu seinem 75. Ge- burtstag machen. Sie denken nicht an Ruhestand? Nein, das werde ich nie tun. Solange ich es gesundheitlich kann, werde ich weltweit aktiv sein. Forschung ist mein Hobby, und Hobbys gibt man nicht so leicht auf. Ihr Nobelpreis liegt nun schon fast 30 Jahre zurück. Doch das Thema scheint immer noch aktuell zu sein, da Sie diese Woche eine große Tagung dazu an Ihrem Institut ausrichten. Was gibt es Neues? Der Quanten-Hall-Effekt hat viele Kinder bekommen. Es gibt zum Beispiel einen anomalen Quanten-Hall-Effekt und einen Spin-Quanten-Hall-Effekt. Inzwischen sind mehr als 10 000 Fachartikel zu diesem Thema erschienen – und in diesem Jahr sind es mehr als je zuvor. War der Nobelpreis für Ihre Arbeit eine Hilfe oder eine Bürde? Jede Medaille hat zwei Seiten. Der Quan- ten-Hall-Effekt hätte auch ohne den Preis wissenschaftlich Karriere gemacht, der war ein Selbstläufer. Aber mit dem Preis ist es leichter, gute Studenten und Fördermit- tel zu bekommen. Als Nobelpreisträger hat man zwar viele zusätzliche Aufgaben, aber ich sehe das Positive: weil der Preis ein so hohes Ansehen hat, kommt man mit vielen Menschen in aller Welt zusammen. Sie haben sich als Nobelpreisträger Ihren Arbeitsplatz aussuchen können und sind über all die Jahre Stuttgart treu geblieben. Was reizt Sie an der Stadt? In der StZ muss ich natürlich sagen: Das Ländle ist so schön! Ich gehe zwar gerne ins Ausland, aber die Familie hat früh gesagt, dass es nicht ihr Ziel sei, lange im Ausland zu leben. Und wenn man schon in Deutsch- land bleibt, ist ein Direktorenamt an einem Max-Planck-Institut schon das, was sich je- der Forscher wünscht. Und das fachliche Umfeld? Wir planen gerade eine Kooperation mit den Fraunhofer-Instituten in Stuttgart- Vaihingen, und wir wollen die gemeinsame Doktorandenschule mit der Universität Stuttgart ausbauen. Es sind immer Wün- sche offen, aber ich habe ein hervorragen- des Umfeld hier. Das Gespräch führten R. Klüting und A. Mäder. Nachgefragt „Forschung ist mein Hobby“ Der Stuttgarter Nobelpreisträger Klaus von Klitzing denkt auch an seinem 70. Geburtstag nicht an Ruhestand. Mit etwas Training werfen Menschen Bälle schneller als alle Tiere. Baguette, Wein und eine Präzisionsmessanlage: Klaus von Klitzing am 5. Februar 1980, als er um zwei Uhr morgens den Quanten-Hall-Effekt entdeckte Fotos: dpa, v. Klitzing Besucher, die ihn nach Details seiner Arbeit fragen, verweist er ohne Eitelkeit an seine Mitarbeiter. 18 Nr. 146 | Donnerstag, 27. Juni 2013 STUTTGARTER ZEITUNG ENTDECKEN

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Kontakt

Redaktion WissenschaftTelefon: 07 11/72 05­11 31E­Mail: [email protected]

Auf seinem Weg zum Bau einerRaumstation ist China ein großesStück vorangekommen. Nach dem

bisher längsten bemannten Raumflug Chi­nas kehrte dasRaumschiff Shenzhou 10 amMittwoch erfolgreich zur Erde zurück. Der15­tägige Flug der drei Taikonauten been­dete eine wichtige Testphase für die Ent­wicklung der Raumstation, die bis 2020fertig gestellt werden soll.

Der Flug des „Magischen Schiffes“ war„ein voller Erfolg“, sagte der Kommandeurdes Raumfahrtprogramms, Zhang Youxia.Nach zwei Wochen im All schwebte dieKapsel bei starkem Wind an einem Fall­schirm inNordchina zurErde. In einer gro­ßen Staubwolke schlug das Raumschiff imGrasland von Amugulang in der InnerenMongolei auf, einer autonomen RegionChinas. Der Hitzeschild rauchte noch vonder Reibungswärme beim Eintritt in dieErdatmosphäre.

In nur fünf Minuten hatten die Ber­gungsmannschaften die Kapsel erreichtund öffneten die Luke für erste medizini­sche Tests. Knapp eineinhalb Stunden spä­ter kletterte Kommandant Nie Haishengmit wackeligen Beinen aus der Kapsel. Der48­Jährigewurde sofort auf einenStuhl ge­setzt. Ihm folgten Wang Yaping (33) undZhang Xiaoguang (46). Wang Yaping hatte60 Millionen Schülern aus dem All eineUnterrichtsstunde inPhysik gegeben. dpa

Raumfahrt Drei Taikonautenlanden nach 15 Tagen in einerErdumlaufbahn.

Längste MissionChinas im All

Verhaltensforschung

Affen mit Erfahrungim StibitzenHalbaffen aus größeren sozialen Gruppenhaben eine besonders gute Beobachtungs­gabe. Sie schätzen die Aufmerksamkeitihres Gegenübers besser ein und stibitzenFutter schneller als Tiere, die in kleinerenFamilienaufgewachsensind.Dasberichtenamerikanische Verhaltensforscher nachExperimenten mit Lemuren im Online­Journal „PLOS One“. Evan MacLean vonder Duke­Universität (USA) hatte 60 Le­muren mit Futterstückchen auf einemTisch geködert. Die meisten Lemuren er­kannten, welches Futter nicht von einemMenschen beobachtet wurde und nahmendieses. Die Wahl war schneller, wenn dasTier einer Art angehörte, die in größerensozialen Gruppen lebt. Die Tiere schlossendemnach auf dasmögliche Risiko, entdecktzu werden – und das umso besser, je mehrErfahrung sie aus ihrerGruppe hatten. dpa

Genetik

Uralte Pferde­DNAim PermafrostAus einem700 000 Jahre alten Pferdekno­chen haben Forscher das Erbgut komplettentziffert. Das Genom sei das mit Abstandälteste eines Tieres, das je analysiert wer­den konnte, schreiben die WissenschaftlerimFachblatt „Nature“.Eserlaubenichtnurneue Einblicke in die Evolution der Pferde,sondern lasse auch hoffen, dass künftigDNA aus anderen fossilen Proben gewon­nen werden könne, die bisher als zu alt er­achtet wurden. Ludovic Orlando von derUniversität Kopenhagen und sein Teamhatten denKnochen imkanadischenTerri­torium Yukon ausgegraben. Dort hatte erim Permafrostboden gelegen. Die Analysebestätigt, dass das Przewalski­Pferd dasletzte überlebende echteWildpferd ist. dpa

Die Taikonautin Wang Yaping ist mit zweiKollegen imNorden Chinas gelandet.Foto: dpa

Menschen werfen Speere seit zwei Millionen Jahren

Mützen wie ein Baseballspieler des21. Jahrhunderts hatten dieFrühmenschen Homo erectus

vor zweiMillionenJahren zwarnochnicht,aber werfen konnten sie wohl ähnlich gutwie ein Spitzen­Pitcher einer Profimann­schaft, der einen Baseball mit immerhinmehr als 160 Stundenkilometern in Rich­tung Gegenspieler schleudert. Damals ginges allerdings weniger um sportliche Ehren,sondern ums Beutemachen und damit umdieErnährung, erklärenNeilRoachvonderHarvard­Universität und seine KollegenimWissenschaftsmagazin „Nature“.

Bei dieser Jagd waren die Vorfahren desmodernenMenschen jedoch klar imNach­teil: Siewarendeutlich langsameralsRaub­tiere und erheblich schwächer, obendreinhatten sie keine natürlichen Waffen wieKlauen oder Reißzähne. Die Frühmen­schen mussten Tiere aus sicherer Entfer­nung töten oder schwächen, um sie an­schließend leichter zuerwischen. Solltedasnicht klappen, konnteman immerhin nochandere Raubtiere wie Löwen oder Leopar­den von ihrer Beute vertreiben und so

selbst aneineFleischmahlzeit kommen.DaPfeil und Bogen noch nicht erfunden wa­ren, blieben den Frühmenschen nur Steineoder ausHolz geschnitzte Speere.

Zwar werfen auch in heutiger Zeit dieJäger der letzten Naturvölker ihre Speereim Durchschnitt nur sieben Meter weit.DiesergeringeAbstandgenügtaber,umdasRisiko einer schweren Verletzung erheb­lich zu verringern. Bessere Werfer überle­ben also länger und haben bessere Chan­cen, sich fortzupflanzen. Am Ende dieserEntwicklung stehen die Profiwerfer derUS­amerikanischen Baseballer, die Bälleerheblich schneller schleudern als alle Tie­re einschließlich der nächsten Verwandtendes Menschen. Ein kräftiger erwachsenerSchimpansen­Mann schafft allenfalls eineWurfgeschwindigkeit von 35 Stundenkilo­metern, während schon ein zwölfjährigerMenschenjunge nach ein wenig Trainingauf dreimal schnellereWürfe kommt.

Um herauszubekommen, wie heutigeMenschen dieses erstaunliche Tempo er­reichen, setzte Neil Roach genau die glei­chen dreidimensionalen Kameras ein, mit

denenVideospiele oderdieAnimationen inFantasyfilmenwie „Herr der Ringe“ herge­stellt werden. Damit nahmen sie die Bewe­gungen vonBasketballspielern inUniversi­tätsmannschaften auf. Anschließenduntersuchten sie diese Würfe und fandenzunächst einmal genau das, was auch Zu­schauer beobachten und Trainer fordern:Zunächst steht der Spieler mit dem Armohne Ball in Wurfrichtung. Dann holt derArmmit demBall nach hintenaus und führt den Schwungüber den Kopf während derUnterarm angewinkelt wird.Gleichzeitig macht er einengroßen Schritt nach vorn,dreht dabei Hüften und Ober­körper in Richtung Gegenspieler undstreckt denUnterarmwieder.

AusdemStandwirft auch ein trainierterSportler ohne diese komplizierte Bewe­gungviel schwächer.WährendsichderArmrückwärts bewegt, dehnt sichdasNetzwerkaus Sehnen und Bändern, das sich über dieSchultern zieht. Die mit dieser Dehnunggespeicherten Energiemengen setzen dieSehnen später schlagartig frei und be­schleunigensodieohnehinbereits schnelleBewegungdesArmsnach vorne enorm.DieSchulter eines Menschen funktioniert beidieser Bewegung ähnlich wie eine Schleu­

der oder eine Armbrust, die beim Spannenebenfalls Energie speichern und späterrasch auf den geschleuderten Stein oderden Pfeil übertragen. Die Rotation des Ar­mes, der Schritt Richtung Gegenspielerund die Rotation von Hüfte und Oberkör­per addierenweitereKraft in denWurf.

Um diese Bewegungen auszuführen,braucht derWerfer eine schmaleHüfte, dieeine rasche Körperdrehung erlaubt. Lange

Beine geben zusätzlichenSchwung. Vor allem müssensich die Stellung von SchulterundArmen zumRest des Kör­pers ein wenig ändern, umbeim Spannen der Schleuderviel Energie zu speichern. Alle

diese Anpassungen waren zum ersten Malbeim Frühmenschen Homo erectus vorzweiMillionen Jahren verwirklicht. Offen­bar war die Perfektionierung des Werfensvon Erfolg gekrönt. Vor 1,9 Millionen Jah­renbegannendieFrühmenschen jedenfallsdeutlich mehr Fleisch zu verspeisen, dieJägermussten also erfolgreicher sein.

Die Frühmenschen setzten vermutlichnur ein paarMal amTag zu einemWurf an.Auf sie sind die Sehnen und Bänder auchheutiger Baseballspieler ausgelegt. EifrigeSpieler bezahlen ihren Sport daher oft mitBänderschwächenundBänderrissen.

Anthropologie Bewegungsanalysen zeigen: der Frühmensch Homoerectus hatte alles, um große Tiere zu jagen. Von Roland Knauer

ImJahr 1985 hat dasMax­Planck­Insti­tut für Festkörperforschung in Stutt­gart einenGlücksgriff getan,wie er sel­

ten gelingt. Es berief den Physiker Klausvon Klitzing zu einem seiner Direktoren.Noch imgleichenJahrerhieltderNeuberu­fene den Nobelpreis für Physik. Wenigüberraschend ist, dass er nach dieser Eh­rung häufig gefragt wurde, warum er „sodumm ist, in Deutschland zu bleiben“, wieer der StZ schon ein Jahr später erzählte.Bisheute istderForscher,derviele interna­tionale Kontakte pflegt, in Stuttgart geblie­ben. Einen Eindruck bietet eine Fachta­gungmit zahlreichenGastrednern aus demIn­undAusland,mit der das Institut indie­senTagen seinenDirektor feiert. Klaus vonKlitzingwird amFreitag 70 Jahre alt.

Typisch für diesen Mann der präzisenphysikalischen Experimente: er stellt sichgegenüber der Öffentlichkeit nicht überseine Mitarbeiter. Besucher, die ihn nachDetails seinerArbeit fragen, verweist er oh­ne Eitelkeit an seineMitarbeiter. „Die kön­nenIhnendasvielbessererklären.“Undalser bei derVerleihung desNobelpreises eineTischrede halten musste, freute er sichüber sein Glück und sagte, als er die Nach­

richt bekommen habe,sei seinersterGedankegewesen, wie viele an­dere Physiker nun de­primiert seien, weil sieden Preis nicht erhal­ten hätten.

Mit Witz undSelbstironie erzählteer in der Leser­Uni derStZ einmal über seineArbeit und die Entde­ckung, die ihn zumNo­

belpreisträger machen sollte. Ein Fotozeigt ihn an einem Labortisch, der Labor­kittel weiß, die Haare noch schwarz, nebenelektronischen Messgeräten ein gefülltesGlas, eine FlascheCôte duRhône, Baguetteund Käse. „Entdeckung des quantisiertenHall­Effekts“, steht darunter, und: „Gre­noble, 5.2.1980um2Uhrmorgens“.

Es war der Moment, in dem es ihm undseinenMitarbeitern gelang, die Ergebnisseeines Experiments zu erklären, das schnellberühmt wurde. Die Physik der Quantenbehandelt meist Effekte, die der Menschnicht direkt beobachten kann, weil sie sichin der Welt der Atome und Moleküle ab­spielen. VonKlitzing und seineMitarbeiterhatten eine Präzisionsmessung gemacht,die seitdem als Maß für physikalischeGrundgrößen in der nichtatomaren Weltgenutzt wird. Der elektrische Widerstand,Alltagsgröße in der Elektronik, lässt sich inderEinheit „Klitzing“messen. EinKlitzingsind 25813,8Ohm.

DenHall­Effekt entdeckte der US­ame­rikanischePhysikerEdwinHall schon1879.Wenn ein elektrischer Strom zwischen denbeiden Polen eines Magneten hindurch­fließt, senkrecht zumMagnetfeld, dann be­schreiben die Elektronen eine Spiralbahnoder,wennsiedurcheineMetallplatte strö­men, kreisförmig gekrümmte Bahnen. DasMagnetfeld lenkt sie von der geraden Bahnab. Die Elektronen strömen also bevorzugtzueinerSeite derMetallplatte, unddeshalb

entsteht zwischen den beiden Seiten derPlatte eine elektrische Spannung, die Hall­Spannung.Das ist derHall­Effekt.

Von Klitzings Mitarbeiter hatten Elekt­ronen nun so zwischen einer Metall­ undeiner Halbleiterschicht eingesperrt, dassdurch die Grenzschicht praktisch nur eineeinzige Lage Elektronen fließen konnte.DasGanzekühlten sie auf knappminus270Grad Celsius. Sie erzeugten senkrecht zuder Elektronenlage ein starkes MagnetfeldundmaßendieHall­Spannung.

Änderten sie nun die Magnetfeldstärke,dann änderte sich auch die Hall­Spannung– aber sie tat dasnicht gleichmäßig,wieEd­win Hall beobachtet hatte, sondern in Stu­fen. Das Experiment war so präzise, dassvon Klitzing feststellen konnte: die Stufenhaben einen Abstand, der nur von zwei Na­turkonstanten abhängt, nämlich der La­dung des Elektrons und dem von MaxPlanck entdecktenWirkungsquantum. DieStufen folgen aufeinander im Abstand von

einem Klitzing, einem halben Klitzing,einemDrittel Klitzing und soweiter.

Wie hoch der Wert des quantisiertenHall­Effekts bis heute ist, zeigt das Sympo­sium zu Ehren vonKlitzings. Bei der Eröff­nung am Mittwochabend war der Hörsaalim Max­Planck­Institut mit mehr als 300Gästen besetzt. Klaus von Klitzing zeigtesich „beeindruckt“ über die große Zahl von„führenden Wissenschaftlern auf dem Ge­biet derQuanten­Hall­Forschung“.

Eines der großen Themen ist der Ver­such, über diesen Effekt physikalischeMessgrößen neu zu bestimmen. Das Kilo­grammwird zum Beispiel immer noch voneinem Standard­Kilogramm in Paris abge­leitet. Doch Terry Quinn, Emeritus desInternationalen Büros für Maß und Ge­wicht in Paris, ist zuversichtlich, dass sichdas verbessern wird. Sein Thema: „DerQuanten­Hall­Effekt als Schlüssel zueinem neuen internationalen Einheiten­system“. SeinFazit: „Wir sind fast soweit.“

Ein Glücksgriff, wie er selten gelingt

Nach ihm ist eine physikalische Größe benannt: Ein Klitzing sind 25813,8 Ohm.

Nobelpreisträger Der StuttgarterPhysiker Klaus von Klitzing legtedie Grundlagen für präzisereMessungen. Von Rainer Klüting

Klaus von Klitzing war erst 36, als erdenQuanten­Hall­Effektbei einemForschungsaufenthalt in Grenoble

entdeckte. Fünf Jahre später erhielt er da­für den Nobelpreis, kurz nachdem er nachStuttgart berufenwordenwar.

Herr vonKlitzing, wie sehen Ihre Pläne aus?Ich werde Direktor am Max­Planck­Insti­tut bleiben. Wenn man leistungsfähig istunddieKollegenundderPräsident zustim­men, kann man das bis zu seinem 75. Ge­burtstagmachen.

Sie denken nicht anRuhestand?Nein, das werde ich nie tun. Solange ich esgesundheitlich kann, werde ich weltweitaktiv sein. Forschung ist mein Hobby, undHobbys gibtmannicht so leicht auf.

Ihr Nobelpreis liegt nun schon fast 30 Jahrezurück.DochdasThemascheint immernochaktuell zu sein, daSiedieseWocheeinegroßeTagung dazu an Ihrem Institut ausrichten.Was gibt esNeues?Der Quanten­Hall­Effekt hat viele Kinderbekommen. Es gibt zum Beispiel einenanomalen Quanten­Hall­Effekt und einenSpin­Quanten­Hall­Effekt. Inzwischensindmehr als 10 000Fachartikel zu diesemThema erschienen – und in diesem Jahrsind esmehr als je zuvor.

WarderNobelpreis für IhreArbeit eineHilfeoder eine Bürde?Jede Medaille hat zwei Seiten. Der Quan­ten­Hall­Effekt hätte auch ohne den Preiswissenschaftlich Karriere gemacht, derwar ein Selbstläufer. Abermit demPreis istes leichter, gute Studenten und Fördermit­tel zu bekommen. Als Nobelpreisträger hatman zwar viele zusätzliche Aufgaben, aberich sehe das Positive: weil der Preis ein sohohes Ansehen hat, kommtmanmit vielenMenschen in allerWelt zusammen.

Sie haben sich als Nobelpreisträger IhrenArbeitsplatz aussuchen können und sindüber all die Jahre Stuttgart treu geblieben.Was reizt Sie an der Stadt?In der StZ muss ich natürlich sagen: DasLändle ist so schön! Ich gehe zwar gerne insAusland, aber die Familie hat früh gesagt,dass es nicht ihr Ziel sei, lange im Auslandzu leben.Undwennman schon inDeutsch­land bleibt, ist einDirektorenamt an einemMax­Planck­Institut schondas,was sich je­der Forscherwünscht.

Unddas fachlicheUmfeld?Wir planen gerade eine Kooperation mitden Fraunhofer­Instituten in Stuttgart­Vaihingen, und wir wollen die gemeinsameDoktorandenschule mit der UniversitätStuttgart ausbauen. Es sind immer Wün­sche offen, aber ich habe ein hervorragen­desUmfeld hier.

DasGespräch führten R. Klüting undA.Mäder.

Nachgefragt

„Forschung istmein Hobby“Der Stuttgarter Nobelpreisträger

Klaus von Klitzing denkt auch an seinem

70. Geburtstag nicht an Ruhestand.

Mit etwasTrainingwerfenMenschenBälle schneller alsalleTiere.

Baguette,Wein und eine Präzisionsmessanlage: Klaus vonKlitzing am 5. Februar 1980, alser um zwei Uhr morgens den Quanten­Hall­Effekt entdeckte Fotos: dpa, v. Klitzing

Besucher,die ihnnachDetails seinerArbeit fragen,verweist erohneEitelkeitan seineMitarbeiter.

18 Nr. 146 | Donnerstag, 27. Juni 2013STUTTGARTER ZEITUNGENTDECKEN