19. Rehabilitationswissenschaftlichen...

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Internetausgabe des Tagungsbandes zum 19. Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium erschienen im März 2010 innerhalb der DRV-Schriften als Band 88 Herausgeber Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

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Internetausgabe des Tagungsbandes

zum

19. Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium

erschienen im März 2010 innerhalb der DRV-Schriften als Band 88

Herausgeber Deutsche Rentenversicherung Bund,

Berlin

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19. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium Qualität in der Rehabilitation

- Management, Praxis, Forschung vom 8. bis 10. März 2010 in Leipzig

veranstaltet von

Deutsche Rentenversicherung Bund Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland

in Zusammenarbeit mit

Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW)

Wissenschaftliche Leitung

Dr. Rolf Buschmann-Steinhage, Dr. Hans-Günter Haaf,

Deutsche Rentenversicherung Bund Prof. Dr. Dr. Uwe Koch, DGRW

Organisationskomitee Jens Röthig, Cornelia Schumann,

Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland

Maja Mrugalla, Astrid Rosendahl, Deutsche Rentenversicherung Bund

Programmkomitee

Prof. Dr. H.H. Bartsch (Freiburg), Prof. Dr. C.P. Bauer (Gaißach), Prof. Dr. J. Behrens (Halle), Prof. Dr. Dr. J. Bengel (Freiburg), Prof. Dr. W.F. Beyer (Bad Füssing), Prof. Dr. E.M. Bitzer (Frei-burg), Dr. S. Brüggemann (Berlin), Dr. C. Büchner (Düsseldorf), Dr. I. Ehlebracht-König (Bad Eil-sen), Prof. Dr. Dr. H. Faller (Würzburg), Prof. Dr. G. Grande (Leipzig), Prof. Dr. B. Greitemann (Bad Rothenfelde), Prof. Dr. C. Gutenbrunner (Hannover), Prof. Dr. Dr. M. Härter (Hamburg), Prof. Dr. P. Hampel (Kiel), Prof. Dr. S. Hesse (Berlin), Dr. A. Holderied (Würzburg), Prof. Dr. W.H. Jäckel (Freiburg), Prof. Dr. M. Karoff (Ennepetal), Dr. R.J. Knickenberg (Bad Neustadt), Prof. Dr. T. Kohlmann (Greifswald), Dr. C. Korsukéwitz (Berlin), Prof. Dr. W. Kohte (Halle), Prof. Dr. M. Linden (Teltow), Prof. Dr. W. Mau (Halle), Prof. Dr. M. Morfeld (Stendal), Prof. Dr. R. Muche (Ulm), Prof. Dr. F. Petermann (Bremen), Prof. Dr. K. Pfeifer (Erlangen), Dr. H. Pollmann (Bad Neuenahr), Prof. Dr. Dr. H. Raspe (Lübeck), Dr. H.M. Schian (Wilnsdorf), Dr. W. Schupp (Herzogenaurach), Prof. Dr. B. Schwaab (Bernried), Prof. Dr. W. Slesina (Halle), Prof. Dr. W. Spijkers (Aachen), Prof. Dr. H. Teschler (Essen), Prof. Dr. U. Walter (Hannover), Prof. Dr. J. Wasem (Essen), Prof. Dr. K. Wegscheider (Berlin), Prof. Dr. F. Welti (Neubrandenburg), Prof. Dr. A. Wirth (Bad Rothenfelde).

Tagungsband

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Vorwort Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

zum 19. Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium dürfen wir Sie herzlich in Leipzig begrüßen.

Mit dem Rahmenthema "Qualität in der Rehabilitation - Management, Praxis, Forschung" liegt der inhaltliche Schwerpunkt des diesjährigen Kolloquiums auf der Optimierung und Weiterentwicklung der Rehabilitationsprozesse durch systematische Qualitätsverbesserung.

Was macht die Qualität der Rehabilitation aus und wie kommt sie zustande? Instrumente und Ver-fahren der Qualitätssicherung erlauben eine differenzierte Betrachtung der Reha-Einrichtungen, so dass Stärken oder Schwachstellen frühzeitig erkennbar werden. Zertifizierung, Reha-Therapiestan-dards und Einrichtungsvergleiche bilden die Grundlage für einen qualitätsorientierten Wettbewerb.

Mit ihrer Reha-Qualitätssicherung ist die Deutsche Rentenversicherung Vorreiter innerhalb der Ge-sundheitsversorgung. Die Ergebnisse dokumentieren einen hohen Qualitätsstandard in der medizini-schen und beruflichen Rehabilitation, allerdings mit erheblichen Unterschieden zwischen den Reha-Einrichtungen. Wichtig ist deshalb eine zeitnahe und praxisrelevante Rückmeldung der Ergebnisse an die Einrichtungen, die sie in die Lage versetzt, die eigene Qualität weiterzuentwickeln.

Bezogen auf die Qualität der Rehabilitation spielt die Perspektive der Rehabilitandinnen und Rehabi-litanden eine wichtige Rolle. Subjektive Erwartungen und Vorstellungen der Patienten beeinflussen nicht nur die Zufriedenheit, sondern auch den Rehabilitationsverlauf und den langfristigen Erfolg. Forschungsergebnisse zeigen, dass Rehabilitanden differenzierte Vorstellungen von einer qualitativ hochwertigen Rehabilitation haben und verschiedene Qualitätsdimensionen unterschiedlich gewich-ten. Die stärkere Berücksichtung der subjektiven Qualitätskonzepte kann zu mehr Patientenorientie-rung in der Gestaltung und Umsetzung von Rehabilitationsangeboten führen.

Die Frage der Qualität hat auch eine nicht unbedeutende ökonomische Dimension. Qualitätsstan-dards stecken den Rahmen für die notwendigen Ressourcen ab, die die Reha-Einrichtungen einset-zen müssen, um eine angemessene Versorgung zu erreichen. Nicht zuletzt deshalb wird die Qualität in der Rehabilitation Gegenstand eines beständigen Diskurses der Akteure bleiben.

Bei der Entwicklung von Qualitätsindikatoren und geeigneten Erhebungsinstrumenten muss sich die Reha-Qualitätssicherung der ständigen Überprüfung stellen und bleibt damit selbst Gegenstand der Reha-Forschung. Es ist eine wichtige Aufgabe der Rehabilitationswissenschaften zur Transparenz und Verbesserung der Qualität in der Rehabilitation beizutragen.

Neu in das Programm des diesjährigen Reha-Kolloquiums wurden die sogenannten DGRW-Updates aufgenommen. Mit diesem Angebot soll der aktuelle wissenschaftliche Stand in verschiedenen Indi-kationsbereichen durch namhafte Fachvertreter aufgearbeitet werden. In diesem Jahr geht es um Rehabilitation bei Kindern und Jugendlichen, um Bewegungstherapie, Herz-Kreislauferkrankungen und psychische Störungen.

Der Tagungsband ist auch im Internet (www.deutsche-rentenversicherung-bund.de) zum Herunter-laden verfügbar. Dr. Rolf Buschmann-Steinhage

Dr. Hans-Günter Haaf

Prof. Dr. Dr. Uwe Koch

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Inhaltsübersicht Plenarvorträge................................................................................................................... 25 DGRW-Update I ................................................................................................................ 29 DGRW-Update II ............................................................................................................... 34 Externe Qualitätssicherung ............................................................................................... 37 Prozessqualität.................................................................................................................. 49 Ergebnisqualität ................................................................................................................ 59 Qualitätskonzepte ............................................................................................................. 70 Qualitätskonzepte (Poster)................................................................................................ 83 Leitlinien und Reha-Therapiestandards ............................................................................ 88 Methodik rehabilitationswissenschaftlicher Forschung (Poster) ........................................ 99 Assessmentinstrumente I .................................................................................................105 Assessmentinstrumente II ................................................................................................115 Assessmentinstrumente (Poster) .....................................................................................123 ICF ...................................................................................................................................150 ICF (Poster)......................................................................................................................160 Reha-Nachsorge ..............................................................................................................165 Reha-Nachsorge (Poster) ................................................................................................175 Rehabilitation im Gesundheitssystem ..............................................................................177 Rehabilitation im Gesundheitssystem (Poster).................................................................190 Epidemiologie und Reha-Inanspruchnahme ....................................................................193 Epidemiologie und Reha-Inanspruchnahme (Poster).......................................................206 Patientenorientierung I .....................................................................................................210 Patientenorientierung II ....................................................................................................220 Patientenorientierung (Poster) .........................................................................................233 Patientenschulung............................................................................................................249 Patientenschulung (Poster) ..............................................................................................257 Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation I ..............................................................259 Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation II .............................................................269 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ........................................................................279 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Poster) ..........................................................290 Betriebliches Gesundheitsmanagement...........................................................................297 Betriebliches Gesundheitsmanagement (Poster) .............................................................310 Sozialmedizin ...................................................................................................................312 Rechtswissenschaften I ...................................................................................................324 Rechtswissenschaften II ..................................................................................................333 Orthopädische/rheumatologische Rehabilitation I ............................................................342 Orthopädische/rheumatologische Rehabilitation II ...........................................................352 Orthopädische/rheumatologische Rehabilitation (Poster) ................................................361 Bewegungstherapie in der Rehabilitation.........................................................................378 Neurologische Rehabilitation............................................................................................388

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Neurologische Rehabilitation (Poster)..............................................................................398 Kardiologische Rehabilitation I - in Kooperation mit der DGPR........................................409 Kardiologische Rehabilitation II ........................................................................................418 Kardiologische Rehabilitation (Poster) .............................................................................427 Onkologische Rehabilitation I...........................................................................................436 Onkologische Rehabilitation II..........................................................................................443 Onkologische Rehabilitation (Poster) ...............................................................................452 Gastroenterologische Rehabilitation - in Kooperation mit der GRVS ...............................455 Rehabilitation bei psychischen Störungen I .....................................................................464 Rehabilitation bei psychischen Störungen II ....................................................................472 Rehabilitation bei psychischen Störungen (Poster)..........................................................483 Wirkungen der psychosomatischen Rehabilitation...........................................................493 Arbeit und Psychosomatik................................................................................................502 Arbeit und Psychosomatik (Poster) ..................................................................................510 Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen ................................................................516 Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen (Poster)...................................................528 Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen ..................................................................533 Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen (Poster).....................................................548 Reha-Pflege .....................................................................................................................552 Reha-Pflege (Poster) .......................................................................................................561 Andere Indikationsbereiche (Poster) ................................................................................564 Autorenindex ....................................................................................................................571 Verzeichnis der Erstautoren.............................................................................................576

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Inhaltsverzeichnis Plenarvorträge ................................................................................................................ 25

Die Qualität in der Rehabilitation aus Sicht der Patientinnen und Patienten - Liegt die Wahrheit im Auge des Betrachters? Grande, G. .................................................................................................................... 25 Reha-Qualitätssicherung - Eine kritische Bestandsaufnahme Klosterhuis, H. .............................................................................................................. 27

DGRW-Update I .............................................................................................................. 29 Rehabilitation bei Kindern und Jugendlichen Bauer, C.-P. .................................................................................................................. 29 Bewegungstherapie in der Rehabilitation Pfeifer, K. ...................................................................................................................... 31

DGRW-Update II ............................................................................................................. 34 Rehabilitation bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen Karoff, M. ...................................................................................................................... 34 Rehabilitation bei psychischen Störungen Rüddel, H. ..................................................................................................................... 35

Externe Qualitätssicherung ........................................................................................... 37 Strukturqualität von Maßnahmen der stationären Vorsorge und Rehabilitation für Mütter, Väter und Kinder Heide, M., Lukasczik, M., Gerlich, C., Musekamp, G., Neuderth, S., Vogel, H. ............ 37 Die Entwicklung eines Qualitätssicherungsverfahrens zur Analyse der Ergebnisqualität und Patientenzufriedenheit in Einrichtungen der Kinder-Jugend-Rehabilitation Farin, E., Gustke, M., Kosiol, D., Glattacker, M., Jäckel, W.H., Widera, T., Polak, U. .. 39 Weiterentwicklung des QS-Reha®-Verfahrens der GKV Voß, K.-D., Niedling, A., Lawall, C. ............................................................................... 41 Ausmaß und Struktur von dokumentierten Leistungen (KTL) zu Information, Motivation und Schulung während der medizinischen Rehabilitation Zander, J., Beckmann, U. ............................................................................................. 43 Gutachterübereinstimmung im Peer Review zufriedenstellend: Weitere Verbesserung durch Präzisierung im Bereich Diagnostik Baumgarten, E., Lindow, B. .......................................................................................... 46

Prozessqualität ............................................................................................................... 49 Indikatoren der Prozessqualität - Einrichtungsvergleich auf der Grundlage von Rehabilitandenurteilen Rennert, D., Slesina, W. ............................................................................................... 49 Zur Qualitätssicherung beruflicher Bildungsleistungen - Eine Analyse der Integrationsergebnisse freier Bildungsträger 2004-2009 Streibelt, M., Springer, K.-D. ......................................................................................... 51 Ganz andere Rehabilitanden? - Sozialmedizinische und soziodemografische Veränderungen in der Rehabilitandenstruktur der letzten 10 Jahre Lindow, B., Naumann, B. .............................................................................................. 53 Prozessevaluation der integrativen Patientenschulung zur Optimierung der stationären Rehabilitation bei chronischem Rückenschmerz Nienaber, J., Zamora, R., Buchmann, J., Meng, K., Hofmann, J., Pfeifer, K. ............... 55

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Migration und rehabilitative Versorgung in Deutschland: Versorgungsqualität aus der Sicht von türkischen Rehabilitanden und Klinikmitarbeitern Yilmaz-Aslan, Y., Reutin, B., Razum, O., Schott, T. ..................................................... 57

Ergebnisqualität ............................................................................................................. 59 SCL-90-R, BSI oder BSI-18? - Erfassung der psychischen Beeinträchtigung in der somatischen Rehabilitation als Mittel der Ergebnisqualität Jäger, S., Franke, G.H. ................................................................................................. 59 Veränderungsmessung bei DRV-Patienten in der stationären psychosomatischen Rehabilitation über 15 Jahre Mestel, R., von Wahlert, J. ............................................................................................ 61 Kontinuierliche Patientenbefragungen - Ein Königsweg für Qualitätsverbesserungen in der medizinischen Rehabilitation?! Nübling, R., Rieger, J., Steffanowski, A., Kriz, D., Schmidt, J. ...................................... 62 Externe Qualitätssicherung in stationären Einrichtungen der Vorsorge und Reha-bilitation für Mütter, Väter und Kinder: Einrichtungsvergleichende Analysen von Parametern der Ergebnisqualität Lukasczik, M., Gerlich, C., Musekamp, G., Heide, M., Schuler, M., Neuderth, S., Vogel, H. ................................................................................................. 64 Was hat die Adjustierung gebracht? Widera, T., Grünbeck, P. .............................................................................................. 66

Qualitätskonzepte .......................................................................................................... 70 Dimensionen und Determinanten der subjektiven rehabilitationsbezogenen Qualitätskonzepte von kardiologischen und orthopädischen PatientInnen Romppel, M., Grande, G. .............................................................................................. 70 Internes Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO aus Sicht der MitarbeiterInnen Otto, F., Arnhold-Kerri, S. ............................................................................................. 72 Qualitätsverbesserung durch Zusammenarbeit - Konzept und Ergebnisse des Qualitätsverbunds Reha und Gesundheit Baden-Württemberg Toepler, E., Forcher, R., Werner, O. ............................................................................. 74 Patientenbefragungen in der medizinischen Rehabilitation - Zusammenhänge zwischen Rücklaufquote und Patientenzufriedenheit Steffanowski, A., Rieger, J., Kriz, D., Schmidt, J., Nübling, R. ...................................... 77 Indikatoren der Ergebnisqualität in der Rehabilitandenbefragung: Hausnummern oder substanzielle Information? Ergebnisse einer qualitativen Interviewstudie Meyer, T., Wäntig, J. ..................................................................................................... 80

Qualitätskonzepte (Poster) ............................................................................................ 83 Die Bedeutung der Qualitätsmanagementbeauftragten für Aufbau und Weiterent-wicklung der Qualitätsmanagementsysteme in Rehabilitationskliniken Rundel, M., Körner, M., Kohl, C.F.R. ............................................................................ 83 Qualitätssiegel geriatrische und neurologische Rehabilitation in Rheinland-Pfalz - Welches Verbesserungspotenzial kann durch Zertifizierung generiert werden? Freidel, K. ..................................................................................................................... 86

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Leitlinien und Reha-Therapiestandards ....................................................................... 88 Das Leitlinienprogramm der Deutschen Rentenversicherung: Kann der Geltungsbereich bestehender Leitlinien/Reha-Therapiestandards ausgedehnt werden? Bitzer, E.M., Dörning, H., Brüggemann, S. ................................................................... 88 Entwicklung von Therapiestandards zur Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen - Phase 3: Ergebnisse der Expertenbefragung Ahnert, J., Löffler, S., Müller, J., Vogel, H. .................................................................... 90 Leitlinienkonformität rehabilitativer Maßnahmen nach Bandscheiben-Operation Bauknecht, M., Braun, B., Müller, R. ............................................................................ 92 Therapiezielorientierte Rehabilitationsleitlinie für die Indikation Asthma Schnabel, M., Fischer, J. .............................................................................................. 94 Entwicklung von Reha-Therapiestandards für die Rehabilitation von Patienten mit depressiven Störungen - Phase 3: Ergebnisse eines Expertenworkshops und einer Patientenbefragung Barghaan, D., Schulz, H., Koch, U., Dirmaier, J. .......................................................... 96

Methodik rehabilitationswissenschaftlicher Forschung (Poster) .............................. 99 Matched-Pair-Designs und Propensity Scores zum Therapievergleich: Überlegungen anhand eines Beispieles aus der Männertherapie Kaluscha, R., Dreyhaupt, J., Muche, R. ........................................................................ 99 Use of multiple accelerometers to characterize physical activity patterns in COPD patients undergoing long-term oxygen therapy within a rehabilitation program Gorzelniak, L., Dias, A., Schultz, K., Wittmann, M., Jörres, R., Karrasch, S., Horsch, A. ..............................................................................................101 Retrospektive Veränderungsmessung und Response-Shift Jelitte, M., Faller, H., Schulte, T. ..................................................................................103

Assessmentinstrumente I .............................................................................................105 Überprüfung eines Modells zur Vereinheitlichung der Vorhersage von Leistungseinschränkungen bei chronischen LWS-Erkrankungen Bader, U., Tittor, W. .....................................................................................................105 Validierung eines inertialsensorbasierten Ganganalysemesssystems Schwesig, R., Fischer, D., Wust, S., Leuchte, S., Seehaus, F. ....................................107 Evaluation der deutschen Version des Fragebogens "Perceived efficacy in patient-physician interactions" (PEPPI) Gramm, L., Kosiol, D., Farin, E. ...................................................................................108 Wiederherstellung von Aktivität und Partizipation in Abhängigkeit vom Aktivitätsprofil bei psychovegetativer Erschöpfung Bähr, S., Raschke, F., Fischer, J. ................................................................................110 Zur klinischen Validität neuerer Psychometrieverfahren in der Erfassung von Veränderungen der Symptomatik bei affektiven Störungen bei Patienten in der Psychosomatischen Rehabilitation Schüle, C., Jürgensen, R., Rüddel, H. .........................................................................112

Assessmentinstrumente II ............................................................................................115 Entwicklung und Überprüfung einer Itembank für Angst bei Patienten in der kardiologischen Rehabilitation Abberger, B., Schnurr, A., Bengel, J., Wirtz, M., Baumeister, H. .................................115

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Möglichkeiten der Nutzung Item Response Theorie basierter Itembanken am Beispiel der Depression Forkmann, T., Böcker, M., Wirtz, M., Glaesmer, H., Brähler, E., Norra, C., Gauggel, S. .................................................................................................116 Entwicklung eines Fragebogens zur Erfassung von "Funktionsfähigkeit im Beruf" bei Rehabilitanden mit muskuloskeletalen Erkrankungen Müller, E., Frey, C., Prinz, E., Bengel, J., Wirtz, M . .....................................................118 Validierung adaptiver Algorithmen mittels Simulationsstudien am Beispiel der Funktionsfähigkeit im Alltag Frey, C., Müller, E., Prinz, E., Kröhne, U., Bengel, J., Wirtz, M. ..................................120

Assessmentinstrumente (Poster) ................................................................................123 Vorbereitung zur psychosomatischen Rehabilitation: Entwicklung eines Patienten-Fragebogens Lange, M., Best, M., Hessel, A., Petermann, F. ...........................................................123 Einsatz von E-Health-Methoden in der psychosomatischen Rehabilitation: Effekte eines psychologischen Monitorings mit automatischer Intervention auf die Behandlungsergebnisse bei Tinnituspatienten Schauß, S., Schneider, U., Jürgensen, R., Kley, N., Mussgay, L., Memmesheimer, M., Rüddel, H. ..................................................................................125 Die deutsche Version des Self-Administered Comorbidity Questionnaire (SCQ-D) zur Erfassung der Komorbidität. Analysen zur Übereinstimmung mit dem Arzturteil Streibelt, M., Lassahn, C. ............................................................................................127 Die PROMIS-Itembanken zu Schmerzen, sozialer Rollenteilhabe und Depressivität: Übersetzung und methodische Prüfung Farin, E., Glattacker, M., Gramm, L., Kosiol, D., Meder, M. .........................................129 Die Skala Arbeit des MPSQ-D: Zusammenhang mit Angst- und Vermeidungseinstellungen Meier, R.K., Meyer, N., Wiese, C.W. ...........................................................................131 Psychometrikon: Das erste psychologisch-medizinische Open Access Testportal Forkmann, T., Böcker, M., Volz-Sidiropoulou, E., Gauggel, S. ....................................134 Erste Zwischenergebnisse zur deutschen Version des Health Education Impact Questionnaire (heiQ), eines generischen Fragebogens zur Bewertung von Patientenschulungen Musekamp, G., Schuler, M., Kirchhof, R., Ehlebracht-König, I., Gutenbrunner, C., Nolte, S., Osborne, R., Faller, H., Schwarze, M. ............................136 Einfluss der Streckenlänge auf die Messgenauigkeit eines inertialsensorbasierten Ganganalysemesssystems Schwesig, R., Fischer, D., Hintze, C., Al Hasan, A., Leuchte, S. .................................138 Zum Einfluss von Schuhen auf die räumlich-zeitliche Gestaltung der Gangzyklen sowie die Symmetrie ausgewählter Gangparameter Schwesig, R., Fischer, D., Hintze, C., Sannemüller, K., Leuchte, S. ...........................139 Der Gatterkarten-Test Arling, V., Spijkers, W. .................................................................................................141 Der computergestützte "Tour-Planer" Arling, V., Schellmann, C., Spijkers, W. .......................................................................144 Psychologische Testverfahren im RehaAssessment® - Eine Befragung an allen deutschen Berufsförderungswerken im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des Projektes "Neues Reha-Modell" Vollmers, B., Seyd, W., Kindervater, A., Saidie, J. ......................................................146

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Psychometrische Analyse modularer Einheiten zur Erfassung verschiedener Aspekte von Mitarbeiterzufriedenheit Kriz, D., Rieger, J., Steffanowski, A., Schmidt, J., Nübling, R. .....................................147

ICF ..................................................................................................................................150 Fähigkeiten nach ICF und ihr Zusammenhang mit arbeitsbezogenen Einstellungen und Performanz bei Patienten in der psychosomatischen Rehabilitation Muschalla, B., Baron, S., Linden, M. ...........................................................................150 Anwendung der ICF Core Sets in der Begutachtung von Patienten mit lumbalen Rückenschmerzen und generalisiertem Schmerzsyndrom Kirschneck, M., Winkelmann, A., Kirchberger, I., Gläßel, A., Ewert, T., Stucki, G., Cieza, A.......................................................................................................151 Schlafstörungen in der ICF bei Atemwegs- und orthopädischen Erkrankungen Raschke, F., Miksch, F., Fischer, J. .............................................................................153 Interdisziplinäres Konzept zur ICF-orientierten Patientendokumentation Schäfer, C., Greb, A., Hufer, C., Glück, D. ..................................................................155 Konstruktvalidierung des ICF Modells der Funktionsfähigkeit Ewert, T. ......................................................................................................................157

ICF (Poster) ....................................................................................................................160 Können Aktivität und Partizipation in der Rehabilitation nach Totalendoprothese strukturell getrennt operationalisiert werden? Schaller, A., Froböse, I. ................................................................................................160 Entwicklung von ICF Core Sets für die berufliche Rehabilitation Gläßel, A., Finger, M., Escorpizo, R., Brinkel, T., Gmünder, H.P., Stucki, G., Cieza, A. .....................................................................................................163

Reha-Nachsorge ............................................................................................................165 Nachsorge in der Medizinischen Rehabilitation - Welche Erfolgsfaktoren lassen sich erkennen? Ergebnisse einer systematischen Literaturanalyse Ernst, G. ......................................................................................................................165 Prädiktoren der Teilnahme an medizinischer Rehabilitationsnachsorge bei erwerbstätigen Patienten mit chronischen Rückenschmerzen Sibold, M., Mittag, O., Kulick, B., Müller, E., Opitz, U., Jäckel, W.H. ...........................166 Wirkungen der individualisierten, telefonischen Reha-Nachsorge in der stationären orthopädischen Rehabilitation bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen Schmidt, J., Gebauer, D., Penka, G. , Zimmer, M. .......................................................169 Wirksamkeit einer internetgestützten Nachsorge nach stationärer psychosomatischer Rehabilitation Golkaramnay, V., Cicholas, B., Vogler, J. ....................................................................171 Nachsorge im Anschluss an die Akutrehabilitation von Schlaganfallpatienten Steib, S., Schupp, W., Pfeifer, K. .................................................................................172

Reha-Nachsorge (Poster) .............................................................................................175 Akzeptanz internetbasierter Nachsorgemodule durch orthopädische und kardiologische RehabilitandInnen Bartel, S., Nowossadeck, E., Spyra, K. ........................................................................175

Rehabilitation im Gesundheitssystem ........................................................................177 Stellenwert gesundheitlicher und rehabilitativer Aspekte bei der Betreuung Arbeitsloser als krankheits- und erwerbsbezogene Risikofaktoren Schubert, M., Bretschneider, K., Schmidt, S., Behrens, J. ...........................................177

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Komplexe stationäre Rehabilitation (KSR) - Verknüpfung von Akutmedizin und Rehabilitation im berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren Simmel, S. ...................................................................................................................179 Das Therapiegeschehen in der Anschlussrehabilitation nach Schlaganfall: Rehabilitation zwischen Individualisierung, Differenzierung und Bedarfsorientierung Weber, A., Fleischer, S., Weber, U., Schubert, M., Becker, C., Behrens, J., Zimmermann, M. .....................................................................................181 REDIA-Studie: Auswirkungen der DRG Einführung auf die Rehabilitation - Ergebnisse einer Langzeitstudie von Eiff, W., Niehues, C., Schüring, S., Greitemann, B., Karoff, M. .............................183 Der Einfluss institutionsübergreifender Arbeitszusammenhänge auf die Behandlungsqualität: Eine kontrollierte Studie zur Effektivität Integrierter Versorgungsmodelle in der Endoprothetik Bethge, M., Bartel, S., Streibelt, M., Lassahn, C., Thren, K. ........................................185 Aus einer Hand - in einer Hand: Welche (Schnittstellen)-Probleme bleiben bestehen, wenn das gesamte Gesundheitssystem gesetzlich, politisch und betrieblich "in einer Hand" liegt? - Aufgezeigt am Beispiel der Ausdifferenzierung und Integration im Südtiroler Gesundheits- und Reha-System Behrens, J., Tappeiner, W., Zimmermann, M., Weber, A., Schubert, M., Fleischer, S., Selinger, Y., Becker, C. ..........................................................................187

Rehabilitation im Gesundheitssystem (Poster) ..........................................................190 Rehabilitationmaßnahmen durch niedergelassene Ärzte Linden, M., Keßler, U., Muschalla, B. ..........................................................................190

Epidemiologie und Reha-Inanspruchnahme ..............................................................193 Von der Absicht zur Realisierung - Einflussfaktoren von Reha-Inanspruchnahme Radoschewski, F.M., Bethge, M. .................................................................................193 Unterschiede und Einflussfaktoren in der Einfach- und Mehrfachinanspruchnahme medizinischer Rehabilitationsleistungen Schäfer, M. ..................................................................................................................195 Epidemiologie der Bandscheibenschäden und soziale Ungleichheit bei der Inanspruchnahme rehabilitativer Maßnahmen Müller, R., Bauknecht, M., Braun, B. ...........................................................................197 Return to Work nach Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der gesetzlichen Rentenversicherung Buschmann-Steinhage, R., Zollmann, P. .....................................................................199 Leistungen zur beruflichen Bildung - Prädiktoren der Wiedereingliederung auf Basis der RV-Routinedaten Zollmann, P., Erbstößer, S. .........................................................................................201 Wer kriegt was, wieviel und wann? Eine repräsentative Kohortenanalyse von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Streibelt, M. .................................................................................................................204

Epidemiologie und Reha-Inanspruchnahme (Poster) ................................................206 Inanspruchnahmeintention und -verhalten von Behandlungen aufgrund psychischer Belastungen bei körperlich erkrankten Rehabilitanden Jahed, J., Vogel, B., Härter, M., Bengel, J., Baumeister, H. ........................................206 Reha-Inanspruchnahme nach Berufsgruppen Kaluscha, R., Enderle, A., Enderle, G., Jacobi, E. .......................................................208

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Patientenorientierung I .................................................................................................210 Das Projekt www.krankheitserfahrungen.de: Wissenschaftliche Aufbereitung subjektiver Krankheitserfahrungen als Unterstützung für Betroffene Lucius-Hoene, G., Schaefer, V., Breuning, M. .............................................................210 Die Umsetzung von Zielorientierung im Rehabilitationsprozess aus Sicht von RehabilitandInnen und BehandlerInnen Glattacker, M., Dudeck, A., Dibbelt, S., Greitemann, B., Jäckel, W.H. ........................211 Medizinische Rehabilitation bei älteren Versicherten (55plus) Krüger-Wauschkuhn, T., Richter, S., Pohontsch, N., Deck, R., Raspe, H. ..................214 Entwicklung und Evaluation einer ICF-basierten Patientenschulung für Schlaganfallpatienten in der Phase C und D Sabariego, C., Barrera, A., Stier-Jarmer, M., Cieza, A. ...............................................215 Die Rehabilitandensicht auf das Wunsch- und Wahlrecht, § 9 SGB IX, in der medizinischen Rehabilitation Pohontsch, N., Meyer, T. .............................................................................................217

Patientenorientierung II .................................................................................................220 Kommunikationspräferenzen chronisch kranker Patienten in der medizinischen Rehabilitation Kosiol, D., Gramm, L., Farin, E. ...................................................................................220 Welche Methode empfiehlt sich zur Erfassung von Gesundheitsbewertungen (health valuations) chronisch Kranker? Farin, E., Meder, M. .....................................................................................................222 Die krankheits- und behandlungsbezogene Informationsbewertung als Grundlage für eine bedarfsgerechte Patienteninformation Glattacker, M., Heyduck, K., Meffert, C. ......................................................................224 Entwicklung einer Intervention zur bedarfsgerechten Patienteninformation für Rehabilitandinnen und Rehabilitanden auf der Basis subjektiver Konzepte Heyduck, K., Glattacker, M., Meffert, C. ......................................................................226 Gesundheitsbewertungen bei Patienten mit chronisch-ischämischer Herzkrankheit: Geschlechtsunterschiede und Einflussfaktoren Meder, M., Farin, E. .....................................................................................................229 Parzivar - Eine Intervention zur partizipativen Vereinbarung "smarter" Ziele zwischen Arzt und RehabilitandInnen - Erste Erfahrungen Dibbelt, S., Dudeck, A., Glattacker, M., Greitemann, B., Jäckel, W.H. ........................231

Patientenorientierung (Poster) .....................................................................................233 Reha-Zielvereinbarungen - Nutzen, Barrieren und Erfordernisse aus BehandlerInnensicht Dudeck, A., Glattacker, M., Gustke, M., Dibbelt, S., Greitemann, B., Jäckel, W.H. .......................................................................................233 Partizipative Entscheidungsfindung, Behandlungsakzeptanz und Patienten-zufriedenheit in der medizinischen Rehabilitation Steger, A.-K., Ehrhardt, H., Körner, M. ........................................................................235 Partizipation an Behandlungsentscheidungen in der medizinischen Rehabilitation - Einschätzung von Patienten vs. Behandler Steger, A.-K., Ehrhardt, H., Körner, M. ........................................................................237 Interne Patientenorientierung in der medizinischen Rehabilitation aus Sicht der Behandler Körner, M., Steger, A.-K., Ehrhardt, H. ........................................................................239

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Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren in der psychosomatischen Rehabilitation und ihr Einfluss auf die Patientenzufriedenheit Richter, M., Schmid-Ott, G., Muthny, F.A. ...................................................................241 Ziele, Zielerreichung und Patientenzufriedenheit in der psychosomatischen Rehabilitation Richter, M., Schmid-Ott, G., Muthny, F.A. ...................................................................243 Gesundheitstraining nach Schlaganfall - Neue Konzepte zur Förderung der Eigenverantwortlichkeit der Patienten und Analyse beeinflussender Faktoren Feuchtner, S., Marquardt, M., Liepert, J., Gollwitzer, P., Oettingen, G. .......................244 "Die Bedeutung des Wunsch- und Wahlrechts (§ 9 SGB IX) für die medizinische Rehabilitation - Eine empirische Analyse" - Ergebnisse von Experteninterviews Welti, F., Bendig, S., Ramm, D. ...................................................................................246

Patientenschulung ........................................................................................................249 Clusteranalyse der Teilnehmerinnen einer ambulanten Patientenschulung Brandes, I., Wunderlich, B. ..........................................................................................249 Wirksamkeit einer verhaltensmedizinischen Betreuung und Schulung von Fibromyalgiesyndrom-Patienten Lange, M., Krohn-Grimberghe, B., Petermann, F. .......................................................251 Mittel- und langfristige Effektivität des Curriculum Rückenschule des Gesundheitstrainingsprogramms der Deutschen Rentenversicherung Bund Seekatz, B., Meng, K., Roßband, H., Worringen, U., Faller, H., Vogel, H. ...................252 Kurzfristige Effekte einer Planungsintervention auf volitionale Variablen bei Rehabilitanden mit Adipositas Ströbl, V., Knisel, W., Faller, H. ...................................................................................255

Patientenschulung (Poster) ..........................................................................................257 Spezifische Rahmenbedingungen ambulanter Patientenschulung Brandes, I., Wunderlich, B. ..........................................................................................257

Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation I ......................................................259 BOMeN - Berufliche Orientierung in der Medizinischen Neuro-Rehabilitation: Ergebnisse des ersten Katamnesezeitpunktes Menzel-Begemann, A., Honemeyer, S., Hemmersbach, A. .........................................259 Berufliche Wiedereingliederung nach einer medizinisch-beruflich orientierten orthopädischen Rehabilitation: Eine cluster-randomisierte Studie Bethge, M., Herbold, D., Trowitzsch, L., Jacobi, C. .....................................................261 "Berufliche Zukunft" - Ein Behandlungsprogramm für Patienten mit beruflicher Problemlage: Ergebnisse der 6-Monatskatamnese Bönisch, A., Dorn, M., Ehlebracht-König, I. .................................................................263 Evaluation berufsbezogener Maßnahmen in der psychosomatischen Rehabilitation - Arbeitstherapie und interne Belastungserprobung im "Buchauer Modell" Epple, N., Oster, J., Müller, G., von Wietersheim, J. ...................................................264 Begleitende Nachsorge bei Stufenweiser Wiedereingliederungen zu Lasten der Rentenversicherung - Erste Erfahrungen über den inkrementellen Nutzen eines solchen Angebotes Bürger, W. ...................................................................................................................266

Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation II .....................................................269 Pretest zur Implementation eines Screeningmoduls in das Reha-Antragsverfahren Röckelein, E., Hammoser, C., Holderied, A., Rodewald, J. .........................................269

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Betriebsärztliche Einleitung der Rehabilitationsmaßnahme und Begleitung der Rückkehr an den Arbeitsplatz - Erfahrungen des ersten Jahres Enderle, A., Enderle, G., Kaluscha, R., Jacobi, E. .......................................................271 Berufsbezogene Erwartungen an eine pneumologische Rehabilitationsmaßnahme Kaiser, U. .....................................................................................................................273 Implementierung Partizipativer Entscheidungsfindung im Kontext berufsbezogener Maßnahmen in der medizinischen Rehabilitation Neuderth, S., Lukasczik, M., Gerlich, C. ......................................................................275 Kompetenznetzwerk zur medizinisch-beruflichen Rehabilitation Nolte, A., Hämer, D., Bartelt, S., Krüger, S., Persson, H., Hellwig-Siegeris, F. ...........277

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ..................................................................279 Evaluation beruflicher Teilhabe schwerbehinderter Jugendlicher: Beispiele aus der Automobilindustrie Niehaus, M., Kaul, T., Marfels, B., Menzel, F. .............................................................279 Einflussfaktoren auf das Ergebnis beruflicher Bildungsmaßnahmen der Rentenversicherung Bestmann, A. ...............................................................................................................281 Evaluation der Nachsorgeintervention JobTrain Alles, T., Flach, T., Schmidt, C. ...................................................................................283 Unterschiede zwischen Frauen und Männern im Integrationsprozess nach beruflicher Rehabilitation Begerow, B., Flach, T., Schmidt, C. .............................................................................285 Teilnehmerbefragung nach beruflicher Bildungsleistung - Wie unterschiedlich sind die Reha-Einrichtungen? Erbstößer, S. ...............................................................................................................287

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Poster) ....................................................290 Praxis des RehaAssessments aus psychologischer Sicht Schellmann, C., Witsch, E., Kleon, S., Arling, V., Spijkers, W. ....................................290 Selbstgesteuertes Lernen in der beruflichen Rehabilitation - Der Fragebogen zur SelbstLernKompetenz (SLK) Kleon, S., Arling, V., Schellmann, C., Witsch, E., Spijkers, W. ....................................292 Bewerbungsspezifische Einflussfaktoren auf die Wiedereingliederung nach abschlussorientierter Qualifizierung Flach, T., Begerow, B., Schmidt, C. .............................................................................294

Betriebliches Gesundheitsmanagement .....................................................................297 Gesundheitsförderung und Selbstregulation durch individuelle Zielanalyse (GUSI) - Erprobung eines Präventionsprogramms der Deutschen Rentenversicherung Bund und Westfalen Olbrich, D., Beblo, A., Ritter, J., Storch, M. ..................................................................297 Betriebliche Gesundheitsförderung in kleineren und mittleren Unternehmen Hartschuh, U., Wente, G. .............................................................................................300 Vom Wollen zum Handeln - Möglichkeiten und Grenzen der Umsetzung von Reha-Zielen am Beispiel kleiner und mittlerer Betriebe Köpke, K.-H. ................................................................................................................302 Integratives Beratungsnetzwerk Betriebliches Eingliederungsmanagement - Modellprojekt der Deutschen Rentenversicherung Bund Lewerenz, M. ...............................................................................................................304

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Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) in Klein- und Mittelbetrieben, insbesondere des Handwerks - Rechtliche Anforderungen und Voraussetzungen ihrer erfolgreichen Umsetzung Welti, F., Mahnke, C., Tauscher, A. .............................................................................306 Gemeinsame deutsche Arbeitsschutzstrategie als integratives Instrument der betrieblichen Gesundheits- und Rehabilitationspolitik Kohte, W. .....................................................................................................................308

Betriebliches Gesundheitsmanagement (Poster) ......................................................310 Betriebliches Eingliederungsmanagement effektiv implementieren: Ein Qualifizierungsangebot für Fach- und Führungskräfte Paridon, C.M., Buchmann, A., Bochmann, C. ..............................................................310

Sozialmedizin ................................................................................................................312 Selbsteinschätzungsbogen zum Leistungsantrag: Überprüfung der Verständlichkeit mit der Fokusgruppen-Methode Zwingmann, C., Gehrke, J. ..........................................................................................312 Subjektive Rentenbedürftigkeit: Zusammenhang mit objektiven sozialmedizinischen Daten und klinischen Skalen Schneider, J. ................................................................................................................314 Beurteilung der kognitiven Leistungsfähigkeit nach SHT unter Berücksichtigung exogener Einflussfaktoren im Gutachten-Verfahren Walk, H.-H., Wehking, E. .............................................................................................315 Effekt einer strukturierten Vorgabe bei der sozialmedizinischen Beurteilung auf die Zufriedenheit, die Depressivität und das Schmerzempfinden bei chronischen Schmerzpatienten Sohr, G., Holme, M., Basler, H.-D. ..............................................................................317 Ein innovativer Ansatz zum Vergleich von Rehabilitanden mit und ohne Migrationshintergrund hinsichtlich ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit bei Abschluss der medizinischen Rehabilitation Kaluscha, R., Brzoska, P., Jacobi, E. ..........................................................................319 ArentA - Erwerbsminderungsrente abgelehnt! Was wird aus den Antragstellern? Eine Analyse der gesundheitlichen, sozialen und beruflichen Entwicklung von Antragstellern zwei Jahre nach Ablehnung des EM-Rentenantrags Kedzia, S., Heuer, J., Gebauer, E. ..............................................................................322

Rechtswissenschaften I ................................................................................................324 Flankierung der Eingliederungsinstrumente des SGB IX zugunsten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit Behinderung durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz Fuerst, A.M. .................................................................................................................324 Das Wunsch- und Wahlrecht nach § 9 Abs. 1 SGB IX - Auswertung neuerer Normsetzung und Rechtsprechung Welti, F. .......................................................................................................................326 Die Beschäftigungsförderung durch Arbeitsenklaven in Spanien - Vorbild für die unterstützte Beschäftigung in Deutschland? Yokota, A. ....................................................................................................................327 Die Versorgung mit Hilfsmitteln durch die Bundesagentur für Arbeit - Eine wichtige Form der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Willig, M. ......................................................................................................................329

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Die koordinierte Leistungserbringung zur Teilhabe am Arbeitsleben am Beispiel technischer Arbeitshilfen Busch, D. .....................................................................................................................330

Rechtswissenschaften II ...............................................................................................333 Der Minderleistungsausgleich nach § 27 Schwerbehinderten-Ausgleichsab-gabenverordnung (SchwbAV) im Spiegel verwaltungsgerichtlicher Urteile sowie der Verwaltungspraxis Beyer, C. ......................................................................................................................333 Die besonderen Belange behinderter und chronisch kranker Menschen, das Recht der Rehabilitation und Teilhabe und die Kompetenzen des G-BA Welti, F., Brockmann, J. ...............................................................................................335 Unmittelbarer Anschluss einer Stufenweisen Wiedereingliederung an eine stationäre Rehabilitation und praktische Umsetzungserfordernisse - Aktuelle sozialrechtliche Rechtsprechung Nebe, K. .......................................................................................................................336 Rahmenvereinbarungen der Rehabilitationsträger - Zulässige Leistungskonkretisierung oder unzulässige Leistungsbegrenzung? - Eine grundsätzliche Analyse nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17.06.2008 (B 1 KR 31/07 R) Lawall, C., Niedling, A. .................................................................................................338 Sozialgerichtliche Mediation im Rehabilitationsrecht Ulrich, P. ......................................................................................................................340

Orthopädische/rheumatologische Rehabilitation I ....................................................342 Angst und Depression bei bandscheibenoperierten Patienten - Prävalenz, Kosten und Konsequenzen Zieger, M., Konnopka, A., Günther, L., Meixensberger, J., Meisel, H.J., Stengler, K., König, H.-H., Riedel-Heller, S.G...............................................................342 Zur langfristigen Wirksamkeit eines Trainings zur Depressionsbewältigung für Patienten mit chronisch unspezifischem Rückenschmerz und Depressivität in der stationären orthopädischen Rehabilitation Hampel, P., Gräf, T., Krohn-Grimberghe, B., Mantel, F., Tlach, L. ..............................344 Veränderungen der subjektiven Befindlichkeit bei Patienten und Patientinnen mit chronischen Rückenschmerzen bei stationärem Reha-Aufenthalt - Ergebnisse einer qualitativen Teilstudie Müller, M., Härtel, U., Gottfried, T. ...............................................................................347 Motivation zur Umsetzung von Bewegungsaktivitäten 4 Wochen nach Reha-Ende bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen Beck, L., Mattukat, K., Ehlebracht-König, I., Kluge, K., Schmidt, H., Mau, W. .............348 Bedürfnisse und Probleme älterer Versicherter in der medizinischen Rehabilitation - Eine Bestandsaufnahme in der orthopädischen Rehabilitation Deck, R. .......................................................................................................................350

Orthopädische/rheumatologische Rehabilitation II ...................................................352 Schlüsselparameter zur Optimierung des Gangverhaltens in der Rehabilitation bei Patienten nach Knie- und Hüft-TEP Jöllenbeck, T., Neuhaus, D., Grebe, B. .......................................................................352 Stationäre Rehabilitation nach Hüft-TEP - von der Patienten-Fallgruppenbildung zur Entwicklung bedarfsorientierter Behandlungsstandards Peters, A., Blau J.-R. ...................................................................................................355

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Rehabilitanden-Management-Kategorien - Screeninginstrument für die Rehabilitations-Zuweisungssteuerung zur Früherkennung spezifischer Bedarfslagen bei muskuloskeletalen Erkrankungen Vorsatz, N., Köhn, S., Spyra, K. ..................................................................................357 Neue Aufgaben- und Rollenverteilung in der medizinischen Rehabilitation - Kliniker bewerten Vorschläge positiv Höder, J., Deck, R., Möller, J. ......................................................................................359

Orthopädische/rheumatologische Rehabilitation (Poster) ........................................361 Reha-Therapiestandards für die Rehabilitation nach Hüft- und Kniegelenks-totalendoprothesen: Entwicklung einer Prozess-Leitlinie für die medizinische Rehabilitation der Rentenversicherung Spieser, A., Mittag, O., Brüggemann, S., Gülich, M., Müller, E., Uhlmann, A., Jäckel, W.H. ...........................................................................................361 Die Arbeitssituation erwerbstätiger Rehabilitanden: Analyse der patientenseitig berichteten Einschränkungen durch muskuloskeletale Erkrankungen Müller, E., Prinz, E., Frey, C., Bengel, J., Wirtz, M. .....................................................363 Schmerzassoziierte Kognitionen und affektive Störungen: Prognosefaktoren der Chronifizierung muskuloskeletaler Beschwerden Meier, R.K., Meyer, N., Wiese, C.H.R. .........................................................................365 Subjektive Krankheitstheorien und funktionaler Verlauf nach Hüftgelenkersatz Bethge, M., Bartel, S., Streibelt, M., Lassahn, C., Thren, K. ........................................368 Erste Ergebnisse eines intensiven Kraft-, Ausdauer- und Koordinationstrainings (KAKo) bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen Mattukat, K., Beck, L., Ehlebracht-König, I., Kluge, K., Mau, W. .................................370 Ergebnisse der Gangrehabilitation bei Patienten mit vorderer Kreuzbandplastik in der ambulanten Rehabilitation Richter, T., Kainat, C., Hartig, L., Witt, A., Leuchte, S. ................................................371 IRENA - Anspruch und Wirklichkeit - Eine qualitative Studie über die Umsetzung der Intensivierten Reha-Nachsorge IRENA bei orthopädischen Indikationen Rohm, E., Brüggemann, S., Pfeifer, K. ........................................................................373 Nachsorgeangebote der regionalen und bundesweiten Rentenversicherungsträger nach Leistungen zur medizinischen Rehabilitation wegen entzündlich-rheumatischer und anderer Erkrankungen des Bewegungssystems Mattukat, K., Beck, L., Lamprecht, J., Mau, W. ............................................................375

Bewegungstherapie in der Rehabilitation ...................................................................378 Bewegungstherapeutische Versorgung in der medizinischen Rehabilitation der Rentenversicherung Brüggemann, S., Sewöster, D. ....................................................................................378 Wirksamkeit einer theoriegeleiteten Förderung von körperlicher Aktivität in einem Rückenschulungsprogramm Meng, K., Seekatz, B., Worringen, U., Faller, H. .........................................................381 Einfluss von körperlicher Aktivität auf Lebensqualität und psychische Gesundheit von Multiple Sklerose-Patienten Tallner, A., Mäurer, M., Waschbisch, A., Hentschke, C., Pfeifer, K. ............................383 Einfluss sozial-kognitiver Ressourcen auf die Ausübung von körperlicher Aktivität 3 Jahre nach einer ambulanten Rehabilitation Lippke, S., Ziegelmann, J.P., Schwarzer, R. ...............................................................384 Langfristige Effekte eines stationär-ambulanten Rückentrainings Huber, G. .....................................................................................................................386

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Neurologische Rehabilitation .......................................................................................388 Entwicklung und Erprobung eines Assessments der Kliniken Schmieder für Patienten der Phase C der Neurologischen Rehabilitation - AKS / C Greitemann, G., Küst, J., Starrost, K. ..........................................................................388 Wie wirksam sind rehabilitative Maßnahmen zur Verbesserung der Gehfähigkeit mehr als sechs Monate nach Schlaganfall? Saal, S., Behrens, J., Herrmann, G., Lorenz, S., Schubert, M. ....................................389 Supervidierte telemedizinische Nachsorge von Schlaganfallpatienten mit Störungen von Sprache und Aufmerksamkeit mit dem EvoCare-System - Ergebnisse einer Evaluationsstudie Radoschewski, F.M., Mohnberg, I. ..............................................................................392 Kognitive Fatigue bei MS-Patienten und diurnaler Leistungsabfall bei Schlaganfall-Patienten Claros-Salinas, D., Nickisch, N., Ochs, L., Greitemann, G. .........................................394 Rehabilitation bei Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen - Resultate Schröter, C. .................................................................................................................396

Neurologische Rehabilitation (Poster) ........................................................................398 Medizinische Rehabilitation begründende Diagnosen von Schlaganfallpatienten vor und nach dem ersten Schlaganfall Fleischer, S., Schubert, M., Selinger, Y., Behrens, J., Zimmermann, M. .....................398 Bewegungsanalyse zur Objektivierung der motorischen Fatigue bei Multipler Sklerose Dettmers, C. , Khusnullina, A. , Roth, M. , Vieten, M. ..................................................400 Randomisierte, kontrollierte Studie zur Evaluation des heimbasierten Videotrainings zur Behandlung von Armparesen nach Schlaganfall Nedelko, V., Hassa, T., Rothmeier, C., Starrost, K., Binkofski, F., Schoenfeld, A., Dettmers, C. .......................................................................................402 Robotergestütztes Gangtraining im Lokomat bei Patienten mit bilateraler spastischer Cerebralparese: Ein Fallbeispiel Nagel, A., Dercks, M., Sprinz, A. .................................................................................405 Elektromechanische und Roboterassistierte Rehabilitation zur Verbesserung der Arm- und Gehfunktionen nach Schlaganfall: Zwei systematische Cochrane-Reviews mit Meta-Analysen Pohl, M., Mehrholz, J. ..................................................................................................406

Kardiologische Rehabilitation I - in Kooperation mit der DGPR ...............................409 Mittelfristige Effekte der kardialen Rehabilitation in Deutschland und international: Ergebnisse eines systematischen Reviews mit Metaanalyse Mittag, O., Schramm, S., Böhmen, S., Hüppe, A., Meyer, T., Raspe, H. .....................409 Effektivität und Effizienz in der kardiovaskulären Rehabilitation - Ergebnisse nach 3 Jahren SeKoNa Redaèlli, M., Simic, D., Kohlmeyer, M. , Schwitalla, B., Seiwerth, B., Mayer-Berger, W. ...................................................................................411 Evaluation der Nachhaltigkeit von Viniyoga in der stationären Rehabilitation von Patienten mit arterieller Hypertonie Kettner, C., Mayer-Berger, W., Moebus, S., Pieper, C., Marr, A., Bräutigam, U. ................................................................................................413 Auswirkung der kardiologischen Rehabilitation auf den klinischen Verlauf ein Jahr nach akutem Herzinfarkt - Ergebnisse aus der OMEGA-Studie Rauch, B., Schneider, S., Schiele, R., Gohlke, H., Senges, J. ....................................415

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Motivation zur körperlichen Aktivität im Rehabilitationsverlauf kardiologischer Patienten und Wirkung der Telefonischen Nachsorge zur Förderung der intrinsischen Motivation Bönisch, R., Bremer, F.J., Schweidtmann, W., Trenner, M., Ohnesorge, W., Stemmler, M., Muthny, F.A. ..........................................................................................416

Kardiologische Rehabilitation II ...................................................................................418 RehaCAT-Kardio: Entwicklung eines modernen Diagnostiksystems für die kardiologische Rehabilitation Schnurr, A., Abberger, B., Bengel, J., Wirtz, M., Baumeister, H. .................................418 Dynamik von linksventrikulärer Hypertrophie (LVH) und Nierenfunktionsstörung unter zielwertorientierter Therapie bei arterieller Hypertonie Reibis, R., Karoff, M., Kamke, W., Bürger, A., Huber, M., Kreutz, R., Wegscheider, K., Völler, H. ..........................................................................................419 Metaanalysen zur Assoziation komorbider depressiver Störungen mit Outcomeparametern bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung Baumeister, H., Hutter, N. ............................................................................................421 Zielvereinbarungen zu Verhaltensänderungen im Hinblick auf den Tabakkonsum für die Phase III der kardiologischen Rehabilitation Stamm-Balderjahn, S., Ladstätter, A., Nowossadeck, E. .............................................422 Evaluation von berufsorientierten stationären und poststationären Maßnahmen bei kardiologischen Rehabilitanden mit berufsbezogenen Problemen (BERUNA-Studie) Huber, D., Kittel, J., Hoberg, E., von Hoerschelmann, N., Karoff, M. ...........................424

Kardiologische Rehabilitation (Poster) .......................................................................427 Effektivität der Raucherentwöhnung in der stationären psychosomatischen und internistischen Rehabilitation Käufling-Flesch, C., Berg, G., Schmied, W., Köllner, V. ..............................................427 Entwicklung eines Psychosozialen Screenings bei kardiovaskulären Erkrankungen - Das Lübecker Interview zum Psychosozialen Screening (LIPS) Benninghoven, D. .........................................................................................................429 Erfassung psychischer Komorbidität in der kardiologischen Rehabilitation: Übereinstimmung von Screeningfragebogen und klinischem Urteil Seekatz, B., Brüser, J., Vogel, H., Schubmann, R., Müller-Holthusen, T. ....................430 Krankheitswissen und Wohlbefinden vor und nach einem multimodalen Kompetenztraining für Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz Muschalla, B., Glatz, J. ................................................................................................432 Bibliotherapie: Verminderte Symptombelastung oder Wissenszuwachs durch schriftliche Patienteninformationen? Muschalla, B., Linden, M. ............................................................................................434

Onkologische Rehabilitation I ......................................................................................436 Telefonische Nachsorge in der onkologischen Rehabilitation - Akzeptanz und Wirksamkeit Tripp, J., Schulte, T., Schröck, R., Muthny, F.A. ..........................................................436 Welche Möglichkeiten bietet das Internet für die Inanspruchnahme psychosozialer Nachsorge für onkologische PatientInnen nach der Rehabilitation? Kossow, K., Schulz, H., Kordy, H., Zimmer, B., Koch, U., Watzke, B. .........................437 Die subjektive Erwerbstätigkeitsprognose im Rehabilitationsverlauf - Ergebnisse einer mitteldeutschen Tumorkohorte Barth, D., Wienholz, S., Zieger, M., König, H.-H., Riedel-Heller, S.G. .........................439

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Versorgung von Migranten in der ambulanten onkologischen Rehabilitation Kerschgens, C., Brandis, S. .........................................................................................441

Onkologische Rehabilitation II .....................................................................................443 Ziele und Zielerreichung in der onkologischen Rehabilitation im Vergleich von Rehabilitanden und Ärzten Tripp, J., Schulte, T., Schröck, R., Muthny, F.A. ..........................................................443 Effekte der körperlichen Aktivität auf den klinischen Verlauf und tumor-assoziierte Biomarker bei Patienten mit kolorektalem Karzinom nach kurativer Behandlung - Was ist gesichert? Eine aktuelle Literaturrecherche Allgayer, H., Owen, W.R. .............................................................................................445 Gewinn an Lebensqualität und Fatigue-Reduktion nach individueller Bewegungsintervention während onkologischer Therapie Lungwitz, A., Bernhörster, M., Thiel, C., Vogt, L., Heringer, O., Jäger, E., Banzer, W. ...................................................................................................446 Einfluss von körperlicher Aktivität auf Schmerzerleben, Schulterbeweglichkeit und Lebensqualität von Brustkrebspatientinnen nach Abschluss einer Rehabilitation Kähnert, H., Exner, A.-K., Leibbrand, B., Biester, I., Gärtner, U., Kalusche, E.-M., Koller, B., Niehues, C. .......................................................................448 Evaluation eines bewegungs- und verhaltensbezogenen Nachsorgekonzepts zur Reduzierung der Krankheitsfolgen und zur Förderung der Lebensqualität nach Mamma-Ca Rudolph, I., Heinz, B., Pfeifer, K. .................................................................................450

Onkologische Rehabilitation (Poster) .........................................................................452 Kann Nordic Walking ein sekundäres Armlymphödem bei Brustkrebspatientinnen auslösen? Kähnert, H., Exner, A.-K., Leibbrand, B., Biester, I., Gärtner, U., Kalusche, E.-M., Koller, B., Niehues, C. .................................................................................................452

Gastroenterologische Rehabilitation - in Kooperation mit der GRVS ......................455 Patienten-Motivation und Erfolg der Adipositas-Rehabilitation Jolivet, B., Fischer, H., Rosemeyer, D. ........................................................................455 Ergebnisse eines bedarfsorientierten Screenings mittels Lübecker Algorithmus zur stationären Rehabilitation bei Diabetes mellitus Typ 2 Döbler, A., Pollmann, H., Raspe, H., Mittag, O. ...........................................................457 Welche Effekte hat eine Intervallrehabilitation bei Erwerbstätigen mit Diabetes mellitus? Ergebnisse einer randomisierten kontrollierten Studie Ernst, G., Hübner, P. ...................................................................................................459 Diabetiker haben ein günstigeres T-Stadium bei Diagnosestellung eines Rektumkarzinoms als Nicht-Diabetiker: Untersuchungen bei Patienten in Anschlussrehabilitation nach Rektumkarzinom Allgayer, H., Nagel, J.M., Bücker, S., Stark, R., Crispin, A., Göke, B., Parhofer, K. ..................................................................................................461 Erkrankungsaktivität, Arbeitsunfähigkeit und Rehabilitationserfolg bei Patienten mit Morbus Crohn Streit, J., Wunsch, S., Reichel, C. ................................................................................463

Rehabilitation bei psychischen Störungen I ...............................................................464 Ergebnisparameter der unmittelbaren Behandlungseffekte eines Früherkennungs- und Frühinterventionsprogramms bei psychischen Erkrankungen in Bezug auf klinisch-psychologische Kriterien Zielke, M., Schumacher, A., Kristof, O. ........................................................................464

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Effekte eines Interventionsprojektes zur stationären Behandlung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen Dörning, H., Bitzer, E.M., Lorenz, C., Zielke, M. ..........................................................465 Risikofaktoren für chronische Depression - Ergebnisse einer systematischen Übersichtsarbeit Reese, C., Hölzel, L., Kriston, L., Härter, M. ................................................................468 Arbeits- und Erwerbsfähigkeit bei Rehabilitanden mit Fibromyalgiesyndrom im Langzeitverlauf nach stationärer psychosomatischer Rehabilitation Köllner, V., Schlößer, A., Bernardy, K. .........................................................................470

Rehabilitation bei psychischen Störungen II ..............................................................472 Pathologischer PC-/Internet-Gebrauch: Möglichkeiten der Rehabilitation bei einem neuen Krankheitsbild Schuhler, P., Sobottka, B., Vogelgesang, M., Fischer, T. ............................................472 Evaluation einer gruppenpsychotherapeutischen Behandlung bei komorbiden psychischen Störungen in der kardiologischen und orthopädischen Rehabilitation Schuster, N., Rüddel, H., Keck, M., Schwarting, A. .....................................................474 Ressourcenaktivierung durch störungsspezifische Gruppentherapie im Rahmen stationärer psychosomatischer Rehabilitation - Ein Angebot für Frauen mit Traumafolgestörungen nach sexueller Gewalterfahrung Webendörfer, S., Benoit, D., Diehl, S., Bischoff, C. .....................................................477 Spezifische Hemm- und Förderfaktoren bei stationärer Rehabilitation von Migranten mit psychosomatischen Erkrankungen Pfeiffer, W., Winkler, M., Göbber, J., Petermann, F., Kobelt, A. ..................................479 Symptomatik, Krankheitsmodelle, Behandlungserleben und Effekte bei Patienten mit und ohne Migrationshintergrund Gruner, A., Oster, J., Müller, G., von Wietersheim, J. ..................................................481

Rehabilitation bei psychischen Störungen (Poster) ..................................................483 Gestufte psychiatrische und psychosomatische Versorgung - Kriterienorientierte Indikationsstellung mit der Checkliste CGPV Nosper, M. ...................................................................................................................483 Validität der klinischen Diagnose "Anpassungsstörung" in der stationären Psychosomatischen Rehabilitation Köllner, V., Terber, S., Untersinger, I., Phillipe, J., Bernardy, K. ..................................485 Therapiewahlalgorithmus für die Arzneimittelbehandlung in der Rehabilitation: THE-Checkliste Keßler, U., Linden, M. ..................................................................................................487 Prädiktoren des Alltagstransfers von Progressiver Muskelrelaxation nach stationärer psychosomatischer Rehabilitation Klosterhalfen, S., Becker, N., Welsch, K., Köllner, V. ..................................................489 Gründe für Nichtantritt oder frühzeitige Beendigung einer Nachsorgeleistung im Bereich psychischer Störungen Mussgay, L., Rüddel, H. ..............................................................................................491

Wirkungen der psychosomatischen Rehabilitation ...................................................493 Veränderungsbereitschaft und tatsächliche körperliche Aktivität vor und während einer stationären psychosomatischen Rehabilitation Mussgay, L., Rüddel, H. ..............................................................................................493 Differentielle Effektivität Progressiver Muskelrelaxation nach Jacobson in der psychosomatischen Rehabilitation in Abhängigkeit von Störungsbildern Welsch, K., Becker, N., Klosterhalfen, S., Kerkhoff, G., Köllner, V. .............................495

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Psychosomatische Rehabilitation: Vergleich von stationärer und teilstationärer Behandlung Grulke, N., Huse, E., Bailer, H. ....................................................................................497 Therapiedosis und Response bei vollstationärer psychosomatischer Rehabilitationsbehandlung - Eine explorative Untersuchung Bailer, H., Huse, E., Grulke, N. ....................................................................................498 Effekte eines Interventionsprojektes in der stationären psychosomatischen Behandlung unter dem Aspekt einer ergebnisabhängigen Finanzierung mit einem Bonus-Malus System Bitzer, E.M., Dörning, H., Lorenz, C., Kristof, O., Zielke, M. ........................................500

Arbeit und Psychosomatik ...........................................................................................502 Arbeitsplatzängste und die Bedeutung verschiedener Dimensionen des Soziales Netzes Muschalla, B., Linden, M. ............................................................................................502 Arbeitsunfähigkeit aufgrund psychischer, psychosomatischer und/oder somatischer Erkrankungen in Folge von hoch eskalierten Konflikten und Mobbing am Arbeitsplatz Schlatterer, M., Schellhammer, E., Herrmann, J.M. ....................................................504 Berufliche Beanspruchung und Optimismus im Verlauf einer psychosomatischen Rehabilitation Becher, L.F., Breitbach, J., Poulet, R., Rudolph, M., Vogt, J. ......................................506 Diagnostik von Ressourcen bei Rehabilitanden - Eine explorative Bestandsaufnahme zur Konzeptualisierung und Operationalisierung neuer psychodiagnostischer Foki Hinrichs, J., Greitemann, B., Heuft, G. .........................................................................508

Arbeit und Psychosomatik (Poster) ............................................................................510 Berufliche Gratifikationskrisen und Work Ability Bethge, M., Radoschewski, F.M. .................................................................................510 Geschlechtsspezifische Wirkungen von beruflichem Stress auf die berufliche Leistungsfähigkeit Kasten, Y., Bethge, M., Radoschewski, F.M. ...............................................................512 Strukturen, Arbeitsbedingungen und Belastungen von Psychologinnen und Psychologen in der medizinischen Rehabilitation Küch, D., Mai, B., Pimmer, V., Theissing, J., Schmucker, D. .......................................514

Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen .........................................................516 Diagnostik und Behandlungsevaluation bei pathologischem Glücksspielen Premper, V., Perty, J. ..................................................................................................516 RMK-Screening Sucht - Ergebnisse aus dem Praxistest im Antragsverfahren der Deutschen Rentenversicherung Spyra, K., Köhn, S. ......................................................................................................518 Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMK) in der stationären Behandlung alkoholabhängiger Patienten - Ergebnisse des Implementationstests 2009 Köhn, S., Lindenmeyer, J., Missel, P., Zemlin, U., Spyra, K. .......................................520 Schnittstellenmanagement und Vernetzung durch "Reha-Fallbegleitung bei Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängigen mit erwerbsbezogenen Problemen" Kainz, B., Glattacker, M., Wenzel, D., Schröder, A., Kulick, B., Jäckel, W.H. ..............522 Mit dem Joystick gegen das Suchtgedächtnis - Zur langfristigen Effektivität eines PC-gestützten Rückfallpräventionstrainings bei Alkoholabhängigkeit Lindenmeyer, J., Hesse, C., Pawelczak, S., Becker, E., Rinck, M. ..............................524

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Zum Forschungsprojekt Ergebnisqualität einer web-basierten Tele-Nachsorge nach stationärer medizinischer Rehabilitation Alkoholabhängiger Missel, P., Schneider, R., Bergemann, N. ...................................................................525

Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen (Poster) ...........................................528 Schnelleinweisung nach dem "Magdeburger Weg" - Erster Erfahrungsbericht mit den neuen Zugangswegen Forschner, L. ...............................................................................................................528 Evaluation des Projektes JUST (Jugendsuchttherapie) - Einer stationären Suchtrehabilitation für Jugendliche mit integrierter Versorgung nach SGB IX Nützel, J., Volmer-Berthele, N., Benz, R., Schraivogel, F., Schepker, R. ....................530

Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen ...........................................................533 Überprüfung motorisch-koordinativer Leistungen im Kontext rehabilitativer Maßnahmen: Eine Untersuchung zur Movement ABC-2 Kastner, J., Mayer, H., Walther, A., Petermann, F. ......................................................533 Psychische Auffälligkeiten, Stressverarbeitung und Selbststeuerung bei Kindern und Jugendlichen in der stationären Rehabilitation Fellmann, K., Hermann, T., Perner, M., Hampel, P. ....................................................535 Indikationsspezifische Lebensqualität chronisch kranker Jugendlicher im Selbst- und Elternurteil: Veränderungen durch eine Reha-Maßnahme Stachow, R., Kiera, S.,Tiedjen, U., Petermann, F. .......................................................537 Zufriedenheitsmessung in der Kinder-Jugend-Rehabilitation: Darstellung und erste Ergebnisse eines Fragebogens zur Erfassung der Patientenzufriedenheit Gustke, M., Kosiol, D., Farin, E., Widera, T., Polak, U. ................................................540 Zur Wirksamkeit eines Trainings zur Behandlung von Konzentrationsstörungen bei Vorschulkindern im ambulanten Setting und in der stationären Rehabilitation Günther, S. ..................................................................................................................542 Evaluation von Stepping Stones Triple P: Ergebnisse der Stepping-Stones-SPZ-Multicenterstudie Schaadt, A.-K., Hampel, O., Hasmann, S.E., Petermann, F., Holl, R., Hasmann, R. ..................................................................................................544

Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen (Poster) .............................................548 Die Constraint-induced movement therapy bei Kindern mit armbetonter Hemiparese im Vergleich zur bimanuellen Therapie - Was ist wirksam(er)? Deppe, W., Thümmler, K., Fleischer, J., Berger, C., Pelz, S. ......................................548 Familienorientierte Nachsorge bei Kindern mit erworbenen Hirnschädigungen - Eine qualitative Studie zur familiären Bewältigungsarbeit Böhm, A., Bethge, M., Spyra, K. ..................................................................................550

Reha-Pflege ...................................................................................................................552 Langzeitergebnisse einer randomisierten, kontrollierten Parallelgruppenstudie zur Sekundärprävention von Rückenschmerzen bei Pflegekräften Ewert, T. ......................................................................................................................552 Zur Notwendigkeit der Vernetzung rehabilitativer und ambulanter medizinisch-pflegerisch-therapeutischer Versorgung bei komplexen gesundheitsbedingten Teilhabestörungen am Beispiel des Schlaganfalls Schubert, M., Becker, C., Behrens, J., Fleischer, S., Selinger, Y., Weber, A., Zimmermann, M. ........................................................................................554 Verantwortungsethische Betrachtungen der Rehabilitation Pflegebedürftiger Behrens, J., Zimmermann, M., Selinger, Y., Schubert, M., Fleischer, S., Weber, A., Becker, C., Saal, S. .....................................................................................................556

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Kooperation im Reha-Team: Führung, Partizipation und Betriebsklima Ehrhardt, H., Steger, A.-K., Körner, M. ........................................................................558

Reha-Pflege (Poster) ......................................................................................................561 Inhalte und Umfang aktivierend-therapeutischer Pflegeinterventionen (KTL) bei stationären DRV-Patienten in der medizinischen Rehabilitation Schmidt, R., Schupp, W. ..............................................................................................561

Andere Indikationsbereiche (Poster)............................................................................564 Anhaltende Verbesserung der Asthmakontrolle und der Lebensqualität ein Vierteljahr nach pneumologischer Rehabilitation Schultz, K., Djahangiri, N., Wittmann, M., Lingner, H. .................................................564 Wie verändert sich die gesundheitliche Lage von vorsorge- und rehabilitations-bedürftigen Müttern einer Wartegruppe innerhalb von sechs Monaten? Otto, F. .........................................................................................................................566 Unter welchen Bedingungen lässt sich ein psychodiagnostischer Stufenplan in medizinischen Rehabilitationskliniken implementieren? Jahed, J., Vogel, B., Kalweit, C., Härter, M., Bengel, J., Baumeister, H. .....................568

Autorenindex .................................................................................................................571 Verzeichnis der Erstautoren .........................................................................................576

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Plenarvorträge

Die Qualität in der Rehabilitation aus Sicht der Patientinnen und Patienten - Liegt die Wahrheit im Auge des Betrachters?

Grande, G. Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig

Obwohl Qualität in der Gesundheitsversorgung und Rehabilitation eng verknüpft ist mit Be-strebungen zur besseren Standardisierung, Normierung und Leitliniengerechtigkeit, erweist sich das Konstrukt bei näherer Betrachtung als wenig objektiv. Qualitätsbewertungen sind abhängig von der Art der zu bewertenden Leistung, vom Indikationsbereich und Bedarf so-wie von den gewählten Bewertungsdimensionen. Daneben spielen in der Rehabilitation die Patienten- bzw. Nutzerpräferenzen und die Akteursperspektiven eine wichtige Rolle für die Definition von guter Versorgungsqualität und die Bewertung der Relevanz unterschiedlicher Rehabilitationsaspekte zur Erreichung einer solchen Qualität.

Der chronisch kranke Patient in der Rehabilitation ist Konsument, "Objekt" der Rehabilita-tionsleistungen und - vor allem im Alltag - entscheidender Koproduzent des Rehabilitations-erfolges. Subjektive Erwartungen und Vorstellungen der Patienten zur Rehabilitation beein-flussen den Rehabilitationsverlauf, die Adherence, die Zufriedenheit mit der Versorgung und die langfristigen Effekte. Diese subjektiven Qualitätskonzepte von Patienten und ihre Deter-minanten sind bisher jedoch nur wenig untersucht. Aus überwiegend qualitativen Studien in der Akutversorgung entstand die Vermutung, Patienten sähen Prozessmerkmale als wichti-ger an als harte Outcomes oder Strukturmerkmale. Die Internetauftritte der Rehabilitations-kliniken in Deutschland informieren jedoch vor allem über Ziele und Strukturmerkmale der Klinik (z. B. Sewöster, Haaf, 2009).

Die vorliegenden Studien zeigen, dass Rehabilitanden differenzierte Vorstellungen von einer qualitativ hochwertigen Rehabilitation haben und verschiedene Qualitätsdimensionen unter-schiedlich gewichten (Faller et al., 2000; Grande, Romppel, 2008). Die Quellen solcher Qua-litätskonzepte der Patienten sind offensichtlich vielfältig. Was die Patienten als qualitätsrele-vant ansehen, wird jedoch auch von personalen Merkmalen wie Alter, Bildung und Ge-schlecht, von der Art der Erkrankung des Patienten und von versorgungsbezogenen Merk-malen beeinflusst (z. B. Grande, Romppel, 2008).

Qualitätskonzepte und versorgungsbezogene Erwartungen divergieren zwischen verschie-denen Akteuren in der Rehabilitation bzw. Gesundheitsversorgung und in Abhängigkeit von der eigenen Betroffenheit. Insbesondere zwischen behandelnden Ärzten und ihren Patien-ten wurden Diskrepanzen in den Qualitätskonzepten in verschiedenen Settings beschrieben, wie in der ambulanten und stationären Versorgung, der operativen Medizin oder der psychi-atrischen Versorgung (z. B. Geraedts et al., 2007; Kaya et al., 2003; Laine et al., 1996). Auch für die Rehabilitation fanden sich deutliche Divergenzen in den Qualitätskonzepten von Ärzten, Sozialdienstmitarbeitern und Patienten, die sich neben anderen Faktoren auf

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Unterschiede in den Aufgaben, Zielen und in der wahrgenommenen Betroffenheit zurückfüh-ren lassen (Grande, Romppel, 2008).

Die stärkere Berücksichtung der Qualitätskonzepte von Patienten könnte - insbesondere vor dem Hintergrund divergierender Qualitätserwartungen und -vorstellungen der verschiedenen Akteure in der Rehabilitation - zu mehr Patientenorientierung in der Gestaltung und Umset-zung von Rehabilitationsangeboten führen. Das trüge dazu bei, die Bedarfsgerechtigkeit der Angebote im Sinne der Patienten zu verbessern und so den Rehabilitationserfolg zu beein-flussen. Darüber hinaus könnten rehabilitationsbezogene Konzepte von Patienten bei der Weiterentwicklung von Rehabilitationsangeboten, insbesondere im Bereich der langfristigen Lebensstilveränderung unter Alltagsbedingungen, stärker berücksichtigt werden.

Literatur Geraedts, M., Schwartze, D., Molzahn, T. (2007): Hospital quality reports in Germany: pa-

tient and physician opinion of the reported quality indicators. BMC Health Services Re-search, 7. 157.

Grande, G., Romppel, M. (2008): Subjektive Konzepte von Patienten, Ärzten und Sozial-dienstmitarbeitern über qualitätsrelevante Merkmale der kardiologischen und orthopädi-schen Rehabilitation. Psychotherapie Psychosomatik Medizinische Psychologie, 58. 51-57.

Kaya, S., Cankul, H.I., Yigit, C., Peker, S. (2003): Comparing patients' and physicians' opini-ons on quality outpatient care. Military Medicine, 168. 1029-1033.

Faller, H., Vogel, H., Bosch, B. (2000): Erwartungen von Rehabilitanden hinsichtlich der Me-thoden und Ergebnisse ihrer Rehabilitation - Eine kontrollierte Studie mit Rücken-schmerz- und onkologischen Patienten. Die Rehabilitation, 39. 205-214.

Laine, C., Davidoff, F., Lewis, C.E., Nelson, E.C., Nelson, E., Kessler, R.C. et al. (1996): Im-portant elements of outpatient care: a comparison of patients' and physicians' opinions. Annals of Internal Medicine, 125. 640-645.

Sewöster, D., Haaf, H.-G. (2009): Reha-Vorbereitung online! Wie wird die Rehabilitation auf den Websites stationärer Einrichtungen zur kardiologischen und orthopädischen Rehabili-tation präsentiert? DRV-Schriften, Bd. 83. 156-158.

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Reha-Qualitätssicherung - Eine kritische Bestandsaufnahme

Klosterhuis, H. Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Die Deutsche Rentenversicherung hat bereits vor mehr als zehn Jahren ein Programm zur Reha-Qualitätssicherung konzipiert, schrittweise implementiert und in den Folgejahren kon-tinuierlich weiter entwickelt. Dieses Programm ist in intensiver Zusammenarbeit mit wissen-schaftlichen Arbeitsgruppen erarbeitet und eingesetzt worden. Die Qualitätssicherung der Rehabilitation ist ausgerichtet an einer für den Patienten spürbaren Qualitätsverbesserung, einer Transparenz des Leistungsgeschehens, Ergebnisorientierung und damit einer Unter-stützung von klinikinternen Optimierungsprozessen. Die Qualitätsentwicklung der Rehabilita-tion soll durch systematische Vergleiche von Reha-Einrichtungen und einen qualitätsorien-tierten Wettbewerb erreicht werden. Um eine Gleichbehandlung der Versicherten zu ge-währleisten ist sicherzustellen, dass für alle Reha-Einrichtungen, die die Rentenversiche-rung (RV) belegt, ein bundesweit vergleichbarer Qualitätsstandard gilt.

Zum Einen ist die Reha-Qualitätssicherung der RV darauf ausgerichtet, mit methodisch un-terschiedlichen Verfahren möglichst viele Aspekte der Qualität der Rehabilitation zu erheben und zu bewerten. Diese Instrumente und Verfahren werden kontinuierlich weiter entwickelt, der Anwendungsbereich der Reha-Qualitätssicherung wird stetig erweitert, beispielsweise auf die ambulante Rehabilitation.

Zum Anderen ist die Reha-Qualitätssicherung durch eine Transparenz der Leistungserbrin-gung auf der Basis der bestehenden Routinedokumentation gekennzeichnet. Wesentliche Dokumentationsgrundlage ist der ärztliche Entlassungsbericht. Er ist für alle Reha-Ein-richtungen, die von der RV belegt werden, verfügbar. Damit wird der Aufwand für Qualitäts-sicherung sowohl bei den Reha-Einrichtungen, wie auch beim Reha-Träger begrenzt.

Insgesamt dokumentieren die aktuellen Qualitätsergebnisse einen hohen Qualitätsstandard in der medizinischen und beruflichen Rehabilitation der Rentenversicherung, allerdings sind durchgängig erhebliche Qualitätsunterschiede zwischen den Reha-Einrichtungen zu ver-zeichnen. Damit ist die Notwendigkeit von externer Qualitätssicherung weiterhin deutlich. Als wesentlicher Aspekt von Qualität der medizinischen Versorgung ist die Behandlungs-qualität im engeren Sinne anzusehen. Zur Messung und Bewertung dieses Qualitätsaspek-tes werden beispielsweise das Peer Review-Verfahren oder auch die Reha-Therapie-standards (Reha-Leitlinien) genutzt. Aber auch die Dokumentation der rehabilitativen Ver-sorgung mit Hilfe der Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL) dient dazu, die Ver-sorgungssituation möglichst konkret abzubilden und damit auch bewerten zu können. Im Sinne der Patientenorientierung ist die Qualität aus Sicht des Rehabilitanden wesentlich. Dafür ist im Wesentlichen das Instrument einer Befragung der Rehabilitanden angemessen. Die Rehabilitandenbefragung ermittelt und bewertet die Zufriedenheit der Rehabilitanden mit der durchgeführten Behandlung, aber auch die subjektiven Behandlungsergebnisse.

Ein weiterer Aspekt von Qualität betrifft die Struktur und Organisation der Reha-Einrichtung-en. Die Strukturqualität, das heißt ihre räumliche, sachliche und personelle Ausstattung, aber auch das interne Qualitätsmanagement wird aufgrund einer eigenen Datenerhebung abgebildet und bewertet. Ein weiteres, eigenständiges Qualitätssicherungsinstrument sind

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Visitationen, die quasi als "Qualitätssicherung vor Ort" anzusehen sind. Mit einer Visitation können in einer Zusammenschau die verschiedenen externen Qualitätssicherungsergebnis-se integriert und bewertet werden. Zugleich kann im Austausch mit den Leitungen der Reha-Einrichtungen ein gemeinsames Verständnis für die Qualitätsentwicklung der Einrichtung entwickelt werden.

Die vorgestellten Instrumente und Verfahren werden kontinuierlich aktualisiert und optimiert. Die Rentenversicherung hat sich entschlossen, sowohl die Strukturanforderungen an statio-näre Reha-Einrichtungen, wie auch die Durchführung von Visitationen für die gesamte Ren-tenversicherung einheitlich zu gestalten und damit die Integration dieser Qualitätsdaten in die Qualitätssicherung zu ermöglich. Die Reha-Qualitätssicherung der Rentenversicherung ist als kontinuierlicher Prozess von Datenerhebung, -auswertung und Berichterstattung an die Reha-Einrichtungen konzipiert. Damit können die Reha-Einrichtungen ihre Qualitätser-gebnisse im Zeitverlauf vergleichen, Veränderungen registrieren und entsprechende Schritte einleiten. Gleichzeitig soll Reha-Qualitätssicherung möglichst viele Rehabilitanden und mög-lichst viele Reha-Einrichtungen bei der kontinuierlichen Durchführung beteiligen. Die bewer-tenden Elemente der Qualitätssicherung und die verbindliche Umsetzung von Ergebnissen der Qualitätssicherung standen in den letzten Jahren stark im Vordergrund der Diskussion. Die umfangreichen Daten, die aus der Reha-Qualitätssicherung vorliegen, werden zudem in wissenschaftlichen Projekten für versorgungsorientierte Fragestellungen genutzt.

In den nächsten Jahren wird eine Erhöhung der Akzeptanz der Reha-Qualitätssicherung ge-rade bei den Leitungen der Reha-Einrichtungen auch durch eine zeitnähere Berichterstat-tung anzustreben sein. Zum anderen wird die inhaltliche Konsolidierung der Reha-Qualitäts-sicherung durch Integration aller Reha-Therapiestandards etc., die Ausdehnung auf weitere Versorgungsaspekte und eine Verdeutlichung der handlungsorientierenden Funktion der Be-richte zur Reha-Qualitätssicherung im Vordergrund stehen.

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DGRW-Update I

Rehabilitation bei Kindern und Jugendlichen

Bauer, C.-P. Fachklinik Gaißach der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd, Gaißbach

Chronische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter haben in den letzten Jahrzehnten mehrheitlich deutlich zugenommen. So stieg z. B. die Zahl der Kinder, die von allergischer Rhinitis betroffen sind auf 10,7 %, die Zahl der Jugendlichen mit Asthma auf 7 bis 10 % und die Zahl der Neurodermitiskranken auf 13,2 % aller Kinder und Jugendlichen. Von Adiposi-tas (BMI >97te Altersperzentile) betroffen sind inzwischen 6,3 % aller Kinder und Jugendli-chen in Deutschland im Alter von 3 bis 17 Jahren.

Aufgrund dieser Erkrankungszahlen hat auch die Kinderrehabilitation an Bedeutung gewon-nen und es wurden 2008 durch die Deutsche Rentenversicherung 37.568 Reha-Maßnahmen finanziert. Einen Schwerpunkt stellen dabei die Atemwegserkrankungen mit 12.237 Fällen dar. Dementsprechend bilden die zahlenmäßig am häufigsten auftretenden chronischen Erkrankungen auch wesentliche Forschungsschwerpunkte (z. B. Asthma bron-chiale).

Die Forschung teilt sich dabei hauptsächlich zwischen Universität, Kinderrehakliniken, medi-zinischen Fachgesellschaften und nicht universitären Instituten auf. Im Kinderbereich gibt es allerdings bisher nur eine Professur für Kinderrehabilitation in Deutschland und diese ist an der TU in München angesiedelt. Angestoßen wird die Forschung neben Einzelinitiativen häufig durch Projektausschreibungen der Rentenversicherung, der Krankenkassen und des Bundes sowie der EU. Fachlich teilt sich die Reha-Forschung im Kinderbereich hauptsäch-lich zwischen Medizin, Psychologie, Pädagogik und Sportwissenschaft auf. Thematisch be-schäftigt sich die Forschung im engeren Sinne der Kinderrehabilitation mit Struktur- und Prozessqualität und damit auch mit der Erstellung von Leitlinien. So wurden in Zusammen-arbeit mit der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaf-ten (AWMF) Reha-Leitlinien für alle wesentlichen Indikationen der Kinderrehabilitation er-stellt. Daneben sind spezielle Leitlinien auf der Basis der KTL derzeit in Vorbereitung. Weite-re Forschungsschwerpunkte bildeten bisher die Interventionsforschung mit der Evaluation der Effektivität der Kinderrehabilitation sowie die Bereiche Compliance und Lebensqualität.

Thematisch ist die Rehabilitationsforschung bei Kindern und Jugendlichen aber immer im Zusammenhang mit der Forschung auf dem Gebiet chronischer Erkrankungen insgesamt zu sehen. Hier hat neben der Diagnostik und Therapie von chronischen Erkrankungen allge-mein vor allem die Frage nach den Gründen für Entstehung und Zunahme dieser Erkran-kungen eine besondere Priorität und die Epigenetik gewinnt gerade auf diesem Gebiet zu-nehmend an Bedeutung. So konnten z. B. Morgenstern et al. (2008) zeigen, dass zwischen dem Auftreten von allergischen Erkrankungen und Asthma bei Kindern und dem Ausmaß der straßenverkehrsbedingten Schadstoffbelastung eine signifikante Korrelation besteht. In diesem Zusammenhang spielen auch sozialmedizinische Aspekte eine wichtige Rolle. Nach

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den Ergebnissen des Kinder- und Jugendgesundheitssurvey 2006 des Robert-Koch-Instituts besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Einkommen und Gesundheit. So sind Kinder aus Familien mit einem monatlichen Nettoeinkommen unter 1.500,- Euro mehr von gesundheitlichen Problemen betroffen als Kinder aus Familien mit einem monatlichen Net-toeinkommen über 3.000,- Euro.

Rehabilitation sollte auch immer im Zusammenhang mit Prävention gesehen werden und deshalb hat die Prävention im Bereich der Forschung eine besondere Bedeutung. So kann z. B. die frühkindliche Ernährung die Entwicklung chronischer Erkrankungen (z. B. Allergien, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Adipositas etc.) beeinflussen und aktuelle Studien z. B. auf dem Gebiet der Allergologie und der Stoffwechselerkrankungen konnten zeigen, dass durch entsprechende präventive Ernährungsregime eine signifikante Senkung der Er-krankungsraten möglich ist.

Aufgabe der Zukunft wird es sein, Reha-Forschung bei Kindern und Jugendlichen noch mehr in die universitäre Forschung einzubringen, um damit die wissenschaftliche Basis der Kinderrehabilitation weiter zu verbessern und möglicherweise die Zahl chronischer Erkran-kungen bei Kindern und Jugendlichen zu reduzieren.

Literatur AWMF-Leitlinie für die Rehabilitation in der Kinder- und Jugendmedizin (2009):

http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/II/ Bauer, C.-P., Petermannn, F., Kiosz, D., Stachow, R. (2002): Langzeiteffekt der stationären

Rehabilitation bei Kindern und Jugendlichen mit mittelschwerem und schwerem Asthma bronchiale. Pneumologie, 56. 478-485.

v. Berg, A., Filipiak-Pittroff, B., Krämer, U. et al. (2008): Preventive effect of hydrolyzed in-fant formulas persists until age 6 years: Long-term results from the German Infant Nutri-tional Intervention Study (GINI). Journal of Allergy and Clinical Immunology, 121(6). 1442-1447.

Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.) (2009): Statistik der Deutschen Rentenversi-cherung. Rehabilitation 2008. Bd. 174.

Kinder- und Jugendgesundheitssurvey 2006 (KIGGS) des Robert-Koch-Instituts (2007). Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz 5/6.

Morgenstern, V., Zutavern, A., Cyrys, J. et al. (2008): Atopic Diseases, Allergic Sensitiza-tion, and Exposure to Traffic-related Air Pollution in Children. American Journal of Respi-ratory and Critical Care Medicine, 177. 1331-1337.

Petermann, F., Stachow, R., Tiedjen, U., Karpinski, N. (2009): Entwicklung eines Kurz-Fragebogens zum Krankheitsmanagement chronisch kranker Jugendlicher. Die Rehabili-tation, 48. 228-237.

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Bewegungstherapie in der Rehabilitation

Pfeifer, K. Institut für Sportwissenschaft und Sport, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Innerhalb der Rehabilitationsforschung nahm die wissenschaftliche Analyse bewegungsthe-rapeutischer Interventionen bislang nur einen kleinen Raum ein. Dies ist insofern bemer-kenswert, als bewegungstherapeutische Interventionen für die heute in der Rehabilitation vorherrschenden Gesundheitsstörungen wie muskuloskeletale Erkrankungen, Herz-Kreis-lauf-Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen, onkologische Erkrankungen und psychische Erkrankungen über 50 % der erbrachten therapeutischen Leistungen ausmachen (Pfeifer et al., 2008). Unter Bewegungstherapie wird dabei die ärztlich indizierte und verordnete Bewe-gung verstanden, die vom Fachtherapeuten bzw. der Fachtherapeutin geplant und dosiert, gemeinsam mit dem/der Arzt/Ärztin kontrolliert und mit dem/der Patienten/in alleine oder in der Gruppe durchgeführt wird (Arbeitsgruppe Bewegungstherapie, 2009). Diese Definition umschließt jene Interventionen, die die körperliche Bewegung des Menschen als Therapie-inhalt nutzen. Mit Bezug zur Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL; Deutsche Ren-tenversicherung Bund, 2007) zählen dazu insbesondere die Sport- und Bewegungstherapie und die Physiotherapie. Für den Bereich der Rehabilitation liegen bisher allerdings noch wenig evidenzgesicherte Interventionskonzepte und Ergebnisse vor. Dies gilt sowohl im Sinne der formativen Evaluation (Zielsetzungen, Inhalte, Methoden) als auch in Bezug auf die summative Evaluation erwünschter und tatsächlich erreichter Wirkungen der Bewe-gungstherapie, die über den Nachweis biologischer Adaptationen hinausgehen. Für letztere hingegen liegen vielfältige Wirksamkeitsnachweise für verschiedene rehabilitationsrelevante Indikationen vor (z. B. Pedersen, Saltin, 2006)

Als Grundlage der Evidenzbasierung und des wissensbasierten Qualitätsmanagements gilt ein einheitliches Zielverständnis. Bislang mangelt es jedoch an einer Zielsystematik, die in-dikations- und professionsübergreifend eine konsistente Nomenklatur von Zielsetzungen und eine einheitliche Terminologie ermöglicht. Innerhalb der AG Bewegungstherapie der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW) wurde daher als Grund-lage für eine effektivere Kommunikation über Ziele, Methoden und Ergebnisse der Bewe-gungstherapie eine Systematik von Zielsetzungen der Bewegungstherapie erarbeitet, die sich der ganzheitlichen Ausrichtung der Rehabilitation verpflichtet (Arbeitsgruppe Bewe-gungstherapie, 2009). Als Ausgangspunkt fungiert ein in Anlehnung an das Theoriemodell der Rehabilitation von Gerdes und Weis (2000) und unter Berücksichtigung der Internationa-len Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF; DIMDI 2005) entwickeltes heuristisches Modell über die Ziele der Bewegungstherapie in der Rehabilita-tion (Abb. 1, Sudeck, Pfeifer, 2010).

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Abb. 1: Zielheuristik für die Bewegungstherapie in der Rehabilitation

Mit Blick auf die Bedeutung der individuellen Auseinandersetzung mit einem Gesundheits-problem (Bewältigungskompetenz) und deren Auswirkungen auf den funktionalen Gesund-heitszustand lassen sich für die Bewegungstherapie in der Rehabilitation drei Zielbereiche formulieren:

proximal/interventionsnah

1. Wiederherstellung, Erhalt und Stärkung von Körperfunktionen einschließlich Ressour-cen, die im Sinne der ICF z. T. auch als personale Kontextfaktoren verstanden werden können;

2. Hinführung zu und Bindung an regelmäßige körperlich-sportliche Aktivität;

distal bzw. durch die Erreichung der proximalen Ziele vermittelt

3. Minderung von Beeinträchtigungen sowie Erhalt und Ausbau von Möglichkeiten im Be-reich von Aktivitäten und Partizipation.

Aus rehabilitationswissenschaftlicher Sicht ergeben sich vor diesem Hintergrund vielfältige Forschungsaufgaben. So ergibt sich die Aufgabe, entsprechende zielbezogene bewegungs-therapeutische Konzepte im Klinikalltag zu identifizieren bzw. zu implementieren und einer formativen und summativen Evaluation zu unterziehen. Darüber hinaus lassen sich u. a. fol-gende weitere Arbeitsaufgaben und Fragestellungen im Bereich der bewegungstherapeuti-schen Versorgung formulieren (Arbeitsgruppe Bewegungstherapie, 2009):

Behinderung Funktionale Gesundheit

Umwelt- faktoren

Bewegungstherapie

Gesundheits-verhalten

Funktionen/Ressourcena

physisch – psychisch – sozial

B e w ä l t i g u n g s k o m p e t e n z

Biologische Adaptation (Wiederherstellung,

Erhalt, Stärkung)

Einstellungen, WissenEmotion, Bindung an körperliche Aktivität

a einschließlich der "personalen Kontextfaktoren" im Sinne der ICF

Verhältnisse ändern

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- die Analyse von Wirkfaktoren der Bewegungstherapie auf physische, psychosoziale und mentale Funktionen,

- die Untersuchung von Dosis-Wirkungs-Beziehungen der verschiedenen Formen der Bewegungstherapie in Bezug auf physische, psychosoziale und mentale Funktionen (inkl. Mindestvolumina, Deckeneffekte, Belastung vs. Erholung usw.),

- die Einbettung der Bewegungstherapie in ein Gesamtkonzept der Rehabilitation und die Analyse von Wechselwirkungen mit anderen Interventionsformen

- die Analyse gender-, alters-, indikations-, setting- und arbeitsplatzspezifischer Aspekte von Bewegungstherapie im Hinblick auf Struktur- und Prozessanforderungen sowie eine differenzielle Wirksamkeit,

- die Entwicklung und Evaluation von Assessmentverfahren für die Planung und Umset-zung von Bewegungstherapie (funktionelle Diagnostik, Voraussetzungen/Erfahrungen, Motivation/Volition, bedarfsbezogene Zuweisung)

- die Analyse von Rahmenbedingungen (Strukturen, Barrieren, fördernde Faktoren usw.) für die strukturelle und inhaltliche Anpassung bewegungstherapeutischer Interventionen.

- die Untersuchung gesundheitsökonomischer Aspekte der Bewegungstherapie.

Literatur Arbeitsgruppe Bewegungstherapie (2009): Ziele und Aufgaben der Arbeitsgruppe "Bewe-

gungstherapie" in der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW). Die Rehabilitation, 48. 252-255.

Deutsche Rentenversicherung Bund (2007): KTL. Klassifikation therapeutischer Leistungen in der medizinischen Rehabilitation. Berlin. Deutsche Rentenversicherung Bund.

Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) (2005): ICF. In-ternationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (Stand: Oktober 2005). Köln. DIMDI.

Gerdes, N., Weis, J. (2000): Zur Theorie der Rehabilitation. In: Bengel, J., Koch, U. (Hrsg.): Grundlagen der Rehabilitationswissenschaften. 41-68. Berlin. Springer.

Pedersen, B.K., Saltin, B. (2006): Evidence for prescribing exercise as therapy in chronic disease. Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports, 16 (Suppl.). 3-63.

Pfeifer, K., Schöne, D., Brüggemann, S. (2008). Bewegungstherapeutische Versorgung in der stationären Rehabilitation orthopädischer Erkrankungen. DRV-Schriften, Bd. 77. 350-352.

Sudeck, G., Pfeifer, K. (2010): Evaluation von Bewegungstherapie in der Rehabilitation. In: Woll, A., Haag, H., Mess, F. (Hrsg.): Handbuch "Evaluation im Sport". Schorndorf: Hof-mann.

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DGRW-Update II

Rehabilitation bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Karoff, M. Klinik Königsfeld der Deutschen Rentenversicherung Westfalen

Die Zunahme an Forschungsergebnissen auch im Bereich der kardiologischen Rehabilitati-on führt dazu, dass möglicherweise der Transfer der Ergebnisse in den Praxisalltag nicht ausreichend stattfindet. Dies erschwert die schnelle und kontinuierliche Weiterentwicklung.

In diesem Update sollen aktuelle Themenschwerpunkte wie:

- Priorisierung in der Rehabilitation - Risikofaktoren/Prävention

- Berufliche Integration

- Herzklappenerkrankungen

- Neue Rehabilitationsmodelle

in ihrer Bedeutung für die Rehabilitation angesprochen werden.

Dabei wird Bezug genommen auf neue Studien und auf aktuelle Literatur zu diesen The-menbereichen.

Es gehen die Ergebnisse einer umfangreichen Literaturrecherche zum Themenbereich "Kardiologische Rehabilitation" mit ein. Über einen Zeitraum von einem Jahr wurden monat-lich deutsch- und englischsprachige Abstracts gesichtet, die relevante Aspekte der kardiolo-gischen Rehabilitation beinhalten. Recherchiert wurde in den elektronischen Datenbanken Medline, EBM Reviews-Cochrane Database und EMBASE.

So zeigt zum Beispiel eine im Jahre 2009 im EJCPR veröffentlichte Studie, dass Personen, die nach einem Herzinfarkt mit anschließendem Krankenhausaufenthalt an einer kardiologi-schen Rehabilitation teilnehmen, eine 50 % geringere Mortalitätsrate aufweisen als Perso-nen, die bei gleicher Indikation nicht teilgenommen haben, wobei die Therapiecompliance die meisten Überlebensvorteile mit sich bringt. Eine im JACC im Jahre 2009 veröffentlichte Studie stellt dar, dass aber nur 56 % der für eine kardiologische Rehabilitation in Frage kommenden Patienten eine Zuweisung zu einer kardiologischen Rehabilitation erhalten, wobei eine Bypassoperation oder eine PTCA die stärksten Prädiktoren für die Zuweisung zu einer Rehabilitationsbehandlung sind, und dass jüngere und männliche Patienten eher einer Rehabilitation zugewiesen wurden, als andere. Sehr bemerkenswert ist zudem ein weiteres Ergebnis, dass nämlich Patienten mit Komorbiditäten eine geringere Wahrscheinlichkeit ha-ben, eine kardiologische Rehabilitation zu erhalten.

Es geht bei der Bewertung der Literaturstellen aber nicht nur um die Relevanz und den Nut-zen der Ergebnisse für die kardiologische Rehabilitation, sondern auch um die methodische Qualität, die Rückschlüsse auf die Interpretierbarkeit der Ergebnisse zulässt. Die Vermitt-lung von Informationen aus diesen relevanten Publikationen soll eine Informationsvermitt-lung darstellen und die evidenzbasierte Medizin in der Rehabilitation fördern.

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Insgesamt ergibt sich aus diesem Update die Möglichkeit, Zukunftsperspektiven für die kar-diologische Rehabilitation zu entwickeln und die Bedeutung der kardiologischen Rehabilita-tion durch Ergebnisse von evidenzbasierten Studien zu untermauern.

Rehabilitation bei psychischen Störungen

Rüddel, H. Psychosomatische Fachklinik St. Franziska-Stift Bad Kreuznach und

Forschungszentrum für Psychosomatik und Psychobiologie, Universität Trier

Einleitung Chronische psychische und psychosomatische Störungen werden trotz der vielfältigen am-bulanten und stationären Diagnostik und Behandlungsmöglichkeiten immer bedeutsamer für unsere Sozialsysteme. Weiterhin sind diese Störungen verantwortlich für eine sehr hohe Zahl von Arbeitsunfähigkeitstagen und die Bedeutsamkeit für die vorzeitige Erwerbsunfähig-keit steigt kontinuierlich an.

Aktuelle Versorgungssituation In Deutschland gibt es ein sehr umfassendes Versorgungssystem der Psychosomatischen Rehabilitation. Überwiegend werden die Patienten vollstationär rehabilitiert und der Anteil der ganztägig ambulanten Rehabilitation ist je nach lokaler Lage der Klinik sehr unterschied-lich, insgesamt aber gering. Die Dauer der Rehabilitation ist in den letzten Jahren recht kon-stant geblieben, nachdem die Behandlungsdauer in den 90er Jahren kontinuierlich verkürzt wurde. Ca. 70 % der Patienten werden zwischen 42 und 45 Tagen rehabilitiert. Eine syste-matische Verkürzung führt zu einer nachweisbaren Verschlechterung der Rehabilitations-ergebnisse (pro Woche Verkürzung: Effektstärkenreduktion um 0,15).

Ausgestanden ist der "Schulenstreit". Sowohl psychodynamische Rehabilitationskonzepte als auch verhaltenstherapeutische Konzepte und integrierte Konzepte haben ihre Wirksam-keit dargelegt. Aus mindestens drei methodisch sehr unterschiedlichen Studien ist die Kos-ten-Nutzeneffizienz der Psychosomatischen Rehabilitation klar belegt (pro € entstehender Kosten ergeben sich "Einsparungen" im Bereich von 3 bis 3,75 €).

Fachgesellschaften und Kostenträger haben weitgehend einen Konsens gefunden über die Bedeutsamkeit einzelner Elemente der Psychosomatischen Rehabilitation wie Umfang der Diagnostik, Stellenwert der Psychotherapie, Sport- und Bewegungstherapie, Ergotherapie und Gestaltungstherapie sowie der Pflege und der Möglichkeit von medizinisch/beruflicher Orientierung. Dieser Konsens führt z. Zt. zu ersten Leitlinien (z. B. für Patienten mit depres-siver Symptomatik). Der Konsens ist allerdings nicht empirisch abgesichert.

Relevant für die Weiterentwicklung der Psychosomatischen Rehabilitation sind die Studien, die eine Effektivitätserhöhung möglichst auf Effektstärken > 1.0 anstrebten. Dies ist z. B. für die Integration eines systematischen Fitnesstrainings oder das Überwinden von Willensstär-kendefiziten gezeigt worden.

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Weiterentwicklungsnotwendigkeiten und Forschungsbedarf 1. Erste Studie zum Einsatz internetgestützter Nachsorgeprogramme und internetgestütz-

ter Therapieverdichtungen zeigen überzeugende Effekte. Die Bedeutsamkeit einzelner Facetten der e-Therapie für die Psychosomatische Rehabilitation bedarf noch systema-tischer Studien.

2. Kleinere Untersuchungen weisen Wege zu einer verbesserten Nachhaltigkeit auf. Kon-trollierte randomisierte Studien zur Verbesserung der Nachhaltigkeit z. B. durch persön-liches oder internetbasiertes Fallmanagement fehlen noch.

3. Für einige Patientengruppen scheinen die etablierten Rehabilitationskonzepte nicht op-timal zu sein, z. B. für Versicherte mit weit fortgeschrittenem Rentenbegehren. Hierzu bedarf es der Evaluierung spezieller Konzepte.

4. Die vorhandenen Konzepte für Psychosomatische Rehabilitation bei älteren Patienten bedürfen einer kritischen empirischen Überprüfung.

5. Der Kostendruck im Krankenhausbereich und ambulanten Versorgungssystem scheint in letzter Zeit zu einer Reduktion der notwendigen Diagnostik vor Beginn einer Psycho-somatischen Rehabilitation zu führen. Möglicherweise besteht dabei die Gefahr, dass die Rehabilitationen nicht mehr zielgenau patientenbezogen angeboten werden kann und es zu einem "Verwässern" der möglichen guten bis sehr guten Rehabilitationser-gebnisse kommt.Eventuell könnten diesbezügliche Schwerpunktbildungen einzelner Kli-niken Abhilfe schaffen.

Schlussbemerkung In der Psychosomatischen Rehabilitation sind sehr systematische Studien zur Wirksamkeit der Rehabilitation und zur differentiellen Wirksamkeit einzelner Ansätze durchgeführt wor-den, die weltweit zu einer einzigartigen Versorgungssituation geführt haben. Hierauf gilt es, sich nicht auszuruhen, sondern die Bemühungen zu weiteren Optimierungen systematisch zu unterstützen.

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Externe Qualitätssicherung

Strukturqualität von Maßnahmen der stationären Vorsorge und Rehabilitation für Mütter, Väter und Kinder

Heide, M., Lukasczik, M., Gerlich, C., Musekamp, G., Neuderth, S., Vogel, H. Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie, Universität Würzburg

Hintergrund Der Gesetzgeber hat Maßnahmen der stationären Vorsorge und Rehabilitation für Mütter, Väter und Kinder gestärkt (§§ 24, 41 SGB V), gleichzeitig sind Einrichtungen, die diese Maßnahmen durchführen, nach § 137 d SGB V zur externen Qualitätssicherung verpflichtet. Im Auftrag der Verbände der Krankenkassen auf Bundesebene wurden in zwei Pilotprojek-ten Instrumente zur externen Qualitätssicherung in der stationären Vorsorge und Rehabilita-tion für Mütter und Väter entwickelt. Zielsetzung im Bereich der Strukturqualität war es, ein Instrumentarium zur Erhebung von Strukturmerkmalen in diesem Versorgungsbereich zu entwickeln und dessen inhaltliche Angemessenheit zu erproben. Die zentralen Fragestel-lungen der hierbei durchgeführten Erhebung von Strukturmerkmalen in stationären Mutter-/Vater-Kind-Einrichtungen bezogen sich auf a) die Praktikabilität des Erhebungsbogens, b) die Definition von Bewertungskriterien für spätere einrichtungsvergleichende Datenanaly-sen und c) die dazu notwendige Beschreibung der aktuellen Versorgungssituation im Be-reich der Mutter-/Vater-Kind-Rehabilitation und -Vorsorge.

Methode Um die Strukturqualität umfassend zu dokumentieren, wurde ein modular aufgebauter Struk-turerhebungsbogen konzipiert, der es ermöglichen sollte, zwischen Rehabilitation und Vor-sorge zu differenzieren sowie verschiedene Behandlungsschwerpunkte bzw. Indikationen und spezifische Anforderungen für Kinder zu berücksichtigen. Der Erhebungsbogen wurde an 115 Mutter-Vater-Kind-Einrichtungen erprobt, nachdem bundesweit 165 Einrichtungen angeschrieben worden sind. Die Auswertung umfasste eine merkmalsbezogene (prozentua-ler Erfüllungsgrad in der Gesamtstichprobe) und eine einrichtungsvergleichende Analyse. Um aussagefähige Qualitätsmessungen und faire Einrichtungsvergleiche hinsichtlich der Strukturmerkmale zu gewährleisten, erfolgte unter Einbeziehung der Bewertungskriterien aus dem QS-Reha®-Verfahren (QS-Reha®, 2005; Jäckel, Klein, 2004) eine expertengestütz-te Definition von vorläufigen Basis- und Zuweisungskriterien im Rahmen des Pilotprojekts. Die Auswertung der vorläufigen Basiskriterien umfasste

1) die Darstellung der Erfüllungsgrade der vorläufig definierten Basiskriterien bezüglich der Strukturdimensionen (allgemeine Merkmale und räumliche Ausstattung, medizinisch-technische Ausstattung, therapeutische Behandlungen und Schulungen, personelle Aus-stattung, prozessnahe Strukturmerkmale, internes QM), um einrichtungsübergreifende strukturelle Schwächen aufzuzeigen;

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2) die Ermittlung des jeweiligen Erfüllungsgrads für jede Einrichtung (über alle relevanten Basiskriterien hinweg), um Einrichtungsvergleiche durchführen zu können.

Ergebnisse Es liegen 115 Bögen von stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen für Mütter, Väter und Kind-Maßnahmen vor. Bezogen auf die Gesamtzahl der Einrichtungen im Bun-desgebiet stellt dies eine Rücklaufquote von 75 % dar. Die meisten Einrichtungen geben Versorgungsverträge sowohl für Vorsorge als auch für Rehabilitation an, wobei Maßnahmen für Mütter/Väter mit Kindern überwiegen. Ein Drittel der Einrichtungen nimmt nur Mütter und Kinder auf. Sieben Einrichtungen führen ausschließlich Mutter-/Vater-Maßnahmen durch. Die Einrichtungsgrößen variieren stark; Behandlungsschwerpunkte / Indikationen beziehen sich vor allem auf die Bereiche Psychosomatik, Dermatologie und Pneumologie. Insgesamt zeigt sich bei den strukturellen Voraussetzungen ein hohes Niveau in den Einrichtungen, insbesondere bei der räumlichen Ausstattung (z. B. Notrufmöglichkeit in jedem Zimmer), der Dokumentation der therapeutischen Leistungen und der kinder- und interaktionsbezogenen Merkmale (z. B. Kindersicherungen in allen Steckdosen, Anleitung der Mutter / des Vaters im Umgang mit der Erkrankung des Kindes). Entwicklungspotenziale zeichnen sich bei ver-einzelten Aspekten der konzeptionellen Grundlagen (z. B. Möglichkeit zur psychologischen Diagnostik) und in der Anwendung der ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähig-keit, Behinderung und Gesundheit) bei der Diagnostik ab. Von den vorläufig definierten Be-wertungskriterien erfüllten die Einrichtungen zwischen 59,5 % und 94,3 %.

Diskussion Der modulare Strukturerhebungsbogen hat sich als praktikabel erwiesen. Für einen späte-ren Einsatz in der Routine der externen Qualitätssicherung wurden einzelne Bereiche des Erhebungsinstruments gestrafft und freitextlich erhobene Merkmale reduziert. Darüber hin-aus erfolgte für jede Einrichtung eine einrichtungsvergleichende Auswertung der Bewer-tungskriterien. Weitere Herausforderungen für die künftige Routine externer Qualitätssiche-rung bestehen in einer weiteren Verringerung des Bearbeitungsaufwands für die Einrichtun-gen (z. B. Kürzung des Instruments) und der transparenten Differenzierung zwischen den Anforderungen für Rehabilitations- und Vorsorgeeinrichtungen.

Literatur Jäckel, W.H., Klein, K. (2004): Bewertungskriterien der Strukturqualität von stationären Re-

habilitationseinrichtungen. Universitätsklinikum Freiburg, Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin.

QS-Reha® (2005): Qualitätssicherung durch die Gesetzlichen Krankenkassen in der medizi-nischen Rehabilitation - Erhebung der Strukturqualität von stationären Rehabilitationsein-richtungen, Psychische und psychosomatische Erkrankungen. Universitätsklinikum Ham-burg-Eppendorf, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Institut und Poliklinik für Medizini-sche Psychologie.

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Die Entwicklung eines Qualitätssicherungsverfahrens zur Analyse der Ergebnisqualität und Patientenzufriedenheit in Einrichtungen

der Kinder-Jugend-Rehabilitation

Farin, E. (1), Gustke, M. (1), Kosiol, D. (1), Glattacker, M. (1), Jäckel, W.H. (1), Widera, T. (2), Polak, U. (3)

(1) Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, (2) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin, (3) AOK Bundesverband, Berlin

Einleitung Nachdem sich die Qualitätssicherungsverfahren der Deutschen Rentenversicherung und der Gesetzlichen Krankenkassen im Bereich der medizinischen Rehabilitation von Erwachsenen schon seit längerem in der Routine befinden, wurde in der letzten Zeit von beiden Reha-Trägern gemeinsam ein Qualitätssicherungsverfahren für die ambulante medizinische Re-habilitation entwickelt (Farin et al., 2007). Der Bereich der Kinder-Jugend-Rehabilitation wurde in den Jahren 2004-2005 zunächst durch ein Projekt zur Erarbeitung von Bewer-tungskriterien der Strukturqualität von stationären Einrichtungen und eine flächendeckende Erhebung der Erfüllung der strukturellen Anforderungen angegangen (Petersen et al., 2006). Eine diesbezügliche Fortsetzung finden die Bemühungen der beiden Reha-Träger in dem aktuellen Projekt "Ergebnisqualität Kinder-Jugend-Rehabilitation", welches die Ziele verfolgt, ein Verfahren zur Analyse der Ergebnisqualität und Patientenzufriedenheit in Einrichtungen der stationären medizinischen Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen zu erarbeiten, das Verfahren zu erproben und die Qualität der Versorgung in einer größeren Zahl von Pilot-einrichtungen zu analysieren. Das Projekt begann im September 2008 und wird Ende April 2010 abgeschlossen. Der vorliegende Beitrag berichtet von den Ergebnissen der Konzepti-onsphase und stellt die Methodik zur Erarbeitung des Qualitätssicherungsverfahrens sowie das seit Mai 2009 in 23 Piloteinrichtungen erprobte Erhebungskonzept vor.

Methodik Das Konzept der Projektdurchführung sah die Einbeziehung verschiedener Interessens-gruppen (klinisch Tätige, WissenschafterInnen, Reha-Leistungsträger) vor. Entscheidungen, die zu treffen waren, waren dadurch gekennzeichnet, dass vor dem Hintergrund teilweise divergierender Interessen und Präferenzen die Alternative mit dem maximalen Gesamtnut-zen gefunden werden musste. Diese Situation spricht für die Anwendung von Nutzwertana-lysen (z. B. Jungermann et al., 2005; Farin et al., 2009). Für das Projekt wurden Nutzwert-analysen für verschiedene Entscheidungsvorgänge (z. B. Auswahl eines generischen Mess-instruments, Art der Kombination von Kinder- und Elternbefragung) vorbereitet und mit Lite-raturrecherchen, einem Experten-Konsensusverfahren, Befragung von Einrichtungen der Kinder-Jugend-Rehabilitation, qualitativen Vorstudien (kognitive Interviews) sowie quantitati-ven Vorstudien (z. B. Bestimmung der Änderungssensitivität diskutierter Messverfahren, vgl. Gustke et al., 2009) kombiniert.

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Ergebnisse Es wurde entschieden, dass zunächst vier ICD-Diagnosegruppen berücksichtigt werden: Adipositas E66, Asthma brochiale J45, Neurodermitis L20 sowie ADHS und Verhaltensstö-rungen F90-F92, F94. Innerhalb der Diagnosen wird unterschieden zwischen Kindern unter 12 Jahren (die nicht selbst befragt werden, sondern deren Ergebnisse über Eltern und Be-handler eingehen) sowie Kinder/Jugendliche ab 12 Jahren (die zusätzlich zum Zugang über Eltern und Behandler direkt befragt werden). Die Kreuzung der Alters- mit den Diagnose-gruppen ergibt acht so genannte "Alters-Diagnosegruppen" (AD-Gruppen), von denen bis auf eine (Neurodermitis-Rehabilitanden ab 12 Jahre; zu geringe Fallzahl) alle im Projekt be-rücksichtigt werden. Die Bedeutung der AD-Gruppen besteht darin, dass für die Gruppen (teilweise) spezifische Erhebungsinstrumente eingesetzt werden, und dass Einrichtungsver-gleiche nur innerhalb der AD-Gruppen durchgeführt werden.

Erfasst werden die generische Lebensqualität (in allen AD-Gruppen, über den DISABKIDS-37; Simeoni et al., 2007), erkrankungsspezifische Aspekte der Lebensqualität (mit DISAB-KIDS, KINDL, SDQ), ausgewählte erkrankungsspezifische Körperfunktionsparameter (z. B. BMI bei Adipositas), das Gesundheitsverhalten, die wahrgenommene Veränderung durch die Rehabilitation, die Patientenzufriedenheit (über Kinder/Jugendliche erfasst) und die El-ternzufriedenheit. Das Erhebungsdesign sieht im Wesentlichen zwei Messzeitpunkte vor (Reha-Beginn und 6 Wochen nach Reha-Ende), wobei für die Behandler und die Patienten-zufriedenheit abweichend die Messzeitpunkte Reha-Beginn und Reha-Ende gelten.

Mittlerweile wurde das Instrumentarium in 23 Einrichtungen der Kinder-Jugend-Reha-bilitation eingesetzt. Zum Oktober 2009 liegen zum Messzeitpunkt Reha-Beginn Daten von knapp 2.000 Rehabilitanden vor. Da die Datenerhebung im Februar 2010 abgeschlossen wurde, liegen zudem erste Resultate zu den Effekten der Kinder-Jugend-Rehabilitation vor.

Diskussion Es konnte ein Verfahren zur Analyse der Ergebnisqualität und Patientenzufriedenheit entwi-ckelt werden, welches in einer klinischen Expertenrunde abgestimmt wurde und sich in Vor-studien bezüglich Akzeptanz und Verständlichkeit bewährt hat. Eine abschließende Bewer-tung (z. B. bezüglich Umsetzbarkeit, Änderungssensitivität) erfolgt mit den Daten der Haupt-studie. Mit den Projektergebnissen werden umfangreiche Daten zur gesundheitlichen Situa-tion chronisch kranker Kinder/Jugendlicher und den Veränderungen nach einer Rehabilita-tionsmaßnahme vorliegen.

Literatur Farin, E., Dudeck, A., Meffert, C., Glattacker, M., Jäckel, W.H., Beckmann, U., Böwering, L.

(2007): Qualitätssicherung in der ambulanten medizinischen Rehabilitation: Konzeption und Ergebnisse eines Pilotprojekts zur Entwicklung eines Qualitätssicherungsprogramms für die Indikationsbereiche Muskuloskeletale und Kardiologische Erkrankungen. Die Re-habilitation, 46. 198-211.

Farin, E., Gustke, M., Kosiol, D. (2009): Nutzwertanalysen als Methode zur Unterstützung von Entscheidungsprozessen in Projekten der Versorgungsforschung (Postervortrag auf dem 8. Deutschen Kongress für Versorgungsforschung, 01.-03.10.2009 in Heidelberg). Zeitschrift für Allgemeinmedizin, Sonderausgabe DEGAM/DKVF.

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Gustke, M., Kosiol, D., Bauer, C.-P., Baumann, A., Stachow, R., Farin, E. (2009): Vergleich der Änderungssensitivität zweier Instrumente zur Messung gesundheitsbezogener Le-bensqualität bei Kindern und Jugendlichen. Vortrag auf der Gemeinsamen Tagung der DGSMP und der DGMS 23.-25.9.2009 in Hamburg.

Jungermann, H., Pfister, H.-R., Fischer, K. (2005): Die Psychologie der Entscheidung: eine Einführung. Heidelberg: Spektrum, Akad. Verlag.

Petersen, C., Widera, T., Kawski, S., Kossow, S., Glattacker, M., Farin, E., Follert, P., Koch, U. (2006): Sicherung der Strukturqualität in der stationären medizinischen Rehabili-tation von Kindern und Jugendlichen. Die Rehabilitation, 45. 9-17.

Simeoni, M., Schmidt, S., Muehlan, H., Debensason, D., Bullinger, M. (2007): Field testing of a European quality of life instrument for children and adolescents with chronic condi-tions: the 37-item DISABKIDS Chronic Generic Module. Quality of Life Research, 16. 881-893.

Weiterentwicklung des QS-Reha®-Verfahrens der GKV

Voß, K.-D., Niedling, A., Lawall, C. GKV-Spitzenverband

Hintergrund Ambulante sowie stationäre Rehabilitationseinrichtungen und stationäre Vorsorgeeinrich-tungen mit einem Versorgungsvertrag nach § 111 oder § 111a SGB V sind nach Maßgabe des § 137d SGB V i. V. m. § 135a Abs. 2 SGB V gesetzlich verpflichtet, sich an Maßnahmen der externen Qualitätssicherung zu beteiligen. Die Maßnahmen der externen Qualitätssiche-rung sind gemäß § 137d SGB V zwischen dem GKV-Spitzenverband und den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Leistungserbringer zu vereinbaren.

Maßnahmen der externen Qualitätssicherung wurden erstmals im Jahr 2000 von der GKV im Leistungsbereich der stationären medizinischen Rehabilitation entwickelt und eingeführt. Die Verbände der Krankenkassen auf Bundesebene haben seither auf Basis der gesetzli-chen Grundlagen und Anforderungen ein Verfahren zur externen Qualitätssicherung entwi-ckelt, in dem die Dimensionen der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität sowie die Pati-entenzufriedenheit gemessen werden: das QS-Reha®-Verfahren. In dem Zeitraum von 2007 bis 2009 fand eine Weiterentwicklung des QS-Reha®-Verfahrens für stationäre Rehabilitati-onseinrichtungen statt.

Zur Auswertung der für Zwecke der Qualitätssicherung nach § 135a Abs. 2 SGB V erhobe-nen Daten bestimmen im Falle des § 137d SGB V die Vereinbarungspartner eine unabhän-gige Auswertungsstelle (§ 299 Abs. 3 SGB V).

Die Autoren nehmen eine erste Bewertung der Weiterentwicklung des QS-Reha®-Ver-fahrens vor, indem sie einzelne Änderungen analysieren und sich daraus ergebende Aus-wirkungen beschreiben.

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Methode/Vorgehen - Vergleich des QS-Reha®-Verfahrens Stand 2000 / Stand 2009

- Bewertung der Auswirkungen aufgrund der Weiterentwicklung

Zielgruppe - GKV-hauptbelegte Fachabteilungen bzw. Reha-Einrichtungen

- Qualitätsbeauftragte

- Mitarbeiter von Rehabilitationsträgern im Bereich Qualitätssicherung

- Forschungseinrichtungen mit den Schwerpunkten Rehabilitation und Qualitätssicherung

Ergebnisse Im Rahmen der Weiterentwicklung des QS-Reha®-Verfahrens der GKV wurden alle Dimen-sionen (Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität sowie Patientenzufriedenheit) überarbeitet. Ziel der Überarbeitung war es, eine Straffung, Aktualisierung und Präzisierung des Verfah-rens und seiner Instrumente zu erreichen. Folgende wesentliche Änderungen haben sich daraus ergeben:

Im Bereich der Prozessqualität entfällt künftig die Anwendung des Peer-Review-Verfahrens. Daten zur Prozessqualität werden nun im Rahmen der Strukturerhebung sowie durch Pati-entenbefragungen ("Ergebnisorientierte Items") ermittelt.

Im Bereich der Ergebnisqualität wurde auf eine Zwei-Punkt-Messung umgestellt: die erste Messung erfolgt zu Beginn der Rehabilitation, die zweite Messung am Ende bzw. sechs Wochen nach Entlassung des Rehabilitanden. Die dritte Erhebung sechs Monate nach der Entlassung entfällt künftig. Durch den Wegfall des bisherigen dritten Erhebungszeitpunktes, der vor allem durch rehabilitationsfremde Einflussfaktoren in Bezug auf den Gesundheitssta-tus und die Zufriedenheit des Rehabilitanden "geprägt" war, ist mit einer valideren Daten-menge zur Ergebnisqualität zu rechnen.

Weiterhin ist aufgrund der Reduzierung der Stichprobengröße von 200 auf 100 Patienten mit einem Anstieg an Fachabteilungen bzw. Einrichtungen zu rechnen, für die im Hinblick auf alle Qualitätsdimensionen Ergebnisse vorliegen. Damit werden die Ergebnisse des QS-Reha®-Verfahrens insgesamt repräsentativer. In diesem Zusammenhang wurde auch die Diskussion zur Einbeziehung von Einrichtungen bzw. Fachabteilungen mit Fallzahlen von weniger als 100 Patienten p. a. berücksichtigt.

Die Phase der Weiterentwicklung des QS-Reha®-Verfahrens wurde von gesetzlichen Ände-rungen begleitet, die mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der GKV (GKV-WSG) in Kraft getreten sind. Seit dem 01. April 2007 müssen nunmehr die Krankenkassen gemäß § 137d Abs. 1 und 2 SGB V die Kosten für die Auswertung der Qualitätssicherung, anteilig nach ihrer Belegung, tragen. Mit dieser neuen Kostentragungspflicht der GKV kön-nen die aus Sicht der Leistungserbringer bisher bestehenden ökonomischen Fehlanreize beseitigt werden. Insgesamt werden dadurch die Maßnahmen der externen Qualitätssiche-rung eine höhere Akzeptanz auf Seiten der Leistungserbringer haben.

Unverändert bleibt das wesentliche Ziel der Qualitätsanalysen, einen objektiven Vergleich zwischen den Einrichtungen zu ermöglichen. Darüber hinaus dienen auch künftig die Er-gebnisse der Qualitätssicherung:

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- der Standortbestimmung für die Vorsorge- bzw. Rehabilitationseinrichtungen im Ver-gleich zu anderen gleichartigen Einrichtungen und die Förderung des qualitätsorientier-ten Wettbewerbs zwischen den Einrichtungen,

- dem systematischen Erkennen von Qualitätsdefiziten, für die Qualitätsverbesserungen erforderlich sind sowie

- der Unterstützung des internen Qualitätsmanagements und der Förderung der einrich-tungsinternen Kommunikation zur systematischen, kontinuierlichen und berufsgruppen-übergreifenden Verbesserung der Qualität.

Literatur Farin, E., Follert, P., Gerdelmann, W., Jäckel, W.H. (2005): Qualitätssicherung in der medi-

zinischen Rehabilitation durch die Gesetzliche Krankenversicherung: Hintergrund, Anfor-derungen und Ergebnisse. Prävention und Rehabilitation, 17/4. 125-143.

Farin, E., Glattacker, M., Follert, P., Kuhl, C., Klein, K., Jäckel, W.H. (2004): Einrichtungs-vergleiche in der medizinischen Rehabilitation. Zeitschrift für Ärztliche Fortbildung und Qualitätssicherung, 98. 655-662.

Ausmaß und Struktur von dokumentierten Leistungen (KTL) zu Information, Motivation und Schulung während der

medizinischen Rehabilitation

Zander, J., Beckmann, U. Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund In der medizinischen Rehabilitation der Rentenversicherung nehmen der Stellenwert von Patientenschulungen sowie die Vermittlung gesundheitsförderlicher Inhalte zu (Worringen, Beckmann, 2007). Die Förderung der Mitarbeit der Betroffenen bei der medizinischen Be-handlung (Compliance) sowie die Stärkung ihrer Fähigkeiten zum selbstverantwortlichen Umgang mit der Krankheit (Selbstmanagement) sind dabei wichtige Ziele. Des Weiteren sol-len die Rehabilitanden durch Wissenserwerb und Kompetenzerweiterung in die Lage ver-setzt werden, Entscheidungen bezüglich ihrer Lebensführung eigenständig zu treffen (Em-powerment). Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Patientenschulungen effektiv und effizient sind (Faller et. al., 2005). Ströbl et al. (2009) kritisieren, dass die Untersuchun-gen hierzu unter idealtypischen Bedingungen durchgeführt wurden, im realen Klinikalltag jedoch die Patientenschulungen teilweise unter schwierigen Bedingungen stattfinden.

Die aktualisierte Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL) (DRV, 2007) ist ein von der Rentenversicherung in Zusammenarbeit mit Reha-Klinikern und weiteren Experten entwi-ckeltes Dokumentationssystem. Das KTL-Kapitel zu Information, Motivation und Schulung wurde grundsätzlich neu strukturiert, dabei wurde dem Stellenwert standardisierter Schulun-gen Rechnung getragen. Die in der KTL als standardisiert bezeichneten Schulungen zeich-nen sich durch ein geplantes, strukturiertes Vorgehen aus, sind curricular aufgebaut, durch

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ein Manual hinterlegt und werden in der Regel interdisziplinär durchgeführt. Bei der Durch-führung werden unterschiedliche Vermittlungsmethoden angewandt und Gruppengrößen definiert. Schulungen, die diese Qualitätsstandards nicht erfüllen, werden als nicht-standardisierte Schulung bezeichnet. Während Patientenschulungen für Rehabilitanden mit einer bereits bestehenden (meist chronischen) Erkrankung entwickelt wurden, beinhaltet Gesundheitsbildung indikationsübergreifende Maßnahmen, die zur Gesundheitsförderung motivieren sollen.

Methodik In einer deskriptiv-statistischen Analyse wird der Frage nachgegangen, wie sich die derzeiti-ge Dokumentationspraxis von standardisierten versus nicht-standardisierten Schulungen sowie die Gesundheitsbildung bei ausgewählten Erkrankungen abbildet. Dazu werden alle Rehabilitanden der Deutschen Rentenversicherung aus dem Jahr 2008 mit folgender Erst-diagnose betrachtet: Brustkrebs (n = 33.588), Diabetes mellitus Typ 2 (n = 6.485) und Koro-nare Herzkrankheit (n = 23.404). Abschließend wird das Dokumentationsverhalten von zehn onkologischen Reha-Einrichtungen (n = 760 bis n = 1.345) vergleichend untersucht. Die KTL-Codes zur Gesundheitsbildung bzw. zu den Patientenschulungen werden analog den Evidenzbasierten Therapiemodulen der aktuell vorliegenden Reha-Therapiestandards der Deutschen Rentenversicherung kategorisiert (Stand: Oktober 2009). So werden die Grup-pen Patientenschulung (standardisiert, nicht-standardisiert, sonstige), Spezielle Patienten-schulung (standardisiert, nicht-standardisiert, sonstige) und Gesundheitsbildung gebildet. Die Analyse der KTL-Daten erfolgt hinsichtlich verschiedener Parameter, wie der prozentua-le Anteil der Rehabilitanden, der mindestens eine Leistung aus den betreffenden Kategorien erhalten hat sowie der Therapiedauer pro Woche.

Ergebnisse Über alle betrachteten Erkrankungsbilder gesehen, erhalten zwischen 96 % und 98 % der Rehabilitanden während ihres Reha-Aufenthaltes mindestens eine Leistung zur Gesund-heitsbildung. Dabei schwankt die Dauer dieser Leistungen zwischen 81 und 88 Minuten pro Woche.

Die Rehabilitanden mit Diabetes erhalten am häufigsten Leistungen aus der Kategorie Pati-entenschulung (92 %), die KHK-Rehabilitanden währenddessen nur zu 59 % (Rehabilitan-dinnen mit Brustkrebs: 68 %). Der Stellenwert der Patientenschulungen bei Diabetes ist sehr hoch: die Dauer beträgt 187 Minuten pro Woche (Rehabilitandinnen mit Brustkrebs: 54 Mi-nuten pro Woche, KHK-Rehabilitanden: 52 Minuten pro Woche). Die Analyse der Daten zeigt, dass bei KHK-Rehabilitanden häufiger standardisierte (38 %) als nicht-standardisierte Schulungen (30 %) durchgeführt werden. Bei den Brustkrebs-Rehabilitandinnen und den Rehabilitanden mit Diabetes zeigt sich ein gegensätzliches Bild, hier überwiegt der Anteil der Rehabilitanden, die mit nicht-standardisierten Schulungen versorgt wurden. Positiv her-vorzuheben ist, dass bei allen drei Krankheitsbildern in die standardisierten Schulungen mehr Zeit investiert wurde, als bei den nicht-standardisierten.

Die Kategorie der Speziellen Patientenschulungen gibt es nur für die KHK und den Diabetes mellitus Typ 2. Hier werden bei KHK-Rehabilitanden häufiger standardisierte Schulungen (38 %) als nicht-standardisierte Schulungen (31 %) angeboten. Bei Diabetes überwiegt die

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Durchführung nicht-standardisierter Schulungen. Auch hier zeigt sich eine höhere Therapie-dauer der standardisierten Schulungen als bei den nicht-standardisierten.

Die Verschlüsselung der Leistungen zu der Kategorisierung Patientenschulung insgesamt in zehn großen onkologischen Reha-Einrichtungen erfolgt sehr unterschiedlich. Während in einer Reha-Einrichtung 100 % der Rehabilitanden mindestens eine Patientenschulung erhal-ten haben, sind es in zwei anderen gerade einmal 6 % und 8 %. Auffälligkeiten ergeben sich ebenfalls in der Betrachtung der Therapiedauer: 62 versus 18 Minuten pro Woche. Die Re-ha-Einrichtungen mit den geringsten Häufigkeiten weisen gleichzeitig die niedrigsten Thera-piedauern auf. Leistungen zur Gesundheitsbildung erhalten Rehabilitanden in acht von zehn Einrichtungen bis zu 100 %, in einer Reha-Klinik betrifft das 67 % der Rehabilitanden. Die Therapiedauer zu Erbringung der Gesundheitsbildung variiert zwischen 26 und 107 Minuten pro Woche.

Schlussfolgerungen und Ausblick Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Leistungen zur Gesundheitsbildung bei allen drei betrachteten Erkrankungsbildern in hohem Maße erbracht werden. KHK-Rehabilitanden ha-ben häufiger standardisierte als nicht-standardisierte Schulungen erhalten. Eine Situation, die es auf andere Erkrankungsbilder auszuweiten gilt. Dass die Therapiedauer der standar-disierten Schulungen über alle Erkrankungen hinweg höher als bei den nicht-standardisier-ten liegt, ist als besonders positiv zu werten.

Im Einrichtungsvergleich onkologischer Reha-Einrichtungen ergeben sich gravierende Un-terschiede in der Durchführung von Patientenschulungen. Es bleibt die Frage, ob die Ursa-chen in einer ungenauen Dokumentation der erbrachten Leistungen oder in einer tatsächli-chen Unterversorgung zu finden sind. Eine Aussage über eine bedarfsgerechte Versorgung der Rehabilitanden kann nicht getroffen werden. Hierzu werden die derzeit von der Deut-schen Rentenversicherung entwickelten und überarbeiteten Reha-Therapiestandards Auf-schluss geben können. Die evidenzbasierten und empirisch abgesicherten Reha-Therapie-standards stützen sich auf die in der Rehabilitation dokumentierten Leistungen.

Die KTL hat sich als Instrument zur differenzierten Erfassung der Patientenschulungen und der Gesundheitsbildung in der Rehabilitation bewährt. Mit ihr ist es möglich, sich einen Überblick über die Versorgungssituation aller Rehabilitanden zu verschaffen. Auch einrich-tungsbezogene Vergleiche der Therapiepraxis sind möglich. Daraus sind Vorgaben für die Reha-Qualitätssicherung abzuleiten.

Literatur Deutsche Rentenversicherung (Hrsg.) (2007): KTL - Klassifikation therapeutischer Leistun-

gen in der medizinischen Rehabilitation. 5. Auflage. Faller, H., Reusch, A., Vogel, H., Ehlebracht-König, I., Petermann, F. (2005): Patientenschu-

lung. Die Rehabilitation, 44. 277-286. Ströbl, V., Küffner, R., Müller, J., Reusch, A., Vogel, H., Faller, H. (2009): Patientenschu-

lung: Qualitätskriterien der Schulungsumsetzung. Die Rehabilitation, 48. 166-173. Worringen, U., Beckmann, U. (2007): Gesundheitstraining - Qualitätssicherung und -ent-

wicklung durch die Deutsche Rentenversicherung Bund. Praxis Klinische Verhaltensme-dizin und Rehabilitation, 75. 21-28

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Zander, J., Beckmann, U., Sommhammer, B., Klosterhuis, H. (2009): Therapeutische Ver-sorgung in der medizinischen Rehabilitation - mehr Transparenz mit der Klassifikation therapeutischer Leistungen. RVaktuell, Jg. 56, H. 5/6. 186-194.

Gutachterübereinstimmung im Peer Review zufriedenstellend: Weitere Verbesserung durch Präzisierung im Bereich Diagnostik

Baumgarten, E., Lindow, B. Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund und Fragestellung Das Peer Review ist für die Rentenversicherung ein wichtiges Verfahren zur Bewertung der Prozessqualität in medizinischen Reha-Einrichtungen. Rehabilitationsverläufe werden auf der Basis von Entlassungsberichten und individuellen Therapieplänen durch erfahrene Re-habilitationsmediziner (Peers) anderer Reha-Einrichtungen beurteilt. Dabei ist eine mög-lichst hohe Gutachterübereinstimmung eine Voraussetzung für die Zuverlässigkeit und Re-produzierbarkeit der Bewertungen. Seit Beginn dieses Verfahrens wird deshalb regelmäßig der Grad der Übereinstimmung zwischen den einzelnen Peers geprüft. Im Verlauf der mitt-lerweile über 10-jährigen Praxis konnte bei allen Indikationen eine zufriedenstellende bzw. gute Gutachterübereinstimmung erreicht werden (Baumgarten et al., 2008; Baumgarten, Klosterhuis, 2007). Der Bereich Diagnostik der Indikation "psychische Störungen" fiel hinge-gen in den vergangenen beiden Verfahren durch eine geringere Gutachterübereinstimmung auf. Hinsichtlich der Frage nach möglichen Ursachen sind eine unterschiedliche Gewichtung einzelner Merkmale aus fachärztlicher Sicht, eine unterschiedliche Interpretation des Check-listenmanuals, aber auch ein Qualitätsunterschied der dokumentierten Prozessqualität in Erwägung zu ziehen.

Methodik Die Dokumentation qualitätsrelevanter Prozessmerkmale und Bereiche einer Rehabilitation, die in einem Manual inhaltlich beschrieben sind, wurde im Peer Review Verfahren der Indi-kationen "psychische Störungen" und Sucht 2007 an insgesamt 5.456 Fällen aus 315 Reha-Einrichtungen von 218 Peers beurteilt. Der Grad der Gutachterübereinstimmung wurde an vier zufällig ausgewählten ärztlichen Reha-Entlassungsberichten (Kontrollberichte) geprüft. Bei der Begutachtung der qualitätsrelevanten Prozessmerkmale wird nach drei Mängelkate-gorien (keine, leichte und gravierende Mängel) unterschieden. Da der Bereich Diagnostik der psychischen Störungen im Zentrum der zugrunde liegenden Fragestellung steht, kon-zentrieren sich die Auswertungen auf Merkmale dieses Bereichs. Als Maß für die Unter-schiedlichkeit der abgegebenen Bewertungen werden die Mängelbeurteilungen für die acht Merkmale des Bereichs Diagnostik sowie die Varianz in der Gruppe der Gutachter ermittelt. Die vier Kontrollberichte wurden von 86 Peers bewertet.

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Ergebnisse Die Gutachter gaben bei der Bewertung der Merkmale des Bereichs Diagnostik für die je-weiligen Bewertungsmöglichkeiten (keine, leichte und gravierende Mängel) zwischen 339 und 177 Urteile ab. Bis auf die beiden Prozessmerkmale "Psychodynamischer oder Verhal-tensanalytischer Befund" und "Testpsychologische Untersuchungen" fand sich bei den übri-gen sechs Merkmalen eine absteigende Häufigkeitsverteilung der Urteile beginnend bei "keine Mängel" bis hin zu "gravierende Mängel" mit einer geringen Varianz innerhalb der Gruppe der Gutachter. Die Urteile zu den beiden erwähnten übrigen Prozessmerkmalen wiesen jedoch eine hohe Varianz in der Gruppe der Gutachter auf. Die Häufigkeitsverteilung von Mängelkategorien für diese Prozessmerkmale war mit einem hohen Anteil "keine Män-gel" (68 % bzw. 48 %), einem niedrigen Anteil "leichte Mängel" (13 % bzw. 23 %) und einem wiederum ansteigenden Anteil "gravierende Mängeln" (19 % bzw. 28 %) auffällig unter-schiedlich. Eine nicht zufriedenstellende Gutachterübereinstimmung im Bereich Diagnostik der Indikation "psychische Störungen" (Finn Koeffizient < 0,5) ist somit auf eine erhebliche Streuung der Gutachterurteile zu den Merkmalen "Psychodynamischer und Verhaltensana-lytischer Befund" sowie "Testpsychologische Untersuchungen" zurückzuführen.

Diskussion und Schlussfolgerung Auf der Basis der Beurteilung von durchschnittlich 20 Reha-Entlassungsberichten einer Ein-richtung, bewertet durch eine ebenso hohe Anzahl unterschiedlicher Gutachter, bietet das Peer Review-Verfahren der Deutschen Rentenversicherung eine zufriedenstellende Reliabi-lität bei der vergleichenden Bewertung der Prozessqualität von Reha-Einrichtungen (Farin et al., 2003; Hofer et al., 2000). Durch eine randomisierte Verteilung der E-Berichte sollen Gut-achterunterschiede kompensiert werden. Das hier dargestellte Peer Review Verfahren zeigt bis auf den Bereich Diagnostik der Psychosomatik eine zufriedenstellende bis gute Gutach-terübereinstimmung. Ein zweigipfliger gegenüber einem sonst einheitlich abfallenden Ver-lauf der Häufigkeiten sehr guter bis mangelhafter Beurteilungen bei den genannten kriti-schen Merkmalen könnte einer ebenfalls unterschiedlichen Dokumentation der Prozessqua-lität in den Kontrollberichten entsprechen. Da im Manual zum Peer Review zu den genann-ten, für die Rehabilitationsdiagnose wichtigen diagnostischen Befunden klare Angaben er-wartet werden, ließe sich ein geteiltes Gutachterurteil mit einer unterschiedlichen Qualität der dokumentierten Rehabilitationsprozesse in den Kontrollberichten begründen. Die hohe Varianz der Urteile innerhalb der Gruppe der Gutachter lässt jedoch eher ein uneinheitliches Bewertungsverhalten erkennen. Vor diesem Hintergrund ist zu vermuten, dass die beschrie-benen diagnostischen Merkmale unter Fachärzten, die entweder einen verhaltenstherapeu-tischen oder tiefenpsychologischen Therapieschwerpunkt verfolgen, nicht übereinstimmend gewichtet und beurteilt werden. Es ist deshalb eine Präzisierung des Checklistenmanuals im Rahmen einer fachärztlich begleiteten Weiterentwicklung erforderlich. Eine zusätzliche Ver-besserung der insgesamt guten Gutachterübereinstimmung im Peer Review ist hierdurch zu erwarten. Darüber hinaus ist im Rahmen von Peerschulungen zukünftig vermehrt darauf zu achten, dass unter den Fachkollegen ein einheitliches Votum zu diesen diagnostischen Merkmalen erzielt wird.

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Literatur Baumgarten, E., Lindow, B., Klosterhuis, H. (2008): Wie gut ist die ambulante Rehabilitati-

on? Aktuelle Ergebnisse der Reha-Qualitätssicherung. RVaktuell, Jg. 55, H. 11. 335-342. Baumgarten, E., Klosterhuis, H. (2007): Aktuelles aus der Reha-Qualitätssicherung: Peer

Review-Verfahren ausgewertet - bessere Reha-Qualität, aber deutliche Unterschiede zwischen Reha-Einrichtungen. RVaktuell, Jg. 54, H. 5. 152-154.

Farin, E., Carl, C., Lichtenberg, S., Jäckel, W.H., Maier-Riehle, B., Rütten-Köppel, E. (2003): Die Bewertung des Rehabilitationsprozesses mittels des Peer Review Verfahrens: Me-thodische Prüfung und Ergebnisse der Erhebungsrunde 2000/2001 in den somatischen Indikationsbereichen. Die Rehabilitation, 42. 323-334.

Hofer, T.P., Bernstein, S.J., De Monner, S., Hayward, R.A. (2000): Discussion between re-viewers does not improve reliability of peer review of hospital quality. Medical Care, 38. 152-161.

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Prozessqualität

Indikatoren der Prozessqualität - Einrichtungsvergleich auf der Grundlage von Rehabilitandenurteilen

Rennert, D., Slesina, W. Sektion Medizinische Soziologie, Universität Halle-Wittenberg

Hintergrund und Fragestellung Eine von der Deutschen Rentenversicherung geförderte Evaluationsstudie über berufliche Bildungsmaßnahmen für Rehabilitanden nach § 33 Abs. 3 SGB IX bezog u. a. Maßnahmen der außerbetrieblichen Umschulung in Berufsförderungswerken ein. Untersucht wurden As-pekte der Prozess- und Ergebnisqualität dieser Bildungsmaßnahmen durch mehrfache schriftliche Befragung der Rehabilitanden (Slesina, Rennert, 2009). In der medizinischen Rehabilitation sind Einrichtungsprofile und -vergleiche ein wichtiges Element der externen Qualitätssicherung (DRV, 2009). Dieser Beitrag vergleicht die Rehabilitandenurteile unserer Studie zu einigen Aspekten der Prozessqualität zwischen den drei mitwirkenden Berufsför-derungswerken (BFWs).

Methodik und Stichprobe An der T1-Befragung zu Reha-Beginn (Juli 2003) beteiligten sich aus den drei BFWs (n1 = 181, n2 = 112 und n3 = 87) insgesamt 380 Rehabilitanden. Die Rehabilitandenurteile zur Prozessqualität ihrer Bildungsmaßnahme wurden nach dem ersten Umschulungsjahr (T2, n = 323) und/oder bei Umschulungsende (T3, n = 299) erhoben. Ausgehend von den Itembatterien des T2-/T3-Fragebogens, wurden mit Faktoren- und Reliabilitätsanalysen Ska-len zur Prozessqualität der Bildungsmaßnahme entwickelt (Rennert et al., 2007). Sie liegen der folgenden Betrachtung zugrunde. Zum Vergleich der Prozessqualität zwischen den drei BFWs wurden einfaktorielle Varianzanalysen mit Post-hoc Einzelvergleichen (Scheffé-Tests) durchgeführt.

Ergebnisse Keine signifikanten Unterschiede zwischen den drei BFWs bestanden bei den Merkmalen: "Stoffmenge im Unterricht", "Qualität der praktischen Ausbildung im BFW", "Qualität des Be-triebspraktikums: Aufgabenqualität" sowie "Unterstützungsqualität", "Qualität der Leistungs-rückmeldungen im BFW", "Betreuung durch den psychologischen Dienst", "Betreuung durch den sozialen Dienst" (Tab. 1).

Bei neun Merkmalen fanden sich zwischen den BFWs signifikante Unterschiede in der Re-habilitandenbeurteilung: "Qualität der theoretischen Ausbildung im BFW", "Qualität der Lehr- und Lernunterlagen", "Tempo im Unterricht", "Erlernen von Kenntnissen und praktischen Fähigkeiten", "Qualität des Ausbilderverhaltens", "Qualität der Betreuung durch die Bil-dungseinrichtung während des Betriebspraktikums", "Betreuung durch den ärztlichen Dienst", "Intensität der Vorbereitung auf die Abschlussprüfung", "Qualität der Informationen zur Abschlussprüfung". Bei fünf dieser Merkmale lagen die Qualitätsscores eines BFW sig-

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nifikant niedriger als in den beiden anderen Einrichtungen. Bei vier Merkmalen war die Rich-tung der Unterschiede variabel.

MZP Merkmale BFW A BFW B BFW C

T2 Qualität der theoretischen Ausbildung im BFW ++ + ++

T2 Qualität der Lehr- und Lernunterlagen ++ + ++

T3 Stoffmenge im Unterricht1 + + +

T3 Tempo im Unterricht1 ++ + +

T2 Qualität der praktischen Ausbildung im BFW + + +

T3 Qualität des Betriebspraktikums + + +

T3 Qualität der Betreuung durch die Bildungseinrichtung während des Betriebspraktikums ++ + ++

T2 Qualität der Leistungsrückmeldungen im BFW + + +

T3 Qualität des Ausbilderverhaltens ++ + ++

T2 Fähigkeitserwerb + + ++

T3 Betreuung durch den psychologischen Dienst + + +

T3 Betreuung durch den sozialen Dienst + + +

T2 Betreuung durch den ärztlichen Dienst + ++ +

T3 Intensität der Vorbereitung auf die Abschlussprüfung + + ++

T3 Qualität der Informationen zur Abschlussprüfung ++ ++

+ bedeutet: günstiger als der Skalen-Mittelwert, ++ bedeutet: signifikant günstiger als ein bzw. zwei andere BFWs (p < 0.05).

MZP= Messzeitpunkt, 1andere Skalierung.

Tab. 1: Indikatoren der Prozessqualität im Einrichtungsvergleich

Diskussion Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu bedenken, dass es sich um subjektive Bewer-tungen handelt. Die gefundenen signifikanten Unterschiede können auf realen Unterschie-den zwischen den Einrichtungen beruhen oder auf einem unterschiedlichen Urteilsverhalten der Rehabilitanden der drei BFWs. Zur Klärung dieser Frage bedürfte es systematischer vergleichender Analysen zwischen Rehabilitanden-Ratings und Experten-Ratings zur Pro-zessqualität. Unabhängig hiervon jedoch vermitteln die Rehabilitandenangaben ein wichti-ges Wahrnehmungsbild, das für die Berufsförderungswerke als eine orientierende Größe für ihr internes Qualitätsmanagement dienen kann.

Zusammenfassung und Ausblick Die untersuchten Merkmale der Prozessqualität wurden von den Rehabilitanden der drei BFWs überwiegend positiv eingeschätzt. Für nahezu alle Bereiche der Prozessqualität sind zwischen den Einrichtungen aber auch signifikante Qualitätsunterschiede aus Rehabilitan-densicht festzustellen. Zwischen den untersuchten Merkmalen der Prozessqualität einer-

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seits und der beruflichen Wiedereingliederung der Rehabilitanden ein Jahr nach Maßnah-meende andererseits zeigte sich kein relevanter Zusammenhang.

Literatur Deutsche Rentenversicherung Bund (2009): Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

(LTA). Rahmenkonzept der Deutschen Rentenversicherung. Berlin. Rennert, D., Köster, T., Slesina, W. (2007): Entwicklung von Skalen für die Evaluation von

Bildungsmaßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben: Prozessqualität, Rehabilitanden-merkmale, Halle/S.. Universität Halle-Wittenberg.

Slesina, W., Rennert, D. (2009): Prozess- und Ergebnisqualität beruflicher Rehabilitations-maßnahmen: Eine Evaluationsstudie zur beruflichen Umschulung und Anpassungsquali-fizierung. Regensburg: S. Roderer Verlag.

Zur Qualitätssicherung beruflicher Bildungsleistungen - Eine Analyse der Integrationsergebnisse freier Bildungsträger 2004-2009

Streibelt, M., Springer, K.-D. Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund Aufgrund der Änderungen des SGB III nimmt die Deutsche Rentenversicherung (DRV) seit Mai 2004 die Anerkennung beruflicher Bildungsleistungen freier Bildungsträger (FBT) vor. Das Anerkennungsverfahren fußt auf Vorgaben für die Struktur- und Prozessqualität. Es existieren bislang jedoch keine Kriterien der Ergebnisqualität. Die FBT sind allerdings verpflichtet, dem Leistungsträger im Nachgang die Eingliederungsergebnisse der Teilnehm-er zu melden. Auf dieser Basis ließen sich Aussagen zur Ergebnisqualität beruflicher Bil-dungsmaßnahmen bei FBT machen und entsprechende Steuerungsmerkmale entwickeln.

Zielstellung Im Mittelpunkt steht eine Analyse der Ergebnisse beruflicher Bildungsmaßnahmen (Abbrü-che, berufliche Integration), ihrer Einflussfaktoren und der genannten Gründe für Abbrüche sowie Vermittlungshemmnisse.

Methodik Der Datenkörper umfasst alle durch die DRV Bund anerkannten Maßnahmen von FBT, bei denen die Integrationsergebnisse bis September 2009 vorlagen (n = 3.618 Teilnehmer). Der reduzierte Analysedatensatz bezieht sich auf alle Fälle mit Angaben zu Alter und Ge-schlecht, die in den Jahren 2005 bis 2008 beendet wurden und deren Meldezeitraum ein Jahr nach Maßnahmeende nicht übersteigt. Integriert wurden 392 anerkannte Maßnahmen bei 92 FBT (n = 2.684 Teilnehmer). Das durchschnittliche Alter betrug 45,1 Jahre (±7,1; 21-60), 65,2 % waren weiblich. Die Verteilung der Maßnahmearten war: 11,3 % Vollqualifikatio-nen (VQ), 34,7 % Teilqualifikationen (TQ), 37,7 % Integrationsmaßnahmen (IN) und 16,2 % Integrationsmaßnahmen bei psychisch kranken Menschen (IN-PS).

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Es wurden Random-Effects-Logit-Modelle (zufälliger Effekt: Maßnahme) mit den Zielvariab-len Reguläres Maßnahmeende (RME) bzw. Return to Work (RTW) geschätzt. Als Einfluss-faktoren wurden das Alter in 10-Jahresschritten, das Geschlecht (Referenz R: männlich), die Maßnahmeart (R: IN-PS) und das Jahr des Maßnahmeendes (R: 2005) integriert.

Ergebnisse Bei 81,9 % (n = 2.197) wurde eine reguläre Entlassung dokumentiert. Das Alter, das Ge-schlecht und das Jahr der Beendigung übten keinen Einfluss darauf aus. Dagegen wurden signifikant höhere Chancen für ein RME in VQ (OR = 2,64; p = 0,001), TQ (OR = 2,46; p < 0,001) und IN (OR = 1,82; p = 0,006) im Vergleich zu IN-PS ermittelt. Auch die Ab-bruchgründe waren abhängig von der Maßnahmeart. Während gesundheitliche Gründe konstant häufig ca. zwei Drittel aller Abbrüche ausmachten, wurden bei VQ teilnehmerbezo-gene Gründe mit 18,6 % überdurchschnittlich häufig genannt (6,6 % gesamt). Der Abbruch durch Leistungsträger bzw. Übergang in eine andere Maßnahme wurde mit 12,5 % bei IN-PS häufiger als üblich genannt (7,2 % gesamt).

Die Integrationsquote lag bei 43,9 % (n = 1.140). Multivariat konnte ein Effekt des Alters (OR = 0,80; p < 0,001) und des Geschlechts (OR = 0,79; p = 0,012) ermittelt werden, aber kein Effekt der Maßnahmeart. Dagegen zeigte sich, dass Teilnehmer bei Beendigung in 2008 im Vergleich zu 2005 eine höhere Chance des RTW hatten (OR = 1,75; p = 0,008). In den Jahren 2006 und 2007 konnten ebenfalls höhere, allerdings nicht signifikante Chancen ermittelt werden (2006: OR = 1,46; p = 0,073; 2007: OR = 1,49; p = 0,050). Die RTW-Quoten steigen demnach von 36 % (in 2005) über 43 % (2006 und 2007) auf 48 % in 2008. Die Vermittlungshemmnisse sind ebenfalls zeitabhängig. In 2008 überwiegen mit 44,4 % laufende Arbeitsunfähigkeitszeiten (10,6 % in 2005), in 2005 mit 32,7 % ein verschlossener Arbeitsmarkt als Vermittlungshemmnis (3,4 % in 2008).

Diskussion und Schlussfolgerung Die RME- und RTW-Quoten sind als Ergebnisindikatoren verwendbar, jedoch nur einge-schränkt aussagekräftig (Kösters et al., 2007; Radoschewski, Tesmer, 2008). Insbesondere das RTW ist von Kontextfaktoren abhängig (Slesina, Rennert, 2009; Tesmer et al., 2008), wobei hier nur wenige Einflüsse berücksichtigt werden konnten. Insbesondere die Zeit stellt einen klaren kontextbezogenen Effekt der Arbeitsmarktlage dar, was auch die dokumentier-ten Vermittlungshemmnisse bestätigen.

Mit den Integrationsergebnissen freier Bildungsträger (IFBT) aus dem Anerkennungsverfah-ren ist erstmals eine ergebnisorientierte Bewertung der Arbeit freier Bildungsträger möglich. Perspektivisch steht damit ein Instrument bereit, welches bei Steuerungsprozessen verwen-det werden kann, um die Qualität der Leistungserbringung im Bereich beruflicher Bildungs-leistungen weiter zu optimieren.

Literatur Köster, T., Fehr, M., Slesina, W. (2007): Zur Eingliederung von Rehabilitanden in das Er-

werbsleben nach Umschulung in Berufsförderungswerken - ein Prognosemodell. Die Re-habilitation, 46. 258-265.

Radoschewski, M.F., Tesmer, I. (2008): Überarbeitung des Fragebogens zur Zufriedenheit mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Berlin: Projektbericht.

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Slesina, W., Rennert, D. (2009): Prozess- und Ergebnisqualität beruflicher Rehabilitation. Regensburg: S. Roderer Verlag.

Tesmer, I., Radoschewski, F.M., Erbstößer, S., Müller-Fahrnow, W. (2008): Hat die Art be-ruflicher Bildungsmaßnahmen einen Einfluss auf die Wiedereingliederung in das Er-werbsleben? DRV-Schriften, Bd. 77. 259-261.

Ganz andere Rehabilitanden? - Sozialmedizinische und soziodemografische Veränderungen in der

Rehabilitandenstruktur der letzten 10 Jahre

Lindow, B., Naumann, B. Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund Die Ausgestaltung der medizinischen Rehabilitation der Rentenversicherung unterliegt steti-gen Veränderungen. Diese sind nicht nur von der jeweils aktuellen Inanspruchnahme ab-hängig, sondern von vielen weiteren Faktoren, wie dem Verhältnis der Leistungsarten unter-einander, der Verschiebung der Indikationsschwerpunkte oder auch der Form der Leis-tungserbringung. So nimmt nicht nur der Anteil der Anschlussrehabilitationen an den abge-schlossenen medizinischen Rehabilitationsleistungen von 23 % (2002) auf 29 % (2008) kon-tinuierlich zu, vielmehr hat sich gleichzeitig im Vergleich der Indikationen die psychosomati-sche Rehabilitation zum stärksten Indikationsgebiet entwickelt (Korsukéwitz, Rehfeld, 2008, 2007). Wurden hier im Jahre 2002 noch ca. 150.000 Rehabilitationsleistungen durchgeführt, so stieg deren Anzahl im Jahre 2008 auf 162.000. Weiterhin hat sich in diesem Zeitraum ei-ne neue Leistungsform, die ganztägig ambulante Rehabilitation, etabliert. Besonders bei den muskuloskeletalen Erkrankungen hat der Anteil in dieser Form durchgeführter Maß-nahmen innerhalb der Rentenversicherung zwischenzeitlich 17 % (Bundesdurchschnitt) im Jahre 2008 erreicht.

Vor diesem Hintergrund einer stetigen Veränderung wird häufig diskutiert, dass sich zwi-schenzeitlich auch ganz andere Rehabilitanden in den Rehabilitationseinrichtungen befinden und damit auch der Versorgungsaufwand aufgrund der veränderten Anforderungen gestie-gen sei (Korsukéwitz et al., 2002).

Die Rentenversicherung verfügt über eine große Zahl sozialmedizinischer und soziodemo-grafischer Daten ihrer Rehabilitanden, anhand derer Veränderungen der Rehabilitanden-struktur im zeitlichen Verlauf überprüft werden können (Rehfeld, Bütefisch, 1999, 1996). Diese Angaben entstammen einerseits der ärztlichen Entlassungsdokumentation und dar-über hinaus aus Versicherungs- und Berentungsdaten, die in einer umfangreichen Reha-Statistik Datenbasis (RSD) zusammengeführt werden.

Fragestellung und Methode Entsprechend der Bedeutung dieser Diskussion wird die Veränderung zentraler sozialmedi-zinischer und soziodemografischer Parameter der Rehabilitanden über einen Zeitraum von 10 Jahren untersucht. Dargestellt wird die größte Rehabilitandengruppe aus dem Indikati-

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onsgebiet muskuloskeletale Erkrankungen. Hierbei handelt es sich um Rehabilitanden mit chronischen Rückenbeschwerden entsprechend den Diagnosen M 40 - M 54 nach ICD-10-GM. Berücksichtigt werden ausschließlich Maßnahmen, die im Antragsverfahren durchge-führt wurden (n = 1.685.250). Untersucht werden sowohl soziodemografische Merkmale wie Alter und Geschlecht sowie Stellung im Beruf als auch Parameter, die möglicherweise Rückschlüsse auf die Krankheitsschwere zulassen. Dazu gehören Arbeitsunfähigkeitszeiten vor der Rehabilitation, spezifische Empfehlungen für nachfolgende Maßnahmen oder auch aus der zum Abschluss der Rehabilitation vorgenommenen sozialmedizinischen Leistungs-beurteilung.

Ergebnisse Der Anteil der weiblichen Rehabilitanden hat im Zeitraum von 1999 bis 2008 in dieser Diag-nosegruppe gering zugenommen. Lag der prozentuale Anteil 1999 noch bei 45 %, so waren es 2008 49 %. Eine Verlagerung in höhere Altersgruppen ist nicht festzustellen. 1999 waren in der Altersgruppe von 50 bis 59 Jahren bei den Frauen 52 % vertreten und bei den Män-nern 46 %. Dieser Anteil ist im Jahre 2008 mit 49 % bzw. 45 % nahezu unverändert. Eben-falls lassen sich keine wesentlichen Veränderungen bei der sozialmedizinischen Leistungs-beurteilung feststellen. Bezüglich des allgemeinen Arbeitsmarktes wurden im Jahre 1999 97 % der sozialmedizinisch beurteilten Rehabilitanden mit vollschichtigem Leistungsvermö-gen entlassen. Im Jahre 2008 waren es 98 %. Darstellbare Veränderungen finden sich im Bereich der unterschiedlichen Empfehlungen für nachfolgende Leistungen (Nachsorge, Psychotherapie etc.). Hier haben sich allerdings im untersuchten Zeitraum das Leistungs-spektrum und die Inhalte zumindest partiell verändert. Gravierende, auf die Schwere der Er-krankungen hinweisende Merkmale, wie die Empfehlung zur Prüfung einer nachfolgenden beruflichen Rehabilitation, liegen konstant bei einem Anteil von 8 %.

Diskussion Die Ergebnisse der Auswertungen werden anhand ausgewählter Parameter diskutiert. Es wird geprüft, inwieweit Veränderungen auf unterschiedliche Rahmenbedingungen zurückzu-führen oder tatsächlich Ausdruck einer Veränderung der Rehabilitanden sind. Zusammen-fassend ist die Rehabilitandenstruktur im untersuchten Zeitraum überraschend stabil. Hin-weise auf gravierende, den Versorgungsaufwand deutlich vergrößernde Veränderungen lassen sich mit den ausgewählten Parametern nicht darstellen.

Literatur Korsukéwitz, C., Rehfeld, U. (2008): Rehabilitation und Erwerbsminderungsrenten - aktueller

Stand und Entwicklungen. RVaktuell, 55, H. 9. 274-284. Korsukéwitz, C., Rehfeld, U. (2007): Aktueller Stand und Perspektive der medizinischen und

beruflichen Rehabilitation der Rentenversicherung. RVaktuell, 54, H. 11. 379-385. Korsukéwitz, C., Klosterhuis, H., Nischan, P. (2002): Hat sich die Struktur der BfA-Reha-

bilitanden seit 1990 verändert? Neue Herausforderungen für die Praxis der Rehabilitati-on? DRV-Schriften, Bd. 33. 98-99.

Rehfeld, U., Bütefisch, T. (1999): Medizinische Rehabilitation - Quantitative Entwicklungen und Strukturveränderungen in Vergangenheit und Zukunft. Die Rehabilitation, Suppl. 2, 38. 93-99.

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Rehfeld, U., Bütefisch, T. (1996): Rehabilitation: Rückgang im Westen - gebremster Zu-wachs im Osten. Zur Entwicklung von Fallzahlen, Strukturen und Kosten. Deutsche Ren-tenversicherung, H. 10/11. 734-751.

Prozessevaluation der integrativen Patientenschulung zur Optimierung der stationären Rehabilitation bei chronischem Rückenschmerz

Nienaber, J. (1), Zamora, R. (1), Buchmann, J. (2), Meng, K. (2), Hofmann, J. (1), Pfeifer, K. (1)

(1) Institut für Sportwissenschaft und Sport, Universität Erlangen-Nürnberg, (2) Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie, Universität Würzburg

Hintergrund Im Rahmen einer multizentrischen, prospektiven Kontrollgruppenstudie zur Optimierung der stationären Rehabilitation bei chronischem Rückenschmerz, gefördert durch BMBF und DRV Bund im Förderschwerpunkt "Chronische Krankheiten und Patientenorientierung", wurde ein interdisziplinäres multimodales Rehabilitationsprogramm (Patientenschulung für die stationäre Rehabilitation zur Optimierung von Rückenschmerzen - PASTOR) in vier Re-habilitationskliniken implementiert. Ziel der vorliegenden Studie war es, die Implementierung und die Umsetzung von PASTOR in den vier Einrichtungen prozessbegleitend zu evaluie-ren, um Schwierigkeiten bei der Implementierung aufzudecken und die Akzeptanz bei Ärz-ten und Therapeuten sowie bei Patienten zu erfassen. Dieses Vorgehen diente einerseits der Optimierung der Programmimplementierung in den vier Kliniken und verbessert ande-rerseits die Möglichkeiten zur Analyse und Interpretation der im Rahmen der summativen Evaluation erhobenen Daten (vgl. Fröhlich et al., 2008; Brandes et al., 2008).

Methodik und Stichprobe Die Prozessevaluation erfolgt, analog zur mehrstufigen Programmimplementierung (1. Schulungsphase, 2. Implementierungsphase, 3. Studienphase) in drei aufeinanderfol-genden Zeiträumen (EVA I, II, III). Zur Datenerhebung wurden quantitative und qualitative Verfahren verwendet. Die Stichproben bestehen je nach Zielbereich aus Mitgliedern des Reha-Teams oder den Rehabilitanden.

EVA I: Im Rahmen der Schulungen des Reha-Teams wurden die Zufriedenheit mit den Schulungen sowie Bedenken bezüglich der Umsetzung des Projektes durch Fra-gebogen und teilnehmende Beobachtung erhoben.

EVA II: In der Implementierungsphase wurden die Akzeptanz im Reha-Team (Motivation, Bereitschaft für Veränderungen, Arbeitszufriedenheit, Programmbewertung) und Schwierigkeiten in der Umsetzung mit leitfadengestützten Interviews erfasst. Die Überprüfung der Treatmentintegrität erfolgte durch teilnehmende Beobachtung. Die Programmakzeptanz auf Seiten der Patienten (Programmzufriedenheit, Zieler-reichung, Reaktion auf veränderten Umgang mit Rückenschmerzen) wurde durch Fragebogen erhoben. Elf der hier verwendeten Fragebogenitems wurden mittels explorativer Faktorenanalyse zu einem Faktor "Akzeptanz" aggregiert.

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EVA III: Die in EVA II erhobenen VariabIen wurden in der Studienphase erneut erfasst.

Exemplarisch werden hier Daten zur Programmakzeptanz auf Seiten der Rehabilitanden in EVA II und EVA III dargestellt.

Ergebnisse In vier Kliniken wurden in EVA II und EVA III insgesamt 126 Rehabilitanden jeweils zum Re-ha-Ende nach ihrer Programmakzeptanz befragt (Tab. 1). Die Größe der jeweils erhobenen Stichproben unterscheidet sich dabei in Abhängigkeit von klinikspezifischen Bedingungen (Anzahl Gruppen, Patientenzuweisungen, Programmbeginn). In Bezug auf den Faktor Ak-zeptanz ergaben sich in EVA II gute bis mäßige (M=1,52-3,52) und in EVA III insgesamt gu-te Bewertungen (M=1,5-1,79).

Die Gruppengröße (8-12 Personen) wurde in allen Einrichtungen als angemessen empfun-den. Die Programminhalte wurden seitens der Patienten in EVA II als relativ theorielastig wahrgenommen (M=1,67-2,81), jene Wahrnehmung relativierte sich in EVA III (M=3,31-4,01).

Klinik 1 Items Klinik 2 EVA II (n = 9) EVA III (n = 35) EVA II (n = 31) EVA III (n = 12) M (SD) M (SD) M (SD) M (SD)

2,02 (0,61) 1,79 (0,75) Faktor Akzeptanz1 2,08 (0,50) 1,50 (0,38) 4,93 (1,41) 4,75 (0,78) Gruppengröße2 4,88 (1,09) 5,05 (1,62) 2,81 (1,40) 3,31 (1,57) Verhältnis Theorie und Praxis3 2,47 (1,77) 3,20 (1,90)

3,52 (0,70) Faktor Akzeptanz1 1,52 (0,39) 1,69 (0,43) 4,93 (0,12) Gruppengröße2 4,85 (0,30) 4,65 (0,58) 1,90 (0,54) Verhältnis Theorie und Praxis3 1,68 (2,77) 4,01 (0,92)

M (SD) M (SD) Items M (SD) M (SD) EVA II (n = 8) EVA III EVA II (n = 6) EVA III (n = 25)

Klinik 3 Klinik 4

Tab. 1: Programmakzeptanz in EVA II und EVA III auf Seiten der Patienten

Diskussion und Ausblick Die hier exemplarisch vorgestellten Daten zeigen Veränderungen der Programmakzeptanz auf Seiten der Rehabilitanden zwischen EVA II und EVA III. Jene können, bei allerdings ein-geschränkter Vergleichbarkeit (Stichprobengrößen, Erhebungszeiträume), auf eine vermehr-te Routine des Reha-Teams im Umgang mit dem Reha-Programm und den zur Verfügung gestellten Manualen und Medien sowie auf eine Veränderung im Umgang mit der Vermitt-lung von Wissensinhalten innerhalb der multimodalen Intervention (z. B. Reduktion von Re-dundanzen, Abklärung der Rollenverteilung im Reha-Team) zurückgeführt werden. Aus den im Rahmen der prozessbegleitenden Evaluation erhobenen Daten können Informationen zum Erfolg der Programmimplementierung, zum Vergleich der Programmumsetzung in den vier beteiligten Rehabilitationskliniken und zur Interpretation der Ergebnisevaluation gewon-nen werden.

Literatur Brandes, I., Bönisch, A., de Vries, U., Ehlebracht-König, I., Petermann, F., Krauth, C.

(2008): Modellhafte Einführung von Patientenschulungsprogrammen in der Rehabilitation - Vergleich der Ergebnisse aus Pneumologie und Rheumatologie unter Berücksichtigung

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ökonomischer Aspekte. Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin, 18. 344-348.

Fröhlich, S.M., Niemeyer, R.. Greitemann, B. (2008): Integriertes orthopädisch-psychoso-matisches Konzept. Umsetzung, Replikation und Transfer "RUM-Projekt" Unveröffent-lichter Abschlussbericht.

Migration und rehabilitative Versorgung in Deutschland: Versorgungsqualität aus der Sicht von türkischen Rehabilitanden

und Klinikmitarbeitern

Yilmaz-Aslan, Y., Reutin, B., Razum, O., Schott, T. Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld

Einleitung Erste Ergebnisse in der Literatur zeigen eine steigende Zahl der türkischen Rehabilitanden in den Rehabilitationseinrichtungen und zugleich einen deutlich geringeren Rehabilitations-erfolg (Meier et al., 2008; Lampert et al., 2005). Die Gründe für diesen geringeren Rehabili-tationserfolg sind unklar. Bislang wird davon ausgegangen, dass sprachliche und kulturelle Besonderheiten sowohl Einfluss auf die Inanspruchnahme von gesundheitlichen Leistungen insgesamt als auch auf die Kommunikation und Interaktion während des Behandlungspro-zesses nehmen. Die Berichte aus dem Akutversorgungsbereich verdeutlichen den dringen-den Handlungsbedarf, eine optimale Versorgung dieser Bevölkerungsgruppe auch im Sys-tem der medizinischen Rehabilitation zu ermöglichen. Daher werden im Rahmen einer von der Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften NRW geförderten Studie die Probleme in der Rehabilitation und mögliche Gründe für den geringen Rehabilitationserfolg bei Migranten erforscht.

Methoden In einem qualitativen Untersuchungsdesign wurden mittels Experteninterviews und Fokus-gruppen die Probleme aus Sicht der beteiligten Therapeuten und Rehabilitanden diskutiert. Die Themenfelder, die besprochen wurden, sind Barrieren durch Sprache, Kultur, sozialen Status, Kommunikation, Interaktion, subjektive Erwartungen an die Rehabilitation, Inan-spruchnahme von Leistungen sowie Problemlösungsstrategien. Für die Experteninterviews wurde ein teilstrukturierter Leitfaden erstellt. In den Fokusgruppen wurden die Themenfelder in einer erzählgenerierenden Interviewform diskutiert. Die aufgenommenen Gespräche wer-den mit Hilfe der zusammenfassenden Inhaltsanalyse ausgewertet. Es wurden 10 Experten-interviews mit Health Professionals (u. a. Ärzte, Therapeuten, Ernährungs- und Sozialbera-ter) aus verschiedenen Rehabilitationseinrichtungen durchgeführt. Für die Befragung der türkischen Rehabilitanden wurden in Kooperation mit 5 verschiedenen Rehabilitationsein-richtungen während einer medizinischen Rehabilitation 6 Fokusgruppen durchgeführt.

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Ergebnisse Die Ergebnisse der Experteninterviews zeigen, dass Sprachbarrieren und kulturelle Barrie-ren als Probleme eine wichtige Rolle im Rehabilitationsprozess spielen. Aus der Sicht des Klinikpersonals erschweren beispielsweise die sprachlichen Probleme die Aufklärung über die medizinischen Eingriffe. Die kulturellen Besonderheiten werden von dem Personal in Be-reich Schmerzäußerungen, Ursachenbeschreibungen und Krankheitsbewältigung festge-stellt (Schott et al., 2009).

In den Fokusgruppen mit türkischen Rehabilitanden wurden die Zugangsbarrieren zur medi-zinischen rehabilitativen Versorgung wie Informationsdefizite, sprachliche und kulturspezifi-sche Barrieren deutlich. Weiterhin erschweren diese Barrieren auch die Versorgungsqualität bzw. den Rehabilitationserfolg dieser Migrationsgruppe in den Rehabilitationseinrichtungen. Vor allem gefährden aufgrund kultureller Unterschiede entstehende Missverständnisse die Arzt-Patienten-Beziehungen. Es lässt sich festhalten, dass einige Angebote innerhalb der Rehabilitationseinrichtung nicht zu den Lebensgewohnheiten türkischer Rehabilitanden pas-sen. Weitere Problembereiche deuten darauf hin, dass das geringe Bildungsniveau der Re-habilitanden und die fehlende interkulturelle Kompetenz des Klinikpersonals Einfluss auf den Rehabilitationsprozess haben. Die Bedürfnisse der Menschen mit Migrationshintergrund fin-den nur zum Teil im Rehabilitationsalltag der Kliniken Berücksichtigung. Die speziellen An-gebote, die sprachliche Probleme und kulturelle Besonderheiten zum Gegenstand haben, z. B. muttersprachliche Schulungen haben für Menschen mit Migrationshintergrund einen positiven Effekt auf ihre subjektive wahrgenommene Wirksamkeit der Rehabilitationsmaß-nahmen.

Diskussion Auf Basis der aktuellen Ergebnisse stellt sich die Frage, welche Maßnahmen bzw. Struktu-ren in der rehabilitativen Versorgungsbedarf notwendig sind, um eine optimale Versorgung dieser benachteiligten Bevölkerungsgruppen im System der medizinischen Rehabilitation zu ermöglichen. Besonders ist hier von Bedeutung, die migrationsspezifischen Bedürfnisse in patientenorientierte Konzepte zu integrieren. Die gewonnenen Erkenntnisse bieten eine grundlegende Basis für die Entwicklung praxisorientierter Handlungsstrategien, um die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der medizinischen Rehabilitationsmaßnamen bei Menschen mit Migrationshintergrund zu verbessern.

Literatur Lampert, T., Saß, A.C., Häfelinger, M., Ziese, T. (2005): Armut, soziale Ungleichheit und

Gesundheit. Expertise des Robert Koch-Institut (Hrsg.) im Auftrag des Bundesministeri-ums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Berlin: Saladruck.

Maier, C., Razum, O., Schott, T. (2008): Medizinische Rehabilitation und Behandlungserfolg bei Patienten mit türkischem Migrationshintergrund. In: Muthny, F.A., Bermejo, I. (Hrsg.): Interkulturelle Medizin. Laientheorien, Psychosomatik und Migrationsfolgen. Köln: Deut-scher Ärzteverlag.

Schott, T., Reutin, B., Yilmaz, Y., Brause, M., Spallek, J., Razum, O. (2009): Migration und rehabilitative Versorgung in Deutschland - Versorgungsbedarf und subjetive Bedürfnisse türkischer und türkischstämmiger Migranten im System der medizinischen Rehabilitation. DRV-Schriften, Bd. 83. 181-183.

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Ergebnisqualität

SCL-90-R, BSI oder BSI-18? - Erfassung der psychischen Beeinträchtigung in der somatischen Rehabilitation als Mittel

der Ergebnisqualität

Jäger, S., Franke, G.H. Hochschule Magdeburg-Stendal (FH)

Einleitung Gemäß § 135ff SGB V sind medizinische Einrichtungen und Erbringer rehabilitativer Leis-tungen zur Qualitätssicherung verpflichtet. Der Gesetzgeber fordert in diesem Rahmen ex-plizit die Erfassung der Ergebnisqualität. Während Strukturqualität die allgemeinen Voraus-setzungen wie personale und technische Ausstattung zusammenfasst und die Prozessquali-tät neben der Therapieplanung und Verlaufskontrolle die Diagnostik umfasst, sind unter Er-gebnisqualität die Behandlungsergebnisse zu fassen. Im Rahmen der Ergebnisqualität sind folgende Fragen zu beantworten: (1) Ist eine Besserung/Heilung eingetreten? (2) Wie hat sich die (psychische) Verfassung des Patienten verändert? (3) Wie steht es mit der Lebens-qualität und der Zufriedenheit? (Badura, 2002; Nübling et al., 2007).

Zur Erfassung der Ergebnisqualität sind änderungssensitive, ökonomische, reliable und va-lide Instrumente notwendig, die zu mehreren Zeitpunkten der Behandlung eingesetzt wer-den.

Für den Erfolg einer somatischen Rehabilitationsmaßnahme spielt die psychische Verfas-sung des Patienten eine Rolle (Barth et al., 2005; Härter, 2002; Schwarz et al., 2008). Das Vorliegen komorbider psychischer Störungen wie z. B. Angststörungen oder Depressivität sollte dabei durch geeignete Screening-Instrumente zur Erfassung der psychischen Belas-tung validiert werden.

Methode Mit diesem Beitrag wird der Nutzen der SCL-90-R (Franke, 2002), des BSI (Franke, 2000) und des BSI-18 (Franke et al., in Druck) zur Erfassung der subjektiven psychischen Belas-tung einer Person im Rahmen einer somatischen Rehabilitationsmaßnahme diskutiert. Die SCL-90-R erfasst die psychische Belastung über 90 Items, die neun Skalen (Somatisierung, Zwanghaftigkeit, Unsicherheit im Sozialkontakt, Depressivität, Ängstlichkeit, Aggressivität/ Feindseligkeit, Phobische Angst, Paranoides Denken und Psychotizismus) und drei globalen Kennwerten (GSI=generelle psychische Belastung; PSDI=Antwortintensität; PST=Anzahl der Symptome mit Belastung) zugeordnet werden. Das BSI stellt die Kurzform der SCL-90-R dar und ist lediglich in der Itemanzahl - auf 53 - reduziert. Mit dem BSI-18 liegt ein 18 Items umfassendes Instrument zur Erfassung der Skalen Somatisierung, Depressivität und Ängstlichkeit sowie der generellen psychischen Belastung vor.

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Ergebnisse Vorteile und Nachteile der drei Versionen werden anhand psychometrischer Analysen der Reliabilität und Validität in der Normierungsstichprobe der SCL-90-R sowie durch Ergebnis-se aus Anwendungsstudien verschiedener Bereiche der somatischen Rehabilitation und der medizinischen Psychologie dargestellt (exemplarisch: Franke et al., in Druck).

Diskussion Die psychische Verfassung des Patienten sollte innerhalb der somatischen Rehabilitation stets routinemäßig für alle Patienten geprüft werden - der Einsatz des BSI-18 bietet sich da-bei auf Grund seiner Kürze besonders an. Für die Anwendung in der Praxis ist für die Ein-zelauswertung jedoch stets inhaltlich zu prüfen, ob das Instrument als Screening oder zur Analyse der Skalen eingesetzt werden soll. Im Rahmen der Sicherung der Ergebnisqualität ist eine Kurzversion (BSI oder BSI-18, je nach Indikation) in Kombination mit anderen psy-chometrischen Instrumenten z. B. zur Erfassung der (krankheitsspezifischen) Lebensqualität sowie der sozialen Unterstützung zweckmäßig. Für umfangreichere Untersuchungen oder den Einsatz bei Patienten der psychosomatischen Rehabilitation sollte stattdessen auf die SCL-90-R zurückgegriffen werden.

Literatur Badura, B. (2002): Evaluation und Qualitätsberichterstattung im Gesundheitswesen - Was

soll bewertet werden und mit welchen Maßstäben? In: Badura, B., Siegrist, J. (Hrsg.): Evaluation im Gesundheitswesen: Ansätze und Ergebnisse (2. Auflage). Weinheim: Ju-venta. 15-42.

Barth, J., Härter, M., Paul, J., Bengel, J. (2005): Behandlung von Patienten mit koronarer Herzkrankheit und komorbider Depression in der Rehabilitation. Psychotherapie und me-dizinische Psychologie, 55. 416-424.

Franke, G.H. (2000): Brief Symptom Inventory von L. R. Derogatis (Kurzform der SCL-90-R) - deutsche Version. Göttingen: Beltz Test.

Franke, G.H. (2002): Symptom-Checkliste von L.R. Derogatis (SCL-90-R) - deutsche Versi-on. Göttingen: Beltz Test.

Franke, G.H., Jäger, S., Morfeld, M., Salewski, C., Reimer, J., Rensing, A., Witzke, O., Türk, T. (in Druck): Eignet sich das BSI-18 zur Erfassung der psychischen Belastung von nierentransplantierten Patienten? Zeitschrift für Medizinische Psychologie.

Härter, M. (2002): Ätiologie psychischer Störungen bei chronischen körperlichen Erkrankun-gen. Rehabilitation, 41. 357-366.

Nübling, R., Steffanowski, A., Körner, M., Rundel, M., Kohl, C., Löschmann, D., Schmidt, J. (2007): Kontinuierliche Patientenbefragung als Instrument für das interne Qualitätsmana-gement in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung. Gesundheitsökonomie & Quali-tätsmanagement, 12. 44-50.

Schwarz, S., Mangels, M., Sohr, G., Holme, M., Worringen, U., Rief, W. (2008): Patienten mit vs. ohne psychische Störung in der orthopädischen Rehabilitation. Schmerz, 22. 67-74.

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Veränderungsmessung bei DRV-Patienten in der stationären psychosomatischen Rehabilitation über 15 Jahre

Mestel, R., von Wahlert, J. HELIOS Klinik Bad Grönenbach

Hintergrund Es wurde untersucht, ob sich über einen Zeitraum von 15 Jahren (1993-2008), in dem die Behandlungsdauer von durchschnittlich 105 Tagen auf 47 Tage sank, die Wirksamkeit der Behandlung für DRV-Patienten und deren Behandlungszufriedenheit verändert hat. Zwei-tens wurde geprüft, ob DRV-Regionalträger-Patienten in vergleichbarer Weise von der Be-handlung profitierten wie DRV Bund-Patienten.

Methoden Die Stichprobe bestand aus 8.210 Patienten der DRV Bund (ehemals BfA: 84 %) oder DRV-Regionalträger (ehemals LVA: 16 %). 75,3 % der Patienten waren weiblich, das mittlere Al-ter betrug 38 Jahre (SD: 9,7), 55 % waren ledig, 22,2 % verheiratet. 40,4 % wiesen als Hauptdiagnosen Depressionen auf, 24 % Persönlichkeitsstörungen, 12 % Essstörungen. 86,3 % beendeten die Behandlung regulär. Die durchschnittliche Behandlungsdauer betrug 57,8 Tage (SD: 25,8).

Die Behandlungswirksamkeit wurde über Therapeutenurteile (Beeinträchtigungs-Schwere-Score, BSS, prä und post; PSY-Bado-PTM Veränderungitems) (Heymann et al., 2003) und Patientenratings abgebildet: SCL-90-R Symptomcheckliste; Beck Depressions Inventar (BDI); ZUF-8 Zufriedenheitsfragebogen mit der Behandlung; Inventar Interpersoneller Prob-leme; Veränderungsfragebogen des Erlebens und Verhaltens; Strukturanalyse Sozialen Verhaltens SASB Introjekt.

Ergebnisse Es ergaben sich nur sehr wenige signifikante Unterschiede zwischen den Jahrgängen über die abhängigen Variablen. Die BSS prä-post Differenz fiel 2005 deutlich geringer aus, was mit einer klinikinternen Modifikation erklärt werden kann (Körpermediziner beurteilten zu diesem Zeitpunkt die körperliche Beeinträchtigungsschwere, was zu deutlich geringeren Werten führte). Die Selbstakzeptanz (SASB Introjekt) verbesserte sich 1996 noch deutlich stärker wie 2007 oder 2008. Im Vergleich zwischen DRV Bund und DRV Regionalträger er-gab sich nur ein Unterschied: DRV Bund-Patienten besserten sich aus Therapeutensicht über die Jahre stärker bei der Beeinträchtigungsschwere (BSS). Im Selbsturteil der Patien-ten profitierten beide Gruppen gleich stark.

Literatur Von Heymann, F., Zaudig, M., Tritt, K. (2003): Die diagnosebezogene Behandlungsdauer in

der Psychosomatischen und Psychotherapeutischen Medizin: Eine homogene Größe? Erste Ergebnisse der Multicenter-Basisdokumentation (Psy-BaDo-PTM) als Grundlage qualitätssichernder Maßnahmen in der stationären Psychosomatik. Praxis Klinische Ver-haltensmedizin und Rehabilitation, 62. 209-221.

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Kontinuierliche Patientenbefragungen - Ein Königsweg für Qualitätsverbesserungen in der medizinischen Rehabilitation?!

Nübling, R. (1), Rieger, J. (2), Steffanowski, A. (1), Kriz, D. (1), Schmidt, J. (1) (1) GfQG, Karlsruhe, (2) Paracelsus-Kliniken Deutschland GmbH, Osnabrück

Hintergrund Kontinuierliche Patientenbefragungen dienen als Grundlage zur Evaluation und Steuerung von qualitätsrelevanten Prozessen in allen Bereichen des Gesundheitswesens. Sie können auch als Teil einer stärkeren Partizipation und aktiven Einbindung der Patienten in eine Be-handlung gesehen werden. Als Routinemonitoring sind sie als interne Befragung fester Be-standteil des Qualitätsmanagements von Rehabilitationskliniken, als externe Befragung Teil der Qualitätssicherungs-Programme der DRV oder der GKV.

Methodik Ein auf der Grundlage des Patientenfragebogens des DRV-QS-Programms entwickeltes Routineinstrument wird seit Anfang 2005 u. a. in elf Rehabilitationskliniken der Paracelsus-Gruppe routinemäßig eingesetzt (Vollerhebung). Es umfasst Skalen u. a. zur ärztlichen, psychologischen und pflegebezogenen Versorgung sowie einen klinikspezifischen Teil zu den durchgeführten Behandlungsmaßnahmen. Die ursprüngliche Version des Fragebogens ist testmethodisch hinsichtlich seiner Gütekriterien überprüft (Müller-Fahrnow et al., 2005; Spyra et al., 2006) und wird in den Klinken kurz vor Entlassung an jeden behandelten Re-habilitanden ausgegeben. Im Frühjahr 2008 wurde der Fragebogen an den neuen DRV-Bogen angepasst und ab Juli 2008 eingesetzt. Integriert in den Bogen ist der Kurzfragebo-gen zur Messung der Patientenzufriedenheit (ZUF-8, Schmidt, 2008, Kriz et al., 2008). Die Form der quartalsbezogenen Routinerückmeldungen wurde bereits beschrieben (Nübling et al., 2007, 2008).

Ergebnisse Grundlage für die vorliegende Analyse ist eine Teilstichprobe von n = 17.227 Patienten, die zwischen Juli 2008 und September 2009 behandelt wurden und bei denen der revidierte Fragebogen erhoben wurde. Der Gesamtdatensatz seit 2005 umfasst inzwischen ca. 80.000 Patienten. Die Rücklaufquote stieg in diesem Zeitraum kontinuierlich und liegt inzwischen über alle Kliniken bei fast 80 %. Kurz einige Stichprobenmerkmale: 66 % Frauen; Alters-schnitt 59,7 Jahre (S = 12,9); Erwerbsstatus: 41 % berufstätig 45 % berentet, 8 % arbeitslos; Schulabschluss: 37 % Haupt-, 30 % Realschule, 26 % FHR/Abitur; Diagnosehauptgruppen: 21 % Orthopädie, 6 % Kardiologie, 51 % Onkologie, 20 % (oder 17 % ohne VMR) Psycho-somatik/Sucht.

Die Skalenmittelwerte lagen für die hier betrachtete Teilstichprobe zwischen 1,6 (S = 0,8) für die Skala "Pflegerische Betreuung" und 2,6 (S = 1,2) für die Skala "Nachsorgevorbereitung" der Multiple Qualitätsindex, ein gewichteter Index über alle erfassten Qualitätsmerkmale bei 1,9 (S = 0,5, bei einem Range von 1 = positiv bis 5 = negativ). Unterschiede zeigen sich u. a. bezüglich der Indikation (Psychosomatik schlechter) und hinsichtlich dem Alter (jüngere Patienten schlechter). Mit Verlaufsdarstellungen der einzelnen Qualitätsparameter kann die Wirksamkeit eingeleiteter Verbesserungsmaßnahmen dokumentiert werden. Abbildung 1

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zeigt beispielhaft die Entwicklung des Skalenmittelwertes einer Klinik im - bereits seit 2005 erfassten - wichtigen Bereich "Rehabilitationsthemen" (Skala mit Variablen "Absprache bzgl. Reha-Ziele", "Abstimmung Behandlungen zur Zielerreichung" und "Anregung zur Auseinan-dersetzung mit Krankheitsfolgen"; Cronbach’s Alpha = 0.87; mittlere Itemtrennschärfe rit = 0.71). Der Verlauf zeigt nach Umsetzung von qualitätsverbessernden Maßnahmen (Op-timierung der Prozesse "Zielbestimmung" und "Abstimmung der Behandlung") Mitte 2008 einen deutlichen Trend nach oben. Der Vergleich zwischen Kliniken im Rahmen eines trä-gerinternen Benchmarkings ergibt eine (statistisch bedeutsame) Variabilität der Skalenmit-telwerte.

Abb. 1: Entwicklung des Skalenmittelwertes einer Klinik im Bereich "Rehabilitationsthemen"

Diskussion Die hier vorgestellte Patientenbefragung versteht sich als Ergänzung zu den periodisch ex-ternen Befragungen durch die Rentenversicherung oder die Gesetzlichen Krankenkassen. Sie stellt, da über viele Jahre testmethodisch entwickelt und optimiert, auch eine Alternative zu den vielen, sehr verbreiteten, oft "selbstgestrickten" In-House-Befragungen dar. Die Schnittstellen zu den externen Befragungen ermöglichen u. a. Vergleiche zu den nur in klei-neren Stichproben erfassten Qualitätsmerkmalen. Vor allem aber sind durch die schnelle Verfügbarkeit der Ergebnisse (3-4 Wochen (!) nach Quartalsende) sowie durch die kontinu-ierlichen Verlaufsdarstellungen deutlich gezielter und schneller Qualitätsverbesserungen möglich. Durch das Konzept einer Vollerhebung ist darüber hinaus eine hohe Generalisier-barkeit der Erhebungen gewährleitet. Eine Beteiligungsquote von z. T. deutlich über 80 % aller behandelten Patienten ist hierfür Grundlage.

Schlussfolgerung Patientenbefragungen sollten nicht nur überall in der Rehabilitation integriert sein, sie sollten auch bestimmten methodischen (Mindest-)Anforderungen genügen. Hierzu gehört neben der fundierten testmethodischen Entwicklung eine ausreichende Evaluation des Instrumen-tes. Darüber hinaus müssen die Ergebnisse, sollen sie wirklich in das interne QM einmün-den, wie das in den Konzepten der QS-Programme steht, zeitnah an die Kliniken rückge-

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meldet werden. Patientenbefragungen dieser Art können einen ausgesprochen wichtigen Beitrag leisten zu Qualitätsverbesserungen in der Rehabilitation, weshalb sie durchaus auch als "Königsweg" gesehen werden können.

Literatur Kriz, D., Nübling, R., Steffanowski, A., Wittmann, W.W., Schmidt, J. (2008): Patientenzufrie-

denheit in der stationären medizinischen Rehabilitation: Psychometrische Prüfung des ZUF-8. Zeitschrift für Medizinische Psychologie, 17. 67-79.

Müller-Fahrnow, W., Spyra, K., Erhart, M. (2005): Neuer Patientenfragebogen für das inter-ne Qualitätsmanagement der Paracelsus-Kliniken - testtheoretische Ergebnisse für ein in-tern einsetzbares Komplement zu den externen Inventaren. DRV-Schriften, Bd. 59. 66-69.

Nübling, R., Körner, M., Steffanowski, A., Rundel, M., Kohl, C.F.R., Löschmann, C., Schmidt, J. (2007): Kontinuierliche Patientenbefragung als Instrument für das interne Qualitätsmanagement in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung. Gesundheitsökono-mie und Qualitätsmanagement, 12. 44-50.

Nübling, R., Kriz, D., Steffanowski, A., Schmidt, J. (2008): Patientenbefragung. Routinemo-nitoring - Benchmarking - Klinikvergleiche. Internetpublikation unter http://www.gfqg.de/ gfqg_patientenbefragung.pdf.

Schmidt, J. (2008): Fragebogen zur Messung der Patientenzufriedenheit -ZUF-8. In: Ben-gel, J., Wirtz, M., Zwingmann, C. (Hrsg.): Diagnostische Verfahren in der Rehabilitation. Göttingen, Hogrefe. 255-258.

Spyra, K., Erhart, M., Müller-Fahrnow, W., Rieger, J. (2006): Das KlinikSpezifische Patien-tenInventar zur Beurteilung der Leistungen der somatischen und psychosomati-schen/Sucht-Rehabilitation (KSPI-SO/PS). Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Re-habilitation, 71. 47-6.

Externe Qualitätssicherung in stationären Einrichtungen der Vorsorge und Rehabilitation für Mütter, Väter und Kinder: Einrichtungsvergleichende Analysen von

Parametern der Ergebnisqualität

Lukasczik, M., Gerlich, C., Musekamp, G., Heide, M., Schuler, M., Neuderth, S., Vogel, H. Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie, Universität Würzburg

Hintergrund Stationäre Rehabilitations- und Vorsorgemaßnahmen für Mütter und Väter (einschl. Mutter-/Vater-Kind-Maßnahmen) gemäß §§ 24, 41 SGB V sind neben der medizinischen Behand-lung auf die Bedürfnisse von Eltern mit psychosozialen, funktionellen und somatischen Be-lastungen und Beeinträchtigungen ausgerichtet. Häufige Stressoren sind u. a. Rollenkonflik-te, Erziehungsprobleme und ökonomische Belastungen (z. B. Byron, 2005; Gabriel, Boden-mann, 2006; Morris, Levine Coley, 2004), die in speziellen Subgruppen, etwa bei Alleiner-ziehenden, differenziell ausgeprägt sind (z. B. Cooper et al., 2008). Vorsorge- und Rehabili-

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tationsmaßnahmen beziehen dementsprechend die Mutter- bzw. Vater-Kind-Beziehung, psychosoziale Problemsituationen von Familien sowie frauenspezifische Faktoren, welche durch interaktions- und geschlechtsorientierte Angebote berücksichtigt werden, als relevante Kontextfaktoren ein. Für diesen im internationalen Vergleich einzigartigen Versorgungsbe-reich existierten bislang noch keine Programme zur externen einrichtungsvergleichenden Qualitätssicherung, wie sie seitens des Gesetzgebers gefordert werden. Im Rahmen von zwei Entwicklungsprojekten (Auftraggeber: Verbände der Krankenkassen auf Bundesebene) wurden daher Verfahren erprobt, die eine methodisch befriedigende Dokumentation der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität ermöglichen sollten. Ziel der Qualitätssicherungs-programme der GKV ist die vergleichende Darstellung der Qualitätsparameter. Auf der Ebe-ne der Ergebnisqualität wurden hierfür einrichtungsvergleichende Analysen anhand von va-liden Outcomeparametern durchgeführt.

Methode Auf der Basis umfangreicher Literaturrecherchen und unter Bezugnahme auf das Modell der funktionalen Gesundheit (ICF) wurden relevante Outcomeparameter für die Versorgungsbe-reiche Vorsorge und Rehabilitation spezifiziert sowie übergeordnete Zielbereiche formuliert: Funktionsfähigkeit, Befindlichkeit/Ressourcen, Belastungen, Erziehungsverhalten, Patien-tenzufriedenheit und kindliches Befinden. Die Outcomeparameter wurden mittels validierter Assessments (u. a. IRES-24, FLZ-M, PHQ-D, ZUF-8) operationalisiert. Die Datenerhebung erfolgte in 38 stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen für Mütter, Väter und Kinder zu zwei (Vorsorge) bzw. drei Messzeitpunkten (Rehabilitation). Zum Messzeitpunkt t2 (Ende der Maßnahme) lagen n = 1.513 (Vorsorge) bzw. n = 286 (Rehabilitation) Datensätze von erwachsenen Patientinnen und Patienten vor. Im Rahmen der einrichtungsvergleichen-den Analysen wurden Mehrebenenmodelle mit Risikoadjustierung (Einbeziehung von Con-foundern auf Patienten- und Klinikebene (u. a. Alter, Eingangsbelastung, Einrichtungsgrö-ße)) berechnet.

Ergebnisse Um zu bestimmen, welche Outcomeparameter Unterschiede zwischen Einrichtungen (bes-ser) abbilden, wurden zunächst Intraklassenkorrelationen (ICC) ohne Berücksichtigung von Confoundern berechnet. Die höchsten ICC wurden bei den Zielparametern im Bereich "Pa-tientenzufriedenheit" gefunden. Hiernach wurde bei statistischer Kontrolle relevanter Con-founder für jeden Parameter der durch Patienten- vs. Einrichtungsmerkmale erklärte Vari-anzanteil ermittelt. Bei den Einrichtungen im Bereich "Vorsorge" zeigten sich bei 11 von 19 Zielparametern substanzielle Variationen auf der Einrichtungsebene (u. a. Funktionsstatus, Depressivität, somatische Symptome, Selbstwert). Fast alle Einrichtungen lagen hierbei in-nerhalb eines Plausibilitätsbereichs von +/- 2 Standardabweichungen (p = 95 %), wichen also nicht signifikant vom Gesamtmittelwert (über alle Einrichtungen) im jeweiligen Parame-ter ab. Bei Rehabilitationseinrichtungen wurde nur in zwei Zielparametern (Funktionsfähig-keit; Patientenzufriedenheit) eine bedeutsame Variation dokumentiert; auch hier lagen die Einrichtungen innerhalb des Plausibilitätsbereichs.

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Diskussion und Ausblick Die Abbildung qualitätsrelevanter Unterschiede in Outcomeparametern zwischen Einrich-tungen wird durch das Verfahren der Mehrebenenmodellierung ermöglicht. Die aufgefunde-nen Differenzen zwischen den meisten Einrichtungen liegen gleichwohl in einem Bereich zu erwartender ("unauffälliger") Variation. Die Befunde dienen als Grundlage für Empfehlungen an die Verbände der Krankenkassen auf Bundesebene hinsichtlich der Zusammenstellung einer ökonomischen Batterie von Assessment-Instrumenten für die externe Qualitätssiche-rung in stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen für Mütter, Väter und Kinder.

Literatur Byron, K. (2005): A meta-analytic review of work-family conflict and its antecedents. Journal

of Vocational Behavior, 67. 169-198. Cooper, C., Bebbington, P.E., Meltzer, H., Bhruga, T., Jenkins, R., Farrell, M., King, M.

(2008): Depression and common mental disorders in lone parents: Results of the 2000 National Psychiatric Morbidity Survey. Psychological Medicine, 38. 335-342.

Gabriel, B., Bodenmann, G. (2006): Elterliche Kompetenzen und Erziehungskonflikte. Eine ressourcenorientierte Betrachtung von familiären Negativdynamiken. Kindheit und Ent-wicklung, 15. 9-18.

Morris, J.E., Levine Coley, R. (2004): Maternal, family, and work correlates of role strain in low-income mothers. Journal of Family Psychology, 18. 424-432.

Was hat die Adjustierung gebracht?

Widera, T., Grünbeck, P. Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund Der Fragebogen zur Rehabilitandenbefragung in den somatischen Indikationen der statio-nären medizinischen Rehabilitation wurde weiterentwickelt. Die Überarbeitung erforderte die Anpassung des Rückmeldekonzeptes. Als wichtigste Neuerung ist eine ergänzende Be-rechnung von adjustierten Werten auf den zusammenfassenden Skalen der Rehabilitan-denbefragung zu nennen (Farin et al., 2009; Widera, Klosterhuis, 2007). Rehabilitanden un-terscheiden sich hinsichtlich einer Vielzahl von Faktoren, die den Behandlungserfolg beein-flussen können. Ziel einer Adjustierung ist es, Rehabilitanden mit unterschiedlichem Risiko-profil bzw. Reha-Einrichtungen mit unterschiedlicher Patientenzusammensetzung vergleich-bar zu machen. Durch die Adjustierung der Rehabilitandenstruktur treten Ergebnisunter-schiede, die auf einrichtungsspezifische Faktoren, wie das Behandlungs- bzw. Betreuungs-angebot und seine Qualität, zurückzuführen sind, in den Vordergrund (DRV Bund, 2009). Es stellt sich die berechtigte Frage, ob die vorgenommene Adjustierung wichtig und geeignet war, die Fairness des Einrichtungsvergleichs sicherzustellen.

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Methodik Der Auswertung lagen die Daten der Rehabilitandenbefragung im Befragungszeitraum Ok-tober 2007 bis August 2008 zugrunde. Es standen insgesamt die Antworten von 69.481 RV-Rehabilitanden zur Verfügung. Der Rücklauf betrug 55 Prozent. Zur verdichteten Darstellung der Ergebnisse wurde eine Aggregierung über Einzelfragen vorgenommen. Es wurden 18 zusammenfassende Skalen gebildet, von denen elf die Zufriedenheit des Rehabilitanden abbilden und sieben Urteile zum wahrgenommenen Behandlungserfolg darstellen. Als sta-tistisches Verfahren zur Adjustierung wurde ein regressionsanalytisches Modell mit 15 Vari-ablen (Patientencharakteristika) gewählt. Die Bestimmung der adjustierten Werte erfolgte indikationsspezifisch.

Ergebnisse Bedeutsamkeit der einzelnen Adjustierungsvariablen: Alle ausgewählten Adjustierungsvari-ablen waren auch tatsächlich bedeutsam. Der Einfluss der Adjustierungsvariablen variierte in Abhängigkeit von der zugrunde liegenden Indikation, der Erfolgsdimension (Zufriedenheit oder subjektiver Reha-Erfolg) und der in Frage stehenden Antwortskala. Prüft man die Be-deutsamkeit der einzelnen Variablen anhand der Anzahl der Einflüsse auf den 18 Ergebnis-skalen, so stellen sich Arbeitsunfähigkeitszeiten in den letzten 12 Monaten vor der Reha als die wichtigste Variable (17 Einflüsse) und der Status als Altersrentner als die unwichtigste Variable (3,5 Einflüsse) im Adjustierungsmodell heraus. Es ergeben sich die meisten Adjus-tierungseinflüsse auf den orthopädischen Indikationsbereich (durchschnittlich 14,8 Einflüs-se) und die wenigsten Adjustierungseffekte auf die Endokrinologie / Gastroenterologie (durchschnittlich 8,6 Einflüsse).

Varianzaufklärung: Die Vorhersagekraft des Adjustierungsmodells ist limitiert: Die Varianz-aufklärung der Zufriedenheits- und Erfolgsbewertungs-Unterschiede durch das Adjustie-rungsmodell beträgt < 10 %, was als relativ niedrig einzustufen ist, aber bei Leistungsver-gleichen in der Medizin nicht selten ist. Die durchschnittlich erreichte Varianzaufklärung ist im Bereich der Zufriedenheit mit der ärztlichen Betreuung während der Reha und im Bereich der Besserung der Leistungsfähigkeit in Beruf, Freizeit und Alltag am höchsten. Die Zufrie-denheitsunterschiede hinsichtlich der Abstimmung des Rehaplans und der Rehaziele sowie das Auftreten gesundheitsförderlicher Verhaltensumstellungen nach der Reha werden durch das Adjustierungsmodell am wenigsten aufgeklärt. Die Zufriedenheit variiert am stärksten mit der Geschlechtszugehörigkeit, dem Bildungsstand, dem Wohnort und der Muttersprache des Rehabilitanden. Der wahrgenommene Behandlungserfolg wird am deutlichsten von Zei-ten der Arbeitsunfähigkeit vor der Reha beeinflusst.

Vergleich zwischen beobachteten und erwarteten Werten: Zwischen den beobachteten und den erwarteten Werten ergeben sich Interkorrelationen in Höhe von r = 0,25 (Zufriedenheit zusammengefasst) respektive r = 0,35 (Gesundheitsbesserung zusammengefasst). Die Ad-justierung der jeweiligen einrichtungsspezifischen Rehabilitandenstruktur führt dazu, dass im Bereich der Zufriedenheit von 33 % der Rehabilitanden mehr und von 47 % der Rehabilitan-den weniger Zufriedenheitsäußerungen erwartet wurden. Was den Behandlungserfolg aus Patientensicht anbelangt, so hätte das Adjustierungsmodell von 37 % der Rehabilitanden mehr Gesundheitsverbesserungen und von 53 % der Rehabilitanden weniger Gesundheits-verbesserungen erwartet.

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Fazit Mit der Adjustierung wird eine wichtige methodische Anforderung an belastbare Einrich-tungsvergleiche erfüllt. So richtungsweisend die erste Adjustierung auch war, ist jedoch her-auszustellen, dass der überwiegende Anteil der Reha-Einrichtungen "unadjustiert" ebenso viele günstige wie ungünstige Patienten-Merkmale aufweist. Die beiden Tendenzen werden daher bereits vor der Adjustierung im Sinne eines Ausgleichs nivelliert. Ein möglicher Zuge-winn durch die Adjustierung ist dann nicht mehr so groß oder stellt sich gar nicht ein, was die Einrichtungen "enttäuscht". Ferner profitieren Zufriedenheit und Behandlungserfolg in unterschiedlichem Ausmaß von der Adjustierung. Nicht zu vergessen ist, dass jenseits aller Adjustierungsbemühungen immer Vergleichseinrichtungen existieren, welche ein genauso "problematisches" Patientenklientel aufweisen, aber trotzdem bessere Bewertungen erhal-ten, weil sie auf ihre als "schwierig" deklarierten Rehabilitanden besser eingehen. D. h. für die Reha-Träger ist nicht ohne weiteres zu unterscheiden, ob eine Adjustierung, z. B. für die soziale Schicht der Rehabilitanden zu Recht ein schichtassoziiertes Risiko für schlechtere Ergebnisse kontrolliert, oder zu Unrecht eine ggf. schlechtere Behandlung/Betreuung sozial Benachteiligter (gemessen am Bildungsstand etc.) maskiert (Widera, 2009).

Weiterentwicklungsbedarf Adjustierte Rückmeldungen sind methodisch zwingend. Dem Datenmaterial und der statisti-schen Technik sind jedoch Grenzen gesetzt, weshalb von "Idealisierungen" risikoadjustierter Daten abzusehen ist.

Ein überarbeitetes Adjustierungsmodell sollte um weitergehende Informationen zum Ein-gangsstatus der Rehabilitanden erweitert werden. Alle Faktoren sollten den Patienten vor Beginn der Reha kennzeichnen, um nicht durch die Behandlung beeinflusst zu werden. Herausforderungen bestehen nicht nur hinsichtlich der Vergleichbarkeit von Patienten: Er-gänzend zu der Variationsquelle Rehabilitand sollten Faktoren der Einrichtungs- und Ver-sorgungsstrukturen berücksichtigt werden. Über die Notwendigkeit einer zusätzlichen Erfas-sung von indikationsspezifischen Risikofaktoren, z. B. Durchführung einer Chemotherapie während der Reha in der Onkologie, sollte diskutiert werden. Substantielle Korrelationen zwischen einigen Adjustierungsvariablen deuten darauf hin, dass diese dieselben Konstruk-te messen; in diesen Fällen ist über Straffungsmöglichkeiten des Adjustierungssets nachzu-denken.

Ziel der adjustierten Qualitätsberichterstattung sollte keine verbesserte Auslese sein, son-dern die Qualität der rehabilitativen Behandlung besser vergleichbar zu machen, um ein ro-bustes Instrument für das einrichtungsinterne Qualitätsmanagement zur Verfügung zu stel-len. Generell wird es nie die perfekte Daten- und Analysequalität geben, die man sich von Leistungsvergleichen erhoffen würde. Aber Qualitätsindikatoren müssen ihrerseits Quali-tätsansprüche erfüllen. Daher bedürfen (auch adjustierte) Qualitätsdaten einer kontinuierli-chen Justierung bezüglich ihrer Abbildungsgenauigkeit (Müllner, 2005).

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Literatur Deutsche Rentenversicherung Bund (2009): Ergebnisqualität in der medizinischen Rehabili-

tation der Rentenversicherung. Workshop der Deutschen Rentenversicherung (Ed.) am 25. November 2008 bei der DRV Bayern Süd in München.

Farin, E., Jäckel, W.H., Widera, T. (2009): Prädiktoren der Patientenzufriedenheit in der Re-habilitandenbefragung der Deutschen Rentenversicherung. DRV-Schriften, Bd. 83. 146-148.

Müllner, M. (2005): Mehr zum Confounding: Adjustierung durch Matching, Stratifikation und multivariate Methoden. In: Erfolgreich wissenschaftlich arbeiten in der Klinik: Evidence Based Medicine. 2. Auflage, Springer-Verlag: Wien, Kapitel 26. 189-201.

Widera, T. (2009): Ausblick zur Ergebnisqualität - Indikatoren einer erfolgreichen Rehabilita-tion sowie Einflussfaktoren auf das Rehabilitationsergebnis. In: Ergebnisqualität in der medizinischen Rehabilitation der Rentenversicherung (Hrsg.): Deutsche Rentenversiche-rung Bund. 167-194.

Widera, T., Klosterhuis, H. (2007): Patientenorientierung in der Praxis - 10 Jahre Rehabili-tandenbefragung im Rahmen der Reha-Qualitätssicherung der Rentenversicherung. RVaktuell, 6, 54, A1330, Art. 09. 177-182.

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Qualitätskonzepte

Dimensionen und Determinanten der subjektiven rehabilitationsbezogenen Qualitätskonzepte von kardiologischen und

orthopädischen PatientInnen

Romppel, M., Grande, G. Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften,

Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig,

Hintergrund Trotz großer Anstrengungen im Bereich der Qualitätsmessung und -berichterstattung beste-hen noch viele offene Fragen hinsichtlich der Gültigkeit und Relevanz einzelner Qualitätsin-dikatoren für verschiedene Interessensgruppen. So gibt es zahlreiche Belege dafür, dass sich die Einschätzung der Bedeutung unterschiedlicher Qualitätsindikatoren zwischen Pro-fessionellen und PatientInnen unterscheidet (Geraedts et al., 2007). Viel weniger ist jedoch darüber bekannt, welche Unterschiede innerhalb dieser Gruppen bestehen. Für PatientIn-nen gibt es Hinweise, dass Qualitätskonzepte von Variablen wie Geschlecht, Alter, Bildung, Gesundheitsstatus und bestehenden Vorerfahrungen beeinflusst werden (Geraedts, Amhof, 2008; Jewett, Hibbard, 1996), während andere Studien relativ gleichartige Befunde über verschiedene Patientengruppen hinweg berichten (Fung et al, 2005; Sofaer et al., 2005). Für den Bereich der Rehabilitation sollen in der vorliegenden Untersuchung am Beispiel zweier quantitativ bedeutsamer Indikationsgruppen (Ischämische Herzkrankheiten und Dorso-pathien) die Dimensionalität der Qualitätskonzepte von PatientInnen analysiert und Einfluss-faktoren auf diese Qualitätskonzepte bestimmt werden.

Methodik Aus einer vorhergehenden Untersuchung lag eine umfassende Liste von 77 Merkmalen vor, die aus Sicht von PatientInnen, ÄrztInnen und MitarbeiterInnen des Krankenhaussozial-dienstes die Qualität von Rehabilitationsmaßnahmen bestimmen.

In der vorliegenden Studie wurden kardiologische und orthopädische PatientInnen aus A-kutkrankenhäusern, orthopädischen Praxen und Rehabilitationseinrichtungen gebeten, die-se 77 Merkmale hinsichtlich ihrer wahrgenommenen Wichtigkeit für die Gesamtqualität einer Rehabilitationseinrichtung bzw. Rehabilitationsmaßnahme einzuschätzen.

Zur Prüfung der Dimensionalität der Qualitätsindikatoren wurden die Wichtigkeitseinschät-zungen der 77 Qualitätsindikatoren einer explorativen Faktorenanalyse mit anschließender orthogonaler Varimax-Rotation unterzogen. Aus den Items mit eindeutigem Ladungsmuster wurden Skalen gebildet. In multiplen Regressionsanalysen wurden die unabhängigen Effek-te der Patientenvariablen Alter, Geschlecht, Bildung, Partnerschaftsstatus, Indikation, aktu-elle Rehabilitationsteilnahme, Erkrankungsdauer sowie allgemeine Einstellung zur Rehabili-tation auf die Ausprägung der vier Skalenwerte geprüft.

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Ergebnisse 37 von 625 vorliegenden Fragebögen wurden wegen eines zu hohen Anteils fehlender Da-ten von der weiteren Auswertung ausgeschlossen, einzelne fehlende Angaben wurden mit Hilfe des EM-Algorithmus geschätzt. Als Ergebnis der Faktorenanalyse ergaben sich nach dem Scree-Test vier Faktoren mit einer Varianzaufklärung von 49 %. Die vier Faktoren wur-den anhand der Ladungsstruktur als "Verbindungen und Vernetzung" (Markieritem "Anbin-dung an Akutklinik"), "Wohlfühlen und Hotelaspekte" (Markieritem "Freundlichkeit des Per-sonals"), "Medizinische Qualität" (Markieritem "Technische Ausstattung für Diagnostik") und "Ergebnisqualität" (Markieritem "Verbesserung des körperlichen Zustands") interpretiert. Die Items mit den jeweils höchsten Ladungen je Faktor wurden unter Ausschluss von Items mit bedeutsamen Doppelladungen zu Skalen zusammengefasst. Die vier Skalen mit je 7 bis 10 Items wiesen befriedigend hohe interne Konsistenzen (Cronbachs α zwischen .73 und .86) auf.

Kardiologische PatientInnen zeigten höhere Werte auf den Skalen "Verbindungen/Ver-netzung" und "Medizinische Qualität", während orthopädische PatientInnen "Wohlfühl- und Hotelaspekten" eine höhere Wichtigkeit zuschrieben. AkutpatientInnen wiesen höhere Aus-prägungen der Skala "Verbindungen/Vernetzung" auf, während RehapatientInnen der medi-zinischen Qualität und den Hotelaspekten eine höhere Wichtigkeit zuschrieben. Die Ergeb-nisqualität wurde von jüngeren und besser gebildeten PatientInnen sowie PatientInnen mit kürzerer Erkrankungsdauer und positiverer Einstellung der Rehabilitation gegenüber für wichtiger erachtet. Keinen bedeutsamen Einfluss auf die Skalenwerte der Wichtigkeitsein-schätzungen hatten das Geschlecht und der Partnerschaftsstatus.

Diskussion Eine aktuelle Rehabilitationsteilnahme beeinflusst die Einschätzung von Qualitätsmerkma-len, was sich durch die veränderte Perspektive und die Erfahrungen erklären lässt. Weiter-hin zeigten sich bedeutsame Unterschiede zwischen den Indikationsgruppen, die mögli-cherweise unterschiedliche Bedürfnisse widerspiegeln. Insbesondere Merkmale der Ergeb-nisqualität (der "Goldstandard") scheinen nur für bestimmte Gruppen von PatientInnen als Qualitätsindikatoren geeignet zu sein.

Umsetzung und Ausblick Die vorliegenden Ergebnisse können dazu dienen, die Qualitätsberichtsberichterstattung an die Bedürfnisse unterschiedlicher Patientengruppen anzupassen. Eine Weiterentwicklung des bestehenden Fragebogens zu einem Screeninginstrument würde es erlauben, den In-formationsbedarf von potentiellen Rehabilitanden besser einzuschätzen.

Literatur Geraedts, M., Amhof, R. (2008): Geschlechterunterschiede beim Bedarf an Qualitätsinfor-

mationen über Einrichtungen der Gesundheitsversorgung. Bundesgesundheitsblatt, Ge-sundheitsforschung, Gesundheitsschutz, 51. 53-60.

Geraedts, M., Schwartze, D., Molzahn, T. (2007): Hospital quality reports in Germany: pati-ent and physician opinion of the reported quality indicators. BMC Health Services Re-search, 7. 157.

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Jewett, J.J., Hibbard, J.H. (1996): Comprehension of quality care indicators: differences among privately insured, publicly insured, and uninsured. Health Care Financing Review, 18. 75-94.

Fung, C.H., Elliott, M.N., Hays, R.D., Kahn, K.L., Kanouse, D.E., McGlynn, E.A., Sofaer, S., Crofton, C., Goldstein, E., Hoy, E., Crabb, J. (2005): What do consumers want to know about the quality of care in hospitals? Health Services Research, 40. 2018-2036.

Spranca, M.D., Shekelle, P.G. (2005): Patients' preferences for technical versus interper-sonal quality when selecting a primary care physician. Health Services Research, 40. 957-977.

Internes Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO aus Sicht der MitarbeiterInnen

Otto, F., Arnhold-Kerri, S. Forschungsverbund Prävention und Rehabilitation für Mütter und Kinder,

Medizinische Hochschule Hannover

Hintergrund Als Vorsorge- und Rehabilitationskliniken sind Mutter-/Vater-Kind-Einrichtungen zur Einfüh-rung eines internen Qualitätsmanagements und zur Teilnahme an externen Qualitätssiche-rungsmaßnahmen nach §§ 135a und 137d SGB V verpflichtet. Die Anforderungen an das interne Qualitätsmanagement (IQM) wurden erstmals 2005 durch eine gemeinsame Verein-barung der Kostenträger und Leistungserbringer festgelegt (VDAK, 2005). Rehabilitations-einrichtungen benötigen außerdem eine Zertifizierung.

Der Forschungsverbund Prävention und Rehabilitation für Mütter und Kinder ist ein Zusam-menschluss von Mutter-/Vater-Kind-Kliniken und einem wissenschaftlichen Team der Medi-zinischen Hochschule Hannover mit dem Ziel, praxisbezogene Forschung zur Mütter- und Kindergesundheit mit der Weiterentwicklung der therapeutischen Konzepte und der Imple-mentierung von internen Qualitätsmanagementmaßnahmen zu verbinden (Sperlich et al., 2002). Bis 2005 wurden außerdem externe Qualitätssicherungsmaßnahmen mit Evaluation der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität durchgeführt (Arnhold-Kerri, 2003).

Die Präzisierung der Mindestanforderungen an das IQM durch die Krankenkassen machten eine Überprüfung des bis dahin frei entwickelten Verfahrens erforderlich. Nach eingehender Prüfung entschieden sich die Kliniken für die Einführung von DIN EN ISO 9001 als Verfah-ren, das

- den Anforderungen der Kostenträger gerecht wird, - im Gesundheitsbereich erprobt und allgemein anerkannt ist und - eine gemeinsame Entwicklung und individuelle Umsetzung in den Kliniken erlaubt.

In einem strukturierten Prozess wurde die DIN EN ISO 9001 eingeführt und mit den Spezifi-ka von Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen für Mütter/Väter und Kinder verknüpft. Der Austausch zwischen Forschungsteam und Qualitätsmanagementbeauftragten wird in externen Qualitätszirkeln realisiert, die Umsetzung in den einzelnen Einrichtungen erfolgt

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über die internen Qualitätszirkel. Die Träger der Einrichtungen haben sich zur kontinuierli-chen Qualitätsarbeit verpflichtet und gewährleisten die Personal- und Sachausstattung für die Implementierung qualitätssichernder Maßnahmen.

Vorliegender Beitrag geht der Frage nach, wie die Leitungskräfte, Qualitätsmanagementbe-auftragten und MitarbeiterInnen der Kliniken die Anforderungen und Effekte des internen Qualitätsmanagements nach DIN EN ISO 9001 einschätzen.

Methodik Die Einrichtungsleitungen, Qualitätsmanagementbeauftragten und MitarbeiterInnen der be-teiligten Kliniken wurden mittels Fragebogen zu Anforderungen und Belastungen, Verände-rungen in den Arbeitsabläufen und der Zusammenarbeit sowie zu Motivation und persönli-chem Kompetenzzuwachs befragt. Jede Frage konnte auf einer Bewertungsskala von 1 = "sehr gut" bzw. "stimme völlig zu" bis 6 = "ungenügend" bzw. "stimme überhaupt nicht zu" bewertet werden. Die Auswertung erfolgte deskriptiv. Zusammenhänge wurden mittels Chi²-Statistik überprüft.

Ergebnisse An der Befragung beteiligten sich 11 Leitungspersonen, 13 Qualitätsmanagementbeauftrag-te und 75 weitere MitarbeiterInnen aus 16 Einrichtungen.

Die Qualitätsmanagementbeauftragten bewerten den persönlichen Wissens- und Kompe-tenzzuwachs als gut bis sehr gut (1,5), den gemeinsamen Austausch in den externen Quali-tätszirkeln als sehr gut (1,2). Die Bereitschaft der Mitarbeiter, an QM-Maßnahmen teilzu-nehmen, schätzen Leitungspersonen und Qualitätsmanagementbeauftragte eher befriedi-gend (2,8) ein. Fast alle Befragten verbinden mit QM einen höheren Dokumentations- und Arbeitsaufwand. Dass weniger Zeit für die Patienten bleibt, meinen 58 % der therapeutisch tätigen Mitarbeiter gegenüber 32 % der Mitarbeiter anderer Bereiche (p = 0,34).

Große Zustimmung gibt es auf Fragen zur Verbesserung der Leistung und zu positiven Ver-änderungen im Arbeitsbereich, wobei die Bewertungen der Leitungspersonen jeweils etwas positiver ausfallen als die der Mitarbeiter. Die Unterschiede sind aber nicht signifikant. Für die Mehrzahl der Befragten hat sich durch die QM-Arbeit die Zusammenarbeit zwischen den Arbeitsbereichen bzw. mit der Leitungsebene verbessert. Für fast 80 % der Mitarbeiter hat sich der Arbeitsaufwand gelohnt, 93 % meinen, die Arbeit sollte fortgesetzt werden. Insge-samt gibt es keine signifikanten Unterschiede der Zustimmung zwischen den Einrichtungen und keine Unterschiede zwischen den Arbeitsbereichen.

Fazit und Ausblick Die Einführung des IQM nach DIN EN ISO findet in den beteiligten Mutter-/Vater-Kind-Kliniken eine breite Zustimmung. Trotz des erhöhten Arbeitsaufwands werden positive Ver-änderungen im eigenen Arbeitsbereich und in der Zusammenarbeit wahrgenommen. Au-ßerdem hat sich die Arbeit mit wenigen Ausnahmen für die Befragten persönlich gelohnt. Sehr positiv wird der Austausch zwischen den Qualitätsmanagementbeauftragten in exter-nen Qualitätszirkelsitzungen bewertet. Mit dem Inkrafttreten der Vereinbarung zum internen Qualitätsmanagement nach § 20 Abs. 2a SGB IX am 01.10.2009 sind die Rehabilitationsein-richtungen aufgefordert, ihr Qualitätsmanagementverfahren durch die BAR anerkennen zu lassen. Die Kliniken des Forschungsverbundes streben diese Anerkennung an. Aktuell wur-

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den die Anforderungen an das interne Qualitätsmanagement und die Zertifizierung von Re-habilitationseinrichtungen durch die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) festgelegt (BAR, 2009).

Literatur Arnhold-Kerri, S., Sperlich, S., Collatz, J. (2003): Krankheitsprofile und Therapieeffekte von

Patientinnen in Mutter-Kind-Einrichtungen. Die Rehabilitation, 42. 290-299. DIN Deutsches Institut für Normung e.V. (Hrsg.) (2009): DIN–Taschenbuch 226. Qualitäts-

management-Verfahren. 6. Aufl. Berlin: Beuth-Verlag. Sperlich, S., Collatz, J., Arnhold-Kerri, S. (2002): Internes Qualitätsmanagement und exter-

ne Qualitätssicherung in Mutter-/Vater-Kind-Einrichtungen. Theorie und Praxis der sozia-len Arbeit, 53, 6. 429-434.

Vereinbarung zu Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der stationären Vorsorge und Rehabilitation nach §137d Abs. 1 und 1a SGB V. Verfügbar unter www.vdak.de/ ver-tragspartner/vorsorge-rehabilitation/bericht_spik/Bericht_2005_Anlage4.pdf.

Qualitätsverbesserung durch Zusammenarbeit - Konzept und Ergebnisse des Qualitätsverbunds Reha und Gesundheit Baden-Württemberg

Toepler, E. (1), Forcher, R. (2), Werner, O. (3) (1) Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und SAMA Baden-Württemberg,

(2) Heilbäderverband Baden-Württemberg, (3) Kompetenzzentrum für Rehabilitation und Prävention Bad Rappenau

Ziel und Organisation des Verbundes 2007 haben sich auf eine Initiative des Heilbäderverbandes Baden-Württemberg hin 12 Kli-niken unterschiedlicher Träger (öffentlich, privat, konfessionell) und Indikationsbereiche zu dem Qualitätsverbund Reha und Gesundheit Baden-Württemberg zusammengeschlossen. 2008 und 2009 sind weitere 13 Kliniken aufgenommen worden. Die Verbundpartner verfol-gen das gemeinsame Ziel die Behandlungs- und Betreuungsqualität in den beteiligten Klini-ken kontinuierlich weiterzuentwickeln und die Rehabilitation als wirksames Instrument im System der sozialen Sicherung in Deutschland zu stärken.

Die Verbundkonzeption orientiert sich hinsichtlich der Ergebnisqualität an dem Modell des ICF (BAR, 2006) sowie den Anforderungen der Leistungsträger. Als Qualitätsmanagement-system setzt der Verbund das QMS-Reha® - Verfahren der Deutschen Rentenversicherung Bund ein (DRV Bund, 2008). Die eingesetzten Qualitätsindikatoren orientieren sich an dem QS-Programm sowie dem Bewertungskonzept für medizinische Reha-Einrichtungen der ge-setzlichen Rentenversicherung (Beckmann et al., 2008).

Die Aufbauorganisation (Abb. 1) ist durch eine Gleichberechtigung der Träger unabhängig von Anzahl und Größe der Kliniken gekennzeichnet. Die Verbundkoordination liegt in der Hand einer externen, neutralen Stelle (Sozial- und Arbeitsmedizinische Akademie Baden-Württemberg e.V.), die auch Mitglied des Lenkungskreises ist.

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Die Ablauforganisation wird durch verbindliche Prozesse in den Bereichen gegenseitige Ü-berprüfung (Audit), gemeinsame Entwicklung (Management Review), Dokumentation und Verbesserung gekennzeichnet.

Qualitätsmanager/Träger

Organisation des Verbundes

Koordinierende Stelle/SAMA

Lenkungskreis 10 Geschäftsführungen

Bad Boll

Bad Rappenau

Bad Buchau

Bad Schönborn

Bad Waldsee

RulandKliniken

RehaZentren

Höchen-schwand

25 K

linik

en

Qualitätsbeauftragte/Kliniken24 Q

Ms

9 Q

Bs

Davos

Abb. 1: Die Verbundorganisation

Auf dieser Grundlage wurde der Verbund 2007 in Form einer Gemeinschaftszertifizierung nach DIN/EN/ISO 9001:2008 zertifiziert und in den folgenden Jahren erfolgreich überwacht. Bei der im zweiten Quartal 2010 anstehenden Rezertifizierung werden die Anforderungen des § 20 Abs. 2a SGB IX in die Zertifizierung aufgenommen.

Instrumente und Akivitäten Folgende Instrumente der qualitätsorientierten Zusammenarbeit werden eingesetzt:

1. Austausch der QM-Handbücher der Verbundkliniken 2. Durchführung übergreifender "Ringaudits" 3. Zentrale Auswertung der Audits und der klinikinternen Management Reviews zur Fest-

legung übergreifender Qualitätsziele und Verbesserungsprojekte 4. Gemeinsame Verbesserungsprojekte zur Erreichung der Qualitätsziele 5. Arbeitsteilige Entwicklungsprojekte 6. Kollegiale Hospitationen zu "best practice" Lösungen 7. Interdisziplinärer Austausch der leitenden Ärzte 8. Teambildung (Incentiveprogramme, Workshops) 9. gemeinsame Patienten- und Mitarbeiterbefragung 10. Zugang zur Reha-Forschung 11. Benchmarking wirtschaftlicher Kennzahlen sowie interner und externer Qualitätsdaten 12. Veröffentlichung der Qualitätsdaten in einem Qualitätsbericht

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Ergebnisse des Qualitätsverbundes Auf quantitativer Ebene lässt sich feststellen, dass ein Verbund entstanden ist, der mit 5.300 Plätzen und knapp 3.000 Mitarbeitern ca. 45.000 stationäre Rehabilitationsfälle in Ba-den-Württemberg behandelt.

Im Bereich Strukturqualität haben sich Verbesserungen in folgenden Bereichen ergeben:

- Optimierung der indikationsspezifischen Konzepte - Qualifikation der Mitarbeiter - Optimierung der Bereiche Brandschutz, Hygiene und Arbeitsschutz

Im Bereich der Prozessqualität und Ergebnisqualität vergleichen sich die Kliniken auf der Grundlage der in Tabelle 1 aufgeführten Indikatoren auf der Grundlage einer balanced sco-recard. Messbare, auf die Verbundmitgliedschaft zurückzuführende Verbesserungen lassen sich jeweils bei einem größeren Teil der Verbundpartner in folgenden Bereichen nachwei-sen:

- Patientenzufriedenheit - Laufzeit der Entlassberichte - Beschwerdehäufigkeit und Beschwerdebearbeitung - Zahl der durchgeführten Verbesserungen - Fehlererkennnung und -korrektur

Patienten- und Kunden- perspektive

Finanzperspektive Struktur- und Prozess-perspektive

Mitarbeiter- und Inno-vationsperspektive

Patientenzufriedenheit verbundintern

% von Soll-Auslastung Gebietsanerkennungen der Ärzte

Mitarbeiterzufriedenheit

Patientenzufriedenheit (ext. QS)

Durchschnittl. Verweil-dauer

Zusatzbezeichnungen Ärzte

Fort- und Weiterbildung

Patientenzufriedenheit Rücklauf

Erlöse im Verhältnis z. Aufwand

Zusatzausbildungen The-rapeuten/Mitarbeiter

Fachveröffentlichungen

Beschwerdestatistik - intern

Pflegetage pro Vollzeit-stelle

Weiterbildungsberechti-gungen der Ärzte

Ideenmanagement

Beschwerden an Kosten-träger

Personalkosten/ Umsatz Verwendete Leitlinien Innovative Rehakonzepte

Behandlungsergebnis Personalkosten/ Gesamtkosten

Einhaltung der Leitlinien-vorgaben

Verbesserungsprojekte

Erwerbsfähigkeit Umsatz/Mitarbeiter Fehlermanagement Hinweise aus Mit-arbeitergesprächen

Antrittslaufzeit Energiekosten Leistungsmenge (KTL)

E-Berichtslaufzeit Lebensmittel Risikomanagement

Peer Review Ergebnis Medikamente

Tab. 1: Übersicht über die Qualitätsindikatoren für das interne Benchmarking

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Qualitätsindikatoren für das interne Benchmarking In den übergreifenden Audits werden pro Jahr durchschnittlich 8 substanzielle Verbesse-rungsmöglichkeiten je Klinik identifiziert. Die Inhalte der durchgeführten Verbesserungspro-jekte liegen in erster Linie im Bereich der patientenorientierten Kernprozesse.

Fazit Mit der Neufassung des § 20 SGB IX und der Betonung des Qualitätsmanagements wird der Ansatz der bereits durch die vergleichende Qualitätssicherung grundgelegten, kontinuierli-chen Qualitätsverbesserung in der Rehabilitation entscheidend gestärkt

Der Nutzen der kontinuierlichen Verbesserung für die Praxis in stationären Rehabilitations-einrichtungen, insbesondere im Bereich der Prozess- und Ergebnisqualität, kann an den Er-gebnissen des Qualitätsverbundes verdeutlicht werden.

Dieser Nutzen ist mit einem erheblichen Aufwand für die Implementierung und den Betrieb eines internen Qualitätsmanagementsystems verbunden. Ein Zusammenschluss von Klini-ken erscheint als geeignetes Mittel den Aufwand für die einzelne Klinik zu begrenzen und die Effektivität des Qualitätsmanagements zu erhöhen.

Literatur Beckmann, U., Klosterhuis, H., Lindow, B. (2008): Bewertungskonzept für medizinische

Reha-Einrichtungen. DRV-Schriften, Bd. 77. 146-148. BAR (Hrsg.) (2006): ICF-Praxisleitfaden. Bundesarbeitsgemeinschaft Rehabilitation. Frank-

furt. Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.) (2008): Manual zur Einführung und Weiterent-

wicklung des Qualitätsmanagementsystems "QMS-Reha®" für Rehabilitationseinrichtun-gen.

Toepler, E. (2008): Qualitätsnetzwerke in der Rehabilitation. In: Prävention und Rehabilitati-on, 20. Jg. 160-167.

Patientenbefragungen in der medizinischen Rehabilitation - Zusammenhänge zwischen Rücklaufquote und Patientenzufriedenheit

Steffanowski, A. (1), Rieger, J. (2), Kriz, D. (1), Schmidt, J. (1), Nübling, R. (1) (1) GfQG, Karlsruhe, (2) Paracelsus-Kliniken Deutschland GmbH, Osnabrück

Hintergrund Ein faires Benchmarking von Rehabilitationskliniken im Rahmen von fortlaufenden Patien-tenbefragungen setzt voraus, dass Confounder-Variablen wie z. B. Alter, Geschlecht oder Indikation berücksichtigt und statistisch kontrolliert werden (Farin, 2005). Auch für die Befra-gung der Paracelsus-Gruppe (Spyra et al., 2006; Nübling et al., 2008) werden entsprechen-de Adjustierungen für den klinikübergreifenden Vergleich durchgeführt. Wichtige Vorausset-zung ist dabei die Repräsentativität der gewonnenen Daten, was am ehesten durch eine hohe Rücklaufquote erreicht werden kann. Sind in Abhängigkeit von der Rücklaufquote Ver-

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zerrungen der Aussagen zu befürchten? So wäre es denkbar, dass motivierte und zufriede-ne Patienten eher bereit sind, den Fragebogen auszufüllen.

Methodik Die Rücklaufquote (RQ) wird monatlich berechnet (RQ = abgegebene Fragebögen / alle im jeweiligen Monat entlassene Patienten) und deren Entwicklung den Einrichtungen mit jeder Quartalsauswertung in Form einer Verlaufsgrafik zurückgemeldet. Die Befragung in den Re-habilitationskliniken der Paracelsus-Gruppe läuft seit 2005, so dass mittlerweile genug mo-natliche Messpunkte vorliegen, um eine explorative Analyse des Zusammenhangs der RQ mit den entsprechend berechneten Monatsmittelwerten der Patientenzufriedenheit vorzu-nehmen. Hierzu wurde eine multiple lineare Regression, exemplarisch für die drei Indikati-onsbereiche Abhängigkeitserkrankungen (n = 3.579 Patienten), Psychosomatik (n = 8.210 Patienten) sowie Onkologie (n = 19.389 Patienten) berechnet. Neben der RQ wurden auch mehrere Confounder-Variablen explorativ in die Analyse einbezogen.

Ergebnisse Aus Tabelle 1 geht hervor, dass beim Indikationsbereich Abhängigkeitserkrankungen ein positiver Partial-Zusammenhang zwischen der RQ und dem z-standardisierten Multiplen Qualitäts-Index (MQI) besteht. Das B-Gewicht von 3,179 lässt sich hier so interpretieren, dass eine Erhöhung der RQ um 10 % einen um 0,32 z-Einheiten höheren MQI erwarten lässt. Für den Indikationsbereich Psychosomatik (Tabelle 2) zeigt sich kein signifikanter Par-tial-Zusammenhang zwischen RQ und MQI. In der Onkologie (Tabelle 3) ist der Zusammen-hang zwischen RQ und MQI hingegen negativ (B = -2,212), eine Zunahme des Rücklaufs um 10 % lässt hier einen um 0,22 z-Einheiten geringeren MQI erwarten.

Prädiktoren M SD B SE B Beta p

Regressionskonstante -4,640 2,351 0,051

Alter 47,840 2,051 0,047 0,043 0,098 0,280

Geschlecht weiblich 0,466 0,102 0,713 0,817 0,074 0,385

Behandlungsdauer Tage 96,202 7,627 -0,001 0,011 -0,004 0,962

Rentenantrag (Ja / Nein) 0,069 0,057 3,510 1,492 0,205 0,021

Vorherige Reha (Ja / Nein) 0,397 0,104 -1,508 0,814 -0,160 0,067

Rücklaufquote (RQ) 0,780 0,110 3,179 0,812 0,350 0,000

Anmerkungen: K = 114 Mittelwerte (2 Kliniken x 57 Monate). R = .497; R² adj. = .205 (p<.001). Abhängige Variable: Patientenzufriedenheit (Multipler Qualitäts-Index, z-standardisiert) aus insgesamt 16 Skalen.

Tab. 1: Multiple Regression für den Indikationsbereich Abhängigkeitserkrankungen.

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Prädiktoren M SD B SE B Beta p

Regressionskonstante 0,623 1,755 0,723

Alter 42,526 6,727 0,030 ,021 0,205 0,157

Geschlecht weiblich 0,755 0,111 -1,106 1,088 -0,125 0,312

Behandlungsdauer Tage 44,092 7,871 -0,032 ,013 -0,253 0,014

Rentenantrag (Ja / Nein) 0,053 0,040 -0,741 2,043 -0,030 0,718

Vorherige Reha (Ja / Nein) 0,341 0,083 -0,896 1,170 -0,075 0,445

Rücklaufquote (RQ) 0,755 0,103 0,894 ,912 0,092 0,330

Anmerkungen: K = 114 Mittelwerte (2 Kliniken x 57 Monate). R = .514; R² adj. = .223 (p<.001). Abhängige Variable: Patientenzufriedenheit (Multipler Qualitäts-Index, z-standardisiert) aus insgesamt 16 Skalen.

Tab. 2: Multiple Regression für den Indikationsbereich Psychosomatik.

Prädiktoren M SD B SE B Beta p

Regressionskonstante 2,660 5,814 0,648

Alter 58,997 3,217 0,064 0,063 0,211 0,312

Geschlecht weiblich 0,798 0,168 -1,904 1,264 -0,326 0,135

Behandlungsdauer Tage 23,771 0,815 -0,159 0,111 -0,132 0,156

Rentenantrag (Ja / Nein) 0,067 0,035 -2,132 2,470 -0,076 0,390

Vorherige Reha (Ja / Nein) 0,426 0,061 1,730 1,409 0,107 0,222

Rücklaufquote (RQ) 0,794 0,076 -2,212 1,060 -0,168 0,039

Anmerkungen: K = 114 Mittelwerte (2 Kliniken x 57 Monate). R = .602; R² adj. = .327 (p<.001). Abhängige Variable: Patientenzufriedenheit (Multipler Qualitäts-Index, z-standardisiert) aus insgesamt 16 Skalen.

Tab. 3: Multiple Regression für den Indikationsbereich Onkologie.

Diskussion Erste Zusammenhangsanalysen zwischen Rücklaufquote und Patientenzufriedenheit erge-ben keineswegs ein einheitliches Bild, sondern es treten interessante differentielle Effekte zu Tage, die allerdings angesichts des noch vorläufigen Charakters der Auswertung mit Zu-rückhaltung interpretiert werden sollten. So zeichnet sich bei den Abhängigkeitserkrankun-gen der Trend ab, dass unzufriedene Patienten eher dazu neigen, ihrem Unmut im Patien-tenfragebogen Ausdruck zu verleihen. Bei unvollständigen Rücklaufquoten besteht somit die Gefahr einer Unterschätzung der Qualität durch die Befragungsergebnisse. Bei der Onkolo-gischen Rehabilitation verhält es sich umgekehrt: Hier geben unzufriedene Patienten den

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Fragebogen tendenziell seltener ab. Bei unvollständigen Rücklaufquoten besteht hier somit die Gefahr einer Überschätzung der Qualität durch die Befragungsergebnisse.

Schlussfolgerungen Die Einbeziehung einer fortlaufenden Rücklaufkurve in die Quartalsberichte zur Patienten-befragung ist hilfreich für das Controlling und steigert die Transparenz hinsichtlich der Da-tenbasis, aufgrund der die Ergebnisse gewonnen werden. Möglicherweise stellt die Rück-laufquote darüber hinaus auch einen weiteren wertvollen Prädiktor für die Adjustierung der Daten im Rahmen von Klinikvergleichen dar, wobei angesichts der beobachteten differen-tiellen Effekte der Indikationsbereich besonders zu berücksichtigen ist.

Literatur Farin, E. (2005): Die Anwendung Hierarchischer Linearer Modelle für Einrichtungsvergleiche

in der Qualitätssicherung und Rehabilitationsforschung. Die Rehabilitation, 44. 157-164. Nübling, R., Rieger, J., Steffanowski, A., Kriz, D., Müller-Fahrnow, W., Schmidt, J. (2008):

Wann empfehlen Patienten die behandelnde Klinik weiter? Ergebnisse einer kontinuierli-chen Patientenbefragung bei primär körperlich erkrankten Patienten in der somatischen Rehabilitation. DRV-Schriften, Bd. 77. 166-168.

Spyra, K., Erhart, M., Müller-Fahrnow, W., Rieger, J. (2006): Das KlinikSpezifische Patien-tenInventar zur Beurteilung der Leistungen der somatischen und psychosomati-schen/Sucht-Rehabilitation (KSPI-SO/PS). Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Re-habilitation, 71. 47-65.

Indikatoren der Ergebnisqualität in der Rehabilitandenbefragung: Hausnummern oder substanzielle Information? Ergebnisse einer qualitativen Interviewstudie

Meyer, T. (1), Wäntig, J. (2) (1) Institut für Sozialmedizin, Universität zu Lübeck,

(2) Klinikum Neustadt, Neustadt i. Holstein

Hintergrund Eine zentrale Säule der Qualitätssicherung der Rentenversicherung stellt die postalische Rehabilitandenbefragung dar. Etwa 6 - 8 Wochen nach der Rehabilitationsmaßnahme wer-den die Rehabilitanden u. a. gebeten, Fragen zur Zufriedenheit und zur Ergebnisqualität zu beantworten. Bisher liegen allerdings nur wenige Informationen zur Ergebnisqualität vor. Dabei dürften insbesondere Indikatoren der Ergebnisqualität dazu geeignet sein, aus ihnen Konsequenzen für die Vergütung bzw. Belegung abzuleiten (Egner et al., 2006). Die Akzep-tanz dieser Ergebnisindikatoren hängt bekanntermaßen nicht nur von den dokumentierten psychometrischen Gütekriterien ab. Vielmehr müssen die Ergebnisindikatoren nachweisen, dass sie in der Lage sind, substanzielle, relevante Informationen abzubilden, in diesem Sin-ne auch aus klinischer Sicht inhaltsvalide zu sein (Meyer, 2009).

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Das vorliegende Projekt zielt darauf, die Bedeutung von unterschiedlichen, im Fragebogen selbstberichteten Erfolgen in der Rehabilitation durch eine Kontextualisierung der Ergebnis-se in der Lebenswelt der Betroffenen aufzuzeigen.

Methode Fragebögen aus der Qualitätssicherung wurden an 103 Rehabilitanden (stationäres Heilver-fahren, Erstindikation chronische Rückenschmerzen, ICD-10 M50 - M54) mit einer gleich-zeitigen Einladung zu einem persönlichen Interview geschickt (eine Erinnerung nach 30 Tagen). Von den antwortenden 59 Rehabilitanden (61 %) wurden gezielt Personen in Abhängigkeit von den im Fragebogen berichteten Erfolgen gesamplet (purposive sampling). Grundlage bildete die Einteilung der Rehabilitanden in qualitative Erfolgsmuster (Meyer et al., 2009), wobei in dieser qualitativen Studie die Kontrastierung der "generell Erfolgreichen" und "generell Erfolglosen" fokussiert wurde. Neunzehn Rehabilitanden wurden in ihrem Zuhause aufgesucht. Mittels leitfaden-gestützter Interviews wurden die von den Rehabilitan-den in ihren eigenen Schilderungen dargestellten (Miss)Erfolge der Rehabilitation exploriert, ebenso wie der biographische, anamnestische und psychosoziale Kontext der Betroffenen. Die Interviews wurden digital aufgezeichnet und komplett transkribiert. Für jeden Rehabili-tanden wurde eine Fallvignette angelegt, die wesentliche Informationen aus dem Interview zusammenfasst. Die Inhaltsanalyse fokussierte primär auf die Identifzierung von Kategorien, in denen sich die Erfolgsgruppen voneinander unterschieden (Wäntig, 2009).

Ergebnisse Die Rehabilitanden aus der Gruppe der "generell Erfolgreichen" berichteten in den offenen Interviews, dass ihnen die Rehabilitation auf verschiedenen Ebenen geholfen habe, durch Schmerzreduktion bzw. dem Erreichen schmerzfreier Phasen, eine Erhöhung der Mobilität und Leistungsfähigkeit, ein Rückgang bzw. Verzicht auf Schmerzmittelkonsum. Die Rehabili-tation ließ einen wichtigen Stellenwert im Leben der Betroffenen erkennen. Sie zeichneten sich durch eine Motivation aus, ihre Probleme eigeninitiativ und aktiv in den Griff bekommen zu wollen.

Die Gruppe der "generell Erfolglosen" erscheint demgegenüber heterogener. Auf der einen Seite fanden sich Rehabilitanden, die von keinerlei oder allenfalls kurzfristigen Verbesse-rungen, z. T. von Verschlechterungen berichten. Gleichzeitig berichteten Rehabilitanden sehr wohl darüber, Linderung erfahren zu haben, die allerdings entweder kurzfristig sind o-der von einer allgemein schlechten Lebenssituation (z. B. beruflichen bzw. biografischen Sackgassen) oder anderen körperlichen oder psychischen Beschwerden bzw. neu auftre-tenden Problemen komplett überschattet wurden. Insbesondere in dieser Gruppe wurde das Gefühl thematisiert, in der Klinik bzw. im ambulanten Bereich nicht ernst genommen worden zu sein. Die meisten Interviewten wiesen der Rehabilitation in ihrem biographischen Kontext keine besondere Rolle ohne relevante Alltagstransfers zu.

Diskussion Die vorgenommene Gruppierung der Rehabilitanden ergab markante Unterschiede zwi-schen den "generell Erfolgreichen" und den "generell Erfolglosen", die die inhaltliche Validi-tät der Fragebogenangaben deutlich stützen. Das Sampling der Studie war allerdings nicht

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darauf ausgerichtet, differenzielle Unterschiede im mittleren Bereich der Erfolgsbewertung vornehmen zu können.

Schlussfolgerung Indikatoren der Ergebnisqualität auf der Grundlage von Fragebogenangaben durch die Re-habilitanden sind prinzipiell in der Lage, qualitativ bedeutsame Unterschiede im Reha-Erfolg zwischen Rehabilitanden abzubilden.

Literatur Egner, U., Gerwinn, H., Buschmann-Steinhage, R. (2006): Stand der Qualitätssicherung in

der Rehabilitation der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Rehabilitation, 45. 221-231. Meyer, T. (2009): Die Bedeutung subjektiver Erfolgsmaße für die Ergebnisqualität. In: Deut-

sche Rentenversicherung Bund (Hrsg.): Ergebnisqualität in der medizinischen Rehabilita-tion der Rentenversicherung. Berlin. 113-129.

Meyer, T., Pohontsch, N., Maurischat, C., Raspe, H. (2009): Abschlussbericht zum Projekt "Analyse der Wirksamkeit der stationären medizinischen Rehabilitation bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen" für die Deutsche Rentenversicherung Bund. Lübeck: In-stitut für Sozialmedizin.

Wäntig, J. (2009): Erfolg der stationären Rehabilitation bei chronischen Rückenschmerzen aus Sicht der Rehabilitanden. Kontextualisierung der Selbsteinschätzungen im "Fragebo-gen zur Beurteilung der Rehabilitation - somatischer Bereich" aus der Qualitätssicherung der Deutschen Rentenversicherung mithilfe qualitativer Interviews. Unveröffentlichte Dis-sertation. Universität zu Lübeck.

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Qualitätskonzepte (Poster)

Die Bedeutung der Qualitätsmanagementbeauftragten für Aufbau und Weiterentwicklung der Qualitätsmanagementsysteme

in Rehabilitationskliniken

Rundel, M. (1), Körner, M. (2), Kohl, C.F.R. (1) (1) Gesellschaft für Qualitätsentwicklung, Freiburg,

(2) Abteilung für Medizinische Soziologie, Albert Ludwigs-Universität Freiburg

Einleitung Ein großer Teil der Rehabilitationskliniken in Deutschland ist bereits zertifiziert oder in einer fortgeschrittenen Aufbauphase des Qualitätsmanagementsystems (Farin, 2009). In der Re-gel wurden Qualitätsmanagementbeauftragte (QMB) benannt, geschult und mit dem Auf- bzw. Ausbau der Qualitätsmanagementsysteme (QM-Systeme) beauftragt. Bislang gibt es keine Studien, die den Zusammenhang zwischen der Person des QMB, Organisations-merkmalen und der Qualität des Qualitätsmanagementsystems untersucht haben. Ziel der vorliegenden Studie ist die Darstellung von Entwicklungsstand und Funktionsfähigkeit der QM-Systeme in Rehabilitationskliniken sowie des Zusammenhangs zwischen personenbe-zogenen Merkmalen der QMB, organisationsbezogenen Merkmalen und dem Entwicklungs-stand der QM-Systeme.

Methode Im Rahmen einer deutschlandweiten Online-Befragung von QMB in Rehabilitationskliniken (n = 1.176) wurden von Mai bis Juli 2009 Daten zu Aufbau, Funktionsfähigkeit, Entwick-lungsstand der QM-Systeme sowie zu Person und Arbeitsweise/Vorgehen der QMB erfasst. Zum Ausfüllen des Fragebogens wurden ca. 15 bis 20 Minuten benötigt.

Ergebnisse An der Befragung nahmen insgesamt 456 QMB teil, 329 füllten den Online-Fragebogen durchgängig bis zum Ende aus.

Aufbaustand der QM-Systeme

Nahezu alle teilnehmenden Rehabilitationskliniken hatten zum Befragungszeitpunkt ein Qualitätsmanagementsystem eingeführt, zwei Drittel arbeiteten mit zertifizierten Systemen, gut ein Viertel plante die Zertifizierung. Innerhalb der Einrichtungen umfassten die QM-Systeme nahezu alle Bereiche. Zu 50 % waren die Systeme vollständig, zu weiteren 35 % größtenteils aufgebaut. Nahezu alle Einrichtungen gaben QM-Arbeitsstrukturen in ihren Häusern an.

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Funktionsfähigkeit der QM-Systeme

Mit Einführung von Qualitätsmanagement hatten sich die täglichen Abläufe in fast 60 % der Häuser stark, in 35 % etwas verändert. Nach Angaben der QMB wurde das Qualitätsmana-gement von der Leitung sowie den Mitarbeitern in den Kliniken grundsätzlich akzeptiert. Demgegenüber waren die QMB mit den Ressourcen für QM und der Nutzung und aktiven Verbesserung des QM durch die Mitarbeiter nicht zufrieden (Tabelle 1).

trifft voll und ganz zu

trifft über-haupt nicht

zu Verteilung in Prozent

1 2 3 4 5 6

n MW

Die Mitarbeiter-Ressourcen für QM sind ausreichend 8.97 30.69 26.21 16.90 11.03 6.21 290 3.09

Die Mitarbeiter beteiligen sich aktiv an der Verbesserung des QM-Systems

8.27 33.81 35.97 17.27 4.32 0.36 278 2.77

Die Mitarbeiter nutzen die Möglich-keiten des QM-Systems zur Ver-besserung ihrer täglichen Arbeit

8.27 35.61 35.61 15.83 3.96 0.72 278 2.74

Tab. 1: Zufriedenheit der QMB mit der Mitarbeiterbeteiligung am Qualitätsmanagement

Entwicklungsstand der QM-Systeme

Die Erhebung des Entwicklungsstandes der QM-Systeme erfolgte mit Hilfe eine Skala be-stehend aus acht Items, die die QM-Grundsätze der Norm ISO 9000 abbilden. Befragt nach der Umsetzung entlang dieser Grundsätze der ISO bescheinigten die QMB ihren Kliniken eine weitgehend konsequente Kundenorientierung (MW = 1,85, SD = 0,827, Skala von 1 = trifft voll und ganz zu bis 6 trifft überhaupt nicht zu). Kritischer wurden die optimale Nut-zung der Mitarbeiter-Ressourcen (MW = 2,61, SD = 0,985) und die sach- und datenbasierte Entscheidungsfindung (MW = 2,51; SD = 1,109) beurteilt. Der Skalenmittelwert liegt bei 2,26 (SD = 0,74).

Personenbezogene Merkmale der QMB

Die Mehrzahl der Kliniken (88 %) haben nur einen QMB, Stellvertreter sind in nur knapp 30 % benannt. Wenige QMB haben eine Vollzeitstelle (14 %). Die QMB sind im Durchschnitt 44 Jahre alt (Min. 23, Max. 62) und zu 56 % weiblich. Über 60 % besitzen einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss. Ein Viertel war vor der Tätigkeit als QMB bzw. ist noch ne-ben der Tätigkeit als QMB in der Verwaltung tätig, 16 % kommen aus dem ärztlichen und psychologischen Bereich und je 13 % aus dem pflegerischen und therapeutischen Bereich. 55 % der QMB besitzen eine Leitungsfunktion in der Klinik. Für die QM-Arbeit stehen den QMB im Mittel ca. 20 Wochenstunden zur Verfügung.

Zusammenhang zwischen QMB, Organisation und Entwicklungsstand der QM-Systeme

Die organisationsbezogenen Variablen (ausreichende Mitarbeiterressourcen (ß = ,330, p < ,001), klare Position (ß = ,247, p < ,001), Wertschätzung durch die Leitung (ß = ,237 p < ,001), Mitbestimmung (ß =,148, p = ,016)) sowie die personenbezogenen Merkmale (Problemlösungsfähigkeit (ß = ,163, p = ,001) und Beruf (ß = -,117, p = ,014)) haben einen signifikanten Einfluss auf den Entwicklungsstand des QM-Systems (F = 45,027, p < ,001, korr. R-Quadrat: ,60). Betrachtet man ausschließlich die personenbezogenen Merkmale so

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ist der Entwicklungsstand der QM-Systeme (F = 12,335, p < ,001, korr. R-Quadrat: ,25) be-einflusst von der allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung (ß = -,35, p = ,001), der Einsatz-bereitschaft (ß = -,167, p = ,013), der Durchsetzungsfähigkeit (ß = -,201, p = ,003), dem Be-rufsstand (ß = -,16, p = ,010) und der Kooperationsbereitschaft (ß = ,168, p = ,011) der QMB.

Diskussion und Schlussfolgerung Die Systeme werden derzeit insbesondere von den Mitarbeitern noch nicht vollständig um-gesetzt und entfalten somit noch zu wenig ihre Verbesserungspotentiale. Leitung, QMB und Mitarbeiter sind gefordert, die QM-Systeme den eigenen Aufgaben und Anforderungen an-zupassen, um so einen höheren Nutzungsgrad zu erzielen. Spezifische Mitarbeiterbefra-gungen zu deren Wünschen und Vorstellungen hinsichtlich der Gestaltung der QM-Systeme könnten hierzu einen substantiellen Beitrag leisten. Erwartungsgemäß (siehe z. B. Som-merhoff, 2008) hat der QMB einen hohen Stellenwert in den Kliniken. Demnach kann der QMB als ein wesentlicher Erfolgsfaktor für den Aufbau und die Entwicklung des QM-Systems betrachtet werden. Die organisationsbezogenen Bedingungen zeigen in der Studie allerdings eine noch größere Relevanz. Die Ergebnisse liefern wesentliche Anhaltspunkte für Organisations- und Personalentwicklungsmaßnahmen, welche die Rahmenbedingungen optimieren und die Kompetenzen der QMB fördern, um damit die Entwicklung des QM-Systems zu unterstützen.

Literatur Farin, E. (2009): Befragung zu den Erfahrungen von Vorsorge- und Rehabilitationskliniken

mit externer Qualitätssicherung und internem Qualitätsmanagement. URL: http://skl14b. ukl.uni-freiburg.de/aqms/live/abgProjekte/Qualitaetssicherung/BefragReha.html. Abruf: 02.11.2009.

Sommerhoff, B. (2008): Qualitätsmanager im Selbst- und Fremdbild - Job oder Berufung?. QZ, 12. 24-29.

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Qualitätssiegel geriatrische und neurologische Rehabilitation in Rheinland-Pfalz - Welches Verbesserungspotenzial kann durch

Zertifizierung generiert werden?

Freidel, K. Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz, Alzey

Hintergrund Die Qualitätssiegel für geriatrische und neurologische Rehabilitation in Rheinland-Pfalz wur-den gemeinsam von Krankenkassen, Einrichtungen und den Medizinischem Dienst der Krankenversicherung (MDK) Rheinland-Pfalz entwickelt und im Jahr 2004 etabliert. Die Qualitätssiegel verfolgen das Ziel, für Versicherte und Rehabilitanden eine optimale Versor-gung in der Rehabilitation sicher und transparent darzustellen sowie die Einrichtungen bei der Organisationsentwicklung zu unterstützen. Die Qualitätssiegel stellen Strukturanforde-rungen (Räumlichkeiten, Personal, Geräte), Prozessanforderungen (Ablauforganisation und Leistungserbringung) sowie Anforderungen an die durch EVA-Reha® abgebildete Ergebnis-qualität (Noack et al., 2005). Die Kriterien der Qualitätssiegel werden von den Einrichtungen in Qualitätshandbüchern dokumentiert und durch jährliche Begehungen überprüft. In der ge-riatrischen Rehabilitation in Rheinland-Pfalz hat sich das Verfahren etabliert und fünf von sechs Kliniken sind zertifiziert. In der Neurologischen Rehabilitation ist eine der sechs Klini-ken zertifiziert.

Fragestellung und Methodik Vor dem Hintergrund der Umsetzung des § 20 SGB IX stellte sich die Frage, ob das koope-rative Modell der Qualitätssiegel Rehabilitation in Rheinland-Pfalz geeignet ist, Mehrwert zu generieren. Als Kriterien wurden die in den Audits identifizierten und in der Folge umgesetz-ten Verbesserungspotenziale herangezogen.

Ergebnisse Insgesamt wurden seit 2004 im Rahmen der Qualitätssiegel 28 Zertifizierungs- und Überwa-chungsaudits durchgeführt. Dabei wurden 284 Verbesserungspotenziale identifiziert und den Einrichtungen mitgeteilt. In den jeweiligen Folgeaudits wurde die Umsetzung der Hin-weise und Abweichungen durch das Auditorenteam überprüft. Dabei zeigte sich, dass 88 % der Hinweise von den Einrichtungen aufgegriffen und zur Verbesserung der Abläufe genutzt werden konnten.

Diskussion Die Ergebnisse zeigen, dass das Zertifizierungsverfahren der Qualitätssiegel Rehabilitation in Rheinland-Pfalz geeignet ist, die Einrichtungen bei der Organisationsentwicklung zu un-terstützen. Die Umsetzung der Audits durch die drei tragenden Säulen des Siegels Kran-kenkassen, Einrichtungen und MDK kann nur auf der Grundlage einer vertrauensvollen Ba-sis im Sinne einer Qualitätspartnerschaft funktionieren. Gleichzeitig wäre es naiv anzuneh-men, dass in Zeiten knapper Ressourcen der notwendige Konsens einfach zu erreichen wä-re. Folgerichtig ist das Modell so lange erfolgreich, wie die Störvariablen zum Beispiel durch parallele Vergütungsverhandlungen handhabbar sind. Zertifizierungen können nur dann zum

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Erfolg eines Unternehmens beitragen, wenn sie die Einrichtungen dort abholen, wo sie sind. In diesem Sinn ist der Auditor einerseits zwar immer ein Prüfer; aber mindestens genauso wichtig für die Einrichtung sind die davon ausgehenden Impulse. Der wesentliche Faktor für den Erfolg von Zertifizierungen ist die gegenseitige Vertrauensbasis. Die Ergebnisse bestä-tigen Organisationsentwicklungskonzepte, die davon ausgehen, dass Verbesserungen am besten als kontinuierlicher Prozess mit realisierbaren Zwischenschritten umzusetzen sind. Die Qualitätssiegel haben auch Einrichtungen mit wenig QM-Vorerfahrung einen effektiven Einstieg in den ständigen Verbesserungsprozess ermöglicht.

Ausblick Die Weiterentwicklung des Verfahrens im Hinblick auf die Umsetzung der gesetzlichen Vor-gaben des § 20 SGB IX (Stähler. Cibis, 2008) ist eingeleitet, die den Einrichtungen eine wei-tere interessante Perspektive eröffnet. Das Konzept bietet damit auch den Weg zur DIN EN ISO 9001 an. Gleichzeitig wurde das Verfahren an Vorgaben der ISO/IEC 17021 angepasst, die die konsequente Unabhängigkeit der Auditoren vorgibt, so dass das Auditorenteam künf-tig aus MDK-Mitarbeitern besteht.

Literatur Noack, M., Schneider, T., Nosper, M. (2005): Eva-Reha: Eine Software zur Unterstützung

des ergebnisorientierten Qualitätsmanagements in der Rehabilitation. Gesundheitswe-sen, 67. 289-295.

Stähler, T.P., Cibis, W. (2008): Qualitätsmanagement und Zertifizierung von stationären Re-habilitationseinrichtungen - Umsetzung des § 20 Abs. 2a SGB IX. Die Rehabilitation, 47. 126-128.

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Leitlinien und Reha-Therapiestandards

Das Leitlinienprogramm der Deutschen Rentenversicherung: Kann der Geltungsbereich bestehender Leitlinien/Reha-Therapiestandards

ausgedehnt werden?

Bitzer, E.M. (1,2), Dörning, H. (1), Brüggemann, S. (3) (1) Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung, Hannover,

(2) Pädagogische Hochschule Freiburg, (3) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund Im Rahmen eines von der Deutschen Rentenversicherurng Bund beauftragten Projektes wurde geprüft, inwieweit sich die bestehenden sechs Leitlinien (inzwischen Reha-Therapie-standards) - ggf. nach entsprechender Modifikation - auf ähnliche Erkrankungen des glei-chen Indikationsgebietes ausdehnen lassen.

Methodik (1) Identifikation von Erkrankungen, auf die der Geltungsbereich potenziell ausgedehnt wer-den könnte. Dazu erfolgte eine Sichtung der in den Materialienbänden zu den Leitlinien dar-gestellten Ergebnisse der Phase 1 der Leitlinienerstellung, ob die dort untersuchten Inter-ventionen bzw. einbezogenen Studien bereits Hinweise auf weitere Erkrankungen beinhal-ten (z. B. indem Patienten mit entsprechenden Erkrankungen Bestandteil der Untersu-chungsstichproben gewesen sind). Als Ergebnis wurde pro Leitlinie definiert, für welche an-deren Erkrankungen aus dem Indikationsgebiet einzelne Therapiemodule der Leitlinie auch geeignet sein könnten. (2) Analyse des therapeutischen Spektrums bei Rehabilitanden, für die (a) die Leitlinie gilt und (b), mit einer Erstdiagnose, auf die der Geltungsbereich poten-ziell ausgedehnt werden könnte. Für die verschiedenen Subgruppen wurden folgende Indi-katoren berechnet:

1. Gesamttherapiezeit, leitlinienrelevante Therapiezeit, Anzahl unterschiedlicher dokumen-tierter KTL-Codes und Anzahl leitlinienrelevanter KTL-Codes pro Rehabilitation

2. Zeitlicher Umfang leitlinienrelevanter Leistungen pro Therapiemodul

3. Anteil leitliniengerecht behandelter Rehabilitanden pro Therapiemodul

Grundgesamtheit für die KTL-Analyse bilden die pseudonymisierten Daten aller erwachse-nen, regulär entlassenen Rehabilitanden (> 18 Jahre) des Jahres 2007 der Deutschen Ren-tenversicherung. Für die Analysen zum therapeutischen Leistungsgeschehen wurde die Da-tenbasis auf Personen beschränkt, die eine Erstdiagnose aus dem bisherigen oder dem po-tenziellen Geltungsbereich der Leitlinie aufweisen und deren Rehabilitation mindestens 18 Tage dauerte. In die Analyse der dokumentierten Leistungen gehen nur gültige KTL-Codes ein, bei denen eine kalkulationsfähige Angabe zur Therapiedauer vorliegt.

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Ergebnisse Nach Sichtung der Materialienbände besteht bei den Leitlinien "Brustkrebs" und "Koronare Herzkrankheit" Potenzial, den Geltungsbereich auf andere als die primär in der Leitlinie ad-ressierten Erkrankungen zu erweitern. So könnte die Leitlinie "Koronare Herzkrankheit" auf "Erkrankung der Herzklappen", "Herzinsuffizienz" und "Herztransplantation" ausgedehnt werden Für die Leitlinie "Brustkrebs" kommen (zumindest bei einzelnen Therapiemodulen) grundsätzlich andere Krebserkrankungen in Betracht.

Die derzeit vorliegenden Leitlinien galten im Jahr 2007 für 77.883 Rehabilitanden. Damit wurden insgesamt ca. 16 % aller Rehabilitanden im Bereich der Deutschen Rentenversiche-rung abgedeckt. 34,4 % der Patienten, für die eine der Leitlinien gilt, fallen unter den Gel-tungsbereich der Leitlinie "Brustkrebs", 25,4 % unter die Leitlinie "Koronare Herzkrankheit", die damit den größten Beitrag leisten. Unter einer der Diagnosen, auf die Leitlinie "Koronare Herzerkrankung" nach Sichtung der Literatur potenziell erweitert werden kann, wurden im Jahr 2007 1.087 Personen rehabilitiert. Unter den 90.062 Rehabilitanden des Jahres 2007 mit einer Erstdiagnose aus dem ICD-Kapitel "Bösartige Neubildungen" traten 87 verschie-dene ICD-kodierte Krebsdiagnosen auf. Die 10 häufigsten Diagnosen umfassen ca. 71.000 Personen und damit 78,5 % aller Patienten mit bösartigen Erkrankungen. Die Diagnose "Brustkrebs" ist mit Abstand die häufigste bösartige Neubildung im Rehabilitandengut der Deutschen Rentenversicherung (26.782 Betroffene). Insgesamt neun weitere Krebserkran-kungen kommen im Rehabilitandengut der Deutschen Rentenversicherung so häufig vor, dass eine Leitlinie bzw. eine Erweiterung des Geltungsbereichs sinnvoll erscheint.

Die KTL-Analyse ergibt, dass Patienten, die aufgrund ihrer Erstdiagnose in den Geltungsbe-reich einer der beiden Leitlinien fallen, im Vergleich zu Patienten mit einer Erstdiagnose, auf die der Geltungsbereich der Leitlinie potenziell ausgedehnt werden kann, mehr leitlinienrele-vante Leistungen der jeweiligen Leitlinie erhalten. Ihre aktuelle rehabilitative therapeutische Versorgung entspricht den Mindestanforderungen der Leitlinien am besten. Beispielsweise beträgt der Anteil leitlinienentsprechender Therapiezeit an der Gesamttherapiezeit bei Re-habilitanden in Geltungsbereich der Leitlinie "Koronare Herzkrankheit" 71 %, und bewegt sich bei den drei anderen untersuchten Erkrankungen zwischen 67 % (Herztransplantation) und 70 % (Herzinsuffizienz). Der Anteil leitlinienentsprechender Therapiezeit an der Ge-samttherapiezeit bei Brustkrebspatientinnen beträgt 78 %. Bei den anderen Krebserkran-kungen liegt er zwischen 68 % (Harnblasenkarzinom, Lungenkarzinom) und 75 % (Ovarial-karzinom). Vergleicht man, auf welche Therapiemodule die leitlinienrelevante Therapiezeit entfällt, bzw. wie viel Therapiezeit auf die einzelnen Therapiemodule verwandt wird, werden indikationsspezifisch begründbare Unterschiede deutlich: So erhalten beispielsweise Patien-ten mit Magen-, Kolon- oder Rektumkarzinom deutlich mehr theoretische Ernährungsbera-tung als Patientinnen mit Brustkrebs, wohingegen Brustkrebspatientinnen mit Abstand die meiste Lymphödemtherapie erhalten.

Die Analysen belegen insgesamt, dass das therapeutische Spektrum bei Patientinnen mit Ovarialkarzinom und (in etwas geringerem Ausmaß) bei Patientinnen mit Gebärmutterkrebs dem von Patientinnen mit Brustkrebs in hohem Maß gleicht. Das therapeutische Spektrum bei Patienten mit Herzinsuffizienz und (in etwas geringerem Ausmaß) bei Patienten mit Er-krankungen der Herzklappen ist gut mit dem von Patienten mit koronarer Herzerkrankung vergleichbar.

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Ausblick Die Analysen zum therapeutischen Spektrum belegen die Spezifität der Leitlinien: Rehabili-tand(inn)en im Geltungsbereich einer Leitlinie erhalten mehr leitlinienrelevante Leistungen als Rehabilitand(inn)en mit anderen Erstdiagnosen. Eine Erweiterung des Geltungsbereichs der Leitlinie "Brustkrebs" auf die Indikationen "Ovarialkarzinom" und "Gebärmutterkrebs" er-scheint inhaltlich sinnvoll und möglich. Dies würde dazu führen, dass deutlich mehr Patien-tinnen als bisher in den Geltungsbereich von Leitlinien fallen würden. Eine Erweiterung des Geltungsbereichs der Leitlinie "Koronare Herzkrankheit" auf die Indikationen "Erkrankung der Herzklappe" und "Herzinsuffizienz" erscheint zwar inhaltlich durchaus sinnvoll. Da aber nur relativ wenige Patienten von diesen Erkrankungen betroffen sind, können von der Erwei-terung des Geltungsbereichs keine größeren Effekte in Bezug auf die Qualität der Versor-gung erwartet werden.

Entwicklung von Therapiestandards zur Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen - Phase 3: Ergebnisse der Expertenbefragung

Ahnert, J., Löffler, S., Müller, J., Vogel, H. Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie, Universität Würzburg

Hintergrund Die Deutsche Rentenversicherung fördert im Rahmen ihres Leitlinienprogramms verschie-dene Projekte zur Erstellung evidenzbasierter und empirisch abgesicherter Reha-Therapie-standards (Korsukéwitz, 2003). Der Entwicklung der Reha-Therapiestandards liegt ein vier Phasen umfassendes einheitliches Vorgehen zugrunde: (1) systematische Literaturanalyse zur Identifizierung evidenzbasierter Therapieempfehlungen, (2) vorläufige Definition von Therapiemodulen und Abgleich mit dem aktuellen Leistungsgeschehens anhand der KTL-Statistik, (3a) schriftliche Expertenbefragung aller am Therapieprozess beteiligten Berufs-gruppen sowie Fachgesellschaften, (3b) Erarbeitung der Reha-Therapiestandards unter Be-teiligung von Experten verschiedener Berufsgruppen und (4) Implementierung der Pilotver-sion der Reha-Therapiestandards in ausgewählten Reha-Kliniken sowie Evaluation der Ak-zeptanz. Im vorliegenden Projekt werden Therapiestandards für die Rehabilitation von Kin-dern und Jugendlichen der Indikationen Asthma bronchiale, Adipositas und Neurodermitis nach diesem Konzept entwickelt, die sowohl den Ausgangspunkt für ein einrichtungsinter-nes Qualitätsmanagement als auch die Grundlage für die Ausgestaltung einrichtungsüber-greifender Qualitätssicherungsmaßnahmen bilden können. Die Ergebnisse der Phasen 1 und 2 liegen vor (Ahnert et al., 2009; Löffler et al., 2009). Vorgestellt werden ausgewählte Ergebnisse der Phase 3.

Methodik Um empirisch fundierte Hinweise zur optimalen Ausgestaltung der in Phase 2 entwickelten, evidenzbasierten Therapieempfehlungen zu gewinnen, wurde im Frühjahr 2009 eine bun-desweite schriftliche Befragung bei Vertretern der an der Rehabilitation beteiligten Berufs-gruppen, Reha-Klinikern sowie Fachgesellschaften und -verbände durchgeführt. Dazu wur-

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de für jedes in der Literaturrecherche extrahierte Therapiemodul ein Fragebogen zur inhaltli-chen und formalen Ausgestaltung erstellt. Bei der standardisierten Befragung wurden 32 von der Deutschen Rentenversicherung belegte pädiatrische Reha-Einrichtungen, in denen Kinder und Jugendliche mit den Indikationen Asthma bronchiale, Adipositas und/oder Neu-rodermitis behandelt werden und 13 relevante Fachgesellschaften und Fachverbände ange-schrieben. Die Auswertung erfolgte deskriptiv auf der Basis von Häufigkeitstabellen und Mit-telwerten. Die Ergebnisse wurden aufbereitet und waren ebenso wie die Ergebnisse der KLT-Analysen über die gegenwärtige Versorgungssituation in den Reha-Kliniken und die Literaturanalyse wesentliche Grundlage für die Expertengespräche, in denen ein vorläufiger Konsens für einheitliche Therapiestandards in der Kinder-/Jugendlichenrehabilitation erar-beitet wurde.

Ergebnisse Erwartungsgemäß werden die Therapiemodule mit hoher empirischer Evidenz in der schrift-lichen Befragung von der Mehrheit der Experten (Rücklauf 67 %) als geeignet erachtet. Deutliche Unterschiede zeigen sich teilweise zwischen den Empfehlungen der Experten und der tatsächlichen Durchführung, dokumentiert über die KTL-Analyse (Phase 2). So stimmen die Empfehlungen der Experten z. B. für die Indikation Adipositas im Modul "Bewegungsthe-rapie" relativ gut überein mit den "Ist-Werten" aus der KTL-Analyse, während beim Thera-piemodul "Entspannung" diesbezüglich eindeutige Unterschiede erkennbar sind. Im Rah-men des Expertenworkshops (Phase 3b) mit ca. 50 Teilnehmern aus dem Kreis der zuvor schriftlich Befragten wurden für die ermittelten Therapiemodule die therapeutischen Inhalte, die Mindestdauer und -häufigkeit sowie der Mindestanteil an Rehabilitanden, die Leistungen aus dem Modul erhalten sollen, festgelegt und konsentiert. Zu den Therapiemodulen, die indikationsübergreifend identifiziert wurden, gehören Bewegungstherapie, Patientenschu-lung, Angehörigengespräche, Gesundheitsbildung, Psychologische Beratung und Therapie, Stärkung von Selbstwahrnehmung und Handlungskompetenz, Sozial- und sozialrechtliche Beratung, Unterstützung der beruflichen Integration, Nachsorge, schulische und soziale In-tegration. Diese Module wurden zusätzlich um weitere indikationsspezifische Therapiemo-dule ergänzt. Im Ergebnis liegen nun drei vorläufige Reha-Therapiestandards für Asthma bronchiale, Adipositas und Neurodermitis vor, bei denen jeweils Differenzierungen nach den drei Altersgruppen unter 8 J. alt, zwischen 8 und 13 J, älter als 13 J. vorgenommen wurden.

Diskussion/ Ausblick Therapiestandards der medizinischen Rehabilitation sollten sich, wie Leitlinien generell, auf die bestverfügbare Evidenz stützen. Für den Bereich der medizinischen Rehabilitation liegt allerdings nur für ausgewählte Therapiebausteine Evidenz im Sinne kontrollierter empiri-scher Studien vor. Mit dem zuvor beschriebenen Vorgehen wurde versucht, den wün-schenswerten Expertenkonsens über Behandlungsanforderungen in strukturierter und transparenter Weise zu erarbeiten. Der erzielte Konsens wird nun im Sinne einer ersten (Pi-lot-)Version der Therapiestandards in einer Erprobungsphase implementiert (Phase 4), be-vor letzte Änderungen für die erste veröffentlichte Version vorgenommen werden.

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Literatur Ahnert, J., Löffler, S., Müller, J., Vogel, H. (2009): Entwicklung einer evidenzbasierten Pro-

zessleitlinie zur Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen mit Asthma bronchiale - Phase 1: Bewertende Literaturanalyse. DRV-Schriften, Bd. 83. 141-142.

Korsukéwitz, C., Rose, S., Schliehe, F. (2003): Zur Bedeutung von Leitlinien für die Rehabili-tation. Die Rehabilitation, 42 (2). 67-73.

Löffler, S., Ahnert, J., Schuler, M., Müller, J., Vogel, H. (2009). Prozessleitlinie für die statio-näre Rehabilitation von Kindern- und Jugendlichen - Phase 2: Ergebnisse der KTL-Analyse am Beispiel der Indikation Asthma bronchiale. DRV-Schriften, Bd. 83. 142-143.

Leitlinienkonformität rehabilitativer Maßnahmen nach Bandscheiben-Operation

Bauknecht, M., Braun, B., Müller, R. Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen

Hintergrund Eine Analyse der derzeit in deutscher Sprache vorliegenden evidenzbasierten Leitlinien zur rehabilitativen Behandlung von bandscheibenoperierten Patienten erbringt wenige quantifi-zierende Hinweise (AWMF, 2005; DGNC, 2006; DGRW, 2006; DRV, 2002-2005). Dies gilt vor allem für die Analyse sektorübergreifender Behandlungsverläufe. Für die Weiterentwick-lung von Leitlinien ist es jedoch unverzichtbar, ihre Qualität an der tatsächlichen Versor-gungsrealität, also quantifizierbaren Größen in den Versorgungsdaten, zu messen. Auf Ba-sis von Routinedatenanalysen wird daher das Versorgungsgeschehen mit den Leitlinien verglichen. Dabei erfolgt eine Konzentration auf spezifische Bandscheibenerkrankungen zervikale Bandscheibenschäden (ICD10: M50.1), zervikale Bandscheibenverlagerungen (M50.2), lumbale und sonstige Schäden (M51.1) und sonstige Bandscheibenverlagerungen (M51.1).

Methodik Die vorliegenden Leitlinien und die Routinedaten der Gmünder Ersatzkasse (GEK) wurden auf vergleichbare, möglichst quantifizierbare Inhalte überprüft. Vier Leitlinien wurden analy-siert und die relevanten Angaben, wenn möglich, nach Grad der Evidenz klassifiziert. Es er-gaben sich folgende Untersuchungsfragen:

- Wie häufig erhalten Patienten, die stationär an den Bandscheiben operiert wurden, eine Rehabilitationsmaßnahme?

- Welche spezifischen medizinischen Leistungen erhalten die Patienten insgesamt post-stationär?

- Zu welchem Zeitpunkt erhalten die Patienten poststationär ihre Maßnahme?

- Entsprechen die gefundenen Ergebnisse den relevanten Empfehlungen in den Leitli-nien?

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In der Auswertung wurden die poststationären rehabilitativen Maßnahmen in Abhängigkeit von Maßnahmeart und Zeitpunkt des Beginns analysiert. Die Auswertungen wurden dabei auch separat für die spezifischen Diagnosen durchgeführt.

Ergebnisse Knapp 23 % der wegen eines Bandscheibenschadens oder einer Bandscheibenverlagerung operierten Patienten erhielten in den ersten 180 Tagen nach Entlassung aus dem Kranken-haus eine Anschlussheilbehandlung (AHB) oder eine Rehabilitationsmaßnahme. In der di-agnosedifferenzierten Betrachtung zeigt sich, dass die Patienten mit Operation eines lumba-len oder thorakalen Wirbelsäulensegments zu einem deutlich höheren Prozentsatz eine An-schlussheilbehandlung oder eine Rehabilitationsmaßnahme erhielten als die an einem zer-vikalen Bandscheibensegment operierten Patienten. 15 % der operierten Patienten erhielten poststationär eine AHB, 7,8 % eine Rehabilitationsmaßnahme.

Nachvollziehbar scheint die höhere Anzahl der Anschlussheilbehandlungen als derjenigen Maßnahme, die direkt im Anschluss an den Krankenhausaufenthalt eingeleitet werden soll (AWMF, 2005; DRV 2008). In ihrer Gesamtheit erscheint die Verordnungsfrequenz jedoch gering. Darum ist es in diesem Zusammenhang interessant zu betrachten, welche Heilmit-telverordnungen außerdem poststationär erfolgten. Um eine Vergleichbarkeit mit den Emp-fehlungen der Leitlinien herzustellen, wurden jeweils spezifische "aktivierende" und spezifi-sche "passive" Maßnahmen zusammengefasst. Es zeigt sich ein deutliches Übergewicht der aktivierenden Maßnahmen (63,9 %) gegenüber passiven Maßnahmen (25,7 %), was den Empfehlungen der Leitlinien entspricht (DGNC, 2006).

Der Zeitpunkt der Durchführung poststationärer Maßnahmen variiert mit der Maßnahmenart. Wenn eine AHB durchgeführt wird, beginnt sie in aller Regel in den ersten 4 Wochen nach dem Krankenhausfall. Einige wenige Fälle beginnen allerdings erst im nachfolgenden Zeit-raum bis zu einem halben Jahr, was den Empfehlungen der Leitlinien bzw. der Deutschen Rentenversicherung nicht entspricht (DRV, 2008). Die Umsetzung sonstiger Rehabilitati-onsmaßnahmen erfolgt deutlich häufiger erst nach Ablauf der ersten vier Wochen poststati-onär.

Diskussion Leitlinien geben Hinweise auf die frühzeitige Aktivierung des Patienten oder eine Vorstellung zum Zeitpunkt des Rehabilitationsbeginns. Beides kann mittels Routinedaten überprüft und so Hinweise auf die Qualität der Versorgung von Bandscheibenpatienten gewonnen werden.

Für die Weiterentwicklung von Leitlinien ist zu empfehlen, eine präzisere Empfehlung für den Beginn einer Anschlussheilbehandlung oder einer Rehabilitationsmaßnahme, oder auch eine ausführlichere Beschreibung von Art und Zeitpunkt ambulant durchführbarer Therapie-formen vorzunehmen. So könnten überprüfbare Kriterien gebildet werden, die die Flexibilität, die eine Leitlinie der Behandlung garantieren soll, nicht beeinträchtigt.

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Literatur Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)

(2005): Rehabilitation bei Bandscheibenvorfall mit radikulärer Symptomatik und nach Bandscheibenoperation. URL: http://leitlinien.net/, Abruf 15.01.09.

Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC) (2006): Leitlinie: Lumbaler Bandschei-benvorfall. URL: http://www.klinikum-fulda.de/klin/neuch/allg/Lumbaler_BSV.pdf. Abruf: 10.10.2009.

Deutsche Rentenversicherung (DRV) (2002-2005): Leitlinien zur sozialmedizinischen Leis-tungsbeurteilung bei Bandscheiben- und bandscheibenassoziierten Erkrankungen. URL: http://www.reha-qm.de/resources/05_Leitlinie_leistungsf$C3$A4higkeit_ bandscheibe_pdf.pdf, Abruf 17.10.2009.

Deutsche Rentenversicherung (2008): Unter welchen Voraussetzungen kann ich eine An-schlussrehabilitation erhalten? URL: www.deutsche-rentenversicherung.de/nn_15766 /ShareDocs/de/Inhalt/03__Rehabilitation/01__leistungen/03__anschlussheilbehandlung/voraussetzungen.html, Abruf 29.10.2009.

Universität Witten, Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW) (2006): Leitlinie zur medizinischen Rehabilitation für Patientinnen und Patienten im er-werbsfähigen Alter nach lumbaler Bandscheibenoperation (S2). URL: http://www.rehaforschung-nrw.de/forsch_proj/documents/Leitlinie_Reha_Bandscheiben OP_20070227.pdf, Abruf 17.10.2009.

Therapiezielorientierte Rehabilitationsleitlinie für die Indikation Asthma

Schnabel, M., Fischer, J. Universität Witten/Herdecke

Einführung und Hintergrund Im Zuge der Leitlinienentwicklung im Institut für Rehabilitationsforschung am Lehrstuhl für Rehabilitationswissenschaften der Universität Witten/Herdecke (Prof. Fischer) ist in den letz-ten Jahren ein Konzept für die interdisziplinäre Erstellung von therapiezielorientierten Reha-bilitationsleitlinien entwickelt worden.

Das Konzept ermöglicht es, auf Basis der Qualitätsvorgaben der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF und ÄZQ, 2001) Leitlinien für die unterschiedlichsten Indikationen in Zusammenarbeit mit den betreffenden Fachge-sellschaften und den beteiligten Professionen effizient und zeitnah zu erstellen. Das Verfah-ren zeichnet sich durch eine hohe Übersichtlichkeit aus, die eine praxisnahe Umsetzung ermöglicht.

Für die Indikationen Rehabilitation nach Bandscheibenoperation und COPD liegen ent-sprechende Leitlinien bereits vor (Fischer et al., 2007). Die Bereiche Asthma und Adipositas stehen kurz vor ihrer Vollendung. Förderer der Projekte ist der Verein zur Förderung der Rehabilitationswissenschaften e.V. Norderney.

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Methodik Die Qualitätsvorgaben der AWMF bestimmen zu einem großen Teil die wichtigen Elemente und Verfahrensweisen bei der Entwicklung von Leitlinien. Dazu gehört neben der interdis-ziplinären Zusammensetzung der teilnehmenden Experten und der umfangreichen Recher-che bezüglich der wissenschaftlichen Evidenz von therapeutischen Maßnahmen auch die Art der Konsensfindung. Neben diesen Vorgaben, die letztendlich die Bedingungen für eine Leitlinie der Stufe 2 bilden, wird in dem Konzept des Instituts auch der Bereich der Logik be-rücksichtigt.

Basis der Leitlinie bildet ein 15-teiliger Algorithmus, der den idealen Ablauf einer Rehabilita-tion von der Überleitung aus dem Akutbereich bis hin zur Entlassung und Weiterleitung des Patienten in die Nachsorge beschreibt. Zu jedem Element des Algorithmus geben Textbau-steine Hinweise zu Strukturen, Prozessen und Ergebnissen der Rehabilitation. Die meisten dieser Hinweise sind dabei indikationsübergreifend.

Während diese indikationsneutralen Bereiche in dem Entwicklungsverfahren nur noch auf ihre Gültigkeit im Konsensverfahren überprüft werden müssen, werden die indikations-spezifischen Elemente nach den AWMF-Vorgaben erarbeitet. Dabei erleichtert das Vorhan-densein akutmedizinischer Leitlinien oder Nationaler Versorgungsleitlinien diesen Prozess erheblich (Bundesärztekammer et al., 2009). Das Hauptaugenmerk liegt schließlich in der Festlegung indikationstypischer Therapieziele. Diesen Zielen, die auf unterschiedlichen Be-trachtungsebenen angesiedelt werden können (z. B. somatisch oder funktional), werden entsprechende Maßnahmen zugeordnet, die entweder nachweislich, also durch For-schungsergebnisse bestätigt, wirksam sind oder im Konsens als wirksam betrachtet werden. Dies ermöglicht neben der sehr guten Übersichtlichkeit auch eine genaue Ergebnismes-sung.

Ergebnisse Die Leitlinie liegt seit September 2009 als Beschlussvorlage für die abschließenden Kon-sensverfahren vor. In mehreren Delphi-Runden und Arbeitstreffen konnten die beteiligten Experten einen überarbeiteten und an die Indikation adaptierten Text verabschieden. Zudem sind die Therapieziel-Maßnahmen-Tabellen auf Basis der vorliegenden Evidenz und der Er-fahrungen der Experten zusammengestellt worden.

Schlussfolgerungen und Diskussion Die Rehabilitationsleitlinie Asthma soll den aktuellen Stand der Wissenschaft bei der Be-handlung von Patienten mit Asthma in kurzer prägnanter Form darstellen. Es ist eine voll-ständige Leitlinie, die den Anforderungen genügen und gleichzeitig durch ihre Kompaktheit eine hohe Praxistauglichkeit gewährleisten soll.

Ein Kernpunkt ist die konsequente Ausrichtung der Maßnahmenbeschreibung an Therapie-zielen. Dies ist eine Grundlage, um die in letzter Zeit öfter diskutierten Probleme bei der Zielorientierung in der Rehabilitation zu beheben (Meyer et al., 2009). Die Festlegung von Therapiezielen ist deshalb so wichtig, weil sie eine durchgängige Versorgung auch in die Nachsorge hinein bietet und den Patienten durch die intensive Einbindung bei der Therapie-zielfestlegung mit dem Sinn und den Möglichkeiten der Rehabilitation besser vertraut ma-chen kann. In diesem Kontext ist auch die Integration der Internationalen Klassifikation der

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Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) als Therapiezielkodierung zu verste-hen.

Die Leitlinie erscheint in einer Langversion, welche auch die Informationen zur Methodik enthält, in einer Kurzversion für den klinischen Alltag und als Patienteninformation. Weitere Versionen für das Internet oder als Therapieplanungsprogramm sollen das Angebot abrun-den.

Literatur AWMF und ÄZQ (2001): Das Leitlinien-Manual der AWMF und ÄZQ. Zeitschrift für ärztliche

Fortbildung und Qualitätssicherung, Supplement 1. Urban & Fischer. Fischer, J., Schnabel, M., Sitter, H. (2007): Rehabilitation von Patienten mit Chronisch Ob-

struktiver Lungenerkrankung (COPD). Pneumologie, 61. 233-248. Bundesärztekammer, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachge-

sellschaften, Kassenärztliche Bundesvereinigung (Träger) (2009): Nationale Versorg. URL: www.asthma.versorgungsleitlinien.de.

Meyer, T., Pohontsch, N., Raspe, H. (2009): Zielfestlegungen in der stationären somati-schen Rehabilitation - die Herausforderung bleibt. Die Rehabilitation, 48. 128-134.

Entwicklung von Reha-Therapiestandards für die Rehabilitation von Patienten mit depressiven Störungen - Phase 3: Ergebnisse eines

Expertenworkshops und einer Patientenbefragung

Barghaan, D., Schulz, H., Koch, U., Dirmaier, J. Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie,

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Einführung Reha-Therapiestandards werden als wichtiger Beitrag für die Sicherstellung und Optimie-rung der Behandlungsqualität angesehen (Brüggemann, Korsukéwitz, 2004). Mit dem Ziel, neben den schon bestehenden struktur-, prozess- und ergebnisorientierten Qualitätssiche-rungsverfahren die Versorgung verbessern zu können, werden seit einigen Jahren im Auf-trag der Deutschen Rentenversicherung für verschiedene Indikationsbereiche der Rehabili-tation Reha-Therapiestandards, bestehend aus evidenzbasierten Therapiemodulen (ETM), entwickelt, derzeit u. a. auch für den Bereich der Rehabilitation von Patienten mit depressi-ven Störungen.

Methodik Die Entwicklung der Reha-Therapiestandards Depressive Störungen folgt einem von der Gesetzlichen Rentenversicherung entwickelten vierstufigen Vorgehen (Brüggemann, 2005): In einer ersten Phase sollen mittels einer systematischen Literaturanalyse evidenzbasierte Therapiemodule (ETM) identifiziert werden (Dirmaier et al., eingereicht), die dann in einer zweiten Phase anhand der Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL, Deutsche Ren-tenversicherung, 2007) mit den tatsächlich erbrachten Leistungen verglichen werden sollen (Barghaan et al., 2009). In einer dritten Phase erfolgt unter Beteiligung von Experten ver-

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schiedener Berufsgruppen und Fachgebiete die Ausgestaltung der ETM in Form einer Pilot-version der Reha-Therapiestandards, welche dann in einer vierten Phase exemplarisch im-plementiert und evaluiert werden soll. Die Arbeiten der Phasen 1 bis 3 sind bereits weitge-hend abgeschlossen. Im aktuellen Beitrag sollen wesentliche Ergebnisse der Phase 3 vor-gestellt werden.

Im Rahmen der Phase 3 wurde zunächst eine schriftliche Expertenbefragung zur formalen und inhaltlichen Ausgestaltung der 17 in der Literaturanalyse ermittelten ETM durchgeführt. Hierfür wurden Experten aus insgesamt 99 Rehabilitationskliniken mit psychosomati-schen/psychotherapeutischen Abteilungen sowie aus 39 relevanten Fachgesellschaften und Berufsverbänden angeschrieben. Die Ergebnisse der Expertenbefragung wurden zusam-men mit den Ergebnissen der Phasen 1 und 2 in einem Materialienband zusammengefasst.

Im nächsten Schritt wurde im Rahmen eines zweitägigen Expertenworkshops in themen-spezifischen Kleingruppen die inhaltliche und formale Ausgestaltung der ETM sowie jeweils der Mindestanteil an entsprechend zu behandelnden Rehabilitanden diskutiert und festge-legt.

Anschließend wurde in zwei Rehabilitationsklinken eine Patientenbefragung in Form von Fokusgruppen mit jeweils 7-8 Rehabilitanden mit Depression durchgeführt, in denen die formale und inhaltliche Ausgestaltung der ETM von den betroffenen Rehabilitanden aus in-dividueller Perspektive beurteilt wurde.

Ergebnisse Vorgestellt wird die Konsultationsfassung der Reha-Therapiestandards Depressive Störun-gen als Ergebnis des Expertenworkshops sowie der Überarbeitung hinsichtlich Plausibilität und Praktikabilität. Im Rahmen der Diskussionen auf dem Expertenworkshop wurden einige der ursprünglich in der Literaturanalyse ermittelten 17 ETM hinsichtlich ihrer formalen und inhaltlichen Ausgestaltung modifiziert und/oder mit anderen ETM zusammengelegt, sodass die Konsultationsfassung insgesamt 12 modifizierte ETM enthält. Dargestellt wird für jedes der 12 ETM die inhaltliche Ausgestaltung in Form der zugeordneten KTL-Codes, die emp-fohlene Mindestdauer sowie der Mindestanteil an Rehabilitanden, die Leistungen des ETM erhalten sollen. Weiterhin werden die Ergebnisse der Fokusgruppen zur individuellen Be-deutung und Akzeptanz der 12 ETM und ihrer formalen und inhaltlichen Ausgestaltung aus Sicht der betroffenen Rehabilitanden dargestellt.

Diskussion und Ausblick Mit der Konsultationsfassung der Reha-Therapiestandards Depressive Störungen liegen e-videnzbasierte und mit relevanten Experten abgestimmte Therapiemodule vor, die als prak-tikabel und implementierbar beurteilt wurden. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Fokusgruppen soll als Abschluss der Phase 3 im Folgenden die Erstellung einer Pilotversion der Reha-Therapiestandards erfolgen, die dann in Phase 4 im Rahmen einer Pilotphase implementiert, evaluiert und ggf. entsprechend überarbeitet werden soll.

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Literatur Barghaan, D., Dirmaier, J., Koch, U., Schulz, H. (2009): Entwicklung einer Prozessleitlinie

für die Rehabilitation von Patienten mit Depression - Phase 2: Ergebnisse einer Analyse von KTL-Daten. DRV-Schriften, Bd. 83. 139.

Brüggemann, S. (2005): Das Reha-Leitlinienprogramm der BfA. Zeitschrift für ärztl. Fortbil-dung und Qualität im Gesundheitswesen, 99. 47-50.

Brüggemann, S., Korsukéwitz, C. (2004): Leitlinien in der Rehabilitation: Einschränkung der Therapiefreiheit oder Grundlage für bessere Ergebnisse? Die Rehabilitation, 43. 304-311.

Deutsche Rentenversicherung (2007): Klassifikation therapeutischer Leistungen in der me-dizinischen Rehabilitation.

Dirmaier, J., Krattenmacher, T., Barghaan, D., Koch, U., Schulz, H. (eingereicht bei Psycho-therapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie): Entwicklung einer Prozessleitlinie für die Rehabilitation von Patienten mit Depression: Evidenzbasierte Behandlungsele-mente.

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Methodik rehabilitationswissenschaftlicher Forschung (Poster)

Matched-Pair-Designs und Propensity Scores zum Therapievergleich: Überlegungen anhand eines Beispieles aus der Männertherapie

Kaluscha, R. (1), Dreyhaupt, J. (2), Muche, R. (2) (1) Forschungsinstitut für Rehabilitationsmedizin an der Universität Ulm,

(2) Institut für Biometrie, Universität Ulm

Fragestellung Leider stoßen kontrollierte randomisierte Studiendesigns für Therapievergleiche oft auf Hin-dernisse, wenn die Forschung in der Reha-Praxis stattfindet: sei es die Freiwilligkeit der Teilnahme an bestimmten Behandlungen, eine individuelle Verordnung, die begrenzte Ver-fügbarkeit bestimmter Angebote oder wie in unserem Beispiel die fehlende Möglichkeit, schon vorliegende Datensätze, z. B. aus der Qualitätssicherung, rückwirkend randomisieren zu können (Muche et al., 2002).

In unserem Beispiel wurde Rehabilitanden, die der Arzt für geeignet hielt, zusätzlich zur Standard-Reha die Teilnahme an einem männerspezifischen Zusatzangebot (indianisches Schwitzhüttenritual) angeboten. Dieses Angebot war nur zu bestimmten Terminen verfüg-bar; die Teilnahme war freiwillig. Eine randomisierte Zuweisung wäre daher auch bei einer prospektiven Studie problematisch gewesen.

Um dennoch mit vertretbarem Aufwand zu untersuchen, welchen Nutzen gegenüber der Standard-Reha dieses Zusatzangebot bietet, haben wir versucht, mittels der bereits vorlie-genden Daten und eines Matched-Pair-Ansatzes zu Aussagen zu kommen. Hauptzielgröße war dabei der (Sub-)Score "Psychische Belastung" des KPD-38-Fragebogens (Schwarz, Hünerfauth, 2000).

Da in dieser Reha-Klinik für alle Patienten im Rahmen der internen Qualitätssicherung routi-nemäßig ein einheitlicher Datensatz erhoben wird, kommen für die 150 Teilnehmer am Zu-satzangebot (Fälle) alle 1.200 anderen männlichen Patienten des Beobachtungszeitraumes als mögliche Kontrollen in Betracht.

Methodik Mit dem Matching sollen nun auf individueller Ebene zu jedem Fall eine bzgl. der Confoun-der möglichst ähnliche Kontrolle zugeteilt werden, um einen fairen Vergleich der Therapien zu ermöglichen (Gefeller, 1997). Nun stellte sich die Frage, welche Kriterien für das Mat-ching relevant sind und wie diese ggfs. gegeneinander zu gewichten sind. Da die psychi-sche Belastung bei Aufnahme und Entlassung mit dem gleichen Instrument erhoben wird und der Score bei Entlassung als Hauptzielgröße vorgegeben war, bot sich a priori der ent-sprechende Score bei Aufnahme als wichtigstes Matching-Kriterium an.

Weitere aus der Literatur bekannte Prädiktoren des Behandlungserfolges wie Alter, Thera-piemotivation, Behandlungsdauer oder Arbeitsfähigkeit bei Aufnahme waren im Datensatz

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ebenfalls verfügbar. Zudem muss sicherlich auch die Art der Erkrankung (dreistellige Haupt-diagnose nach ICD-10) berücksichtigt werden.

Eine eindeutige Gewichtung der o. a. Kriterien gegeneinander ließ sich jedoch nicht festle-gen, so dass mehrere Matching-Varianten bzgl. der Enge der Kriterien und der Anzahl be-rücksichtigter Confounder durchgespielt wurden. Das Matching wurde mittels einer Oracle-Datenbank durchgeführt und verschiedene Matching-Varianten in der datenbankeigenen Sprache PL/SQL programmiert. Erstes Kriterium war stets die psychische Belastung bei Aufnahme, als weitere Kriterien bei mehreren potentiellen Kontrollen mit ähnlicher Ein-gangsbelastung wurden unterschiedliche Kombinationen der o. a. Kriterien hinzugezogen, z. B. die Diagnose und das Alter. Als weitere Matching-Variante wurde dann noch ein Pro-pensity-Score (mittels des R-Packages twang) ermittelt. Dabei wird mittels logistischer Reg-ression anhand der Confounder eine Vorhersage versucht, welcher Rehabilitand Fall und welcher Kontrolle ist (Graf, 1997). Nun kann zu den Fällen eine Kontrolle mit ähnlichem Propensity-Score gematched werden.

Anschließend wurden jeweils die Differenz der Scores bei Entlassung zwischen Fall und Kontrolle gebildet, die gematchten Daten nach SAS V8 exportiert und der Unterschied als Effektstärke angegeben sowie mittels des Vorzeichenrangtests auf Signifikanz geprüft.

Ergebnisse Naturgemäß hängt der Unterschied des Behandlungseffektes zwischen Fall und Kontrolle von der konkreten Auswahl der Kontrolle und damit vom Matching-Verfahren ab. Wenn-gleich alle Matching-Varianten einen (z. T. geringen) Zusatznutzen der Schwitzhüttenthera-pie ergaben, so zeigte sich aber auch, dass die Größe dieses Zusatznutzens und seine sta-tistische Signifikanz sich zwischen den verschiedenen Matching-Varianten unterscheiden. So schwankten die gefundenen Effektstärken je nach Matching-Variante zwischen 0,02 und 0,15.

Auch der Propensity-Score-Ansatz bringt eigene Probleme mit und blieb hier letztlich auch unbefriedigend. Zum einen müssen im dem Propensity-Score zugrunde liegenden logisti-schen Regressionsmodell für jeden Confounder Parameter geschätzt werden. Für die An-zahl zu schätzender Parameter setzt aber die Fallzahl Grenzen, so dass nicht alle potentiel-len Confounder im Modell berücksichtigt werden können. Zum anderen musste etwa die Di-agnose als nominale Variable auf binäre Dummy-Variablen umgesetzt werden. Dadurch fie-len "seltene" Diagnosen (n < 10) heraus, so dass sich die Fallzahl fast halbierte.

Diskussion Letztlich bleibt die Frage, wie das zusätzliche Therapieangebot bewertet werden soll. Da hier alle Matching-Varianten einen - wenngleich z. T. kleinen - positiven Zusatznutzen erge-ben, wird wohl der Zusatzaufwand ausschlaggebend sein. Steht er im vernünftigen Verhält-nis zum Nutzen, sollte das Zusatzangebot bestehen bleiben.

Unabhängig davon, ob man ein selbst entwickeltes Matchingverfahren, eines aus einem Statistikpaket oder einen Propensity-Score verwendet, kommt man nicht umhin, mögliche Confounder zu identifizieren, die als Kriterien in das Matching einfließen müssen.

Der Propensity-Score liefert implizit eine Gewichtung der einzelnen Kriterien untereinander. Ob dies immer besser ist, als eine fachlich fundierte eigene Lösung, muss hier offen bleiben.

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So ist dem Mediziner wohl einsichtiger, zur depressiven Episode (ICD-Diagnose "F32") mangels einer Kontrolle mit exakt gleicher Diagnose eine andere affektive Störung (Diagno-se aus dem Bereich "F3") zu matchen als irgendeine Kontrolle mit ähnlichem Propensity-Score, aber gänzlich anderer Diagnose, z. B. einer Phobie.

Insgesamt werden die Interventions- und Kontrollgruppe mit diesen Matching-Ansätzen bzgl. bekannter Störgrößen so gut wie möglich vergleichbar gemacht. Was mit den vielen unbe-kannten Störgrößen passiert, ist leider nicht kontrollierbar, so dass die Methodik in der Auf-bereitung vorhandener Datensätze zu Therapievergleichen eine bessere Chance bietet als der direkte Gruppenvergleich, an eine stratifizierte Randomisierung kann sie aber unter me-thodischen Gesichtspunkten nicht heranreichen.

Literatur Gefeller, O., Brenner, H., Windeler, J., Pfahlberg, A. (1997): Zur Auswahl von Kontrollperso-

nen in Fall-Kontroll-Studien. Journal of Public Health Volume 5, Number 1. 32-41. Graf, E. (1997): The propensity score in the analysis of therapeutic studies, Biometrical J,

39. 297-307. Muche, R., Rohlmann, F., Büchele, G., Gaus, W. (2002): Randomisierung in klinischen Stu-

dien in der Rehabilitationsforschung: Grundlagen und praktische Aspekte. Die Rehabilita-tion, 41. 311-319.

Schwarz, M., Hünerfauth, T. (2000): Das Klinisch-Psychologische Diagnosesystem (KPD 2000). Verfahren zur psychometrischen Dokumentation therapeutischer Prozesse und Ergebnisse. Bad Brückenau: Im Eigenverlag.

Use of multiple accelerometers to characterize physical activity patterns in COPD patients undergoing long-term oxygen therapy

within a rehabilitation program

Gorzelniak, L. (1), Dias, A. (2), Schultz, K. (3), Wittmann, M. (3), Jörres, R. (4), Karrasch, S. (5), Horsch, A. (1)

(1) Institut für Medizinische Statistik und Epidemiologie, Klinikum rechts der Isar der TU München, (2) Tromsø Telemedicine Laboratory, University of Tromsø, Norway,

(3) Zentrum für Rehabilitation Pneumologie & Orthopädie, Klinik Bad Reichenhall, (4) Institut für Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität München,

(5) Helmholtz Zentrum München

Purpose In COPD it is widely known that exercise training increases health status, reducing the ad-mittance rate of patients to the healthcare system (Troosters et al., 2005), and possibly, al-though no direct evidence exists, the survival of the patients (Troosters et al., 2005). Physi-cal activity can be directly measured by means of pedometers and accelerometers. Patel et al. (2007) validated activity monitors in COPD patients and found that pedometers can suffer from the inability to accurately measure body movement during non-walking activities or slow walking and cannot assess intensity, frequency and duration of activity or estimate en-

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ergy expenditure. Accelerometers can assess physical activity adequately according to Corder et al. (2007). Moy et al. (2009) showed, in a study of 17 patients, that it is possible to measure physical activity using an unobtrusive accelerometer and simple diary. Upper limb exercise plays an important role in COPD rehabilitation (Martinez et al., 1993). Neverthe-less, most of the studies focus on the lower limbs, using hip and/or leg sensors. Therefore, we intended to explore the relationship between the daily exercise of upper and lower body parts during rehabilitation, while assessing feasibility and validity of long-term monitoring.

Methods 20 severe COPD (GOLD III-IV) patients with long-term oxygen consumption, in the rehabili-tation clinic, wore the RT3®, a triaxial accelerometer (Stayhealthy, Monrovia, CA) on the hip and two GT1M® uniaxial accelerometers (Actigraph, Pensacola. FL), one on the wrist, one on the ankle, during daytime while keeping an activity and general health condition diary. Acquired activity counts from the leg and the arm movements were compared using Pear-son’s correlation. Furthermore, obtained mean vector magnitude unit (VMU) per minute from the RT3 device was correlated to arm and leg movements. All measurements were com-pared with the activity data from a control group of 5 healthy adults. The participation in the study was voluntary and each subject gave informed written consent.

Results Sample characteristics were: age 69.5 ± 8.3 standard deviation (SD); 6 females; post-rehabilitation forced expiratory volume in one second in percent predicted (FEV1 % pred.): 38.7 % ± 13.3 % SD; FEV1 / forced vital capacity: 42.2 ± 9 SD. The average recording pe-riod was 10 ± 3 SD days with 3 drop-outs. 9 % of the sensors used had technical problems leading to data loss. Only 8 of the patients adhered to filling out the daily questionnaire. The average activity of the hip sensor in the patient group was 89.22 ± 208 SD Vector Magnitude Units (control group: 210.0 ± 442 SD VMU). There are considerably different movement pat-terns between both groups.

In fact, the Pearson’s correlation between arm and leg movement is 0.61 in the control group, whereas only 0.28 in the patient group. Healthy subjects seem to have a more similar movement pattern of the leg and the arm compared to COPD patients. The standard devia-tion of the leg measurement is 1.1 times higher than that of the arm measurements (control group: 1.4). This indicates that patients seem to use their arms for longer periods and more continuously.

Conclusion The results outline the considerably reduced activity of COPD patients with long-term oxy-gen therapy and indicate that arm movement within the patient group is relatively independ-ent from leg movement and thus must be considered whenever measuring physical activity in a rehabilitation setting. Rehabilitation itself poses a burden on the patients, decreasing the questionnaire adherence and making larger observation periods unfeasible.

References Corder, K., Brage, S., Ekelund, U. (2007): Accelerometers and pedometers: methodology

and clinical application. Curr Opin Clin Nutr Metab Care, (5). 597-603.

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Martinez, F.J., Vogel, P.D., Dupont, D.N., Stanopoulos, I., Gray, A., Beamis J.F. (1993): Supported arm exercise vs unsupported arm exercise in the rehabilitation of patients with severe chronic airflow obstruction. Chest, 103. 1397-1402.

Moy, M.L., Matthess, K., Stolzmann, K., Reilly, J., Garshick, E. (2009): Free-living physical activity in COPD: Assessment with accelerometer and activity checklist. JRRD, 46, 2. 277-286.

Patel, S.A., Benzo, R.P., Slivka, W.A., Sciurba, F.C. (2007): Activity monitoring and energy expenditure in COPD patients: a validation study. COPD, 4 (2). 107-112.

Troosters, T., Casaburi, R., Gosselink, R., Decramer, M. (2005): Pulmonary rehabilitation in chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med, 172. 19-38.

Retrospektive Veränderungsmessung und Response-Shift

Jelitte, M. (1), Faller, H. (1), Schulte, T. (2) (1) Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie, Universität Würzburg, (2) Klinik für onkologische Rehabilitation und Anschlussheilbehandlung, Bad Oexen

Hintergrund Für die Messung von Veränderungen der Gesundheitsbezogenen Lebensqualität (GLQ) als Outcome-Kriterium zur Evaluation von Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation existie-ren verschiedene Strategien. Neben der herkömmlichen indirekten Veränderungsmessung (VM), d. h. der Differenzbildung zwischen einer Prä- und einer Post-Messung, werden die so genannte direkte sowie die quasi-indirekte VM diskutiert. Bei der quasi-indirekten Form wird zum Postmesszeitpunkt eine retrospektive Einschätzung des Zustands vor der Rehabilitati-on erhoben. Ein Vorteil der direkten und quasi-indirekten Strategien gegenüber der indirek-ten VM wird darin gesehen, dass diese auf Einschätzungen zu einem einzigen Messzeit-punkt beruhen und somit vor einem stabilen Bewertungshintergrund stattfinden. Dabei wird angenommen, dass ein Response-Shift, im Sinne einer Veränderung des Bewertungshin-tergrundes für das zu beurteilende Konstrukt (GLQ) als validitätsbedrohender Einflussfaktor ausgeschlossen werden kann. Diese Annahme wurde jedoch bisher nicht empirisch unter-sucht. Mit Hilfe der Konfirmatorischen Faktorenanalyse (KFA) können Messmodelle von verschiedenen Zustandsmessungen der GLQ (Postmessung vs. Retrospektivmessung) ver-glichen und auf Response-Shift getestet werden (Oort, 2005).

Methodik Von 96 Prostatakrebs-Patienten liegen Prä-, Katamnese- und Retrospektivmessungen zur GLQ, gemessen mit dem EORTC-QLQ-C30, vor. Die Patienten (Alter: M = 66,2 Jahre, Min = 50, Max = 79) wurden im Rahmen einer Anschlussrehabilitation rehabilitiert. Mit Hilfe der KFA wurde geprüft, inwieweit sich bestimmte Parameter zwischen den Messmodellen der GLQ bei der Retrospektivmessung und der Katamnese unterscheiden. Response-Shift-relevante Parameter sind Faktorladungen, Intercepts und Messfehlervarianzen. Statistisch signifikante Unterschiede in den genannten Parametern zwischen den Messmodellen wür-den darauf hinweisen, dass ein Response-Shift aufgetreten ist. Beide Einschätzungen (Ka-

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tamnese, Retrospektivmessung) würden somit vor unterschiedlichen Bewertungshintergrün-den vorgenommen.

Ergebnisse Das Ausgangsmodell der GLQ zeigte für den Vergleich zwischen Katamnese und Retro-spektivmessung eine akzeptable Passung auf (χ2/DF = 1,8, TLI = 0,94, CFI = 0,97, RMSEA = 0,09). Wurden jedoch alle Response-Shift-Parameter für beide Messmodelle (Katamne-se und Retrospektivmessung) gleichgesetzt, verschlechterte sich die Modellpassung (χ2/DF = 3,6, TLI = 0,79, CFI = 0,82, RMSEA = 0,17). Insgesamt waren 7 Response-Shift-Parameter freizusetzen (4 Messfehlervarianzen, 3 Intercepts). Das so ermittelte Response-Shift-Modell zeigte wiederum eine akzeptable bis gute Passung (χ2/DF = 1,6, TLI = 0,95, CFI = 0,97, RMSEA = 0,08). Die Veränderungsmessung auf der Ebene der Skalenmittelwer-te (bspw. Physische Funktionsfähigkeit, PF) zeigte einen größeren Effekt bei der quasi-indirekten VM (bspw. ESPF = 0,94) als bei der indirekten VM (ESPF = 0,58).

Diskussion Die vorliegenden Ergebnisse weisen daraufhin, dass auch bei der quasi-indirekten VM die Bewertungshintergründe für die Beurteilung der GLQ die Postmessung und die Retrospek-tivmessung unterschiedlich sind, obwohl diese zum selben Messzeitpunkt erfasst wurden. Demnach tritt auch bei dieser Form der VM ein Response-Shift auf. Kritisch ist auf den rela-tiv geringen Stichprobenumfang hinzuweisen.

Schlussfolgerung Bisher wurde angenommen, dass bei der quasi-indirekten VM die Einschätzungen der GLQ für die Post- wie auch die Retrospektivmessung vor demselben Bewertungshintergrund vor-genommen werden. Diese Annahme ist anhand der vorliegenden Ergebnisse in Frage zu stellen. Weitere Untersuchungen an größeren Stichproben sollten durchgeführt werden, um dieses Ergebnis zu überprüfen. Response-Shift sollte bei der Bewertung von Veränderun-gen in der medizinischen Rehabilitation stärker berücksichtigt werden.

Literatur Oort, F.J. (2005): Using Structural Equation Modeling to Detect Response-Shift and True

Change. Quality of Life Research, 14. 587-598.

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Assessmentinstrumente I

Überprüfung eines Modells zur Vereinheitlichung der Vorhersage von Leistungseinschränkungen bei chronischen LWS-Erkrankungen

Bader, U. (1), Tittor, W. (2) (1) Orthopädische Klinik Tegernsee, (2) Bad Mergentheim

Mit der Definition eines sozial-medizinischen Gutachtens und mit der Einbindung neuerer Modelle zur objektiven Leistungsbeurteilung beschäftigten sich bisher viele Autoren (Cibis et al., 2003). Der konkrete Weg zum Gesamturteil bleibt aber bei den meisten Autoren un-klar.

Für den Bereich orthopädischer Erkrankungen wurden die Auswirkungen medizinischer Be-funde auf die Leistungsfähigkeit von einer orthopädischen Expertengruppe als Regelwerk vorgelegt.

Die explorativ orientierte Studie untersucht, inwieweit die mittels Regeln geschätzten Aus-wirkungen orthopädischer Erkrankungen auf die körperliche Leistungsfähigkeit (= sog. krankheitsbedingt-erwartete Leistungsfähigkeit) mit der anhand physischer Tests ermittelten Leistungsfähigkeit (sog. konkret-individuell ermittelte Leistungsfähigkeit) übereinstimmen. Dazu wurden unter Bezugnahme auf ein Leistungsfähigkeitsmodell (Gebauer et al., 2006) 87 männliche Patienten mit einem chronischem LWS-Syndrom aus 5 Rehabilitationskliniken einer solchen zweigleisigen Leistungsdiagnostik unterzogen, die krankheitsbedingt-er-warteten und konkret-individuell ermittelten Einzelleistungsfähigkeiten in ein Kategorien- und Graduierungssystem eines vorgegebenen Leistungsfähigkeitmodells eingeordnet, miteinan-der verglichen und eventuelle Diskrepanzen zu begründen versucht.

Für die Einschätzung der krankheitsbedingt-erwarteten Leistungsfähigkeiten wurden Be-schwerdeausmaß, Ausprägung des Reizzustands, grobe Muskelkraft und Befunde zur LWS-Beweglichkeit strukturiert erhoben und mittels des Regelwerkes der Expertengruppe mit ei-ner Software (Digitalis; beta-Version) verarbeitet.

Einschlusskriterien für die Studie - orthopädische Erkrankung seit mindestens drei Monaten, - stabiler Status (auch postoperativ), - Auffälligkeit in den relevanten Krankheitsmerkmalsbereichen, - männlich, - Alter zwischen 20 und 64 Jahre.

Ausschlusskriterien - Fibromyalgie, - akute Begleiterkrankungen, - gravierende Einschränkungen der Gehfähigkeit, - leistungsbeeinträchtigende nichtorthopädische Erkrankung, - unzureichende Deutschkenntnisse.

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Aufgabenstellung Darstellung der konkret-individuell ermittelten Leistungen der in den FCE-Verfahren (EFL nach Isernhagen oder ein eigens entwickelter Test der körperlichen Aktivitäten (KAT)) ermit-telten Ergebnisse.

Vergleich der als Regeln vorgegebenen krankheitsbedingt-erwarteten Leistungen mit den konkret-individuell ermittelten Leistungen.

Ergebnisse (Teilaspekte) In beiden Assessmentverfahren wurden relativ hohe Kraftentfaltungen beim Bewegen von Lasten registriert.

Insgesamt liegen in der Untersuchungsgruppe höhere Ausprägungsgrade nur in den Krank-heitsmerkmalen "Beschwerden" und "Reizerscheinungen" vor, während die grobe Muskel-kraft und die LWS-Beweglichkeit meist kaum Einschränkungen aufwiesen.

Beim Vergleich des Krankheitsmerkmals "Beschwerden" mit den konkret-individuell ermittel-ten Leistungsfähigkeiten lag bei einzelnen Leistungsfähigkeiten eine mittelstarke negative Korrelation vor.

Der Vergleich von beiden Leistungsfähigkeiten ergab für manche Einzelleistungen, dass zu große krankheitsbedingt-erwartete Leistungsbeeinträchtigungen im Regelwerk festgelegt worden waren (Heben, Tragen vorn, Sitzen, Knien, Arbeit über Kopf, Stehen, Hocken und Kriechen).

Offenbar wurden die in Regeln gefassten krankheitsbedingten Auswirkungen auf diese Fä-higkeiten von den orthopädischen Experten zu hoch festgesetzt.

Die Einzelanalysen weisen darauf hin, dass die Auswirkungen insbesondere von Beschwer-den und Reizzuständen überbewertet wurden. Für andere Einzelleistungen fand sich zwi-schen beiden Leistungswerten eine Übereinstimmung.

Diskussion Mögliche Fehlerquellen auf beiden Untersuchungsgleisen sind zu bedenken (z. B. Fehlinter-pretationen der Rohdaten, Fehler bei der Überführung (Transkodierung) der Rohdaten aus EFL bzw. KAT in die Ausprägungsgrade des Leistungsfähigkeitsmodells, Fehler in den FCE-Verfahren selbst).

Trotz der oben genannten Schwächen beschreibt die in dieser Studie angewandte zweiglei-sige Leistungsdiagnostik den Weg zu einer einheitlicheren Leistungsbeurteilung und zu ei-ner besseren Überprüfbarkeit der Beurteilungs- und Entscheidungsvorgänge sozialmedizini-scher Begutachtung.

Literatur Cibis, W., Hüller, E. (2003): Die sozialmedizinische Begutachtung. In: VDR (Hrsg.): Sozial-

medizinische Begutachtung für die gesetzliche Rentenversicherung, Berlin Heidelberg New York: Springer. 80-84.

Gebauer, D., Daalmann, H.H., Hopke, F.R., Kasprowski, D., Lausch, H.L., Lux, A., Schlicht, F., Schöttler, M., Struck, M.J., Tittor, W. (2006): Zur einheitlichen sozialmedizinischen Beurteilung der Leistungsfähigkeit in der orthopädischen Rehabilitation. Die Rehabilitati-on, 45. 1-9.

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Validierung eines inertialsensorbasierten Ganganalysemesssystems

Schwesig, R. (1), Fischer, D. (1), Wust, S. (2), Leuchte, S. (1), Seehaus, F. (3) (1) Department Sportwissenschaft, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle,

(2) HASOMED GmbH, Magdeburg, (3) Labor für Biomechanik und Biomaterialien, Orthopädische Klinik, Medizinische Hochschule Hannover

Hintergrund und Fragestellung Die Ganganalyse ist ein wichtiges Messinstrument in der neurologischen und orthopädi-schen Rehabilitation (Andriacchi, Hurwitz, 1997; Döderlein, Wolf, 2004). Zur Bestimmung räumlich-zeitlicher Parameter, der Bewegungsausmaße von Gelenken sowie deren Dreh-momentanforderung sind verschiedene dreidimensionale, instrumentierte Bewegungsanaly-se-Messsysteme verfügbar (Kyriazis, 2001). Die Anschaffung solch komplexer Messsyste-me ist jedoch mit hohen Kosten verbunden und die Bedienung nur durch geschultes Perso-nal möglich. Vielversprechende Alternativen sind portable, inertialsensorbasierte Messsys-teme (Auvinet et al., 2003) zur Beurteilung des Bewegungsverhaltens (z. B. Gehgeschwin-digkeit, Gangphasen). Durch die geringere Komplexität und einfachere Anwendung der Sys-teme erhöht sich deren potentieller Anwenderkreis deutlich.

Ziel der Untersuchung war die Validierung eines portablen, inertialsensorbasierten Messsys-tems, welches räumlich-zeitliche Gangparameter erfasst.

Studiendesign Zur Beurteilung der Validität des inertialsensorbasierten Messsystems wurde als Referenz-methode (Goldstandard/State of the Art (Baker, 2006)) ein markerbasiertes, elektro-optisches Gang-/Bewegungsanalysesystem verwendet. An der Studie nahmen 10 gesunde Probanden (Alter: 27,2 ± 9,18 Jahre) teil. Die Probanden absolvierten jeweils 22 Messwie-derholungen der Bewegungsaufgabe "Gehen in der Ebene" auf einer 12 m Gangbahn (Gehstrecke: 11,8 ± 0,24 m). Alle Messwiederholungen wurden parallel mit dem inertialsen-sorbasierten und dem elektro-optischen Messsystem aufgezeichnet. Als Markermodell wur-de für das elektro-optische Messsystem das Plug-In-Gait Marker-Set, bestehend aus 16 Markern verwendet. Vier zusätzliche Messmarker wurden auf den Inertialsensoren positio-niert, um vergleichend den maximalen Bodenabstand zu bestimmen.

Ergebnisse Die Validierung von Messsystemen ist eine wichtige Voraussetzung für deren Einführung und Akzeptanz als Forschungs- und Rehabilitationsinstrument. Eine hohe interne Validität (Konstruktvalidität) versetzt den Anwender in die Lage, die erhobenen Messwerte sicher und exakt einordnen und interpretieren zu können.

Lediglich für die Parameter Kadenz (ICC = 0.986; ∅ Fehler: 2,38 %), Schrittdauer (ICC = 0.991; ∅ Fehler: 2,27 %) und Schrittlänge (ICC = 0.956; ∅ Fehler: 4.76 %) ließen sich korrelationsanalytisch sowie mittels Fehleranalyse zufriedenstellende Ergebnisse ermit-teln. Korrelationsanalytisch zeigten die Parameter Doppelstand rechts (ICC = -0.004) und Einbeinstand links (ICC = -0.031) die geringste Übereinstimmung zwischen beiden Mess-systemen, währenddessen die Parameter maximaler Bodenabstand links hinten (∅ Fehler: 24,5 %) und rechts hinten (∅ Fehler: 24,6 %) die größten mittleren Fehler aufwiesen.

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Schlussfolgerung Das inertialsensorbasierte Messsystem ist deutlich praktikabler (Messdurchführung, Vorbe-reitungszeit, Auswertung) als das elektro-optische System und infolgedessen auch sehr gut im ambulanten Setting einsetzbar. Jedoch ist die Validität der Messdaten vielfach noch nicht ausreichend, so dass eine Verbesserung der inertialsensorbasierten Messtechnik unbedingt notwendig ist, bevor das Messsystem in die Rehabilitation implementiert werden kann.

Literatur Andriacchi, T., Hurwitz, D (1997): Gait Biomechanics and the evaluation of total joint re-

placement. Gait & Posture, 5. 256-264. Auvinet, B., Berrut, G., Touzard, C., Moutel, L., Collet, N., Chaleil, D., Barrey, E. (2003): Gait

Abnormalities in Elderly Fallers. Journal of Aging and Physical Activity, 11. 40-52. Baker, R. (2006): Gait Analysis Methods in Rehabilitation. Journal of Neuro Engineering and

Rehabilitation, 3. 4. Döderlein, L., Wolf, S. (2004): Der Stellenwert der instrumentellen Ganganalyse bei der in-

fantilen Zerebralparese, Der Orthopäde, 33. 1103-1118. Kyriazis, V. (2001): Gait analysis techniques, J. Orthopaed. Traumatol, 1. 1-6.

Evaluation der deutschen Version des Fragebogens "Perceived efficacy in patient-physician interactions" (PEPPI)

Gramm, L., Kosiol, D., Farin, E. Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg

Hintergrund Die Kommunikation zwischen dem Patienten und seinem Arzt stellt den zentralen Bestand-teil der Patient-Arzt-Interaktion dar. Fast jede Interaktion während der Behandlung eines Pa-tienten wird durch Kommunikation vermittelt. Die Qualität dieser Kommunikation hat Auswir-kungen auf den Patienten, aber auch auf seinen Behandler. So belegen zahlreiche Studien einen positiven Einfluss gelungener Patient-Arzt-Kommunikation auf das Behandlungser-gebnis (u. a. Adhärenz, Patientenzufriedenheit) (z. B. Bredart et al., 2005; Jahng et al., 2005). Um als Partner im Behandlungsprozess auftreten und mit den Ärzten adäquat kom-munizieren zu können, muss der Patient die Überzeugung haben, dass er in der Interaktion eigene Bedürfnisse durchsetzen kann. Diese Selbstwirksamkeitserwartung erfasst der bis-her nur in der englischen Version vorliegende Fragebogen "Perceived efficacy in patient-physician interactions (PEPPI)" (Maly et al., 1998). Im Rahmen des Projekts "Die Patient-Behandler-Kommunikation bei chronisch Kranken" (PaBeKo*) wurde dieser Fragebogen ins Deutsche übersetzt und evaluiert. Ziel der vorliegenden Datenanalyse ist die Evaluation der

* Wir danken allen Rehabilitationseinrichtungen, die uns bei der Datenerhebung unterstützt haben: Eisen-

moorbad Bad Schmiedeberg (Bad Schmiedeberg), Fachklinikum Brandis (Brandis), Klinik Malchower See (Malchow), Klinik Niederbayern (Bad Füssing), Rehabilitationsklinik Garder See (Lohmen), Rehabilita-tionsklinik Klausenbach (Nordrach-Klausenbach), Salinenklinik (Bad Rappenau), Salztalklinik (Bad Soden-Salmünster), Fachklinik Rhein-Ruhr (Essen), Kirchberg Klinik (Bad Lauterberg im Harz), Vinzenz Klinik (Bad Ditzenbach).

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deutschen Version des Fragebogens. Darüber hinaus wird untersucht, ob sich alters-, ge-schlechts- oder indikationsspezifische Unterschiede bezüglich der Selbstwirksamkeitserwar-tung der Patienten finden.

Methodik Der PEPPI-Fragebogen besteht aus 5 Items, die zu einer Summenskala zusammengefasst werden (Beispielitem: "Wie sicher sind Sie, dass Sie einen Arzt dazu bringen können, alle Ihre Fragen zu beantworten?"). Die Fragen werden auf einer 11-stufigen Ratingskala von 0 (vollkommen unsicher) bis 10 (vollkommen sicher) beantwortet. Nach einer Übersetzung aus dem Englischen, wurde der Fragebogen von zwei Muttersprachlern ins Englische zu-rückübersetzt. Diese Version wurde mit der Originalversion verglichen. Abschließend wurde die Verständlichkeit und Akzeptanz der deutschen Version des PEPPI in zehn kognitiven Interviews überprüft. Das Instrument wurde dann im Rahmen einer Fragebogenerhebung in elf Rehabilitationseinrichtungen eingesetzt.

Folgende Testgütekriterien wurden analysiert: (1) Praktikabilität, (2) interne Konsistenz (Cronbach’s α) und (3) einfaktorielle Struktur mittels konfirmatorischer Faktorenanalyse. Gruppenunterschiede wurden mittels t-Tests untersucht.

Ergebnisse Die kognitiven Interviews zeigten, dass der PEPPI von den Patienten akzeptiert und ver-standen wird.

Der PEPPI wurde 487 Patienten bei Reha-Beginn vorgelegt (Altersdurchschnitt 61,9 Jahre [SD=11,1; Range 22-87 Jahre]; 41,2 % Frauen; Diagnosegruppe: 55,2 % chronischer Rü-ckenschmerz, 44,8 % koronare Herzkrankheit).

Der Anteil fehlender Werte beträgt je nach Item zwischen 3,9 und 4,9 %. 94,5 % der PEPPI-Fragebögen wurden vollständig ausgefüllt. Bezüglich der PEPPI-Items zeigen sich weder Boden- noch Deckeneffekte. Cronbach’s α beträgt 0,90. Die konfirmatorische Faktorenana-lyse konnte die für den PEPPI vorgeschlagene einfaktorielle Struktur nicht zufriedenstellend bestätigen (χ2=79,459; df=5; p<.001; CFI=0,95; GFI=0,93; RMSEA=0,176). Bei Eliminierung des fünften Items wird jedoch ein sehr guter Modell-Fit (χ2=2,856; df=2; p=0.240; CFI=1; GFI=1; RMSEA=0,03) sowie ein Cronbach’s α von 0,88 erreicht.

Die durchschnittliche Selbstwirksamkeitserwartung der Patienten liegt auf der Summenskala des PEPPI (Wertebereich: 0-50) bei 35,1 (SD=9,5). Ältere Patienten (≥ 64 Jahre) zeigen ei-ne höhere Selbstwirksamkeitserwartung (36,1 vs. 34,2; t(463)=-2,093; p=0.037), ebenso männliche Patienten im Vergleich zu weiblichen (35,9 vs. 34,1; t(460)=-2,041; p=0.042) so-wie Patienten mit KHK im Vergleich zu Patienten mit chronischem Rückenschmerz (37,1 vs. 33,6; t(463)=-3,976; p<0.001).

Schlussfolgerungen Die deutsche Version des PEPPI ist ein praktikabler, intern konsistenter Patientenfragebo-gen zur Erfassung der Selbstwirksamkeitserwartung von Patienten in Bezug auf die Patient-Arzt-Interaktion. Die faktorielle Struktur konnte durch Kürzung auf vier Items stark verbessert werden, so dass sich ausgezeichnete Fit-Werte ergeben. Da die Items 4 und 5 inhaltlich ähnlich sind (Item 4: Wie sicher sind Sie, dass Sie einen Arzt dazu bringen können, Ihr ge-sundheitliches Problem Ernst zu nehmen?; Item 5: Wie sicher sind Sie, dass Sie einen Arzt

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dazu bringen können, etwas bezüglich Ihres gesundheitlichen Problems zu tun?) erscheint der Verzicht auf Item 5 praktikabel.

Die durchschnittliche Selbstwirksamkeitserwartung der Patienten liegt im mittleren Bereich. Die gefundenen Unterschiede zwischen den verschiedenen Patientengruppen unterstrei-chen die Notwendigkeit der Erfassung und Berücksichtigung patientenseitiger Selbstwirk-samkeitserwartungen zur Verbesserung der Patient-Behandler-Interaktion.

Literatur Bredart, A., Bouleuc, C., Dolbeault, S. (2005): Doctor-patient communication and satisfac-

tion with care in oncology. Current Opinion in Oncology, 17. 351-354. Jahng, K.H., Martin, L.R., Golin, C.E., DiMatteo, M.R. (2005): Preferences for medical col-

laboration: patient-physician congruence and patient outcomes. Patient Education and Counseling, 57, 3. 308-314.

Maly, R.C., Frank, J.C., Marhsall, G.N., DiMatteo, M.R., Reuben, D.B. (1998): Perceived ef-ficacy in patient-physician interactions (PEPPI): validation of an instrument in older per-sons. Journal of the American Geriatrics Society, 46 (7). 889-894.

Wiederherstellung von Aktivität und Partizipation in Abhängigkeit vom Aktivitätsprofil bei psychovegetativer Erschöpfung

Bähr, S., Raschke, F., Fischer, J. Institut für Rehabilitationsforschung Norderney

Hintergrund Es existiert eine Fülle von Fragebögen und Tagebüchern zur Erfassung unterschiedlicher Bereiche des täglichen Lebens bei verschiedenen Grunderkrankungen. Die Tagebücher zu Depression, Demenz oder Burn-out befassen sich jedoch oftmals mit der Beschreibung der Stimmungslage. Der Fokus in dieser Untersuchung ist auf die körperlich-sportliche Aktivität gerichtet. Die zwei am häufigsten eingesetzten Fragebögen sind der "ADL" ("Activities of Daily Living") und der "IPAQ" ("International Physical Activity Questionnaire"), wenn es um die Erhebung alltagsrelevanter Tätigkeiten, den funktionalen Status oder um die Erfassung physischer Aktivitäten geht. Für den speziellen Bereich der Rehabilitation existiert unseres Wissens bislang nur ein Aktivitäts-Wochenbuch (Gottwald et al., 2008), welches das körper-lich-sportliche Freizeitverhalten während stationärer Rehabilitation abfragt. Auf dieser Grundlage wurde für eine präzisere Darstellung eines speziellen Tagesablaufs ein erweiter-tes Aktivitätstagebuch angefertigt, das wochenweise ausgefüllt werden kann.

Ziel Die Studie verfolgt das Ziel einer krankheitsübergreifenden Wiederherstellung von Aktivität und Partizipation bei psychovegetativer Erschöpfung. Über das ermittelte individuelle le-bensstilbezogene Aktivitätsprofil soll eine Zuordnung zu favorisierten körperlich-sportlichen Aktivitäten erfolgen. Dies ermöglicht eine individuell gezielte aktivitätsfördernde sportthera-peutische Intervention, welche zu einer langfristigen Etablierung körperlicher Aktivität in den Alltag führen kann. Mittels eines Aktivitätstagebuchs (ATB) soll das individuelle Aktivitätspro-

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fil erstellt werden, zu einer dauerhaften Verbesserung des Bewegungsverhaltens beitragen und damit auch zu einer erhöhten Teilhabe am gesellschaftlich-sozialen Leben durch die Intervention führen. Der tägliche Eintrag soll Verhaltenskategorien ermitteln - auch im Unter-schied zwischen gesellschaftlich verankerten Aktivitäten unter der Woche und am Wochen-ende.

Methode Für eine spezielle, nicht leistungsorientierte, individuell angepasste sporttherapeutische In-tervention wurde ein Aktivitätstagebuch (ATB) entwickelt. Dieses listet die selbstgewählten Aktivitäten außerhalb des Therapieprogramms der stationären Rehabilitation auf. Es bein-haltet 17 Items, die verschiedene Kategorien von Freizeitaktivität in Form von Clustern ab-decken. 4 Kategorien wurden berücksichtigt: 1.) "Aktivität mit sehr geringer körperlicher Be-lastung" (Kreative Gestaltung, Ausruhen, Entspannen, Sauna, Lesen, Fernsehen, Internet-nutzung, PC-Spiele), 2.) "geringe bis moderate körperliche Aktivität" (Spazieren gehen, Wandern, Dart, Kegeln, Minigolf, Billard, Tischfußball, Kartenspielen), 3.) "moderate bis schwere körperlich-sportliche Aktivität" (Joggen, Nordic Walking, Walking, Ergometertrai-ning, Radfahren, Nutzung des MTT-Raums, Schwimmen, Badminton, Tennis, Tischtennis), 4.) "Kulturell-gesellschaftliche Aktivität" (Veranstaltungen und Kneipe, Disco, Bar, Café). Ein Eintrag in Minuten/pro Tag in das ATB präzisiert das individuelle Aktivitätsprofil nach Art, Häufigkeit, Dauer und Intensität (=Häufigkeit x Dauer).

Zusätzlich werden das Beck-Depression-Inventar (BDI) und der DEA (Differenzielle-Erschöpfungs-Aspekte; Gottwald et al., 2008) eingesetzt. Sie dienen zur Trennung der Kol-lektive und zur Erfassung des Schweregrad der psychovegetativen Erschöpfung (Cut-off BDI = 11; DEA = 35). Die Instrumente konnten bislang an 32 Patienten mit Atemwegs- und orthopädischen Erkrankungen als Einweisungsdiagnose eingesetzt werden.

Ergebnisse Erste Ergebnisse zeigen, dass es entscheidende Unterschiede in der Ausübung der Aktivitä-ten der 1. und 2. Kategorie bezüglich der Erschöpften- und Kontrollgruppe gibt. Die Häufig-keit der betriebenen Aktivitäten der 2. Kategorie nimmt zum Wochenende hin bei der KG um 7 % zu, während sie bei der EG um 20 % absinkt. Für die 1. Kategorie, "Aktivitäten mit sehr geringer körperlicher Belastung" ergibt sich für die EG ein ähnliches Bild (-13,4 %) und bei der KG dagegen nur eine Verringerung um 1,6 %. Bei der Kontrollgruppe nehmen die Aktivi-täten "Veranstaltung" und "Kneipe/Disco/Bar/Café" zum Wochenende hin deutlich zu (unter der Woche 18,7 %; Wochenende 39,3 %), die bei der Erschöpftengruppe lediglich 10 % be-trägt. Beide Gruppen unterscheiden sich nicht hinsichtlich moderater bis schwerer körperli-che Aktivität - auch nicht am Wochenende.

Diskussion In einer vorab durchgeführten Studie von Raschke et. al (2009) wurden hoch signifikante Gruppenunterschiede (p≤.001) für die Kategorie "Körperlich-sportliche Aktivität" gefunden. Deutliche Unterschiede in der Änderung der Kategorien "Fähigkeit der aktiven Entspan-nung", dem Betreiben von "Ausdauersport", der Teilnahme an "gemeinschaftlichen Aktivitä-ten" wurden während der Rehabilitation festgestellt. Es ergab sich die Forderung nach einer zielorientierten Alltagsgestaltung und aktivitätssteigernden Behandlung, die nun über das

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ATB detailliert erfasst werden kann. Die Bereitschaft zur Eintragung in das ATB ist sehr hoch. Die vorgegebene strukturierte Auflistung der einzelnen Aktivitäten im ATB erhöht die Compliance der Patienten und dient als Anregung zur eigenverantwortlichen Gestaltung ei-nes körperlich-aktiven Tagesablaufs. Eine valide und differenzierte Selbstdokumentation während der Reha erscheint außerdem als wichtige Voraussetzung für die Optimierung der Rehabilitation durch intensivierte Nachsorge (Deck et. al., 2009).

Literatur Deck, R., Hüppe, A., Arlt, A.C. (2009): Optimierung der Rehabilitationsnachsorge durch eine

längerfristige Begleitung der Rehabilitanden - Ergebnisse einer Pilotstudie. Die Rehabili-tation, 48. 39-46.

Gottwald, N., Raschke, F., Fischer, J. (2008): Erschöpfung und Aktivierungstherapie - Ent-wicklung einer Aktivitäts- und Partizipationsskala. DRV-Schriften, Bd. 77. 501-502.

Raschke, F., Gottwald, N., Fischer, J. (2009): Auswirkung von psychovegetativer Erschöp-fung auf Aktivität und Partizipation. DRV-Schriften, Bd. 83. 426-427.

Zur klinischen Validität neuerer Psychometrieverfahren in der Erfassung von Veränderungen der Symptomatik bei affektiven Störungen bei

Patienten in der Psychosomatischen Rehabilitation

Schüle, C., Jürgensen, R., Rüddel, H. Psychosomatische Fachklinik St. Franziska-Stift Bad Kreuznach und FPP, Universität Trier

Einleitung und Fragestellung Psychometrische Verfahren sind etablierte, bewährte und valide Verfahren zur Erfassung von affektiven Störungssymptomen, Klagsamkeit, Befindlichkeitsveränderungen und von Funktionseinschränkungen. Alle publizierten Verfahren besitzen eine ausreichende klinische und wissenschaftlich anerkannte Validität und Reliabilität.

Von besonderer klinischer Bedeutsamkeit sind Fragebogenverfahren, die für klinische Ein-richtungen kostenfrei einsetzbar sind, wie z. B. der Health-49 (Rabung et al., 2009). Unklar ist allerdings, ob diese in den letzten Jahren neu entwickelten Verfahren eine ähnlich gute klinische Validität zur Veränderungsmessung besitzen wie die etablierten Fragebogenin-strumente.

Wir untersuchten daher an einer nicht ausgelesenen Stichprobe von konsekutiv in den Jah-ren 2008 und 2009 (bis zum 01.09.2009) aufgenommenen Patienten der Psychosomati-schen Fachklinik St. Franziska-Stift in Bad Kreuznach, ob sich relevante Unterschiede in der Änderungssensitivität affektiver Symptome bei Patienten aufweisen lassen, die klinisch die Diagnose einer affektiven Störung erhielten und die sowohl zum Aufnahmezeitpunkt als auch zum Entlassungszeitpunkt den etablierten Fragebogen "ADSK" ausfüllten sowie das entsprechende Modul des Health 49.

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Methodik Untersucht wurden alle konsekutiv aufgenommenen Patienten der Klinik (n = 991), 347 Pa-tienten hatten als Schlussdiagnose die depressive Anpassungsstörung, 132 Patienten eine leichtgradige depressive Episode (F32.0 oder F33.0), 541 Patienten eine mittelgradig aus-geprägte depressive Störung (F32.1 oder F33.1) und 53 Patienten eine schwere depressive Episode (F32.2 oder F33.2).

Berechnet wurden deskriptive Statistiken, Veränderungsmaße nach Cohen (Delta) sowie individuelle reliabilitätskorrigierte Veränderungsmaße (nach Steyer) und Regressionsanaly-sen.

Ergebnisse In der Analyse der T-Werte fällt auf, dass für das entsprechende Health-Modul (Depressivi-tät) deutlich höhere T-Werte resultieren als im ADSK. Beim ADS stiegen die Mittelwerte kon-tinuierlich bei klinisch ausgeprägteren Depressionsbildern (F43.2<F32/33.0<F32/33.1 <F32/33.2). Die Streuung blieb über die unterschiedlichen Diagnosegruppen gleich. Im Health-Modul waren die Unterschiede in den Skalenwerten bei ausgeprägten depressiven Störungsbildern nicht so deutlich und die Höhe der Streuung korrelierte mit der Höhe des Mittelwertes.

ADS-Skalenwerte und Ergebnisse im Health-Modul korrelieren (r = .79, p < .01). Bei den Veränderungsmaßen (Cohens D) zeigt sich durchgehend bei allen affektiven Störungen ei-ne Effektstärke um 1,0 im ADSK. Für das entsprechende Health-49-Modul liegt die Effekt-stärke deutlich niedriger und ist abhängig von der Diagnose. Die niedrigsten Effektstärke zeigt sich bei Patienten mit schweren depressiven Episoden.

Cohen’s d

Steyer’s inferentielle Veränderung (x )

ADS

Health ADS Health

Anpassungsstörung 1.08 .97 2.36 2.00 Leichte depressive Episode 1.07 1.03 2.23 1.90 Mittelgradige depressive Episode 1.05 .86 2.12 1.79 Schwere depressive Episode 1.19 .53 2.37 1.11

Tab. 1: Vergleichende Gegenüberstellung der Veränderungseffektstärken im ADSK und im entsprechenden Health-Modul.

Die deutlich geringeren Effektstärken in den Veränderungsmaßen des Health-49-Moduls für depressive affektive Störungen ist unabhängig von der Verwendung der Rohwerte oder von T-Werten in der Analyse.

Diskussion der Ergebnisse Die hier vorgelegten Vergleichsanalysen bestätigen die effektive Verbesserung der affekti-ven depressiven Störungssymptomatik durch eine konsequente psychosomatische Rehabili-tation, wie sie in der Literatur bei der Verwendung von etablierten psychometrischen Verfah-ren berichtet ist. Es wird aber auch die Problematik von neuen psychometrischen Instrumen-ten aufgezeigt. Im Health-49 findet sich ein deutlicher "Deckeneffekt" und eine deutlich ge-

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ringere Veränderungssensitivität durch die Intervention. Der "Deckeneffekt" lässt sich noch durch Besonderheiten in der "Eichstichprobe" erklären. In dieser Normpopulation sind alle Patienten mit affektiven Störungen ausgeschlossen, wohingegen die Normpopulation, die den T-Werten im ADSK zugrunde lagen eine repräsentative Bevölkerungsstichprobe bein-haltete, die auch mit etwa 15 % Personen mit affektiven Störungen beinhaltete.

Warum die Effektstärken in den Veränderungsmaßen bei dem entsprechenden Health-49-Modul so viel geringer sind als im Vergleich mit etablierten psychometrischen Instrumenten bleibt letztendlich unklar. Eine methodische Erklärung für diese Diskrepanz könnte die aus-gangswertabhängige Streuung sein. Außerdem könnten die gewählten Items im Health Mo-dul entweder recht wenig änderungssensitiv für kurzzeitige Interventionen sein oder sind in den Skalen des Health die somatischen Veränderungen der Depression zu wenig abgebil-det. Sehr kritisch hinterfragt werden muss daher, ob das entsprechende Health-Modul wirk-lich geeignet ist, die Effektivität einer Psychosomatischen Rehabilitationsbehandlung bei Pa-tienten mit affektiven Störungen zu erfassen.

Literatur Rabung, S., Harfst, T., Kawski, S., Koch, U. (2009): Psychometrische Überprüfung einer

verkürzten Version der "Hamburger Module zur Erfassung allgemeiner Aspekte psycho-sozialer Gesundheit für die therapeutische Praxis (Health-49)". Psychosom Med Psy-chother, 55. 162-179.

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Assessmentinstrumente II

Entwicklung und Überprüfung einer Itembank für Angst bei Patienten in der kardiologischen Rehabilitation

Abberger, B. (1), Schnurr, A. (1), Bengel, J. (1), Wirtz, M. (2), Baumeister, H. (1) (1) Institut für Psychologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, (2) Institut für Psychologie, Pädagogische Hochschule Freiburg

Hintergrund Angststörungen zählen zu den häufigsten komorbiden psychischen Störungen bei Rehabili-tanden mit einer kardiovaskulären Erkrankung (4-Wochen-Prävalenz: 10,1 %; Härter et al., 2007). Neben einer niedrigeren Lebensqualität weisen kardiologische Patienten mit einem erhöhten Angstniveau eine schlechtere Medikamenten-, Aktivitäts- und Diätcompliance auf (Moser, 2007). Entsprechend bedeutsam ist es, kardiologische Rehabilitanden mit einem erhöhten Angstniveau valide, reliabel und ökonomisch erfassen zu können.

Im Rahmen des von der Zarnekow-Stiftung geförderten Projektes RehaCAT-Kardio wird ein computeradaptives Screeningverfahren (CAT) für Angst entwickelt, das bei hoher Messgüte maximal ökonomisch einsetzbar sein wird. Neben einer automatisierten Datenauswertung bietet computeradaptives Testen den Vorteil einer kurzen Bearbeitungszeit, die durch eine sparsame Auswahl der individuell informativsten Items der Rasch-homogenen Itembank er-zielt wird.

Methodik Eine umfangreiche Literaturrecherche führte zu 56 deutsch- und englischsprachigen Angst-fragebögen, die als Grundlage für die Erstellung einer Itembank für Angst bei Patienten in der kardiologischen Rehabilitation dienten. Zur Überprüfung der Relevanz der Items erfolgte eine Expertenbefragung. Die Verständlichkeit der Items wurde in Interviews mit kardiologi-schen Rehabilitanden mittels der Think-aloud-Technik (n = 28) beurteilt. Durch eine multi-zentrische Datenerhebung in 14 kardiologischen Rehabilitationseinrichtungen konnten Da-ten von 631 kardiologischen Rehabilitanden zur Überprüfung der Angst-Itembank analysiert werden. Um die Eindimensionalität der Itembank Angst zu untersuchen, wurden die Selekti-onskriterien für Rasch-Skalen (Partial-Credit-Modell): InFit-Maß und Differential Item Functi-oning (DIF) herangezogen.

Ergebnisse Die ursprünglich aus 193 Items bestehende Itembank für Angst reduzierte sich aufgrund der Ergebnisse der Expertenbefragung und der Patienteninterviews auf 156 Items. In der Item-bank verblieben Items zu drei unterschiedlichen Aspekten von Angst: emotionale Aspekte der Angst (84 Items), kognitive Aspekte der Angst (51 Items) und Vermeidung aus Angst (21 Items).

Mittels der Auswertung der Rasch-Analysen wurden Items identifiziert, die dem Modell nicht entsprechen (InFit-Maße < 1.3 (Wirtz, Böcker, 2007)) oder Differential Item Functioning

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zeigten. Nach Eliminierung dieser Items liegt eine eindimensionale Itembank für Angst bei kardiologischen Rehabilitanden vor, die sich durch gute Item-Reliabilitäten auszeichnet. Die weite Spanne der Itemschwierigkeiten belegt, dass das Angstkontinuum zufrieden stellend erfasst wird.

Diskussion und Ausblick Mit der Angst Itembank des RehaCAT-Kardio liegt eine valide und reliabel einsetzbare Item-bank für Angst bei Patienten in der kardiologischen Rehabilitation vor. Um neben der Mess-präzision eine hohe Ökonomie bei der Erfassung von Angst zu erreichen, zielt das Projekt im nächsten Schritt durch die Entwicklung eines computerbasierten adaptiven Testverfah-rens zu Angst (Angst-CAT) auf die Reduzierung des Bearbeitungsaufwands.

Literatur Härter, M., Baumeister, H., Bengel, J. (2007): Psychische Störungen bei Rehabilitanden mit

einer somatischen Erkrankung. In: Härter, M., Baumeister, H., Bengel. J. (Hrsg.): Psychi-sche Störungen bei körperlichen Erkrankungen. Heidelberg: Springer. 55-69.

Moser, D.K. (2007): "The Rust of Life": impact of anxiety on cardiac patients. American Journal of Critical Care, 16. 361-369.

Wirtz, M., Böcker, M. (2007): Das Rasch-Modell - Eigenschaften und Nutzen für die dia-gnostische Praxis. Die Rehabilitation, 46. 238-245.

Möglichkeiten der Nutzung Item Response Theorie basierter Itembanken am Beispiel der Depression

Forkmann, T. (1), Böcker, M. (1), Wirtz, M. (2), Glaesmer, H. (3), Brähler, E. (3), Norra, C. (4), Gauggel, S. (1)

(1) Institut für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universitätsklinikum der RWTH Aachen, (2) Institut für Psychologie, Pädagogische Hochschule Freiburg,

(3) Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universitätsklinikum Leipzig, (4) Psychiatrie - Psychotherapie - Psychosomatik -

Präventivmedizin, LWL-Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum

Hintergrund Modelle aus der Familie der Item Response Theorie (IRT) erfahren in der psychologischen Diagnostik eine zunehmende Verbreitung. So werden IRT-Modelle immer häufiger für die Validierung bestehender diagnostischer Verfahren eingesetzt (Gauggel et al., 2004; Elliott et al., 2006; Smith et al., 2006). Aber auch die Entwicklung neuer Verfahren mittels IRT-Model-len wird zunehmend genutzt, wobei die Möglichkeit, IRT-basierte Instrumente computer-adaptiv umzusetzen eine der attraktivsten Eigenschaften IRT-basierter Verfahrensentwick-lungen darstellt. Ein zentraler Schritt bei der Entwicklung eines Computeradaptiven Tests (CAT) ist die Erstellung einer Itembank. Eine Itembank stellt dabei eine Sammlung von vie-len Items dar, die das entsprechende Konstrukt (hier: Depressivität) eindimensional und in einem breiten Ausprägungsspektrum erfassen und die mit Hilfe eines IRT Modells (z. B. der Rasch-Modells; vgl. Bond, Fox, 2001) bezüglich ihrer Itemschwierigkeiten kalibriert worden

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sind. Die Erstellung einer Itembank ist aufgrund ihres beträchtlichen empirischen Aufwands zumeist die größte Hürde bei der Entwicklung eines CAT. Dieser Beitrag soll aufzeigen, dass sich dieser Aufwand lohnt, indem die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten einer Itembank am Beispiel der Depression dargestellt werden.

Methodik Die Itembank zur Depression, anhand derer Nutzungsmöglichkeiten veranschaulicht werden sollen, umfasst 79 Items und misst Depressivität eindimensional (Forkmann et al., 2009). Zwei exemplarische Nutzungsmöglichkeiten dieser Itembank werden dargestellt: (a) Item-bank als Basis für ein adaptives Testverfahren: Auf Basis dieser Itembank wurde ein adapti-ver Algorithmus generiert, der auf diese Itembank zugreift und anhand der Itemschwierigkei-ten in Abhängigkeit vom Antwortverhalten des Patienten Items vorgibt, bis ein definiertes Abbruchkriterium erreicht ist. (b) Ableitung statischer Fragebogenverfahren: Ausgehend von der Itembank wurden mittels Strukturgleichungsmodellierung zwei parallele, jeweils 10 Items umfassende eindimensionale Skalen konstruiert (das Rasch-basierte Depressionsscreening DESC-I und -II). Die Entwicklung und Validierung des DESC-I und -II mittels der Rasch-Analyse an verschiedenen Stichproben (209 psychiatrische Patienten mit einer affektiven Erkrankung, 142 kardiologische, 125 HNO-Patienten, 323 neurologische Patienten, bevölke-rungsrepräsentative Stichprobe mit n = 2.509) wird vorgestellt sowie Vergleichsdaten berich-tet.

Ergebnisse (a) Der auf die Itembank zugreifende adaptive Algorithmus startet mit der Präsentation eines Items mittlerer Schwierigkeit. Auf Basis der Antwort des Patienten auf dieses Item wird durch den Algorithmus mittels Expected a Posteriori (EAP) Schätzung der für diese Antwort wahrscheinlichste Wert für den Personenkennwert ermittelt (s. auch Bock, Mislevy, 1982). Anschließend wird die "Maximum posterior weighted information" -Methode (MPWI) ange-wendet, um das nächste Item auszuwählen (van der Linden, Pashley, 2000).

(b) Das auf Basis der Itembank konstruierte DESC-I und -II zeigt in allen untersuchten Stichproben gute Modellpassung (Infit <1.3) und Eindimensionalität gemäß Residual-faktorenanalyse. Differential Item Functioning (DIF) hinsichtlich Alter und Geschlecht wurde in der bevölkerungsrepräsentativen Stichprobe nicht gefunden, in den klinischen Stichpro-ben auf max. je einem Item. Es werden zudem Normierungsdaten berichtet, die zur Be-stimmung von "Clinical Significant Change" und "Reliable Change Index" sensu Jacobson & Truax (1991) genutzt werden können.

Diskussion/ Schlussfolgerungen Die Konstruktion IRT-basierter Itembanken ist mit hohem empirischem Aufwand verbunden, da die Kalibrierung einer solchen Itembank es erfordert, dass eine erschöpfende Sammlung für das Konstrukt relevanter Items von einer großen Stichprobe beurteilt werden muss. Es konnte jedoch exemplarisch gezeigt werden, dass sich dieser Aufwand lohnt: Itembanken können als Basis für CATs fungieren, die erhebliche Erleichterungen für die klinische Dia-gnostik ermöglichen. Darüber hinaus wurde anhand des DESC exemplarisch gezeigt, wie sich aus Itembanken nach verschiedenen Strategien statische Instrumente mit hoher psy-chometrischer Qualität konstruieren lassen. Mit dem DESC steht erstmals ein Verfahren zur

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Depressionsdiagnostik in zwei parallelen Versionen zur Verfügung, das zudem unabhängig von Alter und Geschlecht interpretiert werden kann.

Literatur Bock, R.D., Mislevy, R.J. (1982): Adaptive EAP estimation of ability in a microcomputer envi-

ronment. Applied Psychological Measurement, 6. 431-444. Bond, T.G., Fox, C.M. (2001): Applying the Rasch Model: Fundamental Measurement in the

human Sciences. Mahwah, New Jersey: Lawrence Erlbaum. Forkmann, T., Boecker, M., Norra, C., Eberle, N., Kircher, T., Schauerte, P., Mischke, K.,

Westhofen, M., Gauggel, S., Wirtz, M. (2009): Development of an item bank for the as-sessment of depression in persons with mental illnesses and physical diseases using Rasch analysis. Rehabilitation Psychology, 54. 186-197.

Jacobson, N., Truax, P. (1991): Clinical significance: a statistical approach to defining mean-ingful change in psychotherapy research. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 59. 12-19.

Van der Linden, W.J., Pashley, P.J. (2000): Item selection and ability estimation in adaptive testing. In: Van der Linden, W.J., Glas, C.A.W. (Eds.): Computerized adaptive testing: Theory and practice. Dordrecht: Kluwer. 1-26.

Entwicklung eines Fragebogens zur Erfassung von "Funktionsfähigkeit im Beruf" bei Rehabilitanden mit muskuloskeletalen Erkrankungen

Müller, E. (1), Frey, C. (1), Prinz, E. (1), Bengel, J. (2), Wirtz, M. (1) (1) Institut für Psychologie, Pädagogische Hochschule Freiburg, (2) Institut für Psychologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Einleitung Teilhabe im Beruf ist ein zentrales Rehabilitationsziel (SGB IX). Eine Möglichkeit, die bisher in der Rehabilitationsforschung gängigen berufsbezogenen Outcomekriterien sinnvoll zu er-gänzen, ist die Erfassung der "Funktionsfähigkeit im Beruf" (Lerner et al., 2001) - definiert als Art und Ausmaß der Beeinträchtigungen bei der Erfüllung von Aufgaben und Anforde-rungen im Berufsleben durch gesundheitliche Probleme.

Ziel des vorliegenden Projekts ist die Entwicklung eines deutschsprachigen Assessmen-tinstrumentes, das die zentralen Aspekte der "Funktionsfähigkeit im Beruf" erfasst.

Methoden Die Entwicklung des ersten Itempools ist in Müller et al. (2009) beschrieben. Der Itempool mit insgesamt 180 Items, die sich auf 9 Skalen aufteilen, wurde 621 Rehabilitanden in der orthopädischen und rheumatologischen Rehabilitation vorgelegt (Mittelwert Alter 51,6 Jahre; 51,4 % weiblich). 279 Rehabilitanden bearbeiteten alle Items, 342 Rehabilitanden jeweils 50 % der Items in einem Multi-Matrix-Testheftdesign (Carstensen et al., 2004).

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Die Analyse der einzelnen Skalen erfolgte mittels des Rasch-Models mit dem Programm RUMM 2020. Unter anderem wurden folgende Kriterien bezüglich der Modellpassung ange-legt (in Anlehnung an Mills et al., 2009):

a) keine signifikanten Abweichungen der empirischen Daten von den Vorhersagen des Ge-samtmodells indiziert durch Chi2-Wahrscheinlichkeit > 0.05 (Gesamtmodellfit)

b) Fit-Residuals der einzelnen Items sind < 2,5 (Itemfit)

c) Überprüfung der Eindimensionalität der Skalen durch Hauptkomponentenanalyse der Residuen

d) Rasch-Reliabilität der Skalen indiziert durch Person Separation Index > 0,8 (mind. 3 Be-lastungsniveaus abbildbar; indiziert zudem Eindimensionalität)

Ergebnisse Die aus den Rasch-Analysen entstandenen eindimensionalen Skalen sind mit ihren jeweili-gen Kennwerten in Tabelle 1 dargestellt. Skalenbezeichnung Itemzahl

Gesamt-modell

(a) Gesamt-modellfit p (Chi2; df)

Relia-bilität (PSI)

Anzahl Items mit DIF

Beispielitem

Skalen "Funktionsfähigkeit im Beruf"

Gering/ keine 16 0,19 (158,8; 144) 0,92 4

…mich bei der Arbeit stre-cken (z. B. um etwas in ei-nem hohen Regal zu errei-chen)

Körperli-che Anfor-derungen*

Hoch/ mittel 22 0,08 (225,6; 198) 0,94 4

…mehrere Stunden am Tag, körperlich sehr anstrengende Arbeiten erledigen

Arbeitsleistung 13 0,84 (102,1; 117) 0,95 0

…dieselbe Leistung bei der Arbeit erbringen wie vor mei-ner Erkrankung

Kognitive Anforderungen 21 0,49 (188,9; 189) 0,95 2 …mich auf meine Arbeit

konzentrieren

Stress 13 0,84 (101,9; 117) 0,93 0 …mit dem alltäglichen Stress

bei der Arbeit umgehen

Erschöpfung 10 0,37 (94,0; 90) 0,90 3

Ich habe mich bei der Arbeit oft schwach und erschöpft gefühlt.

Zusatzskalen

Berufsbezogene Sorgen 4 0,32 (39,5; 36) 0,89 1

Ich mache mir Sorgen, dass ich in Zukunft meinen bishe-rigen Beruf nicht mehr aus-üben kann.

Attribution der Schmerzen / Beschwerden auf den Be-ruf

3 0,12 (32,1; 24) 0,90 0

Meine Schmerzen / Be-schwerden werden durch meine Arbeit mit verursacht.

* Die beiden Skalen sind für den differenzierten Einsatz in Abhängigkeit von den Anforderungen des ausgeübten Berufes des Rehabilitanden vorgesehen. Die hier berichteten Skalen enthalten teilweise dieselben Items.

Tab. 1: Ergebnisse der Rasch-Modellierung der einzelnen Skalen des Fragebogens "Funktionsfähigkeit im Beruf"

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Alle Skalen besitzen einen sehr guten (a) Gesamtmodellfit und erfüllen in Bezug auf (b) Itemfit (nicht dargestellt) und (c) Eindimensionalität (nicht dargestellt) die oben genannten Kriterien. Die (d) Reliabilität der Skalen ist mit Person Separation Indices zwischen 0,89 und 0,95 ebenfalls als sehr gut zu bezeichnen. Erste inhaltliche Analysen zeigen Ergebnisse, die den Erwartungen für eine Stichprobe mit muskuloskeletalen Erkrankungen entsprechen, und liefern damit erste Hinweise auf die Validität der Skalen (z. B. hohe Belastung bzgl. körperli-cher Anforderungen, geringe Belastung bzgl. kognitiver Anforderungen).

Diskussion und Schlussfolgerungen Die Ergebnisse zeigen, dass es gelungen ist, die Grundlagen für eine Messung von indivi-duellen Profilen im Bereich Funktionsfähigkeit im Beruf zu erarbeiten. Neben der Entwick-lung von Kurzskalen werden im weiteren Projektverlauf die Überprüfung der Eignung dieser Skalen für die Ergebnismessung und die individuelle Diagnostik und Therapieplanung im Rehabilitationsprozess im Mittelpunkt stehen.

Literatur Carstensen, C.H., Knoll, S., Rost, J., Prenzel, M. (2004): Technische Grundlagen. In: PISA

Konsortium Deutschland (Hrsg.): PISA 2003. Der Bildungsstand der Jugendlichen in Deutschland - Ergebnisse des zweiten internationalen Vergleichs. Münster: Waxmann Verlag GmbH. 371-388.

Lerner, D., Amick, B., Rogers, W., Malspeis, S., Bungay, K., Cynn, D. (2001): The work limi-tations questionnaire. Medical Care, 39 (1). 72-85.

Mills, R.J., Young, C.A., Nicholas, R.S., Pallant, J.F., Tennant, A. (2009): Rasch analysis of the fatigue severity scale in multiple sclerosis. Mulitple Sclerosis, 15. 81-87.

Müller, E., Prinz, E., Frey, C., Bengel, J., Wirtz, M. (2009): Entwicklung eines adaptiven As-sessments zur Erfassung "beruflicher Funktionsfähigkeit": Itembanken für zentrale Ziel-konstrukte. DRV-Schriften, Bd. 83. 130-132.

Validierung adaptiver Algorithmen mittels Simulationsstudien am Beispiel der Funktionsfähigkeit im Alltag

Frey, C. (1), Müller, E. (1), Prinz, E. (1), Kröhne, U. (2), Bengel, J. (3), Wirtz, M. (1) (1) Abteilung Forschungsmethoden, Pädagogische Hochschule Freiburg,

(2) Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF), Frankfurt, (3) Institut für Psychologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Einleitung Adaptive Testungen am Computer spielen auch in der Rehabilitation eine immer größere Rolle. Von adaptivem Testen spricht man dann, wenn sich die Auswahl der Fragen, die bei einer Messung einer Person vorgelegt werden, an dem Antwortverhalten dieser Person ori-entiert. Das bereits gezeigte Antwortverhalten dient dazu, die Auswahl einer neuen Frage zu bestimmen.

Besonders die Vorteile der Ökonomie und der Akzeptanz der Probanden sind hierbei von Bedeutung. Sowohl die Auswertung als auch die Durchführung eines computer-adaptiven

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Tests (CAT) sparen Zeit und da die Fragen für die Patienten "maßgeschneidert" ausgewählt werden, sind diese für die individuelle Situation der Patienten besonders relevant.

Das computer-adaptive Testen ist in einigen Bereichen schon umgesetzt worden. Beispiel-haft aufgeführt sind hier aus dem deutschen Sprachraum ein adaptives Testmodell zur Mes-sung von Angst (Becker, 2002) und zur Erfassung von Stresserleben (Kocalevent, 2005), international ist PROMIS der National Institutes of Health (NIH) zu nennen (DeWalt et al., 2007).

Inhaltlich geht es bei der vorgestellten Studie um die Erfassung der Funktionsfähigkeit im Alltag bei Patienten der orthopädisch-rheumatologischen Rehabilitation.

Methoden Um eine ökonomische und reliable computergestützte Testung zu gewährleisten, müssen bei der Programmierung des Algorithmus eine Reihe von Entscheidungen getroffen werden (z. B. Frey, 2007). So werden insbesondere Kriterien dafür festgelegt...

a) wie das erste Item ausgewählt wird,

b) wie die Auswahl aller weiterer Items vonstatten geht,

c) und unter welchen Bedingungen die Testung beendet werden kann.

Dabei haben wir uns auf folgende Lösungsmöglichkeiten festgelegt, die teilweise noch vari-able Anteile enthalten:

a) unter den n (variable Anzahl) Items, die die beste Passung zur Personenfähigkeit des Probanden haben, wird zufällig eines ausgewählt,

b) sobald die Antwort auf ein Item vorliegt, kann anhand des MPWI-Kennwertes (Maximum posterior weighted information, Schätzverfahren für die Güte eines Items; Choi und Swartz, 2009), das nächste Item ausgewählt werden,

c) der Standarschätzfehler PSD (Posterior standard deviation; Veerkamp, Berger, 1997) der Schätzung des Personenparameters soll einen vorgegebenen Wert unterschreiten; dieser Wert ist ebenfalls variabel.

Um die variablen Anteile optimal auf die Datenlage anzupassen, haben wir Fragebögen mit allen Items des Pools an Rehabilitanden ausgegeben und mit diesen Daten eine Umsetzung der CAT-Algorithmen mit einer auf dem Programm R basierenden Software simuliert.

Das Simulationsprogramm wählt gemäß den Vorgaben (siehe oben) die Items aus. Die Antworten werden dabei aus den vollständigen Daten der Fragebögen entnommen und so-mit das Verhalten der Probanden bei einer Computer-Testung simuliert.

Mit dieser Simulation konnten variable Anteile des CAT getestet werden und deren Auswir-kungen auf Testlänge und Passung der tatsächlichen Personenfähigkeiten (aus dem Frage-bogen) mit der geschätzten (aus dem CAT) vorgenommen werden.

Ergebnisse Uns liegen die Daten von 108 Rehabilitanden der orthopädischen/rheumattolgischen Reha-bilitation vor. Das Durchschnittsalter beträgt 60,4 Jahre (SD: 13,2; Range: 18-80 Jahre; 56,5 % der Rehabilitanden sind weiblich).

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Es zeigt sich, dass die unterschiedliche Wahl der variablen Anteile des CAT-Algorithmus deutliche Auswirkungen auf die Güte der Computer-Testung hat.

Entscheidend für die Güte des Algorithmus des CAT ist in erster Linie:

- wie viele Items werden benötigt, um eine ausreichende Schätzgenauigkeit zu erreichen,

- wie präzise kann der CAT die aufgrund des Fragebogens errechneten Personenfähigkei-ten schätzen.

Ein weiteres Kriterium eines guten Testalgorithmus ist, dass möglichst viele Items des Pools ähnlich häufig verwendet und nicht von Testung zu Testung dieselben Items wieder ver-wendet werden.

Diskussion und Schlussfolgerungen Eine Vorvalidierung eines gewählten CAT-Algorithmus ist ein unerlässlicher Schritt auf dem Weg zu einem guten computeradaptivem Test, da so die Passung zwischen den empiri-schen Daten und der Umsetzung in einem computer-adaptiven Test sichergestellt werden kann.

Literatur Becker, J., Walter, O.B., Fliege, H., Bjorner, J., Ravens-Sieberer, U., Walter, M., Klapp, B.F.,

Rose, M. (2002): Using the item response theory to develop a computer adaptive test for anxiety. Quality of Life Research, Volume 11, Number 7. 670.

Choi, S.W., Swartz, R.J. (2009): Comparison of CAT Item Selection Criteria for Polytomous Items. Applied Psychological Measurement, 33. 419-440.

DeWalt, D.A., Rothrock, N., Yount, S., Stone, A.A. (2007): Evaluation of item candidates: the PROMIS qualitative item review. Medical Care, 45 (5 Suppl 1). 12-21.

Frey, A. (2007): Adaptives Testen. In: Moosbrugger, H., Keleva, A.: Testtheorie und Frage-bogenkonstruktion. Springer: Berlin. 261-278.

Kocalevent, R.D. (2007): Stress-CAT - Entwicklung eines computeradaptiven Tests zur Er-fassung von Stresserleben. Saarbrücken: VDM Verlag Dr. Müller.

Veerkamp, W.J.J., Berger M.P.F. (1997): Some New Item Selection Criteria for Adaptive Testing. Journal of Educational and Behavioral, 22. 203-226.

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Assessmentinstrumente (Poster)

Vorbereitung zur psychosomatischen Rehabilitation: Entwicklung eines Patienten-Fragebogens

Lange, M. (1), Best, M. (2), Hessel, A. (2), Petermann, F. (1) (1) Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Universität Bremen,

(2) Marbachtalklinik der Deutschen Rentenversicherung Oldenburg-Bremen, Bad Kissingen

Hintergrund Vorbereitungsmaßnahmen zur psychosomatischen Rehabilitation sollen den Patienten den Übergang von zu Hause in den stationären Aufenthalt erleichtern. Dieser ist häufig durch unzureichende Informationen, Ängste und Motivationsdefizite negativ besetzt (Best et al., 2009; Bischoff et al., 2003). Durch eine frühzeitige Identifikation sogenannter Risikopatien-ten könnten diese mit entsprechenden Maßnahmen geschult werden (Zwerenz et al., 2008). Um Patienten umfassend zu ihrer Einstellung zur psychosomatischen Rehabilitation zu be-fragen, wäre eine Erhebung zu unterschiedlichen Bereichen (z. B. Therapiemotivation, Krankheitskonzept, Befürchtungen) erforderlich. Aufgrund der hohen Itemanzahl vieler Pati-enten-Fragebögen sind ökonomische Verfahren nötig, die für den routinemäßigen Einsatz in der Rehabilitation geeignet sind (Petermann et al., 2009).

Methode Im Rahmen des Projekts "Zugang zur stationären psychosomatischen Rehabilitation" wurde ein Patienten-Fragebogen entwickelt, der Aspekte des psychosomatischen Krankheits-konzepts von Patienten spezifiziert. Die Prüfung der psychometrischen Güte erfolgte an ei-ner Stichprobe von n = 317 Reha-Patienten, die vor und nach einem Einzelberatungs-gespräch schriftlich befragt wurden. Es wurde geprüft, ob der Patienten-Fragebogen die Ein-stellung zur psychosomatischen Rehabilitation abbildet und Veränderungen verlässlich dar-stellt.

Ergebnisse und Diskussion Die Faktorenanalyse ergab eine 3-Faktoren-Lösung mit insgesamt zehn Items, die inhaltlich als

- "Wissen über Zweck und Inhalt der psychosomatischen Rehabilitation", - "Reha-Motivation" und - "Vertrauen in die psychosomatische Rehabilitation"

beschrieben werden können. Sowohl die Itemschwierigkeit (0,21 - 0,77) als auch die Trenn-schärfe (0,364 - 0,683) lagen im optimalen Wertebereich. Durch ein Einzelberatungsge-spräch konnten diese drei Ausgangsbedingungen einer psychosomatischen Rehabilitation signifikant gesteigert werden. Zudem zeigte sich, dass Patienten ohne Wissen (Skala "Wis-sen" = 0) deutlich weniger Motivation und Vertrauen in die psychosomatische Rehabilitation aufwiesen als Patienten mit Wissen (Skala "Wissen" > 0). Ausgehend von diesen drei As-

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pekten wurde vom Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation (ZKPR) der Univer-sität Bremen in Kooperation mit der Marbachtalklinik Bad Kissingen eine prästationäre Gruppen-Maßnahme entwickelt, die zurzeit evaluiert wird. Die Patienten erhalten in einer 90-minütigen Beratung Informationen zu Verwaltungs- und finanziellen Fragen sowie Erläu-terungen zu psychosomatischen Anwendungen. Es werden Therapieziele besprochen, die sich vor allem an der Teilhabe des beruflichen, gesellschaftlichen und sozialen Lebens orientieren. Zudem werden das Vertrauen der Patienten durch eine Erwartungsabklärung vertieft und Befürchtungen seitens der Patienten relativiert.

Schlussfolgerungen Der Patienten-Fragebogen zur psychosomatischen Rehabilitation stellt ein ökonomisches Instrument dar, das eingesetzt werden kann, um Patienten vor einer stationären Rehabilita-tion hinsichtlich ihrer "Reha-Bereitschaft" einzuschätzen. Die frühzeitige Kenntnis über un-günstige Vorbedingungen auf Seiten der Patienten erhöht die Chance, durch eine entspre-chende Vorbereitungsmaßnahme den Erfolg einer psychosomatischen Rehabilitation positiv zu beeinflussen.

Literatur Best, M., Lange, M., Karpinski, N., Hessel., A., Söpper-Terborg, B., Sieling, W., Peter-

mann, F. (2009): Psychosomatische Rehabilitation: Effekte einer prästationären Beratung durch die Rentenversicherung. Die Rehabilitation, 48. 283-287.

Bischoff, C., Gönner, S., Ehrhardt, M., Limbacher, K., Husen, E., Jäger, R.S. (2003): Ambu-lante prä- und poststationäre Maßnahmen. Ein Beitrag zur Flexibilisierung der stationären psychosomatischen Versorgung. Lengerich: Pabst.

Petermann, F., Stachow, R., Tiedjen, U., Karpinski, N. (2009): Entwicklung eines Kurz-Fragebogens zum Krankheitsmanagement chronisch kranker Jugendlicher. Die Rehabili-tation, 48. 228-237.

Zwerenz, R., Knickenberg, R.J., Beutel, M.E. (2008): Behandlungsabbrüche in der stationä-ren psychosomatischen Rehabilitation. Auf welche Art und wann beenden Patienten vor-zeitig eine stationäre Psychotherapie? Zeitschrift für Psychosomatische Medizin und Psy-chotherapie, 54. 241-262.

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Einsatz von E-Health-Methoden in der psychosomatischen Rehabilitation: Effekte eines psychologischen Monitorings mit automatischer

Intervention auf die Behandlungsergebnisse bei Tinnituspatienten

Schauß, S., Schneider, U., Jürgensen, R., Kley, N., Mussgay, L., Memmesheimer, M., Rüddel, H.

Psychosomatische Fachklinik St. Franziska-Stift, Bad Kreuznach

Hintergrund In den letzten Jahren hat sich die Forschung vermehrt den Einsatzmöglichkeiten elektroni-scher Hilfsmittel in der klinischen Psychologie, der Psychiatrie, der Psychosomatik und der Psychotherapie zugewandt. Die Verfahren des "Ambulatory-Assessment" zielen zum Bei-spiel darauf ab, psychologische, physiologische oder behaviorale Daten im Alltag in "Echt-zeit" zu erheben (Ebner-Priemer, Kubiak, 2007). Hierbei ist es möglich, Daten online zu ana-lysieren und dem Patienten online Feedback zu geben, wenn bestimmte Messwerte erreicht sind. Bei den Geräten zur Erhebung der online-Daten können heute internetfähige Mobiltele-fone verwendet werden. Diese internetbasierte Erfassungsmöglichkeit von laufenden The-rapiedaten bzw. Selbstberichten aus dem Alltag der Probanden kann als Ergänzung zum üblichen Therapieablauf dienen (Memmesheimer, Rüddel, 2005). Technische Vor-aussetzung für den Einsatz von "Computer Aided Therapy"-Systemen ist das Vorhanden-sein einer Datenbank, in der die Eintragungen gespeichert werden können und einem Zu-gangsportal, wodurch die teilnehmenden Parteien über Internet, Handy oder PDA Zugriff haben. Nach Memmesheimer und Rüddel (2005) eignet sich für den Aufbau der Seiten vor allem ein Applikationsserver auf Basis der Java Servlet Technologie. Somit können die hin-terlegten Daten der elektronischen Akte als Internetseiten zur Verfügung gestellt werden. Die Therapiepartner benötigen lediglich einen Computer mit Internetzugang und eine Brow-sersoftware. Selbstverständlich werden alle Daten, die über das Internet laufen, verschlüs-selt dargestellt. Im St. Franziska-Stift wird die computerunterstützte Trainingsmethode z. B. bei der Tinnitusbehandlung eingesetzt. Die Teilnehmer erhalten hierbei ein internetfähiges Handy und ein jeweils personenbezogenes Passwort, mit dem sie sich auf die vorbereiteten Internetseiten einwählen können. Damit können die Teilnehmer Fragen zu aktuellen Auf-merksamkeitslenkungsübungen beantworten oder sich auch automatisierte Hilfen und Vor-schläge für den Übungsablauf ansehen. In vorherigen Untersuchungen zeigte sich, dass durch die Methoden der e-Therapy mit einem Digital Assistant die Übungshäufigkeit des Aufmerksamkeitslenkens systematisch erfasst und verbessert werden kann (Sorbi et al., 2007). Mit den Entwicklungen des ODA (online digital assistance; Sorbi et al., 2006) wurde diese Methode erprobt. Positive Effekte konnten damit zum Beispiel im Zusammenhang mit Emotionsregulation bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen erzielt werden (Sorbi et al., 2007).

Fragestellung und Methodik Untersucht wurde, ob der gezielte Einsatz elektronischer Hilfen bei Patienten mit chroni-schem kompensierten und dekompensierten Tinnitus in der psychosomatischen stationären Rehabilitation die Behandlungseffektivität weiter verbessern kann. Es wird eine Experimen-talgruppe (Handy) mit einer Kontrollgruppe verglichen, die ihre Aufmerksamkeitslenkungs-

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übungen retrospektiv mittels Fragebogen (Papier) beurteilte. In beiden Gruppen war die An-zahl der kompensierten und dekompensierten Tinnituspatienten gleich. Beide Gruppen er-halten ein Handout, in dem Beispielübungen zur Aufmerksamkeitslenkung und Hilfen bei Schwierigkeiten beschrieben werden. Bei den Tinnituspatienten im St. Franziska-Stift, die der Experimentalgruppe zugehören, werden verschiedene Handlungsoptionen automatisch auf dem Handy zur Verfügung gestellt, wenn sie Schwierigkeiten bei der Ausführung ihrer Aufmerksamkeitslenkungsübungen haben. Weiterhin werden die Patienten mittels SMS an ihre Übungen erinnert, falls die letzte Rückmeldung schon längere Zeit zurückliegt. Die Pati-enten behalten das Handy über den gesamten Zeitraum der Behandlung. Eine therapeuti-sche Interaktion über das Handy findet nicht statt, was den Patienten bekannt ist. Das häufi-ge Üben von Aufmerksamkeitslenkungsprozessen ist regulärer Bestandteil der Therapie für Tinnituspatienten (Experimental- und Kontrollgruppe). Die Studie erhielt ein positives Votum der Ethik-Kommission. Dargestellt werden deskriptive Statistiken und Gruppenvergleiche (t-Test).

Ergebnisse Bisher wurden in dieser laufenden Studie 16 Patienten untersucht. Von den 16 Teilnehmern wurden 12 arbeitsfähig aufgenommen und arbeitsfähig entlassen und 4 wurden arbeitsunfä-hig aufgenommen und arbeitsunfähig entlassen.

Es zeigt sich auch bei der geringen Gruppengröße eine Tendenz dahingehend, dass die Teilnehmer der Experimentalgruppe mehr Übungen über die Behandlungszeit hinweg ma-chen und dass durch die Erinnerungs-SMS anscheinend die minimale Übungsfrequenz an-gehoben wurde (siehe Tabelle 1).

Gruppe Gesamt-summe der Übungen

Minimum Maxi-mum

Mittel-wert

Standardab-weichung

Kontrollgruppe 709 41 156 88 35 Experimentalgruppe 832 74 148 104 31 Gesamt 1541 41 156 96 33

Tab. 1: Anzahl der Übungen in der Kontrollgruppe und in der Experimentalgruppe im 4-Wochen-Zeitraum

Bereits bei der bisherigen kleinen Stichprobe war die Reduktion der Tinnitusbelastung in der Experimentalgruppe deutlich größer als in der Kontrollgruppe (t = -2,415; p = .031).

Gruppe Tinnitusfragebogen Anfang

Tinnitusfragebogen Ende

Kontrollgruppe Mittelwert 2,25 2,00 Standardabw. 1,2 1,2 Experimentalgruppe Mittelwert 2,38 1,29 Standardabw. 1,2 0,5

Tab. 2: Unterschiede in den Ergebnissen im Tinnitusfragebogen in der Experimentalgruppe und in der Kon-trollgruppe am Anfang vs. Ende der Behandlung

Diskussion Bereits aus diesen vorläufigen Ergebnissen zeigt sich, dass durch e-Therapy ein zusätzli-cher Effekt auf die Übungsanzahl und Behandlungsergebnisse bei Tinnituspatienten zu er-

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zielen ist. Diese Ergebnisse ermutigen zum systematischen Einsatz von neuen Medien in der psychosomatischen Rehabilitation.

Literatur Ebner-Priemer, U.W., Kubiak, T. (2007): Psychological and Psychophysiological Ambulatory

Monitoring - A Review of Hardware and Software Solutions. European Journal of Psycho-logical Assessment, 23 (4). 214-226.

Memmesheimer, M., Rüddel, H. (2005): Computer Aided Therapy - Gemeinsame Wissens-basis zur Unterstützung ambulanter Psychotherapien. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 68. 71-75.

Sorbi, M., Mak, S., Houtveen, J., Kleiboer, A., van Doornen, L. (2006): Mobile web-based monitoring and coaching: A new e-health-method and its feasibility in chronic migraine. Department of Clinical and Health Psychology, Utrecht University.

Sorbi, M.J., Rüddel, H., Bühring, M.E.F. (2007): Frontiers in Stepped eCare - eHealth Meth-ods in Behavioural and Psychosomatic Medicine. The Netherlands: A-D Druk BV.

Die deutsche Version des Self-Administered Comorbidity Questionnaire (SCQ-D) zur Erfassung der Komorbidität. Analysen zur Übereinstimmung

mit dem Arzturteil

Streibelt, M. (1), Lassahn, C. (2) (1) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin, (2) Diakoniekrankenhaus Annastift, Hannover

Hintergrund Die Komorbidität beeinflusst bei einem Knie- oder Hüftgelenkersatz das Behandlungsergeb-nis nachweislich (Davis et al., 2006; Lingard et al., 2004). Es existieren sehr gute Instrumen-te zur Fremderfassung der Komorbidität auf Basis einer ärztlichen Untersuchung. Etabliert hat sich vor allem der Charlson Comorbidity Index (CCI, Charlson et al., 1987). Seine guten psychometrischen Eigenschaften sind mittlerweile umfassend untersucht und prinzipiell bes-tätigt worden (Needham et al., 2005).

Allerdings gestaltet sich die Erhebung der Komorbidität in klinischen oder epidemiologischen Untersuchungen häufig aufgrund des hohen Aufwandes als schwierig. Deshalb wurde früh-zeitig ein subjektiver Komorbiditätsindex gefordert (Katz et al., 1996). Sangha et al. entwi-ckelten daraufhin den Self-Administered Comorbidity Questionnaire (SCQ, Sangha et al., 2003), der im Vergleich zum CCI moderate bis gute psychometrische Vergleichswerte auf-wies.

Fragestellung Im Zentrum der Untersuchung steht der Vergleich der deutschen Version des SCQ, des German Self-Administered Comorbidity Questionnaire (SCQ-D), mit dem durch den CCI do-kumentierten Arzturteil zur Komorbidität.

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Methodik Die Daten entstammen einem Projekt zur Evaluation der Integrierten Versorgung (IV) bei Endoprothetik, wie sie durch das Diakoniekrankenhaus Annastift in Hannover, und die Re-habilitationsklinik Niedersachsen in Bad Nenndorf, angeboten wird (Streibelt, Bethge, im Druck). Die Stichprobe besteht aus Patienten mit Gon- oder Coxarthrose, die im Rahmen der IV behandelt wurden und an einer Nachuntersuchung im Krankenhaus 3 Monate post-operativ teilnahmen (n = 218; nCox = 115, nGon = 103). In der medizinischen Untersuchung wurde die Komorbidität anhand des CCI dokumentiert. Anschließend bekamen die Patienten einen schriftlichen Fragebogen ausgehändigt, in dem unter anderem der SCQ-D verwendet wurde. Die Stichprobe war durchschnittlich 71,5 Jahre alt, 67 % waren weiblich.

Der SCQ-D erfragt anhand einer Checkliste von 13 Erkrankungen, ob bei den Patienten das jeweilige Problem vorliegt, und in einem zweiten Schritt, ob man deswegen bereits in medi-zinischer Behandlung war bzw. Medikamente verschrieben bekam. Daraus werden zwei Summenindizes gebildet (SCQ-D1, SCQ-D2). Der CCI dokumentiert das Vorliegen von 17 Erkrankungen. Daraus wird - je nach Morbiditätsrisiko - ein gewichteter Summenindex ge-bildet.

Die Bewertung der Übereinstimmung der Summenindizes erfolgte durch die Berechnung des Korrelationskoeffizienten r nach Spearman, die direkte Übereinstimmung auf Itemebene wurde anhand des Kappa-Koeffizienten κ geschätzt.

Ergebnisse Die Zusammenhänge der Indizes lagen mit r = 0,20 (SCQ-D2) und r = 0,27 (SCQ-D1) im niedrigen Bereich. Die Übereinstimmung einzelner Krankheitsbilder gestaltete sich unter-schiedlich. Am besten war die Übereinstimmung mit κ1 = 0,83 (Problem liegt vor) bzw. κ2 = 0,70 (deswegen in Behandlung) bei Diabetes, geringe Übereinstimmung gab es bei der Erfassung von Krebserkrankungen (κ1 = 0,41; κ2 = 0,20). In der Regel stimmten die Items des ersten SCQ-D Index (Problem liegt vor) besser mit der Arzteinschätzung überein als die des zweiten SCQ-D Index (deswegen in Behandlung). Insgesamt lagen die Übereinstim-mungen im moderaten bis beachtlichen Bereich (κ = 0,41 bis κ = 0,80).

Berechnet man die Indizes anhand der in beiden Instrumenten übereinstimmend erfragten Erkrankungen neu (8 Items), dann kann die Übereinstimmung der Indizes mit r = 0,49 bzw. r = 0,48 als moderat beschrieben werden.

Diskussion Der SCQ-D hat sich zur Erhebung der Komorbidität bei älteren Patienten nach Knie- oder Hüftgelenkersatz als praktikabel erwiesen. Es werden moderate Zusammenhänge zum ärzt-lichen Urteil, dokumentiert mittels des CCI, erreicht. Dies korrespondiert mit der Originalva-riante von Sangha und Arbeitsgruppe. Damit steht mit dem SCQ-D ein effizientes Instrument zur Erfassung der subjektiven Komorbidität zur Verfügung, welches sich insbesondere an-bietet, wenn aufgrund restriktiver Ressourcen eine ärztliche Feststellung der Komorbidität nur schwer möglich ist.

In weiteren Untersuchungen muss sich erweisen, inwiefern sich der SCQ-D auch in der Vorhersage zukünftiger problematischer Ereignisse (Krankenhausaufenthalte, postoperative Komplikationen) bzw. des Behandlungsergebnisses als valide erweist.

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Literatur Charlson, M.E., Pompei, P., Ales, K.L., MacKenzie, C.R. (1987): A new method of classify-

ing prognostic comorbidity in longitudinal studies: development and validation. J Chronic Dis, 40 (5). 373-383.

Davis, A.M., Agnidis, Z., Badley, E., Kiss, A., Waddell, J.P., Gross, A.E. (2006): Predictors of functional outcome two years following revision hip arthroplasty. J Bone Joint Surg Am, 88 (4). 685-691.

Katz, J.N., Chang, L.C., Sangha, O., Fossel, A.H., Bates, D.W. (1996): Can comorbidity be measured by questionnaire rather than medical record review? Med Care, 34 (1). 73-84.

Lingard, E.A., Katz, J.N., Wright, E.A., Sledge, C.B. (2004): Predicting the outcome of total knee arthroplasty. J Bone Joint Surg Am, 86 A (10). 2179-2186.

Needham, D.M., Scales, D.C., Laupacis, A., Pronovost, P.J. (2005): A systematic review of the Charlson comorbidity index using Canadian administrative databases: a perspective on risk adjustment in critical care research. J Crit Care, 20 (1). 12-19.

Sangha, O., Stucki, G., Liang, M.H., Fossel, A.H., Katz, J.N. (2003): The Self-Administered Comorbidity Questionnaire: a new method to assess comorbidity for clinical and health services research. Arthritis Rheum, 49 (2). 156-163.

Streibelt, M., Bethge, M. (2010): Patientenpräferenzen bei der Ausgestaltung Integrierter Versorgungsprogramme: Ein Discrete Choice Experiment. Gesundheitsökonomie und Qualitätsmanagement. Im Druck.

Die PROMIS-Itembanken zu Schmerzen, sozialer Rollenteilhabe und Depressivität: Übersetzung und methodische Prüfung

Farin, E., Glattacker, M., Gramm, L., Kosiol, D., Meder, M. Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg

Einleitung Wenn man internationale Übersichtsarbeiten zu den Zukunftstrends beim patientenseitigen Assessment des Gesundheitszustands chronisch Kranker ("patient reported outcomes") analysiert (z. B. Jette, Haley, 2005), so werden drei Entwicklungen immer wieder genannt: das computergestütze adaptive Testen (CAT), die umfassende psychometrische Prüfung unter Anwendung von Item-Response-Modellen und die Anwendung qualitativer Verfahren zur Sicherstellung von Inhaltsvalidität und Verständlichkeit in der Zielgruppe. Eine Möglich-keit, diese Trends im deutschsprachigen Raum aufzugreifen, besteht in der Zusammenstel-lung und Prüfung neuer, für das CAT geeigneter Itembanken (vgl. z. B. Forkmann et al., 2009). In dem hier berichteten Projekt wurden hingegen Itembanken, die in den letzten Jah-ren in den USA entwickelt wurden, ins Deutsche übersetzt und geprüft. Dazu wurden vier Skalen der PROMIS-Initiative (Patient-Reported Outcomes Measurement Information Sys-tem, Cella et al., 2007) berücksichtigt: Beeinträchtigung durch Schmerzen (41 Items), Zu-friedenheit mit der Teilhabe an sozialen Rollen (14 Items), Zufriedenheit mit der Teilhabe an sozialen Freizeitaktivitäten (12 Items) und Depressivität (28 Items). Die PROMIS-Initiative des National Institute of Health verfolgt das Ziel, innerhalb von 5 Jahren ein breites Spekt-

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rum von Itembanken zu entwickeln und zu validieren, die generisch bei verschiedenen Er-krankungen einsetzbar sind.

Methodik Unter Autorisierung des PROMIS-Netzwerks wurde ein umfangreiches, standardisiertes Übersetzungsverfahren umgesetzt, welches aus sechs Schritten bestand: 1. Vorwärtsüber-setzung durch zwei deutsche Muttersprachler, 2. Abgleich der Übersetzungen durch eine dritte Person, 3. Rückübersetzung der abgeglichenen Version durch einen englischen Mut-tersprachler, 4. Review durch mehrere Personen, die beide Sprachen beherrschen, 5. Re-view durch das PROMIS-Netzwerk, 6. Abschließende orthographische Prüfung durch einen bilingualen Experten. Nach Durchlaufen der sechs Schritte wurden kognitive Interviews mit n = 15 Rehabilitanden aus zwei Kliniken durchgeführt (Vorstudie). Der Ablauf der Interviews wurde angelehnt an das Vorgehen der amerikanischen Arbeitsgruppe (DeWalt et al., 2007). Grundlage bildete die Technik des so genannten "retrospective verbal probing", bei der der Befragte zunächst selbständig einen Fragebogen bearbeitet und der Interviewer anschlie-ßend durch gezieltes Nachfragen das Verständnis der einzelnen Items überprüft. Bei der psychometrischen Prüfung in einer größeren Stichprobe (Hauptstudie) wird der bei Reeve et al. (2007) beschriebene statistische Analyseplan in modifizierter Form übernommen. Von der angestrebten Fallzahl n = 250 liegen aktuell (Okt. 2009) n = 92 vor, im Februar 2010 wird der Datensatz komplett sein.

Ergebnisse Die Übersetzung der PROMIS-Skalen ins Deutsche war ohne größere Schwierigkeiten mög-lich, da in den Skalen stark kulturspezifische Konzepte (wie z. B. der Begriff "block" im SF-36; Wagner et al., 1998) nicht vorhanden sind. Bei den kognitiven Interviews erwiesen sich die Items zu Depressivität und Schmerzen insgesamt als gut verständlich. Manche Items zur sozialen Rollenteilhabe scheinen etwas weniger verständlich, da sich einige PatientInnen die Frage stellten, was mit abstrakten Konzepten wie "soziale Aktivitäten" oder "alltägliche Aufgaben" für sie konkret gemeint ist. Dass einige Fragen diese Konzepte durch Beispiele in Klammern präzisieren, wurde sehr begrüßt. Manche RehabilitandInnen hatten Probleme mit dem Wechsel des Antwortformats. Deshalb wurde bei einem Item das Antwortformat verän-dert, so dass die PROMIS-Skalen insgesamt nur zwei verschiedene Antwortformate aufwei-sen. Aktuell wird die finale Version der PROMIS-Skalen in insgesamt 8 Kliniken (Musku-loskeletale Erkrankungen, Psychosomatik) bei Reha-Beginn und Reha-Ende eingesetzt. Die vorliegenden Daten zeigen, dass die Items gut akzeptiert werden (mittlerer Anteil fehlender Werte nur 1.1 %) und dass die Skalen gute Verteilungseigenschaften aufweisen und sehr reliabel sind (Cronbachs Alpha generell über 0.90).

Diskussion Für die deutsche Version der PROMIS-Skalen liegen nach den Übersetzungsprozeduren, Vorstudien und ersten Daten der Hauptstudie positive Ergebnisse zu Verständlichkeit, Ak-zeptanz, Verteilungseigenschaften und Reliabilität vor. Ein Vorteil der Verwendung inter-national verbreiteter Itembanken besteht u. a. in der besseren Vergleichbarkeit national er-hobener Daten.

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Literatur Cella, D., Yount, S., Rothrock, N., Gershon, R., Cook, K., Reeve, B., Ader, D., Fries, J.F.,

Bruce, B., Rose, M. (2007): The Patient-Reported Outcomes Measurement Information System (PROMIS): Promise of an NIH roadmap cooperative group during its first two years. Medical Care, 45 (5 Suppl 1). 3-11.

DeWalt, D.A., Rothrock, N., Yount, S., Stone, A.A. (2007): On behalf of the PROMIS Coop-erative Group. Evaluation of Item Candidates: The PROMIS Qualitative Item Review. Medical Care, 45 (5). 12-21.

Forkmann, T., Boecker, M., Norra, C., Eberle, N., Kircher, T., Schauerte, P., Mischke, K., Westhofen, M., Gauggel, S., Wirtz, M. (2009): Development of an item bank for the as-sessment of depression in persons with mental illnesses and physical diseases using Rasch analysis. Rehabilitation Psychology, 54 (2). 186-197.

Jette, A.M., Haley, S.M. (2005): Contemporary measurement techniques for rehabilitation outcomes assessment. Journal of Rehabilitation Medicine, 37 (6). 339-345.

Reeve, B.B., Hays, R.D., Bjorner, J.B., Cook, K.F., Crane, P.K., Teresi, J.A., Thissen, D., Revicki, D.A., Weiss, D.J., Hambleton, R.K., Liu, H., Gershon, R., Reise, S.P., Lai, J., Cella, D. (2007): Psychometric evaluation and calibration of health-related quality of life banks. Plans for the Patient-Reported Outcome Measurement Information System (PROMIS). Medical Care, 45. 22-31.

Wagner, A.K., Gandek, B., Aaronson, N.K., Acquadro, C., Alonso, J., Apolone, G., Bullinger, M., Bjorner, J., Fukuhara, S., Kaasa, S., Leplège, A., Sullivan, M., Wood-Dauphinee, S., John, E. (1998): Cross-Cultural Comparisons of the Content of SF-36 Translations across 10 Countries: Results from the IQOLA Project. Journal of Clinical Epidemiology, 51 (11). 925-932.

Die Skala Arbeit des MPSQ-D: Zusammenhang mit Angst- und Vermeidungseinstellungen

Meier, R.K. (1,2), Meyer, N. (2), Wiese, C.W. (2) (1) Rehabilitationsklinik Prinzregent Luitpold und Kurmittelhaus der Moderne Bad

Reichenhall, (2) Interdisziplinäre Schmerzambulanz der Universitätsklinik Regensburg

Hintergrund Psychosoziale Belastungen spielen eine wesentliche Rolle bei der Chronifizierung von Schmerz und schmerzassoziierten Störungen (Funktionen, Aktivitäten, Partizipation) (Gat-chel et al., 2008; Nicholl et al., 2009) in der individuellen Erwerbsbiographie und hinsichtlich der sozialen Sicherungssysteme (hier GRV). Sowohl in hausärztlichem und arbeitsmedizini-schem wie auch in orthopädischem und rehabilitationsmedizinischem Zusammenhang hat eine frühe und umfassende Identifikation individueller Belastungsfaktoren eine essentielle Bedeutung für die Vermeidung von Chronifizierung und Erwerbsminderung (Linton, Halden, 1998). Entsprechende Risikofaktoren werden üblicherweise mittels Screeninginstrumenten erfasst. International eingeführt und gebräuchlich ist der Musculoskeletal Pain Screening Questionnaire MPSQ, der besonderes Augenmerk auf psychosoziale Risikofaktoren bei der

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Chronifizierung legt (Linton, Halden, 1998; Linton, Boersma, 2003). Die Skala "Arbeit" der ersten validierten deutschen Version MPSQ-D umfasst folgende Items: AU-Dauer, Schwere bzw. Eintönigkeit der Erwerbsarbeit, subjektive Arbeitsprognose, Arbeitszufriedenheit und Fähigkeit, leichte Arbeit auszuführen (Meier et al., 2008). Das Fear and Avoidance Beliefs Questionnaire (FABQ) erhebt Angst- und Vermeidungseinstellungen (Waddel et al., 1993).

Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung des Zusammenhanges zwischen arbeits-bezogenen Kognitionen (Skala Arbeit des MPSQ-D) und bewegungsschmerzbezogener Vermeidung (gemessen mit dem Instrument FABQ).

Methodik In die deutsche Referenzstichprobe des MPSQ-D wurden 130 Männer und Frauen einge-schlossen. Die Probanden mit muskuloskeletalen Beschwerden wurden in hausärztlichen und orthopädischen Praxen nach Aufklärung und Einverständnis rekrutiert. Im Rahmen der Nachbefragung nach 12 Monaten konnten 102 komplette Fragebögen gewonnen werden. Die Statistische Analyse erfolgte mittels SPSS.

Wie in der Originalversion von Linton (Linton, Halden, 1998; Linton, Boersma, 2003) wird das Risiko für eine Chronifizierung mittels eines Gesamtwertes (Score) angegeben. Dieser Score beträgt min. 0 und max. 210 Punkte; über den Gesamtwert hinaus definierten wir 4 inhaltliche Teilbereiche (Skalen) des Instrumentes. Die Skalen Schmerz, Psyche, Aktivitäten des täglichen Lebens/ATL und Arbeit umfassen dabei je zwischen 4 und 6 Items. Das indi-viduelle Ergebnis der Skalen wird als Punktwert mit Min = 0 und Max = 10 angegeben. Die Skalen geben das konkrete Belastungsprofil des Probanden an.

Angst- und Vermeidungseinstellungen werden mittels des FABQ auf drei Ebenen differen-ziert (Waddel et al., 1993): Bewegungsangst aufgrund Schmerzassoziation, Kausalattributi-on (Erwerbsarbeit als Ursache für die Funktions- bzw. Aktivitätsstörung) und Arbeitsvermei-dung infolge Bewegungsangst und ggf. Kausalattribution; der Gesamtscore wird als Abso-lutwert in Punkten angegeben.

Ergebnisse Die Tabellen zeigen die populations- und instrumentbezogenen statistischen Ergebnisse.

Alter Geschlechterverhältnis Erwerbsstatus 44,3 ± 10,6 J 60 w : 42 m. 82 % erwerbstätig

(17 bis 66) (ges. 102) (ges. 102)

Skala Arbeit FABQ MPSQ-D gesamt 2,8 ± 1,6 Punkte 40 ± 21,5 Punkte 93 ± 33,4 Punkte Max.: 10 Max.: 96 Max.: 210

Tab. 1: Daten der Studienpopulation sowie Ergebnisse der Messinstrumente

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− r − p − N

− Zusammenhang mit Summenscore t0

− 0,872** − < 0,001 − 210

− Zusammenhang mit Summenscore AU (t1)

− 0,604** − < 0,001 − 95

− Zusammenhang mit FABQ

− 0,444*** − < 0,001 − 127

Tab. 2: Korrelationen der Skala Arbeit

Diskussion Die Skalen ATL und Arbeit des MPSQ-D zeigten im Durchschnitt aller Teilnehmer geringe bis mittlere - die Skalen Schmerz und Psyche mittlere bis hohe Belastungen der Patienten mit Beschwerden des Haltungs- und Bewegungsapparates. Der Zusammenhang der er-werbstätigkeitsbezogenen Items (Skala Arbeit) mit den Ergebnissen des FABQ ist mittel-hoch und hochsignifikant, der Zusammenhang mit dem Gesamtscore des Chronifizie-rungsfragebogens sehr hoch und dabei höchstsignifikant. Trotz der bei diesem Probanden-kollektiv moderaten Belastungen im Rahmen arbeitsbezogener Kognitionen, ist die Erhe-bung dieser Kognitionen essentiell für die Prognose der Teilhabe am Arbeitsleben.

Schlussfolgerungen Die Skala Arbeit des Chronifizierungsrisikofragebogens MPSQ-D ist geeignet, erwerbs-tätigkeitsbezogene Risikofaktoren im Rahmen einer Schmerzchronifizierung zu identifizie-ren. Die frühe Identifikation und Operationalisierung somatischer und v. a. psychosozialer Risikofaktoren bietet manifeste Vorteile bei der sozialmedizinischen Beurteilung von Rehabi-litationsanträgen, bei der Planung und Durchführung der muskuloskeletalen Reha sowie bei der Initiation von Nachsorgeleistungen resp. der Reintegration. Eine Untersuchung zu die-sen rehabilitationstypischen Leistungen auf Grundlage des Einsatzes des Risikofragebo-gens ist geplant.

Literatur Gatchel, R.J., Bernstein, D., Stowell, A.W., Pransky, G. (2008): Psychosocial Differences

Between High-Risk Acute vs. Chronic Back Pain Patients. Pain Practice, 8/2. 91ff. Linton, S.J., Hallden, K. (1998): Can we Screen for Problematic Back Pain? A Screening

Questionnaire for Predicting Outcome in Acute and Subacute Back Pain. Clin J Pain, 14. 209ff.

Linton, S.J., Boersma, K. (2003): Early identification of patients at risk of developing a per-sistent back problem: the predictive validity of the Örebro Muscuoloskeletal Pain Ques-tionnaire. Clin J Pain, 19. 80ff.

Meier, R.K., Tutsch, B., Kriener, W., Penninger, E., Straub, T. (2008): Deutsche Erstüber-setzung und erste statistische Kennzahlen des Örebro-Risikofragebogens zur Schmerzchronifizierung: MPSQ-D. DRV-Schriften, Bd. 77. 114-116.

Nicholl, B.I., McFarlane, G.J., Davies, K.A., Morriss, R., Dickens, C., McBeth, J. (2009): Premorbid psychosocial factors are associated with a poor health-related quality of life in subjects with new onset of chronic widespread pain. Pain, 141. 119ff.

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Waddel, G., Newton, M., Henderson, I., Somerville, D., Main, C.J. (1993): A Fear-Avoidance Beliefs Questionnaire (FABQ) and the role of fear avoidance beliefs in chronic low back pain und disability. Pain, 52. 157ff.

Psychometrikon: Das erste psychologisch-medizinische Open Access Testportal

Forkmann, T., Böcker, M., Volz-Sidiropoulou, E., Gauggel, S. Institut für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie,

Universitätsklinikum der RWTH Aachen

Hintergrund Psychodiagnostische Instrumente (d. h. Fragebögen/Tests) werden zumeist von universitä-ren Institutionen unter erheblichem Entwicklungs- und Validierungsaufwand erstellt. Den Vertrieb der Verfahren übernehmen dann aber Verlagshäuser, die für die Nutzung der Tests und Fragebögen teils empfindliche Gebühren erheben. Eine Entwicklung hin zu "Open Ac-cess"-basierter Publikation, wie sie seit einigen Jahren im Bereich wissenschaftlicher Fach-publikationen stattfindet (allein in den letzten zwei Jahren verdoppelte sich die Anzahl der Journals auf www.doaj.org von 2.140 (Stand 8. September 2007; Mey, Mruck, 2007) auf 4.358 (Stand 25.September 2009)), gibt es hier noch nicht. Dabei ist die Erklärung der Bu-dapester Open Access Initiative (2002) bzw. die Berliner Erklärung über den offenen Zu-gang zu wissenschaftlichem Wissen (2003), zu deren Unterzeichnern im Übrigen auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gehört, ohne weiteres auf den Bereich psychodiagnosti-scher Verfahren übertragbar: "Open Access meint, dass diese [= die wissenschaftliche, Anm. d. Autoren] Literatur kostenfrei und öffentlich im Internet zugänglich sein sollte, so dass Interessierte die Volltexte lesen, herunterladen, kopieren, verteilen, drucken, […] und sie auch sonst auf jede denkbare legale Weise benutzen können, ohne finanzielle, gesetzli-che oder technische Barrieren […]." (Budapester Open Access Initiative, 2002)

Im Bereich psychodiagnostischer Verfahren existiert hingegen bisher keine Vertriebsform, die wissenschaftliche Fundierung mit "Open Access" verbindet. Dies führt zu der Situation, dass die aktuellen Verfahren nur in unzureichendem Maße Einzug in die Praxen halten, was eine flächendeckend einheitliche Diagnostik erschwert. So werden auch neue Entwicklun-gen wie computergestützte psychologische Testsysteme nur zurückhaltend rezipiert. Die einzelnen Therapeuten und Einrichtungen scheuen zumeist den finanziellen und personel-len Aufwand. Um es den therapeutisch Tätigen zu erleichtern, den steigenden Anforderun-gen an standardisierte Prozess- und Ergebnisevaluation auf zeitgemäße Weise gerecht zu werden, ist ein wissenschaftlich fundiertes, Internet-basiertes Open-Access-Publikations- und Vertriebssystem für psychodiagnostische Instrumente erforderlich. Dieser Beitrag stellt die Konzeption von PSYCHOMETRIKON vor - des ersten derartigen Portals im deutschen Sprachraum.

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Methodik In Anlehnung an die gängigen Submissions-, Review- und Publikationsroutinen einschlägi-ger wissenschaftlicher Zeitschriften wurden unter Berücksichtigung des Open Access Ge-dankens Funktionalität und inhaltlicher Aufbau des Portals entworfen. Gemeinsam mit ei-nem professionellen Anbieter wurde ein Pflichtenheft konzipiert, das die exakten Realisie-rungsspezifikationen der technischen Umsetzung sowie Abläufe, Zielstellungen und Ar-beitsweisen des Portals definiert. Während des Prozesses der Programmierung des Portals wurden in engen Feedbackschleifen Testszenarien durchgeführt und simultan Verbesserun-gen eingepflegt.

Ergebnisse Die Erstellung des Portals PSYCHOMETRIKON konnte erfolgreich realisiert werden. PSY-CHOMETRIKON geht Anfang 2010 online (www.psychometrikon.de) und ermöglicht die Submission von Verfahren aus allen Bereichen psychologisch-medizinischer Diagnostik. Die Submission erfolgt online, alle denkbaren Dateiformate (auch ausführbare Dateien für Test-software) können eingereicht werden. Alle hier eingereichten Verfahren unterliegen einem Blind-Review durch zwei unabhängige, in dem jeweiligen Inhaltsbereich bzw. der Testkon-struktionsmethode ausgewiesene Experten. Alle Verfahren auf PSYCHOMETRIKON wer-den hinsichtlich ihres "Entwicklungsstatus" klassifiziert. Dies ermöglicht es, auch vorläufige Versionen innovativer Neuentwicklungen oder erstmaliger Übersetzungen internationaler Instrumente zu publizieren und somit einem breiteren Publikum zugänglich zu machen und deren Weiterentwicklung zu beschleunigen bei gleichzeitiger Transparenz des Entwick-lungsstandes des Verfahrens gegenüber dem Anwender.

Diskussion/ Schlussfolgerungen Mit PSYCHOMETRIKON wurde das erste Open Access basierte, wissenschaftlich fundierte Portal zur Publikation psychologisch-medizinischer Testverfahren entwickelt. Alle auf PSY-CHOMETRIKON publizierten Tests und Fragebögen sind entsprechend dem Open Access Gedanken kostenfrei nutzbar. Das Ziel des Portals ist es, die im Bereich wissenschaftlicher Fachzeitschriften stattfindende Entwicklung hin zu Open Access basierten Publikationsor-ganen auf den Bereich psychometrischer Verfahren zu übertragen und zu fördern und damit über die Erleichterung des Zugangs zu hochwertigen diagnostischen Instrumenten einen Beitrag zur Verbesserung des Qualitätsstandards von Prozess- und Ergebnisevaluation the-rapeutischer Arbeit zu leisten.

Literatur Conference on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities (2003): Berliner

Erklärung über den Zugang zu wissenschaftlichem Wissen. URL: http://oa.mpg.de/ ope-naccess-berlin/Berliner_Erklaerung_dt_Version_07-2006.pdf. Abruf: 02.11.2009.

Open Society Institute (2002): Budapester Open Access Initiative. URL: www.soros.org/ o-penaccess/g/read.shtml. Abruf: 02.11.2009.

Mey, G., Mruck, K. (2007): Open Access: Auswirkungen einer Informationskrise als Chance für die Information. Journal für Psychologie, 15. 1-17.

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Erste Zwischenergebnisse zur deutschen Version des Health Education Impact Questionnaire (heiQ), eines generischen Fragebogens zur

Bewertung von Patientenschulungen

Musekamp, G. (1), Schuler, M. (1), Kirchhof, R. (2), Ehlebracht-König, I. (2,3), Gutenbrunner, C. (2), Nolte, S. (4), Osborne, R. (5), Faller, H. (1), Schwarze, M. (2) (1) Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie, Universität Würzburg,

(2) Koordinierungsstelle Angewandte Rehabilitationsforschung, Medizinische Hochschule Hannover, (3) Rehazentrum Bad Eilsen der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, (4) Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention e.V., c/o Dermatologisches

Zentrum Buxtehude, (5) Deakin University, School of Health and Social Development, Burwood, Australia

Hintergrund Patientenschulungen wurden bislang vor allem auf der Grundlage von langfristigen, distalen Zielkriterien wie Lebensqualität oder Funktionsfähigkeit evaluiert. Voraussetzung langfristi-ger Veränderungen sind aber unmittelbare Effekte auf proximale Zielkriterien wie Krank-heitswissen, Compliance, Selbstmanagementfähigkeiten und Empowerment (Faller et al., 2005). Da bisher kaum deutschsprachige Instrumente vorliegen, die geeignet sind, diese proximalen Zielkriterien zu erfassen, wird derzeit der generische Fragebogen "Health Edu-cation Impact Questionnaire" (heiQ; Osborne et al., 2007) ins Deutsche übersetzt. Das vom BMBF im Rahmen des Förderschwerpunkts "Chronische Krankheiten und Patientenorientie-rung" geförderte Projekt beinhaltet eine Adaption des Fragebogens an die deutsche Spra-che und Kultur sowie eine Validierungsstudie. Der heiQ-Fragebogen besteht aus acht Ska-len, die von Patienten und Experten als wichtige Zielkriterien von Patientenschulungen an-gesehen wurden.

Methoden Im Rahmen des Übersetzungsprozesses erfolgten entsprechend internationaler Richtlinien (Hawkins, Osborne, 2007) eine Vorwärts- und eine Rückwärtsübersetzung, jeweils mit Ge-genprüfungen. Anschließend wurde im Konsens eine vorläufige Version des deutschen heiQ erstellt. Kognitive Interviews (Willis, 2005) dienten schließlich der Überprüfung der Inhaltsva-lidität und der Verständlichkeit für die Zielgruppe. In sieben Kooperationskliniken verschie-dener Indikationen wird derzeit die psychometrische Güte des Fragebogens überprüft. Etwa 1.200 Rehabilitanden, die an einer Patientenschulung teilnehmen, füllen zu drei Messzeit-punkten (vor der Patientenschulung, nach der Patientenschulung und 3 Monate nach der Reha) den heiQ und weitere Fragebögen zur Validierung aus. Die Möglichkeit zu einer ers-ten Zwischenauswertung wurde genutzt, um Item- und Skaleneigenschaften zu prüfen und somit Items zu identifizieren, bei denen andere Übersetzungsvarianten evtl. zu besseren psychometrischen Eigenschaften führen. Die Auswertung erfolgte anhand der Daten von ca. 230 Patienten und umfasste u. a. die Überprüfung von Boden- und Deckeneffekten, der Eindimensionalität der Skalen (konfirmatorische Faktorenanalyse) sowie der internen Kon-sistenz.

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Ergebnisse Die deutsche Version des heiQ umfasst die Skalen "gesundheitsförderliches Verhalten", "ak-tive Beteiligung am Leben", "emotionales Wohlbefinden", "Selbstüberwachung und Krank-heitsverständnis", "konstruktive Einstellungen", "Erwerb von Fertigkeiten und Handlungs-strategien", "soziale Integration und Unterstützung" sowie "Kooperation und Zurechtfinden im Gesundheitswesen". Sie kann aufgrund der Interviewergebnisse nach kleineren Modifika-tionen als verständlich und inhaltsvalide angesehen werden. Die meisten Skalen weisen gu-te bis sehr gute psychometrische Eigenschaften auf, es gibt kaum Boden- und Deckeneffek-te. Sechs der acht Skalen lassen sich in einem eindimensionalen Modell abbilden (RMSEA < 0,05), die Werte der internen Konsistenz (Cronbachs Alpha) liegen zwischen 0,72 und 0,89. Bei den Skalen, deren Eigenschaften noch nicht ganz befriedigend ausfielen, wurden alternative Itemformulierungen entwickelt. Im Laufe der weiteren Evaluationsstudie wird ü-berprüft, ob diese vier neu formulierten Items zu besseren Kennwerten führen.

Diskussion Durch die Orientierung der Übersetzung an den Richtlinien und die Überprüfung des Frage-bogens in kognitiven Interviews konnte ein dem Original vergleichbarer, verständlicher und an deutsche Verhältnisse adaptierter heiQ-Fragebogen erstellt werden. Der Prozess hat aber auch deutlich gemacht, dass mehrere Übersetzungsvarianten möglich sind. Nach Ab-schluss der Datenerhebung wird sich zeigen, ob mit den neu formulierten Items bessere Modellfit-Werte erreicht werden. Es wird erwartet, dass am Ende des Projekts alle acht Ska-len des deutschen heiQ-Fragebogens gute psychometrische Kennwerte aufweisen. Somit wird später ein Fragebogen zur Verfügung stehen, der genutzt werden kann, um Patienten-schulungen anhand proximaler Zielkriterien wie Selbstmanagement und Empowerment zu evaluieren, noch patientenorientierter zu gestalten und (indikationsübergreifend) zu verglei-chen.

Literatur Faller, H., Reusch, A., Vogel, H., Ehlebracht-König, I., Petermann, F. (2005): Patientenschu-

lung. Die Rehabilitation, 44. 277-286. Hawkins, M., Osborne, R.H. (2007): Questionnaire translation and cultural adaptation pro-

cedure. Version 1.0. Unveröffentlichtes Manuskript, University of Melbourne. Osborne, R.H., Elsworth, G.R., Whitfield, K. (2007): The Health Education Impact Question-

naire (heiQ): an outcomes and evaluation measure for patient education and self-management interventions for people with chronic conditions. Patient Education and Counseling, 66. 192-201.

Willis, G.B. (2005): Cognitive Interviewing. A Tool for Improving Questionnaire Design. Thousand Oaks, California: Sage Publications.

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Einfluss der Streckenlänge auf die Messgenauigkeit eines inertialsensorbasierten Ganganalysemesssystems

Schwesig, R., Fischer, D., Hintze, C., Al Hasan, A., Leuchte, S. Department Sportwissenschaft, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle

Hintergrund und Fragestellung Die Praktikabilität von Ganganalysemesssystemen ist u. a. abhängig von der minimal not-wendigen Gehstrecke. Insbesondere im ambulanten Setting limitieren bzw. verhindern die räumlichen Gegebenheiten den Einsatz der instrumentierten Ganganalyse, da vielfach keine ausreichend lange Gehstrecke vorhanden ist. Daraus resultiert seitens der Hersteller die Notwendigkeit, Ganganalysemesssysteme zu entwickeln, die auf der Basis einer möglichst geringen Gehstrecke ausreichend genaue Testergebnisse liefern.

Ziel dieser experimentellen Querschnittsuntersuchung war es, zu ermitteln, ab welcher mi-nimalen Gehstrecke ein inertialsensorbasiertes Ganganalysemesssystem hinreichend ge-naue räumlich-zeitliche Gangparameter und Symmetriewerte zur Verfügung stellt.

Studiendesign 56 Probanden (Alter: 24,8 ± 5,22 Jahre; 34 (61 %) Männer) absolvierten innerhalb von 20 Minuten jeweils zwei Versuche über eine Streckenlänge von 10 m, 15 m, 20 m und 25 m. Die Kadenz wurde, im Interesse der Vergleichbarkeit der Testergebnisse (Beobachtungs-gleichheit), mit 110 Schritten pro Minute mittels Metronom (KORG MA-30) vorgegeben. Die Strecken wurden randomisiert in vier verschiedenen Modi (10/15/20/25 m; 15/20/25/10 m; 20/25/10/15 m; 25/10/15/20 m) zurückgelegt, so dass die Reihenfolge der Untersuchungs-bedingung "Streckenlänge" keinen Einfluss auf die Untersuchungsergebnisse hat. Das ver-wendete portable, inertialsensorbasierte Ganganalysemesssystem ermöglicht mittels Acce-lerometern und Gyroskopen, die am lateralen Malleolus befestigt sind, die Messung der ki-nemetrischen Größen Beschleunigung und Winkelgeschwindigkeit. Die zugehörige Software analysiert die Sensorsignale und berechnet auf dieser Basis anschließend zeitliche (z. B. Schrittdauer, Gangphasen) und räumliche (z. B. Schrittlänge, Fußwinkel, Fußhöhe) Parame-ter. Die Berechnung der Symmetrieindizes erfolgte nach Robinson et al. (1987), wobei für die Varianzanalyse die Berechnungsvorschrift nach Karamanidis et al. (2003) zugrunde ge-legt wurde.

Ergebnisse Die Kadenzvorgabe (110 Schritte/min) konnte vor allem auf den langen Distanzen (20 und 25 m) sehr gut umgesetzt und vom Messgerät erfasst werden. Die Variationsbreiten betru-gen 36 min-1 (10 m), 14 min-1 (15 m), 9 min-1 (20 m) und 7 min-1 (25 m). Bei sieben Parame-tern fanden sich signifikante und relevante Mittelwertdifferenzen, wobei sich bei den Para-metern Geschwindigkeit (η2 = 0.219) und Schrittdauer (η2 = 0.135) die größten Differenzen zeigten. Die Mehrfachvergleiche nach Bonferroni ergaben 12 signifikante Mittelwertdifferen-zen zur Streckenlänge 10 m. Für die 15 m Strecke ließen sich nur zwei signifikante Mittel-wert- differenzen bezüglich der Streckenlängen 20 und 25 m ermitteln. Zwischen den Stre-cken von 20 und 25 m fanden sich hingegen keine signifikanten Unterschiede. Die ICC-Analyse zeigte vor allem für die Parameter Schrittdauer, Standphase und Einbeinstand hohe

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Streckenabhängigkeiten. Hier fanden sich im Vergleich zur 25 m Strecke deutliche Unter-schiede in den Korrelationskoeffizienten (Beispiel Standphase: ICC25 vs. 20 = 0.955; ICC25 vs. 15 = 0.935; ICC25 vs. 10 = 0.370). Hingegen erwiesen sich die Symmetrieindizes vari-anz- und korrelationsanalytisch als streckenunabhängig.

Schlussfolgerung Eine Streckenlänge von 10 m scheint nicht geeignet zu sein, um mit einem inertialsensorba-sierten Ganganalysemesssystem verlässliche räumlich-zeitliche Gangparameter zu erhe-ben. Eine Strecke von 15 m generierte nur in zwei Parametern (Geschwindigkeit, Maximaler Bodenabstand) signifikante Unterschiede zu 20 und 25 m, so dass diese Streckenlänge zu-mindest für nicht-wissenschaftliche Belange ausreichend erscheint. Ab einer Streckenlänge von 20 m ist die Messgenauigkeit unabhängig von der Streckenlänge, weshalb diese Dis-tanz als minimale Gehstrecke für die Ganganalyse zu empfehlen ist.

Die Erkenntnisse dieser Studie sollten bei der Konzipierung von Studiendesigns sowie bei der Einrichtung von Ganganalyselaboren Berücksichtigung finden, um den Qualitätsstan-dard in der Ganganalyse zu sichern und die Vergleichbarkeit von Studienergebnissen zu er-höhen.

Literatur Symmetry and Reproducibility of Kinematic Parameters during Various Running Tech-

niques. Medicine und Science in Sports und Exercise, 35. 1009-1016. Robinson, R.O., Herzog, W., Nigg, B.M. (1987): Use of force platform variables to quantify

the effects of chiropractic manibulation on gait symmetry. J Manipul Physiol Ther, 10. 172-176.

Zum Einfluss von Schuhen auf die räumlich-zeitliche Gestaltung der Gangzyklen sowie die Symmetrie ausgewählter Gangparameter

Schwesig, R., Fischer, D., Hintze, C., Sannemüller, K., Leuchte, S. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Hintergrund und Fragestellung Es gibt Evidenzen, die darauf hindeuten, dass das Tragen von Schuhen die natürliche Fuß-bewegung während des Gehens beeinflusst (Lythgo et al., 2009; Morio et al., 2009). Squadrone und Gallozzi (2009) konnten beim Fußaufsatz barfuß eine erhöhte Plantarflexion im Sprunggelenk nachweisen, welche im Vergleich zum Gangbild mit Schuhen signifikant veränderte Kraft-Zeit-Verläufe sowie räumlich-zeitliche Parameter nach sich zog. Im Einzel-nen konnten eine kürzere Schrittdauer, eine verkürzte Schrittlänge und eine erhöhte Schritt-frequenz dokumentiert werden. Jedoch ist die Datenlage hierzu noch defizitär, insbesondere was das Vorliegen von Felduntersuchungen mit hinreichend großen Stichproben betrifft.

Ziel dieser Untersuchung war der Vergleich des Gehens mit und ohne Schuhe bezüglich der räumlich-zeitlichen Gangparameter und der Symmetrie in natürlicher Umgebung.

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Studiendesign 56 Probanden (Alter: 24.7 ± 5.4 Jahre) absolvierten innerhalb von 15 Minuten jeweils drei Versuche über eine Streckenlänge von 20 m mit und ohne Schuhe in ihrer individuellen "Wohlfühlgeschwindigkeit". Die Reihenfolge der Untersuchungsbedingungen (mit Schuhe vs. ohne Schuhe) wurde fortlaufend gewechselt. Das verwendete portable, inertialsensorba-sierte Ganganalysemesssystem RehaWatch ermöglicht mittels Accelerometern und Gyro-skopen, die am lateralen Malleolus befestigt sind, die Messung der kinemetrischen Größen Beschleunigung und Winkelgeschwindigkeit. Die zugehörige Software analysiert die Sen-sorsignale und berechnet die zeitlichen (z. B. Schrittdauer, Gangphasen) und räumlichen Gangparameter (z. B. Schrittlänge, Fußwinkel, Fußhöhe). Die Berechnung der Symmetrie-indizes erfolgte nach Robinson et al. (1987), wobei für die Varianzanalyse die Berechnungs-vorschrift nach Karamanidis et al. (2003) zugrunde gelegt wurde.

Ergebnisse und Diskussion Bei 19 von 25 Parametern fanden sich signifikante und relevante Mittelwertdifferenzen, ins-besondere in den Parametern Schrittlänge (η2 = 0.744) und Einbeinstand (η2 = 0.737). In 11 von 15 räumlich-zeitlichen Parametern zeigten sich ohne Schuhe signifikant geringere Wer-te. Lediglich die Kadenz sowie die zeitlichen Anteile von Einbeinstand, Schwungphase und Vorschwungphase waren beim Gehen ohne Schuhe höher als beim Gehen mit Schuhen. Die Gangsymmetrie ist beim Gehen ohne Schuhe konsistent schlechter als beim Gehen mit Schuhen. Vor allem in der Aufsetzphase (Ohne Schuhe: 19.5 ± 16.1 % / Mit Schuhen: 8.86 ± 6.93 %; p <0.001, η2 = 0.275), im initialen Zweibeinstand (Ohne Schuhe: 18.1 ± 15.4 % / Mit Schuhe: 10.0 ± 9.49 %; p <0.001, η2 = 0.171) und finalen Zweibeinstand (Ohne Schu-hen: 18.1 ± 15.2 % / Mit Schuhe: 9.90 ± 9.51 %; p <0.001, η2 = 0.176) fanden sich deutliche Unterschiede.

Schlussfolgerung Das Gehen ohne Schuhe unterscheidet sich hinsichtlich räumlich-zeitlicher Parameter signi-fikant vom Gehen mit Schuhen. Die Symmetrie ist beim Gehen ohne Schuhe, vor allem in der Aufsetzphase sowie dem initialen und finalen Zweibeinstand, schlechter als beim Gehen mit Schuhen. Deshalb ist es insbesondere bei ganganalytischen Längsschnittuntersuchun-gen essentiell, das Schuhwerk zu standardisieren oder alternativ gänzlich darauf zu verzich-ten.

Literatur Karamanidis, K., Arampatzis, A., Brüggemann, G.P. (2003): Symmetry and Reproducibility

of Kinematic Parameters during Various Running Techniques. Medicine und Science in Sports und Exercise, 35. 1009-1016.

Lythgo, N., Wilson, C., Galea, M. (2009): Basic gait and symmetry measures for primary school-aged children and young adults whilst walking barefoot and with shoes. Gait Pos-ture, 30. 502-506.

Morio, C., Lake, M.J., Gueguen, N., Rao, G., Baly, L. (2009): The influence of footware on foot motion during walking and running. J Biomech, 42. 2081-2088.

Robinson, R.O., Herzog, W., Nigg, B.M. (1987): Use of force platform variables to quantify the effects of chiropractic manipulation on gait symmetry. J Manipul Physiol Ther, 10. 172-176.

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Squadrone, R., Gallozzi, C. (2009): Biomechanical and physiological comparison of barefoot and two shod conditions in experienced barefoot runners. J Sports Med Phys Fitness, 49. 6-13.

Der Gatterkarten-Test

Arling, V., Spijkers, W. Institut für Psychologie, RWTH Aachen

Hintergrund Mit dem Gatterkarten-Test (GKT) wurde ein Verfahren zur Erfassung von Planungskompe-tenz entwickelt, das sich mit seiner Konstruktion an die klassischen Labyrinthaufgabenstel-lungen anlehnt (vgl. Porteus-Maze-Test von Porteus, 1965; Kallenbach, 1979). Labyrinthver-fahren werden in der Literatur neben Kartenlegeaufgaben und dem Turm von Hanoi als gängigste standardisierte Verfahren zur Erfassung von Planungsfähigkeit bzw. höherer exe-kutiver Funktionen in der Neuropsychologie genannt (von Cramon, Matthes-von Cramon, 1993). Der Vorteil des Gatterkarten-Tests gegenüber herkömmlichen Labyrinthaufgaben be-steht darin, dass "Gatterkarten" systematisch und in nahezu unendlicher Zahl generiert wer-den können (Paralleltest-Konstruktion). Darüber hinaus kann auch die Schwierigkeit einer jeden Gatterkarte systematisch variiert werden.

Diese erste Version des Gatterkarten-Tests wurde im Rahmen der beruflichen Rehabilitation mit Unterstützung des Berufsförderungswerks Michaelshoven (Köln) einer ersten Validie-rung unterzogen.

Als Verfahren, das in Orientierung an einem mittleren Begabungsbereich entwickelt wurde, soll der Gatterkarten-Test über eine neurologische Fragestellung hinaus in der beruflichen Rehabilitation im Rahmen der Eignungsdiagnostik Anwendung finden.

Methode Das Gatterkarten-Test (GKT) besteht insgesamt aus 60 sog. "Gatterkarten" [GK]. Eine Gat-terkarte setzt sich aus 6x6 Quadraten zusammen (vgl. Abb. 1). Die einzelnen Quadrate be-stehen aus blauen ("Gatter") und aus schwarzen Linien ("Mauern"). Der Proband ist an-gehalten auf der jeweiligen GK den Weg von Quadrat "A" nach Quadrat "B" einzuzeichnen (Paper-Pencil-Test). Er darf dabei allerdings nur "Gatter" und nicht "Mauern" durchqueren. Es gibt für jede GK nur einen richtigen Lösungsweg. Die Lösungszeit pro GK ist begrenzt (30 sek).

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Abb. 1: Beispielhafte Darstellung einer "Gatterkarte" in verkleinerter Form.

Bei der Konstruktion des GKTs wurde zur Variation der Schwierigkeit der einzelnen Gatter-karten sowohl die Länge des Lösungswegs (kurz, mittel, lang) variiert als auch fünf unter-schiedliche Bearbeitungsbedingungen (A-E; aufsteigende Schwierigkeit) implementiert.

Im Rahmen der Validierungsuntersuchung (n = 81) wird der GKT auf seine Zusammenhän-ge mit Planungs- und Problemlösekompetenz (Turm von Hanoi; Planspiel "Tour-Planer" von Arling, 2006) bzw. mit allgemeiner Organisationsfähigkeit (Büro-Test von Marschner) hin überprüft. Im Sinne eines grundlagenpsychologischen Verständnisses von Planungskompe-tenz werden Zusammenhänge des Verfahrens mit Aspekten wie Arbeitsgedächtnis (TAP von Zimmermann & Fimm), Erkennen von Regelhaftigkeit (CKV von Drühe-Wienholt, Wien-holt) und Intelligenz (I-S-T 2000R von Amthauer et al.) berücksichtigt.

Ergebnisse Die Annahmen werden weitgehend durch die Ergebnisse bestätigt und sind hinsichtlich der unterstellten Konstrukte positiv zu bewerten.

Zwischen dem GKT und den Validierungsverfahren berechnen sich hypothesenkonform konvergente Zusammenhänge (vgl.Abb. 2).

Abb. 2: Korrelationen zwischen Gatterkarten und Validierungsverfahren

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Darüber hinaus sind die Mittelwertsunterschiede zwischen den Gatterkarten bzgl. der Weg-zeiten signifikant. Die Schwierigkeit der Gatterkarten steigt mit zunehmender Länge des Lö-sungswegs (F=284.73; p≤0.01). Für die verschiedenen Bearbeitungsbedingungen gilt, dass sich diese nur z. T. signifikant unterscheiden Die Bedingung "A" ist hypothesenkonform die leichteste. Es folgen die Bedingungen C und D bzw. B und E. Die Unterschiede zwischen A, C/D und B/E sind jedoch signifikant.

Mit einem Cronbachs alpha von α=0.86 berechnet sich eine als gut einzustufende interne Konsistenz des Verfahrens. Die Schwierigkeit des Verfahrens liegt mit p=0.58 im mittleren Bereich.

Diskussion Die Zusammenhänge zwischen GKT und Tour-Planer, Bürotest und den grundlagenpsycho-logisch ausgerichteten Verfahren fallen erwartungsgemäß aus. D. h. das Testverfahren fragt mit Merkfähigkeit bzw. Arbeitsgedächtnisfähigkeit und der Fähigkeit Regeln zu erkennen Kompetenzen ab, die mit dem Konstrukt Planungskompetenz assoziiert sind. Folglich kann geschlussfolgert werden, dass der GKT im Sinne der Definition Planungskompetenz erfasst.

Bzgl. der unterschiedlichen Schwierigkeitsniveaus gilt, dass die Länge des Lösungsweges maßgeblichen Einfluss hat, während sich für die Bearbeitungsbedingungen nur drei statt fünf unterschiedliche Bedingungen herauskristallisieren.

Schlussfolgerung und Ausblick Unter Berücksichtigung der ökonomischen Handhabbarkeit bzw. einer Verbesserung der Auswertungs- und Durchführungsobjektivität wird das Verfahren aktuell um eine elektroni-sche Version erweitert, die eine computergestützte Durchführung und Auswertung des Planspiels ermöglicht.

Literatur Arling, V. (2006): Entwicklung und Validierung eines Verfahrens zur Erfassung von Pla-

nungskompetenz in der beruflichen Rehabilitation: Der "Tour-Planer". Berlin: Logos. Cramon, D.Y. von, Matthes-von Cramon, G. (1995): Problemlösendes Denken. In: von Cra-

mon, D.Y., Mai, N., Ziegler, W. (Hrsg.): Neuropsychologische Diagnostik. Weinheim: VCH.

Porteus, S.D. (1965): Porteus Maze Test. Fifty Years’ Application. Palo Alto: Pacific Books. Kallenbach, K. (1979): Dimensionen des Lernerfolgs beim Labyrinthlernen. Göttingen:

Hogrefe.

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Der computergestützte "Tour-Planer"

Arling, V., Schellmann, C., Spijkers, W. Institut für Psychologie, RWTH Aachen

Hintergrund Angesichts der Bedeutsamkeit von Planungs- und Problemlösefähigkeit für Beruf und Alltag wurde mit dem "Tour-Planer" ein strategisches Planspiel zur Erfassung von Planungs-kompetenz entwickelt (Arling, 2006). Das Verfahren ist insbesondere im Kontext der Eig-nung von Rehabilitanden für spezifische Berufe bzw. Umschulungen (Reha-Assessment) von Relevanz.

Unter Berücksichtigung der ökonomischen Handhabbarkeit bzw. einer Verbesserung der Auswertungs- und Durchführungsobjektivität wurde das Verfahren um eine elektronische Version erweitert, die sowohl eine computergestützte Durchführung in Testgruppen als auch eine computergestützte Auswertung des Planspiels ermöglicht.

Methode Planungskompetenz wird im Tour-Planer durch die Operationalisierung der Teilleistungen Randbedingungen und Abfolgen erkennen bzw. die Verfügbarkeit von Alternativen erfasst (Funke, Glodowski, 1990). Der Spieler hat die Aufgabe, unter Berücksichtigung ver-schiedener Vorgaben (z. B. Öffnungszeiten und Eintrittspreise), mit Unterstützung durch ein Spielbrett, eine Sightseeing-Tour durch eine fiktive Stadt zu planen.

Der Proband wird in der aktuellen Version des Verfahrens computergestützt durch das Ver-fahren geführt. Nach Ablauf der Bearbeitungszeit (30 min) gibt er seine Lösungsparameter an (15 min). Die Auswertung wird automatisch generiert (pdf-Format).

Für die ursprüngliche Paper-Pencil-Version wurde nachgewiesen, dass das Verfahren über Intelligenz hinaus mit "Planungskompetenz" ein eigenständiges Konstrukt erfasst.

Mit der Entwicklung der computergestützten Version des Verfahrens (n = 138) wurde die Validierung des Tour-Planers erweitert. Im Sinne einer prädiktiven Validität wurden im Rah-men des Reha-Assessments (n = 84) Arbeitsleistung und Arbeitsverhalten (Interesse, Lern-fähigkeit, Belastbarkeit, Arbeitseinteilung, Instruktionsverständnis, Selbständigkeit, Arbeits-tempo und Sorgfalt) in Kombination mit dem Planspiel erfasst.

Darüber hinaus wurde ein diskriminanter Validierungsansatz umgesetzt. Das ursprüngliche Ziel bestand darin, mit dem Tour-Planer ein kognitives Verfahren zu entwickeln, das weitge-hend frei von Persönlichkeits- bzw. Motivationsaspekten sein sollte. In diesem Sinne kamen im Rahmen der vorliegenden Studie zusätzlich der NEO-FFI (Borkenau, Ostendorf, 2008) und das Leistungsmotivationsinventar (Schuler, Prochaska, 2001) zum Einsatz.

Ergebnisse Für das Arbeitsverhalten gilt, dass sich bzgl. der Subskalen "Arbeitstempo" (r=0.44, p<0.01), "Instruktionsverständnis" (r=0.39, p<0.01) und "Selbständigkeit" (r=0.43, p<0.01) konkurren-te Zusammenhänge zur Planungsleistung berechnen. Die Bewertung der Arbeitsleistung korreliert ebenfalls mit der Leistung im Planspiel (r=0.37, p<0.01).

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Für den Zusammenhang zwischen den Persönlichkeitsverfahren und dem Tour-Planer las-sen sich, bis auf marginale Korrelationen (NEO-FFI: "Offenheit für Erfahrung" x TP, r=0.20, p=0.07; "Gewissenhaftigkeit" x TP, r=0.18 , p=0.11) keine relevanten Zusammenhänge fest-stellen. Analog wird der fehlende Zusammenhang zwischen dem Aspekt "Interesse" und Planspielleistung interpretiert.

Mit einem Cronbachs alpha von α=0.86 berechnet sich eine als gut einzustufende interne Konsistenz des Verfahrens. Die Schwierigkeit des Verfahrens liegt mit p=0.51 (0.01-0.88) deutlich im mittleren Bereich.

Diskussion Die Konstrukte "Instruktionsverständnis" und "Planungskompetenz" weisen inhaltliche Über-schneidungen auf. So ist der konvergente Zusammenhang zwischen beiden Konstrukten eine Bestätigung dafür, dass der Tour-Planer tatsächlich einen Bezug zum praktischen Ver-ständnis von "Instruktionsverständnis" im Rahmen der Arbeitserprobung hat. Bzgl. des "Ar-beitstempos" gilt, dass das Planspiel aufgrund seiner begrenzten Bearbeitungszeit auch Ei-genschaften eines Speed-Tests aufweist. In diesem Sinne zeichnen sich Parallelen zwi-schen der Einschätzung des Arbeitstempos in der Arbeitserprobung und der Planspielleis-tung auf. Der Zusammenhang zwischen "Selbständigkeit" und Planspielleistung ist nahelie-gend, da mit der Bearbeitung des Tour-Planers Eigenständigkeit bzgl. der Bearbeitung der Aufgabe bzw. im Umgang mit dem Computer gefragt ist.

Der fehlende Zusammenhang zwischen "Planungskompetenz" und "Lernfähigkeit" ist dahin-gehend zu interpretieren, dass es beim Tour-Planer eher um Auffassungsgabe als um das Erlernen neuer Fähigkeiten geht. Hinsichtlich der "Arbeitseinteilung" gilt, dass diese im Rahmen der ca. einstündigen Testung mit dem vorstrukturierten Testablauf weitgehend vor-gegeben wird. Analog gilt für "Sorgfalt", dass diese aufgrund der computergestützten Abfra-ge im Planspiel nicht erfassbar ist.

Ausblick Unter Berücksichtigung verschiedener therapeutischer Ansätze zum Selbstinstruktions- und Selbstverbalisationsverhalten (Meichenbaum, 1979) wird mit der Entwicklung eines (vierstu-figen) Trainings von Planungskompetenz aktuell an einer Erweiterung des Tour-Planers um Trainingsmodule gearbeitet.

Literatur Arling, V. (2006): Entwicklung und Validierung eines Verfahrens zur Erfassung von Pla-

nungskompetenz in der beruflichen Rehabilitation: Der "Tour-Planer". Berlin: Logos. Borkenau, P., Ostendorf, F. (2008): NEO-Fünf-Faktoren-Inventar (NEO-FFI). Göttingen:

Hogrefe. Funke, J., Glodowski, A.S. (1990): Planen und Problemlösen: Überlegungen zur neuropsy-

chologischen Diagnostik von Basiskompetenzen beim Planen. Zeitschrift für Neuropsy-chologie, 2. 139-148.

Meichenbaum, D. (1979): Kognitive Verhaltensmodifikation. München: Urban und Schwar-zenberg.

Schuler, H., Prochaska, M. (2001): Leistungsmotivationsinventar (LMI). Dimensionen be-rufsbezogener Leistungsorientierung. Göttingen: Hogrefe.

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Psychologische Testverfahren im RehaAssessment® - Eine Befragung an allen deutschen Berufsförderungswerken im Rahmen der

wissenschaftlichen Begleitung des Projektes "Neues Reha-Modell"

Vollmers, B. (1), Seyd, W. (2), Kindervater, A. (3), Saidie, J. (4) Universität Hamburg

Hintergrund In diesem Beitrag werden die Ergebnisse einer im Sommer und Herbst 2009 durchgeführten Befragung zum Einsatz psychologischer Tests an den Berufsförderungswerken innerhalb der Berufsfindungsmaßnahme RehaAssessment® präsentiert. Diese Befragung war Teil ei-ner umfangreichen Bestandserhebung an allen deutschen Berufsförderungswerken im Pro-jekt das "Neue Reha-Modell". Dieses Projekt der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Berufsför-derungswerke (ARGE) wird vom Institut für Berufs- und Wirtschaftspädagogik an der Uni-versität Hamburg wissenschaftlich begleitet. Ziel der Umsetzung des Modells ist es, alle Maßnahmen in den Berufsförderungswerken noch deutlicher auf Individualisierung und In-tegration hin auszurichten.

Das RehaAssessment® an den Berufsförderungswerken besteht, neben der psychologi-schen Testdiagnostik, aus arbeitsmedizinischer Diagnostik, praktischen Arbeitsproben, Be-rufskunde und Informationen über die in BFWs angebotenen Reha-Maßnahmen. 2001 ha-ben sich die Berufsförderungswerke auf Standards für das RehaAssessment® geeinigt (vgl. Pechtold, 2003). Dazu gehören auch Richtlinien zum Einsatz psychologischer Testverfah-ren. Ermittelt werden sollen im RehaAssessment® die allgemeine Intelligenz sowie die Eig-nung für spezifische Berufe. Aspekte der Persönlichkeit, die für berufliches Handeln wichtig sind, sollten ebenfalls untersucht werden (Arbeitsgemeinschaft Deutscher Berufsförde-rungswerke, 2002).

Methodik In der Erhebung der wissenschaftlichen Begleitung im Projekt "Neues Reha-Modell" konnten die für die psychologische Testung verantwortlichen BFW-Mitarbeiter alle von ihnen ver-wendeten Testverfahren auflisten. Anzugeben war, ob das jeweilige Verfahren bei allen Teilnehmern im RehaAssessment® durchgeführt wird oder nur bei bestimmten Behinde-rungsformen. Weiterhin wurde erfragt, ob der Gesamttest oder nur einzelne Untertests Ver-wendung finden. Neben den bei gängigen Fachverlagen zu beziehenden Tests konnten die Befragten auch Verfahren nennen, die Eigenentwicklungen von Berufsförderungswerken sind und sollten diese Verfahren kurz charakterisieren.

Ergebnisse Die Auswahl geeigneter psychologischer Testverfahren für das RehaAssessment® unter-scheidet sich deutlich zwischen den Spezialeinrichtungen für sehbehinderte und körperbe-hinderte Menschen einerseits und den übrigen Berufsförderungswerken andererseits. Spe-zialeinrichtungen können viele der gängigen psychologischen Testverfahren aus zwei Grün-den nicht direkt verwenden: Zum einen sind die Normen von Leistungstests für Seh- und Körperbehinderte nicht passend. Zum anderen ist die übliche Darbietungsform, ein Bogen zum Lesen und Ankreuzen, insbesondere für Sehbehinderte ungeeignet. Die Spezialeinrich-

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tungen bevorzugen deshalb Computer gestützte Testformen und entwickeln zum Teil eigene Testverfahren. Die im Folgenden mitgeteilten Ergebnisse gelten deshalb allein für die nicht spezialisierten Berufsförderungswerke.

Unter den bei allen Teilnehmern eingesetzten Tests zur allgemeinen Intelligenz dominiert der Intelligenzstrukturtest (IST-2000) von Amthauer vor dem Wilde-Intelligenztest. Als zu-sätzlichen Tests der allgemeinen Intelligenz setzen etliche Berufsförderungswerke einen sprachfreien Test ein (CFT 20, Standard Progressive Matrizes u. a.). Bei den berufs-pezifischen Tests dominieren solche zum Arbeitsfeld Büro, besonders der ABAT-R (Revi-dierter Allgemeiner Büroarbeitstest) und der BT (Bürotest von Marschner). Die dritte Gruppe der bei allen Teilnehmern eingesetzten Tests bezieht sich auf die Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen. Hierbei gibt es eine sehr große Bandbreite unterschiedlicher Test-verfahren.

Kaum Anwendung im RehaAssessment® finden Verfahren der klinischen Persönlich-keitsdiagnostik. Handlungsorientierte Aufgaben aus Assessment-Centern zur beruflichen Handlungskompetenz, bei denen geschulte Beobachter die Methoden-, Selbst- und Sozial-kompetenzen der untersuchten Personen einschätzen, kommen im RehaAssessment® nur zum Teil vor und gehören dann zum arbeitspädagogischen Bereich und nicht zur psycholo-gischen Testung.

Literatur Arbeitsgemeinschaft Deutscher Berufsförderungswerke (2002): Reha-Assessment in den

Berufsförderungswerken. Hamburg. Online: http://www.rehaassessment.de/angebot.html. Abruf: 28.10.09.

Pechtold, N. (2003): Entwicklung eines modularen Assessment-Systems im Berufsförde-rungswerk Hamburg. In: Pechtold, N., Wallrabenstein, H., Weber, A., Wicher, K. (Hrsg.): Assessment - Voraussetzung für erfolgreiche Teilhabe am Arbeitsleben. Berufsförde-rungswerk Hamburg. Feldhaus-Verlag.

Psychometrische Analyse modularer Einheiten zur Erfassung verschiedener Aspekte von Mitarbeiterzufriedenheit

Kriz, D. (1), Rieger, J. (2), Steffanowski, A. (1), Schmidt, J. (1), Nübling, R. (1) (1) GfQG, Karlsruhe, (2) Paracelsus-Kliniken Deutschland GmbH, Osnabrück

Hintergrund Das Mitarbeiterverhalten stellt einen entscheidenden Faktor für die Zufriedenheit der Patien-ten dar (Koop et al., 2004). Die Mitarbeiterzufriedenheit kann hierauf entscheidenden Ein-fluss haben und ist somit nicht nur zentraler Bestandteil der Ergebniskriterien des EFQM-Modells, sondern auch eine der wichtigsten Grundlagen für langfristigen Erfolg. Die Durch-führung von Mitarbeiterbefragungen kann dabei als Intervention eines Organisations-Entwicklungs-Prozesses verstanden und implementiert werden (Bungard et al., 2007). Ziel der vorliegenden Arbeit ist die testtheoretische Prüfung modularer Skalen zur Erfassung un-terschiedlicher Aspekte der Mitarbeiterzufriedenheit in Rehabilitationskliniken.

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Methodik Grundlage unseres Konzepts der Mitarbeiterbefragung ist die Möglichkeit zur individuellen, kundenorientierten Zusammenstellung inhaltlich unterschiedlicher Aspekte von Mitarbeiter-aussagen. Dargestellt werden die Ergebnisse der rational-theoretischen Module "Allgemeine Arbeitszufriedenheit", "Arbeitsbelastung", "Gesundheitszustand", "Arbeitszeitorganisation", "Zukunftsorientierung", "Klinische Führung", "Führung im Verwaltungsbereich" und "Mitar-beitervertretung". Das Thema Zusammenarbeit wird lediglich mit zwei Einzelitems erhoben. Die Bereiche "Betriebsklima" sowie "Interne Organisation und Kommunikation" werden mit den etablierten Skalen des Mizu-Reha (Farin et al., 2002) erfasst, um einen allgemeinen Vergleich zu anderen Kliniken zu ermöglichen. Die Module umfassen zwischen 5 und 13 Items und haben ein 5-stufiges Antwortformat (Kriz et al., 2008). Die theoretisch formulierten Module werden skalen- und itemanalytisch überprüft. Die Ergebnisse beziehen sich auf Be-fragungen in fünf Kliniken.

Ergebnisse Von den insgesamt 379 ausgegebenen Fragebögen wurden n = 207 (54,6 %; Klinikrange: 44 % - 71 %) zurückgegeben. Von den theoretisch formulierten elf Inhaltsbereichen lassen sich lediglich 7 Dimensionalitäten (Gesamtvarianzaufklärung von 54 %) relativ stabil empi-risch bestätigen. Dies betrifft die Skalen "Klinische Führung" (Eigenwert: 24,6; Cronbach’s αt = .96), "Führung im Verwaltungsbereich" (7,4; αt = .96), "Betriebsklima" (3,5; αt = .83) und "Mitarbeitervertretung" (3,3; αt = .92). Die Bereiche "Arbeitsbelastung" und "Gesundheitszu-stand" bilden einen Faktor (5,0; αe = .86), die Inhalte "Interne Organisation" (6,8; αt = .89) und "Kommunikation" (4,1; αt = .86) trennen sich hingegen in zwei Faktoren. Die Items der Inhalte "Allgemeine Arbeitszufriedenheit" und "Zukunftsorientierung" streuen über alle Fak-toren, die Items zur Zusammenarbeit laden auf dem Faktor Betriebsklima, die Items zur "Ar-beitszeitorganisation" verteilen sich auf die ‚Interne Organisation‘ sowie Fragen zu Über-stunden auf die "Arbeitsbelastung". Die Einzelitems der bestätigten Skalen erweisen sich alle als hinreichend trennscharf (mittlere Trennschärfen von 52.=itr bis 79.=itr ). Die Skalen korrelieren untereinander mit Ausnahme der Skalen "Betriebsrat" signifikant in mittlerem (r "Arbeitsbel./Gesund."-"Führung Verw." = .26) bis hohem Ausmaß (r "Int. Organisation"-"Betriebsklima" = .66).

Diskussion Die rational-theoretisch entwickelten Module des Fragebogens konnten empirisch überwie-gend bestätigt werden. So zeigen sich sieben stabile Faktoren, die wichtige Kernbereiche bei der Erfassung von Mitarbeiterzufriedenheit repräsentieren und die Multidimensionalität des Konstrukts "Mitarbeiterbefragung" bestätigen. Darüber hinaus konnte durch die fakto-renübergreifenden Verteilungen der Items der Module "Allgemeine Arbeitszufriedenheit" und "Zukunftsorientierung" gezeigt werden, dass diese theoretisch konstruierten und hierar-chisch übergeordneten Module tatsächlich auf vielfältigen untergeordneten Inhalten beru-hen. Auch die Zuordnung der Items zur Zusammenarbeit zur Skala Betriebsklima ist plausi-bel. Besondere Beachtung gebührt dem gemeinsamen Faktor "Arbeitsbelastung und Ge-sundheitszustand", der die inhaltliche Nähe der beiden Aspekte, wenn auch ohne Aussagen über die kausale Richtung, unterstreicht. Die Ergebnisse werden durch die geringen Fallzah-len und das explorative Vorgehen in ihrer Aussagekraft eingeschränkt.

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Schlussfolgerungen Der Nachweis der empirisch bestätigten Dimensionen bedarf der Replikation in weiteren Studien mit größeren Fallzahlen. Mitarbeiterbefragungen sind unter Umständen sensible In-terventionen im Organisations-Entwicklungs-Prozess. Um eventuell negative Auswirkungen durch die Befragung zu vermeiden, sind im Nachgang eine klare Zielformulierung, das Moni-toring umzusetzender Maßnahmen und eine Ergebniskontrolle durch Wiederholungsbefra-gung durchzuführen (Bungard et al., 2007). Für die Darstellung von fairen Prä-Postver-gleichen (gleichermaßen für faire Klinik- oder Berufsgruppenvergleiche) ist dabei eine Aus-weitung der Forschung mit Fokus auf möglicherweise relevante Moderatoren auch in dem durch Multiprofessionalität geprägten Arbeitsfeld der Rehabilitation erforderlich.

Literatur Bungard, W., Müller, K., Niethammer, C. (2007): Mitarbeiterbefragung "- was dann?". Hei-

delberg: Springer. Farin, E., Meixner, K., Follert, P., Jäckel, W.H., Jacob, A. (2002): Mitarbeiterzufriedenheit in

Rehabilitationskliniken: Entwicklung des Mizu-Reha-Fragebogens und Anwendung in der Qualitätssicherung. Die Rehabilitation, 41. 258-267.

Koop, B., Bungard, W. (2004): Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit im Krankenhaus, Wirt-schaftspsychologie aktuell, 4. 27-30.

Kriz, D., Nübling, R., Steffanowski, A., Schmidt, J. (2008): Mitarbeiterbefragung. Die Chan-ce, Wissen zu nutzen. Unveröffentlichte Informationsbroschüre. Unter: www.gfqg.de/ gfqg_ mitarbeiterbefragung.pdf.

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ICF

Fähigkeiten nach ICF und ihr Zusammenhang mit arbeitsbezogenen Einstellungen und Performanz bei Patienten

in der psychosomatischen Rehabilitation

Muschalla, B., Baron, S., Linden, M. Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité,

Universitätsmedizin Berlin und dem Rehabilitationszentrum Seehof der Deutschen Rentenversicherung Bund, Teltow

Hintergrund Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit, ICF (WHO, 2001), unterscheidet zwischen Funktion, Fähigkeit und Partizipation, sowie den Kon-textfaktoren. Funktionsstörungen können Beeinträchtigungen in Fähigkeiten verursachen, welche - abhängig von den jeweiligen Kontextbedingungen - zu Partizipationsstörungen füh-ren können, z. B. Arbeitsunfähigkeit.

Eine Frage ist, in welchem Ausmaß Fähigkeitsstörungen zusammenhängen mit der Un-fähigkeit zur Aktivitätsausübung, oder mit volitionalen oder motivationalen Defiziten.

Methode Bei 213 Patienten (70 % Frauen) einer verhaltenstherapeutischen psychosomatischen Re-habilitationsklinik wurden Fähigkeitsniveau und -störungen mit dem Fremdratinginstrument Mini-ICF-Rating für psychische Störungen (Mini-ICF-APP, Linden et al., 2009b) beurteilt. Das Mini-ICF-APP bildet die Komponente "Aktivitäten und Partizipation" der ICF ab, soweit sie im Rahmen psychischer Erkrankungen beeinträchtigt sein können. Mit dem Mini-ICF-APP-Rating kann eingeschätzt werden, in welchem Ausmaß ein Patient in seinen Fähigkei-ten bei der Durchführung von Aktivitäten beeinträchtigt ist.

Des Weiteren wurde die arbeitsbezogene Performanz mit der Endicott Work Productivity Scale (EWPS) gemessen, sowie volitionale und motiviationale Probleme mit dem AVEM, einem Selbstratingfragebogen zu arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensmustern.

Ergebnisse Der durchschnittliche Globalscore im Mini-ICF-APP (Rating 0="keine Beeinträchtigung” bis 4="vollständige Beeinträchtigung, keine Aktivität mehr möglich”) über alle Patienten lag bei M=0,84 (SD=0,56), was einer "leichten Beeinträchtigung” entspricht. Die höchsten Beein-trächtigungen wurden in der Dimension "Flexibilität" gefunden, (Item 3, M=1,64, SD=0,94); die niedrigsten Beeinträchtigungen im Bereich der "Selbstpflege und -versorgung” (Item 11, M=0,19, SD=0,44) sowie "Wegefähigkeit" (Item 12, M=0,43, SD=0,85).

Partialkorrelationen zwischen Mini-ICF-APP, AVEM und EWPS zeigten hohe signifikante Korrelationen zwischen Mini-ICF-APP und EWPS, jedoch keine oder nur geringe Korrelatio-nen zwischen AVEM und Mini-ICF-APP, sowie AVEM und EWPS.

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Schlussfolgerungen Fähigkeitsstörungen stehen primär mit arbeitsbezogenen Performanzstörungen in Zusam-menhang und nur zu einem geringen Teil mit Einstellungen und motivationalen und volitio-nalen Faktoren (Linden et al., 2009a). Deswegen müssen sie eher als Behinderungen ver-standen werden, denn als ein psychologisches Problem der Motivation und Volition.

Literatur Linden, M., Baron, S., Muschalla, B. (2009a): Mini-ICF-Rating für psychische Störungen

(Mini-ICF-APP). Ein Kurzinstrument zur Beuteilung von Fähigkeits- bzw. Kapazitäts-störungen bei psychischen Störungen. Göttingen: Hans Huber.

Linden, M., Baron, S., Muschalla, B. (2009b): Capacity according to ICF in relation to work related attitudes and performance in psychosomatic patients. Psychopathology, im Druck.

World Health Organization (WHO) (2001): International Classification of Functioning, Dis-ability and Health (ICF). Genf: WHO.

Anwendung der ICF Core Sets in der Begutachtung von Patienten mit lumbalen Rückenschmerzen und generalisiertem Schmerzsyndrom

Kirschneck, M. (1,4), Winkelmann, A. (2), Kirchberger, I. (1,4), Gläßel, A. (3,4), Ewert, T. (2), Stucki, G. (3,4,5), Cieza, A. (1,3,4)

(1) Institut für Gesundheits- und Rehabilitationswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität, München, (2) Klinik and Poliklinik für Physikalische Medizin and Rehabilitation an der Ludwig-Maximilians-Universität, München, (3) Schweizer Paraplegiker Forschung,

Nottwil, Schweiz, (4) ICF Research Branch, WHO FIC CC Germany (DIMDI) an der Schweizer Paraplegiker Forschung, Nottwil, Schweiz, und am Institut für Gesundheits- und

Rehabilitationswissenschaften, München, Deutschland (5) Seminar für Gesundheitswissenschaften und Gesundheitspolitik, Universität Luzern, Schweiz

Hintergrund Das sozialmedizinische Gutachten ist eine wesentliche Grundlage zur Entscheidung der Rentenversicherungsträger über eine Gewährung von Leistungen zur Teilhabe und von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Trotz existierender Leitlinien und der Tatsa-che, dass es allgemein akzeptiert ist, dass die Beurteilung der Funktionsfähigkeit ein essen-tieller Bestandteil ist, stellt sich die Frage, inwieweit eine größere Standardarisierung und Objektivität von ärztlichen Gutachten gewährleistet werden kann. Die ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit) (WHO, 2001) stellt ei-nen konzeptuellen Rahmen und zugleich eine einheitliche, standardisierte Sprache zur Be-schreibung von Funktionsfähigkeit und Behinderung zur Verfügung. Die ICF Core Sets, krankheitsbezogene Listen relevanter ICF Kategorien, könnten den Gutachtern als prakti-kables Tool an die Hand gegeben werden. Damit könnte die Standardisierung in der Begut-achtung unterstützt werden.

Ziel des bereits angelaufenen Forschungsvorhabens ist es, zu überprüfen, ob die ICF Core Sets für lumbale Rückenschmerzen (Cieza et al., 2004a) sowie die ICF Core Sets für das

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generalisierte Schmerzsyndrom (Cieza et al., 2004b) als Grundlage zur Anfertigung von Gutachten über Patienten mit diesen Gesundheitsstörungen herangezogen werden können.

Methode Im Rahmen einer retrospektiven, qualitativen Studie werden 600 ärztliche Gutachten von Patienten mit jeweils lumbalen Rückenschmerzen oder generalisiertem Schmerzsyndrom für die Deutsche Rentenversicherung in die Sprache der ICF übersetzt. Die Übersetzung (Lin-king) wird nach einer ausführlichen Schulung in Linking-Regeln (Cieza et al., 2002; Cieza et al., 2005) von sozialmedizinischen Gutachtern von verschiedenen Trägern der Deutschen Rentenversicherung und einer Gesundheitsfachperson des Institutes für Gesundheits- und Rehabilitationswissenschaften (IHRS) München durchgeführt. Damit ein hoher Standard bei der Übersetzung (Linking) der Gutachten erhalten bleibt, werden die ersten 100 Gutachten pro Gesundheitsstörung doppelt gelinkt. Aus einer zufälligen Stichprobe von 10 % werden der Kappa Wert (Cohen, 1969) und die prozentuelle Übereinstimmung berechnet. Die restli-chen Gutachten werden nur von einer Gesundheitsfachperson gelinkt. Zudem werden die Häufigkeiten der genannten ICF Kategorien berechnet und mit den ICF Core Sets für lumba-le Rückenschmerzen und generalisierten Schmerzsyndrom abgeglichen.

Aktueller Stand der Studie und Zwischenergebnis Insgesamt wurden bisher 309 sozialmedizinische Gutachten mit der Gesundheitsstörung lumbaler Rückenschmerz und 233 sozialmedizinische Gutachten mit der Gesundheits-störung generalisiertes Schmerzsyndrom von Trägern der Deutsche Rentenversicherung ausgewählt und anonymisiert. Die ersten 230 Gutachten sind bereits analysiert. Für die Ü-bereinstimmung der beiden Linker wurde auf der 2. Ebene der ICF für die Gesundheitsstö-rung lumbaler Rückenschmerz ein weighted Kappa=0,73 (bootstraped 95 %-Konvergenz-intervall 0,71 bis 0,74) und eine prozentuale Übereinstimmung von 84,02 % erreicht sowie für die Gesundheitsstörung generalisiertes Schmerzsyndrom ein weighted Kappa=0,69 (bootstraped 95 %-Konvergenzintervall 0,67 bis 0,71) und eine prozentuale Übereinstim-mung von 77,11 %. Die Inhalte der sozialmedizinischen Gutachten spiegeln sich weitgehend in den ICF Core Sets wider. Folgende vier ICF Kategorien aus den 78 ICF Kategorien des ICF Core Sets für lumbale Rückenschmerzen sind in den 116 derzeit gelinkten sozialmedi-zinischen Gutachten nicht berücksichtigt worden: b180 Die Selbstwahrnehmung und die Zeitwahrnehmung betreffende Funktionen, b740 Muskelausdauer, d420 Sich verlagern, d660 Elementare interpersonelle Aktivitäten und d859 Arbeit und Beschäftigung, anders o-der nicht näher bezeichnet. Aus den momentan 114 gelinkten sozialmedizinischen Gutach-ten für das generalisierte Schmerzsyndrom bildeten sich die folgenden drei ICF Kategorien, b122 Globale psychosoziale Funktionen, e465 Gesellschaftliche Normen, Konventionen und Weltanschauungen und e575 Dienste, Systeme und Handlungsgrundsätze der allgemeinen sozialen Unterstützung aus den 67 ICF Kategorien des ICF Core Sets für generalisierte Schmerzsyndrom nicht ab.

Diskussion Unsere ersten Erfahrungen zeigen, dass die Struktur der ärztlichen Gutachten stark variiert, so dass ein inhaltlicher Vergleich ohne eine weitere Basis nur schwer möglich ist. Die ersten Zwischenergebnisse weisen darauf hin, dass die ICF Core Sets als Grundlage oder Struktu-

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rierungshilfe für die Inhalte der sozialmedizinischen Gutachten für die Deutsche Rentenver-sicherung herangezogen werden können.

Literatur Cieza, A., Brockow, T., Ewert, T., Amann, E., Kollerits, B., Chatterji, S., Üstün, T.B.,

Stucki, G. (2002): Linking Health-Status Measurements to the International Classification of Functioning Disability and Health, J Rehabil Med, 34. 1-6.

Cieza, A., Geyh, S., Chatterji, S., Kostanjsek, N., Üstün, B., Stucki, G. (2005): ICF linking rules: an update based on lessons learned, J Rehabil Med, 37. 212-218.

Cieza, A., Stucki, G., Weigi, M., Kullmann, L., Stoll, T., Kamen, L., Kostanjsek, N., Walsh, N. (2004b): ICF Core Sets for chronic widespread pain, J Rehabil Med, Suppl 44. 63-68.

Cieza, A., Stucki, G., Weigl, M., Disler, P., Jäckel, W.H., van der Linden, S., Kostanjsek, N., de Bie, R. (2004a): ICF Core Sets for low back pain. J Rehabil Med, Suppl 44. 69-74.

Cohen, J.A. (1969): Coefficient of Agreement for Nominal Scales, Edu Psych Measurement, 20. 46.

World Health Organization (WHO) (2001): International Classification of Functioning, Dis-ability and Health: ICF. Geneva: WHO.

Schlafstörungen in der ICF bei Atemwegs- und orthopädischen Erkrankungen

Raschke, F., Miksch, F., Fischer, J. Institut für Rehabilitationsforschung Norderney

Hintergrund Sowohl Atemwegserkrankungen als auch funktionelle orthopädische Erkrankungen mit Schmerzsymptomatik gehen bekanntermaßen mit verschiedenen Formen von Schlaf-störungen einher (Fischer et al., 2002). Diese krankheitsspezifischen Symptome bessern sich während der medizinischen Rehabilitation, jedoch ist nicht bekannt, inwieweit wechsel-seitige Verbesserungen mit Schlafstörungen, funktionaler Leistungsfähigkeit und Befindlich-keit im psychosozialen Bereich einhergehen. Es wird erwartet, dass sich die Symptome von nächtlicher Atemnot, Rücken-, Nacken- und Schulterschmerzen reduzieren, was gleichzeitig zu einer Verbesserung der Schlafqualität führt und infolgedessen die negativen Auswirkun-gen von nicht-erholsamem Schlaf reduziert.

Ziel Die ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit) enthält zahlreiche Items zu Schlafstörungen, Antrieb, geistiger Leistungsfähigkeit, Vigilanz und Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Wahrnehmung und anderer kognitiver Funktionen, die infolge des nicht-erholsamen Schlafs gestört sein können. Das Klassifikationssystem - be-zogen auf Schlafstörungen - wurde bislang nicht für Schlafstörungen bei Atemwegs- und or-thopädischen Erkrankungen mit ausgeprägter nächtlicher Schmerzsymptomatik eingesetzt. Es soll daher in der medizinischen Rehabilitation im Längsschnitt in Anlehnung an Core Sets für Schlafstörungen (Partinen et al., 2009) untersucht werden, inwieweit sich Änderun-

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gen im Atemwegs- und Schmerzstatus als Änderungen von Schlafverhalten und der Schlaf-qualität, sowie Befindlichkeit und Wachheit am Tage als Krankheitsfolge abbilden. Bekannte und anerkannte Instrumente der Schlafmedizin und objektive Verbesserungen der kardio-pulmonalen Leistungsfähigkeit wurden mit Veränderungen von Aktivität und Partizipation in Familie, Beruf und Gesellschaft verglichen und speziell die Frage untersucht, ob sich Ände-rungen im Funktionsstatus in der ICF wiederfinden. Das Theoriegebäude der ICF könnte sich damit auch für Schlafstörungen bei unspezifischen Krankheitsfolgen als nützlich erwei-sen und damit den Wert dieses Klassifikationssystems erhöhen.

Methode In die Studie wurden 339 bzw. 163 Patienten mit orthopädischen und/oder Atemwegs-Erkrankungen (insgesamt 502 Pat.) konsekutiv aufgenommen, die sich 3-4 Wochen bzw. 5 Wochen in der stationären Rehabilitation der Klinik Norderney aufhielten.

Zur Praxistauglichkeit und ökonomischen Durchführung im Reha-Alltag wurden nur 15 Schlüssel-Items der ICF verwendet, die Schlafstörungen und ihre Folgen für psychosoziale Integration, Aktivität und Partizipation beschreiben. Die Beurteilungsmerkmale wurden für Ausmaß und Stärke der Schädigung auf ihre Änderungssensitivität zu Beginn und Ende der Rehabilitation vom aufnehmenden Stationsarzt geprüft. Schweregrad und Änderung wurden über folgende Assessments der Schlafmedizin ebenfalls zu Beginn und Ende der Reha durch subjektive Angaben der Patienten ergänzt: Deutscher Schmerzfragebogen, Fragebo-gen zu Schlafstörungen und Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit (FSSKL) und Epworth-Sleepiness Scale (ESS). Außerdem wurde bei allen Patienten ein Schlaftage-buch geführt, das Angaben zu Bettzeit, Einschlaflatenz, Anzahl der Weckreaktionen, Auf-wachzeit, Schlafdauer, Schlafqualität und Befindlichkeit am Tage enthielt. Die subjektiven Meßgrößen im Schlaftagebuch wurden täglich erhoben. Aus den subjektiven Längsschnitt-angaben wurde das Ausmaß der Veränderung berechnet und zur ICF-Kodierung in Bezie-hung gesetzt.

Ergebnisse Es zeigen sich höchst signifikante Unterschiede in den schlafbezogenen Items der ICF zwi-schen Beginn und Ende der Rehabilitation. Von 15 ausgewählten Beurteilungsmerkmale ändern sich 14 hoch- bis höchstsignifikant in Richtung Besserung der Störung, lediglich das Merkmal "am Schlafzyklus beteiligte Funktionen" ist gegenläufig. Je größer das Ausmaß dieser Änderung für den einzelnen Patienten, umso größer auch die Änderung in den aus-gewählten Assessmentinstrumenten. Patienten mit "voll ausgeprägter" ICF-Kodierung zeig-ten auch die höchsten Faktorenwerte hinsichtlich Schlafstörungen, Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit und Tagesschläfrigkeit. Die Tagebuch-Aufzeichnungen geben generell diese Entwicklung als Trend in der Befindlichkeit wieder, wenn auch verbunden mit wochenzyklischen Schwankungen.

Diskussion Die Alltagstauglichkeit der ICF sollte sich darin zeigen, ob die verschiedenen Dimensionen eine geschlossene Darstellung mit ökonomischer Bewertung durch den Arzt zulassen und damit die zeitliche und personelle Anforderung, die mit der Einführung der ICF verbunden ist, im Rehaklinik-Alltag gerechtfertigt ist. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die ICF ein emp-

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findliches Instrument für Schlafstörungen darstellt, um die daraus resultierenden Funktions-einschränkungen in empfindlicher und ökonomischer Weise abbilden zu können. Änderun-gen in den Kodierungen der ICF stehen in enger Wechselwirkung mit der funktionalen Leis-tungsfähigkeit und Befindlichkeit am Tage.

Literatur Fischer, J., Mayer, G., Peter, J.-H., Riemann, D., Sitter, H. (Hrsg.) (2002): Nicht-erholsamer

Schlaf. Leitlinie "S2" der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). Blackwell, Berlin - Wien.

Partinen, M., Stucki, G., Stucki, A., Michel, F., Üstün, B. (Steering committee) (2009): Ent-wicklung von ICF Core Sets für Schlafstörungen. www.icf-research-branch.org/Deutsch/ research_g/sleep_d.htm.

Interdisziplinäres Konzept zur ICF-orientierten Patientendokumentation

Schäfer, C., Greb, A., Hufer, C., Glück, D. Neurologische Rehabilitationsklinik, Bad Camberg

Die Einführung der ICF (WHO, 2001, DIMDI, 2005) in die tägliche Arbeit in der Rehabilitati-on hat bewirkt, dass interdisziplinäre Rehabilitationsziele leichter formuliert werden können und Patientenziele mehr Berücksichtigung finden (Huber et al., 2007). Die praktische An-wendung einzelner ICF-Items gestaltete sich aufgrund des großen Umfangs des ICF-Katalogs und des damit in der Routine hohen Zeitaufwands bis dato als nicht praktikabel (Fheodoroff et al., 2009; Finger et al., 2007).

Ziele 1. Eine elektronische Therapiedokumentation auf Basis der ICF, in der alle therapeutischen

Berufsgruppen dokumentieren

2. Besprechungsleitfaden durch einheitliche interdisziplinäre Sprache und Beurteilung (ICF-Beurteilungsmerkmale)

3. Datenvergleich im Zeitverlauf, Datenabgleich zwischen den Disziplinen (niedrige Redun-danz von Arbeitsschritten), statistische Datenerfassung in den Konzepten der ICF

4. Datentransfer zur Erstellung des Arztbriefes

Methode Implementiert in eine elektronische Patientenakte wurde die ICF digital hinterlegt.

Zur Vereinfachung der klinischen Anwendbarkeit wurden ICF-Items unter Beibehaltung der Originalnomenklatur mit schädigungsorientierten Bezeichnungen ergänzt.

Um die Ziel- und Ergebnisorientiertheit der Dokumentation sicherzustellen, sind jedem aus-gewählten ICF-Item Ziel und Ergebnisbericht direkt zugeordnet. Die Kodierung erfolgt ana-log zur ICF top-down mit Beginn auf der Partizipationsebene. Das erste Beurteilungsmerk-mal der ICF zum Ausmaß der Schädigung bzw. der Leistung wurde übernommen sowie ei-ne Möglichkeit, den Stellenwert eines ICF-Items bezogen auf die Gesamtproblematik des

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Patienten auf einer Skala von 1 bis 5 festzulegen (Hauptproblem). Zusätzlich wurden die ICF-Items Körperfunktionssystemen sowie den klassischen Berufsgruppen der an der The-rapie beteiligten Berufsbilder zugeordnet. Jedes Problem wird mit Beginn des ersten Auftre-tens im Sinne einer Störung bei Aufnahme festgehalten.

Das Dokumentationssystem stellt eine Zeitreihe mit beliebigen Abständen der Berichterstat-tung dar. Ist eine Störung behoben (erstes ICF-Beurteilungsmerkmal ist 0) oder ist die Be-handlung einer Störung abgeschlossen (wird als abgeschlossen markiert), kann die Störung aus der Arbeitsliste herausgefiltert werden. Tritt eine neue Störung auf, wird diese neu ko-diert erfasst. So lässt sich der Verlauf chronologisch und plastisch anhand der ICF-Items darstellen.

Kontextfaktoren können ebenfalls mit ICF-Items kodiert werden.

Einen wesentlichen Unterschied zur konventionellen Therapiedokumentation stellt die Tat-sache dar, dass alle am therapeutischen Prozess beteiligten Mitarbeiter in dasselbe elektro-nische Formular dokumentieren.

Erste Ergebnisse Die ersten klinischen Anwendungen zeigen im Vergleich zur konventionellen Berichterstat-tung wesentliche Vorteile des vorgestellten Systems im Hinblick auf Übersichtlichkeit und Verständlichkeit der Dokumentation, Prozessökonomie und Auswertbarkeit.

Wesentlicher Fokus muss auf eine intensive Schulung der Mitarbeiter im Hinblick auf die ICF und ihre Philosophie gelegt werden. Bewährt hat sich die konsequente Top-down-Kodierung (Zielorientierung) zur Reduktion des Dokumentationsaufwands.

Die Verwendung der ICF-Items inklusive Kodierung des Ausmaßes nach ICF-Vorgaben e-rmöglicht eine statistische Auswertung sowie eine graphische Darstellung des Therapiever-laufs.

Die Dokumentation aller Berufsgruppen in dasselbe Formular vermeidet die sonst üblichen Redundanzen und fördert deutlich die interdisziplinäre Arbeit.

Die Zuordnung zu Körperfunktionssystemen ermöglicht eine Darstellung des Therapie-verlaufes und der Ergebnisse in übersichtlicher Form.

Die Zuordnung zu Berufsgruppen ermöglicht die Übermittlung spezifischer Probleme und Behandlungsergebnisse z. B. für an der Weiterbehandlung eines Patienten beteiligte Per-sonen.

Die Transparenz des Systems erlaubt eine inhaltliche und quantitative Qualitätsbeurteilung der Dokumentation im Verlauf.

Ausblick In einem weiteren Schritt erfolgt der Vergleich konventioneller Therapiedokumentation mit parallel geführter Dokumentation mittels des vorgestellten Systems anhand ausgewählter Syndrome im Hinblick auf Inhaltsqualität, Transparenz und ökonomische Aspekte. Geplant ist darüber hinaus eine parallele vergleichende Dokumentation zu validierten Assessment-instrumenten.

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Insbesondere für wissenschaftliche Arbeiten liefert die vorgestellte ICF-Patienten-Dokumentation eine gute Möglichkeit zum Prä-Post-Vergleich der Ergebnisse oder zum Vergleich unterschiedlicher Patientengruppen.

Literatur DIMDI (Hrsg.) (2005): Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung

und Gesundheit - Endfassung Stand Oktober 2005. URL: http://www.dimdi.de , Abruf 01.11.2009.

Fheodoroff, K., Tautscher-Basnett, A., Freimüller, M. (2009): Ist die ICF geeignet zur Ziel-formulierung in der Neurorehabilitation? Poster-Präsentation Masterstudiengang Neuro-rehabilitation, Donau-Universität Krems.

Finger, M.E., Cieza, A., Allet, L., Bürge, E., Baumann, Y., Albert, S., Stucki, G., Huber, E.O. (2007): ICF-Interventionskategorien für die Physiotherapie bei neurologischen Gesund-heitsstörungen. physioscience; 3. 63-71.

Huber, E.O., Cieza, A. (2007): Umsetzung der ICF in den klinischen Alltag der Physiothera-pie, PhysioScience, 3. 48-53.

World Health Organisation (WHO) (2001): International Classification of Functioning, Dis-ability and Health - ICF. Geneva 2001. URL: http://www.who.int/classification/icf. Abruf: 01.11.2009.

Konstruktvalidierung des ICF Modells der Funktionsfähigkeit

Ewert, T. Klinik und Poliklinik für Physikalische Medizin, Klinikum der Universität München,

ICF Research Branch

Hintergrund Moderne Konzepte der Rehabilitation beziehen sich zunehmend auf die Funktionsfähigkeit oder funktionale Gesundheit. Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behin-derung und Gesundheit (ICF) der Weltgesundheitsorganisation wird daher zunehmend in Bereichen der Patientenversorgung etabliert; es sind beispielsweise Pilotstudien geplant oder befinden sich bereits in der Durchführungsphase (Schliehe, 2006). Damit gewinnt die ICF für viele Bereiche der Rehabilitation zunehmend an Bedeutung. Neben dem allgemein akzeptieren biopsychosozialem Modell bietet die ICF als Klassifikation allerdings auch die Möglichkeit mit ihrem internationalem "Vokabular" (Kategorien) Patienteninformation zu sammeln (Ewert, Stucki, 2007). Viel ist bislang auf theoretischer und konzeptioneller Ebene zu dem Modell und der Klassifikation der ICF geschrieben und auch kritisiert worden (Nor-denfeld, 2003). Ein wichtiger Faktor für die weitere Verbreitung der ICF und deren Akzep-tanz bei den potentiellen Anwendern wird jedoch der praktische Nutzen sein den der Einsatz der ICF verspricht. Gemäß der Kurt Levin zugeschriebenen Aussage "nichts ist so praktisch wie eine gute Theorie", wird es Zeit, neben allen theoretischen Überlegungen zum ICF Mo-dell, zu eruieren wie die ICF mit empirischen Daten von realen Rehabilitanden zurecht kommt.

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Fragestellung Die Fragestellung, mit der sich diese Analyse beschäftigt, ist, inwieweit die Komponenten der ICF eine sinnvolle Methode der Strukturierung von Daten darstellen. Diese Fragestel-lung ist bislang empirisch nicht umfassend untersucht worden (Jette et al., 2003). Im Rah-men der Validierungsstudie der ICF Core Sets (Kirschneck, Ewert, 2005) wurde es möglich, dieser Frage mit geeigneten Daten nachzugehen. Die Hypothese ist, dass Datenmodelle, die sich an der ICF orientieren, signifikant besser sind als Modelle, die mit weniger Annah-men auskommen. Anhand von bislang nicht gelösten Herausforderungen hinsichtlich der Integration von Umweltfaktoren (Barrieren und Förderfaktoren), beschränkt sich die Analyse auf die Komponenten Körperfunktionen, Körperstrukturen, Aktivitäten und Partizipation.

Methode Neben einer ausreichenden Datenquantität und -Qualität ist auch eine adäquate Analyse-methode notwendig. Hier bietet sich die Multidimensionale Item Response Theorie an. Ein entscheidender Vorteil im Vergleich zu den eindimensionalen Verfahren ist es, dass alle ver-fügbare Information genutzt werden und die Güte der Modelle - sofern sie dieselben Variab-len enthalten - unmittelbar miteinander vergleichbar sind. Systematisch wurden unterschied-lich differenzierte, anhand der hierarchischen Struktur der ICF abgeleitete Modelle miteinan-der verglichen. Als Kriterien werden berichtet ein Test der Modellgüte (G2), die Anzahl der nicht modellkonformen Kategorien und als praktisch orientiertes Maß die Korrelationen zwi-schen den jeweiligen Komponenten/Dimensionen. Getestet wurden die Hypothesen im Ver-gleich unterschiedlicher Erkrankungen (Arthrose vs. Schlaganfall) als auch im Vergleich un-terschiedlicher Regionen (deutschsprachige Länder vs. Montenegro). Die Berechnungen wurden mit dem Computerprogramm ConQuest durchgeführt.

Ergebnisse Analysiert wurden die Ergebnisse von 3.227 Rehabilitanden aus 32 Ländern mit fünf unter-schiedlichen Erkrankungen (Schlaganfall, Arthose, Adipositas, lumbaler Rückenschmerz, rheumatoide Arthritis). Diese Daten wurden in 89 Einrichtungen durch geschulte Gesund-heitsfachleute erhoben. Als eingängiges Ergebnis dieser Analysen, lässt sich festhalten, dass die ICF im Sinne ihrer Komponenten eine sinnvolle Methode darstellt Daten/Informa-tion zu strukturieren. Je mehr Annahmen aus dem ICF Modell in die Analysen übernommen wurden, desto besser konnten die Daten erklärt werden. Die Ergebnisse ließen sich über verschiedene Erkrankungen und Regionen hinweg bestätigen. Die Korrelationen der Kom-ponenten liegen für alle Erkrankungen zwischen .69 (für Körperfunktionen und Partizipation) und .86 (Aktivitäten und Partizipation).

Diskussion und Schlussfolgerungen Mit diesen Analysen ist ein wichtiger Schritt zur Konstruktvalidierung der ICF genommen worden. Über unterschiedliche Erkrankungen oder Regionen hinweg, wurde die Struktur der ICF auf Komponentenebene bestätigt. Dieses bedeutet nicht, dass Informationen über die Erkrankung oder die regionalen/kulturellen Besonderheiten nicht relevant wären, aber sie dominieren nicht das Konzept der ICF, welches sich somit als Krankheits- und kultur-übergreifend bewährt.

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Angesichts der teilweise hohen Korrelationen zwischen den Komponenten und der relativ geringen Anzahl von nicht modellkonformen Kategorien auch bei eindimensionalen Model-len, kann keine allgemeingültige Empfehlung für die Entwicklung von ICF basierten As-sessments gegeben werden. Dieses scheint abhängig von dem Einsatzzweck und Einsatz-bereich des jeweiligen Verfahrens und ist somit im Einzelfall zu entscheiden.

Literatur Ewert, T., Stucki, G. (2007): Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behin-

derung und Gesundheit (ICF). Einsatzmöglichkeiten in Deutschland. Bundesgesund-heitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz, 50. 953-961.

Jette, A.M., Haley, S.M., Kooyoomjian, J.T. (2003): Are the ICF Activity and Participation dimensions distinct? Journal of Rehabilitation Medicine, 35. 145-149.

Kirschneck, M., Ewert, T. (2005): Die Entwicklung von ICF Core Sets. In: Tesak, J.: ICF in der Rehabilitation. Idstein: Schulz-Kirchner. 289-298.

Nordenfeld, L. (2003): Action theory, disability and ICF. Disability and Rehabilitation, 25. 1075-1079.

Schliehe, F. (2006): Das Klassifikationssystem der ICF. Eine problemorientierte Be-standsaufnahme im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaf-ten. Die Rehabilitation, 45. 258-271.

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ICF (Poster)

Können Aktivität und Partizipation in der Rehabilitation nach Totalendoprothese strukturell getrennt operationalisiert werden?

Schaller, A. (1), Froböse, I. (2) (1) Kliniken Bad Neuenahr GmbH & Co. KG, (2) Deutsche Sporthochschule Köln

Hintergrund Die ICF definiert Aktivität als "Durchführung einer Aufgabe oder einer Handlung (Aktion) durch einen Menschen" (WHO, 2005, 19) und Partizipation als "Einbezogensein in eine Le-benssituation" (WHO, 2005, 19). Da im Einzelfall schwer zu entscheiden ist, ob es sich um Aktivität oder Partizipation handelt, besteht die Klassifikation für beide Komponenten aus einer gemeinsamen neutralen Liste von Lebensbereichen. Bei der Verwendung der Aktivi-täts- und Partizipationsklassifikation sind derzeit verschiedene Möglichkeiten zulässig:

a) Alle Domänen werden gleichermaßen als Aktivitäten und Partizipation verwendet.

b) Die Domänen Aktivität und Partizipation werden strukturell getrennt (keine Überlappung).

c) Die Domänen Aktivität und Partizipation werden teilweise überlappend verwendet.

d) Detaillierte Kategorien werden als Aktivität und allgemeine Kategorien als Partizipation verwendet.

Die derzeitige Studienlage lässt keine zu bevorzugende Option erkennen, so dass die Aus-wahl der Vorgehensweise beim Anwender liegt (WHO, 2005). Im Folgenden wird unter-sucht, ob Aktivität und Partizipation nach Totalendoprothese (TEP) im Rehabilitationsverlauf getrennt erfasst werden können.

Methodik Der FFbH-OA (Kohlmann et al., 1999) wurde ziel- und itemorientiert dem Aktivitätskonzept zugeordnet. Zur Operationalisierung von Partizipation wurden die Subskalen körperliche Rollenfunktion, emotionale Rollenfunktion und soziale Funktionsfähigkeit des SF-36 (Bullin-ger, 1998) verwendet. Dabei wurde die itemorientierte Zuordnung zur ICF entsprechend der Publikation von Cieza et al. (2002) übernommen.

Studienteilnehmer waren Patienten mit Totalendoprothese nach primärer Gon- bzw. Cox-arthrose. Die Datenerhebung erfolgte zu vier Messzeitpunkten (T1 = Reha-Beginn; T2 = Reha-Ende; T3 = drei Monate poststationär; T4 = zwölf Monate poststationär). Die grundlegende Struktur der Datenmatrix wurde zu allen vier Messzeitpunkten mittels explora-tiver Faktorenanalyse (Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation) geprüft. Items mit α<.30 wurden im Ergebnis nicht dargestellt und Items mit α<.40 wurden nicht interpretiert.

Ergebnisse Die Stichprobe beinhaltet 226 Teilnehmer (w=126, m=100; H-TEP: 146, K-TEP: 80; Durch-schnittsalter 63,2 Jahre).

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Tabelle 1 zeigt, dass während der stationären Rehabilitation (T1, T2) alle Items des FFbH-OA und des SF-36 auf jeweils einem Faktor laden. Zu T3 zeigt die Faktorenstruktur fünf Doppelladungen: Bei drei Items des FFbH-OA und bei zwei des SF-36. Zudem laden drei Items des FFbH-OA abweichend. Zu T4 zeigen sich vier Doppelladungen (zwei Items des FFbH-OA und zwei Items des SF-36) und ein Item des SF-36 zeigt eine abweichende La-dung.

T1 T2 T3 T4

Faktor Faktor Faktor Faktor 1 2 1 2 1 2 1 2

FFbH-OA

1: Auf ebenen Wegen gehen ,706 ,751 ,521 ,484 ,755 ,336

2: Auf unebenen Wegen gehen ,706 ,761 ,555 ,557 ,715 ,357

3: Treppe hinaufgehen ,730 ,719 ,597 ,761

4: Treppe hinuntergehen ,740 ,705 ,522 ,690

5: 100m Laufen ,556 ,514 ,554 ,638

6: 30 min Stehen ,670 ,627 ,465 ,486 ,590 ,345

7: Auto ein/aus ,474 ,591 ,744 ,631 ,302

8: Öffentl. Verkehrsmittel ,731 ,721 ,545 ,349 ,599 ,427

9: Aus Stand Bücken ,552 ,619 ,648 ,726

10: Aus Sitz Bücken ,614 ,618 ,612 ,549 ,346

11: Schweren Gegenstand Heben ,576 ,487 ,345 ,313 ,411 ,525 ,379

12: Schweren Gegenstand Tragen ,639 ,582 ,329 ,347 ,519 ,550 ,548

13: Stuhl aufstehen ,585 ,543 ,664 ,649

14: Socken an-/ausziehen ,525 ,567 ,471 ,633

15: Badewanne ein-/aussteigen ,590 ,622 ,559 ,360 ,624

16: Kopf bis Fuß waschen/abtrocknen ,480 ,315 ,538 ,638 ,642

17: Toilette ,578 ,586 ,673 ,719

18: Normales Bett ,526 ,310 ,574 ,538 ,712

SF-36

ROLPH1: nicht so lange wie üblich tätig ,660 ,493 ,707 ,673

ROLPH2: weniger geschafft ,574 ,563 ,666 ,402 ,599

ROLPH3: nur bestimmte Dinge ,630 ,650 ,704 ,325 ,643

ROLPH4: Schwierigkeiten bei der Ausführung ,642 ,618 ,329 ,633 ,469 ,617

ROLEM1: nicht so lange ,667 ,729 ,724 ,842

ROLEM2: weniger geschafft ,561 ,624 ,642 ,719

ROLEM3: nicht so sorgfältig ,606 ,624 ,698 ,812

SOC2: Häufigkeit Kontakte ,308 ,497 ,447 ,403 ,470 ,349 ,651

SOC1: normale Kontakte ,314 ,420 ,509 ,715

PAIN2: Alltagstätigkeiten behindert ,430 ,406 ,412 ,621 ,629 ,396

Tab. 1: Zuordnung des FFbH-OA und SF-36 zu Aktivität und Partizipation

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Diskussion Mit den verwendeten Fragebögen können Aktivität und Teilhabe während der stationären Rehabilitationsphase (T1, T2) strukturell getrennt operationalisiert werden. Aufgrund des "Verschwimmens" der Einfachstruktur in der poststationären Phase (T3, T4) erscheint eine strukturell getrennte Operationalisierung in diesem Zeitraum nicht empfehlenswert und es bestätigt sich der enge inhaltliche Zusammenhang von Aktivität und Teilhabe. Die Differen-zierung von Aktivität und Teilhabe scheint stark von der individuellen Lebenssituation des Patienten abhängig zu sein. Zudem könnten unterschiedliche Perspektiven von Therapeut und Patient und dass bei normalem Heilungsverlauf indikationsspezifische Aspekte nach drei bis sechs Monaten an Bedeutung verlieren, eine Rolle spielen. Da das Linking in der vorliegenden Arbeit lediglich von einer Person vorgenommen wurde, sind allerdings auch die fehlende personenübergreifende Objektivität bei der Zuordnung zu berücksichtigen und Fehler in der Anwendung der Linking-Rules nicht auszuschließen.

Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse und vor dem Hintergrund der Literatur erscheint es sinnvoll, Aktivität und Partizipation während der stationären Rehabilitation getrennt zu ope-rationalisieren und poststationär eine überlappende oder gemeinsame Operationalisierung vorzunehmen. Dabei sollte für die Operationalisierung von Partizipation eine Assessment-Neuentwicklung in Betracht gezogen werden.

Literatur Bullinger, M. (1998): SF-36 Fragebogen zum Gesundheitszustand-Handbuch. Göttingen:

Hogrefe-Verlag. Cieza, A., Brockow, T., Ewert, T., Amman, E., Kollerits, B., Chatterji, Üstün, B.T., Stucki, G.

(2002): Linking health-status measurements to the International Classification of Func-tioning, Disability and Health. J Rehabil Med, 34. 205–210.

Kohlmann, T., Richter, T., Heinrichs, K. (1999): Entwicklung und Validierung des Funktions-fragebogens Hannover für Patienten mit Arthrosen der Hüft- und Kniegelenke (FFbH-OA). DRV-Schriften, Bd. 12. 40-42.

WHO (2005): Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesund-heit. Genf.

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Entwicklung von ICF Core Sets für die berufliche Rehabilitation

Gläßel, A. (1,2), Finger, M. (1,2), Escorpizo, R. (1,2), Brinkel, T. (1,2), Gmünder, H.P. (4), Stucki, G. (1,2,3), Cieza, A. (1,2,5)

(1) Schweizer Paraplegiker Forschung (SPF), Nottwil, Schweiz, (2) ICF Research Branch, WHO FIC CC (DIMDI) an der SPF, Nottwil, Schweiz und am IGRW, Ludwig-Maximilians

Universität, München, (3) Seminar für Gesundheitswissenschaften und Gesundheitspolitik, Universität Luzern, und SPF, Nottwil, Schweiz, (4) Rehaklinik Bellikon, Bellikon, Schweiz,

(5) Institut für Gesundheits- und Rehabilitationswissenschaften (IGRW), Ludwig-Maximilians-Universität, München,

Hintergrund Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) hat seit ihrer Verabschiedung durch die WHO in der Rehabilitationsmedizin zunehmend an Bedeutung gewonnen (WHO, 2001). Mit ihrem theoretischen Grundlagenmodell ist eine Synthese zwischen der medizinischen und der sozialen Perspektive auf Behinderung und Gesundheit gelungen (Bickenbach et al., 1999).

Mit der ICF steht nun ein System zur Verfügung, anhand dessen das typische Spektrum der Funktionsfähigkeit von Menschen in der beruflichen Rehabilitation unter Berücksichtigung der Umwelt in der sie leben, beschrieben werden kann. Die ICF-Klassifikation ist mit ihren über 1.400 ICF-Kategorien jedoch für die Anwendung in der klinischen Praxis zu umfang-reich und entsprechend werden Werkzeuge, wie z. B "ICF-Core Sets" für die Praxis und Forschung benötigt. Ein ICF-Core Set soll einerseits möglichst wenige Kategorien enthalten, um praktikabel zu sein. Andererseits muss es so viele Kategorien wie notwendig beinhalten, um das prototypische Spektrum an Einschränkungen der funktionalen Gesundheit ein-schließlich der Kontextfaktoren abzubilden (Cieza et al., 2004).

Die berufliche Rehabilitation zeichnet sich aus durch ihre vielfältig beteiligten Akteure. Aus diesem Grunde ist es für einen zielgerichteten, koordinierten Rehabilitationsprozess von Vorteil, diesen in Zukunft auf eine gemeinsame Sprache und Referenz zu stützen.

Seit 2008 werden ICF-Core Sets für die berufliche Rehabilitation in Kooperation mit der Re-haklinik Bellikon, der Schweizerischen Unfallversicherung (SUVA), der ICF Forschungsstelle an der Schweizer Paraplegiker Forschung, Nottwil, mit der Abteilung für Classification, Ter-minology and Standards (CTS) der WHO und zahlreichen Partnerorganisationen entwickelt.

Ziel des Projekts Das Ziel des Projekts ist die Entwicklung von ICF-Core Sets für die berufliche Rehabilitation. Für den Einsatz der ICF in der beruflichen Rehabilitation werden zwei unterschiedliche ICF-Core Sets entwickelt, ein sogenanntes "Umfassendes ICF-Core Set" und ein "Kurzes ICF-Core Set".

Methodik In vier Vorbereitungsstudien entstehen Daten als Entscheidungsgrundlage für die Entwick-lung von ICF-Core Sets für die berufliche Rehabilitation: (1) Patientenbefragungen, um die häufigsten Probleme der Betroffenen zu identifizieren, (2) Patientenbefragungen anhand

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qualitativer Methoden von Fokusgruppen (3) Internetbasierte Expertenbefragung (4) syste-matischer Literaturreview, um die wichtigsten in der Literatur enthaltenen Outcomekriterien für berufliche Rehabilitation zu identifizieren.

Ergebnisse Die Verabschiedung der ICF-Core Sets für die berufliche Rehabilitation erfolgt evidenzba-siert auf der Grundlage der Ergebnisse aus diesen Vorbereitungsstudien in einem internati-onalen Konsensusprozess im Mai 2010. Erste Ergebnisse der Vorbereitungsstudien werden vorgestellt.

Literatur Bickenbach, J.E., Chatterji, S., Badley, E.M., Uestuen, T.B. (1999): Models of disablement,

universalism and the international classification of impairments, disabilities and handi-caps. Social Science and Medicine, 48. 1173-1187.

Cieza, A., Ewert, T., Üstün, T.B., Chatterji, S., Kostansjek, N., Stucki, G. (2004): Develop-ment of ICF Core Sets for patients with chronic conditions. Journal of Rehabilitation Medicine, 44 (Suppl). 9-11.

World Health Organization (2001): International Classification of Functioning, Disability and Health: ICF. Geneva: WHO.

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Reha-Nachsorge

Nachsorge in der Medizinischen Rehabilitation - Welche Erfolgsfaktoren lassen sich erkennen? Ergebnisse einer systematischen Literaturanalyse

Ernst, G. Medizinische Psychologie, Medizinische Hochschule Hannover

Hintergründe Wirksamkeitsanalysen zeigen, dass die positiven Effekte der medizinischen Rehabilitation meist nur kurz anhalten (u. a. Haaf, 2005). Wenn Patienten den geschützten Rahmen der Reha-Klinik verlassen, sehen sie sich einer Vielzahl von Erschwernissen gegenüber, die sie bei der Umsetzung und Aufrechterhaltung der neuerworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten behindern. Obwohl der Transfer in den Alltag offensichtlich Unterstützung von außen bedarf, wurde die Nachsorge in der medizinischen Rehabilitation bisher vernachlässigt und wenig systematisch betrieben (Köpke, 2005; Deck et al., 2009). Erst seit einiger Zeit findet man vermehrt Nachsorgeinitiativen. Die Angebote reichen von einer stärkeren Ausrichtung der Rehabilitation auf die Zeit danach (z. B. Zielvereinbarungen, "Brief an mich"), über singuläre Booster Sessions, bei denen der Patient zur Auffrischung der Inhalte noch einmal in die Kli-nik eingeladen wird, bis hin zur telefonischen Nachbetreuung.

Methodik Mit Hilfe einer systematischen computergestützten Literaturanalyse in den großen medizini-schen Datenbanken (Medline, PubMed, EBMR, Cochrane, PsycINFO) sowie einer händi-schen Recherche in den wichtigen deutschen Zeitschriften und Publikationen zur Rehabilita-tion wurden alle abgeschlossenen randomisierten kontrollierten Studien der letzten 10 Jahre zum Thema Nachsorge in der medizinischen Rehabilitation herausgesucht. Die gefundenen Arbeiten wurden hinsichtlich ihrer Interventionsmerkmale und ihrer Outcomes verglichen und es wurde versucht, Erfolgsfaktoren zu extrahieren.

Ergebnisse Insgesamt wurden acht deutsche Studien gefunden, die den Suchkriterien voll entsprachen, vier erfüllten die Kriterien weitgehend und eine Vielzahl von Projekten befand sich noch in Durchführung.

Die Nachsorgeaktivitäten waren höchst unterschiedlich. Die Hälfte der Projekte leistete tele-fonische Nachbetreuung in unterschiedlicher Frequenz, ein Viertel stellte stationäre Follow-up-Angebote bereit und ein Viertel kombinierte mehrere Methoden. Effekte zugunsten der Interventionsgruppen zeigten sich bei der Hälfte der Studien. Diese waren nicht durchgängig bei allen Outcome-Parametern zu finden, sondern sehr differentiell. Vergleiche der erfolgrei-chen Nachsorge-Angebote mit denen ohne zusätzliche Effekte erbrachten Unterschiede bei den Indikationen und bei den Interventionen. Effektiv waren im Wesentlichen Maßnahmen in Folge einer kardiologischen Anschlussheilbehandlung, die den Patienten über einen länge-

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ren Zeitraum begleiteten. Darüber hinaus waren allgemeine Patientenmerkmale wie Ge-schlecht und Alter von Bedeutung.

Diskussion und Schlussfolgerungen Die Ergebnisse zeigen, dass Nachsorge nicht grundsätzlich wirksam ist, sondern bestimmte Merkmale das Gelingen beeinflussen. Zentraler als der Inhalt der Intervention scheint die Dauer der Nachbetreuung zu sein. Kontinuierliche Betreuung (z. B. via Telefon) ist erfolgrei-cher als einmalige Follow-up-Angebote. Auch die Motivation des Patienten ist entscheidend. Das Vorliegen einer individuellen Bedrohungssituation trägt maßgeblich zur dauerhaften Änderungsbereitschaft bei. Weitere Erfolgsfaktoren lassen sich aus der Motivations- und Lernpsychologie, sowie Forschungsergebnissen anderer Bereiche ableiten.

Literatur Deck, R., Hüppe, A., Arlt, A.C. (2009): Optimierung der Rehabilitationsnachsorge durch eine

längerfristige Begleitung der Rehabilitanden. Die Rehabilitation, 48. 39-46. Haaf, H.G. (2005): Ergebnisse zur Wirksamkeit der Rehabilitation. Die Rehabilitation, 44.

259-276. Köpke, K.-H. (2005): Aufwerten, ausbauen und systematisieren - Eine Analyse von Situati-

on, Reformbedarf und innovativen Projekten zur Nachsorge in der Rehabilitation der Ren-tenversicherung. Die Rehabilitation, 44. 344-352.

Prädiktoren der Teilnahme an medizinischer Rehabilitationsnachsorge bei erwerbstätigen Patienten mit chronischen Rückenschmerzen*

Sibold, M. (1), Mittag, O. (1), Kulick, B. (2), Müller, E. (3), Opitz, U. (1), Jäckel, W.H. (1,4) (1) Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg,

(2) Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz, Speyer, (3) Abteilung Forschungsmethoden, Pädagogische Hochschule Freiburg,

(4) RehaKlinikum Bad Säckingen

Hintergrund Wiederholt wurde eine Erhöhung der Nachhaltigkeit von Rehabilitationsmaßnahmen gefor-dert (Seger et al., 2008). Damit einhergehend wurden in den letzten Jahren Nachsorgepro-gramme entwickelt und implementiert (Köpke, 2005; Gerdes at al., 2005). Die Inanspruch-nahme der Programme lag bisher allerdings unter dem geschätzten Bedarf (Köpke, 2005). Bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen scheint angesichts der geringen mittelfris-tigen Effektivität der Rehabilitation ein erhöhter Bedarf an nachsorgenden Leistungen vorzu-liegen (Hüppe, Raspe, 2005).

Die vorliegende Studie untersuchte die Inanspruchnahme des Nachsorgeprogramms ME-RENA** im Anschluss an eine ambulante Rehabilitation bei Patienten mit chronischen Rü-

* Gefördert durch die Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz ** Medizinische Reha-Nachsorgeleistungen; Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz

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ckenschmerzen. Das Ziel der Untersuchung bestand in der Ermittlung von Faktoren, welche die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an der Nachsorge vorhersagten.

Methodik An der exploratorisch-beobachtenden Untersuchung nahmen 192 erwerbstätige Versicherte (Anteil Frauen: 18,8 %; Alter: M = 44,3 Jahre) der Deutschen Rentenversicherung Rhein-land-Pfalz aus zwölf Rehabilitationseinrichtungen*** teil. Die Probanden befanden sich auf-grund chronischer Rückenschmerzen in ambulanter Rehabilitation, nach deren Abschluss im Falle einer ärztlichen Empfehlung die Möglichkeit zur Teilnahme am Nachsorgepro-gramm MERENA bestand. Als hauptsächliche Datenquelle diente die schriftliche Befragung der Patienten zu drei Messzeitpunkten. Als mögliche Einflussfaktoren auf die Nachsorgeteil-nahme wurden neben der Anfahrtszeit zur Reha-Einrichtung soziodemographische, krank-heits- und berufsbezogene sowie sozialmedizinische Variablen erfasst. Die prädiktive Be-deutung dieser Faktoren für die Teilnahme am Nachsorgeprogramm wurde über eine binär-logistische Regressionsanalyse unter Kontrolle von Alter, Geschlecht und Schulbildung mo-delliert.

Ergebnisse Nahezu alle Patienten (91,6 %) erhielten bei Entlassung aus der Rehabilitation eine Emp-fehlung zur Teilnahme am Nachsorgeprogramm MERENA. Nach Empfehlung nahm mehr als die Hälfte der Patienten (55,5 %) das Nachsorgeangebot in Anspruch. Regressions-analytisch ließen sich mehrere bedeutsame Prädiktoren der Inanspruchnahme des Nach-sorgeprogramms identifizieren, welche gemeinsam 24,5 % der Varianz aufklärten (Tab.1). Weibliche Rehabilitanden nahmen nach erhaltener Empfehlung mit einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit an der Nachsorge teil als Männer. Auch eine stärkere funktionelle Beein-trächtigung und Arbeitsunfähigkeit bei Entlassung aus der Rehabilitation erhöhten die Teil-nahmewahrscheinlichkeit, während eine längere Anfahrtszeit sie verringerte. Dabei fiel der Einfluss der Anfahrtszeit bedeutend stärker bei den Patienten ins Gewicht, die arbeitsfähig entlassen wurden (p = 0,028 vs. P = 0,072).

*** Wir bedanken uns bei allen Einrichtungen, die an dieser Untersuchung teilgenommen haben: Reha Zent-

rum GmbH Worms, Worms, Ambulantes Rehazentrum Koblenz GmbH, Koblenz, ZAR Reha- und Gesund-heitszentrum Trier, Trier. REHA med Gesundheitspark GmbH, Herxheim, Ambulantes Reha-Zentrum Hunsrück, Kastellaun, Zentrum für ambulante Rehabilitation Kaiserslautern GmbH, Kaiserslautern, Rehafit / Stiftungsklinikum Mittelrhein GmbH, Koblenz, Ambulantes Reha-Zentrum Mainz-Mombach, Mainz, West-endbad Friess, Worms, Park-Klinik, Bad Dürkheim, Karl Aschoff Klinik, Bad Kreuznach, MEDIAN Reha-Zentrum Bernkastel-Kues, Bernkastel-Kues.

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MERENA-Teilnahme

Variablen Kodierung B SE p-Wert Odds Ratio (OR) (95 %-Konfidenzintervall)

Geschlecht 0 = männlich 1 = weiblich 1,436 0,509 0,005 4,203 (1,550-11,400)

Alter in Jahren -0,016 0,022 0,482 0,984 (0,942-1,029)

Haupt- oder kein Schul-abschluss

0 = nein 1 = ja 0,050 0,442 0,909 1,052 (0,442-2,503)

Anfahrtszeit zur Reha-Einrichtung in Minuten -0,049 0,018 0,006 0,952 (0,920-0,986)

Funktionskapazität bei Entlassung

FFbH-R (0-10) -0,209 0,093 0,025 0,811 (0,676-0,974)

Arbeitsunfähigkeit bei Entlassung

0 = nein 1 = ja 1,041 0,380 0,006 2,833 (1,344-5,971)

Tab. 1: Ergebnisse der binär-logistischen Regression zur Teilnahme am Nachsorgeprogramm MERENA (n = 157)

Diskussion Die deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit von Frauen, am Nachsorgeprogramm teilzuneh-men, überraschte. Allerdings wird dieser Befund durch unveröffentlichte Daten der DRV Rheinland-Pfalz zur MERENA-Teilnahme gestützt (nur somatische Rehabilitation). Dass ei-ne hohe funktionelle Beeinträchtigung sowie Arbeitsunfähigkeit bei Entlassung aus der Re-habilitation die Inanspruchnahme von Nachsorgeleistungen bei chronischen Rücken-schmerzen wahrscheinlicher machen, scheint im Sinne eines erhöhten Behandlungsbedarfs plausibel. Umgekehrt könnte der Befund jedoch auch auf die von den Patienten als wichtigs-ten Ablehnungsgrund benannte Unvereinbarkeit der Nachsorgeteilnahme mit beruflichen Verpflichtungen hinweisen. In diesem Fall lägen für Patienten, die mit geringeren Funktions-einschränkungen und arbeitsfähig aus der Rehabilitation in ihren beruflichen Alltag zurück-kehren, spezifische Barrieren der Nachsorgeteilnahme vor. Hierfür spräche die größere Be-deutung der Anfahrtszeit für die arbeitsfähig entlassenen Patienten. In Übereinstimmung damit könnte die erhöhte Teilnahmewahrscheinlichkeit von Frauen zumindest teilweise durch deren geringere Wochenarbeitszeit (durchschnittlich knapp 8 Std./Woche) erklärbar sein.

Schlussfolgerungen und Ausblick Die Ergebnisse unserer Analyse zeigen, dass Nachsorgeleistungen nach ambulanter Reha-bilitation zwar nahezu allen erwerbstätigen Patienten mit chronischen Rückenschmerzen empfohlen werden, jedoch nur etwa die Hälfte dieser Patienten daran teilnimmt. Nach stati-onärer Rehabilitation ist die Inanspruchnahme meist noch geringer (Baumgarten et al., 2008). Damit zeichnet sich insgesamt die Notwendigkeit einer umfassenderen Exploration von Einflussfaktoren der Nachsorgeteilnahme ab. Besondere Beachtung verdienen dabei mögliche Gründe für die stark erhöhte Teilnahmewahrscheinlichkeit von Frauen im Ver-gleich zu Männern wie auch die praktische Umsetzung der konzeptuell geforderten Verein-barkeit von Nachsorgeteilnahme und Berufstätigkeit. Eine Möglichkeit könnten hierbei Nachsorgeleistungen im Rahmen betrieblicher Gesundheitsförderungsprogramme oder An-reize zur Nutzung von Gesundheitsangeboten vor Ort darstellen.

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Literatur Baumgarten, E., Lindow, B., Klosterhuis, H. (2008): Wie gut ist die ambulante Rehabilitati-

on? Aktuelle Ergebnisse der Reha-Qualitätssicherung. RVaktuell, 11. 335-342. Gerdes, N., Bührlen, B., Lichtenberg, S., Jäcke, W.H. (2005): Rehabilitationsnachsorge: A-

nalyse von Nachsorgeempfehlungen und ihrer Umsetzung. Regensburg: Roderer. Hüppe, A., Raspe, H. (2003): Zur Wirksamkeit von stationärer medizinischer Rehabilitation

in Deutschland bei chronischen Rückenschmerzen: Aktualisierung und methodenkritische Diskussion einer Literaturübersicht. Die Rehabilitation, 44. 24-33.

Köpke, K.H. (2005): Aufwerten, ausbauen und systematisieren: Eine Analyse von Situation, Reformbedarf und innovativen Projekten zur Nachsorge in der Rehabilitation der Renten-versicherung. Die Rehabilitation, 44. 344-352.

Wirkungen der individualisierten, telefonischen Reha-Nachsorge in der stationären orthopädischen Rehabilitation bei Patienten mit chronischen

Rückenschmerzen

Schmidt, J. (1), Gebauer, D. (1), Penka, G. (2) , Zimmer, M. (1) (1) Orthopädische Klinik Tegernsee der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd,

(2) Universität der Bundeswehr München

Einleitung Da der Erfolg von Reha-Maßnahmen bei 48 % der Rehabilitanden nur drei Monate anhält (Gerdes et al., 2005), wird in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Rehabilitationsforschung Bayern (NRFB) ein individualisiertes und differenziertes Nachsorgeprogramm bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen auf seine Wirksamkeit bezüglich der Nachhaltigkeit eva-luiert. Auf Grund der positiven Erfahrungen in der kardiologischen Rehabilitation (Mittag et al., 2006) wurde als Kommunikationsmittel das Telefon festgelegt.

Zielsetzung Die Zielsetzung des Projekts liegt im Nachweis einer stabilisierten Langzeitwirkung stationä-rer Rehabilitationsmaßnahmen durch ein aus mehreren Komponenten bestehendes Nach-sorgekonzept. Diese individualisierten Maßnahmen sind:

- Erlernen eines individuellen Übungsprogramms unter Anleitung eines Therapeuten wäh-rend des stationären Aufenthalts

- Sicherung der persönlichen Übungen durch filmtechnische Aufnahmen (DVD) direkt am Patienten, die ihm zu Hause als visuelle und akustische Anleitung dienen

- Schriftlich fixierter Trainingsplan für zu Hause, der monatlich an die Klinik übermittelt wird

- Betreuung des Patienten über sechs Monate mit 14-tägiger telefonischer Kontaktauf-nahme durch den Therapeuten zur Förderung der Motivation, Hilfestellung bei Proble-men und Weiterentwicklung des Trainingsplans

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Als Kontrollgruppe dient eine Stichprobe von vergleichbaren Rehabilitanden, die während des Aufenthaltes das identische Therapieprogramm absolvierten, allerdings als Nachsorge-maßnahme ausschließlich ein Programm mit unspezifischen Übungen auf einer vorgefertig-ten DVD erhielten.

Methodik Zur Untersuchung der Hauptfragestellung kommt eine prospektive randomisierte verglei-chende Interventionsstudie mit Prä-/Post-Design zum Einsatz. Die Teilnehmer wurden nach Prüfung der Eingangskriterien (erwachsene Patienten m/w bis 60 Jahre, Eingangsdiagnose chronischer Rückenschmerz gemäß ICD-10 der Gruppen M40-M54) per Zufall durch eine unabhängige Person der Interventionsgruppe oder Kontrollgruppe zugeteilt. Messzeitpunkte liegen zu Beginn und am Ende des Heilverfahrens sowie nach 6 Monaten. Primäre Zielgrö-ßen sind der physiologische Funktionszustand des Rückens, analysiert durch die Erfassung der individuellen isometrischen Maximalkraft mittels des standardisierten Testverfahrens Tergumed® und die allgemeine Funktionskapazität mit Hilfe des Fragebogens FFbH-R.

Vorläufige Ergebnisse Die Studie befindet sich zum Zeitpunkt der Verfassung des Kurzberichts in der Endphase der Datenerhebung. Bisher haben 191 Patienten die Nachsorgemaßnahmen durchlaufen (Interventionsgruppe IG=84, Kontrollgruppe KG=107). Insgesamt wurden n = 309 Patienten rekrutiert. Exemplarisch für den aktuellen Zeitpunkt sei der Trend der Werte für die isometri-sche Maximalkraft in der Wirbelsäulenextension dargestellt:

Während des stationären Aufenthaltes verbesserten beide Gruppen die Kraftwerte (t1/t2) deutlich (KG: +26,7 %, IG +14,3 %). Nach 6 Monaten (t3) steigerte die IG ihre Werte sogar noch minimal (+8,8 %), bei der KG entstanden geringfügige Verluste (-4,8 %).

Die Zufriedenheit mit der Reha-Nachsorge wurde bei den Teilnehmern der IG auf einer 5-stufigen Notenskala mit gut bewertet. Die Teilnehmer der KG werteten die Zufriedenheit eher mit durchschnittlich und gaben zusätzlich an, dass sie mehr Unterstützung gebraucht hätten.

Die hohe Drop-Out-Quote von 35,6 % liegt in folgenden Angaben begründet:

- Anreise zur Follow-up-Testung zu weit, umständlich - zu viel Arbeit, Schichtdienst - weitere Erkrankungen

Genaue Aussagen zur Effektivität der Nachsorgemaßnahme können erst durch statistische Auswertungen nach Beendigung der Messungen getroffen werden.

Literatur Gerdes, N., Bührlen, B., Lichtenberg, S., Jäckel, W.H., (2005): Rehabilitationsnachsorge.

Analyse der Nachsorgeempfehlungen und ihre Umsetzung. Regensburg: S. Roderer Ver-lag.

Mittag, O., China, C., Hoberg, E., Juers, E., Kolenda, K., Richardt, G., Maurischat, C., Raspe, H. (2006): Outcomes of cardiac rehabilitation with versus without a follow-up in-

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tervention rendered by telefone (Luebeck follow-up Trial): Overall and gender specific ef-fects. International Journal of Rehabilitation Research, 29 (4). 295-302.

Wirksamkeit einer internetgestützten Nachsorge nach stationärer psychosomatischer Rehabilitation

Golkaramnay, V. (1), Cicholas, B. (2), Vogler, J. (1) (1) Klinik Alpenblick, Isny im Allgäu, (2) Reha-Zentrum Bad Frankenhausen

Hintergrund Nachsorge als ein wichtiges Versorgungselement spielt in der stationären psychoso-matischen Rehabilitation eine bedeutende Rolle. Seit einigen Jahren werden die Mög-lichkeiten neuer Medien genutzt, die psychosoziale Versorgung in dem Bereich zu optimie-ren (Golkaramnay et al., 2003, 2007; Bauer et al., 2006). Im Rahmen des von dem DRV-Bund geförderten Forschungsprojektes "Wirksamkeit einer internetgestützten Nachsorge nach stationärer psychosomatischer Rehabilitation" wurde von 2007 bis 2009 die Akzeptanz und Wirksamkeit eines therapeutisch begleiteten internetgestützten Nachsorgeangebots un-tersucht.

Methode Zur Untersuchung der Forschungsfragen wurde eine randomisierte kontrollierte Längs-schnittstudie angelegt. 600 Patienten aus zwei psychosomatischen Kliniken nahmen an der Studie teil. Die Teilnehmer wurden randomisiert einer der drei Gruppen: Interventionsgruppe (mit Nachsorge), Kontrollgruppe (ohne Nachsorge) und der Placebogruppe (ohne Nachsor-ge, mit einer Online-Befragung).

Die therapeutisch begleiteten Chatgruppen fanden einmal pro Woche und für die Dauer von 15 Wochen unmittelbar nach der Entlassung statt.

Die Daten zur psychischen und körperlichen Verfassung der Probanden sowie ihre berufs-bezogenen und rehabilitationsrelevanten Daten wurden u. a. durch standardisierte Messin-strumente wie BSI, BDI, GBB-24 und AVEM an 5 Messzeitpunkten erfasst: bei der Aufnah-me in und Entlassung aus der Klinik, sowie 4, 8 und 12 Monate nach der Entlassung aus der Klinik.

Ergebnisse Die Ergebnisse weisen auf hohe Akzeptanz und Wirksamkeit des Angebotes hin. Die Zu-friedenheitsrate mit dem Angebot liegt bei über 85 %, die Abbrecherrate bei ca. 12 % und die Anwesenheitsrate bei mindestens 81 %. Die psychische Verfassung der Probanden zeigte über alle drei Nachuntersuchungszeitpunkte hinweg signifikante Unterschiede zu-gunsten der Interventionsgruppe. Außer bei der 12-Monats-Nachuntersuchung zeigten die körperlichen Beschwerden keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. Im Hinblick auf die Zielgrößen der Studie unterscheiden sich die Kontrollgruppe (ohne Nach-sorge) und die Placebogruppe bei keiner der Nachuntersuchungen voneinander.

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Zudem zeigen die Ergebnisse, dass bei der Interventionsgruppe die Arbeits- und Erwerbs-fähigkeitsrate im Durchschnitt höher liegen als bei den Kontrollgruppen.

Diskussion Die internetgestützte Nachsorge durch Internet-Chatgruppen ist ein wirksames Angebot und erhöht die Nachhaltigkeit der psychosomatischen Rehabilitation. Die sozialmedizinischen Folgen dieser Nachsorge sind im Hinblick auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit der Teil-nehmer insgesamt positiv. Die nahtlose Versorgung, geringer Organisationsaufwand und Versorgung aus einer Hand verringern die Schnittstellenproblematik im Sinne der inte-grierten Versorgung. Die internetgestützte Nachsorge kann als Alternative zu vorhandenen Nachsorgeangeboten eingesetzt werden und die Versorgungslücken im Nachsorgebereich schließen.

Literatur Bauer, S., Golkaramnay, V., Kordy, H. (2005): E-Mental-Health - Neue Medien in der psy-

chosozialen Versorgung. Psychotherapeut, 50. 7-15. Golkaramnay, V., Wangemann, T., Dogs, J., Dogs, P., Kordy, H. (2003): Neue Brücken für

Lücken in der psychotherapeutischen Versorgung durch das Internet: Hoffnungen, Her-ausforderungen und ein Lösungsansatz. Psychotherapie Psychosomatik Medizinische Psychologie, 53. 399-405.

Golkaramnay, V., Bauer, S., Haug, S., Wolf, M., Kordy, H. (2007): The exploration of the ef-fectiveness of group therapy through an internet chat as aftercare: A controlled naturalis-tic study. Psychotherapy and Psychosomatics, 76. 219-225.

Nachsorge im Anschluss an die Akutrehabilitation von Schlaganfallpatienten

Steib, S. (1), Schupp, W. (2), Pfeifer, K. (1) (1) Institut für Sportwissenschaft und Sport, Friedrich-Alexander Universität Erlangen-

Nürnberg, (2) m&i-Fachklinik Herzogenaurach

Hintergrund Das Auftreten eines Schlaganfalls ist eine der häufigsten Ursachen für dauerhafte Erwerbs-unfähigkeit und Behinderung. Die Verbesserung der Funktionsfähigkeit und damit letztend-lich die Wiedereingliederung betroffener Personen in Alltag und Beruf stellt daher ein ent-scheidendes Therapieziel dar. Neben der Akutversorgung und stationären Rehabilitation ist vor allem eine spezifische und effektive Nachsorge von entscheidender Bedeutung für die Rückerlangung von Lebensqualität und Reintegration in das soziale Leben. Ziel der vorlie-genden, durch die DRV-Bund geförderte, Arbeit ist es, die aktuelle Evidenz für die Wirksam-keit verschiedener Nachsorgeinhalte und -strategien zu erfassen bzw. zu überprüfen und die Ergebnisse mit der aktuell gängigen Praxis in Deutschland zu vergleichen.

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Methode Eine computergestützte Datenbankrecherche in MEDLINE (PubMed) wurde für den Zeit-raum zwischen 1996 und 02/2009 durchgeführt. Studien und Übersichtsarbeiten wurden eingeschlossen, wenn es sich bei der Intervention um ein Nachsorgeangebot oder eine in Umfang und Organisationsform als Nachsorge geeignete Interventionsform handelte. Die wichtigsten Merkmale (Interventionsform, -dauer und -häufigkeit, Stichprobengröße, Zeit zwischen Schlaganfall und Intervention, Outcomes, Ergebnisse) der eingeschlossenen Stu-dien wurden extrahiert und systematisch zusammengefasst.

Ergebnisse Nach Datenbankrecherche und Durchsicht der Literaturverzeichnisse relevanter Studien wurden insgesamt 66 Interventionsstudien und 11 Übersichtsarbeiten eingeschlossen. Im überwiegenden Teil der Untersuchungen wurden bewegungs- bzw. physiotherapeutische Inhalte (53 Originalarbeiten) sowie ergotherapeutische Maßnahmen (6 Originalarbeiten) un-tersucht. Lediglich 12 Arbeiten konnten als "echte" Nachsorgeangebote identifiziert werden, die im Anschluss an die Akutrehabilitation durchgeführt wurden. Bei 32 Studien lag der Zeit-punkt des Schlaganfalls innerhalb eines Jahres vor Therapiebeginn. Typische Inhalte bewe-gungs- und physiotherapeutischer Maßnahmen sind Gang-, Kraft-, Ausdauer- und Gleich-gewichtstraining allein oder in Kombination sowie manuelle Therapieverfahren. Diese Inter-ventionen erweisen sich auch noch langfristig nach dem Schlaganfall (>1Jahr) als effektiv zur Verbesserung funktioneller Outcomes (u. a. Gehfähigkeit, Mobilität, ADLs, Kraft, Aus-dauerleistung, Gleichgewicht) und eine Kombination der verschiedenen Therapieinhalte er-scheint sinnvoll. Die Effektivität dieser Nachsorgestrategien zur Verbesserung von Lebens-qualität und sozialer/beruflicher Wiedereingliederung ist jedoch nicht gesichert. Die Ergeb-nisse zur Wirksamkeit von ergotherapeutischen Maßnahmen beziehen sich auf die Ergeb-nisse internationaler Studien zur "occupational therapy" und beinhalten eine individuelle Betreuung der Patienten zuhause, die schwerpunktmäßig auf die Übung alltäglicher Aktivitä-ten und eine Anpassung der Lebensumstände abzielt. Diese Nachsorgestrategien zeigen sich ebenfalls als sehr wirkungsvoll. Neben der Verbesserung von Mobilität und ADLs zei-gen sich hier auch positive Effekte auf die soziale Teilhabe und Zufriedenheit der Schlagan-fallpatienten. Eine unzureichende Studienlage besteht für die Bewertung der Wirksamkeit von Patienteninformation und -schulung auf die Funktion und Lebensqualität.

Diskussion In der IRENA-Rahmenkonzeption (Intensivierte Reha-Nachsorge, Deutsche Rentenversi-cherung Bund, 2006) für neurologische Erkrankungen sind physiotherapeutische, ergothe-rapeutische, verhaltens- und problemzentrierte Inhalte sowie Patientenschulung, -motivation und -information vorgesehen. Die in dieser Arbeit identifizierten Untersuchungen sprechen für die Wirksamkeit bewegungs- und physiotherapeutischer Inhalte. In den IRENA-Richtlinien fehlen jedoch konkrete Hinweise zu Therapieinhalten (u. a. Gang-, Kraft- und Ausdauertraining) sowie anzustrebenden Trainingsumfängen und -häufigkeiten. Ergothera-peutische Maßnahmen, sofern sie auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten zuge-schnitten sind und dessen häusliche und berufliche Umstände berücksichtigen, erweisen sich als wichtiger Bestandteil des Nachsorgekonzepts. Die Wirksamkeit von Patienteninfor-mation und -schulung muss aufgrund der vorliegenden Studienlage als nicht gesichert be-

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trachtet werden. Insgesamt geben die vorliegenden Daten erste Informationen zur Wirkung von Nachsorgeangeboten im Anschluss an die Rehabilitation nach Schlaganfall. In Bezug auf die Nutzung und Wirksamkeit individualisierter und verstärkt verhaltensorientierter The-rapiemaßnahmen besteht insbesondere bezüglich der Nachhaltigkeit derzeit ein For-schungsdefizit.

Literatur Deutsche Rentenversicherung Bund (2006): Rahmenkonzeption IRENA inklusive "Curricu-

lum Hannover" vom 17.10.2006, Stand: 1.2.2008; Download www.deutsche-rentenversicherung-bund.de, Pfad: Zielgruppen > Reha-Einrichtungen > Nachsorgepro-gramm.

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Reha-Nachsorge (Poster)

Akzeptanz internetbasierter Nachsorgemodule durch orthopädische und kardiologische RehabilitandInnen

Bartel, S., Nowossadeck, E., Spyra, K. Lehrstuhl für Versorgungssystemforschung und Grundlagen der Qualitätssicherung in der

Rehabilitation, Charité - Universitätsmedizin Berlin

Hintergrund Ziel der Rehabilitation ist es, die körperliche, berufliche und soziale Leistungsfähigkeit der RehabilitandInnen zu fördern oder zu erhalten. Eine zentrale Herausforderung besteht darin, Veränderungen im Gesundheitsverhalten der RehabilitandInnen zu initiieren und dazu bei-zutragen, den Rehabilitationserfolg nachhaltig zu aufrechtzuerhalten. Bereits früher konnte gezeigt werden, dass zusätzliche Interventionen in der Phase III der kardiologischen (Ho-berg, 2004) bzw. orthopädischen Rehabilitation (Hoover, 2009) positive Effekte haben. Dies kann als Beleg für die Wirksamkeit intensiver Nachsorge gesehen werden. Die in den letz-ten Jahren entwickelten telematischen Dienste und Techniken schaffen neue Möglichkeiten für die Nachsorge chronisch Kranker (Theissing, 2009; Berger, 2009). RehabilitandInnen, die bis jetzt keinen oder nur einen begrenzten Zugang zu Elementen der Nachsorge hatten, können nun erreicht und in einer nachhaltigen Veränderung des Gesundheitsverhaltens un-terstützt werden.

Ziel Das Projekt Multi-Access Modular-Services Framework (MAMSplus) ist ein telematisches Verbundvorhaben, das vom BMBF gefördert und federführend von den Deutsche Telekom Laboratories betreut wird (Freese, 2007). Im Rahmen der verschiedenen Teilprojekte wur-den verschiedene internetgestützte Nachsorgemodule entwickelt, die vielfältige Kommunika-tions- und Informationsangebote beinhalten. Voraussetzung für einen erfolgreichen Ent-wicklungs- und Implementationsprozess ist die Integration aller Akteure. Daher war ein zent-rales Ziel des Projektes zu ermitteln, ob RehabilitandInnen an einer solchen Nachsorgeform interessiert, welche Module sie nutzen würden und ob die Nutzungsvoraussetzungen (PC/Internet) gegeben sind.

Methode Im Rahmen des Teilprojekts des Lehrstuhls für Versorgungssystemforschung der Charité wurde eine Analyse der Akzeptanz solcher internetbasierten Nachsorgemodule sowie der Nutzungsvoraussetzungen und -gewohnheiten durchgeführt. Für eine Zwischenauswertung standen die Angaben von 254 (163 kardiologischen und 91 orthopädischen) Reha-bilitandInnen aus 14 Rehabilitationskliniken zur Verfügung. Das Durchschnittsalter der Teil-nehmerInnen lag in der kardiologischen Rehabilitation bei 61,3 Jahren und in der Orthopä-die bei 49,8 Jahren. Der Anteil der befragten Frauen in der Kardiologie lag bei 24 % - in der Orthopädie waren es 76 %.

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Ergebnisse Insgesamt nutzen über die Hälfte aller kardiologischen (66 %) und fast alle orthopädischen RehabilitandInnen (89 %) einen Computer - Männer beider Indikationsgruppen dabei häufi-ger als Frauen. Zudem zeigt sich, dass jüngere RehabilitandInnen das Internet häufiger nut-zen als Ältere - 39 % der 50 bis 60-Jährigen nutzen das Internet mehrmals täglich. 57 % dieser Altersgruppe zeigen zudem ein hohes Interesse an internetgestützten Nachsorge-möglichkeiten. In der Altersgruppe der 61 bis 70-Jährigen nutzen 26 % das Internet mehr-mals täglich und 57 % dieser Gruppe begrüßen internetgestützte Nachsorgemöglichkeiten.

Es wurde deutlich, dass kardiologische Rehabilitandinnen insgesamt weniger Interesse an internetbasierten Nachsorgemöglichkeiten aufweisen als orthopädische, dennoch würden immerhin noch 61 % der Frauen eine solche Nachsorge begrüßen. Einzelne Module wie das Live-Onlineseminar (46 %), das elektronische Tagebuch (55 %) oder die Reminderfunktio-nen (54 %) wurden positiv bewertet. Module, für die tendenziell weniger Interesse gezeigt wurde, waren die Live-Onlinesportgruppe (26 %) sowie die Kontaktmöglichkeit zu ehemali-gen RehabilitandInnen (28 %).

Schlussfolgerungen und Ausblick Kardiologische und orthopädische RehabilitandInnen haben insgesamt ein hohes Interesse an internetgestützten Nachsorgemöglichkeiten, insbesondere Männer zeigen eine besonde-re Affinität. Eine vertiefende Analyse nach Altersgruppen zeigt, dass es zwar einen Anteil Älterer - insbesondere Frauen - gibt, die eine Internet-Nutzung und damit auch eine inter-netgestützte Nachsorge ablehnen. Daneben signalisiert aber ein beachtlicher Anteil von äl-teren RehabilitandInnen grundsätzliches Interesse an einem internetgestütztem Nachsorge-konzept. Die Entwicklung und Implementation von Lösungen zur internetgestützten Nach-sorge ist deshalb auch in der kardiologischen Rehabilitation mit ihrem hohen Anteil älterer RehabilitandInnen erfolgversprechend. Dies betrifft insbesondere die Module, die eine hohe Akzeptanz aufweisen. Es bleibt künftigen Projekten vorbehalten, Praktikabilität und Wirk-samkeit im Versorgungsalltag nachzuweisen.

Literatur Berger, T., Hohl, E., Caspar, F. (2009): Internet-based treatment for social phobia: A ran-

domized controlled trial. Journal of Clinical Psychology, 65 (10). 1021-1035. Freese, B., Staiger, U., Stein, H. (2007): Multi Access Modular Services Framework. White-

paper, Nr. 1. Hoberg, E., Bestehorn, K., Wegscheider, K., Brauer, H. (2004): Auffrischungskurse nach

kardiologischer Anschlussrehabilitation (HANSA-Studie). DRV-Schriften, Bd. 52. 150-151. Hoover, D., Domholdt, E., Leland, L., Kluver, J., Malloy, A. (2009): Exploring aftercare pro-

grams following outpatient musculoskeletal physical therapy: A case series report. Physiotherapy. Theory and Practice 25 (2). 99-128 (30).

Theissing, J., Deck, R. (2009): Reha-Nachsorge per Internet: Akzeptanz und Kompetenzen bei Patienten mit abdomineller Adipositas in der kardio-diabetologischen Rehabilitation. DRV-Schriften, Bd. 83. 44-46.

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Rehabilitation im Gesundheitssystem

Stellenwert gesundheitlicher und rehabilitativer Aspekte bei der Betreuung Arbeitsloser als krankheits- und

erwerbsbezogene Risikofaktoren

Schubert, M., Bretschneider, K., Schmidt, S., Behrens, J. Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaften,

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Hintergrund Arbeitslosigkeit und Gesundheit stellen wechselseitig Risikofaktoren zueinander dar: zum einen sind gesundheitlich eingeschränkte Personen besonders von Arbeitslosigkeit bedroht (Viebrok, 2004; Behrens, 1994) und die Chance der Wiedereingliederung verringert sich mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit (Grobe, Schwartz, 2003; Kieselbach, Beelmann, 2006). Zum anderen geht mit der Dauer einer Erwerbslosigkeit eine Verschlechterung der physischen und psychischen Gesundheit einher (Weber et al., 2007).

Die gesundheitliche Hochrisikogruppe erwerbsfähiger Arbeitssuchender wird in den Arbeits-verwaltungen (Arbeitsagentur, SGB II-Träger), deren Aufgabe die Inklusion in gesellschaftli-che (Erwerbs-)Bezüge darstellt, quasi vollständig vorstellig. Vor diesem Hintergrund fragt dieser Beitrag nach behördlichen Handlungsmustern und -routinen sowie deren sozialrecht-lichen Rahmenbedingungen bei der Betreuung dieser Personengruppe. Zentral ist dabei die Frage nach der Wahrnehmung von Gesundheit als Voraussetzung von Erwerbstätigkeit so-wie dem Stellenwert medizinischer Rehabilitationsleistungen.

Methodik Im Rahmen der qualitativen Studie wurden insgesamt 24 Experteninterviews mit Gesprächs-partnern aus dem Bereich der Arbeitsvermittlung und der Rehabilitationsberatung in Ar-beitsagenturen und bei SGBII-Trägern (ARGEn, optierende Kommunen) in Mitteldeutsch-land leitfadengestützt befragt.

Hierbei fanden spezifisch definierte Fallvignetten als beispielhafte Fallkonstellationen Ver-wendung, die mit den Gesprächspartnern diskutiert wurden. Somit konnte Varianz im pro-fessionellen Handeln in den unterschiedlichen Institutionen der Betreuung und Vermittlung von Arbeitssuchenden mit gesundheitlichen Einschränkungen erfasst und mittels qualitativer Inhaltsanalyse komparativ ausgewertet werden.

Ergebnisse Arbeitslose Personen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen werden von den Mitarbeitern der untersuchten Arbeitsverwaltungen fast ausschließlich unter dem Fokus arbeitsplatzbe-zogener Kriterien (Qualifikation, Tätigkeit, Berufsanforderung) wahrgenommen. So wird die Arbeitsrealität gemäß der institutionellen Ausrichtung vorrangig mit Blick auf die "Platzier-barkeit" des Klienten auf den Arbeitsmarkt interpretiert. In den Vermittlungsgesprächen fin-

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det ein zielgerichtetes Nachfragen zum Thema Gesundheit erst statt, wenn der Klient von sich aus deutlich seine schlechte gesundheitliche Lage thematisiert, die eine Berufsaus-übung massiv erschwert. Besteht für den Klienten keine Chance im gelernten bzw. zuletzt ausgeübten Beruf tätig zu werden, fällt der Blick auf berufliche Alternativen. Erst wenn auf Grund der gesundheitlichen Verfassung des Klienten keine Alternativen in Frage kommen, erfolgt die Prüfung beruflicher Rehabilitationsleistung und Einleitung entsprechender Verfah-rensschritte.

Die (präventiven) Potentiale einer medizinischen Rehabilitation in Bezug auf Gesundheit und Beschäftigungsfähigkeit von Betroffenen bleiben durch die Verkürzung auf berufsbezo-gene Leistungen zumeist unbeachtet. Dadurch wird die Persistenz chronischer Erkrankun-gen begünstigt. Aus der institutionellen, tätigkeitsbezogenen Perspektive der Arbeitsverwal-tungen wird das Kriterium "gesundheitsbezogener Unterstützungsbedarf" oftmals erst mit der (vollständigen) Unfähigkeit der Berufsausübung (Erwerbsfähigkeit <3 Stunden pro Tag) relevant, sodass erhebliche Potentiale medizinischer Rehabilitationsmaßnahmen ungenutzt bleiben.

Besonders bei Klienten mit psychischen Beeinträchtigungen wird ein medizinischer Rehabili-tationsbedarf schwerer bzw. gar nicht erkannt. Handlungsbedarf wird meist durch Trai-ningsmaßnahmen oder Arbeitsgelegenheiten ersetzt, in denen Leistungsvermögen und -bereitschaft des Klienten getestet werden, ohne den Fokus spezifisch auf Gesundheit zu richten. Anders verläuft die Vorgehensweise bei einer alkoholbedingten Suchterkrankung. Der bestehende medizinische Handlungsbedarf wird erkannt, die Erwerbsfähigkeit spielt ei-ne untergeordnete Rolle.

Diskussion und Schlussfolgerung Die Wahrnehmungs- und Beurteilungsprozesse der Arbeitsvermittler in Bezug auf gesund-heitliche und medizinisch-rehabilitative Aspekte finden zumeist unbewusst statt. Dies birgt die Gefahr, dass die komplexen Wechselwirkungen von Gesundheit und (dauerhafter) Be-schäftigungsfähigkeit unberücksichtigt bleiben. Grund ist einerseits die gesetzliche Maxime der schnellen Beendigung der Hilfebedürftigkeit. Andererseits ist die Prüfung der Behand-lungsbedürftigkeit gesundheitlicher Beeinträchtigungen im Rahmen medizinischer Rehabili-tationsmaßnahmen weder originäre Aufgabe der Träger der Arbeitsverwaltungen, noch sind diese für medizinische Leistungen als Rehabilitationsträger im Sinne des SGB IX struktur- oder prozessverantwortlich.

Von Bedeutung wäre somit - im Blick auf Erhalt und Verbesserung der Beschäftigungsfähig-keit Betroffener - sowohl die gezielte Berücksichtigung gesundheitlicher Aspekte seitens der Vermittler durch Erweiterung des Fokus um Potentiale medizinischer Rehabilitationsleistun-gen als auch eine verstärkte Zusammenarbeit mit den zuständigen Rehabilitationsträgern (z. B. durch gemeinsame Beratungsangebote) mit dem Ziel der Information von Personen mit potentiellem Rehabilitationsbedarf.

Literatur Behrens, J. (1994): Der Prozess der Invalidisierung - das demographische Ende eines histo-

rischen Kompromisses. In: Behrend, C. (Hrsg.): Frühinvalidität - ein Ventil des Arbeits-marktes? Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten in der sozialpolitischen Diskussion. Ber-lin: DZA. 105-135.

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Grobe, T.G., Schwartz, F.W. (2003): Gesundheitsberichterstattung des Bundes - Arbeitslo-sigkeit und Gesundheit. Heft 13. Berlin: Robert-Koch-Institut.

Kieselbach, T., Beelmann, G. (2006): Ein aktueller Überblick zum Stand der Forschung zu Arbeitslosigkeit und Gesundheit. In: Hollederer, A., Brand, G. (Hrsg.): Arbeitslosigkeit, Krankheit und Gesundheit. Bern: Verlag Hans Huber. 13-31.

Viebrok, H. (2004): Absicherung bei Erwerbsminderung. Expertise für die Sachverständi-genkommission für den fünften Altenbericht der Bundesregierung. Bremen. Download un-ter: http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung3/Pdf-Anlagen/ viebrok-absiche-rung-bei-erwerbsminderung,property=pdf,bereich=,rwb=true.pdf (Zugriff am 01.11.2009).

Weber, A., Hörmann, G., Heipertz, W. (2007): Arbeitslosigkeit und Gesundheit aus sozial-medizinischer Sicht. Deutsches Ärzteblatt, 104 (43). A2957-2962.

Komplexe stationäre Rehabilitation (KSR) - Verknüpfung von Akutmedizin und Rehabilitation im

berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren

Simmel, S. Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

Hintergrund Seit Ende der 80er-Jahre wurden Verfahren zur Durchführung multimodaler, komplexthera-peutischer Maßnahmen von den Berufsgenossenschaften entwickelt. Im Bereich der statio-nären Rehabilitation wurde 1991 die Berufgenossenschaftliche Stationäre Weiterbehand-lung (BGSW) eingeführt. Die BGSW stellt auf die Behandlung von Störungen ganzer Funkti-onsketten ab, wenn erkennbar ist, dass mit herkömmlichen Standardtherapien das Rehabili-tationsergebnis nicht ausreichend oder nur verzögert erreicht werden kann (Handlungsanlei-tung, 2008).

Zielgruppe Doch für komplexe Verletzungsmuster und verzögerte Heilungverläufe war das Leistungs-spektrum der BGSW oft nicht ausreichend. Die Prüfung möglicher konservativer oder chi-rurgischer Therapieoptionen erfordert den schnellen Zugang zu verschiedenen akutmedizi-nischen Fachbereichen und umfangreichen diagnostischen Methoden. Dies ist in einer her-kömmlichen Rehabilitationseinrichtung kaum zu leisten und erfordert letztendlich die Infra-struktur eines Traumazentrums.

Aus dieser Verknüpfung von Akutmedizin und Rehabilitation entstand die komplexe statio-näre Rehabilitation (KSR) in den berufsgenossenschaftlichen Unfallkliniken. Bei der KSR stehen die umfangreichen diagnostischen und therapeutischen Leistungen im Vordergrund.

Die Notwendigkeit solcher intensiver medizinischer Rehabilitationsmaßnahmen kann sich ergeben, wenn bestimmte Merkmale erfüllt sind (Tabelle 1).

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Eine Maßnahme ist grundsätzlich dann als KSR einzustufen, wenn insbesondere die folgenden Merkmale erfüllt sind: Erhöhter diagnostischer Aufwand und therapeutischer Behandlungsbedarf Mehrfache psychologische Konsultationen Wiederholte mehrfache Konsiliaruntersuchungen verschiedener Disziplinen Deutlich erhöhter pflegerischer Aufwand Überprüfung von OP- und Revisionsindikationen Über das Maß der BGSW hinausgehende physio- und ergotherapeutische Maßnahmen Erstversorgung mit individuell angefertigten Hilfsmitteln (z. B. Prothesen)

Tab.: 1: Merkmale, bei denen eine komplexe stationäre Rehabilitation (KSR) indiziert, und die Rehabiliati-onsmaßnahme entsprechend einzustufen ist (DGUV-Rundschreiben 0016/2009 vom 28.01.2009).

Für die Genehmigung der KSR wurde bislang kein eigener Indikationskatalog entwickelt, es ist vielmehr auf den Verletzungsartenkatalog zurückzugreifen. Insbesondere Polytrauma-Patienten profitieren von der interdisziplinären Zusammenarbeit, der Expertise eines Trau-mazentrums und dem Erfahrungsschatz des Rehabilitationsteams.

Indiziert ist eine KSR auch, wenn eine Unverhältnismäßigkeit zwischen Art und Schwere der Verletzung und Dauer des Heilverfahrens bzw. der zu erwartenden Arbeitsunfähigkeit fest-gestellt wird und demzufolge weitere verstärkte diagnostische und therapeutische Maßnah-men notwendig sind, um eine Teilhabe am Arbeitsleben wieder zu ermöglichen.

Intervention Es werden sämtliche in einem Traumazentrum zur Verfügung stehenden diagnostischen Mittel eingesetzt, inklusive der vorhandenen konsiliarischen Optionen. Das therapeutische Angebot hebt sich deutlich von der BGSW ab und ist auf den mehrfachverletzten Patienten ausgerichtet. Neben den üblichen rehabilitativen Maßnahmen liegen weitere Schwerpunkte in der psychologischen Abklärung und Betreuung sowie erwerbsbezogenen Therapiemaß-nahmen. Am Ende der KSR sollte der weitere Weg des Rehabilitanden feststehen und ein Rehabilitationsplan ausgearbeitet worden sein, mit Empfehlungen zur eventuell notwendi-gen weiteren medizinischen, gegebenenfalls aber auch beruflichen Rehabilitation.

Daten zur Inanspruchnahme Im Jahr 2009 werden in der Abteilung für BG-Rehabilitation der Unfallklinik Murnau voraus-sichtlich 37 % der stationären Rehabilitationsmaßnahmen als KSR abgerechnet, 63 % als BGSW.

Diskussion Die KSR bleibt den berufsgenossenschaftlichen Kliniken als Behandlungsoption vorbehal-ten, da hier die notwendige Unabhängigkeit von zuweisenden Kliniken besteht und alle not-wendigen diagnostischen, therapeutischen und auch ggf. erforderlichen operativen Behand-lungsoptionen zur Verfügung stehen. Das Angebot wird derzeit nur von den gesetzlichen Unfallversicherungen in Anspruch genommen. Der Hauptgrund hierfür dürften die hohen Kosten sein, die von Kranken- und Rentenversicherungen in der Regel nicht übernommen werden. Die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme wurde bisher noch nicht untersucht.

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Schlussfolgerung Die KSR ergänzt in idealer Weise das bisherige rehabilitative Leistungsspektrum der be-rufsgenossenschaftlichen Unfallkliniken und schließt die Lücke zwischen Akutmedizin und Rehabilitation. Vom Angebot profitieren insbesondere Polytraumatisierte und Patienten mit Komplikationen bzw. Verzögerungen im Heilverlauf.

Literatur Handlungsanleitung zur Verordung, Durchführung und Qualitätssicherung der Physiothera-

pie/Krankengymnastik - Physikalischen Therapie, Erweiterten Ambulanten Physiotherapie (EAP), Berufsgenossenschaftlichen Stationären Weiterbehandlung (BGSW), Sonstigen stationären Maßnahmen. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung. Stand: 01.Januar 2008. http://www.dguv.de/landesverbaende/de/med_reha/documents/hand.pdf.

Das Therapiegeschehen in der Anschlussrehabilitation nach Schlaganfall: Rehabilitation zwischen Individualisierung,

Differenzierung und Bedarfsorientierung

Weber, A., Fleischer, S., Weber, U., Schubert, M., Becker, C., Behrens, J., Zimmermann, M. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Fragestellung Das Teilprojekt C5 des SFB 580 untersucht mit seinem Thema "Rehabilitation zwischen Transformation und Weiterentwicklung - Individualisierung und Differenzierung von Rehabili-tation im Falle Gesundheitsbedingter Exklusionsrisiken in Ost- und Westdeutschland, Schweden, Schweiz, Italien und Tschechien" die (langfristigen) Verläufe nach dem Ereignis eines Schlaganfalls mit dem Ziel, Prädiktoren für eine erfolgreichen pflegerischen, therapeu-tischen und sozialen Rehabilitationsprozess nach Schlaganfall zu finden. Dazu zählt nicht nur die direkte rehabilitative Versorgung nach dem Akutereignis, sondern auch die weitere rehabilitative Versorgung und die Nachsorge.

Material und Methode Ein Teilaspekt des Projektes gibt einen Überblick über die stationäre rehabilitative Versor-gung von 4705 Patienten aus vier Bundesländern nach einem Schlaganfallereignis in den Jahren 1996 bis 2006 mit dem Ziel, die Hypothese der bedarfsgerechten (evidenzbasierten) und individuellen Gestaltung der medizinischen (Anschluss)Rehabilitation nach dem Ereig-nis eines Schlaganfalls zu überprüfen. Die ausgewerteten Daten sind Routinedaten der Rentenversicherungen und beinhalten neben Patientencharakteristika insbesondere die Ko-des der verordneten therapeutischen Leistung nach der Klassifikation Therapeutischer Leis-tung (KTL).

Zur Analyse der KTL wird die im Rahmen des von der Bundesversicherungsanstalt für An-gestellte (BfA) initiierten Leitlinienprogramm von Schönle et al. vorgeschlagene Methode verwendet, bei der 8 evidenzbasierte Therapiemodule (ETM) bzw. 5 praxisbasierte Thera-

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piemodule (PTM) gebildet wurden, indem verschiedene therapeutische Verfahren mit dem gleichen Therapieziel aggregiert wurden.

Ergebnisse Die Analysen zeigten, dass der Großteil der Patienten an vielen verschiedenen Therapie-modulen teilnimmt (im Durchschnitt an 7,9 Modulen). Während in den evidenzbasierten The-rapiemodulen besonders die Therapiemodule zur Verbesserung der motorischen Leistungs-fähigkeit im Vordergrund stehen, finden bei den praxisbasierten Therapiemodulen beson-ders häufig die Module zur Motivationsförderung und der Klinischen Sozialarbeit Anwen-dung.

Dies ist im Hinblick auf die sogenannte Nachsorge interessant, denn in diesen beiden Modu-len finden sich die Leistungen, die sich mit der Zeit nach der Rehabilitation befassen. Diese nehmen allerdings in ihren Modulen keinen allzu großen Anteil ein, so dass hier vermutlich noch ein Mehrbedarf vorhanden wäre.

Schlussfolgerung Die Analysen bestätigen Erwartungen an ein individualisiertes und bedarfsorientiertes Re-habilitationsgeschehen. Das ist zunächst positiv im Sinne der Weiterentwicklung der medizi-nischen Rehabilitation zu deuten. Sie lassen aber Fragen nach der Qualität bzw. dem Grad der Orientierung an individuellen Bedarfen offen. Dies liegt nicht allein an der beobachteten Therapiegestaltung, sondern auch an der Datenlage selbst. So fehlt der Zusammenhang zwischen Rehabilitationsbedarf, Therapiegestaltung und Outcome der Maßnahmen. Bereits die Darstellung des individuellen Rehabilitationsbedarfs benötigt differenzierterer Angaben zu allen Ebenen der ICF und nicht nur die Diagnoseziffer.

Literatur Becker, G., Kruse, A., Tronnier, J., Roepke-Brandt, B., Natus, A., Theissen, H., Wetzel, A.

(2006): Rehabilitationsverlauf und Nachhaltigkeit - Erste Ergebnisse einer Studie zur Re-habilitation älterer Schlaganfallpatienten. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie. 39. 365-370.

Kolominsky-Rabas, P.L., Heuschmann, P.U., Marschall, D., Emmert, M., Baltzer, N., Neun-dorfer, B., Schoffski, O., Krobot, K.J. (2006): Lifetime Cost of Ischemic Stroke in Germa-ny: Results and National Projectons From a Population-Bases Stroke Registry. The Er-langen Stroke Project. Stroke , 37. 1179-1183.

Schönle, P.W., Katteln, R., Brüggemann, S., Klosterhuis, H. (2004): Aktueller Stand der re-habilitativen Versorgung von Patienten nach Schlaganfall. Die Rehabilitation, 43. 187-198.

Wiesemann, A., Engeser, P., Reichert, K., Mollien, P., Schach, S., Scheidt, R. (2004): Ver-sorgungsqualität von Patienten nach Schlaganfallrehabilitation. (Hausärztliche Nordba-den-Schlaganfallnachsorgestudie [HANS]). Gesundheitswesen, 66. 29-36.

Zimmermann, M., Behrens, J., Höhne, A., Schaepe, C., Schmidt, A., Schubert, M. (2006): "Aber in der Regel muss ich mir das alles selber suchen und organisieren" - Rehabilitati-onserleben und Nachsorge nach dem Ereignis eines Schlaganfalls. DRV-Schriften, Bd. 64. 380-382

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REDIA-Studie: Auswirkungen der DRG Einführung auf die Rehabilitation - Ergebnisse einer Langzeitstudie

von Eiff, W. (1), Niehues, C. (1), Schüring, S. (1), Greitemann, B. (2), Karoff, M. (3) (1) Institut für Krankenhausmanagement, Westfälische Wilhelms-Universität, Münster,

(2) Klinik Münsterland, Bad Rothenfelde, (3) Klinik Königsfeld, Ennepetal

Hintergrund Die bei DRG-Einführung vom Gesetzgeber geforderte Begleitforschung zur Feststellung der Auswirkungen auf andere Versorgungsbereiche wurde erst im Jahr 2009 gestartet. Der Re-habilitationsbereich wird in der offiziellen Begleitforschung nicht berücksichtigt. Daher ist sie nicht in der Lage, die Konsequenzen der DRGs für den Rehabilitationssektor im Zeitablauf zu erfassen.

Das Institut für Krankenhausmanagement (IKM) der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster untersucht in einer prospektiven, randomisierten und multizentrischen Studie von 2003 bis 2009 die Auswirkungen des DRG-Systems auf Qualität und Kosten in Rehabilitati-onseinrichtungen (Redia-Studie). Der Studienansatz gewährleistet eine umfassende Analy-se, da klinische, therapeutische, psychische und ökonomische Aspekte betrachtet und so-wohl vor der DRG-Einführung, während der Konvergenzphase sowie nach deren Abschluss erhoben wurden.

Studiendesign Um eventuelle Veränderungen des Patientengutes und des Behandlungsaufwands festzu-stellen, wurden in den Jahren 2003/04 (1. Phase), 2005/06 (2. Phase) und 2008/09 (3. Phase) Daten von 2.291 kardiologischen und orthopädischen AHB-Patienten erfasst. Diese setzen sich zusammen aus den Diagnosefeldern Hüft-TEP (n = 525), Knie-TEP (n = 442), Bandscheiben-OP (n = 368), Bypass-OP (n = 419) und Myokardinfarkt (n = 537). Zusätzlich ist im Jahr 2007 eine Zwischenbefragung der teilnehmenden Reha-Einrichtungen durchgeführt worden. Neben selbstentwickelten medizinischen Erhebungsinstrumentarien zur Erfassung von Informationen zum Akut- und Reha-Aufenthalt, zum Gesundheitszustand und zu den medizinischen, pflegerischen und therapeutischen Aufwendungen, wurden Pati-entenselbstauskunftsbögen, bestehend aus HADS und IRES-3, eingesetzt. Ergänzend wur-den Strukturanalysen, Experteninterviews und Auswertungen von Literaturmaterial durchge-führt.

Ergebnisse Aufgrund der unterschiedlichen Entwicklungen je Indikation, müssen diese separat betrach-tet werden. Die Darstellung ausgewählter Ergebnisse erfolgt für die orthopädische Reha am Bsp. Hüft-TEP, für die kardiologische am Bsp. Bypass-OP.

Die durchschnittliche Verweildauer (VWD) des Gesamtbehandlungsprozesses (siehe Abb. 1) sank trotz einer Verlängerung der Übergangszeit bei Hüft-TEP-Patienten von 44,6 auf 39,3 Tage. Der Anteil der Direktverlegungen bei Hüft-TEP entwickelte sich von 40,7 % (1. Phase) auf 30,6 % (3. Phase).

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1,3

1,4

16,4

11,9

3,6

4,6

23,3

21,4

0 10 20 30 40 50

REDIA I

REDIA III

Tage

Akut-VWD vor OP Akut-VWD nach OP Übergangszeit Reha-VWD Abb. 1: Vergleich des Gesamtprozesses von Hüft-TEP Patienten aus stationärer Reha

Bezüglich des Patientenzustandes wurden bei den Hüft-TEP-Patienten höchst signifikante Änderungen festgestellt. In der 1. Phase betrug der Mittelwert des Staffelsteinscores bei Aufnahme 78,33 und bei Entlassung 101,23. In der 3. Phase sank der Aufnahmewert auf 70,70, der Entlassungswert auf 96,77. Dem zur Folge steigt die Differenz des Scores von 22,86 auf 25,99, was einer gesteigerten Rehabilitationsleistung entspricht. Im gleichen Zeit-raum stieg der CRP-Wert (C-reaktives Protein in mg/l) bei Aufnahme in die Reha von 9,86 auf 13,77 (p = 0,005), was auf eine Verschlechterung des Patientenzustandes hindeutet.

Während in der Kardiologie die Akut-VWD der Myokardinfarktpatienten kontinuierlich von 10,90 auf 8,89 Tage gesunken ist, sank die Akut-VWD der Bypass-OP-Patienten zunächst von 18,82 (1. Phase) auf 14,07 (2. Phase) und stieg dann auf 19,06 Tage (3. Phase). Exakt die gleichen Entwicklungen sind in den DRG-Fallpauschalenkatalogen und der BQS-Berichterstattung (Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung) zu erkennen. Zusammen mit einer ebenfalls verlängerten Übergangszeit steigt somit bei Bypass-OP als einziger der 5 analysierten Indikationen die Gesamt-VWD von 47,4 auf 48,1 Tage.

3,1

2,2

15,2

16,0

6,1

7,5

23,0

22,4

0 10 20 30 40 50

REDIA I

REDIA III

Tage

Akut-VWD vor OP Akut-VWD nach OP Übergangszeit Reha-VWD Abb. 2: Vergleich des Gesamtprozesses von Bypass-OP- Patienten aus stationärer Reha

Bezüglich des Patientenzustandes wurde auch bei den Bypass-OP-Patienten eine Ver-schlechterung der CRP-Werte zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Rehabilitation festgestellt. Während der CRP-Wert in der 1. Phase bei 17,23 lag, stieg er auf 21,65 in der 3. Phase.

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(p = 0,070). Die entsprechenden CRP-Werte zum Zeitpunkt der Entlassung betrugen 10,12 und 10,69.

Insgesamt ist die Zahl der Komplikationen während des Aufenthalts in der kardiologischen Rehabilitation von 3,73 % in der 1. Phase auf 13,03 % in der 3. Phase angestiegen. Gleich-zeitig sank der Anteil der Patienten mit Komplikationen innerhalb von 6 Monaten nach der Entlassung aus der Rehabilitation von 16,95 % auf 12,54 %.

Schlussfolgerungen In den Experteninterviews mit Ärzten, Therapeuten und Pflegekräften wird mehrheitlich von einer Zunahme des Pflege- und Wundversorgungsaufwands berichtet. Die Strukturerhebun-gen bestätigen, dass bei einer Zunahme der Behandlungsfälle je Einrichtung die Mitarbei-terzahl reduziert wurde. Die Hypothese eines schnelleren Verlegungsmanagements durch die DRGs konnte nicht belegt werden. Über alle Indikationen ist die Quote der Direktverle-gungen gesunken und die Übergangszeit gestiegen. Trotz einer leichten Verlängerung der Übergangszeiten werden die Patienten zu einem früheren Zeitpunkt nach der OP in die Re-habilitation aufgenommen. Bei gleichzeitiger Verkürzung der Reha-VWD und Verschlechte-rung des Patientenzustandes bei Reha-Beginn, konnte die Leistung der Rehabilitation ge-steigert werden.

Insgesamt zeigen die (bisherigen) Ergebnisse nach Abschluss der Konvergenzphase der DRG- Einführung eine Steigerung des Behandlungsaufwands in der Rehabilitation.

Der Einfluss institutionsübergreifender Arbeitszusammenhänge auf die Behandlungsqualität: Eine kontrollierte Studie zur Effektivität Integrierter

Versorgungsmodelle in der Endoprothetik

Bethge, M. (1), Bartel, S. (1), Streibelt, M. (2), Lassahn, C. (3), Thren, K. (4) (1) Abteilung für Versorgungssystemforschung und Grundlagen der Qualitätssicherung in der Rehabilitation, Charité - Universitätsmedizin Berlin, (2) Deutsche Rentenversicherung

Bund, Berlin, (3) Annastift, Hannover, (4) Klinik Niedersachsen, Bad Nenndorf

Hintergrund und Fragestellung Nach anfänglicher Zurückhaltung ist die Zahl Integrierter Versorgungsmodelle auch in der Orthopädie deutlich gestiegen, bislang vor allem im Rahmen gemeinsamer Versorgungs-modelle von Akut- und Rehabilitationskliniken bei Hüft- und Kniegelenkersatz (Grüner, Haas, 2007). Institutionsübergreifende und interdisziplinäre Arbeitszusammenhänge entste-hen allerdings nicht von selbst, sondern erfordern bei den beteiligten Versorgungspartnern neue Organisationsstrukturen, die die Koordinierung der unterschiedlichen Kompetenzen und Interessen gewährleisten (Mühlbacher, 2002). Die Anforderungen an die Vertragspart-ner betreffen die gemeinsame Abstimmung der medizinischen und therapeutischen Leistun-gen und auf der organisatorischen Ebene die Entwicklung angemessener informationstech-nischer Lösungen. Eine gemeinsame Unternehmenskultur bedarf dabei konkreter integrati-ver Strategien, um vertragliche Vereinbarungen auch in eine faktische Kooperation zu über-führen (Janus, Amelung, 2004). Dies berücksichtigt die Patienten insofern, als dass von die-

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ser Gestaltung der innerbetrieblichen Prozesse (interne Patientenorientierung) auch eine Verbesserung im direkten Kontakt mit den Patienten (externe Patientenorientierung) erwar-tet wird (Körner, 2009).

Ziel der hier vorgestellten, durch die Erwin-Röver-Stiftung geförderten Studie war es, die Annahme einer verbesserten Versorgungsqualität durch die Integrierte Versorgung (IV) im Rahmen einer kontrollierten Studie zu überprüfen (Streibelt, Bethge, 2010).

Methodik Eingeschlossen wurden Rentnerinnen und Rentner dreier beteiligter Krankenkassen (AOK, DAK, TK), die eine Endoprothese aufgrund einer Gon- oder Coxarthrose erhielten. Die Im-plantation der Endoprothese wurde in 11 niedersächsischen Akutkrankenhäusern durchge-führt, die anschließende Rehabilitation in der Klinik Niedersachsen in Bad Nenndorf. Teil-nehmer der Interventionsgruppe wurden im Rahmen eines IV-Modells behandelt. Der Ge-lenkersatz wurde bei diesen Patienten in den 3 Kliniken des Annastifts durchgeführt, die im Rahmen des untersuchten IV-Modells mit der Klinik Niedersachsen kooperierten. Teilneh-mer der Kontrollgruppe wurden von den anderen 8 Akutkrankenhäusern im Rahmen einer herkömmlichen Anschlussrehabilitation in die Klinik Niedersachsen überwiesen.

Ergebnisse 481 Patienten konnten für die Studienteilnahme rekrutiert werden. Die Rücklaufquoten der Befragungen zu Rehabilitationsende, nach 3 und nach 12 Monaten lagen bei 85,9 %, 89,5 % und 85,9 %. Das mittlere Alter der Studienteilnehmer betrug 72,4 Jahren (SD = 7,0). 69,2 % der teilnehmenden Patienten waren Frauen. Die durchgeführten Gelenkersatzopera-tionen betrafen zu gleichen Teilen Knie und Hüfte. IV-Teilnehmer hatten etwas geringe prä-operative Beschwerden (geringere Anzahl präoperativer Krankenhaustage, häufiger Erst-OP) und ein höheres Bildungsniveau. Diese Variablen wurden für die Überprüfung des Treatmenteffekts in multivariaten Modellen als Kontrollvariablen berücksichtigt, um bereinig-te Effekte zu schätzen und eine Überschätzung der Effekte zu vermeiden. Hinsichtlich einer Vielzahl anderer Parameter waren beide Stichproben strukturgleich.

IV-Teilnehmer waren deutlich zufriedener mit dem Behandlungsablauf, insbesondere der Zusammenarbeit zwischen Akutkrankenhaus und Rehabilitationsklinik. Die mit dem WO-MAC erfassten funktionalen Beschwerden verringerten sich mittel- und langfristig bei IV-Teilnehmern deutlich stärker (Interaktionsterm nach 3 Monaten: b = -7,219; p < 0,001; d = 0,35; Interaktionsterm nach 12 Monaten: b = 8,070; p < 0,001; d = 0,39). Hinsichtlich der Allgemeinen Gesundheitswahrnehmung betrug die Mittelwertdifferenz nach 12 Monaten rund 4 Skalenpunkte zugunsten der der IV-Patienten (b = 4,418; p = 0,047; d = 0,22), zu-dem waren IV-Patienten nach 12 Monaten sportlich deutlich aktiver (b = 1,603; p = 0,001; d = 0,40).

Schlussfolgerung Die Ergebnisse bestätigten eine Verkürzung des Behandlungsprozesses bei besseren funk-tionalen Ergebnissen. Vor dem Hintergrund des eingangs formulierten Modells einer Integ-rierten Patientenorientierung gehen wir davon aus, dass eine durch interdisziplinäre Zu-sammenarbeit verbesserte interne Patientenorientierung positiv auf die externe Patienten-orientierung insbesondere die Arzt-Patienten-Interaktion wirkt. Eine wichtige Interpretations-

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hilfe bietet dabei die begleitend durchgeführte qualitative Studie, die vier zentrale Kategorien identifizieren konnte, die das Versorgungsmodell aus Mitarbeitersicht charakterisieren (mehr Image, mehr Arbeit, mehr Wissen, mehr Beziehung). Im vorliegenden Fall hat die Umset-zung des IV-Modells offenbar gerade aufgrund des Anforderungscharakters zu einer nach-haltigen Verbesserung der Versorgungsqualität geführt.

Literatur Grüner, S., Haas, H. (2007): Integrierte Versorgung - Halten IV-Verträge, was sie verspre-

chen? Z Orthop Unfall, 145. 546-549. Janus, K., Amelung, V.E. (2004): Integrierte Versorgungssysteme in Kalifornien - Erfolgs-

und Misserfolgsfaktoren der ersten 10 Jahre und Impulse für Deutschland. Integrated De-livery Systems in California - Ten Years of Experience and Implications for Germany, 66. 649-655.

Körner, M. (2009): Ein Modell der partizipativen Entscheidungsfindung in der medizinischen Rehabilitation. Die Rehabilitation, 48. 160-165.

Mühlbacher, A. (2002): Integrierte Versorgung. Management und Organisation. Bern, Göt-tingen, Toronto, Seattle, Huber.

Streibelt, M., Bethge, M. (2010): Patientenpräferenzen bei der Ausgestaltung Integrierter Versorgungsprogramme: ein Discrete Choice Experiment. Gesundh ökon Qual manag. Im Druck.

Aus einer Hand - in einer Hand: Welche (Schnittstellen)-Probleme bleiben bestehen, wenn das gesamte Gesundheitssystem gesetzlich, politisch

und betrieblich "in einer Hand" liegt? - Aufgezeigt am Beispiel der Ausdifferenzierung und Integration im

Südtiroler Gesundheits- und Reha-System

Behrens, J. (1), Tappeiner, W. (2), Zimmermann, M. (1), Weber, A. (1), Schubert, M. (1), Fleischer, S. (1), Selinger, Y. (1), Becker, C. (1)

(1) Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaften, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, (2) Stabstelle Qualität, Generaldirektion des Südtiroler Sanitätsbetriebes, Bozen

Hintergrund und Fragestellung Während sich für einzelne rehabilitative inklusive pflegerischerer Verrichtungen Radomized Controlled Trials (RCTs) als Evaluationsmethode bewährt haben, sind grundlegende natio-nale gesetzliche Regelungen damit kaum evaluierbar. Weil die Gesetze national gelten, vari-ieren sie nicht national, dafür aber international stark. Daher richtet sich häufig die Hoffnung auf internationale Vergleiche als Evaluationsmethode. Für die in Deutschland verbreitete Kritik am ausdifferenzierten, nach Trägern und Programmen zersplitterten Gesundheitssys-tem, bietet das Südtiroler Gesundheits- und Reha-System eine gute Vergleichsfolie, weil es möglicherweise die folgenden Fragen zu beantworten erlaubt:

Wenn das gesamte Gesundheitssystem gesetzlich, politisch und betrieblich "in einer Hand" ist, welche Schnittstellenprobleme bleiben trotzdem?

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Ist die in Deutschland verbreitete Kritik an der Programmzersplitterung mit ihren Schnittstel-lenproblemen ausreichend?

Methode In Anlehnung an die Methodik der "Grounded Theory" (Corbin, Strauss, 2008) und der Eth-nologie (Geertz) wurde das Südtiroler System in seinen Unterschieden zum deutschen auf der Basis folgender Zugänge erfasst: 1) Interne und öffentliche Gesetze und Problemberich-te, 2) Leitfadengestützte Interviews mit den Verwaltungssitzen und Befragung von Bürgern der Landeshauptstadt Bozen und 3) Interviews mit Mitgliedern der pflegerischen, therapeuti-schen und ärztlichen Profession auf der Basis von Fallvignetten.

Ergebnisse Das steuerfinanzierte Gesundheitssystem in der Autonomen Provinz Bozen eignet sich als Vergleichsfolie für das deutsche System: Während das Gesundheitssystem in Gesamt-deutschland nach 1990 nach Programmen mit jeweils eigenen Trägern und Einrichtungen (Monopol der Niederlassung-KV, Akut-Klinken, Reha-Kliniken, Berufsförderungswerke, Ren-tenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung) ausdifferenziert wurde und der einzelne Patient z. B. nach Schlaganfall diese in seiner Person zusammenbringen muss, unterstehen alle Ärzte in Süd-Tirol in einer hierarchischen Kette weisungsgebunden, ob als Angestellte oder Zulieferer, einem Arzt, dem Sanitätsdirektor und alle KrankenpflegerInnen, Physio-, Logo- ErgotherapeutInnen, Hebammen, Diätassistentinnen sowie Hilfsberufe einem mit dem "Sanitätsdirektor" gleichgestellten "Pflegedirektor", gleichgültig, in welcher Klinik oder welchem Sprengel die Ärzte oder anderen "Sanitätsberufe" jeweils arbeiten. (Den Be-reich der Altersheime koordiniert der Verband der Altersheime Südtirol). Sie sind zusammen als ein einziger "Sanitätsbetrieb" organisiert. Für ihn ist sowohl politisch symbolisch wie als Verwaltungsspitze und finanziell (das System ist steuerfinanziert) ein Landesrat für Gesund-heit und Sozialwesen zuständig. So sind für den einzelnen Patienten bzw. Nutzer alle Ein-richtungen des Gesundheitssystems symbolisch - und in einem zu untersuchenden Ausmaß auch tatsächlich - in einer Person verkörpert. Seit wenigen Jahren unterstehen Pflege- und Gesundheitsberufe nicht mehr der Medizin (dem Sanitätsdirektor), sondern sind gleichbe-rechtigt. Für die Finanzplanung heißt das, dass in jeder einzelnen Einrichtung, die ein Bud-get hat, sich Pflege/Gesundheitsberufe und Medizin über den Budget-Plan einigen müssen. Einigen sie sich nicht und unterschreibt einer von beiden den Budget-Plan nicht, geht der Budgetplan der hierarchischen Reihe nach zur jeweils höheren Doppelspitze, bis die Ange-legenheit beim Pflegedirektor und Sanitätsdirektor ankommt. Die beiden einigten sich bisher immer, ohne den Landesrat für Gesundheit, Soziales und Familie bemühen zu müssen, und wahrten so die Professionsautonomien.

Es gibt keine Kranken-, Pflege- oder Sozialversicherung: das System ist steuerfinanziert durch ein Budget, dessen Höhe politisch bestimmt und für dessen Durchsetzung der Lan-desrat verantwortlich gemacht wird. Kein Nutzer oder Patient muss sich - so alle Ge-sprächspartner - selber um eine Finanzierung kümmern.

Ein besonders schwieriger Bereich kann als Testfall für die Frage gelten, welche Schnittstel-lenprobleme noch übrig bleiben, wenn gesetzlich und finanziell das gesamte Gesundheits-system "in einer Hand", als ein einziger Betrieb organisiert ist. Während im ambulanten Be-reich segmentäre Differenzierung gewollt ist, versucht Südtirol im Bereich der Kliniken bis-

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her segmentäre Differenzierung durch funktionale zu ersetzen. Im ambulanten Bereich des community health soll der starke Ortsbezug bleiben. Aus nahezu naturräumlichen, aber auch politischen Gründen ist die Umsetzung der funktionalen Differenzierung im Klinikbe-reich schwierig. Funktionale Differenzierung im Klinikbereich heißt, dass nicht alle Kliniken nahezu alle Behandlungen anbieten, sondern die Südtiroler Patienten sich die Klinik nach den auf ihr Leiden hin spezialisierten und viele Patienten behandelnden Ärzten und Fach-pflegenden aussuchen können. Spezialisierung und Kompetenz setzen hohe Behandlungs-zahlen voraus; wenn jede Klinik alles behandelt, wird keine für seltenere Erkrankungen die notwendige Kompetenz erwerben. Dieser funktionalen Differenzierung steht bereits in Deutschland der Wunsch nach ortsnaher Versorgung oft entgegen. Zahlreiche Kreiskran-kenhäuser entsprechen diesem Ziel. Diese Kreiskrankenhäuser sind nur dann ungefährlich für Patienten mit selteneren Erkrankungen, wenn die Kreiskrankenhäuser rechtzeitig über-weisen können und auch tatsächlich an Spezialkrankenhäuser überweisen. Bei den Ver-kehrswegen ist das in Deutschland nicht nur in den Städten, sondern oft auch auf dem Lan-de möglich. In Südtirol liegt jede Klinik, die sich funktional spezialisieren soll, in einem ande-ren schwer erreichbaren Tal. "Wir können die Patienten nicht nur mit Hubschraubern verle-gen."

Diskussion und Schlussfolgerung Die enorme Varianz zwischen gesetzlichen Institutionalisierungen der Gesundheitssystem in den europäischen Ländern legt es nahe, die Welt als experimentum mundi zu sehen, in dem sich unterschiedliche institutionelle Lösungen ähnlicher Herausforderungen evaluieren las-sen. Das gilt auch für die Frage der institutionellen Integration. Die Analyse zeigt, dass die strikt hierarchische Integration in einen Sanitätsbetrieb mit einer Doppelspitze ärztlicher Sa-nitätsdirektor einerseits und die Gesundheitsberufe umfassende Pflegedirektion anderer-seits Integration der Behandlungen erleichtert, aber noch nicht garantiert.

Selbstverständlich darf beim experimentum mundi methodisch nicht übersehen werden, dass sich die Staaten in vielen Dimensionen, nicht nur im Gesundheitssystem unterschei-den.

Der Vergleich im experimentum mundi führt daher zukünftig eher zu einem besseren Fall-verstehen des eigenen wie des anderen Systems als zu einzelnen Rezeptionen.

Literatur Behrens, J., Langer, G. (2006): Evidence Based Nursing and Caring. Bern: Huber. Corbin, J., Strauss, A. (2008): Basics of Qualitative Research: Techniques and Procedures

for Developing Grounded Theory. Thousand Oaks: Sage.

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Rehabilitation im Gesundheitssystem (Poster)

Rehabilitationmaßnahmen durch niedergelassene Ärzte

Linden, M., Keßler, U., Muschalla, B. Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité, Universitätsmedizin

Berlin und Rehabilitationszentrum Seehof der Deutschen Rentenversicherung Bund, Teltow

Hintergrund Die Aufgabe der medizinischen Rehabilitation ist die Behandlung chronischer Erkrankungen, d. h. es geht stets auch um Langzeitbehandlungen. Dies bedingt eine Einbeziehung nieder-gelassener Vertragsärzte in alle Reha-Konzepte. Hausärzte sind zu etwa 2/3 ihrer Tätigkeit als Reha-Mediziner anzusehen. Entsprechend wird auch in allen Facharztweiterbildungs-ordnungen verlangt, dass Ärzte Kenntnisse in Rehabilitation erwerben. Allerdings gibt es bislang nur ansatzweise ausgearbeitete Konzepte oder wissenschaftliche Untersuchungen zu Rehabilitationsmaßnahmen niedergelassener Vertragsärzte. Auf diesem Hintergrund soll-te zunächst einmal eine Systematisierung von Reha-Maßnahmen erarbeitet werden, die durch einen niedergelassenen Arzt erbracht werden können.

Methode Um eine Übersicht über potentielle Reha-Maßnahmen in der Hand niedergelassener Ärzte zu gewinnen, wurden mehrere Zugangswege gewählt:

a) Erfahrungen aus vorangegangenen eigenen versorgungsepidemiologischen und Thera-pie-Studien in Kooperation mit niedergelassenen Ärzten zu Häufigkeit, Art und Therapie von Langzeiterkrankungen in Praxen niedergelassener Ärzte (Linden et al., 2003; Lin-den, 2004).

b) Daten aus der Reha-Klinik Seehof zur Vor- und Nachbehandlung bei einer stationären Rehabilitation (Klose et al., 2006).

c) Erfahrungen aus einem Projekt in Zusammenarbeit mit der Deutschen Rentenversiche-rung Bund zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (Muschalla et al., 2009).

d) Literatursichtung.

e) Systematisierung von Rehabilitationsmaßnahmen im Rahmen eines stationären Reha-Aufenthalts (Linden, 2006).

f) Sichtung ambulanter sog. "Chronikerprogramme", wie beispielsweise Disease Mana-gement-Programme.

g) Beratung durch einen Beirat aus niedergelassenen Allgemeinärzten und Psychiatern, Vertretern der Rentenversicherungen und Krankenkassen, Arbeitsmedizinern und Reha-Wissenschaftlern.

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Ergebnisse Das Ergebnis dieser systematischen Arbeit ist eine "Checkliste für ambulante Reha-Leistungen" (Tab. 1).

Diagnose- und Therapieoptimierung durch den behandelnden Arzt

Soziale Rehabilitationsmaßnahmen

Vertiefte Differentialdiagnostik Förderung von Freizeitaktivitäten

Testverfahren Selbsthilfegruppen für Bezugspersonen

Apparative / objektivierende Untersuchungen Entlastungsmaßnahmen für Familie und Le-bensumwelt

Kapazitätsprofil ICF Haushaltshilfe, Familienhilfe, Wohnungshilfe

Diagnostik der Arbeitsanforderungen Pflegedienste

Optimierung der Behandlungskoordination Verordnung von Soziotherapie

Einzelpsychotherapie durch behandelnden Arzt Betreutes Wohnen

Gruppenpsychotherapie durch behandelnden Arzt Tagesstätten

Absetzen bzw. Ausschleichen einer Medikation Heilpädagogische Leistungen; Werkstatt für behinderte Menschen

Medikations-Dosisoptimierung Förderung der Barrierefreiheit

Medikations-Spiegelbestimmung Familienberatung, Erziehungsberatung

Medikations Augmentierung Einzelfallhilfe

Medikations-Wechsel Schuldnerberatung

Einleitung einer medikamentösen Therapie Einleitung von Maßnahmen zur ambulanten medizinischen Rehabilitation

Angehörigengespräche durch behandelnden Arzt Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Selbsthilfegruppen in der Praxis Atteste über Leistungseinschränkungen

Bibliotherapie Gestufte Wiedereingliederung "Hamburger Modell"

Strukturierte Verlaufskontrollen, z. B. Fragebogen LTA

Hausbesuch Kontaktaufnahme Integrationsamt

Maßnahmen der Therapieoptimierung z. B. Terminerinnerung

Rentenantrag

Schriftliche Zielvereinbarung Antrag auf Schwerbehinderung

Patientenschulung Einleitung einer Betreuung

Einleitung additiver Therapiemaßnahmen Kontaktierung von Institutionen

Überweisung zu Fachärzten oder Spezialisten Gemeinsame Servicestellen

Richtlinien-Psychotherapie AU- und Fallmanagement Krankenkasse/MdK

Vermittlung in spezielle Gruppentherapien Fallmanagement Jobcenter/Arbeitsagentur

Physiotherapie, Balneotherapie Reha-Beratung der Rentenversicherung

Krankenkassenkurs (nach § 20 SGB V), z. B. Bewegung

Sozialpsychiatrischer Dienst/Psychiatriekoordinator

Ergotherapie Jugendamt

Vermittlung in eine (störungs)spezifische Selbsthilfe-gruppe

Kontaktaufnahme mit Arbeitgebern, Betriebsratu. a.

Patientenschulung durch Dritte Betriebliches Eingliederungsmanagement

Tab. 1: Checkliste für ambulante Reha-Leistungen

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Schlussfolgerung Ein großer Teil der im Rahmen stationärer Rehabilitationsmaßnahmen erbrachten Leistun-gen zur Vorbeugung, Behandlung, Prophylaxe und Teilhabeförderung bei chronischen Er-krankungen sind auch unter ambulanten Bedingungen zu erbringen. Dies eröffnet die Mög-lichkeit zu bereichsübergreifenden Gesamtrehabilitationsplänen. Die Rolle der niedergelas-senen Vertragsärzte ist hierbei aber noch präziser zu definieren.

Literatur Klose, C., Matteucci-Gothe, R., Linden, M. (2006): Die Vor- und Nachbehandlung in der sta-

tionären psychosomatischen Rehabilitation. Die Rehabilitation, 45. 359-368. Linden, M., Gothe, H., Ormel, J. (2003): Pathways to care and psychological problems of

general practice patients in a "gate keeper" and an "open access" health care system. A comparison of Germany and The Netherlands. Social Psychiatry and Psychiatric Epide-miology, 38. 690-697.

Linden, M. (2004): Mental disorders in primary care. Advances of Psychosomatic Medicine, 26. 52-65.

Linden, M. (2006): Die Rolle der stationären "psychosomatischen Rehabilitation" in der Ver-sorgung psychisch Kranker. In: Schneider, F. (Hrsg.): Entwicklungen der Psychiatrie. Heidelberg: Springer.

Muschalla, B., Vilain, M., Lawall, C., Lewerenz, M., Linden, M. (2009): Berufliche und soziale Partizipationsstörungen bei Patienten in der vertragsärztlichen Versorgung. Die Rehabili-tation, 48. 84-90.

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Epidemiologie und Reha-Inanspruchnahme

Von der Absicht zur Realisierung - Einflussfaktoren von Reha-Inanspruchnahme

Radoschewski, F.M., Bethge, M. Charité - Universitätsmedizin Berlin

Hintergrund Leistungen zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation sind grundsätzlich Antragsleis-tungen. Das Antragsverhalten wird von zahlreichen Faktoren bestimmt, die im negativen Fall als Zugangshemmnisse die Wirkungsmöglichkeiten der Rehabilitation einschränken. Es ist davon auszugehen, dass es Rehabilitationsbedarf gibt, der nicht zu einer Antragstellung führt (Zimmermann et al., 1999; Mittag et al., 2007; Radoschewski et al., 2008) oder dass Antragstellungen trotz Bedarf verzögert und zu spät im Krankheitsverlauf erfolgen und damit die Interventionsmöglichkeiten entfallen oder zumindest deutlich einschränkt sind.

Zu den Faktoren mit Einfluss auf eingeschränkte Nutzung von Rehabilitationsangeboten zählen u. a. unzureichendes Wissen um die bestehenden Rehabilitationsangebote und sub-jektive Befürchtungen negativer Auswirkungen im privaten oder beruflichen Bereich bei In-anspruchnahme. So schätzten Hausärzte aus den alten und neuen Bundesländern ein, dass durchschnittlich 32 % (ABL) bzw. 50 % (NBL) der Patienten mit Indikation für eine medizini-sche Rehabilitationsmaßnahme, diese aufgrund von Arbeitsplatzängsten nicht wahrnehmen (Dunkelberg et al., 2002). Auch eine mangelhafte Einsteuerung durch die Ärzte in der ambu-lanten Versorgung oder ein zu geringes Engagement der Rehabilitationsträger im Vorfeld einer Antragstellung (Raspe et al., 2005) werden genannt.

Methoden und Ziele An der Wiederholungsbefragung der SPE-Studie (Radoschewski et al., 2008) im September 2008 nahmen 1323 Versicherte im Alter von 30-60 Jahren teil. Dies entspricht 63,2 % der Erstteilnehmer. Für Vergleichzwecke erfolgte eine Gewichtung nach Alter und Geschlecht (Jahresendbestand 2005 der Versicherten der DRV als Standard).

Bei der Erstbefragung hatten 13,9 % (M: 12,9 %; F: 15,0 %) die Absicht geäußert, einen An-trag auf eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme zu stellen, zu 90 % in den folgenden 12 Monaten. Im Zeitraum von 12 Monaten zwischen Erst- (t1) und Zweitbefragung (t2) nah-men 6,8 % eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme in Anspruch, davon entfallen 2,4 % auf die Gruppe mit Antragsabsicht, d. h. nur 17,3 % haben die Absicht auch realisiert. Es wird der Frage nachgegangen, welche Faktoren Einfluss auf Absicht und Realisierung von Inanspruchnahme einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme haben.

Ergebnisse Den stärksten Einfluss auf die Antragsintention hat die Arbeitsfähigkeit (gemessen mit dem Work-Ability-Index - WAI) (Radoschewski et al., 2009). 43 % der Befragten mit schlechter Arbeitsfähigkeit äußerten eine Antragsabsicht. Einen wesentlichen Einfluss auf die Antrags-

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intention hat auch der Rat, einen Antrag zu stellen. Ganz überwiegend (60 %) sind es die behandelnden Hausärzte/Fachärzte, die diese Empfehlung aussprechen. Arbeitsfähigkeit und Empfehlung zur Antragstellung, haben in binären logistischen Regressionsmodellen auch den höchsten Erklärungswert (Nagelkerkes R-Quadrat = 0,257 bzw. 0,213 / gemein-sames R-Quadrat = 0,33). Kenntnis der Reha-Angebote und Arbeitsplatzsicherheit haben als Einzelfaktoren nur geringen Einfluss auf die Antragsintention. Obgleich die Antragsab-sicht die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme im Zeitraum zwischen Erst- und Wieder-holungsbefragung deutlich erhöht, wurden ca. 2/3 der Rehabilitationsmaßnahmen in An-spruch genommen, ohne dass bei der Erstbefragung eine Absicht bestand.

Schlechterer Gesundheitszustand mit negativer Tendenz, schlechtere Arbeitsfähigkeit, län-gere AU-Dauern im Jahr vor der Befragung und ärztliche Empfehlungen führen deutlich häu-figer zur Realisierung der Antragsabsichten. Diese Faktoren verstärken auch die Inan-spruchnahme, wenn primär keine Antragsintention bestand, wobei sich fehlendes Wissen um Rehabilitationsangebote mindernd auswirkt.

Diskussion Eine mittelfristige Antragsabsicht allein erklärt nur einen geringen Teil der Inanspruchnahme medizinischer Reha-Leistungen (Nagelkerkes R-Quadrat = 0,054). Den höchsten Erklä-rungswert hat der 4-stufige Arbeitsfähigkeitsindex (WAI), in den Parameter der physischen und psychischen Gesundheit, der Bewertung der Arbeitsanforderungen, der Leistungsfähig-keit und deren Prognose eingehen. Der ärztliche Rat zur Antragstellung verstärkt Antrags-absicht und Inanspruchnahme, wobei hier noch deutliche Reserven bestehen. Lediglich et-wa der Hälfte der Befragten mit schlechter Arbeitsfähigkeit, für die ein Klärungsbedarf unter-stellt werden kann, hat eine entsprechende Empfehlung erhalten. Betriebsärzte spielen da-bei bislang nahezu keine Rolle.

Literatur Dunkelberg, S., Lachmann, A., van den Bussche, H., Müller, K. (2002): Was denken Haus-

ärzte aus den neuen und alten Bundesländern über Rehabilitation? Gesundheitswesen, 64. 369-374.

Mittag, O., Raspe, H. (2007): Selbstausfüllbogen zur Unterstützung der Begutachtung von Rehabedarf: Probleme und Lösungen. Die Rehabilitation, 46. 50-56.

Radoschewski, F.M., Müller-Fahrnow, W., Bethge, M. (2008): Die Pilotstudie "Sozialmedizi-nisches Panel für Erwerbstätige - SPE" - Ergebnisse der Ersterhebung. DRV-Schriften, Bd. 77. 108-110.

Radoschewski, F.M., Müller-Fahrnow, W., Hansmeier, T., Bethge, M. (2009): Eingeschränk-te Arbeitsfähigkeit als Indikator für Rehabilitationsbedarf - Einsatz des Work Ability Index (WAI) in einer Versichertenbefragung. DRV-Schriften, Bd. 83. 108-110.

Raspe, H., Ekkernkamp, M., Matthis, C., Raspe, A., Mittag, O. (2005): Bedarf an rehabilitati-ven Leistungen: Theorie und Empirie. Die Rehabilitation, 44. 325-334.

Zimmermann, M., Glaser-Möller, N., Deck, R., Raspe, H. (1999): Subjektive Rehabilitations-bedürftigkeit, Antragsintention und Antragstellung auf medizinische Rehabilitation - Er-gebnisse einer Befragung von LVA Versicherten. Die Rehabilitation, 38. 122-127.

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Unterschiede und Einflussfaktoren in der Einfach- und Mehrfachinanspruchnahme medizinischer Rehabilitationsleistungen

Schäfer, M. Universität Bielefeld

Hintergrund Leistungen zur medizinischen Rehabilitation durch die Gesetzliche Rentenversicherung werden gemäß den gesetzlichen Vorgaben erbracht, wenn die Erwerbsfähigkeit erheblich gefährdet oder gemindert ist. Demografiebedingte Entwicklungen im Erwerbspersonenpo-tenzial, Anforderungen und Belastungen in der Arbeitswelt, sozialpolitische Rahmenbedin-gungen wie die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre sowie Veränderungen im Krankheitsspektrum bei einem hohen medizinisch-technischen Fortschritt und der Zunahme an chronischen Krankheitsverläufen tragen zu einem steigenden Versorgungsbedarf an re-habilitativen Leistungen bei (Rische, 2007). Vor diesem Hintergrund wird eine bedarfsorien-tierte und effektive Versorgung zunehmend wichtiger. Aus handlungsorientierter Sichtweise der Rehabilitationsträger wie der Rentenversicherung ist letztlich die Inanspruchnahme die entscheidende Zielgröße der Versorgungsforschung (Spyra, Müller-Fahrnow, 2000). Der Versorgungsbedarf und die Ausrichtung von Rehabilitationsangeboten werden dabei u. a. von der Inanspruchnahmehäufigkeit bestimmt.

Methodik Eine Rehabilitandenstichprobe (n = 83.140), die im Jahr 2006 mindestens eine medizinische Rehabilitationsleistung abgeschlossen hat, wird hinsichtlich Unterschieden und Einflussfak-toren in Abhängigkeit von der Inanspruchnahmehäufigkeit untersucht. Neben einer deskrip-tiv vergleichenden Analyse wird ein multivariates binär-logistisches Regressionsmodell be-rechnet. Es werden soziodemografische, berufsbezogene und reha-verfahrensspezifische Merkmale in der Analyse berücksichtigt. Die Datengrundlage bildet der Datensatz Scientific Use File Reha: SUFRSDQJ06MCB der Deutschen Rentenversicherung Bund.

Ergebnisse Jeder fünfte Rehabilitand (n = 17.999) befindet sich zum wiederholten Male in einer medizi-nischen Rehabilitationsbehandlung. Rehabilitanden mit bereits vorliegender Rehabilitations-erfahrung nehmen gegenüber Patienten, die zum ersten Mal eine medizinische Rehabilitati-on absolvieren, zu höheren Anteilen eine ambulante bzw. ganztägig ambulante Maßnahme in Anspruch (6,5 % vs. 20,3 %, p<0.001). Weiter zeichnen sich Rehabilitanden mit einer po-sitiven Rehabilitationsanamnese durch einen längeren Behandlungszeitraum aus (31,2 vs. 37,4 Tage, p < 0.001). Die Anteile derer, die eine Arbeitsunfähigkeitszeit von drei und mehr Monaten vor Antritt einer Rehabilitation aufweisen, sind höher als bei denjenigen ohne vor-herige Rehabilitation (22,6 % vs. 31.5 %, p < 0.001). Nach diagnosespezifischer Differenzie-rung bezüglich der vier Hauptdiagnosegruppen Muskel-Skelett-Erkrankungen, Neubildun-gen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und psychische Störungen nehmen insbesondere Patien-ten mit einer orthopädischen Indikation erneut eine Rehabilitationsmaßnahme in Anspruch. Das Vorliegen einer orthopädischen Diagnose erweist sich schließlich gegenüber den weiter genannten Indikationsgebieten als stärkster Einflussfaktor, der die Inanspruchnahme einer

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wiederholten Rehabilitation begünstigt. Patienten mit einer muskuloskeletalen Erkrankung haben gegenüber Rehabilitanden mit einer Neubildungserkrankung eine fünffach so hohe Chance, wiederholt rehabilitativ behandelt zu werden. Gegenüber Patienten mit einer psy-chischen Störung ist die Chance mehr als dreifach so hoch, gegenüber Patienten in der kar-diologischen Rehabilitation 1,4-fach (p < 0.001). Die Untersuchung hinsichtlich berufsbezo-gener Einflussfaktoren ergab, dass Arbeiter und Facharbeiter gegenüber Angestellten und Beamten eine höhere Chance für eine Mehrfachinanspruchnahme haben (OR: 1,1, p < 0.001). Arbeitslose haben gegenüber Erwerbstätigen eine 1,2-fach so hohe Chance (p < 0.001).

Diskussion Die berichteten Ergebnisse zeigen, dass es ein indikations- und berufsbezogenes Einfluss-potenzial bezüglich der Inanspruchnahmehäufigkeit gibt. Es ist, wie auch in anderen Studien festgestellt wurde, von einem sozial bedingten Unterschied in der rehabilitativen Behand-lungsbedürftigkeit auszugehen (Deck, 2008). So ist bei einer niedrigeren beruflichen Stel-lung bzw. beim Vorliegen von Arbeitslosigkeit ein erhöhter rehabilitativer Versorgungsbedarf zu vermuten. Wirksamkeitsstudien belegen, dass gerade im Bereich der orthopädischen Rehabilitation mittel- und längerfristige Reha-Effekte unzureichend nachweisbar sind (Haaf, 2005), die eine wiederholte Inanspruchnahme, wie hier gezeigt, wahrscheinlich machen.

Schlussfolgerungen Die aufgezeigten Unterschiede und Einflussfaktoren bezüglich der Inanspruchnahmehäufig-keit sprechen für einen erhöhten rehabilitativen Versorgungsbedarf dieser Klientel. Diesem kann zum einen mit einem aufwändigeren Versorgungsprozess während des Rehabilitati-onsaufenthalts begegnet werden. Zum anderen bietet eine intensive Rehabilitationsnach-sorge die Möglichkeit, erzielte Reha-Effekte zu stabilisieren und damit das erneute Auftreten einer Rehabilitationsbedürftigkeit zu vermeiden. Einschränkungen in der Aussagekraft der dargelegten Ergebnisse ergeben sich durch das Querschnittsdesign der Datengrundlage. Es sind keine Aussagen über vor- und nachgelagerte Versorgungsprozesse der Rehabilitanden und deren Behandlungsverlauf möglich. Weitere Forschungen anhand einer verlaufsorien-tierten Datenauswertung sowie die Erhebung subjektiver Parameter aus Rehabilitanden-sichtweise zum rehabilitativen Versorgungsprozess sind notwendig, um weitergehende Rückschlüsse zum Versorgungsgeschehen hinsichtlich der Inanspruchnahmehäufigkeit ab-leiten zu können.

Literatur Deck, R. (2008): Soziale Ungleichheit in der medizinischen Rehabilitation. Das Gesund-

heitswesen, 70. 582-589. Haaf, H.-G. (2005): Ergebnisse zur Wirksamkeit der Rehabilitation. Die Rehabilitation, 44.

259-276. Rische, H. (2007): Die Herausforderung annehmen - Den Wandel gestalten - Die Rehabilita-

tion zukunftsfest machen. RV aktuell, 1/2. 2-8. Spyra, K., Müller-Fahrnow, W. (2000): Prognose des Rehabilitationsbedarfs. In: Bengel, J.,

Koch, U. (Hrsg.): Grundlagen der Rehabilitationswissenschaften. Themen, Strategien und Methoden der Rehabilitationsforschung. Berlin: Springer. 287-304.

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Epidemiologie der Bandscheibenschäden und soziale Ungleichheit bei der Inanspruchnahme rehabilitativer Maßnahmen

Müller, R., Bauknecht, M., Braun, B. Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen

Hintergrund Die Angaben für die Lebenszeitprävalenz von "Rückenschmerz" oder "Dorsopathien" reichen von 80 bis 100 %, die Jahresprävalenz für Rückenschmerzen aufgrund band-scheibenbedingter Erkrankungen wird mit knapp 70 % angegeben (Krämer, 2006; Wottke, 2004). Diese enorme Häufigkeit verdeutlicht die gesellschaftliche Relevanz.

Sitzende Tätigkeiten, häufig wiederkehrende Arbeiten in Zwangshaltungen und Bewegungs-mangel, sowie psychische und soziale Belastungen sind mit ursächlich. Rückenschmerzen verursachen die meisten Ausfalltage am Arbeitsplatz. Die Schätzungen der durch Rücken-schmerzen bedingten Kosten schwanken zwischen 16 und 22 Mrd. Euro (Krämer, 2006). Bei ca. einem Fünftel der PatientInnen führt die Erkrankung zur Frühberentung (Wottke, 2004). Offene Fragen sind aber, wer letztlich von speziellen Bandscheibenerkrankungen betroffen ist, und wie deren rehabilitative Versorgung aussieht.

Methodik Zur Beantwortung der Fragen wurden auf Basis von Krankenkassendaten soziale Unter-schiede in der Inzidenz und der Behandlungsrate mit rehabilitativen Maßnahmen gemessen. Die Bandscheibenerkrankungen wurden dafür differenziert in: zervikale Bandscheibenschä-den (ICD10: M50.1), zervikale Bandscheibenverlagerungen (M50.2), lumbale und sonstige Schäden (M51.1) und sonstige Bandscheibenverlagerungen (M51.1).

Die speziellen Fragen, die sich stellten, sind:

- Wie häufig sind die speziellen Bandscheibenerkrankungen?

- Wer wird krank?

- Welche rehabilitativen Maßnahmen erfolgen?

- Wer bekommt rehabilitative Maßnahmen?

Ergebnisse Jeder 20. Versicherte bekommt im Jahr mindestens einmal eine solche Diagnose. Die Mehrzahl der Diagnosen bezieht sich dabei auf Bandscheibenerkrankungen im unteren Wir-belsäulenbereich (lumbale Bandscheibenschäden und -verlagerungen). Jeder 60. Arbeit-nehmer wird mindestens einmal im Jahr wegen Bandscheibenerkrankungen arbeitsunfähig geschrieben.

Neuerkrankungen treten mit steigendem Alter häufiger auf. Im höheren Alter nimmt die Inzi-denzrate wieder ab. Die Wahrscheinlichkeit einer Neuerkrankung ist im Alter von 50-59 bei drei der vier Erkrankungen am höchsten. Nur bei den lumbalen Bandscheibenschäden liegt die höchste Wahrscheinlichkeit für eine Neuerkrankung im Alter von 70-79 Jahren. Erwerbs-personen sind im Vergleich zu Nicht-Erwerbspersonen im gleichen Alter um ca. 30 % mehr betroffen. Ein Teil der Bandscheibenprobleme zeichnet sich z. B. in Gestalt von Rücken-

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schmerzen (sie verdoppeln die Wahrscheinlichkeit von Bandscheibenerkrankungen) vor ih-rer Inzidenz ab und könnte damit möglicherweise verhindert werden.

Zu den häufigsten Therapieformen gehören die Heilmittel. Jeder zweite Patient bekommt Krankengymnastik, jeder vierte Patient Wärme- oder Kältetherapie und ca. jeder sechste Patient Massagen verordnet. Rehabilitationsmaßnahmen sind deutlich seltener als Verord-nungen von Heilmitteln. Knapp 3 % der im unteren Wirbelsäulenbereich neu erkrankten Versicherten erhalten Rehabilitationsleistungen. Bei Schäden im oberen Wirbelsäulenbe-reich liegt der Anteil unter 1 %.

Erwerbspersonen erhalten auffällig häufiger und mehr Rehabilitationsleistungen als Nicht-Erwerbspersonen. Auffällig ist zudem, dass sich dieser Unterschied mit höherem berufli-chem Status deutlicher präsentiert. So ist die Wahrscheinlichkeit für versicherte Techniker und qualifizierte Angestellte bei lumbalen Bandscheibenschäden und -verlagerungen eine Rehabilitationsmaßnahme zu erhalten, 1,9-mal bis 3,5-mal so hoch wie für nicht erwerbstä-tige Versicherten und Erwerbspersonen mit geringerer Qualifikation. Da Frauen seltener er-werbstätig sind, gehören sie insbesondere zu der Gruppe, die weniger Rehabilitationsleis-tungen erhält. Ob es sich dabei um eine selektive Verordnung durch Ärzte, die sozial unglei-che Bewilligungspraxis von Sozialversicherungsträgern oder um Folgen von Entscheidun-gen der Versicherten (z. B. kindererziehender Frauen) handelt, ist hier nicht zu klären. Frau-en erhalten dafür häufiger Heilmittelverordnungen.

Diskussion Es gibt in der Bevölkerung einerseits Unterschiede in der Erkrankungshäufigkeit mit speziel-len Bandscheibenschäden und andererseits nach sozialem Status unterschiedliche rehabili-tative Behandlungshäufigkeiten dieser Erkrankungen. Vor dem Hintergrund einer medizini-schen Sinnhaftigkeit der rehabilitativen Maßnahmen ist zu klären, inwieweit sich die unter-schiedlichen Maßnahmen substituieren und es unterschiedliche Bereitschaften gibt, die Leistungen zu erbringen bzw. zu finanzieren. Unter der Prämisse der Gleichheit der Men-schen sollten Versorgungsungleichheiten minimiert werden.

Literatur Krämer, J. (2006): Bandscheibenbedingte Erkrankungen. Ursachen, Diagnose, Behandlung,

Vorbeugung, Begutachtung. Stuttgart: Thieme. Wottke, D. (2004): Die große orthopädische Rückenschule. Theorie, Praxis, Didaktik. Berlin:

Springer.

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Return to Work nach Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der gesetzlichen Rentenversicherung

Buschmann-Steinhage, R., Zollmann, P. Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund Die deutsche Rentenversicherung führt jährlich etwa 800.000 bis 900.000 Leistungen zur medizinischen und ca. 100.000 Leistungen zur beruflichen Rehabilitation durch. Sie wendet dafür knapp 5 Mrd. € auf. Das wesentliche Ziel der Rehabilitation der gesetzlichen Renten-versicherung besteht darin, die berufliche Integration ihrer Versicherten zu erhalten. Nur in begrenztem Ausmaß werden auch Leistungen ohne diese Ausrichtung gewährt (z. B. Kin-derrehabilitation, Ca-Leistungen). Die Rentenversicherung nutzt ihre prozessproduzierten Daten, um die Umsetzung dieser Zielsetzung zu prüfen (z. B. Korsukéwitz, Rehfeld 2006; Zollmann, Schliehe, 2003). In dieser Untersuchung wird deshalb der Frage nachgegangen, wie sich die Beschäftigungssituation im Verlauf von zwei Jahren nach rehabilitativer Inter-vention darstellt und welche Einflussfaktoren die Prognose für den Return to Work erhöhen (vgl. Buschmann-Steinhage, Zollmann, 2008).

Methodik Grundlage der Analysen bilden die prozessproduzierten Daten der Rentenversicherung, die als Verlaufserhebung über einen Zeitraum von acht Jahren jährlich zusammengestellt wer-den und personenbezogene Daten über Leistungen zur medizinischen und beruflichen Re-habilitation, über Renten, Beschäftigungs-, Arbeitslosigkeits- und Arbeitsunfähigkeitszeiten sowie soziodemografische Angaben enthalten. Die aktuelle RSD umfasst den Zeitraum von 2000 bis 2007. Die Auswertungen wurden im Wesentlichen für pflichtversicherte Rehabili-tanden durchgeführt, die im Jahr 2005 eine medizinische Rehabilitation der Deutschen Ren-tenversicherung (DRV) beendet haben. Die Einflussfaktoren auf den Return to Work wurden in multiplen logistischen Regressionen (SPSS 16.0) ermittelt, die auch getrennt für Männer und Frauen durchgeführt wurden.

Ergebnisse Abbildung 1 stellt den weiteren Erwerbsverlauf innerhalb der zwei Jahre nach dem Ende der Rehabilitation dar. Der weit überwiegende Teil der Rehabilitandinnen und Rehabilitanden verbleibt im Erwerbsleben. Wie auch aus früheren Untersuchungen bekannt, zeigen sich nur geringe Unterschiede zwischen Männern und Frauen (Klosterhuis et al., 2004).

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Männer N=326.260

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Quelle: Reha-Statistik-Datenbasis (RSD), Erhebungsjahr 2008, Berichtszeitraum 2000-2007

Abb. 1: Sozialmedizinischer 2-Jahresverlauf von pflichtversicherten Rehabilitanden mit Ende der Leistung in 2005

Für den Return to Work wurde folgende Operationalisierung (vgl. Streibelt, Bethge, 2008) gewählt: ja "zumindest 1 Monatsbeitrag aus versicherungspflichtiger Beschäftigung"; nein: "kein Monatsbeitrag aus versicherungspflichtiger Beschäftigung". Positiv für den Return to Work waren: ein Einkommen von 100 € u. m. pro beschäftigten Tag im Jahr der Antragstel-lung auf Rehabilitation, eine Leistungsfähigkeit (letzte Tätigkeit) von 6 Stunden und mehr am Tag, Arbeitsunfähigkeitszeiten von unter 3 Monaten in den letzten 12 Monaten vor Rehabili-tation, zum Zeitpunkt der Antragstellung eine Beschäftigung zu haben, als arbeitsfähig ent-lassen zu werden, jünger als 40 Jahre zu sein sowie Hochschul- bzw. Fachhochschulreife zu besitzen. Negativ für den Return to Work waren: eine Leistungsfähigkeit von unter 3 Stunden am Tag, Arbeitsunfähigkeitszeiten von 6 Monaten und mehr, bei Antragstellung arbeitslos oder nicht erwerbstätig und 60 Jahre und älter gewesen zu sein. Bei den jeweils für Männer und Frauen getrennt durchgeführten logistischen Regressionen waren im We-sentlichen die gleichen Einflussfaktoren von Bedeutung.

Diskussion Die Untersuchungen belegen die zentrale Bedeutung von Arbeitslosigkeit und Beschäfti-gung im Vorfeld der Rehabilitation sowie der Sozialschicht auf die Beschäftigungssituation nach Rehabilitation (Buschmann-Steinhage, Zollmann, 2008; Henkel, Grünbeck, 2005). Erst in zweiter Linie sind gesundheitsbezogene Faktoren für den Return to Work relevant. Dieses Ergebnis unterstreicht die Wichtigkeit, möglichst frühzeitig mit Maßnahmen zur Rehabilitati-on zu intervenieren, bevor gesundheitsbedingte Ausgliederungsprozesse aus der Beschäfti-gung einsetzen können. Aber auch wenn bereits berufliche Problemlagen vorliegen, gilt es, diese im Rahmen der medizinischen Rehabilitation zu erkennen und Maßnahmen zur beruf-lichen Orientierung oder aber spezielle Leistungen zur beruflichen Rehabilitation einzuleiten.

Literatur Buschmann-Steinhage, R., Zollmann, P. (2008): Zur Effektivität der medizinischen Rehabili-

tation bei Alkoholabhängigkeit. Suchttherapie, 9. 63-69.

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Henkel, D., Grünbeck, P. (2005): Entwicklung der Arbeitslosenquote in der Suchtrehabilitati-on und Verlauf der beruflichen Integration Alkoholabhängiger vor und nach der Rehabili-tation. Suchttherapie, 6. 155-164.

Klosterhuis, H., Zollmann, P., Grünbeck, P. (2004): Verlaufsorientierte Auswertungen zur Rehabilitation - aktuelle Ergebnisse aus der Reha-Statistik-Datenbasis. Deutsche Ren-tenversicherung, 5. 287-296.

Korsukéwitz, C., Rehfeld, U. (2006): Medizinische und berufliche Rehabilitation der Renten-versicherung - aktueller Stand und Perspektiven, RVaktuell, Jg. 53, 11. 449-460.

Streibelt, M., Bethge, M. (2008): Return to Work? Identifikation besonderer beruflicher Prob-lemlagen in der medizinischen Rehabilitation. Pabst Verlag.

Zollmann, P., Schliehe, F. (2003): Rehabilitation und Wiedereingliederung im demographi-schen Wandel. In: Badura, B., Schellschmidt, H., Vetter, C. (Hrsg.): Fehlzeitenreport 2002, Demographischer Wandel: Herausforderungen für die betriebliche Personal- und Gesundheitspolitik, Berlin - Heidelberg - New York: Springer-Verlag. 185-199

Leistungen zur beruflichen Bildung - Prädiktoren der Wiedereingliederung auf Basis der RV-Routinedaten

Zollmann, P., Erbstößer, S. Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund Leistungen zur beruflichen Bildung sind besonders zeit- und kostenintensiv. Es lassen sich, je nach Rehabilitationsdauer und konzeptioneller Ausrichtung, drei Leistungsgruppen unter-scheiden: Aus- und Weiterbildungen (etwa zwei Jahre, neue Berufsausbildung), spezielle Qualifizierungen (etwa ein Jahr, Teilausbildung) und Integrationsmaßnahmen (etwa 6-9 Mo-nate, Wiederholung von Grundlagen und Praktika). Gemeinsames Ziel dieser Leistungen ist die Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit (Erbstößer et al., 2008). Bislang wurden Prädiktoren der Wiedereingliederung meist anhand von Teilpopulationen berechnet (Slesi-na, Rennert, 2009; Köster et al., 2007; Beiderwieden, 2001). Im folgenden Beitrag sollen auf Basis der RV-Routinedaten Aussagen über Prädiktoren der Wiedereingliederung (Return to Work) getroffen werden (vgl. für die medizinische Rehabilitation Buschmann-Steinhage, Zollmann, 2008).

Methodik Grundlage der Analysen bildet die Reha-Statistik-Datenbasis (RSD), die Verlaufsbetrach-tungen über einen Zeitraum von acht Jahren gestattet. Die RSD beinhaltet personenbezo-gene Daten über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie Leistungen zur Teilha-be am Arbeitsleben, über Renten und Beitragszeiten sowie soziodemografische Angaben und umfasst aktuell den Zeitraum von 2000 bis 2007. Alle Rehabilitanden, die im Jahr 2005 eine berufliche Bildungsmaßnahme abgeschlossen hatten, wurden bis zwei Jahre nach En-de der Leistung beobachtet. Zur Berücksichtigung der Gender-Perspektive wurden zudem getrennte Analysen für Männer und Frauen durchgeführt. Die Einflussfaktoren der berufli-

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chen Wiedereingliederung wurden in multiplen logistischen Regressionen ermittelt (SPSS 16.0).

Ergebnisse Von den insgesamt 26.199 Rehabilitanden in 2005 waren knapp 1/3 Frauen. Das Durch-schnittsalter betrug 41,7 Jahre, wobei die Frauen im Durchschnitt ein Jahr älter als die Män-ner waren. Die Ergebnisse zum Wiedereingliederungsstatus im 12. und im 24. Monat nach Ende der Leistung sind in Abbildung 1 wiedergegeben. Die Leistungen zur beruflichen Bil-dung konnten weit überwiegend eine Frühberentung aufgrund einer Erwerbsminderung vermeiden: Im 12. Monat beträgt der Anteil von Rehabilitanden, die deshalb aus dem Er-werbsleben ausscheiden, 4 % und im 24. Monat 8 %. Zwar sind im 24. Monat nach Ende der Bildungsleistung 44 % versicherungspflichtig beschäftigt, der Anteil an arbeitslosen Re-habilitanden ist allerdings mit 28 % auch relativ hoch. Ohne erkennbaren Status sind am Ende des Beobachtungszeitraums 14 %. Der Anteil von Rehabilitanden mit Krankengeldbe-zug liegt bei 3 %. In einer weiteren Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben befinden sich im 12. Monat 8 % und im 24. Monat 4 %. Frauen sind hinsichtlich der Wiedereingliederung nicht ganz so erfolgreich wie Männer. Der Anteil von Frauen, die nach zwei Jahren eine Er-werbsminderungsrente beziehen, beträgt 10 % gegenüber 6 % bei den Männern. Auch nehmen Frauen zu einem etwas geringeren Anteil (56 %) wieder eine Beschäftigung auf als Männer (60 %).

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in weiterer LTA mit EM-Rentenzugang

12. Monat 24. Monat Quelle: Reha-Statistik-Datenbasis (RSD), Erhebungsjahr 2008, Berichtszeitraum 2000-2007

Abb. 1: Wiedereingliederungsstatus im 12. und 24. Monat nach beruflicher Bildungsmaßnahme mit Ende im Jahr 2005

Für den Return to Work wurde folgende Operationalisierung gewählt: ja "zumindest 1 Mo-natsbeitrag aus versicherungspflichtiger Beschäftigung"; nein: "kein Monatsbeitrag aus ver-sicherungspflichtiger Beschäftigung" (Grünbeck, Klosterhuis, 2006). Positiv für den Return to Work waren u. a.: eine abgeschlossene Berufsausbildung bzw. Hochschulreife, die Bil-dungsmaßnahme erfolgreich beendet und ein Einkommen von mindestens 50 € pro Tag aus versicherungspflichtiger Beschäftigung im Jahr der Antragstellung erzielt zu haben sowie jünger als 40 Jahre zu sein. Negativ für den Return to Work waren u. a.: keine abgeschlos-

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sene Berufsausbildung, die Bildungsmaßnahme abgebrochen und kein Entgelt im Jahr der Antragstellung erzielt zu haben sowie 50 Jahre und älter zu sein. Das Einkommen pro Tag aus versicherungspflichtiger Beschäftigung kann dabei sowohl als Indikator für die Beschäf-tigungssituation zum Zeitpunkt der Antragstellung als auch für die soziale Schicht angese-hen werden. Bei den jeweils für Männer und Frauen getrennt durchgeführten logistischen Regressionen waren zwar im Wesentlichen die gleichen Einflussfaktoren von Bedeutung, sie unterschieden sich jedoch in der Rangfolge ihrer Bedeutung. So ist der wichtigste Prä-diktor für den Return to Work bei Frauen der Abschluss der Bildungsmaßnahme, bei Män-nern dagegen die schulische Bildung bzw. die abgeschlossene Berufsausbildung. Ebenso zeigen sich leichte Variationen der Prädiktoren bei den drei unterschiedlichen Maßnahmear-ten.

Schlussfolgerungen und Ausblick Bildung und Sozialschicht sind für die Wiedereingliederung nach beruflicher Bildung von er-heblicher Bedeutung, wie auch der erfolgreiche Abschluss der Maßnahme. Im Unterschied zu der Untersuchung von Slesina et al. (2009) bzw. Köster et al. (2007) waren in diesen A-nalysen die regionalen Arbeitsmarkttypen der Bundesagentur nur von nachrangiger Bedeu-tung. Wesentlich wichtiger waren frühere Erwerbstätigkeit bzw. lang andauernde Arbeitslo-sigkeit der Rehabilitanden vor der Leistung. Diese Ergebnisse unterstreichen die Wichtig-keit, möglichst frühzeitig mit Maßnahmen zur Rehabilitation zu intervenieren, bevor gesund-heitsbedingte Ausgliederungsprozesse aus der Beschäftigung einsetzen können.

Literatur Beiderwieden, K. (2001): Langfristige Wiedereingliederung nach der beruflichen Rehabilita-

tion. Ergebnisse einer Langzeituntersuchung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Berufs-förderungswerke. Sonderdruck aus: Mitteilungen der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 34.

Buschmann-Steinhage, R., Zollmann, P. (2008): Zur Effektivität der medizinischen Rehabili-tation bei Alkoholabhängigkeit. Suchttherapie, 9. 63-69.

Erbstößer, S., Verhorst, H., Lindow, B., Klosterhuis, H. (2008): Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch die Deutsche Rentenversicherung - ein Überblick. RVaktuell, 11. 343-350.

Grünbeck, P., Klosterhuis, H. (2006): Berufliche Wiedereingliederung nach berufsbildender Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben - Vergleich von unterschiedlichen Methoden zur Erfolgsmessung und -bewertung. DRV-Schriften, Bd. 64. 88-89.

Köster, T., Fehr, M., Slesina, W. (2007): Prädiktoren der Integration in das Erwerbsleben von Teilnehmern der stationären beruflichen Rehabilitation. DRV-Schriften, Bd. 72. 291-294.

Slesina, W., Rennert, D. (2009): Prozess- und Ergebnisqualität beruflicher Rehabilitation. Regensburg: S. Roderer Verlag.

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Wer kriegt was, wieviel und wann? Eine repräsentative Kohortenanalyse von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

Streibelt, M. Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) stellen ein wichtiges Instrument dar, das Ri-siko einer drohenden Frühberentung abzuwenden (Hansmeier, 2009). Sie sind allerdings bislang nicht in den Fokus der Rehabilitationsforschung gerückt. Dies ist um so verwunderli-cher, wenn man bedenkt, welche Vielfalt im Leistungsspektrum und damit Steuerungsmög-lichkeiten hinsichtlich der Leistungsvergabe herrschen. Eine Verteilung der Leistungsarten wird zwar regelmäßig im Rahmen der DRV-Statistik berichtet (DRV, 2007), jedoch fehlt bis-lang völlig eine repräsentative personen- und zeitbezogene Analyse von Leistungsarten bzw. typischer Leistungskombinationen.

Zielstellung Ziel des Beitrags ist die strukturierte Darstellung typischer LTA-Verläufe in Abhängigkeit von Leistungsart und -kombination, Zeit und Soziodemografie der Rehabilitanden.

Methodik Die Daten stammen aus der Reha-Analysedatenbank (RAD) der DRV Bund. Es wurde das Leistungsgeschehen im Bereich LTA für alle Fälle gezogen, die im Zeitraum 01.01.-30.06.2004 eine Bewilligung von LTA "dem Grund nach" bekamen. Eine Rechtszensierung erfolgte durch Begrenzung der Verläufe bis 31.12.2008. Insgesamt wurden 13.882 Leistun-gen bei n = 8.020 Fällen erfasst. Für die Analyse wurden nur die Fälle mit mindestens einer Folgeleistung berücksichtigt (n = 5.782). Die Rehabilitanden dieser Kohorte waren 2004 durchschnittlich 43,5 Jahre alt (±8,0; 18-64), 65,3 % waren weiblich.

Ergebnisse Durchschnittlich bekam jeder Rehabilitand 2,1 LTA-Leistungen (±1,5) bewilligt. Die Prozess-dauer lag bei 519 Tagen. Es wurde sowohl auf die Anzahl der Leistungen als auch die Ge-samtzeit ein Alters- und Geschlechtseffekt festgestellt. Mit steigendem Alter und bei Frauen wurden weniger Leistungen bewilligt, was einen kürzeren LTA-Prozess bedingt.

Die höchste "Bewilligungsprävalenz" besaßen Aus- und Weiterbildungen (A+W, 36 %), Maßnahmen zur Erhaltung/Erlangung eines Arbeitsplatzes (EEA, 33 %) und Integrations-maßnahmen (IN, 25 %). In einem Viertel der Fälle wurde auf eine Berufsfin-dung/Arbeitserprobung zurückgegriffen (BF/AP, 24 %), auf Anpassungsmaßnahmen (AN) in 7 % der Fälle. In jedem fünften Fall war eine Leistung an den Arbeitgeber angezeigt (LA, 19 %). Zwischen den Altersgruppen und beim Geschlecht ließen sich teils erhebliche Unter-schiede finden. BF/AP, A+W, AN und Vorbereitungslehrgänge (VL) wurden mit steigender Altersgruppe seltener bewilligt; der Anteil von EEA stieg mit dem Alter an. IN wurden bevor-zugt in der mittleren Altersgruppe (46-50 Jahre) bewilligt. LA waren insbesondere bei Män-nern dokumentiert.

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Mittels Clusteranalyse ließen sich typische LTA-Verläufe identifizieren: 2 Gruppen (12 % bzw. 11 %) wiesen das typische "BFW-Leistungsmuster" auf: BF/AP (VL ) A+W. Reha-bilitanden beider Gruppen waren mit 38 bzw. 40 Jahren besonders jung. Eine Gruppe (17 %) repräsentierte ältere Rehabilitanden (46 Jahre), die sich durch die Teilnahme an IN und insgesamt weniger Leistungen (1,8) auszeichneten. Eine weitere Gruppe (15 %, 43 Jahre, 1,8 Leistungen) bekam in jedem Fall A+W. Zwei Gruppen (je 7 %) wiesen einen lan-gen LTA-Prozess auf. Eine der beiden stellte die zeit- und leistungsintensivste Gruppe dar (930 Tage, 3,8 Leistungen). Die letzte Gruppe (32 %, 46 Jahre) wurde als Residualgruppe definiert. Diese Gruppe besaß den kürzesten LTA-Prozess (1,1 Leistungen, 332 Tage).

Diskussion und Schlussfolgerung Die Analyse verdeutlicht den heterogenen Charakter der LTA-Inanspruchnahmepraxis. Ins-gesamt lässt sich über den LTA-Prozess sagen: Er dauert lange, beinhaltet im Regelfall ei-nen Maßnahmemix aus beruflichen Bildungsleistungen und Leistungen zur Hilfe und ist al-ters- sowie geschlechtsspezifisch. Die Bedarfsstruktur der Teilnehmer lässt sich wie folgt charakterisieren: Bei einem Drittel steht eine konkrete, in der Regel Bildungsleistung im Vordergrund. Ein weiteres Drittel wird durch den typischen "BFW"-Weg und ein z. T. um-fangreiches Leistungsspektrum gekennzeichnet. Das letzte Drittel umfasst Rehabilitanden mit heterogenem, aber auf eine Maßnahme ausgerichteten Bedarf.

Damit werden erstmals personenbezogene Ergebnisse des LTA-Leistungsgeschehens pub-liziert. Es offenbarten sich dabei gleichermaßen methodische und inhaltliche Fragestellun-gen, die Gegenstand zukünftiger Auseinandersetzungen mit dem Thema sein sollten.

Literatur Deutsche Rentenversicherung (2008): Statistik der Deutschen Rentenversicherung. Die Re-

habilitation 2007. DRV-Schriften, Bd. 169. Deutsche Rentenversicherung Bund (2009): Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

(LTA). Rahmenkonzept der Deutschen Rentenversicherung. Berlin. Hansmeier, T. (2009): Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Hillert, A., Müller-

Fahrnow, W., Radoschewski, F.M. (Hrsg.): Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitati-on. Grundlagen und klinische Praxis. Köln: Deutscher Ärzteverlag. 198-211.

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Epidemiologie und Reha-Inanspruchnahme (Poster)

Inanspruchnahmeintention und -verhalten von Behandlungen aufgrund psychischer Belastungen bei körperlich erkrankten Rehabilitanden

Jahed, J. (1), Vogel, B. (1), Härter, M. (2), Bengel, J. (1), Baumeister, H. (1) (1) Institut für Psychologie, Universität Freiburg,

(2) Zentrum für Psychosoziale Medizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Hintergrund Jeder fünfte Patient in der medizinischen Rehabilitation erfüllt die Kriterien einer aktuellen psychischen Störung (Härter et al., 2007). Bei chronisch somatisch erkrankten Patienten sind komorbide psychische Störungen mit erhöhten Morbiditäts- und Mortalitätsraten, erhöh-ten Versorgungskosten und geringerer Lebensqualität assoziiert (Barth et al., 2004; Bau-meister, Härter, 2005; Baumeister et al., 2005). In Bezug auf die Versorgungssituation in Deutschland finden sich Hinweise auf eine Unterversorgung von Patienten mit psychischen Störungen (Wittchen, Jacobi, 2001). Fraglich ist bislang jedoch, inwiefern somatisch er-krankte Rehabilitanden mit komorbiden psychischen Belastungen bzw. Störungen Inan-spruchnahmeintentionen und -verhalten bezüglich Versorgungsangeboten aufweisen.

Fragestellung Wie hoch ist der Anteil der Rehabilitanden mit komorbiden psychischen Belastungen und Störungen, der während der medizinischen Rehabilitation Inanspruchnahmeintentionen für psychotherapeutische bzw. psychiatrische Versorgungsangebote berichtet? Wie hoch ist die tatsächliche Inanspruchnahme von Behandlungsmaßnahmen sechs Monate nach der Re-habilitation bei psychisch belasteten Rehabilitanden?

Methodik Patienten aus fünf orthopädischen, kardiologischen und onkologischen Kliniken füllten zu Beginn der Rehabilitation den Gesundheitsfragebogen für Patienten (PHQ-9) bzw. die Hos-pital Anxiety and Depression Scale (HADS-D) aus. Die Fragebögen erfassen Depressivität bzw. Depressivität und Ängstlichkeit. Beide können als Screeninginstrumente eingesetzt werden und bieten die Möglichkeit, Hinweise auf irgendeine psychische Störung zu geben. Ferner wurde die Bereitschaft der Patienten, psychotherapeutische bzw. psychiatrische Be-handlungen in Anspruch zu nehmen, erfasst. Im Screening auffällige Patienten (PHQ-9 ≥10; HADS-D-Angstwert ≥11 und/oder HADS-D-Depressionswert ≥9) füllten sechs Monate nach ihrer Rehabilitation erneut den PHQ-9 bzw. die HADS-D aus. Zusätzlich wurde die tatsächli-che Inanspruchnahme von Behandlungen aufgrund psychischer Belastungen erfasst.

Ergebnisse Zu Rehabilitationsbeginn waren 30,2 % (n = 412) der 1.363 befragten Rehabilitanden psy-chisch belastet. 6,5 % der Belasteten gaben an, trotz einer ärztlichen Empfehlung keine psychologische oder psychiatrische Behandlung in Anspruch nehmen zu wollen. 51,6 % wa-

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ren unentschlossen und weitere 41,9 % gaben an, eine Behandlung in Anspruch nehmen zu wollen. Nach sechs Monaten waren im Screener noch 48 % (n = 95) (aktueller Rücklauf n = 198) der bei Rehabilitationsbeginn belasteten Patienten auffällig. Von diesen gaben 45,3 % an, sich aufgrund psychischer Belastungen innerhalb der letzten sechs Monate in Behandlung befunden zu haben bzw. aktuell noch zu befinden. 14,7 % dachten über eine Behandlung nach und weitere 4,2 % waren auf der Suche nach einem passenden Angebot. Weitere 5,3 % sahen keinen Bedarf und 20 % gaben an, trotz wahrgenommenen Bedarfs kein Interesse an einer Behandlung zu haben. 10,5 % der psychisch Belasteten nannten keinen Grund für ihre Nicht-Inanspruchnahme von Behandlungsmaßnahmen.

Schlussfolgerung Knapp die Hälfte der sechs Monate nach Rehabilitation psychisch belasteten Rehabilitanden hat eine Behandlungsmaßnahme in Anspruch genommen. Um das Inanspruchnahmeverhal-ten weiter zu steigern, könnten Maßnahmen zur Förderung der Behandlungsmotivation wäh-rend und nach der Rehabilitation eingesetzt werden. Insbesondere Patienten, die einer Be-handlung gegenüber unentschlossen sind, könnten davon profitieren.

Literatur Barth, J., Schumacher, M., Herrmann-Lingen, C. (2004): Depression as a risk factor for mor-

tality in patients with Coronary Heart Disease: a meta-analysis. Psychosomatic Medicine, 66. 802-813.

Baumeister, H., Balke, K., Härter, M. (2005): Psychiatric and somatic comorbidities are negatively associated with quality of life in physically ill patients. Journal of Clinical Epi-demiology, 58. 1090-1100.

Baumeister, H., Härter, M. (2005): Auswirkungen komorbider psychischer Störungen bei chronischen körperlichen Erkrankungen. Zeitschrift für Medizinische Psychologie, 14. 175-189.

Härter, M., Baumeister, H., Bengel, J. (2007): Psychische Störungen bei körperlichen Er-krankungen. Heidelberg: Springer.

Wittchen, H.-U., Jacobi, F. (2001): Die Versorgungssituation psychischer Störungen in Deutschland. Eine klinisch-epidemiologische Abschätzung anhand des Bundes-Gesundheitssurveys 1998. Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesund-heitsschutz, 44 (10). 993-1000.

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Reha-Inanspruchnahme nach Berufsgruppen

Kaluscha, R. (1), Enderle, A. (1), Enderle, G. (2), Jacobi, E. (1) (1) Forschungsinstitut für Rehabilitationsmedizin an der Universität Ulm, (2) Sozial- und Arbeitsmedizinische Akademie Baden-Württemberg, Ulm

Fragestellung Um etwaige Gesundheitsrisiken bestimmter Berufsgruppen zu untersuchen, bietet sich eine Überprüfung an, ob bestimmte Berufe bei bestimmten Erkrankungen eine erhöhte Prävalenz aufweisen. Als Indikator hierfür verwenden wir die Reha-Inanspruchnahme.

Beim Forschungsdatenzentrum der Rentenversicherung (FDZ-RV) besteht seit kurzem die Möglichkeit, eine repräsentative Stichprobe der Rehabilitanden des Jahres 2006 (For-schungsdatenzentrum 2009) zu erhalten. Neben den Reha-Diagnosen umfassen die Daten auch den vierstelligen Berufsklassenschlüssel (BKS).

Methodik Im Scientific-Use-File (SUF) wurden zunächst die zahlenmäßig größten Berufsgruppen (dreistellige Berufsklassenschlüssel) und die häufigsten Krankheitsbilder (erste Stelle des ICD-10-Codes der Hauptdiagnose) bestimmt.

Dies waren die Berufsordnungen 411 (Küchenpersonal), 531 (Hilfsarbeiter), 682 (Ver-käufer), 691 (Bankfachleute), 714 (Berufskraftfahrer), 744 (Lagerarbeiter), 781 (Bürofach-kräfte), 853 (Krankenpflege), 861 (Altenpflege) und 933 (Reinigungskräfte).

Bei den Krankheitsbildern waren vier zahlenmäßig besonders relevant: C (Bösartige Neu-bildungen), F (Psychische Erkrankungen), I (Kreislauf) und M (Bewegungsapparat).

In der resultierenden Kontingenztafel wurde anhand des Cell-Chi-Square-Wertes nach auf-fälligen Kombinationen gesucht.

Ergebnisse Die Cell-Chi-Square-Werte (CCS) der 40 Zellen der Kontingenztafel bewegten sich zwi-schen 0,03 und 124,7. So wurden z. B. bei Berufskraftfahrern überproportional häufig Reha-Maßnahmen wegen Kreislauferkrankungen (CCS 124,7) oder bei Bürofachkräften überpro-portional häufig onkologische Reha-Maßnahmen (CCS 80,0) durchgeführt.

Diskussion Während ersterer Befund auf bei Berufskraftfahrern häufig anzutreffende kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Bewegungsmangel oder Ernährungsfehler zurückzuführen sein dürfte, lässt sich letzterer nicht so einfach erklären, da z. B. bei Bürofachkräften keine übermäßige Exposition gegenüber Karzinogenen zu vermuten ist.

Daher sind neben berufsbezogenen Risiken auch andere Faktoren wie z. B. die Alters-struktur der im jeweiligen Beruf Beschäftigten, Selektionseffekte von Berufswahl bzw. Be-rufsaufgabe, die branchenbezogene Akzeptanz von Reha-Maßnahmen oder Besonder-heiten bei der Bewilligung von Reha-Maßnahmen in Betracht zu ziehen.

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Literatur Forschungsdatenzentrum der Deutschen Rentenversicherung (2009): Testversion des

Scientific-Use-File "Abgeschlossene Rehabilitation 2006" - SUFRSDQJ06B - Endversion voraussichtlich ab Ende 2009 erhältlich. Online: http://www.fdz-rv.de .

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Patientenorientierung I

Das Projekt www.krankheitserfahrungen.de: Wissenschaftliche Aufbereitung subjektiver Krankheitserfahrungen

als Unterstützung für Betroffene

Lucius-Hoene, G. (1), Schaefer, V. (2), Breuning, M. (1) (1) Institut für Psychologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, (2) Universität Göttingen

Hintergrund und Zielsetzung Wir berichten von Aufbau und Evaluation einer wissenschaftlich fundierten Website, auf der Patienten mit chronischen Krankheiten von ihren Erfahrungen mit der Erkrankung erzählen. Zum Zeitpunkt des Vortrags werden die beiden Module "Chronischer Schmerz" und "Diabe-tes mellitus Typ II" auf der Basis von jeweils über 20 Interviews auf der Website verfügbar sein (www.krankheitserfahrungen.de). Die Darstellung der Interviews wird (1) in Form the-matisch geordneter und zusammengefasster Thementexte sowie (2) in Form einzelbiogra-phischer Erfahrungsberichte erfolgen. Die frei zugängliche Website soll Betroffenen und Angehörigen persönliche Erfahrungen zum Leben mit Krankheiten, zu Therapien und Unter-stützungsmöglichkeiten vermitteln und damit zur Autonomie der Patienten beitragen und sie in ihrer Krankheitsbewältigung unterstützen.

Diese Präsentation erzählter Krankheitserfahrungen (‚illness narratives’) entspricht dem Konzept einer narrativen Medizin (Lucius-Hoene, 2008), die subjektive Erfahrungen Betrof-fener als unverzichtbare Perspektive und Informationsquelle integriert und Patienten bei der Übernahme einer selbstbestimmten Rolle bei medizinischen Entscheidungen unterstützt. Die Website strebt eine möglichst große Varianz der Erfahrungen an, um unterschiedlichs-ten Patienten eine Möglichkeit der Auseinandersetzung zu bieten. Die Erzählungen werden zusätzlich als Datenbasis für wissenschaftliche Studien und in der Aus- und Weiterbildung von medizinischem Personal genutzt.

Der Aufbau des Internetportals erfolgt nach dem Muster der britischen Website www.healthtalkonline.org der Arbeitsgruppe DIPEx (DIPEx Research Group, Universität Ox-ford), mit der eine enge Kooperation besteht (Herxheimer, Ziebland, 2008). www.krank-heitserfahrungen.de ist die autorisierte deutschsprachige Form von DIPEx (GermanDIPEx).

Methode Die Krankheitserzählungen werden in qualitativen Interviews nach den Kriterien der maxi-malen Variation von Merkmalen gesammelt, mit einer qualitativen textanalytischen Methodik computergestützt (ATLAS.ti) ausgewertet und in Texten, Video- oder Audioclips auf der Website präsentiert. Die Daten werden über Schlagworte geordnet und mit Links zu kontrol-lierten medizinischen Informationen versehen. Parallel findet in mehreren Phasen eine Eva-luation mit Selbstbetroffenen und Professionellen zu inhaltlichen und Nutzungsaspekten der der Website statt.

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Ergebnisse Bis Juni 2009 wurden Erhebungstechnik und Auswertungsstrategien erarbeitet; bis März 2010 wird die Interviewphase annähernd abgeschlossen sein und die bereits zugängliche Vorversion ausgebaut werden. Qualitative Studien zu einzelnen Themen aus dem Erzähl-corpus sind in Vorbereitung.

Diskussion In den ersten Daten aus den bisher erhobenen Interviews zeigt sich eine große Varianz an Erfahrungen sowohl hinsichtlich alltäglicher Auswirkungen als auch der Erfahrungen mit den unterschiedlichen therapeutischen Maßnahmen. Durch die offene und personenzentrierte Erhebungsform entstehen inhaltlich dichte Erzählungen zu den weitreichenden persönlichen und sozialen Folgen einer chronischen Erkrankung mit Schmerz oder mit Diabetes und zu den unterschiedlichsten Umgangsformen und Bewältigungsmöglichkeiten.

Schlussfolgerung Schon die Kooperationsbereitschaft bei der bisherigen Arbeit an der Website sowohl von Seiten Betroffener als auch Professioneller und Akteure im Gesundheitssystem bestätigt, dass ein solches Angebot auch im deutschsprachigen Raum erwünscht ist. Der systemati-sche Ausbau der Website mit der Aufnahme von Modulen zu weiteren Erkrankungen ist ge-plant.

Literatur Herxheimer, A., Ziebland, S. (2008): Das DIPEx-Projekt: Eine systematische Sammlung

persönlicher Krankheitserfahrungen. Neurol. Rehabil., 14/1. 31-40. Lucius-Hoene, G. (2008): Krankheitserzählungen und die narrative Medizin. Die Rehabilita-

tion, 47. 90-97.

Die Umsetzung von Zielorientierung im Rehabilitationsprozess aus Sicht von RehabilitandInnen und BehandlerInnen

Glattacker, M. (1), Dudeck, A. (1), Dibbelt, S. (2), Greitemann, B. (2), Jäckel, W.H. (1,3,4) (1) Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg,

(2) Institut für Rehabilitationsforschung an der Klinik Münsterland, Deutsche Rentenversicherung Westfalen, Bad Rothenfelde, (3) RehaKlinikum, Bad Säckingen,

(4) Hochrhein-Institut für Rehabilitationsforschung an der Rheumaklinik, Bad Säckingen

Hintergrund Zielvereinbarungen sind ein Kernstück rehabilitativer Maßnahmen (DRV Bund, 2007), für deren Gestaltung zahlreiche Qualitätsmerkmale beschrieben wurden. Ein Qualitätsmerkmal betrifft die Prozessorientierung (Locke, Latham, 2002), die sich z. B. in der Berücksichtigung von Rückmeldungen über den Zielerreichungsgrad (Meyer et al., 2008) und postrehabilitati-ven Zielen (Vogel et al., 1994) niederschlägt. In der Rehabilitationspraxis hat sich eine expli-zite Zielorientierung jedoch noch nicht ausreichend etabliert (Wade, 2009). In dem Projekt

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"PARZIVAR"* ** wird daher basierend auf einer explorativen Ist-Analyse bzgl. Zielvereinba-rungen eine prozessorientierte Intervention zur Verbesserung der Qualität partizipativer Zielvereinbarungen entwickelt und anhand der Diagnosen "Chronischer Rückenschmerz" (RS), "Diabetes mellitus" (DM) und "Koronare Herzkrankheit" (KHK) evaluiert.

Im vorliegenden Beitrag werden Ergebnisse der Ist-Analyse mit einem Fokus auf die patien-ten- und behandlerseitig wahrgenommene Umsetzung von Zielorientierung im Reha-Verlauf (d. h. auch nach dem Aufnahmegespräch) vorgestellt.

Methodik und Stichproben Die Datenerhebung erfolgte zwischen Juni und August 2008 in je zwei Kliniken der o. g. Di-agnosegruppen. Die zum Einsatz kommenden Fragebögen umfassen überwiegend ereig-nisorientierte Items, die - wo möglich - für RehabilitandInnen und BehandlerInnen inhalts-analog formuliert wurden. Die Auswertung erfolgte deskriptiv über Häufigkeitsanalysen. Fer-ner wurde mittels chi2- und Kruskal-Wallis-Test auf Unterschiede zwischen den Indikationen sowie (innerhalb der Indikationen) zwischen verschiedenen Patientengruppen (Geschlecht, Alter, Reha-Erfahrung) geprüft. Die Beschreibung der Patientenstichprobe findet sich in Ta-belle 1.

Gesamt RS DM KHK N 210 70 70 70 Alter (M, SD) 54,8 (11,0) 48,8 (7,8) 51,5 (7,7) 63,9 (10,6) Geschlecht (Männer in %) 65,7 57,1 60,0 80,0

Tab. 1: Patientenstichprobe

In die Behandler-Stichprobe gehen Daten von n = 40 BehandlerInnen ein (n = 16 ÄrztInnen, n = 8 PsychologInnen, n = 10 TherapeutInnen u. a.). Der Altersdurchschnitt liegt bei 46 Jah-ren, der Frauenanteil bei 47,5 %. 42,5 % der BehandlerInnen haben eine Leitungsfunktion inne.

Ergebnisse Zu Reha-Beginn werden laut 75 % der BehandlerInnen Reha-Ziele vereinbart. 60 % der Be-handlerInnen (Ärzte: 62,5 %) geben an, auch im Reha-Verlauf mit den RehabilitandInnen über Reha-Ziele gesprochen zu haben, und 75 %-78 % haben bei Reha-Ende die Zielerrei-chung und Ziele für die Zeit nach der Rehabilitation thematisiert. Maßnahmen zu deren Er-reichung wurden laut 75 % der BehandlerInnen besprochen, und zwar signifikant häufiger im Indikationsbereich DM (92,9 % vs. MSK 78,6 % vs. KHK 50,0 %; p = 0,043). Dennoch glauben nur 17,5 % der BehandlerInnen, dass die RehabilitandInnen wissen, wie sie die Reha-Ziele auch langfristig aufrechterhalten können.

* Entwicklung und Evaluation eines Trainingsmoduls zur partizipativen Vereinbarung von Zielen in der statio-

nären medizinischen Rehabilitation; gefördert von der Deutschen Rentenversicherung Bund im Rahmen des Förderschwerpunkts "Versorgungsnahe Forschung: Chronische Krankheiten und Patientenorientie-rung"

** Wir danken herzlich den Kooperationskliniken: Klinik Rosenberg, Bad Driburg (Dr. H. Fischer), Marbach-talklinik, Bad Kissingen (Dr. M. Best), Klinik Passau Kohlbruck (Dr. D. Teßmann), Klinik Münsterland, Bad Rothenfelde (Prof. Dr. B. Greitemann), RehaKlinikum, Bad Säckingen (Prof. Dr. W.H. Jäckel), Klinik Königs-feld, Ennepetal (Prof. Dr. M. Karoff), Klinik Möhnesee, Möhnesee (Dr. R. Schubmann)

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85,2 % aller RehabilitandInnen geben an, dass ihr Arzt mit ihnen bei Reha-Beginn über Re-ha-Ziele gesprochen habe. Laut 71,0 %-74,3 % der Befragten wurden Reha-Ziele auch wäh-rend des Reha-Verlaufs thematisiert bzw. bei Reha-Ende die Zielerreichung, postrehabilita-tive Ziele und Maßnahmen zu deren Erreichung besprochen. Tendenzielle Unterschiede zwischen den Indikationen werden nicht signifikant. Mit nicht-ärztlichen BehandlerInnen ha-ben 49,0 % der RehabilitandInnen im Reha-Verlauf über Reha-Ziele gesprochen, und zwar am häufigsten in der Indikation MSK (p = 0,015). Innerhalb der Indikation MSK berichten RehabilitandInnen ohne Reha-Erfahrung häufiger über die Thematisierung sowohl von Re-ha-Zielen im Verlauf (79,4 % vs. 57,1 %, p = 0,032) als auch der Zielerreichung bei Reha-Ende (79,4 % vs. 65,7 %, p = 0,031). Im Indikationsbereich KHK wurden für diese Patien-tengruppe signifikant häufiger Ziele für die postrehabilitative Zeit festgelegt (70,8 % vs. 47,4 %, p = 0,043). Unterschiede zwischen Männern und Frauen und verschiedenen Alters-gruppen lassen sich der Tendenz nach aufzeigen, aber nicht statistisch absichern.

Diskussion Ein ähnlich hoher Anteil von BehandlerInnen und RehabilitandInnen berichtet, dass Reha-Ziele nicht nur zu Reha-Beginn, sondern auch während des weiteren Reha-Verlaufs thema-tisiert werden. An einigen Stellen zeigt sich jedoch Optimierungspotenzial bzgl. der Umset-zung einer konsequent prozessbezogenen Zielorientierung. Unterschiede zwischen Diagno-se- und Patientengruppen sollten aus Gründen der relativ kleinen Stichprobe, der potenziel-len Selektivität der Kliniken und der unterschiedlichen Patientenstruktur zwischen den Indi-kationen weniger im Hinblick auf deren statistische Signifikanz, sondern als Potenzial für die Interventionsentwicklung interpretiert werden.

Literatur Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.) (2007): Rahmenkonzept zur medizinischen Re-

habilitation in der gesetzlichen Rentenversicherung. Locke, E.A., Latham, G.P. (2002): Building a practically useful theory of goal setting and

task motivation: A 35 year odyssey. American Psychologist, 57. 705-717. Meyer, T., Pohontsch, N., Maurischat, C., Raspe, H. (2008): Patientenzufriedenheit und

Zielorientierung in der Rehabilitation. Lage: Jacobs-Verlag. Vogel, H., Tuschhoff, T., Zillessen, E. (1994): Die Definition von Rehabilitationszielen als

Herausforderung für die Qualitätssicherung. Deutsche Rentenversicherung, 11. 751-764. Wade, D.T. (2009): Goal setting in rehabilitation: an overview of what, why and how. Clinical

Rehabilitation, 23. 291-295.

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Medizinische Rehabilitation bei älteren Versicherten (55plus)

Krüger-Wauschkuhn, T., Richter, S., Pohontsch, N., Deck, R., Raspe, H. Institut für Sozialmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Lübeck

Hintergrund Die Bevölkerung im Erwerbsalter in Deutschland altert und schrumpft langfristig, wodurch der Anteil älterer Beschäftigter am Arbeitsmarkt stetig ansteigt (Statistisches Bundesamt, 2006). Mit zunehmendem Lebensalter erhöht sich erwartungsgemäß die Prävalenz chroni-scher Krankheiten und Komorbiditäten. Im Zusammenhang mit diesen Entwicklungen kommt der medizinischen Rehabilitation eine Schlüsselrolle beim Erhalt der Leistungsfähig-keit im Alltag und Beruf zu. Bislang ist ungeklärt, ob Strukturen und Angebote der medizini-schen Rehabilitation dieser Entwicklung gerecht werden. In der vorliegenden Studie soll un-tersucht werden, ob die Bedürfnisse und Erwartungen älterer Rehabilitanden berücksichtigt werden bzw. ob es aus deren subjektiver Sicht einer Optimierung bedarf. Zum anderen wird die konkrete Umsetzbarkeit der Rehabilitandenvorschläge mit Leitern, Ärzten und Therapeu-ten der jeweiligen Reha-Einrichtungen in Expertengruppen diskutiert.

Methodik In einer qualitativen multizentrischen Studie sollen die Erwartungen und Bedürfnisse älterer Versicherter an die Rehabilitation untersucht werden. Hierfür werden geschlechts- und indi-kationsspezifische Fokusgruppen in drei Reha-Kliniken mit den Indikationen Orthopädie, Kardiologie und Psychosomatik zu unterschiedlichen Messzeitpunkten im Rehabilitations-verlauf durchgeführt. Sechs Fokusgruppen erfolgen zu Beginn und am Ende der Reha-Maßnahme in möglichst gleicher Besetzung. Weitere sechs Gruppengespräche finden aus-schließlich am Ende der Rehabilitationsmaßnahme statt. Die Gruppengespräche werden auf Tonträger aufgezeichnet, vollständig transkribiert und mittels thematischen Codierens unter Verwendung des Textanalyseprogramms "MAXQDA 2007" inhaltsanalytisch ausgewertet. Basierend auf den Ergebnissen werden in einem zweiten Schritt für jeden der drei Indikati-onsbereiche interdisziplinär zusammengesetzte Expertengespräche durchgeführt, in denen die Umsetzbarkeit der patientenseitigen Bedürfnisse und Veränderungsvorschläge diskutiert wird. Aufzeichnung, Transkription und Auswertung erfolgen analog zu den Patientenfokus-gruppen.

Bisherige Ergebnisse Eine systematische Literaturrecherche in einschlägigen Fachzeitschriften, Tagungsbänden sowie nationalen und internationalen Literaturdatenbanken (PubMed, REHADAT) zeigte ei-ne Abhängigkeit rehabilitationsbezogener Erwartungen sowohl von der Diagnose als auch von Alter, Geschlecht und Berufstätigkeit (z. B. Faller et al., 2000; Leppin et al., 2004). Eine Ableitung unmittelbarer Rehabilitationsbedürfnisse speziell für die Altersgruppe über 55 Jah-ren ist anhand vorliegender Daten jedoch nicht möglich (Deck et al., 1998; Deck et al., im Druck). Basierend auf dieser Literaturrecherche wurde der Gesprächsleitfaden für die Pati-entenfokusgruppen erarbeitet. Neben der globalen Erwartungshaltung geht der Leitfaden auf die Erfahrungen und Vorstellungen zu Rehabilitationsinhalten und Nachsorgeprogram-men sowie auf den spezifischen Informations- und Änderungsbedarf ein, v. a. in Bezug auf

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alters- und berufsbezogene Rehabilitationsinhalte. Im Rahmen zweier Pilotgruppen wurde dieser Leitfaden mit n = 9 orthopädischen Patienten erprobt. An insgesamt 18 Fokusgrup-pen in vier Reha-Kliniken Schleswig-Holsteins beteiligten sich 62 Patienten, die Gruppen-größe variierte je nach Indikation und Geschlecht zwischen drei und achtPersonen. Der Um-fang der einzelnen Sitzungen betrug etwa zwei Stunden. Alle Fokusgruppen sind zum ge-genwärtigen Zeitpunkt vollständig transkribiert, die indikations- sowie geschlechtsspezifi-schen Auswertungen haben begonnen. Die Expertengespräche sind für Dezember 2009 geplant.

Ausblick Ausgehend von den Ergebnissen der Fokusgruppen ist es das Ziel der Studie, den Anpas-sungsbedarf bei den Leistungen der medizinischen Rehabilitation aus Patientensicht zu er-fassen und diesen im Rahmen von Expertengruppen auf seine Umsetzbarkeit zu überprü-fen. Anhand der Resultate sollen Empfehlungen erarbeitet werden, wie die Rehabilitation den Bedürfnissen älterer Versicherter besser gerecht werden kann.

Literatur Deck, R., Richter, S., Hüppe, A. (im Druck): Der ältere Patient in der Rehabilitation - Prob-

leme und Bedürfnisse. Die Rehabilitation. Deck, R., Zimmermann, M., Kohlmann, T., Raspe, H. (1998): Rehabilitationsbezogene Er-

wartungenund Motivationen bei Patienten mit unspezifischen Rückenschmerzen. Die Re-habilitation, 37. 140-146.

Faller, H., Vogel, H., Bosch, B. (2000): Erwartungen von Rehabilitanden hinsichtlich der Me-thoden und Ergebnisse ihrer Rehabilitation - Eine kontrollierte Studie mit Rücken-schmerz- und onkologischen Patienten. Die Rehabilitation, 39. 205-214.

Leppin, A., Altenhöner, T., Grande, G., Schubmann, R., Mannebach, M. (2004): Welche Er-wartungen haben unterschiedliche Patientengruppen an die kardiologische Rehabilitati-on? DRV-Schriften, Bd. 52. 399-400.

Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2006): Bevölkerung Deutschlands bis 2050. Wiesbaden.

Entwicklung und Evaluation einer ICF-basierten Patientenschulung für Schlaganfallpatienten in der Phase C und D

Sabariego, C., Barrera, A., Stier-Jarmer, M., Cieza, A. Institut für Gesundheits- und Rehabilitationswissenschaften,

Ludwig-Maximilians-Universität München

Hintergrund Hauptziele von Patientenschulungen im Rahmen der Rehabilitation chronischer Erkrankun-gen sind, Patienten im eigenverantwortlichen Umgang mit ihrer Erkrankung zu stärken und sie zu einer möglichst autonomen und selbstbestimmten Lebensgestaltung zu befähigen (Faller, 2003). Das Verstehen, von welchen Faktoren Funktionsfähigkeit abhängt und dem-entsprechend wie die eigene Funktionsfähigkeit beeinflusst werden kann, ist von essentieller Bedeutung, wenn diese Ziele erreicht werden sollen. Die "Internationale Klassifikation der

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Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit" (ICF) (WHO, 2001) ist der universelle Standard für die Beschreibung der Funktionsfähigkeit und der Behinderung von Personen mit Gesundheitsstörungen und kann daher eine solide und umfassende Grundlage für die Entwicklung von Patientenschulungen mit den genannten Zielen bieten. Praktische Tools zur Implementierung der ICF in die Praxis wie ICF Core Sets wurden bereits entwickelt und validiert (Cieza et al., 2004; Geyh et al., 2004). Ziel des Projektes ist es, eine Patientenschu-lung basierend auf dem Modell der ICF und dem ICF Core Set für Schlaganfall zu entwi-ckeln und zu testen. Ziel der Schulung ist es, das Verständnis der Patienten für die ihre Funktionsfähigkeit beeinflussenden Faktoren zu vergrößern, die Selbsteinschätzung ihrer Kompetenzen bezogen auf die Bewältigung von Schwierigkeiten und Barrieren, die im Alltag die Funktionsfähigkeit beeinflussen, zu erweitern (Selbstwirksamkeit), ihre Fähigkeit zum eigenverantwortlichen Umgang mit ihrer Erkrankung zu stärken (Selbstmanagement) und sie darin zu unterstützen, ihre Belange im alltäglichen Leben möglichst autonom und selbst bestimmt vertreten und gestalten zu können (Empowerment).

Methodik Die Evaluation der Patientenschulung erfolgt im Rahmen einer prospektiven, randomisiert kontrollierten Interventionsstudie (RCT) mit drei Messzeitpunkten: pre, post und 6 Monate nach der Intervention. Schlaganfallpatienten werden zwischen November 2008 und Dezem-ber 2009 in sieben Rehabilitationskliniken in Bayern rekrutiert.

Sowohl Interventions- als auch Kontrollgruppe werden in geschlossenen Gruppen von je-weils vier Patienten an fünf aufeinanderfolgenden Tagen durchgeführt, jede Schulungsein-heit dauert 60 Minuten. Die ICF-basierte Patientenschulung wird in drei Module unterteilt. Im Modul 1 wird die Funktionsfähigkeit des Patienten aus der Sicht des Patienten unter Ver-wendung des ICF Core Sets für Schlaganfall systematisch erfasst. Im Modul 2 steht die in-dividuelle Situation der vier teilnehmenden Patienten bezüglich problematischer Bereiche der Funktionsfähigkeit im Vordergrund. Es werden Zusammenhänge aufgezeigt sowie kon-krete Interventionsmöglichkeiten erarbeitet. Im Modul 3 wird die Schulung an sich reflektiert. Die Kontrollgruppe bekommt Vorträge über häufige Symptome, Risikofaktoren und Gesund-heitsförderung. Durchführbarkeit und Akzeptanz beider Intervention wurde im einer Pilot-Studie überprüft.

Im Rahmen der statistischen Auswertung wird ein lineares gemischtes Modell für Längs-schnittdaten durchgeführt (Singer, Willett, 2003). Als primäre Zielgröße wurde Selbstwirk-samkeitserwartung, als sekundäre Zielgrößen werden Funktionsfähigkeit sowie die allge-meine Lebenszufriedenheit festgelegt.

Ergebnisse Die Studie befindet sich am Ende der Rekrutierungsphase. Bis Ende Oktober 2009 wurden 180 Patienten eingeschlossen.

Diskussion Die Patientenschulung ist gedacht für Patienten mit Schlaganfall während eines stationären Rehabilitationsaufenthaltes. Die Schulung erfolgt sehr stark teilnehmerorientiert, mit aktiver Beteiligung aller Gruppenmitglieder und unter Berücksichtigung der Bedürfnisse und Ver-wendungsmöglichkeiten für jeden einzelnen Teilnehmer. Jeder Patient hat die Gelegenheit,

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die eigene Situation zu besprechen, aber auch zu relativieren und zu reflektieren angesichts der Erfahrung anderer Teilnehmer. Die Erfahrung in der Rehabilitation wird immer ange-sprochen, wobei damit die Rehabilitationsmaßnahmen reflektiert und integriert werden kön-nen. Indem eine Broschüre mit diversen Service- und Hilfestellen für Schlaganfallpatienten in die Schulung integriert und anschließend mitgenommen wird, werden Patienten für kon-krete Interventionsmöglichkeiten und Hilfsangebote für die Zeit nach der Entlassung sensibi-lisiert und darauf aufmerksam gemacht.

Schlussfolgerungen Mittel- und langfristig kann die Schulung die Erhaltung und Verbesserung der Funktionsfä-higkeit der Patienten unterstützen und dadurch auch krankheitsbedingte Kosten reduzieren. Eine spätere Adaptation des Programms für andere Patientengruppen und Versorgungssi-tuationen ist möglich.

Literatur Cieza, A., Ewert, T., Üstün, T.B., Chatterji, S., Kostanjsek, N., Stucki, G. (2004): Develop-

ment of ICF Core Sets for patients with chronic conditions. J Rehabil Med, Suppl. 44. 9-11.

Faller, H. (2003): Empowerment als Ziel der Patientenschulung. Praxis Klinische Verhal-tensmedizin und Rehabilitation, 16 (64). 353-357.

Geyh, S., Cieza, A., Schouten, J., Dickson, H., Frommelt, P., Omar, Z., Kostanjsek, N., Ring, H., Stucki, G. (2004): ICF Core Sets for stroke. J Rehabil Med (44 Suppl). 135-141.

Singer, J.D., Willett, J.B. (2003): Applied Longitudinal Data Analysis - Modeling Change and Event Occurrence. New York: Oxford University Press.

WHO (2001): International Classification of Functioning, Disability and Health: ICF. Geneva: World Health Organization.

Die Rehabilitandensicht auf das Wunsch- und Wahlrecht, § 9 SGB IX, in der medizinischen Rehabilitation

Pohontsch, N., Meyer, T. Institut für Sozialmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Lübeck

Hintergrund Ein Aspekt der Patientenorientierung besteht darin, den Patienten als Experten für seine Bedürfnisse und Lebenssituation zu verstehen (Leplege et al., 2007). Der § 9 des SGB IX räumt mit dem so genannten Wunsch- und Wahlrecht (WuW) behinderten und von Behinde-rung bedrohten Menschen ein Mitspracherecht in Bezug auf alle Aspekte ein, die zur Kon-kretisierung rehabilitativer Leistungen von Bedeutung sind (Welti, 2003). Im Fokus der Dis-kussion steht für die medizinische Rehabilitation derzeit die Auswahl der Rehabilitationsein-richtung. Es stellt sich die Frage, wie die gegenwärtige Beratungspraxis und der Umgang mit dem WuW gestaltet werden und welche Auswahlkriterien für Rehabilitanden wichtig sind.

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Methode 71 Rehabilitanden aus 5 Indikationsbereichen wurden in insgesamt 10 Fokusgruppen u. a. zu den Themen Informationen über WuW, Einstellung zum WuW, Gründe für die Wunsch-ablehnung und Auswahlkriterien für eine Rehabilitationseinrichtung befragt. Die Gesprächs-transkripte wurden inhaltsanalytisch ausgewertet.

Ergebnisse Die meisten Rehabilitanden im Heilverfahren erhielten während der Rehaantragstellung kei-ne Aufklärung/ Informationen zum WuW. Rehabilitanden in der Anschlussheilbehandlung wurde oft ein "Pseudo-Wunsch- und Wahlrecht" gewährt. Sie bekamen mehrere Kliniken vom Sozialdienst der Krankenhäuser genannt und sollten ohne weiterführende Informatio-nen ihre Präferenzen nennen. Die meisten wurden jedoch unabhängig vom geäußerten Wunsch in die Klinik geschickt, in der als erstes ein Platz frei wurde.

Viele nahmen an ihrem mangelnden Mitspracherecht keinen Anstoß. Es wäre im Grunde genommen egal, in welche Rehabilitationseinrichtung man käme, solange die Rehabilitation überhaupt genehmigt würde. Die vom Leistungsträger getroffene Entscheidung wird von den meisten Rehabilitanden weder zu beeinflussen versucht noch hinterfragt. Einige Rehabili-tanden finden sogar Argumente gegen die Inanspruchnahme des WuW: Es fehle an Infor-mationen, wie man das WuW durchsetzt, und an Zeit, Informationen und Erfahrung, um eine Wahl vorzubereiten und zu treffen. Viele Rehabilitanden trauen es sich schlichtweg "fach-lich" nicht zu einzuschätzen, ob eine Klinik gut oder schlecht sei.

Bewilligungsbescheide nennen oft keine Gründe für Nichtbeachtung von Wünschen oder Wünsche wurden mit der Begründung abgelehnt, dass erst die eigenen Häuser und die Ver-tragshäuser gefüllt werden müssten, in der gewünschten Klinik keine Plätze frei bzw. die Kosten der weiteren Anfahrt zu hoch wären.

Viele Befragte haben sich bei der Beantragung ihrer Rehabilitationsmaßnahme wenig Ge-danken über eine Auswahl der Rehabilitationsklinik und Auswahlkriterien gemacht. Dement-sprechend schwer fiel es den meisten, Kriterien für eine zukünftige Auswahlentscheidung zu benennen. Der Behandlungserfolg der Kliniken spielte als Auswahlkriterium praktisch keine Rolle.

Diskussion Insgesamt zeigten sich Hinweise für Defizite bezüglich der Kommunikation/ Aufklärung über das Wunsch- und Wahlrecht in der medizinischen Rehabilitation, aber auch seiner Umset-zung. Die Voraussetzungen für eine informierte und berechtigte Auswahlentscheidung scheinen nicht gegeben. Die Bedeutung des WuW scheint für das Gros der Befragten eher gering zu sein.

Schlussfolgerungen Rehaantragsteller müssen in Zukunft besser über ihr WuW aufgeklärt werden. Sie sollten die Möglichkeit haben, auf der Grundlage objektiver und valider Informationen über verfüg-bare Rehabilitationseinrichtungen Auswahlentscheidungen treffen zu können. Die generell von Rehabilitanden einzufordernde aktive Rolle im Rehabilitationsprozess sollte auch bei der Klinikauswahl gefördert werden.

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Literatur Leplege, A., Gzil, F., Cammelli, M., Lefeve, C., Pachod, B., Ville, I. (2007): Person-

centredness: conceptual and historical perspectives. Disability and Rehabilitation, 29 (20-21). 1555-1565.

Welti, F. (2003): Die individuelle Konkretisierung von Teilhabeleistungen und das Wunsch- und Wahlrecht behinderter Menschen. Die Sozialgerichtsbarkeit. 379-390.

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Patientenorientierung II

Kommunikationspräferenzen chronisch kranker Patienten in der medizinischen Rehabilitation

Kosiol, D., Gramm, L., Farin, E. Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg

Hintergrund und Fragestellung Zahlreiche Studien belegen, dass sich eine gelungene Patient-Behandler-Kommunikation positiv auf das Behandlungsergebnis (z. B. Adhärenz, Patientenzufriedenheit) auswirkt (Bredart et al., 2005; Jahng et al., 2005). Eine gelungene Kommunikation zeichnet sich durch hohe Kongruenz der Erwartungen der Patienten mit dem Interaktionsstil des Behand-lers aus. Patienten können sich in ihren Präferenzen bezüglich der Kommunikation mit dem Behandler jedoch deutlich unterscheiden (Street et al., 2003; Swenson et al., 2004), was behandlerseitig eine patientenorientierte, flexible Gestaltung der Patientengespräche not-wendig macht.

Zur Umsetzung einer patientenorientierten Kommunikationsgestaltung ist demnach das indi-viduelle Assessment der Kommunikationspräferenzen chronisch kranker Patienten von zent-raler Bedeutung. Im Rahmen des Projekts "Die Patient-Behandler-Kommunikation bei chro-nisch Kranken"* (PaBeKo)** wurde ein Fragebogen zu den Kommunikationspräferenzen von Patienten (KOPRA-Fragebogen) entwickelt (Farin et al., eingereicht). Basierend auf diesem Instrument soll die Frage beantwortet werden, ob sich Patienten in der medizinischen Reha-bilitation je nach Alter, Geschlecht oder Indikation in ihren Präferenzen zur Kommunikation mit Ärzten unterscheiden.

Methodik Der KOPRA-Fragebogen erfasst die patientenseitigen Präferenzen hinsichtlich der Patient-Behandler-Kommunikation. Er umfasst 32 Items mit einem fünfstufigen Antwortformat (1 = "nicht so wichtig", 2 = "etwas wichtig", 3 = "wichtig", 4 = "sehr wichtig", 5 = "äußerst wichtig") auf vier Skalen: "Patientenpartizipation und -orientierung" (PP), "Effektive und offe-ne Kommunikation" (EOK), "Emotional unterstützende Kommunikation" (EMU) und "Kom-munikation über persönliche Verhältnisse" (KPV).

* Das Projekt ist Teil des Förderschwerpunkts "Patientenorientierung und chronische Krankheiten" (Modul 4),

wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und ist auf 36 Monate (Feb. 2008 - Jan. 2011) angelegt.

** Wir danken allen Rehabilitationseinrichtungen, die uns bei der Datenerhebung unterstützt haben: Eisen-moorbad Bad Schmiedeberg (Bad Schmiedeberg), Fachklinikum Brandis (Brandis), Klinik Malchower See (Malchow), Klinik Niederbayern (Bad Füssing), Rehabilitationsklinik Garder See (Lohmen), Rehabilitations-klinik Klausenbach (Nordrach-Klausenbach), Salinenklinik (Bad Rappenau), Salztalklinik (Bad Soden-Salmünster), Fachklinik Rhein-Ruhr (Essen), Kirchberg Klinik (Bad Lauterberg im Harz), Vinzenz Klinik (Bad Ditzenbach).

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In die Auswertung gehen die Antworten von 346 Patienten (28 % mit chronisch-ischämischer Herzkrankheit, 72 % mit chronischen Rückenschmerzen) aus sechs Rehabili-tationseinrichtungen ein. Die Befragten waren zwischen 22 und 85 Jahre alt (M = 60,2; SD = 10,6), der Frauenanteil beträgt 45,5 %.

Ergebnisse Die deskriptive Auswertung der auf Skalenebene erreichten Mittelwerte über alle Patienten deutet darauf hin, dass den Befragten eine effektive, offene Kommunikation mit ihrem Arzt sehr wichtig ist (M = 4,0; SD = 0,6). Ebenfalls wichtig ist den Patienten die Patientenpartizi-pation und -orientierung (M = 3,6; SD = 0,7) sowie eine emotional unterstützende Kommuni-kation (M = 3,1; SD = 0,8). Der geringste Mittelwert (M = 2,5; SD = 0,8) wird auf der Skala zur Kommunikation über persönliche Verhältnisse erreicht.

Das Ergebnis einer multifaktoriellen Varianzanalyse zeigt, dass hinsichtlich der Skalen des KOPRA-Fragebogens bei einem Signifikanzniveau von α = 0,05 weder die Indikation noch das Geschlecht der Rehabilitanden signifikanten Einfluss auf die Kommunikationspräferen-zen der Befragten hat. Bezüglich des Alters der Patienten liegt hingegen ein signifikanter Haupteffekt auf drei KOPRA-Skalen vor: Während Patienten unter 60 Jahren die Patienten-partizipation (F = 3,89; p < 0,05) sowie eine offene Kommunikation (F = 4,68; p < 0,05) als signifikant wichtiger einstufen als die Patienten über 60, bewerten ältere Patienten die Kommunikation über persönliche Verhältnisse durchschnittlich als signifikant wichtiger als die Jüngeren (F = 5,96; p < 0,05). Trotz Signifikanz liegen jedoch nur geringe Mittelwertsun-terschiede vor. Die Korrelationen zwischen Alter und Skalenwerten sind ebenfalls gering und für nur zwei der Skalen signifikant (rPP = -0,07, p = 0,23; rEOK = -0,13, p < 0,05; rKPV = 0,25, p < 0,01).

Diskussion Chronisch kranken Rehabilitanden ist insbesondere eine effektive und offene Kommunikati-on mit ihrem Arzt sehr wichtig.

Passend zu bisherigen Befunden (Street et al., 2003; Swenson et al., 2004) bestätigt die vorliegende Untersuchung, dass sich Patienten unterschiedlichen Alters in ihren Kommuni-kationspräferenzen unterscheiden. Dagegen haben Geschlecht und Indikation keinen Ein-fluss auf die ermittelten Präferenzen.

Die geringen Mittelwertsdifferenzen und Korrelationen zeigen, dass die Kenntnis bestimmter Patientenmerkmale (z. B. Alter) keinen direkten Rückschluss auf Patientenpräferenzen zu-lässt. Die Betrachtung und Berücksichtigung der individuellen Kommunikationspräferenzen des einzelnen Patienten (z. B. durch Rückmeldung der zentralen Fragebogenergebnisse an den behandelnden Arzt) ist deshalb sinnvoll und wünschenswert. Die Entwicklung einer ent-sprechenden Intervention ist im weiteren Projektverlauf geplant.

Literatur Bredart, A., Bouleuc, C., Dolbeault, S. (2005): Doctor-patient communication and satisfac-

tion with care in oncology. Current Opinion in Oncology, 17. 351-354. Farin, E., Gramm, L., Kosiol, D. (eingereicht): Development of a questionnaire to assess

communication preferences of patients with chronic illness. Patient Education and Coun-seling.

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Jahng, K.H., Martin, L.R., Golin, C.E., DiMatteo, M.R. (2005): Preferences for medical col-laboration: patient-physician congruence and patient outcomes. Patient Education and Counseling, 57, 3. 308-314.

Street, R.L., Krupat, E., Bell, R.A., Kravitz, R.L., Haidet, P. (2003): Beliefs about control in the physician-patient relationship: effect on communication in medical encounters. Jour-nal of General Internal Medicine, 18. 609-616.

Swenson, S.L., Buell, S., Zettler, P., White, M., Ruston, D.C., Lo, B. (2004): Patient-centered communication. Do patients really prefer it? Journal of General Internal Medicine, 19. 1069-1079.

Welche Methode empfiehlt sich zur Erfassung von Gesundheitsbewertungen (health valuations) chronisch Kranker?

Farin, E., Meder, M. Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg

Einleitung Ein wesentlicher Aspekt von Patientenorientierung besteht aus der Berücksichtigung der subjektiven Sichtweise des Patienten und seiner Präferenzen, z. B. auch bezogen auf mög-liche, durch eine Rehabilitationsmaßnahme erreichbare, verbesserte Gesundheitszustände (im Englischen als "health valuations" bezeichnet; Farin, 2008). Der vorliegende Beitrag fasst die Ergebnisse mehrerer empirischer Teilstudien zusammen, die im Rahmen des Pro-jekts "Patientenorientierte Veränderungsmessung: Gesundheitsbewertungen und die Beur-teilung der Teilhabe-Relevanz von Behandlungseffekten durch chronisch Kranke" (gefördert vom BMBF im Förderschwerpunkt "Chronische Krankheiten und Patientenorientierung") durchgeführt wurden. Die Forschungsfrage lautete: Welche Methode empfiehlt sich zur Er-fassung der Gesundheitsbewertungen von chronisch Kranken im Kontext von Fragebogen-erhebungen? Methoden, die aufgrund ihrer Komplexität nur im Rahmen von Interviews durchführbar scheinen (wie die Time-Trade-off-Technik oder das Standard-Gamble-Ver-fahren) wurden nicht betrachtet. Auch die Discrete-Choice-Methode schied aus, da sie keine Individualanalyse der Präferenzen ermöglicht. Von den verbliebenen Verfahren wurden in einer aktuellen Publikation (Kriesch, Farin, 2009) die Willingness-to-pay-Methode (WTP), visuelle Analogskalen (VAS) und Ratingskalen zur Wichtigkeitseinschätzung verglichen. Am geeignetsten erwies sich die VAS. Basierend auf diesen Befunden wurde in einer Reihe wei-terer, hier präsentierter Studien die VAS mit einer Ranking-Aufgabe (Craig et al., 2009) ver-glichen.

Methodik Bei der VAS-Methode werden die Rehabilitanden gebeten, auf einer Linie, die eine Skalie-rung von 0 bis 100 aufweist, ihren jetzigen Gesundheitszustand sowie verschiedene Ge-sundheitsszenarien (insgesamt acht) mit einem durch die Rehabilitation möglicherweise er-reichbaren, verbesserten Gesundheitszustand einzuschätzen. Bei der Ranking-Aufgabe sol-len die Befragten die Szenarien bezüglich ihrer subjektiven Wichtigkeit in eine Rangreihe

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stellen. Es wurden kognitive Interviews (Lautes Denken und Verständnisprobe) mit n = 19 Rehabilitanden, eine Fragebogenstudie zur Bestimmung der Retest-Reliabilität (10 Tage vor Reha-Beginn vs. Reha-Beginn) an n = 30 Personen und eine Fragebogenstudie zur Be-stimmung der Verteilungseigenschaften an n = 331 Rehabilitanden durchgeführt. Die beiden letztgenannten Studien beziehen sich auf Patienten mit chronisch-ischämischer Herzkrank-heit (Altersmittelwert: 61,1 Jahre, 82,4 % männlich). Für die Szenarien wurden Gesund-heitsziele ausgewählt, die für kardiologische Rehabilitanden relevant sind (z. B. "weniger Schmerzen und Engegefühle in der Brust haben"; "ohne Beschwerden längere Strecken gehen können").

Ergebnisse Die kognitiven Interviews zeigten, dass die Ranking-Aufgabe gut verständlich ist, dass man-che Personen aber gerne verbundene Ränge vergeben würden. Auch die VAS-Aufgabe schien gut verständlich, allerdings fällt es manchen Rehabilitanden schwer, sich den ver-besserten Gesundheitszustand so konkret vorzustellen, dass sein Gesundheitswert genau quantifiziert werden kann. Die Retest-Reliabilität der VAS (ICC) schwankt je nach Szenario zwischen 0.233 und 0.546 (Median 0.385), die Retest-Reliabilität der Ranking-Aufgaben (Spearmans Rho) zwischen 0.381 und 0.553 (Median 0.430). In der Subgruppe der Perso-nen mit höherem Schulabschluss fallen die Reliabilitätswerte in der Regel besser aus als bei Personen mit Volks- oder Hauptschulabschluss. Der Anteil fehlender Werte ist bei beiden Methoden ähnlich hoch (ca. 5 % nach Anwendung von Ergänzungsalgorithmen). Die Vertei-lung der Werte zeigt etwas günstigere Ergebnisse für die Ranking-Aufgabe, weil hier die Streuung größer ist und der Anteil der auf Unentschiedenheit hindeutenden Antworten ge-ringer ist. Die Übereinstimmung von VAS und Ranking-Aufgaben ist gering, insbesondere bei Personen mit niedrigerem Schulabschluss.

Diskussion Beim Vergleich von VAS und Ranking-Aufgaben ist keine eindeutige Überlegenheit einer der beiden Methoden festzustellen. Die VAS ist aufgrund der Intervallskalierung für be-stimmte Auswertungsstrategien vorteilhaft, die Ranking-Aufgabe besitzt bei Retest-Reliabili-tät und Verteilungseigenschaften leichte Vorteile. Die nur mittelhohe Retest-Reliabilität von Gesundheitsbewertungen sowie die geringe Methodenkonvergenz fanden sich auch in an-deren Studien (Bremner et al., 2007; King et al., 2009) und zeigen weiteren Forschungsbe-darf an. Schlechter ausfallende Gütewerte in der Subgruppe mit niedrigerem Schulab-schluss verweisen darauf, dass es wichtig ist, möglichst verständliche Methoden einzuset-zen, um sozial Benachteiligte nicht durch eine zu komplexe Methodik indirekt von der Präfe-renzerhebung auszuschließen.

Literatur Bremner, K., Tomlinson, G., Krahn, M. (2007): Marker states and a health state prompt pro-

vide modest improvements in the reliability and validity of the standard gamble and rating scale in prostate cancer patients. Quality of Life Research, 16/10. 1665-1675.

Craig, B.M., Busschbach, J.J.V., Salomon, J.A. (2009): Keep it simple: Ranking health states yields values similar to cardinal measurement approaches. Journal of Clinical Epi-demiology, 62/3. 296-305.

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Farin, E. (2008): Patientenorientierung und ICF-Bezug als Herausforderungen für die Er-gebnismessung in der Rehabilitation. Die Rehabilitation, 47. 67-76.

King, J., Tsevat, J., Roberts, M. (2009): Cognitive impairment and preferences for current health. Health and Quality of Life Outcomes. 7/1. 1.

Kriesch, M., Farin, E. (2009): Akzeptanz und Verständlichkeit verschiedener Methoden der Gesundheitsbewertung bei chronisch Kranken: Willingness to pay, visuelle Analogskala und verbale Ratingskala. Gesundheitswesen; EFirst.

Die krankheits- und behandlungsbezogene Informationsbewertung als Grundlage für eine bedarfsgerechte Patienteninformation

Glattacker, M., Heyduck, K., Meffert, C. Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg

Hintergrund Patienten wünschen sich Informationen zu Krankheit und Behandlung (Say et al., 2006); ei-ne Standardinformation erreicht die Patienten jedoch häufig nicht (Turner, Williams, 2002). Daher wird zunehmend gefordert, Patienteninformationen stärker auf die patientenseitigen Informationsbedürfnisse zuzuschneiden. Das Konzept der "subjektiven Informationsbewer-tung" bildet die Übereinstimmung von gegebener Information mit den subjektiven Patienten-bedürfnissen ab. Bezogen auf medikamentenbezogene Informationen liegen Befunde vor, wonach eine größere diesbezügliche Passung mit einer höheren Compliance assoziiert ist (Kendrew et al., 2001). Im Projekt "Bedarfsgerechte Patienteninformation auf der Basis sub-jektiver Konzepte" wird darauf basierend die patientenseitige Bewertung der Informationen bzgl. Krankheit und (medikamentöser sowie rehabilitativer) Behandlung als Grundlage für eine stärker bedarfsorientierte Patienteninformation* herangezogen.

Der Beitrag stellt dar, wie RehabilitandInnen zu Reha-Beginn ihre Informationen über ihre Krankheit und (medikamentöse sowie rehabilitative) Behandlung bewerten, wie die Bewer-tungen der drei Bereiche zusammenhängen und ob sich die Informationsbewertungen zwi-schen Reha-Beginn und Reha-Ende verbessern.

Methodik und Stichprobe Die Operationalisierung der Informationsbewertung bzgl. Medikamenten erfolgte mit der deutschen Version (Mahler et al., 2009) der "Satisfaction with Information about Medicines Scale" (SIMS, 17 Items; (Horne et al., 2001)), die Erfassung der Informationsbewertung bzgl. Krankheit (11 Items) bzw. Rehabilitation (10 Items) über Eigenkonstruktionen (Glatt-acker et al., 2009). Die Datenerhebung fand in neun Reha-Kliniken** der Indikationen Mus- * Das Projekt wird im Rahmen des Förderschwerpunkts "Versorgungsnahe Forschung: Chronische Krank-

heiten und Patientenorientierung" von der DRV Bund gefördert ** Wir danken herzlich den Kooperationskliniken: Fachklinikum Sachsenhof, Bad Elster; Rehabilitationsklinik

Moorbad Bad Doberan, Bad Doberan; AOK Klinik Schlossberg, Bad Liebenzell; Sankt-Rochus-Kliniken, Bad Schönborn; Schön Klinik Harthausen, Bad Aibling; Rehabilitationsklinik Frankenhausen DRV-Bund, Bad Frankenhausen; Rehabilitationsklinik "Garder See", Lohmen; Klinik am Homberg, Bad Wildungen; DE´IGNIS Fachklinik GmbH, Egenhausen; Psychosomatische Fachklinik Schömberg, Schömberg

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kuloskeletale Krankheiten (MSK, 4 Kliniken) und Psychosomatik (Psycho, 5 Kliniken) zu zwei Messzeitpunkten statt (Reha-Beginn und Reha-Ende). Neben der deskriptiven Auswer-tung der Items erfolgte bzgl. zentraler Patientencharakteristika eine Prüfung auf Unterschie-de in der Informationsbewertung (t-Tests für unabhängige Stichproben). Zusammenhänge zwischen verschiedenen Aspekten der Informationsbewertung wurden auf Skalen- und Ite-mebene korrelationsstatistisch (Pearson Korrelation) analysiert. Die Veränderungen in der Informationsbewertung zwischen den beiden Messzeitpunkten wurden mittels t-Tests für abhängige Stichproben auf Signifikanz geprüft, zur Quantifizierung der Effekte werden stan-dardized effect sizes (SES) angegeben. Die Stichprobenbeschreibung findet sich in Tabel-le 1.

MSK Psycho N 93 98 Alter (M, SD) 54,1 (11,4) 49,2 (9,1) Geschlecht (Frauen in %) 60,2 75,5 Reha-Erfahrung ("ja" in %) 57,0 38,8

Tab. 1: Stichprobe (Ngesamt = 191)

Ergebnisse 25 % - 36 % der RehabilitandInnen haben bei Reha-Beginn "zu wenig" und 12 % - 25 % trotz subjektiven Informationsbedarfs keine Informationen zu verschiedenen Aspekten ihrer Erkrankung erhalten. Im Hinblick auf die Rehabilitation rangieren die entsprechenden Häu-figkeiten zwischen 31 % - 37 % ("zu wenig") bzw. 25 % - 34 % ("keine Information trotz Be-darf") und bezogen auf Medikamente zwischen 5 % - 37 % bzw. 3 % - 40 %. Entsprechend sind bis zu 59 % der RehabilitandInnen mit der Information zur Krankheit, bis 71 % mit der Information zur Rehabilitation und bis 59 % mit der Information zu Medikamenten unzufrie-den. RehabilitandInnen mit depressiven Störungen bewerten die Information bzgl. ihrer Me-dikation positiver (p <. 001), ansonsten finden sich zwischen verschiedenen Patientengrup-pen (Diagnose, Geschlecht, Reha-Erfahrung) keine Unterschiede in der Informationsbewer-tung. Die Zusammenhänge der Informationsbewertung zwischen den drei Bereichen liegen auf Skalenebene zwischen r = .26 (Informationsbewertung Rehabilitation*Medikation) und r = .68 (Informationsbewertung Krankheit*Rehabilitation), auf Itemebene korrelieren die Items unterschiedlicher Bereiche überwiegend gering (Maximum r = .61). Indikationsüber-greifend verbessert sich zwischen Reha-Beginn und Reha-Ende die Informationsbewertung bzgl. Krankheit und Rehabilitation signifikant (p < .001), bzgl. Medikamenten bleibt die In-formationsbewertung nahezu stabil. Die Effektgrößen liegen bei -.09 (Medikamente), .32 (Krankheit) und .64 (Rehabilitation), in der Psychosomatik sind die Effekte etwas höher.

Diskussion RehabilitandInnen mit Rückenschmerzen und depressiven Störungen äußern trotz teilweise langer Krankheitsdauer und Reha-Erfahrung bezogen auf die Erkrankung und (medikamen-töse sowie rehabilitative) Behandlung erheblichen subjektiven Informationsbedarf; die Zu-sammenhänge zwischen den drei Bereichen liegen dabei maximal in mittlerer Höhe. Zu Re-ha-Ende verbessert sich insbesondere die Informationsbewertung bzgl. der Rehabilitation. Zusammenfassend scheint das Konzept der subjektiven Informationsbewertung geeignet, den Informationsbedarf der RehabilitandInnen aufzuzeigen. Hierdurch können Patientenin-

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formationen stärker auf die patientenseitigen Bedürfnisse zugeschnitten und damit patien-tenorientierter gestaltet werden.

Literatur Glattacker, M., Heyduck, K., Meffert, C. (2009): Wie bewerten Rehabilitandinnen und Reha-

bilitanden mit chronischen Rückenschmerzen und depressiven Störungen ihre Informati-on zu Krankheit und Rehabilitation? Vortrag beim 8. Kongress für Versorgungsforschung vom 01.-03.10.2009 in Heidelberg. Zeitschrift für Allgemeinmedizin. 83-84.

Horne, R., Hankins, M., Jenkins, R. (2001): The satisfaction with information about Medi-cines Scale (SIMS): a new measurement tool for audit and research. Quality in Health Care, 10. 135-140.

Kendrew, P., Ward, F., Buick, D., Wright, D., Horne, R. (2001): Satisfaction with information and its relationship with adherence in patients with chronic pain. The International Journal of Pharmacy Practice, 9. 5.

Mahler, C., Jank, S., Herrmann, K., Horne, R., Ludt, S., Haefeli, W.E., Szecsenyi, J. (2009): Psychometric properties of the German version of the "Satisfaction with information about Medicines Scale" (SIMS-D). Value in Health [Epub ahead of print].

Say, R., Murtagh, M., Thomson, R. (2006): Patients' preference for involvement in medical decision making: A narriative review. Patient Education and Counseling, 60. 102-114.

Turner, P., Williams, C. (2002): Informed consent: patients listen and read, but what informa-tion do they retain? The New Zealand Medical Journal, 115. 1-7.

Entwicklung einer Intervention zur bedarfsgerechten Patienteninformation für Rehabilitandinnen und Rehabilitanden auf der

Basis subjektiver Konzepte

Heyduck, K., Glattacker, M., Meffert, C. Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg

Hintergrund Verschiedene nationale und internationale Studien zeigen, dass Patienten ein starkes In-formationsbedürfnis haben (Say et al., 2006), wobei insbesondere Informationen über die Krankheit und die Behandlung von Bedeutung sind (Ankem, 2005). Eine Standardinformati-on erreicht die Patienten jedoch häufig nicht (Barber et al., 2004). Es wird daher zunehmend gefordert, die Patienteninformation stärker auf die individuellen Bedarfe der Patienten zuzu-schneidern und dabei auch die bestehenden patientenseitigen Erklärungsmodelle mit zu be-rücksichtigen (Salewski, 2004).

Im Rahmen des Forschungsprojekts "Bedarfsgerechte Patienteninformation für Rehabilitan-dInnen auf der Basis subjektiver Konzepte" wurde eine Intervention zur bedarfsorientierten Patienteninformation entwickelt. Basis für die Ableitung des individuellen Informationsbe-darfs sind dabei die subjektiven Vorstellungen der Patienten zu ihrer Krankheit und medi-kamentösen und rehabilitativen Behandlung sowie die patientenseitige Bewertung der bis-

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lang erhaltenen Informationen. Ziel der Intervention ist es, den abgeleiteten Informationsbe-darf gezielt im Patient-Behandler-Gespräch zu thematisieren.

Konzept der Intervention Vor Beginn der Rehabilitation werden die subjektiven Krankheits- und Behandlungskonzepte der Patienten sowie deren Bewertung der bisher erhaltenen Informationen über sechs In-strumente* in einem Fragebogen erhoben, welcher den Patienten von der Rehabilitations-einrichtung zugesandt wird. Die Patienten füllen den Fragebogen zu Hause aus und senden ihn dann (in anonymisierter Form) an die Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin am Universitätsklinikum Freiburg, wo die Daten mittels eines eigens dafür entwickelten Computerprogramms eingeben und ausgewertet werden. Die Ergebnisse werden den Re-habilitationskliniken dann in Form eines sog. "Rückmeldebogens" bis zur Aufnahme des betreffenden Patienten per E-Mail oder Fax zugeschickt. Der "Rückmeldebogen" zeigt den Behandlern auf, was die Patienten über ihre Erkrankung und Behandlung denken und wie sie die Informationen, die sie bislang zu verschiedenen Aspekten der Erkrankung und Be-handlung erhalten haben, bewerten. Im Rahmen der Intervention werden die Inhalte des Rückmeldebogens dann mit dem Patienten thematisiert. Das Profil der subjektiven Konzep-te soll dabei eine Basis bieten, um eine Diskussion mit dem Patienten anzustoßen, deren Ziel es ist, möglichst viel über die patientenseitigen Überzeugungen zu erfahren und diese als Anknüpfungspunkt für die Patienteninformation zu nutzen.

Der konzeptionelle Rahmen der Intervention sieht vor, dass diese von Ärzten und Psycho-logen durchgeführt wird und pro Patient insgesamt etwa 60 Minuten in Anspruch nimmt. Die Intervention wird dabei in drei ca. 20minütige Blöcke aufgeteilt - zwei Blöcke werden zu Re-ha-Beginn und ein Block zu Reha-Ende umgesetzt.

Implementation und erste Ergebnisse Die beteiligten Mitarbeiter in den Rehabilitationskliniken wurden im Rahmen einer dreistün-digen Schulung auf die Interventionsdurchführung vorbereitet. An den Schulungen, die von Mai bis August 2009 stattfanden, nahmen insgesamt n = 76 Behandler teil, wobei die Teil-nehmerzahl in den einzelnen Kliniken zwischen 5 und 15 variierte. Die Bewertung der Be-handlerschulung fiel mit einer Durchschnittsnote** von 1,6 insgesamt gut aus. Vor allem die umfangreichen Schulungsmaterialien mit Interventionsmanual (M = 1,4)*** und die Diskussi-onsmöglichkeiten bezüglich der Intervention (M = 1,6) wurden von den Teilnehmern positiv bewertet. Im Hinblick auf die Umsetzbarkeit der Intervention bestanden jedoch teilweise noch Bedenken (M = 2,3).

* Illness Perception Questionnaire-Revised (IPQ-R), Beliefs about Medicines Questionnaire (BMQ), Satisfac-

tion with Information about Medicines Scale (SIMS) sowie in Vorstudien selbst entwickelte Instrumente zur Erfassung des rehabilitationsbezogenen Behandlungskonzepts (BRQ) und der Informationsbewertung bzgl. Krankheit (SILS) und Rehabilitation (SIRS)

** Skala von 1=sehr gut bis 9=mangelhaft *** Skala von 1=sehr zufrieden bis 6=sehr unzufrieden

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Seit August 2009 wird die Intervention zur bedarfsgerechten Patienteninformation in neun stationären Rehabilitationseinrichtungen der Indikationen Psychosomatik und Muskuloskele-tale Erkrankungen umgesetzt****. Zielgruppe sind Patienten mit chronischen Rückenschmer-zen bzw. depressiven Störungen. Bis Februar 2010 sollen n = 200 Patienten eingeschlos-sen werden.

Anfang 2010 werden die ersten Ergebnisse der Prozessdokumentation vorliegen, und einen erster Eindruck bezüglich der Umsetzbarkeit und Akzeptanz der Intervention vermitteln.

Diskussion Durch die individuelle Maßschneiderung der Informationen zur Erkrankung und Behandlung wird eine größere Passung zwischen vermittelten Informationen und spezifischen Patienten-bedürfnissen erreicht. Es wird erwartet, dass dies nicht nur zu höherer Zufriedenheit bei den Patienten führt, sondern sich letztlich auch in Verbesserungen verschiedener gesundheits-bezogener Outcomes der Rehabilitation niederschlägt.

Literatur Ankem, K. (2005): Types of information needs among cancer patients: A systematic review.

LIBRES: Library and Information Science Research, 15(2). Available at http://libres.curtin. edu.au/libres15n2/index.htm.

Barber, N., Parsons, J., Clifford, S., Darracott, R., Horne, R. (2004): Patients’ problems with new medication for chronic conditions. Quality and Safety in Health Care, 13. 172-175.

Salewski, C. (2004): Krankheitsbewältigung: Eine Standortbestimmung. In: Petermann, F., Ehlebracht-König, I. (Hrsg.): Motivierung, Compliance und Krankheitsbewältigung. Re-gensburg: Roderer. 137-155.

Say, R., Murtagh, M., Thomson, R. (2006): Patients' preference for involvement in medical decision making: A narritive review. Patient Education and Counseling, 60. 102-114.

**** Wir danken herzlich unseren Kooperationskliniken: Fachklinikum Sachsenhof (Bad Elster), Rehabilitations-

klinik "Moorbad Bad Doberan" (Bad Doberan), Sankt-Rochus-Kliniken (Bad Schönborn), Schön Klinik Hart-hausen (Bad Aibling), Rehabilitationsklinik Frankenhausen (Bad Frankenhausen), Rehabilitationsklinik "Garder See" (Lohmen), Klinik am Homberg (Bad Wildungen), Psychosomatische Fachklinik Schömberg (Schömberg) und De Ignis Fachklinik (Egenhausen).

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Gesundheitsbewertungen bei Patienten mit chronisch-ischämischer Herzkrankheit: Geschlechtsunterschiede und Einflussfaktoren

Meder, M., Farin, E. Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg

Hintergrund und Fragestellung In der Rehabilitation chronisch kranker Patienten stehen häufig verschiedene Zielbereiche zur Auswahl (z. B. somatische, funktionale, psychosoziale). Wie diese unterschiedlichen Be-reiche in der Therapie oder auch bei der Bewertung der Behandlungsergebnisse gewichtet werden, hängt nicht zuletzt von den individuellen Präferenzen des Patienten ab (Bradley et al., 1999). Das Projekt "Patientenorientierte Veränderungsmessung: Gesundheitsbewertun-gen und die Beurteilung der Teilhabe-Relevanz von Behandlungseffekten durch chronisch Kranke" (gefördert vom BMBF im Förderschwerpunkt "Chronische Krankheiten und Patien-tenorientierung") befasst sich mit der Frage, wie Patienten verschiedene potenziell erreich-bare Gesundheitszustände bewerten (Kriesch, Farin, 2009). Dabei wird aufgrund vorliegen-der Studien (z. B. Dolan, Roberts, 2002) vermutet, dass die Gesundheitsbewertungen von einer Reihe soziodemografischer, medizinischer und psychosozialer Charakteristika beein-flusst werden.

Der vorliegende Beitrag fokussiert auf folgende Fragestellungen:

1. Wie bewerten Patienten mit chronisch-ischämischer Herzkrankheit verschiedene, durch eine Rehabilitationsmaßnahme erreichbare Gesundheitszustände?

2. Unterscheiden sich die Gesundheitsbewertungen von Männern und Frauen voneinan der?

3. Welche weiteren soziodemografischen, medizinischen und psychosozialen Faktoren (z. B. Krankheitsstadium, psychosoziale Belastung) beeinflussen die patientenseitigen Gesundheitsbewertungen?

Methode An der Fragebogenstudie, die seit September 2008 in insgesamt sieben stationären Rehabi-litationseinrichtungen durchgeführt wird, nehmen 331 Rehabilitanden mit chronisch-ischämischer Herzkrankheit teil (Altersmittelwert: 61,1 Jahre, 82,4 % männlich). Die Erfas-sung der Gesundheitsbewertungen erfolgt mittels visueller Analogskalen (VAS). Den Patien-ten werden insgesamt acht verschiedene (hypothetische) Gesundheitszustände beschrie-ben, die sie auf einer VAS von 0 (schlechtester vorstellbarer Gesundheitszustand) bis 100 (bester vorstellbarer Gesundheitszustand) bewerten sollen. Als potenzielle Prädiktoren der Gesundheitsbewertungen enthält das Instrument neben soziodemografischen Fragen gene-rische und erkrankungsspezifische Skalen zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Zu-sätzlich werden medizinische Basisdaten wie die Chronifizierung, die Komorbidität oder die Behandlungsmotivation über den behandelnden Arzt erhoben. Für die Analysen werden t-Tests für abhängige Stichproben und lineare Regressionsanalysen eingesetzt.

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Ergebnisse Die Gesundheitsbereiche "Selbstversorgung und häusliches Leben" und "Mobilität" erhalten von den Patienten die höchsten Werte auf der VAS. Am wenigsten präferiert werden die Be-reiche "Schmerzreduktion" und "Krankheitsinformation". Die Unterschiede zwischen den am höchsten und den am niedrigsten bewerteten Gesundheitsbereichen sind statistisch signifi-kant (p < 0.01). Bei den erwerbstätigen Männern ist zusätzlich zu den genannten Bereichen die "berufliche Teilhabe" von Bedeutung, während den Frauen "gesellschaftliche und famili-äre Teilhabe" und "Gesundheitsverhalten" wichtig sind. Eine statistische Signifikanz dieser Geschlechtsunterschiede lässt sich nicht nachweisen. Allerdings ist die Teststärke aufgrund der ungleichen Stichprobengrößen (nur ca. 18 % Frauen) nicht sehr hoch. Im Rahmen mul-tivariater Analysen verliert der Geschlechtsfaktor an Bedeutung. Relevante Prädiktoren sind die physische, soziale und emotionale Eingangsbelastung. Bei einigen Gesundheitsberei-chen spielen auch der Familienstand, die Schulbildung oder das Alter eine Rolle. Insgesamt erklären die betrachteten Prädiktoren 15 - 29 % der Varianz der Gesundheitsbewertungen. Dieser Prozentsatz steigt beträchtlich, wenn man einzelne Subgruppen der Gesamtstich-probe (z. B. jüngere Patienten oder Patienten mit höherer Schulbildung) isoliert betrachtet. In der Subgruppe der jüngeren Patienten (< 65 Jahre) beträgt die Varianzaufklärung bis zu 41 %, in der Subgruppe der Patienten mit höherer Schulbildung sogar bis zu 47 %.

Diskussion Die untersuchten Gesundheitsbereiche werden von den Patienten durchaus unterschiedlich bewertet. Dabei stellt die Eingangsbelastung des Patienten den bedeutendsten Einflussfak-tor dar. Es fällt auf, dass die Prädiktorkraft der untersuchten Variablen in den Subgruppen der jüngeren Patienten oder der Patienten mit höherer Schulbildung im Vergleich zur Ge-samtstichprobe deutlich höher ist. Eine mögliche Erklärung der unterschiedlich guten Pas-sung des Prädiktionsmodells für die verschiedenen Subgruppen könnte in der Komplexität der verwendeten Methodik begründet sein. Es ist daher umso wichtiger, Methoden zur Er-fassung von Gesundheitsbewertungen zu entwickeln, die einfach und gut verständlich sind, um nicht von vorne herein bestimmte Personengruppen zu benachteiligen.

Literatur Bradley, E.H., Bogardus, S.T., Tinetti, M.E., Inouye, S.K. (1999): Goal-setting in clinical

medicine. Social Science & Medicine, 49 (2). 267-278. Dolan, P., Roberts, J. (2002): To what extent can we explain time trade-off values from other

information about respondents? Social Science & Medicine, 54 (6). 919-929. Kriesch, M., Farin, E. (2009): Akzeptanz und Verständlichkeit verschiedener Methoden der

Gesundheitsbewertung bei chronisch Kranken: Willingness to pay, visuelle Analogskala und verbale Ratingskala. Gesundheitswesen, (EFirst).

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Parzivar - Eine Intervention zur partizipativen Vereinbarung "smarter" Ziele zwischen Arzt und RehabilitandInnen - erste Erfahrungen

Dibbelt, S. (1), Dudeck, A. (2), Glattacker, M. (2), Greitemann, B. (1), Jäckel, W.H. (2) (1) Institut für Rehabilitationsforschung an der Klinik Münsterland,

Deutsche Rentenversicherung Westfalen, Bad Rothenfelde, (2) Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg

Hintergrund Mit Patienten individuelle Ziele auszuhandeln und deren Erreichung zu verfolgen ist eine erwünschte Praxis in der Rehabilitation. Evidenz aus Motivations- und Volitionsforschung unterstreicht die Bedeutung individueller, wohl definierter und funktionsorientierter Ziele, die von Arzt und Patient geteilt werden (Vogel et al., 1994; Kanfer et al., 2006; Wade, 2009).

Andererseits haben Studien gezeigt, dass es ernsthafte Kommunikationsbarrieren bei der Aushandlung von Rehazielen zu geben scheint, die eine angemessene Diskussion und Er-arbeitung gemeinsamer Ziele von Patient und Arzt (oder Therapeut) verhindern (Meyer et al., 2009).

Im Projekt Parzivar (Partizipative Zielvereinbarung mit Rehabilitanden)* wurde eine "Schritt-für-Schritt"-Intervention zur Aushandlung von Rehazielen mit Patienten entwickelt. Ärzte und Behandler wurden darin trainiert, individuelle, quantifizierte Behandlungsziele mit Patienten auszuhandeln, die an wichtige Patientenanliegen anknüpfen (Dibbelt et al., 2009). Die Ziele und die Zielerreichung werden gemeinsam mit dem Patienten während des Aufenthaltes und bei Entlassung bilanziert, überprüft und ggf. angepasst. Die Effektivität der Intervention wird gegenwärtig in einer kontrollierten sequentiellen Prä-Post-Studie hinsichtlich zahlrei-cher Outcomes überprüft. Beteiligt sind Patienten mit chronischen Rückenschmerzen, koro-narer Herzkrankheit und Diabetes Mellitus II in drei Kooperationskliniken. In diesem Beitrag beschreiben wir die Prozedur und die einzelnen Schritte der partizipativen Zielvereinbarung und geben Beispiele von Zielbearbeitungen sowie von dabei auftretenden Problemen.

Methode Die Zielbearbeitung sieht die folgenden Schritte vor: (1) Möglichst wörtliche Notierung der Probleme & Anliegen des Patienten; (2) Positive, realistische Zielvorstellung finden (Leitfra-ge: Was ist Ihnen wichtig, was möchten Sie wieder können? (3) Indikatoren für die Zielerrei-chung festlegen (Leitfrage: Woran erkenne ich, dass eine Veränderung, eine Verbesserung eingetreten ist?) Die eigentliche Zieldefinition besteht aus Ist- und Sollzustand dieses Indika-tors, z. B.: die Gehstrecke von 100 auf 200 m erweitern). Zusätzlich können Randbedingun-gen genannt werden: z. B. 200 m gehen ohne Unterbrechungen oder ohne Schmerzen. (4) Maßnahmen benennen und ihren Beitrag zur Zielerreichung erläutern (z. B. Wie genau trägt die Maßnahme zur Zielerreichung bei? Welche positiven Wirkungen werden in Bezug auf das Ziel erwartet? (5) Des Weiteren sollen die Zielerreichung nach der Hälfte und am

* Wir danken herzlich den Kooperationskliniken: Klinik Rosenberg, Bad Driburg (Dr. H. Fischer), Marbachtalkli-

nik, Bad Kissingen (Dr. M. Best), Klinik Münsterland, Bad Rothenfelde (Prof. Dr. B. Greitemann), RehaKlini-kum, Bad Säckingen (Prof. Dr. W.H. Jäckel), Klinik Königsfeld, Ennepetal (Prof. Dr. M. Karoff), Klinik Möhne-see, Möhnesee-Körbecke (Dr. R. Schubmann).

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Ende des Aufenthaltes bilanziert und Ziele für die Zeit nach Entlassung (barriereorientiert) erarbeitet und vereinbart werden. Auf dem für die partizipative Zielvereinbarung entwickel-ten Formular (Parziform) können bis zu drei Ziele bearbeitet werden.

Ergebnisse Die Durchsicht von bisher 46 erfolgten Zielbearbeitungen mit Patienten mit chronischen Rü-ckenschmerzen zeigte das Folgende: In 44 Fällen (96 %) wurden zwei oder drei Anfangszie-le vereinbart. In 45 Fällen (98 %) erfolgte eine Zwischenbilanz, in 43 Fällen (93 %) eine Endbilanz. Ebenfalls in 93 % der Fälle wurden mit dem Arzt Ziele nach der Reha vereinbart. Die am häufigsten vereinbarten Anfangsziele waren schmerzbezogen (93 %), gefolgt von "Funktions"-Zielen (z. B. stehen, bücken, heben, tragen, gehen) mit 43 %. Bei der Hälfte der Patienten (23) war mindestens ein dokumentiertes Ziel auf der Ebene von Aktivitäten und Teilhabe formuliert. Bei 43 Patienten wurde mindestens ein quantifiziertes Ziel vereinbart, am häufigsten mithilfe die VAS-Schmerzskala (n = 11), gefolgt von der Geh-Strecke oder -Dauer (n = 7), Gewichtsabnahme (n = 6), Gewichtheben (n = 5) und Dauer einer sportli-chen Betätigung. In 10 Fällen wurden auch aktivitätsbezogene Ziele quantifiziert. Beispiele hierfür sind: Treppensteigen (Anzahl der Stufen) oder Dauer der Gartenarbeit. Auf die Mehrdimensionalität von Zielen weisen Angaben zu Randbedingungen hin, die dabei ge-nannt werden, wie "Schuhe anziehen ohne Schmerzen" oder "500 m gehen ohne Unterbre-chung".

Diskussion Diese ersten Ergebnisse zeigen, dass die partizipative Zielvereinbarung eine differenziertere Formulierung und Bilanzierung der Rehaziele anregen kann. Die benötigten Ressourcen (Zeit, Personal) müssen allerdings zur Verfügung stehen. Der partizipative Ziel-Dialog und die Dokumentation der erarbeiteten Ziele verlängern die durchschnittliche Dauer des Auf-nahmegespräches um 10 bis 15 Minuten, ermöglichen aber einen wirklichen Austausch zwi-schen Arzt und Patient. Analog zum Vorgehen bei der gemeinsamen Entscheidungsfindung (Shared decision making) liefert der partizipative Ziele-Dialog ein Gerüst notwendiger Schrit-te zur Optimierung der Zielbearbeitung im Rahmen der ärztlichen oder therapeutischen Rou-tinebetreuung.

Literatur Dibbelt, S., Schaidhammer-Placke, M., Glattacker, M., Dudeck, A. (2009): Partizipative Ziel-

vereinbarung in der Rehabilitation - Eine Intervention zur Optimierung der Kommunikation zwischen Arzt und Rehabilitand. DRV-Schriften, Bd. 83. 58-59.

Kanfer, F.H., Reinecker, H., Schmelzer, D. (2006): Selbstmanagement-Therapie. Ein Lehr-buch für die klinische Praxis. 4. Auflage, Berlin: Springer-Verlag.

Meyer, T., Pohontsch, N., Maurischat, C., Raspe, H. (2009): Zielfestlegungen in der statio-nären somatischen Rehabilitation - die Herausforderung bleibt. Die Rehabilitation, 48. 128-134.

Vogel, H., Tuschhoff, T., Zillessen, E. (1994): Die Definition von Rehabilitationszielen als Herausforderung für die Qualitätssicherung. Deutsche Rentenversicherung, 11. 751-764.

Wade, D. (2009): Goal setting in rehabilitation: an overview of what, why and how. Clin Re-habil, 23. 291.

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Patientenorientierung (Poster)

Reha-Zielvereinbarungen - Nutzen, Barrieren und Erfordernisse aus BehandlerInnensicht

Dudeck, A. (1), Glattacker, M. (1), Gustke, M. (1), Dibbelt, S. (2), Greitemann, B. (2), Jäckel, W.H. (1,3)

(1) Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, (2) Institut für Rehabilitationsforschung an der Klinik Münsterland, Deutsche Rentenversicherung Westfalen, Bad Rothenfelde, (3) Hochrhein-Institut für

Rehabilitationsforschung und RehaKlinikum, Bad Säckingen

Hintergrund Während auf die Bedeutung der Vereinbarung von Rehabilitationszielen seit langem und fortdauernd hingewiesen wird, gilt die Umsetzung in der Rehabilitationspraxis als noch opti-mierungsbedürftig, was u. a. die Beteiligung der RehabilitandInnen an der Zielfestlegung be-trifft (Meyer et al., 2009; Playford et al., 2009; Schliehe, 2009; Korsukéwitz, 2008). In dem Projekt "PARZIVAR"* wird ein Trainingsmodul zur partizipativen Zielvereinbarung in der sta-tionären medizinischen Rehabilitation entwickelt und anhand der Diagnosegruppen "Chroni-scher Rückenschmerz", "Diabetes mellitus" und "Koronare Herzkrankheit" evaluiert. Der ers-te Projektschritt beinhaltet eine Ist-Analyse der gegenwärtigen Praxis von Zielvereinbarun-gen in der Rehabilitation. In diesem Rahmen wurde der Frage nachgegangen, welchen Nut-zen und welche Barrieren BehandlerInnen hinsichtlich Reha-Zielvereinbarungen in der Pra-xis sehen und was sie als notwendig erachten, um diesem Thema gerecht zu werden. Im vorliegenden Beitrag werden die Ergebnisse einer Analyse von Freitextangaben zu diesen Fragen aus einer behandlerInnenseitigen Fragebogenerhebung dargestellt.

Methodik und Stichprobe Die Datenerhebung fand im Zeitraum Juni bis August 2008 in je zwei Rehabilitationsklini-ken** der genannten Indikationsbereiche statt. Der für das Projekt entwickelte Fragebogen beinhaltet neben überwiegend geschlossenen Fragen zur gegenwärtigen Praxis bezüglich Zielvereinbarungen u. a. je eine offene Frage zur Einschätzung von Nutzen, Barrieren (Schwierigkeiten) und Erfordernissen hinsichtlich Reha-Zielvereinbarungen. Es liegen Daten von n = 40 BehandlerInnen vor. Die Freitextangaben wurden wörtlich extrahiert und durch zwei Wissenschaftler unabhängig voneinander zu Kategorien (teilweise mit Unterkategorien)

* Entwicklung und Evaluation eines Trainingsmoduls zur partizipativen Vereinbarung von Zielen in der statio-

nären medizinischen Rehabilitation; gefördert von der Deutschen Rentenversicherung Bund im Rahmen des Förderschwerpunkts "Versorgungsnahe Forschung: Chronische Krankheiten und Patientenorientie-rung"

** Wir danken herzlich den Kooperationskliniken: Klinik Rosenberg, Bad Driburg (Dr. H. Fischer), Marbach-talklinik, Bad Kissingen (Dr. M. Best), Klinik Münsterland, Bad Rothenfelde (Prof. Dr. B. Greitemann), Re-haKlinikum, Bad Säckingen (Prof. Dr. W.H. Jäckel), Klinik Königsfeld, Ennepetal (Prof. Dr. M. Karoff), Klinik Möhnesee, Möhnesee-Körbecke (Dr. R. Schubmann).

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zusammengefasst. Diskrepanzen wurden diskutiert und ein Konsens hergestellt. Die befrag-ten BehandlerInnen sind im Durchschnitt M=46,0 Jahre alt (Range=23-61, SD=10,6) und zu 47,5 % (n = 19) weiblich. Vertreten sind ÄrztInnen (40 %, n = 16), PsychologInnen (20 %, n = 8), TherapeutInnen (25 %, n = 10), eine Pflegekraft und andere (10 %, n = 4) (n = 1 kei-ne Angabe). 72,5 % (n = 29) der BehandlerInnen haben mehr als 10 Jahre Berufserfahrung; 42,5 % (n = 17) haben eine Leitungsfunktion inne.

Ergebnisse Alle BehandlerInnen äußern sich zum Nutzen der Besprechung von Reha-Zielen. Die insge-samt n = 99 Nennungen lassen sich den Bereichen (Oberkategorien) Motivation und Com-pliance (47), Reha-Erfolg (26), Empowerment (22) und Transparenz (4) bzw. entsprechen-den Unterkategorien (z. B. Reha-Erfolg: Effektivität/Effizienz der Rehabilitation, Patienten-/Behandlerzufriedenheit, Erfolgskontrolle) zuordnen.

n = 34 BehandlerInnen machen konkrete Angaben zu Schwierigkeiten hinsichtlich der Be-sprechung von Reha-Zielen (n = 55 Nennungen). Relevante Bereiche (Oberkategorien) sind hier Personbezogene Faktoren Patient (16), Mangelndes Vorwissen/Überforderung (15), Strukturelle Faktoren (12), Arzt-Patient-Kooperation (10) und der Prozess der Zielverfolgung (2) mit jeweiligen Unterkategorien (z. B. Strukturelle Faktoren: Zeitaufwand, Mangel an In-strumenten).

Erforderlich, um dem Thema Reha-Ziele im Klinikalltag gerecht zu werden (n = 56 Nennun-gen von n = 36 BehandlerInnen), sind aus BehandlerInnensicht interdisziplinäre Zusammen-arbeit, Austausch und Abstimmung im Reha-Team (11), Information, Schulung und Be-wusstseinsbildung (8), feste Termine für Zielgespräche und Aufgreifen des Themas (7), eine angemessene Patient-Behandler-Kommunikation (7), Zeit (6), klare teaminterne Regelun-gen hinsichtlich Vorgehen, Zuständigkeiten und Zugänglichkeit (6), ein elaborierter Umgang mit Zielen (6) und weitere strukturelle/organisatorische Voraussetzungen (5).

Diskussion BehanderInnen äußern differenzierte Einschätzungen zu Nutzen, Schwierigkeiten und Er-fordernissen hinsichtlich Reha-Zielvereinbarungen in der Praxis. Insbesondere Barrieren und Notwendigkeiten verweisen auf Herausforderungen und Entwicklungspotenzial hinsicht-lich der Umsetzung und zeigen konkrete Ansatzpunkte im Sinne von zu schaffenden Vor-aussetzungen sowie möglichen Interventionsinhalten auf. Mit einer zusätzlichen Heranzie-hung behandlerseitiger Angaben zu Aspekten der tatsächlichen Umsetzung lässt sich dies sinnvoll ergänzen.

Literatur Korsukéwitz, C. (2008): Medizinische Rehabilitation: Den Patienten dort abholen, wo er

steht. Deutsches Ärzteblatt, 105 (44). A-2312. Meyer, T., Pohontsch, N., Raspe, H. (2009): Zielfestlegungen in der stationären somati-

schen Rehabilitation - die Herausforderung bleibt. Die Rehabilitation, 48. 128-134. Playford, D., Siegert, R., Levack, W., Freeman, J. (2009): Areas of consensus and contro-

versy about goal setting in rehabilitation: a conference report. Clinical Rehabilitation, 23. 334-344.

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Schliehe, F. (2009): Zielvereinbarungen in der medizinischen Rehabilitation. Die Rehabilita-tion, 48. 127.

Partizipative Entscheidungsfindung, Behandlungsakzeptanz und Patientenzufriedenheit in der medizinischen Rehabilitation

Steger, A.-K., Ehrhardt, H., Körner, M. Abteilung für Medizinische Soziologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Hintergrund Als positive Effekte von Partizipativer Entscheidungsfindung werden immer wieder eine bes-sere Behandlungsakzeptanz und ein höheres Maß an Patientenzufriedenheit aufgeführt (Loh et al., 2007; Joosten et al., 2008). Diese Ergebnisse stammen jedoch aus dem Akutbe-reich oder der hausärztlichen Versorgung. Für die medizinische Rehabilitation fehlen bisher noch empirische Studien hierzu. Die vorliegende Arbeit hatte deshalb zum Ziel, zu überprü-fen, ob sich auch in der medizinischen Rehabilitation Zusammenhänge zwischen dem Ent-scheidungsstil, Behandlungsakzeptanz und Patientenzufriedenheit finden.

Methodik In einer Querschnittserhebung wurden in 17 Rehabilitationskliniken verschiedener Indikati-onsbereiche insgesamt n = 1.279 Patienten zum Thema Partizipation, Behandlungsakzep-tanz und Patientenzufriedenheit in der medizinischen Rehabilitation befragt. Der Fragebo-gen umfasst u. a. Skalen zu Beteiligung am und Zufriedenheit mit dem Entscheidungspro-zess (PEF-FB; Simon et al., 2006; Man-Song-Hing et al., 1999). Die Behandlungsakzeptanz wurde anhand selbst entwickelter Items, die Patientenzufriedenheit mittels des standardi-sierten Fragebogens Zuf-8 (Schmidt et al., 1989) erhoben.

Ergebnisse Für die Erhebung konnten n = 654 Patienten gewonnen werden, was einem Rücklauf von 51 % entspricht. Die Ergebnisse beruhen auf einem vorläufigen Datensatz von n = 467 Pati-enten. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei M = 55 Jahren (SD = 14,43); 52,2 % der Patienten waren männlich. Das Ausmaß der Beteiligung am Entscheidungsprozess gemes-sen mittels PEF-FB korreliert mit r = 0.34 (p < 0.001) mit Behandlungsakzeptanz. Es findet sich ebenso eine positive Korrelation von r = 0.37 (p < 0.00) mit Patientenzufriedenheit. Die Zufriedenheit mit dem Entscheidungsprozess gemessen mittels Man-Song-Hing-Skala kor-reliert mit r = -0.62 (p < 0.001) mit der Behandlungsakzeptanz, wobei kleinere Werte eine höhere Zufriedenheit anzeigen. Die Korrelation mit Patientenzufriedenheit beträgt ebenfalls r = -0.62 (p < 0.001). Die Einschätzung, wer die Behandlungsentscheidung getroffen hat (Skala: Nur Sie selbst = 1 bis Nur Ihre Behandler = 5) weist weder Zusammenhänge mit der Behandlungsakzeptanz (r = -0.07, p = 0.13) noch der Patientenzufriedenheit (r = 0.05, p = 0.33) auf.

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Diskussion Zwischen dem Ausmaß, in dem Patienten an Behandlungsentscheidungen beteiligt werden, Behandlungsakzeptanz und Patientenzufriedenheit bestehen Zusammenhänge. Ob diese Zusammenhänge jedoch kausal sind, von einer Moderator- oder Mediatorvariablen be-stimmt werden, ist an dieser Stelle nicht abschließend zu klären. Zunächst paradox scheint es zu sein, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Person, welche die Entscheidung trifft, Behandlungsakzeptanz und Patientenzufriedenheit gibt. Hier ist anzunehmen, dass der Prozess der Entscheidungsfindung einen größeren Einfluss auf beide Variablen hat, als wer letztendlich die Entscheidung getroffen hat. Eine explizite Diskussion der Behandlungser-wartungen, wie es Teil der partizipativen Entscheidungsfindung ist, könnte zu realistischeren Erwartungen der Patienten führen. Wie aus anderen Studien bereits bekannt ist (Jacob, Bengel, 2002), weist die Erwartungserfüllung am Ende der Rehabilitation einen hohen Zu-sammenhang mit der Patientenzufriedenheit auf. Ebenso denkbar sind Zusammenhänge zwischen der Entscheidungsfindung, der Behandler-Patient-Beziehung, Behandlungsakzep-tanz und Patientenzufriedenheit. Hier könnte man annehmen, dass die Beteiligung des Pati-enten zu einer besseren Behandler-Patient-Beziehung führt, die sich dann wiederum positiv auf Behandlungsakzeptanz und Zufriedenheit auswirkt.

Schlussfolgerung Es besteht weiterer Forschungsbedarf ob und ggf. wie sich die Beteiligung von Patienten am Entscheidungsprozess auf andere Variablen wie z. B. die Qualität der Behandler-Patient-Beziehung oder Erwartungen an die Rehabilitationsmaßnahme auswirkt.

Literatur Joosten, E., DeFuentes-Merillas, L., Weert, G.H. de, Sensky, T., van der Staak, C., Jong, C.

de (2008): Systematic Review of the Effects of Shared Decision-Making on Patient Satis-faction, Treatment Adherence and Health Status. Psychotherapy and Psychosomatics, 77. 219-266.

Jacob, G., Bengel, J. (2002): Patientenzufriedenheit in der medizinische Rehabilitation: Der Einfluss von Erwartungen, Depressivität, Lebenszufriedenheit und subjektiver Gesund-heit. Verhaltenstherapie und Verhaltensmedizin. 23. 401-418.

Loh, A., Simon, D., Härter, M. (2007): Effekte der Patientenbeteiligung in der Grundversor-gung depressiver Patienten. Höhere Therapietreue und bessere Behandlungsergebnisse. Klinikarzt, 36. 38-41.

Man-Song-Hing, M., Laupacis, A., O'Connor, A., Biggs, J., Drake, E., Yetsir, E., Hart, R. (1999): A Patient Decision Aid Regarding Antithrombotic Therapy for Stroke Prevention in Atrial Fibrillation. A Randomized Controlled Trial. Journal of the Medical Association, 282. 737-743.

Simon, D., Schorr, G., Wirtz, M., Vodermaier, A., Caspari, C., Neuner, B., Spies, C., Krones, T., Keller, H., Edwards, A., Loh, A., Härter, M. (2006): Development and first validation of the shared decision-making questionnaire (SDM-Q). Patient Education and Counseling, 63. 319-327.

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Partizipation an Behandlungsentscheidungen in der medizinischen Rehabilitation - Einschätzung von Patienten vs. Behandler

Steger, A.-K., Ehrhardt, H., Körner, M. Abteilung für Medizinische Soziologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Hintergrund Um Patientenorientierung in der Praxis umzusetzen, müssen Behandler die Bedürfnisse und Erwartungen ihrer Patienten kennen, um sie dann in einem nächsten Schritt bei der Behand-lungsplanung berücksichtigen zu können. Hinsichtlich der Bedürfnisse nach Partizipation ergaben mehrere Studien eine Diskrepanz der Einschätzungen von Patienten und ihren Be-handlern (Scheibler, Moreno, 2007; Arora, McHorney, 2000). Auch bei der Einschätzung, von wem die Entscheidung tatsächlich getroffen wurde, gab es z. B. bei Janz et al. (2004) lediglich in 33 % der Fälle eine übereinstimmende Einschätzung. Das Ziel dieser Studie ist die Überprüfung der Beurteilungsübereinstimmung von Patienten und Behandlern hinsicht-lich Partizipation bei Behandlungsentscheidungen in der medizinischen Rehabilitation.

Methodik In einer Querschnittserhebung mit einem deskriptiv-explorativen Design wurden in 17 Reha-bilitationskliniken verschiedener Indikationsbereiche in Baden-Württemberg insgesamt n = 1.279 Patienten zum Thema Partizipation befragt. Der Fragebogen umfasst u. a. Skalen zum Ausmaß der Beteiligung an der Entscheidungsfindung (PEF-FB, Simon, et al., 2006), eine Einschätzung, wer die Entscheidungen getroffen hat und die Zufriedenheit mit dem Entscheidungsprozess (beides Man-Song-Hing, Man-Song-Hing et al., 1999). Parallel wur-den n = 660 Behandler verschiedener Berufsgruppen nach ihrer Selbsteinschätzung, in wel-chem Umfang sie Patienten in Entscheidungen miteinbeziehen (MU-PEF, entwickelt in An-lehnung an PEF-FB, Simon et al., 2006) und wer die Behandlungsentscheidung getroffen hat (Man-Song-Hing, 1996) gefragt.

Ergebnisse Für die Erhebung konnten n = 654 Patienten und n = 250 Behandler gewonnen werden. Die Ergebnisse beruhen auf einem vorläufigen Datensatz von 476 Patienten. Das Durch-schnittsalter der Patienten lag bei M = 55 Jahren (SD = 14,43); 52,2 % der Studienteilneh-mer bei den Patienten waren männlich. Die Mehrzahl der Behandler war zwischen 36 und 55 Jahre alt und 35 % waren männlich.

Die Rehabilitationspatienten geben mit M = 56,52 (SD = 26,33, PEF-FB-Skala 0-100, wobei höhere Werte mehr Partizipation indizieren) ein mittleres Maß an Partizipation an Behand-lungsentscheidungen an. Die Behandler selbst schätzen das Maß, in dem sie Patienten beteiligen mit M = 65,82 (SD = 22,39) signifikant höher ein (t = - 4,8; df = 590, p < 0.001). Die größte Diskrepanz besteht bei der Einschätzung, ob die Behandler dem Patienten ge-holfen haben, alle Informationen zu verstehen (t = -6,95, df = 625, p < 0.00).

Auch bei den Ergebnissen gemessen mittels Man-Song-Hing-Skala geben Behandler eine signifikant höhere Beteiligung an, als es Patienten tun (t = - 4,96 df = 674 p < 0.00).

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Ärzte erzielen die höchsten Werte im MU-PEF, was bedeutet, dass sie den Umfang, in dem sie Patienten an Entscheidungen beteiligen im Vergleich mit anderen Berufsgruppen am höchsten einschätzen. Ärzte wurden von den Patienten ebenfalls am häufigsten als die Be-rufsgruppe genannt, die sie besonders gut in Entscheidungen einbezogen haben.

Diskussion Wie auch in anderen Studien findet sich in der medizinischen Rehabilitation eine Diskrepanz zwischen der Einschätzung von Partizipation von Patienten und Behandlern. Diese Diskre-panz kann möglicherweise durch Wahrnehmungs- und Erinnerungs-Bias erklärt werden. Die Behandler überschätzen vermutlich das Ausmaß, in dem sie z. B. Informationen geben und erinnern ihren Anteil an der Behandler-Patient-Interaktion deutlicher. Dies könnte zur Folge haben, dass sie beim MU-PEF aufgrund der verwendeten Formulierungen wie z. B. "Ich er-kläre dem Patienten die Vor- und Nachteile der Behandlungsmöglichkeiten", den tatsächli-chen Umfang, in dem sie Erklärungen geben, überschätzen. Soziale Erwünschtheit kann ebenso eine Rolle spielen.

Schlussfolgerung Da die Einschätzungen hinsichtlich Partizipation an Behandlungsentscheidungen zwischen Patienten in der medizinischen Rehabilitation und ihren Behandlern divergieren, scheint es sinnvoll, die auf Selbsteinschätzung beruhenden Angaben in einem nächsten Schritt anhand von Audioaufnahmen von Behandler-Patient-Gesprächen zu überprüfen. Diese Analyse lie-fert möglicherweise Hinweise, wodurch die geringen Beurteilungsübereinstimmungen zu-stande kommen.

Literatur Arora, N., McHorney, C. (2000): Patient Preferences for Medical Decision Making. Who

Really Wants to Participate? Medical Care, 38. 335-341. Elwyn, G., Hutchings, H., Edwards, A., Rapport, F., Wensing, M., Cheung, W., Grol, R.

(2005): The OPTION scale: measuring the extent that clinicians involve patients in deci-sion-making tasks. Health Expectations, 8. 34-42.

Man-Song-Hing, M., Laupacis, A., O'Connor, A., Biggs, J., Drake, E., Yetsir, E., Hart, R. (1999): A Patient Decision Aid Regarding Antithrombotic Therapy for Stroke Prevention in Atrial Fibrillation. A Randomized Controlled Trial. Journal of the Medical Association, 282. 737-743.

Janz, N., Wren, P., Copeland, L., Lowery, J., Goldfrab, S., Wilkins, E. (2004): Patient-Physician Concordance: Preferences, Perceptions, and Factors Influencing the Breast Cancer Surgical Decision. Journal of Clinical Oncology, 22. 3091-3098.

Scheibler, F., Moreno, B. (2007): Der praktische Einsatz von Entscheidungshilfen für den Patienten. Reine Informationsvermittlung reicht nicht aus. Klinikarzt, 36. 27-31.

Simon, D., Loh, A., Härter, M. (2008): Grundlagen der partizipativen Entscheidungsfindung und Beispiele der Anwendung in der Rehabilitation. Die Rehabilitation, 47. 84-89.

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Interne Patientenorientierung in der medizinischen Rehabilitation aus Sicht der Behandler

Körner, M., Steger, A.-K., Ehrhardt, H. Abteilungen für Medizinische Psychologie & Medizinische Soziologie,

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Hintergrund der Untersuchung Patientenorientierung heißt nicht nur, dass alle Behandler die Bedürfnisse und Erwartungen der Patienten kennen und sich bemühen, diese zu erfüllen, sondern dass auch innerbetrieb-lich zwischen den Behandlern in einem Team eine Abstimmung der Bedürfnisse und Erwar-tungen der Patienten im Hinblick auf die Behandlungsoptionen erfolgt (Körner, 2009). Damit bezieht sich Patientenorientierung nicht ausschließlich auf die Behandler-Patient-Inter-aktionen (externe Patientenorientierung), sondern auf das gesamte System (Klinik) und sei-ne Subsysteme (Teams). Es geht um die Herstellung der innerbetrieblichen Voraussetzun-gen (Strukturen, Systeme, Kultur und Interaktionen), so dass eine kontinuierliche, an den Erwartungen der externen Kunden (Patienten) ausgerichtete Strategie umgesetzt werden kann. Die interne Patientenorientierung bezieht sich daher vor allem auf die Mitarbeiter, de-ren Information, Motivation, Koordination und Kooperation in der täglichen Arbeit bzw. im Behandlungsprozess der Patienten (Bruhn, 2002; Führmann, Schmidbauer, 2008). Struktur und Systeme (20 %), Kultur und Stil (17 %) und Zusammenarbeit (13 %) sind die häufigsten Barrieren für den Aufbau von Kundenorientierung (Plinke, 1996 zitiert nach Bruhn, 2002). Es ist davon auszugehen, dass diese Determinanten auch für den Aufbau der Patientenorien-tierung in der medizinischen Versorgung sehr bedeutend sind. Ziel ist die Analyse des Ist-Zustandes der internen Patientenorientierung aus Sicht der Behandler in der medizinischen Rehabilitation, um in der Folge entsprechende Interventionsmaßnahmen zur Verbesserung der Patientenorientierung zu empfehlen.

Methodik, Studiendesign In einer Querschnittsstudie mit einem deskriptiv-explorativen Design wurden die Behandler (n = 660) von 17 Rehabilitationskliniken verschiedener Indikationsbereiche zum Thema "in-terne Patientenorientierung" befragt. Dabei wurden selbstkonzipierte Fragebögen zur Erfas-sung der Kommunikation und Partizipation der Mitarbeiter bei Entscheidungen als auch zur Erfassung der Klinik-Kultur (angelehnt an den Kurzfragebogen zur Erfassung der Unter-nehmenskultur (KUK) von Jöns et al., 2006) und der standardisierte Fragebogen (MiZu-Reha von Farin et al., 2009) eingesetzt.

Ergebnisse Der Rücklauf der Befragung beträgt 40 % (n = 267 Mitarbeiter, Geschlecht: w=60,7 %; m=33,3 %). Die Stichprobe setzt sich zu je 17 % aus Ärzten, Physiotherapeuten und Pflege-kräften zusammen. 24 % der Befragten sind im psychosozialen Therapiebereich tätig und je 4 % der Befragten sind aus dem Pädagogischen Bereich und dem Bereich der Ökotropho-logie. Auf weitere Berufsgruppen verteilen sich 7 % und 10 % machten keine Angabe zu ih-rem Beruf. Die Bewertung der externen Patientenorientierung fiel sehr positiv aus (s. Tab. 1). Für die interne Patientenorientierung (Mitarbeiterorientierung, Teamorientierung,

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kurze Entscheidungswege, Mitarbeiterbeteiligung, interne Kommunikation etc.) ergaben sich im Vergleich dazu negativere Ergebnisse (s. Tab. 1).

Die Klinik ist meines Erachtens … M SD

… patientenorientiert (externe Patientenorientierung) 1,9 0,95

… mitarbeiterorientiert 3,1 1,14

… teamorientiert 2,8 1,15

… mit kurzen Entscheidungswegen ausgestattet 3,2 1,16

Die Führungskräfte der Klinik …

… führen kooperativ/partizipativ 2,9 1,13

… legen viel Wert auf die interne Kommunikation 3,0 1,14

… beteiligen Ihre Mitarbeiter an Entscheidungen 3,2 1,10

… sprechen Konflikte offen an 3,1 1,15

… legen viel Wert auf interdisziplinäre Zusammenarbeit 2,8 1,10

Legende: Skalierung der Items: 1=stimme voll zu, 2=stimme eher zu, 3=unentschieden, 4=stimme eher nicht zu, 5=stimme nicht zu

Tab. 1: Erfassung der Patientenorientierung mittels des Fragebogens zur Klinik-Kultur

Die Ergebnisse des MiZu-Reha bestätigen den Handlungsbedarf bezüglich der internen Pa-tientenorientierung. Hier geben die Mitarbeiter Verbesserungsbedarf bezogen auf die Zu-sammenarbeit und den Informationsaustausch an.

Diskussion Die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung bestätigen die Erwartung aufgrund der Studie von Plinke (1996, zitiert nach Bruhn, 2002), dass insbesondere bezogen auf die interne Patien-tenorientierung Defizite in den Kliniken vorhanden sind. Die Ergebnisse sind auch kongruent mit den Resultaten der Führungskräftebefragung in der Pilotstudie, in dieser zeigte sich e-benfalls insbesondere ein Bedarf bei den abgefragten Aspekten der internen Patientenorien-tierung (wie z. B. der internen Kommunikation und der Entscheidungen im Team)

Schlussfolgerungen In einer Folgestudie ist ein Team-/Organisationsentwicklungskonzept zu konzipieren und evaluieren, welches sich auf den Aufbau und die Entwicklung der internen Patientenorientie-rung konzentriert.

Literatur Bruhn, M. (2002): Integrierte Kundenorientierung. Implementierung einer kundenorientierten

Unternehmensführung. Wiesbaden: Gabler. Farin, E., Meixner, K., Jäckel, W.H. (2009): Fragebogen zur Mitarbeiterzufriedenheit in Re-

habilitationskliniken - Version 2. URL: http://skl14b.ukl.uni-freiburg.de/aqms/live/ DLInstru-mente/MiZu-RehaVersion.pdf. Abruf: 02.11.2009.

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Führmann, U., Schmidbauer, K. (2008): Wie kommt System in die interne Kommunikation? Ein Wegweiser für die Praxis. Potsdam: UMC.

Jöns, I., Hodapp, M., Weiss, K. (2006): Kurzskala zur Erfassung der Unternehmenskultur. Mannheimer Beiträge, 01, 06. 16-23. URL: http://www.psychologie.uni-mannheim.de/ psycho1/Publikationen/MA%20Beitraege/06-01/2006_01_Artikel3.pdf. Abruf: 28.08.2009.

Körner, M. (2009): Ein Modell der partizipativen Entscheidungsfindung in der medizinischen Rehabilitation. Die Rehabilitation, 48. 160-165.

Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren in der psychosomatischen Rehabilitation und ihr Einfluss auf die Patientenzufriedenheit

Richter, M. (1), Schmid-Ott, G. (2), Muthny, F.A. (1) (1) Institut für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Münster,

(2) Berolina-Klinik, Löhne/Westfalen

Hintergrund Patientenzufriedenheit ist in der medizinischen Versorgung mittlerweile ein wichtiges Zielkri-terium und Bestandteil von Qualitätssicherung und -management. Als Entstehungs-grundlage von Patientenzufriedenheit wird ein Vergleich von wahrgenommenem Ist-Zustand und auf Erwartungen basierendem Soll-Niveau angenommen (Jacob, Bengel, 2000). Erwar-tungen zu erfüllen führt aber nicht automatisch zu Zufriedenheit. Studien vor allem aus der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung zeigen (Mittal et al., 1998), dass dabei zwischen Erwartungstypen differenziert werden muss:

- "Basisfaktoren" sind solche Merkmale, die bei Nicht-Erfüllung Unzufriedenheit auslösen, aber bei Erfüllung nicht automatisch zu Zufriedenheit führen.

- "Leistungsfaktoren" sind Merkmale, bei denen die Zufriedenheit proportional zum Erfül-lungsgrad steigt.

- "Begeisterungsfaktoren" sind Merkmale, die bei Erfüllung Zufriedenheit hervorrufen, aber bei Nicht-Erfüllung nicht automatisch zu Unzufriedenheit führen.

Hauptfragestellung war, ob diese Typologie auch bei einer klinischen Stichprobe quantitativ nachgewiesen und durch Gegenüberstellung mit qualitativen Patientenangaben bestätigt wird.

Methodik Es wurde eine anonyme, einmalige Befragung am Reha-Ende bei 276 psychosomatischen Rehabilitanden durchgeführt. Die globale Patientenzufriedenheit wurde durch den ZUF-8 erfasst. Zu 10 Einzelaspekten des Reha-Aufenthalts wurden Wichtigkeit, Zufriedenheit und Erwartungserfüllung erfragt (FPZ). Zur Identifikation der drei Anforderungstypen wurde auf dieser Datenbasis eine Penalty-Reward-Contrast-Analyse (PRCA; Brandt, 1987) durchge-führt. Zusätzlich wurden frei zu beantwortende Fragen zu subjektiven Minimalstandards so-wie positiven und negativen Vorkommnissen während der Maßnahme gestellt und inhalts-analytisch ausgewertet.

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Ergebnisse Ein ZUF-8-Mittelwert von 26,4 (s = 4,3) weist auf eine für die psychosomatische Indikation relativ hohe Patientenzufriedenheit hin (Vergleich zu Kriz et al., 2008: ES = 0,24. Siehe dazu auch Richter et al., 2009).

In der PRCA konnten 6 der 10 Versorgungsaspekte einem Anforderungstyp zugeordnet werden (Varianzaufklärung 51 %). Das Ergebnis des Reha-Aufenthalts erwies sich dabei als Leistungsfaktor, das fachliche Können der Ärzte als Basisfaktor und die psychosoziale Kompetenz der Ärzte als "Begeisterungsfaktor".

Damit übereinstimmend wird in den freien Antworten die Freundlichkeit des Personals her-vorgehoben, aber auch Merkmale der Unterbringung (insbesondere Einzelzimmer) als Mi-nimalstandard angegeben.

Diskussion Die Drei-Faktoren-Typologie konnte auch im klinischen Bereich bestätigt werden. Offen-sichtlich hängen auch hier Einflussfaktoren z. T. nicht-linear mit dem Gesamtzufriedenheits-urteil zusammen. Die beiden verwendeten Analyseverfahren erwiesen sich als gegenseitige sinnvolle Ergänzung.

Da besonders interpersonale Aspekte für die Patientenzufriedenheit von Bedeutung er-scheinen, spricht dies für das Training psychosozialer Kompetenzen als wichtige Aufgabe des Qualitätsmanagements.

Literatur Brandt, D.R. (1987): A procedure for identifying value-enhancing service components using

customer satisfaction survey data. In: Surprenant, C. (Ed): Add value to your service. Chicago: American Marketing Association. 61-65.

Jacob, G., Bengel, J. (2000): Das Konstrukt Patientenzufriedenheit: Eine kritische Be-standsaufnahme. Zeitschrift für Klinische Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie, 48. 280-301.

Kriz, D., Nübling, R., Steffanowski, A., Wittmann, W.W., Schmidt, J. (2008): Patientenzufrie-denheit in der stationären Rehabilitation: Psychometrische Reanalyse des ZUF-8 auf Ba-sis multizentrischer Stichproben verschiedener Indikation. Zeitschrift für Medizinische Psychologie, 17. 97-105.

Richter, M., Schmid-Ott, G., Muthny, F.A. (2009) (im Druck): Patientenzufriedenheit in der psychosomatischen Rehabilitation - Ausprägung und Einfluss soziodemographischer, motivationaler und klinischer Patientenmerkmale. Nervenheilkunde.

Mittal, V., Ross, W.T., Baldasare, P.M. (1998): The asymmetric impact of negative and posi-tive attribute-level performance on overall satisfaction and repurchase intentions. Journal of Marketing, 62. 33-47.

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Ziele, Zielerreichung und Patientenzufriedenheit in der psychosomatischen Rehabilitation

Richter, M. (1), Schmid-Ott, G. (2), Muthny, F.A. (1) (1) Institut für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Münster,

(2) Berolina-Klinik, Löhne

Hintergrund Therapiezielen und deren Erreichung wird in der Rehabilitation große Bedeutung beigemes-sen (DRV, 2007). Erklärungsmodelle zur Patientenzufriedenheit, die die Entstehung von Zu-friedenheit durch einen Vergleich der erhaltenen Leistung mit den leistungsbezogenen Er-wartungen beschreiben (Jacob, Bengel, 2000), legen zudem einen engen Zusammenhang von Zielerreichung und Zufriedenheitsurteil nahe. Entsprechend werden für diesen Zusam-menhang Korrelationen um .50 berichtet (Karcher et al., 2001; Steffanowski et al., 2004).

Inhaltliche Differenzierungen stehen diesbezüglich noch aus, ebenso die Überprüfung, ob gemäß der Prospect-Theorie (Kahneman, Tversky, 1979) das Nicht-Erreichen gegenüber dem Erreichen der Reha-Ziele einen größeren Einfluss auf die Zufriedenheit hat.

Hauptzielsetzung der vorliegenden Studie war es daher, die Patientenzufriedenheit in einer psychosomatischen Rehabilitationsklinik zu erfassen und darüber hinaus zu untersuchen, inwieweit sie mit den Zielen und der Zielerreichung in der Rehabilitation zusammenhängt und welche Unterschiede sich ggf. für verschiedene Zielinhalte bzw. Erfüllungsgrade erge-ben.

Methodik Es wurde eine anonyme, einmalige Fragebogenerhebung am Ende der stationären Rehabili-tation bei 276 psychosomatischen Rehabilitanden durchgeführt (Rücklaufquote 69 %). Da-bei wurden die Patientenzufriedenheit (ZUF-8), soziodemografische, erkrankungsbezogene und Outcome-Parameter (SF-12, BSI, LZI, SPE), sowie Reha-Ziele zu Beginn der Reha und deren Erreichung am Ende standardisiert erfasst.

Ergebnisse Der ZUF-8-Summenwert lag im Mittel bei 26,4 (s = 4,3). Als relevante Therapieziele wurden von den Rehabilitanden insbesondere Ziele zu Symptomverbesserung und Stressbewälti-gung ausgewählt. Faktorenanalytisch gebildete Zielerreichungsskalen zeigten einen hohen Erreichungsgrad bei Zielen hinsichtlich des "Lebensstils und -inhalts", sowie "psychothera-peutischer Ziele". Die Gesamtzielerreichung zum Reha-Ende korrelierte am höchsten mit der Patientenzufriedenheit (r = .62), die Subskala zur "Erreichung psychotherapeutischer Ziele" fast gleich hoch (r = .57). Gemessen an der Anzahl nicht-erreichter bzw. erreichter Ziele zeigte sich zudem, dass beides einen Zusammenhang zur Zufriedenheit aufweist, das Nicht-Erreichen von Zielen (r = -.55) aber signifikant höher mit der Zufriedenheit korreliert als das Erreichen von Zielen (r = .40) (Z = 2,32; p < .05).

Diskussion Die Ergebnisse zeigen die zentrale Rolle von patientenseitiger Zielsetzung und Zielerrei-chung für die Patientenzufriedenheit auf. Hier sind die Zusammenhänge noch deutlich höher

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als zwischen Reha-Outcome-Parametern und Patientenzufriedenheit. Damit erscheint die individuelle Betrachtung und Verfolgung konkreter Ziele in der Rehabilitation ein weiteres Mal gut begründet. Es wird aber auch die Gefahr ersichtlich, durch ungünstige Zielsetzun-gen (unrealistisch, unspezifisch, zu geringer Einbezug der Patienten) eher für Unzufrieden-heit zu sorgen. Ein noch stärkerer Einbezug der Zielauswahl in den Reha-Prozess und eine gemeinsame Überprüfung der Zielerreichung im Arzt-Patienten-Gespräch erscheinen sinn-voll.

Literatur Deutsche Rentenversicherung (2007): Rahmenkonzept zur medizinischen Rehabilitation in

der gesetzlichen Rentenversicherung. Berlin: Deutsche Rentenversicherung Bund. Jacob, G., Bengel, J. (2000): Das Konstrukt Patientenzufriedenheit: Eine kritische Be-

standsaufnahme. Zeitschrift für Klinische Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie, 48. 280-301.

Kahneman, D., Tversky, A. (1979): Prospect theory: An analysis of decision under risk. Eco-nometrica, 47 (2). 263-291.

Karcher, S., Steffanowski, A., Schmidt, J., Nübling, R., Wittmann, W.W. (2001): Zielerrei-chungsskalierung auf der Basis einer strukturierten Zielliste bei Patienten der Psychoso-matischen Rehabilitation. DRV-Schriften, Bd. 26. 379-381.

Steffanowski, A., Lichtenberg, S., Schmidt, J., Huber, C., Wittmann, W.W., Nübling, R. (2004): Ergebnisqualität psychosomatischer Rehabilitation: Zielerreichungsskalierung auf der Basis einer strukturierten Therapiezielliste. Rehabilitation, 43 (4). 219-232.

Gesundheitstraining nach Schlaganfall - Neue Konzepte zur Förderung der Eigenverantwortlichkeit der

Patienten und Analyse beeinflussender Faktoren

Feuchtner, S. (1), Marquardt, M. (2), Liepert, J. (1), Gollwitzer, P. (2,3), Oettingen, G. (3,4) (1) Kliniken Schmieder Allensbach, (2) Universität Konstanz, (3) New York University,

(4) Universität Hamburg

Theoretischer Hintergrund Der Schlaganfall ist die dritthäufigste Todesursache in Deutschland und hat bei einem gro-ßen Anteil der Patienten erhebliche Beeinträchtigungen der Lebensqualität und anhaltende motorische Einschränkungen, sowie enorme ökonomische Auswirkungen auf das Gesund-heitssystem zur Folge (Broeks et al., 1999; Kolominsky-Rabas et al., 2006). Die Wahr-scheinlichkeit eines Rezidivs liegt bei 3-5 % im ersten Monat und bei 10 % im ersten Jahr nach dem Schlaganfall. Zur Vermeidung eines erneuten Schlaganfalls ist deshalb die Auf-klärung über die bisher bekannten Risikofaktoren und ein Programm zur Verhaltensände-rung zur aktiven Bekämpfung dieser Faktoren von großer Bedeutung (www.dgn.org; www.hochdruckliga.de).

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Ziele und Fragestellungen Ziel unserer Studie ist es, das Verfahren zu identifizieren, welches den nachhaltigsten Effekt auf eine Verhaltensänderung von Schlaganfallpatienten ausübt. Dazu werden verschiedene Gesundheitstrainings durchgeführt und miteinander verglichen. Insbesondere soll die Wirk-samkeit eines neuen Konzepts untersucht werden, bei dem zwei psychologische Ansätze miteinander kombiniert werden: das Mentale Kontrastieren (MC) und Implementation Inten-tions (II). Zudem sollen Faktoren und personenbezogene Charakteristika bestimmt werden, die das Ausmaß und die Dauer einer Verhaltensänderung beeinflussen und somit den Erfolg des Gesundheitstrainings. Ein weiteres wesentliches Ziel ist, die Eigenverantwortlichkeit der Patienten zu stärken.

Methode Im Rahmen der kontrollierten Studie werden Schlaganfallpatienten mit mindestens einem vaskulären Risikofaktor in die Kontrollgruppe (bisher übliches Seminarprogramm) oder in eine der beiden Interventionsgruppen eingeschlossen. Die Intervention besteht aus einem dreiwöchigen Gesundheitstraining, bei dem die Teilnehmer der Interventionsgruppe 1 Ge-sundheitsinformationen in Form eines manualisierten Curriculums erhalten und Teilnehmer der Interventionsgruppe 2 zusätzlich zu diesen Informationen eine Schulung in MC II erhal-ten. In allen Gruppen bekommen die teilnehmenden Patienten an sechs einstündigen Sit-zungen Informationen über zentrale Risikofaktoren für einen Schlaganfall sowie entspre-chende Verhaltensempfehlungen.

Die Datenerhebung findet zu Beginn der Intervention und nach einem Jahr statt. Es werden von allen teilnehmenden Patienten (n = ca. 330) u. a. demografische Variablen, Risikofakto-ren (Blutdruck, Gewicht, Blutzucker, Cholesterinwerte, Nikotinabusus, etc.) sowie Persön-lichkeitsvariablen (NEO-FFI), Affekt und Gesundheitsprobleme erhoben. Des Weiteren wird im Zeitraum von einem Jahr nach der Intervention mit Hilfe von Tagebüchern die körperliche Aktivität, das Ernährungsverhalten, Blutdruck und Gewicht gemessen. Die Datenerhebung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Erste Ergebnisse liegen aber bereits vor.

Erste Ergebnisse Bisher wurden 124 Patienten (31 Frauen und 93 Männer) mit einem Durchschnittsalter von 56,4 (SD=10) Jahren in die Studie eingeschlossen. Neben demografischen Daten liegen be-reits erste Ergebnisse für das Gesundheitsverhalten vor dem Schlaganfall vor. Es zeigt sich, dass ein großer Anteil der Patienten zu Beginn der Intervention hinsichtlich der Bewegung und der Ernährung von den allgemeinen Gesundheitsempfehlungen abweicht. Nur 10 % der Patienten gingen in der Zeit vor dem Schlaganfall täglich mind. 30 min. Spazieren, nur 18 % machten 3mal wöchentlich eine halbe Stunde Sport. Bezüglich der Ernährung gaben nur 30 % der Patienten an täglich Obst zu essen und nur 18 % aßen täglich Gemüse. Weiterhin liegt bei 80 % der Patienten Bluthochdruck vor und 27 % erzielen erhöhte Depressionswerte (BDI).

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Diskussion Der bisherige Verlauf der Studie gestaltet sich als positiv. Von insgesamt 172 angesproche-nen Patienten nahmen 75 % an der Studie teil, 25 % lehnten die Teilnahme grundsätzlich ab. Von den Teilnehmern brachen 6 % die Intervention ab, 4 % lehnten im Anschluss daran das Ausfüllen der Tagebücher ab. Die Rücklaufquote der Tagebücher liegt bisher bei 78 %. Die Akzeptanz des Gesundheitstrainings ist seitens der Patienten hoch. Insbesondere wer-den von ihnen die Verständlichkeit und Relevanz der Informationen, die Informationsmateri-alien und die Möglichkeit zum intensiven Austausch untereinander positiv bewertet. Dem-entsprechend gehen wir auch weiterhin von einem erfolgreichen Abschluss der Studie aus und hoffen, dass an deren Ende dann geklärt werden kann, welches Gesundheitstraining den nachhaltigsten Effekt auf die Veränderung des Lebensstils hat.

Literatur Broeks, J.G., Lankhorst, G.J., Rumping, K., Prevo, A.J. (1999): The long-term outcome of

arm function after stroke: results of a follow-up study. Disability and Rehabilitation, 21. 357-364.

Gollwitzer, P.M. (1999): Implementation intentions. Strong effects of simple plans. American Psychologist, 54. 493-503.

Kolominsky-Rabas, P., Heuschmann, P., Marschall, D., Emmert, M., Baltzer, B.N., Neundör-fer, B., Schöffski, O., Krobot, K.J. (2006): Lifetime cost of ischemic stroke in Germany: re-sults and national projections from a population-based stroke registry: the Erlangen Stroke Project. Stroke, 37. 1179-1183.

Oettingen, G., Pak, H., Schnetter, K. (2001): Self-regulation of goal-setting: Turning free fan-tasies about the future into binding goals. Journal of Personality and Social Psychology, 80. 736-753.

Stadler, G., Oettingen, G., Gollwitzer, P.M. (2005): Von der Phantasie zum Ziel zum gesun-den Lebensstil. In: Thomas, H. (Ed.): Selbstregulation von Gesundheitsverhalten. Ham-burg: Deutsche Angestellten Krankenkasse. 1-39.

"Die Bedeutung des Wunsch- und Wahlrechts (§ 9 SGB IX) für die medizinische Rehabilitation - Eine empirische Analyse"

- Ergebnisse von Experteninterviews

Welti, F., Bendig, S., Ramm, D. Hochschule Neubrandenburg

Hintergrund und Zweck der Untersuchung In § 9 SGB IX ist vorgesehen, durch das Wunsch- und Wahlrecht bei der Leistungskonkreti-sierung das Mit- und Selbstbestimmungsrecht der Leistungsberechtigten zu stärken und sie in der eigenverantwortlichen Gestaltung ihrer Lebensumstände zu unterstützen (Welti, Su-lek, 2000; Welti, 2003; Schütte, 2003). Unklar ist bislang, welche Vorstellungen ("Wünsche") die Versicherten haben und welche Kriterien sie bei der möglichen Auswahl einer Rehabili-tationseinrichtung zugrunde legen oder als relevant betrachten und vor welchem Hinter-

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grund diese Wünsche entstehen. Eine wesentliche Fragestellung ist hierbei, welche Bedeu-tung Vorerfahrungen, ökonomische Überlegungen und Ziele des Rehabilitationsantragstel-lers für die Wünsche haben und inwieweit Informationen von Seiten der Leistungsvermittler, -träger, -erbringer und anderer Institutionen (z. B. Internetauftritt der Klinik, Empfehlungen von Selbsthilfegruppen, konkrete Empfehlungen von beratenden Institutionen) für die Wün-sche der Betroffenen eine Rolle spielen. Ziel dieser Projektphase war die Erhebung, welche Informationen die Rehabilitanden durch beratende Institutionen bekommen und wie das Wunsch- und Wahlrecht der Antragsteller umgesetzt wird.

Methodik Entsprechend der Inhalte des in Kooperation mit dem Institut für Sozialmedizin im UKSH Lübeck durchgeführten Forschungsprojektes wurden leitfadengestützte Experteninterviews durchgeführt. Im Rahmen der Experteninterviews wurden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rehabilitationsrelevanter Stellen der Deutschen Rentenversicherung Nord und gesetzlichen Krankenkassen unter Berücksichtigung der Gemeinsamen Servicestellen (Leistungsträger, n = 10) sowie niedergelassene Ärzte, Sozialarbeiterinnen in Krankenhäusern und Rehabili-tationskliniken und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Sozialverbänden und freien Wohl-fahrtsverbänden (leistungsträgerunabhängige Berater/ Beratungsstellen, n = 10) befragt. Dabei wurden, wenn möglich, pro Institution mindestens zwei Personen interviewt, die in di-rektem Kontakt mit den Versicherten stehen, ggf. ergänzend auch Personen der Leitungs-ebene. Realisiert wurde die qualitative Auswertung der Interviews mit Hilfe der Software MAXQDA 2007 (Software für computergestützte qualitative Datenanalyse). In einem weite-ren Schritt wurden in diesem Forschungsprojekt Experten aus verschiedenen Fachberei-chen mit Rehabilitationsbezug zu einer Expertenrunde eingeladen, um in einer Diskussions-runde zu den Ergebnissen Stellung zu nehmen.

Ergebnisse Die Ergebnisse bestätigen im Wesentlichen, dass es Ansatzpunkte zur Verbesserung der Umsetzung des Wunsch- und Wahlrechts der Versicherten gibt. Auf Seiten der Leistungs-träger ist der Stellenwert des Wunsch- und Wahlrechts in der Beratung subsidiär bzw. es wird kaum aktiv dazu beraten. Die leistungsträgerunabhängigen Berater und Beratungsstel-len weisen in ihren Beratungen stets auf das Wunsch- und Wahlrecht hin, wobei es Hand-lungsbedarf in der Erweiterung der Kenntnisse zum Wunsch- und Wahlrecht der leistungs-trägerunabhängigen Beratungsstellen gibt. Es konnten Hinweise auf häufig geäußerte Wün-sche, auf Motivationen und auf Konfliktpunkte gewonnen werden. Je nach Lebenssituation und Indikation sind Wohnortnähe oder -ferne sowie Kontakt zum Partner wichtig. Da unter-stützende Beratung zur Ausübung des Wunschrechts fehlt, spielen eigene und fremde Vor-erfahrungen sowie das Internet eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Wünschen. Auf Seiten der Leistungsträger steht die wenig transparente Steuerung in bestimmte Einrichtun-gen dem Wunschrecht tendenziell entgegen.

Schlussfolgerungen und Ausblick Durch eine bessere Anwendung und Umsetzung des § 9 SGB IX könnten die Wünsche der Rehabilitanden besser umgesetzt und verwirklicht werden. Als Grundlage dienen die Ergeb-nisse der qualitativen Studienphase für die Entwicklung eines in der zweiten Studienphase durchzuführenden querschnittlichen repräsentativen Rehabilitanden-Surveys.

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Literatur Schütte, W. (2003): Selbstbestimmung, Sicherstellung und Leistungserbringung im Rehabili-

tationsrecht des SGB IX. Nachrichtendienst des Deutschen Vereins (NDV). 416. Welti, F., Sulek, C. (2000): Die individuelle Konkretisierung des sozialrechtlichen Anspruchs

auf Rehabilitation, Vierteljahresschrift für Sozialrecht (VSSR). 453-472. Welti, F. (2003): Die individuelle Konkretisierung von Teilhabeleistungen und das Wunsch-

und Wahlrecht behinderter Menschen, Die Sozialgerichtsbarkeit (SGb). 379-390.

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Patientenschulung

Clusteranalyse der Teilnehmerinnen einer ambulanten Patientenschulung

Brandes, I., Wunderlich, B. Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung,

Medizinische Hochschule Hannover

Hintergrund Endometriose gehört mit einer geschätzten Inzidenz von 40.000 Neuerkrankungen pro Jahr zu den häufigsten benignen Erkrankungen in der Gynäkologie (Ebert, 2006). Die Komplexi-tät der Erkrankung und die vielfältigen körperlichen, psychischen und sozialmedizinischen Folgen stellen die Ärzte und die Patientinnen vor erhebliche Probleme (Leeners, Imthurn 2007). Die betroffenen Frauen unterscheiden sich hinsichtlich ihres Umgangs mit der Er-krankung deutlich. Die Identifikation unterschiedlicher Patientengruppen zielt auf eine Opti-mierung der Versorgung.

Methodik Im Rahmen einer Two-Step-Clusteranalyse (SPSS 17.0) wurden für die vorgegebenen Vari-ablen Alter, Krankheitsdauer und Diagnoseverzögerung drei Cluster gebildet. Eingeflossen sind die Daten des Patientenfragebogens bei Studieneintritt*. Die Auswertung erfolgte für die visuellen Analogskalen (VAS) des Gesundheitsstatus und des Schmerzniveaus sowie die Lebensqualität mittels EHP 30 (Jones et al., 2001), der die krankheitsspezifischen Belastun-gen auf den Ebenen Kontrolle, Schmerz, emotionales Befinden, soziale Unterstützung und Selbstbild erfasst. Die Bereitschaft zur Schmerzbewältigung mit den Stadien Sorglosigkeit, Vorbereitung, Handlung und Aufrechterhaltung wurde mit dem FF-Stabs (Maurischat et al., 2002) und Strategien der Krankheitsverarbeitung mittels FKV-Lis (Muthny, 1989) für die Ka-tegorien depressive Verarbeitung, aktive, problemorientierte Verarbeitung, Ablenkung und Selbstaufbau, Religiosität und Sinnsuche sowie Bagatellisierung und Wunschdenken ermit-telt. Für den Mittelwertvergleich wurden Tests der einfaktoriellen Varianzanalyse (ANOVA) durchgeführt.

Ergebnisse Insgesamt wurden den drei Clustern 115 Fälle zugeordnet, 41 Fälle wurden ausgeschlos-sen. Die drei Cluster sind wie folgt gekennzeichnet: In Cluster I sind 44 Frauen mit einem Durchschnittsalter von 44,2 Jahren zusammengefasst, die vor durchschnittlich 13,0 Jahren die Diagnose erhalten haben. 41,5 % der Frauen haben bereits die Stadien Handlung und Aufrechterhaltung bei der Schmerzbewältigung erreicht, dennoch geht ein relativ hohes Schmerzniveau mit einer ungünstigen Gesundheitseinschätzung einher. Cluster II umfasst 33 Frauen im Alter von durchschnittlich 36,3 Jahren, deren auffälligstes Merkmal die extre-

* "EVA-Studie", gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, die Deutschen Rentenversicherung,

die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen und den Verband der privaten Krankenversicherung e.V.; FKZ 01 GX 0712

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me Diagnoseverzögerung von durchschnittlich 16,1 Jahren ist. Sie weisen das höchste Schmerzniveau und die schlechteste Lebensqualität auf. Trotz der langen Leidenszeit befin-den sich 66,7 % der Frauen noch im Stadium der Vorbereitung zur Schmerzbewältigung. Cluster III wurden 38 junge Frauen (Durchschnittsalter 31,2 Jahre) zugeordnet, die eine kur-ze Diagnoseverzögerung von 2,1 Jahren aufweisen und deren Krankheitsdauer mit durch-schnittlich 3,4 Jahren ebenfalls vergleichsweise kurz ist. Sie geben den besten Gesund-heitszustand und die geringsten Schmerzen an, weisen die besten Werte in der aktiven, problemorientierten Verarbeitung und der Verarbeitung durch Ablenkung und Selbstaufbau auf, stehen in der Schmerzbewältigung aber ebenfalls noch auf der Stufe der Vorbereitung (57,9 %). Die Mittelwertvergleiche ergaben für den EHP-30, den FKV-Lis und den FF-Stabs nur geringe und für die VAS keine signifikanten Unterschiede.

Ausblick Die Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass die Frauen in Cluster II eine vulnerable Grup-pe repräsentieren, die einer besonderen Versorgung bedürfen. Die Annahme vermehrter psychischer Komorbiditäten in dieser Gruppe wird im Rahmen der Befragung zum Follow up-Zeitpunkt (12 Monate nach Schulung) untersucht. Es wird erwartet, dass sich daraus An-satzpunkte für eine gezieltere Versorgung ableiten lassen.

Literatur Ebert, A. (2006): Endometriose - Ein Wegweiser für die Praxis. Berlin: Walter de Gruyter. Jones, G., Jenkinson, C., Kennedy, S. (2001): The Endometriosis Health Profile User Man-

ual. Oxford: University of Oxford. Leeners, B., Imthurn, B. (2007): Psychosomatische Aspekte der Endometriose - aktueller

Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und der klinischen Erfahrungen. Gynäkol Ge-burtshilfliche Rundsch, 47. 132-139.

Maurischat, C., Härter, M., Bengel, J. (2002): Freiburger Fragebogen - Stadien der Bewälti-gung chronischer Schmerzen (FF-Stabs). Göttingen: Hogrefe Testzentrale.

Muthny, F. (1989): Freiburger Fragebogen zur Krankheitsverarbeitung (FKV). Manual. Weinheim: Belz Test GmbH.

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Wirksamkeit einer verhaltensmedizinischen Betreuung und Schulung von Fibromyalgiesyndrom-Patienten

Lange, M. (1), Krohn-Grimberghe, B. (2), Petermann, F. (1) (1) Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Universität Bremen,

(2) Rheumaklinik Bad Wildungen der DRV Oldenburg-Bremen, Bad Wildungen

Hintergrund Die Behandlung des Fibromyalgiesyndroms stellt mit dem meist chronischen Verlauf und den einhergehenden psychosozialen Belastungen eine große Herausforderung dar. Die In-tegration von Patientenschulung und praktischen Übungen in die medizinische Versorgung ermöglicht eine Symptomlinderung. So gelingt es den Patienten, ein angemessenes Krank-heitsmodell zu entwickeln, das Selbstmanagement aufzubauen, auslösende sowie aufrecht-erhaltende Faktoren zu identifizieren (Petermann, 2007). Da das Krankheitsbild durch psy-chosoziale Aspekte geprägt ist, empfehlen die interdisziplinären Leitlinien (S3) eine psycho-somatische Grundversorgung (Themenheft Fibromyalgiesyndrom, 2008). Vor allem die Be-rücksichtigung von depressiven Symptomen scheint eine zentrale Rolle bei der Behandlung zu spielen, da diese sich ungünstig auf die Einstellung zur Schmerzbewältigung auswirken (Lange et al., 2009a; 2009b).

Methode Im Rahmen eines Projektes zur Optimierung der verhaltensmedizinischen Betreuung und Schulung von Fibromyalgiesyndrom-Patienten wurde vom Zentrum für Klinische Psycholo-gie und Rehabilitation (ZKPR) der Universität Bremen in Kooperation mit der Rheumaklinik Bad Wildungen (Deutsche Rentenversicherung Oldenburg-Bremen) in Anlehnung an die Empfehlungen der S3-Leitlinien eine Patientenschulung entwickelt und evaluiert. Die Schu-lung setzte sich aus sechs Modulen à 90 Minuten zusammen (Krankheitsbild, Behand-lungsmöglichkeiten, Schmerz, Stress und Schmerz, Gedanken und Schmerz, Genuss und Alltag). Die Erhebung erfolgte an 120 Patienten, die aus einer Interventions- (n = 70) und einer unbehandelten Kontrollgruppe (n = 50) gebildet wurden. Die Patienten erhielten zu drei Messzeitpunkten (Reha-Beginn, Reha-Ende, 6-Monate Katamnese) einen Fragebogen zur Erfassung der Schmerzverarbeitung (FESV), die deutsche Version der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS-D) und den Deutschen Schmerzfragebogen (DSF).

Ergebnisse und Diskussion Die durchschnittliche Schmerzstärke konnte selbst langfristig signifikant verringert werden (p< .001). Die Angst konnte in der Interventionsgruppe zum Reha-Ende bedeutsam gesenkt werden und nach einem leichten Anstieg zum Katamnesezeitpunkt erreichte diese Gruppe nicht das höhere Angstniveau der Kontrollgruppe (p < 0.001). Ebenfalls konnte die Depres-sivität in der Interventionsgruppe signifikant gesenkt werden, erreichte trotz eines Anstiegs zur Katamnese jedoch nicht das Ausgangsniveau vor der Rehabilitation (p = 0.005). Für die Schmerzverarbeitung auf der kognitiven Ebene konnten für alle drei Subskalen ("Hand-lungsplanungskompetenz", "Kognitive Umstrukturierung", "Kompetenzerleben") signifikante Verbesserungen in der Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe erzielte werden, die sich sechs Monate nach Reha-Ende noch nachweisen ließen. Auf der behavioralen E-

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bene konnte die "mentale Ablenkung" gesteigert werden, die zur Katamnese auf das gleiche Niveau abfiel. Jedoch verbesserte sich die Skala "Ruhe- und Entspannung" zu beiden Messzeitpunkten bedeutsam. Die schmerzbedingten Beeinträchtigungen konnten auch lang-fristig signifikant reduziert werden (p < 0.001).

Schlussfolgerungen Die Ergebnisse weisen auf eine gute Wirksamkeit der Patientenschulung für das Fibromyal-giesyndrom hin. Durch eine Vernetzung einer verhaltensmedizinischen Behandlung und Schulung scheint auch ein langfristiger positiver Verlauf, selbst für eine chronische Erkran-kung, gesichert zu sein.

Literatur Lange, M., Karpinski, N., Krohn-Grimberghe, B., Petermann, F. (2009a): Patienten mit

Fibromyalgiesyndrom: Der Einfluss von Depressivität auf die Einstellung zur Schmerzbe-wältigung. Die Rehabilitation, 48. 306-311.

Lange, M., Krohn-Grimberghe, B., Petermann, F. (2009b): Patienten mit Fibromyalgie-syndrom: Der Einfluss von Depressivität auf den Rehabilitationserfolg. Die Rehabilitation, 48. 298-305.

Petermann, F. (2007): Verhaltensmedizinische Behandlungsstrategien der Fibromyalgie. Der Schmerz, 21. 469-477.

Themenheft Fibromyalgiesyndrom - Eine interdisziplinäre S3-Leitlinie (2008): Hintergründe und Ziele - Methodenreport - Klassifikation - Pathophysiologie - Behandlungsgrundsätze und verschiedene Therapieverfahren. Der Schmerz, 22. 239-348.

Mittel- und langfristige Effektivität des Curriculum Rückenschule des Gesundheitstrainingsprogramms

der Deutschen Rentenversicherung Bund

Seekatz, B. (1), Meng, K. (1), Roßband, H. (2), Worringen, U. (3), Faller, H. (1), Vogel, H. (1) (1) Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie, Universität Würzburg,

(2) Rehabilitationszentrum Bad Sooden-Allendorf, Klinik Werra, (3) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund Die Effektivität und Effizienz von Patientenschulungen konnte nachgewiesen werden (Faller et al., 2005). In der Praxis der medizinischen Rehabilitation werden Schulungen jedoch nur zu einem geringen Teil auf der Grundlage evaluierter Programme durchgeführt. Entwick-lungsbedarf besteht insbesondere hinsichtlich Manualisierung, Evaluation und Trainer-Fort-bildung (Friedl-Huber et al., 2007). Zur Qualitätsentwicklung stellt das Gesundheitstrainings-programm der Deutschen Rentenversicherung Bund indikationsspezifische Curricula bereit. Die Prüfung deren Effektivität steht noch aus und wird exemplarisch für das Curriculum Rü-ckenschule durchgeführt. Zur Wirksamkeit von Rückenschulungen bei unspezifischen Rü-ckenschmerzen berichten Metaanalysen kleine bis mittlere Effekte bzw. moderate Evidenz. Aufgrund der klinischen und methodischen Heterogenität der Studien besteht kein gesicher-

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ter Kenntnisstand; es wird eine konzeptuelle Verbesserung und systematische Evaluation empfohlen (Heymans et al., 2004; Maier-Riehle, Härter, 2001).

Das Curriculum Rückenschule wurde nach wissenschaftlicher Evidenz und Qualitätsstan-dards für Schulungen überarbeitet. Erste Analysen zur Wirksamkeit zeigen signifikante klei-ne bis mittlere Interventionseffekte zugunsten des neuen Programms hinsichtlich des kurz-fristigen Patientenoutcomes zu Rehabilitationsende (Meng et al., im Druck). Der vorliegende Beitrag beinhaltet die Ergebnisse zur mittel- und langfristigen Wirksamkeit 6 und 12 Monate nach der Rehabilitation.

Methode Die Evaluation des neuen Curriculums erfolgt in einem unizentrischen, randomisierten Kon-trollgruppendesign mit vier Messzeitpunkten (Rehabilitationsbeginn, -ende, 6- und 12-Monats-Katamnese). Probanden mit orthopädischer Hauptindikation (ICD-10: M51, M53, M54) werden konsekutiv rekrutiert und nach externer Randomisierung der Interventions- und Kontrollgruppe (IG, KG) zugewiesen. Die Standardschulung der Klinik (usual care) stellt die Kontrollbedingung dar. Primäres Zielkriterium ist das Krankheits- und Behandlungswis-sen, sekundäre Zielkriterien sind Schmerz und Schmerzbewältigung (NRS, FESV, FABQ), rückengerechtes Verhalten, körperliche Aktivität (HAPA-Skalen, FFkA), Funktionsfähigkeit (FFbH), subjektiver Gesundheitsstatus (SF-12) und Schulungszufriedenheit.

Die Prüfung der Hauptfragestellung erfolgt durch den Intergruppenvergleich zu den Post-Messzeitpunkten mittels Kovarianzanalyse unter Kontrolle bedeutsamer Baseline-Unter-schiede.

Die Ausgangsstichprobe besteht aus 360 Rehabilitanden. Nach 6 Monaten liegen die Daten von 296 Personen (82,2 %), nach 12 Monaten von 269 Personen (74,7 %) vor. Der Frauen-anteil ist 64 %. Das durchschnittliche Alter beträgt 50 Jahre (SD = 7,6); 91 % sind Angestell-te.

Ergebnisse Mittel- und langfristig bestehen kleine bis mittelgroße Gruppenunterschiede im primären Zielkriterium. Patienten der IG weisen ein höheres Krankheits- und Behandlungswissen auf als Patienten der KG (nach 6 Monaten: η2 = 0.056; p < 0.001; nach 12 Monaten: η2 = 0.026; p = 0.009).

Auch in sozial-kognitiven und verhaltensbezogenen sekundären Zielkriterien zeigen sich überwiegend signifikante kleine Interventionseffekte zugunsten der IG. Bei den schmerzbe-zogenen Kognitionen liegen mittel- und langfristig geringere Angstvermeidungskognitionen für körperliche Aktivität vor. In Bezug auf Verhaltensdeterminanten für körperliche Aktivität bestehen mittelfristig geringere negative und langfristig geringere negative sowie höhere po-sitive Handlungsergebniserwartungen.

Auf Verhaltensebene gibt es mittel- und langfristig kleine Interventionseffekte für rückenbe-wusstes Verhalten; für die Durchführung von Rückenübungen im Alltag zeigt sich langfristig ein Effekt. Für das Zielverhalten körperliche Aktivität tritt mittelfristig ein kleiner Effekt auf. Es besteht eine signifikante Interaktion mit dem Geschlecht (η2 = .036; p = 0.001); nur bei Män-nern der IG liegt im Vergleich zur KG eine höhere Aktivität vor. Für den Umgang mit Schmerz zeigen sich mittelfristig kleine bis mittlere Effekte für alle Bewältigungsformen.

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Langfristig bestehen kognitiv höhere Handlungsplanungskompetenzen und höheres Kompe-tenzerleben, behavioral mehr gegensteuernde Aktivitäten sowie Ruhe- und Entspannungs-techniken, aber keine Unterschiede in kognitiver Umstrukturierung und mentaler Ablenkung.

Beim Gesundheits- und Funktionsstatus sowie bei der Schmerzbelastung ergeben sich kei-ne bedeutsamen Gruppenunterschiede mit Ausnahme eines kleinen Effekts für die körperli-che Gesundheit nach 6 Monaten.

Schlussfolgerungen Die Wirksamkeitsanalysen zeigen signifikante kleine bis mittlere Interventionseffekte im kurz-, mittel- und langfristigen Patientenoutcome hinsichtlich primärer und sekundärer ver-haltensbezogener Zielparameter. Die qualitätsgesicherte Schulung ist der klinikeigenen Schulung bei etwa gleicher quantitativer Schulungsintensität überlegen. Die Größe der In-tergruppeneffekte ist mit kleinen bis mittleren Effekten erwartungskonform. Insgesamt kann das neue Curriculum Rückenschule aufgrund der nachgewiesenen Wirksamkeit sowie der hohen Patientenzufriedenheit für die Dissemination in die Versorgungspraxis empfohlen werden.

Literatur Faller, H., Reusch, A., Vogel, H., Ehlebracht-König, I., Petermann, F. (2005): Patientenschu-

lung. Die Rehabilitation, 44. 277-286. Friedl-Huber, A., Küffner, R., Ströbl, V., Reusch, A., Vogel, H., Faller, H. (2007): Praxis der

Patientenschulung in der medizinischen Rehabilitation - eine empirische Bestandsauf-nahme bei 771 Rehabilitationseinrichtungen. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Re-habilitation, 75. 15-20.

Heymans, M.W., van Tulder, M.W., Esmail, R., Bombardier, C., Koes, B.W. (2004): Back schools for non-specific low-back pain. Cochrane Database of Systematic Reviews. 1-17.

Maier-Riehle, B., Härter, M. (2001): The effects of back schools - A meta-analysis. Internati-onal Journal of Rehabilitation Research, 24. 199-206.

Meng, K., Seekatz, B., Roßband, H., Worringen, U., Faller, H., Vogel, H. (im Druck): Ent-wicklung eines standardisierten Rückenschulungsprogramms für die orthopädische Re-habilitation. Die Rehabilitation.

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Kurzfristige Effekte einer Planungsintervention auf volitionale Variablen bei Rehabilitanden mit Adipositas

Ströbl, V. (1), Knisel, W. (2), Faller, H. (1) (1) Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie, Universität Würzburg, (2) Rehabilitationszentrum Bad Kissingen der Deutschen Rentenversicherung Bund,

Klinik Saale

Hintergrund Die Nachhaltigkeit von Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation ist oft nicht optimal. Den Patienten gelingt es z. T. nicht, die in der Rehabilitation initiierten Verhaltensänderun-gen langfristig weiterzuführen und in ihren Alltag zu integrieren. Ansatzpunkte zur Verbesse-rung des Transfers stellen Planungsinterventionen sowie Nachsorge-Maßnahmen dar, die sich für verschiedene Indikationsbereiche als erfolgreich erwiesen haben (Göhner et al., 2009; Hillebrand, Wirth, 1996; Lippke et al., 2004).

Im Rahmen des Projekts "Evaluation einer Planungsintervention mit telefonischer Nachsor-ge zur Förderung körperlicher Aktivität" wird eine kombinierte Planungs- und Nachsorgein-tervention zur Bewegungsförderung für Patienten mit Adipositas durchgeführt, die sich am HAPA-Modell (Schwarzer, 2004) orientiert. Ziel des Projekts ist die Evaluation dieser Inter-vention im Hinblick auf Gewichtsreduktion und Bewegungsverhalten 6 und 12 Monate nach der Rehabilitation. Der vorliegende Beitrag fokussiert auf die kurzfristigen Effekte der Pla-nungsintervention auf volitionale Variablen (Aufrechterhaltungs-Selbstwirksamkeit, Hand-lungs- und Bewältigungsplanung) zu Rehabilitationsende. Zudem soll der Frage nachge-gangen werden, ob die Teilnehmer einen Transfer von Planungsprozessen vom Verhaltens-bereich Bewegung auf das Ernährungsverhalten vornehmen.

Methode Der Studie liegt ein randomisiertes Kontrollgruppendesign mit vier Messzeitpunkten (Reha-Beginn und -Ende, 6 und 12 Monate nach Rehabilitation) zugrunde. Patienten mit Adipositas (BMI: 30 - 40) werden konsekutiv in die Studie aufgenommen und durch externe Rando-misierung entweder der Kontrollgruppe (KG, Standardrehabilitation) oder der Interven-tionsgruppe (IG, Standardrehabilitation und Planungsintervention und telefonische Nach-sorge) zugewiesen. Alle Zielgrößen werden über Fragebogen erfasst, das Körpergewicht zusätzlich über Arztangaben.

Die Stichprobe für die vorliegenden Auswertungen besteht aus 367 Patienten (53 % Män-ner; Alter: M = 48 Jahre, SD = 9,9) mit einem mittleren BMI von 36,9 (SD = 4,4). Interventi-ons- und Kontrollgruppe unterscheiden sich nicht in soziodemographischen Variablen.

Ergebnisse In der Implementierungsphase wurde die Planungsintervention manualisiert und ein Leitfa-den für die telefonische Nachsorge erstellt. Im Hinblick auf Machbarkeit und Akzeptanz zeigt sich, dass sowohl die Planungsintervention als auch die telefonische Nachsorge gut durch-führbar sind und von den Teilnehmern zu Reha-Ende bzw. zur 6-Monats-Katamnese sehr gut bewertet werden.

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In Bezug auf volitionale Variablen zu körperlicher Aktivität liegt bei der IG im Vergleich zur KG zu Reha-Ende eine signifikant bessere Handlungs- und tendenziell bessere Bewälti-gungsplanung vor (p < 0.01 bzw. p = 0.09), wobei es sich um einen mittleren bzw. kleinen Effekt handelt (d = 0.46 bzw. d = 0.19). Die Gruppen unterscheiden sich weder in der Auf-rechterhaltungs-Selbstwirksamkeit für körperliche Aktivität noch in den drei volitionalen Vari-ablen in Bezug auf Ernährung.

Diskussion Die Planungsintervention zu körperlicher Aktivität führt bei adipösen Rehabilitanden kurzfris-tig zu einer verbesserten Handlungs- und Bewältigungsplanung. Im Sinne des HAPA-Modells sind diese Variablen Mediatoren, die langfristig zu einem verbesserten Bewegungs-verhalten beitragen. Die Ergebnisse zur Ernährung deuten darauf hin, dass kein Transfer von Planungsprozessen über verschiedene Verhaltensbereiche hinweg vorgenommen wird und Planungsprozesse somit in Interventionen verhaltensspezifisch initiiert werden müssen.

Aussagen zur Wirksamkeit der Intervention auf Körpergewicht und Bewegungsverhalten können auf Grundlage der Daten zur 6- und 12-Monats-Katamnese getroffen werden, die 2010 vorliegen.

Literatur Göhner, W., Seelig, H., Fuchs, R. (2009): Intervention effects on cognitive antecedents of

physical exercise: a 1-year follow-up study. Applied Psychology: Health and Well-Being, 1 (2). 233-256.

Hillebrand, T., Wirth, A. (1996): Betreuung von Adipösen im Anschluß an die stationäre Re-habilitation. Prävention und Rehabilitation, 8. 83-87.

Lippke, S., Ziegelmann, J., Schwarzer, R. (2004): Initiation and maintenance of physical ex-ercise: stage-specific effects of a planning intervention. Research in Sports Medicine, 12. 221-240.

Schwarzer, R. (2004): Psychologie des Gesundheitsverhaltens - Einführung in die Gesund-heitspsychologie (3. Aufl.). Göttingen: Hogrefe.

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Patientenschulung (Poster)

Spezifische Rahmenbedingungen ambulanter Patientenschulung

Brandes, I., Wunderlich, B. Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung,

Medizinische Hochschule Hannover

Hintergrund Nachweise zur Wirksamkeit von Patientenschulungen liegen für verschiedenste Indikationen vor (Faller et al., 2005), die standardisierten und evaluierten Schulungsprogramme werden jedoch überwiegend im stationären Reha-Setting eingesetzt (Bitzer et al., 2009). Schu-lungsprogramme im ambulanten Setting ergänzen das Versorgungsangebot für Indikationen bzw. für Patienten ohne Zugang zu einer stationären Rehabilitation. Im Rahmen der EVA-Studie ("Endometriose verstehen und annehmen")* wird ein ambulantes Schulungspro-gramm für Frauen mit Endometriose entwickelt, umgesetzt und evaluiert. An diesem Bei-spiel werden die Besonderheiten eines ambulanten gegenüber einem stationären Schu-lungsangebot dargestellt.

Methode Die Grundlage für die Entwicklung und Umsetzung des Schulungsprogramms bildeten ein seit mehreren Jahren in einer Rehaklinik durchgeführtes stationäres Schulungsprogramm sowie die publizierten Empfehlungen der Rehawissenschaften (Ströbl et al., 2007).

Ergebnisse Bei der Umsetzung der ambulanten Schulung sind auf Struktur- und Prozessebene einige Probleme und Hindernisse aufgetreten, die in einem stationären Setting nicht bzw. nicht in dem Umfang zu erwarten sind. Die Schulungen fanden an mehreren Standorten in unter-schiedlichen Settings (Kliniken der Schwerpunkt- und Maximalversorgung, ambulante Re-haklinik, Praxisklinik, öffentlicher Tagungsraum) statt. Dabei konnten die Anforderungen an die räumliche und technische Ausstattung nicht immer erfüllt werden. Ansprechende ruhige Seminar- und Gymnastikräume mit technischer Mindestausstattung sind in Akut-Kliniken und Praxen nicht immer vorhanden. Auch die Zusammenstellung eines erfahrenen multidis-ziplinären Trainerteams stellt - anders als in Rehakliniken - eine große Herausforderung dar, da weder Psychologen noch Physiotherapeuten zur Verfügung stehen. Zu berücksichtigen sind auch die Schulungszeiten, die mit Rücksicht auf die Berufstätigkeit der Teilnehmerin-nen außerhalb der üblichen Arbeitszeiten liegen. Auf der prozessualen Ebene ist im ambu-lanten Setting zusätzlich das Problem der Rekrutierung von Schulungsteilnehmern zu lösen. Hier besteht noch weiterer Untersuchungsbedarf. Die Umsetzung einer geschlossenen Gruppe ist bei einer ambulanten Schulung insofern einfacher, als Anreisetermine keine Re-levanz haben, aber auch schwieriger, wenn die Schulung als Abendveranstaltung über meh- * Förderkennzeichen: 01 GX 0712, gefördert vom BMBF, den Spitzenverbänden der gesetzlichen Kranken-

kassen, der deutschen Rentenversicherung und der Verband der privaten Krankenversicherung e.V.

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rere Wochen durchgeführt wird. Eine strenge Orientierung an standardisierten Abläufen und Inhalten hat sich für das ambulante Schulungsprogramm als nicht adäquat erwiesen. Das scheint u. a. darin begründet zu sein, dass die Schulungsgruppen deutlich heterogener hin-sichtlich Krankheitsdauer und -schwere, körperlicher, psychischer und sozialmedizinischer Beeinträchtigungen, Krankheitswissen sowie soziodemographischer Parameter sind als im stationären Setting. Den daraus resultierenden sehr unterschiedlichen Bedürfnissen muss seitens der Trainer mit einer erhöhten Flexibilität in der Gestaltung des Ablaufs begegnet werden, ohne dabei wichtige Inhalte zu vernachlässigen.

Diskussion Insgesamt haben seit Mai 2008 156 Frauen mit diagnostizierter Endometriose an 17 Schu-lungsdurchgängen teilgenommen. Dieses Ziel konnte jedoch nur unter großen Anstrengun-gen erreicht werden. Die fehlende Zuweisung von Teilnehmerinnen, die unterschiedlichen Voraussetzungen in den jeweiligen Settings, die heterogenen Bedürfnisse und Anforderun-gen der jeweiligen Gruppe sowie das noch nicht gelöste Problem der Vergütung stellen Probleme dar, die in dieser Form im Rahmen einer stationären Schulung nicht auftreten.

Ausblick Der zu erwartende Bedarf an weiteren Schulungsangeboten für bestimmte Indikationen und Zielgruppen sowie als "Auffrischungskurse" nach stationärer Reha bedingt eine intensive Auseinandersetzung mit den hier exemplarisch und sicher nicht erschöpfend aufgezeigten Problemen und Hindernissen bei der Umsetzung.

Literatur Bitzer, E.M., Dierks, M.L., Heine, W., Becker, P., Vogel, H., Beckmann, U., Butsch, R., Dör-

ning, H., Brüggemann, S. (2009): Teilhabebefähigung und Gesundheitskompetenz in der medizinischen Rehabilitation - Empfehlungen zur Stärkung von Patientenschulungen. Die Rehabilitation, 48. 202-210.

Faller, H., Reusch, A., Vogel, H., Ehlebracht-König, I., Petermann, F. (2005): Patientenschu-lung. Die Rehabilitation, 44. 277-286.

Ströbl, V., Friedl-Huber, A., Küffner, R., Reusch, A., Vogel, H., Faller, H. (2007): Beschrei-bungs- und Bewertungskriterien für Patientenschulungen. Praxis Klinische Verhaltens-medizin und Rehabilitation, 75. 11-14.

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Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation I

BOMeN - Berufliche Orientierung in der Medizinischen Neuro-Rehabilitation: Ergebnisse des ersten Katamnesezeitpunktes

Menzel-Begemann, A., Honemeyer, S., Hemmersbach, A. Johanniter-Ordenshäuser Bad Oeynhausen gemGmbH in Kooperation

mit der Westerwaldklinik Waldbreitbach

Hintergrund Die berufliche Wiedereingliederung ist für jeden Betroffenen für das "Integriert-Sein" ins ge-sellschaftliche Leben von zentraler Bedeutung. Nach erworbenen Hirnschädigungen stehen die Betroffenen aufgrund ihrer Funktionseinschränkungen oftmals jedoch vor einer sehr großen Herausforderung, wenn sie in den Berufsalltag zurückkehren möchten. Selbst Pati-enten mit nur leichten Defiziten treffen auf Schwierigkeiten (Göttert et al., 2002), obwohl sie häufig die Reha mit der Erwartung entlassen, unmittelbar an die alte Leistungsfähigkeit an-knüpfen zu können. Diese fehlende Krankheitseinsicht (Awareness) kann die berufliche Reintegration behindern (Onsworth, Clare, 2006; Bauer et al., 2007), weil die Patienten von der Alltagserfahrung unangenehm überrascht werden und sich nicht ausreichend auf die Teilhabeprobleme vorbereiten konnten.

Das BOMeN-Konzept unterstützt die Patienten frühzeitig bei der realistischen Einschätzung der Defizite und ihrer Bedeutung für die Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit. Neben einer strukturierteren Reha-Organisation und einer stärker berufsbezogenen Diagnostik beinhaltet die Behandlung als zentralen Baustein eine Kombination aus intensiver Patientenschulung und Funktionstraining. Diese Therapie stellt durch Wissensvermittlung und vor allem durch praktische Elemente einen klaren Bezug zu den Anforderungen im Erwerbsleben her und unterstützt die Betroffenen in ihrer Krankheitsverarbeitung und beim Erwerb von Kompeten-zen zur Bewältigung arbeitsrelevanter Folgen. Entwickelt wurde das BOMeN-Konzept für neurologische Patienten der Phase D.

Methode/Fragestellung Im Rahmen einer multizentrischen randomisierten und kontrollierten Interventionsstudie werden die Rehabilitations- und Wiedereingliederungsverläufe von 297 Patienten unter-sucht. Mithilfe einer Fragebogenerhebung zu Beginn und zum Ende der Reha sowie 6, 12 und 15 Monate nach dem Aufenthalt wird das BOMeN-Konzept mit der bisherigen medizini-schen Neuro-Rehabilitation (MeN) verglichen. Zu beantworten gilt abschließend folgende Fragestellung: Kann bei neurologischen Patienten der Phase D bis 60 Jahre durch die Be-rufliche Orientierung in der medizinischen Neurorehabilitation (BOMeN) eine Steigerung der Reintegrationsrate von in der Literatur gemittelt berichteten 40 % auf 60 % bis 15 Monate nach der Rehabilitation erreicht werden?

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Ergebnisse Die Ergebnisse des ersten Katamnesezeitpunktes - 6 Monate nach dem Reha-Aufenthalt und damit nach den ersten Erfahrungen im privaten und mitunter beruflichen Alltag - werden berichtet. Hinsichtlich der Reha-Bewertung der Patienten als weichem Kriterium zeigt sich ein kleiner, aber konsequenter Vorsprung für das BOMeN-Konzept. Des Weiteren lassen Betrachtungen einzelner Items Tendenzen erkennen, dass das BOMeN-Konzept subjektiv besser auf die Rückkehr in den Beruf vorbereitet und sich weniger Schwierigkeiten nach der Rückkehr in den Alltag ergeben, auf die die Patienten nicht vorbereitet sind. Damit einher-gehend zeigen sich auch Hinweise, dass Patienten nach der BOMeN-Behandlung den All-tag mit weniger (!) Gelassenheit angehen. - Hinsichtlich der Reintegrationsrate ist zum ers-ten Katamnesezeitpunkt bei einer Rate von 62,1 % der BOMeN-Patienten ein Anteil von 54,2 % Reintegrierter bei den MeN-Patienten zu berichten.

Diskussion Die Ergebnisse deuten zum einen an, dass das BOMeN-Konzept von den Patienten als wirksame Therapie positiv bewertet wird. Zwar lässt der Bewertungsvorsprung noch die sta-tistische Signifikanz vermissen; es kann jedoch bereits von einer inhaltlichen Signifikanz ausgegangen werden, da selbst eine gute Bewertung aufgrund der zeitlich und inhaltlich in-tensiven Patientenschulung sowie der steten Konfrontation mit möglichen Alltagsproblemen (Awareness-Schulung) nicht zwingend zu erwarten war. Dass Patienten nach der BOMeN-Behandlung ihren Alltag tendenziell weniger gelassen angehen können als Patienten nach "usual care", deutet darauf hin, dass die Awareness-Schulung und die Vorbereitung auf mögliche Schwierigkeiten bei der Rückkehr in den Alltag greifen konnte. Die Patienten scheinen sich weniger darauf zu verlassen, unmittelbar an die alte Leistungsfähigkeit an-knüpfen zu können, schätzen ihre Möglichkeiten realistischer ein und gehen vorsichtiger an die Anforderungen heran. In diesem Fall fördert die erworbene Krankheitseinsicht die beruf-liche Wiedereingliederung, was schließlich in einer höheren Reintegrationsrate (bereits) sechs Monate nach der Rehabilitation zum Ausdruck kommt.

Literatur Bauer, C., Fischer, S., Seiler, S., Fries, W. (2007): Erkrankungsfolgen wahrnehmen und ak-

zeptieren - Wege zur Krankheitsbewältigung. In: Fries, W., Lössl, H., Wagenhäuser, S. (Hrsg.): Teilhaben! Neue Konzepte der NeuroRehabilitation - für eine erfolgreiche Rück-kehr in Alltag und Beruf. Stuttgart: Thieme. 29-44.

Göttert, R., Schneider, U., Goldenberg, G. (2002): Überforderung in Alltagssituationen bei minimalen Funktionsdefiziten. In: Goldenberg, G., Pössl, J., Ziegler, W. (Hrsg.): Neuro-psychologie im Alltag. Stuttgart: Thieme. 131-148.

Onsworth, T., Clare, L. (2006): The Association between Awareness Deficits and Rehabilita-tion Outcome following acquired brain injury. Clinical Psychological Review, 26. 783-795.

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Berufliche Wiedereingliederung nach einer medizinisch-beruflich orientierten orthopädischen Rehabilitation:

Eine cluster-randomisierte Studie

Bethge, M. (1), Herbold, D. (2), Trowitzsch, L. (3), Jacobi, C. (4) (1) Abteilung für Versorgungssystemforschung und Grundlagen der Qualitätssicherung in

der Rehabilitation, Charité - Universitätsmedizin Berlin, (2) Paracelsus-Klinik an der Gande, Bad Gandersheim, (3) Institut für Arbeits- und Sozialmedizin in der Paracelsus-Klinik an der

Gande, Bad Gandersheim, (4) Paracelsus-Roswitha-Klinik, Bad Gandersheim

Hintergrund und Fragestellung Seit den 1990er Jahren haben in der orthopädischen Rehabilitation mit der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) Programme an Bedeutung gewonnen, von de-nen aufgrund ihres verstärkten Arbeits- und Berufsbezugs eine höhere Wirksamkeit bei der Wiederherstellung beruflicher Leistungsfähigkeit erwartet wird (Bethge, Müller-Fahrnow, 2008). Allerdings konzentrierte sich die orthopädische Rehabilitation hierzulande zunächst auf eine verbesserte Diagnostik körperlich funktioneller Leistungsfähigkeit und die Entwick-lung daraufhin abgestimmter trainingstherapeutischer Module (Streibelt et al., 2009), wäh-rend psychosoziale Arbeitsbelastungen im Rehabilitationsprozess bislang weniger berück-sichtigt wurden.

Der folgende Beitrag stellt mit der "Integrierten Medizinisch-Berufsorientierten Orthopädi-schen Rehabilitation" (IMBO-Rehabilitation) ein multimodales berufsorientiertes Behand-lungsprogramm vor, das im Rahmen der stationären orthopädischen Rehabilitation der Pa-racelsus-Klinik an der Gande durchgeführt wird und die orthopädische MBOR um Module erweitert, die bislang im Allgemeinen nur innerhalb der psychosomatischen Rehabilitation angeboten wurden (Bethge et al., 2010; Bethge, Trowitzsch, 2009).

Methodik Studienteilnehmer waren Patienten mit besonderer beruflicher Problemlage. Eingeschlosse-ne Patienten wurden in Gruppen entweder dem berufsorientierten Programm oder der all-gemeinen orthopädischen Rehabilitation zugewiesen (Cluster-Randomisierung). Primäres Zielkriterium bildete die berufliche Wiedereingliederung. Die Analysen basieren auf den Da-ten nach 6 und 12 Monaten. Um die Abhängigkeit der Messungen innerhalb eines Clusters zu berücksichtigen, wurden für die Überprüfung der Effekte verallgemeinerte lineare Schät-zungsgleichungen oder hierarchische Mehrebenenmodelle gerechnet.

Ergebnisse 236 Personen willigten in die Studienteilnahme ein (86,8 %). Nach 6 Monaten antworteten 169 (71,6 %) und nach 12 Monaten 146 Personen (61,9 %). Drei Viertel der Studienteilneh-mer (74,6 %) waren weiblich. Das mittlere Alter lag bei 48,9 Jahren (SD = 8,7). Aufgrund der gewählten Zugangskriterien waren beide Gruppen gleichermaßen durch erhebliche Beein-trächtigungen ihrer beruflichen Teilhabe charakterisiert. Knapp die Hälfte (48,4 %) der er-werbstätigen Studienteilnehmer berichtete mindestens dreimonatige Arbeitsunfähigkeitszei-ten im Jahr vor der Rehabilitation. 79,7 % der Studienteilnehmer sahen ihre Berufsausübung durch ihren Gesundheitszustand längerfristig stark eingeschränkt. Für Teilnehmer der Inter-

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ventionsgruppe (IG) war der in den Entlassungsberichten dokumentierte Leistungsumfang bei vergleichbarer Therapiedauer (24,6 Tage; IQR* = 21 bis 28) mit 21 zusätzlichen Thera-piestunden deutlich intensiver als der für die Teilnehmer der Kontrollgruppe (KG) realisierte Leistungsumfang und betrug 82,2 Stunden (IQR = 66,9 bis 90,8).

Nach 6 Monaten hatten Teilnehmer der IG eine 2,4mal höhere Chance (OR = 2,363; p = 0,007) einer erfolgreichen beruflichen Wiedereingliederung, nach 12 Monaten eine noch 1,9fach höhere Chance (OR = 1,914; p = 0,118). Signifikante Interaktionsterme zwischen Treatment und Zeit bestätigten günstigere Verläufe der IG für Depressivität (b = -0,962; p = 0,001) und Angst (b = -0,650; p = 0,032) sowie das mit dem SF-36 erfasste psychische Wohlbefinden (b = 3,258; p = 0,025), die soziale Funktionsfähigkeit (b = 4,867; p = 0,026) und die berichtete Vitalität (b = 3,556; p = 0,012). Günstigere Verläufe zeigten sich zudem für die berichtete Distanzierungsfähigkeit (b = 0,715; p = 0,045) und für Indikatoren der Schmerzverarbeitung und -bewältigung. Hinsichtlich der körperlich funktionellen Zielkriterien erreichten beide Gruppen moderate bis hohe Effekte. Tendenziell waren die Verläufe der IG auch hier günstiger (Körperliche Funktionsfähigkeit: b = 2,663; p = 0,079; Körperliche Schmerzen: b = 2,819; p = 0,072).

Schlussfolgerung Die Ergebnisse der Wirksamkeitsstudie zeigen, dass ein intensiviertes berufsorientiertes Programm mit klar definiertem multimodalem Aufbau die beruflichen Teilhabechancen be-sonders beeinträchtigter Patienten erhöhen kann.

Literatur Bethge, M., Herbold, D., Trowitzsch, L., Jacobi, C.: Berufliche Wiedereingliederung nach ei-

ner medizinisch-beruflich orientierten orthopädischen Rehabilitation: Eine cluster-rando-misierte Studie. Die Rehabilitation. Im Druck.

Bethge, M., Müller-Fahrnow, W. (2008): Wirksamkeit einer intensivierten stationären Reha-bilitation bei muskuloskeletalen Erkrankungen: systematischer Review und Meta-Analyse. Die Rehabilitation, 47. 200-209.

Bethge, M., Trowitzsch, L. (2009): Berufsbezogenes funktionelles Training in der Rehabilita-tion bei muskuloskeletalen Erkankungen. In: Hillert, A., Müller-Fahrnow, W., Rado-schewski, F.M. (Hrsg.): Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation. Grundlagen und klinische Praxis. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag. 163-168.

Streibelt, M., Thren, K., Müller-Fahrnow, W. (2009): Effektivität FCE-basierter medizinischer Rehabilitation bei Patienten mit chronischen Muskel-Skelett-Erkrankungen - Ergebnisse einer randomisierten kontrollierten Studie. Phys Med Rehab Kurort, 19. 34-41.

* Interquartilabstand

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"Berufliche Zukunft" - Ein Behandlungsprogramm für Patienten mit beruflicher Problemlage: Ergebnisse der 6-Monatskatamnese*

Bönisch, A., Dorn, M., Ehlebracht-König, I. Rehazentrum Bad Eilsen der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover

Hintergrund Zielgruppe sind Patienten mit sozialmedizinischer Problematik (längere Arbeitsunfähigkeits-zeiten, Arbeitsplatzverlust aus gesundheitlichen Gründen, unsicherer beruflicher Zukunft). Das fünfteilige Programm mit psychoedukativer Ausrichtung hat zum Ziel, den sozialmedizi-nischen Kenntnisstand zu verbessern, sich mit der eigenen beruflichen Situation auseinan-derzusetzen sowie zur Rückkehr ins Erwerbsleben zu motivieren. Weiter wird eine bessere Vernetzung während der Reha im Team angestrebt. Thematische Schwerpunkte sind Infor-mationen zu Erwerbs(un)fähigkeit, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) und ge-setzlichen Rahmenbedingungen. Teile eines anderen Programms wurden modifiziert und erweitert (Schultze, 2005). Als kurzfristige Effekte (Reha-Beginn t1, Reha-Ende t2) konnten eine verbesserte Erwerbsprognose sowie ein höherer Wissensstand in einem quasi-experimentellen kontrollierten Design für die Seminarteilnehmer gezeigt werden (Bönisch et al., 2009).

Methode/Stichprobe Die Rücklaufquote zu t3 (6 Monate) beträgt 76,3 %; von 267 Probanden liegen Daten zu al-len drei Messzeitpunkten vor (IG 137, KG 130). Design: die Interventionsgruppe (IG) erhielt während der Reha das Seminar, die Kontrollgruppe (KG) usual care. Erhoben werden ne-ben psychologischen und funktionalen Parametern (z. B. Depressivität, Schmerzen, Behin-derung durch Schmerzen) der sozialmedizinische Wissensstand sowie Anträge auf LTA-Maßnahmen. Aus den Entlassberichten (t2) wurden die Empfehlungen für LTA erfasst. Stichprobe: 55 % männlich, mittleres Alter 48 Jahre, 58 % erwerbstätig, 39 % arbeitslos, 60 % Hauptschulabschluss, mittlere AU-Dauer 26 Wochen.

Ergebnis Die IG konnte ihren deutlichen Wissensvorsprung gegenüber der KG auch bei t3 halten (Ef-fekte für Zeit; Interaktion Zeit x Gruppe; Gruppe jeweils p<,001; Intragruppeneffektstärke IG: 1,32, KG 0,40). Die IG erlebte die Reha auch bei t3 hinsichtlich der Unterstützung bei beruf-lichen Problemen signifikanter besser als die KG (p<,001).

Für Angst und Depressivität zeigten sich die bekannten "Badewannen-Effekte" mit einer Verbesserung bei t2 und einer Rückkehr zu t3 auf das Ausgangsniveau; in Bezug auf die Schmerzstärke konnte die bei t2 erreichte Verbesserung auch zu t3 verstetigt werden. Un-terschiede zwischen IG und KG ergaben sich nicht.

23 Probanden (8,6 %) wurde bei t2 im E-Bericht ein aufgehobenes (<3 Std.) oder einge-schränktes (3-6 Std.) Leistungsvermögen attestiert. Bezogen auf die Subgruppe mit vorhan-denem Leistungsvermögen waren bei t2 im Entlassbericht in der IG (64 %) tendenziell häu-figer als in der KG (56 %) LTA-Maßnahmen empfohlen worden (p<.10). Selbiges gilt für die

* Gefördert von der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover

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Anträge auf LTA-Maßnahmen, die im Katanmesezeitraum von 38,4 % (IG) bzw. 29,7 % (KG) gestellt wurden (p<.10). Detaillierte Ergebnisse zur Bewilligung und Inanspruchnahme liegen 3/2009 vor.

Fazit Die Ergebnisse zeigen eine Verstetigung der Effekte zum 6-Monatszeitpunkt für das sozial-medizinische Wissen sowie die erlebte Unterstützung bei beruflichen Problemen zugunsten der IG. Die Zahl der LTA-Empfehlungen bei Reha-Ende ist verglichen mit anderen Studien auch in der KG schon recht hoch (vgl. z. B. Beck et al., 2004). Die häufigeren Empfehlungen für LTA in der IG deuten daraufhin, dass durch die Intervention die Sensibilität im Reha-Team für berufsbezogene Probleme noch verbessert werden konnte. Weitere Vorteile zei-gen sich bezüglich der Zahl der beantragten LTA-Maßnahmen.

Literatur Beck, L., Merkesdal, S., Busche, T., Mau, W. (2004): Empfehlung und langfristige Realisie-

rung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach ambulanter orthopädischer Re-habilitation. DRV-Schriften, Bd. 52. 203-205.

Bönisch, A., Dorn, M., Ehlebracht-König, I. (2009): "Berufliche Zukunft" - Zwischenergebnis-se zur Evaluation eines Behandlungsprogramms für Patienten mit beruflicher Problemla-ge in der medizinischen Rehabilitation, DRV-Schriften, Bd. 83. 56-57.

Schultze, H. (2005): Stationäre psychosomatische Rehabilitation bei chronischen Schmerz-patienten. Pabst Science Publishers. Lengerich.

Evaluation berufsbezogener Maßnahmen in der psychosomatischen Rehabilitation - Arbeitstherapie und interne Belastungserprobung

im "Buchauer Modell"

Epple, N. (1), Oster, J. (2), Müller, G. (3), von Wietersheim, J. (2) (1) Buchtal-Klinik, Albstadt-Tailfingen, (2) Klinik für Psychosomatische Medizin und

Psychotherapie, Universität Ulm, (3) Schlossklinik Bad Buchau

Hintergrund und Ziele Von der Deutschen Rentenversicherung werden berufsbezogene Interventionen ausdrück-lich gefordert (Hillert, Koch, 2009) und mittlerweile in den meisten primär durch die Renten-versicherung belegten Rehabilitationskliniken durchgeführt. Eine Systematisierung dieser Maßnahmen liegt inzwischen vor, allerdings fällt weiterhin eine große Heterogenität sowie die häufig fehlende empirische Fundierung auf (Neuderth et al., 2006). In der Schlossklinik Bad Buchau werden Arbeitstherapie und interne Belastungserprobung seit 1995 durchge-führt und ständig weiterentwickelt. Diese Maßnahmen besitzen damit unter der Bezeichnung "Buchauer Modell" bereits Tradition, die wissenschaftliche Evaluation dieser Maßnahmen stand bisher aus. Das Hauptziel der hier vorgestellten Studie war nun die Untersuchung der Wirksamkeit dieser Interventionen. Die Hauptfragestellungen bezogen sich auf die Bewer-tung der berufsbezogenen Interventionen durch die Patienten, den Einfluss der Maßnahmen

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auf die Arbeitsmotivation und Leistungsfähigkeit, sowie Variablen, die den Erfolg dieser ar-beitstherapeutischen Maßnahmen beeinflussen.

Methodik Die Studie erfolgte in einem kontrollierten Design mit den drei Studiengruppen Arbeitsthera-pie, Belastungserprobung und Kontrollgruppe. Die Patienten der Kontrollgruppe erhielten während ihres Aufenthaltes keine der beiden untersuchten berufsbezogenen Maßnahmen. Die Indikation für die Arbeitstherapie und die Belastungserprobung wurde durch die Thera-peuten der Patienten gestellt. In die Teilnahme an der Studie willigten 215 Patienten ein. Bei den Patienten, die an der Studie teilnahmen, handelt es sich um eine beruflich hoch belaste-te Gruppe. Hierfür spricht das mit 45,6 Jahren vergleichsweise hohe Durchschnittsalter (Koch et al., 2007; Beutel et al., 2005). Zudem standen zum Aufnahmezeitpunkt lediglich 30 % der Teilnehmer in einem Arbeitsverhältnis. Die verbleibenden 70 % waren zu dieser Zeit längerfristig krankgeschrieben (>3 Monate), arbeitslos oder anderweitig ohne berufliche Beschäftigung. Weiterhin waren zwei Drittel der Teilnehmer ungelernte oder gelernte Arbei-ter. Für diese, ehemals der Arbeiterrentenversicherung zugeordnete, Berufsgruppe ist eine deutliche Häufung beruflicher Belastungsfaktoren nachgewiesen (Müller-Fahrnow, Rado-schewski, 2009).

Datenerhebungen fanden zu den vier Zeitpunkten Aufnahme und Entlassung sowie drei und zwölf Monate nach Abschluss der Behandlung statt. Während des Aufenthalts wurden Da-ten von Patienten und Therapeuten mit Fragebögen erhoben. Die Nachuntersuchungen ge-schahen in Form von Telefoninterviews. Auswertungen erfolgten im Quer- und Längsschnitt.

Ergebnisse Die Ergebnisse zeigen, dass beide Maßnahmen positiv erlebt wurden. Das therapeutische Angebot Arbeitstherapie wurde jedoch positiver eingeschätzt wurde als die primär diagnosti-sche Maßnahme Belastungserprobung. In beiden Gruppen steigerte sich die Leistungsfä-higkeit aus Sicht der Patienten, das Niveau war in der Gruppe Arbeitstherapie jedoch höher. Hier ergaben sich auch Hinweise auf eine Verbesserung der Arbeitsmotivation.

Der Vergleich von Patienteneinschätzungen mit den Einschätzungen durch Therapeuten er-gab Gruppenunterschiede. So zeigt sich für die Teilnehmer der Arbeitstherapie zum Auf-nahmezeitpunkt eine mittlere Übereinstimmung zwischen der Selbst- und der Therapeuten-einschätzung des Rentenwunsches. Zum Entlasszeitpunkt zeigt sich hier eine mittlere Übereinstimmung zwischen der Patienteneinschätzung und dem Diagnostikerurteil hinsicht-lich der Leistungsfähigkeit. Diese Zusammenhänge ließen sich jedoch nicht in der Gruppe Belastungserprobung nachweisen, d. h. Patientenurteil und Therapeutenurteilen sind hier deutlich unterschiedlich.

Für ein Drittel der Studienteilnehmer, die das berufsbezogene Angebot Arbeitstherapie er-hielten, konnte ein Rehaerfolg im Sinne einer beruflichen Wiedereingliederung festgestellt werden. Als prognostisch günstig für die berufliche Weiterentwicklung erwiesen sich ein ge-ring ausgeprägter Rentenwunsch, ein eher jüngeres Alter sowie eine weniger schwer aus-geprägte psychogen-körperliche Beeinträchtigung aus Therapeutensicht.

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Schlussfolgerung Insgesamt sprechen die Ergebnisse für eine gute Akzeptanz und Wirksamkeit der berufsbe-zogenen Interventionen.

Literatur Beutel, M., Zwerenz, R., Bleichner, F., Vorndran, A., Knickenberg, R.J. (2005): Vocational

training integrated into inpatient psychosomatic rehabilitation - short and long-term results from a controlled study. Disability and Rehabilitation, 27 (15). 891-900.

Hillert, A., Koch, S. (2009): Berufsbezogene Therapie: Zur aktuellen Situation in psychoso-matischen Rehakliniken. In: Hillert, A., Müller-Fahrnow, W., Radoschewski, F.M. (Hrsg.): Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation - Grundlagen und klinische Praxis. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag. 339-340.

Müller-Fahrnow, W., Radoschewski, F.M. (2009): Einleitung. In: Hillert, A., Müller-Fahrnow, W., Radoschewski, F.M. (Hrsg.): Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation - Grundlagen und klinische Praxis. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag. 1-13.

Koch, S., Geissner, E., Hillert, A. (2007): Berufliche Behandlungseffekte in der stationären Psychosomatik. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 55 (2). 97-109.

Neuderth, S., Gerlich, C., Vogel, H. (2006): Bundesweite Bestandsaufnahme berufsbezoge-ner Interventionen in der medizinischen Rehabilitation. DRV-Schriften, Bd. 64. 48-49.

Begleitende Nachsorge bei Stufenweiser Wiedereingliederungen zu Lasten der Rentenversicherung - Erste Erfahrungen über den

inkrementellen Nutzen eines solchen Angebotes

Bürger, W. fbg - Forschung und Beratung im Gesundheitswesen, Karlsruhe

Hintergrund Die Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz erprobt in einem innovativen Modellpro-jekt seit 2007 eine spezifische Form der Nachsorge. Hierbei erhalten Versicherte, die nach der Rehabilitation eine stufenweise Wiedereingliederung (STW) durchführen, eine telefoni-sche oder persönliche Nachbetreuung durch Mitarbeiter der Rehabilitationseinrichtung, die die Stufenweise Wiedereingliederung angeregt hat. Die Betreuung findet in der Regel durch Sozialarbeiter der Rehabilitationseinrichtungen statt.

Dieses Nachsorgeangebot ist vor dem Hintergrund früherer Forschungsarbeiten konzipiert worden (vgl. Bürger 2004 und 2008), wonach einerseits substantielle Anteile von Versicher-ten die STW abbrechen und andererseits mehr als ein Drittel der Versicherten die fehlende Betreuung während ihrer STW bemängeln. Beides geht mit einem deutlich erhöhten Risiko für einen mittelfristig nicht erfolgreichen Verlauf der Wiedereingliederung einher. Es wird er-wartet, durch die Einführung des Betreuungsangebotes die Zahl der Abbrecher von STW zu minimieren und die Wiedereingliederungsquote insbesondere bei Risikogruppen für nicht erfolgreiche Verläufe erhöhen zu können.

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Mit der hier vorgestellten wissenschaftlichen Begleitforschung wurde überprüft, ob der Mehr-aufwand der nachsorgenden Betreuung während der STW lohnt.

Methodik Bislang wurden insgesamt 122 Versicherte mit STW zu Lasten der Deutschen Rentenversi-cherung Rheinland-Pfalz postalisch mithilfe eines standardisierten Fragebogens befragt.

Die Befragung richtete sich an jeweils 61 Versicherte mit STW und Nachsorgebetreuung, denen auf der Grundlage des Datenbestandes der DRV Rheinland-Pfalz jeweils ein Rehabi-litand ohne Nachsorgebetreuung aus der entsprechenden Rehabilitationseinrichtung gegen-übergestellt wurde, der in zahlreichen demographischen und Krankheitsvariablen vergleich-bar ist. Die Vergleichbarkeit der beiden Stichproben wurde zusätzlich auf der Basis der Fra-gebogenerhebung überprüft und bestätigt.

Mithilfe des Fragebogens werden neben biographischen und Krankheitsdaten Informationen über die Einleitung, Durchführung und Bewertung der STW erhoben, ebenso zum Wieder-eingliederungsverlauf, zu Fehlzeiten und Rentenantragstellungen nach der STW sowie zu Risikofaktoren für eine nicht erfolgreiche Wiedereingliederung. Die Versicherten mit Nach-sorgebetreuung wurden zusätzlich zu Umfang, Durchführung und Bewertung des nachsor-genden Betreuungsangebotes befragt.

Die Rücklaufquote bei der Befragung lag bei insgesamt 50 %, in beiden Stichproben antwor-tete jeweils exakt der gleiche Anteil der befragten Versicherten.

Ergebnisse und Diskussion Laut Auskunft der Versicherten findet die Nachsorgebetreuung in 79 % der Fälle telefonisch statt, in der weit überwiegenden Zahl der Fälle (88 %) auf Initiative der Rehabilitationsein-richtung. In der Regel sind es die Sozialarbeiter, die im Mittel 2.3 Kontakte zu den Versicher-ten herstellten. Diese Kontakte wurden von der deutlichen Mehrheit der Befragten (68 %) als sehr hilfreich oder hilfreich (20 %) bewertet.

Versicherte, die eine solche Nachsorgebetreuung während ihrer STW erhalten haben, be-werten die STW insgesamt positiver im Vergleich mit Versicherten ohne Nachsorgebetreu-ung, sie brechen die STW seltener ab (6.5 % vs. 12.9 %) und kehren häufiger unmittelbar nach der STW wieder ins Erwerbsleben zurück. Versicherte mit Nachsorgebetreuung sind auch ein Jahr nach der STW noch häufiger im Erwerbsleben. Keine gravierenden Vorteile zugunsten der Versicherten mit Nachsorgebetreuung zeigen sich hinsichtlich der Renten-entwicklung im Jahr nach der STW. Die Quote an Versicherten mit Rentenantrag ist bei den Versicherten mit Betreuung mit 8 % zwar deutlich unter denen ohne Betreuung (15 %), al-lerdings geben mehr Versicherte mit Betreuung nach der STW an, über einen Antrag zur Frühverrentung nachzudenken.

Dabei sind die Vorteile der während der STW betreuten Versicherten nicht mit günstigeren Voraussetzungen der Versicherten am Ende der Rehabilitation zu erklären. Im Gegenteil, diese Versicherten beurteilen ihren Gesundheitszustand und die Gefahr einer Wiederver-schlechterung der Symptomatik bei Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit retrospektiv für den Zeitpunkt am Ende der Rehabilitation eher ungünstiger und geben zudem höhere Fehl-zeiten unmittelbar und im Jahr vor der Rehabilitation an.

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Die positiven Effekte der Nachsorgebetreuung sind nahezu durchgängig zu beobachten, sind allerdings von kleiner Effektstärke und lassen sich aufgrund der geringen Fallzahlen z. T. statistisch noch nicht absichern.

Insgesamt erscheinen die Ergebnisse aber ermutigend und deuten darauf hin, dass ein sol-ches Angebot einer Nachbetreuung prinzipiell sinnvoll ist und dass es lohnt, eine Weiterfüh-rung und -entwicklung dieses Ansatzes mit größeren Fallzahlen und unter Einbeziehung auch anderer Versicherungsträger zu erproben.

Literatur Bürger, W. (2004): Stufenweise Wiedereingliederung nach orthopädischer Rehabilitation

- Teilnehmer, Durchführung, Wirksamkeit und Optimierungsbedarf. Die Rehabilitation, 43. 152-161.

Bürger, W. (2008): Stufenweise Wiedereingliederung zu Lasten der Gesetzlichen Renten-versicherung - Umfang, Indikation, Einleitung, Durchführung, Bewertung und Ergebnisse. Unveröffentlichter Abschlussbericht eines Forschungsprojektes im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung. Karlsruhe.

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Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation II

Pretest zur Implementation eines Screeningmoduls in das Reha-Antragsverfahren

Röckelein, E. (1), Hammoser, C. (1), Holderied, A. (2), Rodewald, J. (3) (1) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin,

(2) Deutsche Rentenversicherung Nordbayern, Würzburg, (3) Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, Hannover

Hintergrund Um erwerbsbezogene Probleme im Rahmen des Reha-Antragsverfahren rechtzeitig zu er-kennen, wurde in der Umsetzungsphase des Förderschwerpunkts "Rehabilitationswissen-schaften" die Entwicklung von generischen Screeninginstrumenten zur Erkennung berufs-bezogener Problemlagen gefördert (Bürger, Deck, 2009; Löffler et al., 2008, Streibelt et al., 2007). Damit soll auch die Zuweisungssteuerung durch die Sozialmedizinischen Dienste der Rentenversicherungsträger und die Rehabilitationsplanung unterstützt werden.

Bei der Konstruktion der genannten Screeninginstrumente erfolgte die Befragung der Pati-enten auf freiwilliger Basis. Werden Screeningmodule in den Formularsatz zum Reha-Antragsverfahren eingearbeitet, ist für Reha-Antragsteller nicht mehr ohne weiteres er-kennbar, ob die Beantwortung für eine erfolgreiche Antragstellung erforderlich ist bzw. wie sich die Angaben oder eine Nichtbeantwortung der Fragen auf eine Entscheidung über den Reha-Antrag auswirken. Möglicherweise führt dies zu einem vermeintlich sozial erwünsch-ten Antwortverhalten, das keine ausreichende Differenzierung der Bedarfe mehr zulässt. Vor einer aufwändigen Umsetzung in die Verfahrenspraxis wurde im Rahmen eines regional be-grenzten Pretests das Antwortverhalten unter Antragsbedingungen überprüft. Zugleich wur-den die Sozialmedizinischen Dienste der beteiligten Rentenversicherungsträger befragt, wie hilfreich die zusätzlichen Informationen aus den ihnen im Reha-Antragsverfahren vorgeleg-ten Screeningbögen für die Erkennung berufsbezogenen Behandlungsbedarfs sowie die Pa-tientensteuerung sind.

Methodik In den Regionen Braunschweig-Hannover und Nordbayern wurde den Reha-Antrags-formularen der sogenannte "Würzburger Fragebogen" (Löffler et al., 2009) beigefügt. Die Verteilung erfolgte durch die jeweiligen die Regionalträger und die Deutsche Rentenver-sicherung Bund über ausgewählte, möglichst große Krankenkassen. Das Messinstrument wurde in ungekürzter Form eingesetzt. Die Sozialmedizinischen Dienste erhielten ergän-zend zu jedem von den Versicherten aufgefüllten Screeningbogen einen Fragebogen. Sie sollten beurteilen, inwieweit der ausgefüllte Versichertenfragebogen die Ermittlung eines spezifischen beruflichen Behandlungsbedarfs und die Beurteilung der Reha-Bedürftigkeit unterstützt. Die Auswertung erfolgte anonymisiert.

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Ergebnisse Nach Abschluss der achtwöchigen Testphase gingen 685 auswertbare Fragebogenpaare ein. Die Struktur der Stichprobe entspricht hinsichtlich Alter, Geschlecht, Indikation und Er-werbssituation weitgehend den erwartbaren Werten.

Befragung der Reha-Antragsteller: Es gibt keine Hinweise, dass die Versicherten ihre sub-jektive Erwerbsprognose unter Antragsbedingungen schlechter darstellen (um etwa die Re-ha-Bedürftigkeit zu unterstreichen) als unter Forschungsbedingungen.

Befragung der Sozialmediziner: In Fällen, in denen die Sozialmedizinischen Dienste zur Ein-schätzung gelangten, dass berufsbezogener Handlungsbedarf besteht, wurde das Versi-chertenscreening zu ca. 3/4 als etwas oder sehr hilfreich bewertet. Bei der Beurteilung der Reha-Bedürftigkeit und der Auswahl von geeigneten Reha-Einrichtungen sahen die Sozial-mediziner die Ergebnisse des Screeningbogens überwiegend als für sie nicht hilfreich an.

Diskussion Grundsätzlich ist das Würzburger Screening geeignet, Reha-Antragsteller mit berufs-orientiertem Behandlungsbedarf zu identifizieren.

Umsetzung und Ausblick Im Pretest wurde der Fragebogen ohne weitere Aufbereitung verwendet. Für den Praxisein-satz ist dieses Verfahren zu umfangreich und zu aufwendig. Die Screeningmodule sollten nicht nur in möglichst knapper Form in vorhandene Antragsformulare eingebaut werden. Um die Akzeptanz des Instruments zu erhöhen sollten für die sozialmedizinische Entscheidung notwendige Informationen - z. B. das Ergebnis der Selbsteinschätzung - den Sozialmedizi-nern in komprimierter Form zur Verfügung gestellt werden.

Bereits seit einigen Jahren legt die Rentenversicherung als Kosten- und Leistungsträger verstärkt Wert auf die ausreichende Einbeziehung beruflicher Problemlagen in die medizini-sche Rehabilitation. Allerdings hat sich dieses Konzept noch nicht in der notwendigen Breite durchgesetzt. Der Pretest spiegelt diesen Entwicklungsstand insofern wider, als auch hier ein unterschiedliches Begriffsverständnis und/oder nicht ausreichende oder ausreichend de-finierte Leistungsangebote zum Tragen kommen (Deutsche Rentenversicherung Bund, 2007; Hansmeier, Schliehe, 2009). Screeninginstrumente können nur dann für eine Zuwei-sung hilfreich sein, wenn ein entsprechendes Angebot vorhanden ist.

Die Ausgestaltung des Screenings hängt auch von der Zielgruppe und dem zur Verfügung stehenden Leistungsangebot ab. Dabei reicht es nicht aus, berufsorientierte Leistungen in den Reha-Einrichtungen vorzuhalten, sondern sie müssen auch als solche für den zuwei-senden Reha-Träger erkennbar und ansteuerbar sein (Neuderth et al., 2008).

Literatur Bürger, W., Deck, R. (2009): SIBAR - ein kurzes Screening-Instrument zur Messung des

Bedarfs an berufsbezogenen Behandlungsangeboten in der medizinischen Rehabilitation. Die Rehabilitation, 4, 48. 211-221.

Deutsche Rentenversicherung Bund (2007): Eckpunkte arbeitsbezogener Strategien in der medizinischen Rehabilitation. Verfügbar unter: http://www.deutsche-rentenversicherung-bund.de/nn_18626/SharedDocs/de/Inhalt/Zielgruppen/01__sozialmedizin__forschung/01__sozialmedizin/dateianh_C3_A4nge/infos__fuer__reha__einrichtungen/download__

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eckpunkte__strategien,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/download_eck-punkte_strategien. Abruf: 30.10.2009.

Hansmeier, T., Schliehe, F. (2009): Rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation. In: Hillert, A., Müller-Fahrnow, W., Rado-schewski, F.M. (Hrsg.): Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation. Grundlagen und klinische Praxis. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag. 34-49.

Löffler, S., Wolf, H-D., Vogel, H. (2007): - Abschlussbericht - Entwicklung und Validierung eines generischen Screening-Instruments zur Identifikation von beruflichen Problemlagen und des Bedarfs an berufsorientierten und beruflichen Rehabilitationsleistungen. http://forschung.deutsche-rentenversicherung.de/ForschPortalWeb/rehaDoc.pdf?rehaid =0DDF2D93D315CDA1C12574 560047DFB9. Abruf: 30.10.2009.

Löffler, S., Wolf, H.-D., Neuderth, S., Vogel, H. (2009). Screening-Verfahren in der medizini-schen Rehabilitation. In: Hillert, A., Müller-Fahrnow, W., Radoschewski, F.M. (Hrsg.): Me-dizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation. Köln: Deutscher Ärzteverlag. 133-140.

Neuderth, S., Gerlich, C., Vogel, H. (2008): Interventionsbausteine zur Bearbeitung berufli-cher Problemlagen während der medizinischen Rehabilitation - Systematische Sammlung und wissenschaftliche Bewertung von Interventionsbausteinen zur gezielten Bearbeitung beruflicher Problemlagen während der medizinischen Rehabilitation. http://forschung.deutsche-rentenversicherung.de/ForschPortalWeb/rehaDoc.pdf?rehaid =42DBD6F5AA46E437C125745700257EE6. Abruf: 30.10.2009.

Streibelt, M., Gerwinn, H, Hansmeier, T., Thren, K., Müller-Fahrnow, W. (2007): SIMBO: Ein Screening-Instrument zur Feststellung des Bedarfs an medizinisch-beruflich Orientierten Maßnahmen in der medizinischen Rehabilitation - Analysen zur Konstruktvalidität und Prognosegüte. Die Rehabilitation, 5, 48. 266-275.

Betriebsärztliche Einleitung der Rehabilitationsmaßnahme und Begleitung der Rückkehr an den Arbeitsplatz

- Erfahrungen des ersten Jahres

Enderle, A. (1), Enderle, G. (2), Kaluscha, R. (1), Jacobi, E. (1) (1) Forschungsinstitut für Rehabilitationsmedizin an der Universität Ulm,

(2) Sozial- und Arbeitsmedizinische Akademie (SAMA), Ulm

Hintergrund Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg und der Verband Deutscher Be-triebs- und Werksärzte haben einen Kooperationsvertrag zur besseren Einbindung der Be-triebsärzte in den Rehabilitationsprozess abgeschlossen (Hartschuh, 2008). Ziel dieser Ko-operation ist es, den Rehabilitationsbedarf von Beschäftigten frühzeitig zu erkennen und durch geeignete Rehabilitationsleistungen sowie durch verbesserte Nachbetreuung am Ar-beitsplatz den bestehenden Arbeitsplatz zu sichern (Leitner et al., 2008).

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Problemstellung Stellt der Betriebsarzt bei einem Mitarbeiter erhebliche Gesundheitsstörungen fest, leitet er gemeinsam mit dem Beschäftigten das Reha-Verfahren bei der Deutsche Rentenversiche-rung Baden-Württemberg ein. Als Anlage zum "Ärztlichen Bericht zum Antrag auf Leistun-gen zur Teilhabe" wird vom Betriebsarzt ein Arbeitsplatzprofilbogen erstellt und dem Reha-Mediziner für eine berufsorientierte Rehabilitation und somit erleichterte Wiederein-gliederung zur Verfügung gestellt.

Nach Abschluss der Rehabilitation wird der Betriebsarzt über den Verlauf und das Ergebnis der Rehabilitation von der Reha-Klinik informiert. Der Betriebsarzt dokumentiert nach dem Gespräch mit dem Beschäftigten seine Beurteilung der Reha-Ergebnisse und prüft, ob wei-tere Leistungen wie z. B. eine stufenweise Wiedereingliederung erforderlich sind. Ferner äußert er sich z. B. zur Zweckdienlichkeit der Ausführungen im Entlassungsbericht für die berufliche Wiedereingliederung der Beschäftigten oder auch zum Kontakt zwischen Reha-Mediziner und Arbeitsmediziner. Darüber hinaus begleitet er die Rückkehr des Mitarbeiters in den Arbeitsprozess.

Sechs Monate nach Abschluss der Rehabilitationsleistung informiert der Betriebsarzt die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg über die Nachhaltigkeit der Wieder-eingliederung. Der Betriebsarzt äußert sich z. B. über den Status der Beschäftigung sowie über etwaige Leistungen zur Eingliederung und Einbindung von Personen / Institutionen in den Eingliederungsprozess.

Wie zu erwarten war, gab es aufgrund des neuartigen Prozessablaufs und der zahlreichen Beteiligten einige Anlaufschwierigkeiten, die sich in einer zunächst niedrigen Zahl an abge-schlossenen Fällen manifestierten.

Daher führten wir eine schriftliche Zwischenbefragung der Betriebsärzte, die sich vertraglich zur Mitwirkung am Projekt bereit erklärt hatten, durch. Die Befragungsergebnisse gaben dann Anlass zu einer Analyse des Prozessablaufs.

Ergebnisse Insgesamt wurden bisher 67 Fälle in die Studie eingeschleust, die ersten sind zwischen-zeitlich abgeschlossen.

Die schriftliche Zwischenbefragung der Betriebsärzte ergab aufschlussreiche Aussagen zur Zufriedenheit mit dem Konzept, aber auch Hinweise auf einige Probleme und mögliche Hin-derungsgründe:

1. Einige Akten wurden im Regionalzentrum nicht als Betriebsärzte-Fall gekennzeichnet. Der Reha-Entlassbericht sowie die Nachbefragungsbögen gingen dann nach Abschluss der Reha nicht wie geplant an den Betriebsarzt.

2. Die Wiedervorlage der Akte nach 6 Monaten zur Nachbefragung erfolgte teilweise nicht.

3. Einige Betriebsärzte füllten den Nachbefragungsbögen nicht aus, teilweise, weil das Formularpaket nicht ohne weiteres zur Hand war. Einige Betriebsärzte waren der (irri-gen) Meinung, sie müssten die relevanten Labor- und Röntgenbefunde vom Hausarzt anfordern und dem ärztlichen Befundbericht beifügen, und überließen so die Einleitung der Reha gleich dem Hausarzt.

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Der Verfahrensablauf wurde von den beteiligten Betriebsärzten überwiegend positiv beur-teilt. Einige Betriebsärzte bemängelten, dass nach wie vor nur eingeschränkte Kontakte zur Reha-Klinik bestehen.

Es wurde angeregt, zukünftig das Verfahren auf andere Rentenversicherungsträger auszu-weiten. Ferner wurde vorgeschlagen, dass die Deutsche Rentenversicherung als Kostenträ-ger grundsätzlich für jeden Reha-Fall, d. h. auch den hausärztlich initiierten, die Einbindung eines Betriebsarztes obligatorisch macht.

Diskussion Aus den bisher erzielten Ergebnissen werden Vorschläge zur Verbesserung des studienin-ternen Prozessablaufes erarbeitet werden.

Sollte sich in der Studie bestätigen, dass die Einbindung des Betriebsarztes zu einer besse-ren Wiedereingliederung führt, können die hier geschilderten Erfahrungen bei einer breiten Umsetzung des Verfahrens helfen.

Literatur Leitner, A., Jacobi, E., Enderle, G. (2009): Betriebsärztliche Einleitung der Rehabilitations-

maßnahme und Begleitung der Rückkehr an den Arbeitsplatz. DRV-Schriften, Bd. 83. 236-237.

Hartschuh, U. (2008): Betriebsärztliche Rehabilitation, Online: http://www.deutsche-renten-versicherung-bw.de/nn_32292/DRVBW/de/Navigation/Rehabilitation/Reha-Projekte/Be-triebsaerztliche__Reha__node.html__nnn=true. Abruf: 02.11.2009.

Berufsbezogene Erwartungen an eine pneumologische Rehabilitationsmaßnahme

Kaiser, U. Hochgebirgsklinik Davos, Schweiz

Hintergrund Die verstärkte Berücksichtigung berufsbezogener Aspekte in der medizinischen Rehabilitati-on wird vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung immer bedeutsamer und folgerichtig von allen Kostenträgern nachhaltig gefordert (Müller-Fahrnow et al., 2005). Be-dingt durch die sozialmedizinische Relevanz und die Folgekosten pneumologischer Erkran-kungen gilt dies auch hier. Damit die Kliniken ihre Angebote in Diagnostik, Therapie und Be-ratung stärker auf diese Bedürfnisse ausrichten können, erfordert dies jedoch, dass die Be-dürfnisse der Betroffenen bekannt sein müssen.

Methodik Im Rahmen der "Davoser-Reha-Studie II" wurden in einer Teilfragestellung 550 Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen hinsichtlich berufsbezogener Erwartungen währ-end einer Rehabilitationsmaßnahme befragt (Kaiser, 2003). Der Rücklauf liegt bei 82,7 % (n = 455).

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Ergebnisse Bei der Stichprobe sind die Geschlechter in etwa gleich vertreten (Frauen 52,3 %, Männer 47,7 %). Das Durchschnittsalter liegt bei 48,7 Jahren (± 13,0). 91,2 % der Befragten leiden unter Asthma bronchiale. Daneben weisen 68,4 % weitere Erkrankungen auf. Die durch-schnittliche Erkrankungsdauer liegt bei 16,3 Jahren (± 12,6).

Allgemeine Krankheitsbelastungen ergeben sich vorwiegend in der körperlichen Leistungs-fähigkeit (44,8 %), der Krankheitssymptomatik (42,6 %), der allgemeinen Leistungsfähigkeit (41,2 %), der körperlichen Verfassung (38,1 %) und in den beruflichen Bereichen durch eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit (35,3 %) und Arbeitsfähigkeit (33,8 %).

Die Erwartungen der Befragten an den bevorstehenden Klinikaufenthalt wurden durch den Fragebogen zur Rehabilitationsmotivation (FREM 17) (Deck et al., 1998) erfasst. Die Erwar-tungen und die jeweils zugeordnete Wichtigkeit hinsichtlich der Erfüllung weist in fast allen Bereichen hohe und signifikante (p < .001) Zusammenhänge auf.

Von der Gesamtstichprobe wird dabei vorwiegend die Verbesserung der körperlichen Leis-tungsfähigkeit (95,5 %), Erholung (95,1 %), Mitteilung der genauen Diagnose (91,2 %), Er-lernung einer gesünderen Lebensweise (84,1 %) und ein ansprechender Kurort (83,5 %) genannt. Berufstätige erwarten vorwiegend eine Verbesserung der Arbeitsfähigkeit (76,8 %) und den Abbau von beruflichem Stress (73,1 %). Daneben spielen Hilfen bei arbeits- und sozialrechtlichen Fragen (32,1 %), die Bestätigung der verminderten beruflichen Leistungs-fähigkeit (26,7 %), Hilfestellungen bei einem Rentenantrag (12,5 %) und Beratung bezüglich Umschulungsmaßnahmen (9,7 %) eine Rolle. Die Subgruppe der Frühberenteten erwartet vorwiegend die Bestätigung der verminderten beruflichen Leistungsfähigkeit (38,2 %), Hilfe bei arbeits- und sozialrechtlichen Problemen (35,5 %) und die Erhöhung der Arbeitsfähigkeit (32,4 %).

Eine weitere differenzierte Betrachtung der Beratungserwartungen ergibt sich durch eine Al-tersgruppierung. Hierbei zeigt sich, dass der Abbau von beruflichem Stress bis auf die ältes-te Subgruppe bei allen anderen Betroffenen einen sehr hohen Stellenwert hat (70-73,8 %). Die Verbesserung der Arbeitsfähigkeit spielt insbesondere in den Altersgruppen zwischen dem 35. und 54. Lebensjahr eine herausragende Rolle (76,7-78,6 %). Bei der jüngsten Gruppe (bis 34 Jahre) und bei der ältesten wird dies von ca. zwei Dritteln der Befragten er-wartet. Hilfen bei arbeits- und sozialrechtlichen Fragen spielen für ca. ein Drittel der Befrag-ten eine Rolle. Der Wunsch nach Bestätigung der verminderten beruflichen Leistungsfähig-keit nimmt mit dem Alter zu (22,8-37,3 %). Gleiches gilt für den Wunsch nach Hilfe bei einer Rentenantragstellung (7,7-15 %).

Neben dieser Abschätzung eines berufsbezogenen Beratungsbedarfs auf der Basis der Er-wartungen an den Klinikaufenthalt ergeben sich weitere Anhaltspunkte hierfür durch die di-rekte Befragung zu bestimmten Beratungsbereichen. Lediglich 7,4 % aller Berufstätigen äu-ßern keinerlei Interesse an einer entsprechenden Beratung. Bei den relevanten Themen stehen folgende Bereiche im Vordergrund: medizinische Rehabilitation (85,7 %), Krankheit und Beruf (77,8 %), Allergien am Arbeitsplatz (72,9 %), im Beruf bleiben (72,8 %), berufliche Perspektiven (62,2 %), berufliche Rehabilitation (51,4 %), Umgang mit Vorgesetzten/Krank-heit (51,4 %), Umgang mit Kollegen/Krankheit (48,1 %), Möglichkeiten zur Berentung

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(44,5 %), Weiter-/Fortbildung (41,9 %), allgemeiner Umgang mit Vorgesetzten/Kollegen (40,8 %) und Umschulungsmöglichkeiten (23 %).

Diskussion, Schlussfolgerungen und Ausblick Die Ergebnisse sprechen für eine hohe Relevanz berufsbezogener Bedürfnisse im Rahmen der pneumologischen Rehabilitation. Es zeigt sich deutlich, dass eine differenzierte Erfas-sung notwendig ist, die insbesondere das Alter und den beruflichen Hintergrund bzw. den Erwerbsstatus berücksichtigt.

Literatur Deck, R., Kohlmann, T., Raspe, H. (1998): Erwartungen und Motivation bei Patienten in der

medizinischen Rehabilitation. Zeitschrift für Gesundheitspsychologie, 6. 101-108. Kaiser, U. (2003): Aspekte der beruflichen Rehabilitation und deren Umsetzung in Behand-

lungs- und Beratungskonzepte in der stationären pneumologischen Rehabilitation. Ab-schlussbericht im Rehabilitationswissenschaftlichen Forschungsverbund Freiburg/Bad Säckingen (Projektförderung durch das BMBF und den VDR, Förderkennzeichen: 0109979612).

Müller-Fahrnow, W., Hansmeier, T., Karoff, M. (Hrsg.) (2005): Wissenschaftliche Grund-lagen der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation. Lengerich: Papst.

Implementierung Partizipativer Entscheidungsfindung im Kontext berufsbezogener Maßnahmen in der medizinischen Rehabilitation

Neuderth, S., Lukasczik, M., Gerlich, C. Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie, Universität Würzburg

Hintergrund Mangelnde Motivation von Rehabilitanden, sich während ihres Aufenthalts in einer Reha-Klinik mit beruflichen Problemen zu beschäftigen, wurde in Forschung und Versorgungspra-xis vielerorts thematisiert und stellt häufig ein Ausschlusskriterium für berufsbezogene Maß-nahmen dar (Neuderth, Vogel, 2002). Daher ist zu klären, wie eine Motivationslage geschaf-fen werden kann, die die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit berufsbezogenen The-men fördert. Ein Ansatzpunkt ist die Partizipative Entscheidungsfindung (PEF; Shared Deci-son-Making). PEF bezeichnet einen kommunikativen Prozess zwischen Arzt und Patient, in dem beide am Abwägen unterschiedlicher Behandlungsoptionen teilhaben mit dem Ziel, die Behandlungsentscheidung gemeinsam zu treffen. Patienten mit beruflichen Problemlagen explizit in Entscheidungen über das berufsbezogene Therapieprogramm einzubinden sollte zu einer höheren Zufriedenheit und Motivation auf Seiten der Patienten führen; allerdings ist es notwendig, Ärzte und Therapeuten im Hinblick auf PEF sowie deren konkrete Umsetzung vor berufsbezogenen Maßnahmen zu schulen.

Methodik Es wurde ein Kommunikationstraining zur PEF im Kontext berufsbezogener Interventionen entwickelt. Die halbtägige Weiterbildung baut auf den Schulungsmaterialien von Bieber et al.

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(2007) zur Patientenbeteiligung bei medizinischen Entscheidungen auf. Neben Basiswissen der patientenorientierten Kommunikation werden die Kernelemente Partizipativer Entschei-dungsfindung vermittelt und deren Anwendung im Rollenspiel trainiert. Zusätzlich wurden decision aids in Form von Karten mit Kurzinformationen über einzelne berufsbezogene In-terventionsformen konzipiert.

Das Kommunikationstraining ist eingebettet in ein quasi-experimentelles Datenerhebungs-design mit zeitversetzter Kontrollphase ("treatment as usual") und Interventionsphase (PEF-Umsetzung) in 3 stationären orthopädischen Rehabilitationseinrichtungen. Aktuell liegen Da-ten von 123 Patienten (67 % Frauen, mittleres Alter 50 Jahre) aus der Kontrollphase vor, die Aussagen zur Partizipation (Shared DecisionMaking Questionnaire), zur Zufriedenheit mit der Entscheidung (modifizierte Satisfaction with Decision Scale) und mit dem Indikationsge-spräch (modifizierter Patientenzufriedenheitsfragebogen) sowie zur Motivation bezüglich der Auseinandersetzung mit beruflichen Problemlagen (Fragebogen zur berufsbezogenen The-rapiemotivation) ermöglichen.

Ergebnisse Bei der Durchführung des Kommunikationstrainings wurde deutlich, dass das Vorgehen der Partizipativen Entscheidungsfindung bei vorhandener patientenorientierter Kommunikations-haltung leicht implementiert werden kann. Die bislang durchgeführte sequenzielle Ge-sprächsführung (d. h. die vom Arzt für angezeigt erachteten berufsbezogenen Therapiebau-steine werden nacheinander kurz besprochen) wird durch eine Vorgehensweise ersetzt, bei der zunächst die für den Rehabilitanden möglichen berufsbezogenen Therapiemaßnahmen unter Nutzung der decision aids vorgestellt werden. Arzt und Rehabilitand wägen im Ge-spräch das berufsbezogene Therapieangebot ab, wobei Vor- und Nachteile, die mit der je-weiligen Maßnahme verbunden sein können, gezielt angesprochen werden.

Die Ergebnisse zur bisherigen Entscheidungspraxis (Kontrollphase, n = 123) bestätigen den Eindruck aus der Schulungsdurchführung, dass in den beteiligten Einrichtungen eine patien-tenorientierte Kommunikationshaltung gegeben ist. 25 % der Rehabilitanden erleben sich als explizit in die Behandlungsentscheidung eingebunden, ohne dass die behandelnden Ärz-te in PEF geschult waren. Die Motivation, sich mit beruflichen Problemlagen auseinanderzu-setzen, ist bei den Patienten am höchsten, die sich als partizipationsorientiert schildern und auch wahrgenommen haben, in die Behandlungsentscheidung einbezogen worden zu sein; dagegen ist die Motivation bei den Patienten am niedrigsten, die sich ebenfalls als partizipa-tionsorientiert schildern, aber nur geringe Beteiligung an Entscheidungsprozessen erleben (d=0.4). Ein vergleichbares Muster findet sich bezüglich der Zufriedenheit mit der getroffe-nen Therapieentscheidung (d=1.2) und der Arzt-Patient-Interaktion (d=1.2).

Ausblick Der partizipative Einbezug von Patienten steht im Zusammenhang mit einer höheren Zufrie-denheit und besseren Motivation zur Bearbeitung von beruflichen Problemlagen in der me-dizinischen Rehabilitation. Durch das Kommunikationstraining für Ärzte und Therapeuten soll der Anteil von bisher einem Viertel von Rehabilitanden, die sich in Behandlungs-entscheidungen einbezogen erleben, deutlich erhöht werden.

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Literatur Bieber, C., Loh, A., Ringel, N., Eich, W., Härter, M. (2007): Patientenbeteiligung bei medizi-

nischen Entscheidungen. Manual zur partizipativen Entscheidungsfindung (Shared Deci-sion-making).

Neuderth, S., Vogel, H. (Hrsg.) (2002). Berufsbezogene Maßnahmen in der medizinischen Rehabilitation - bisherige Entwicklungen und aktuelle Perspektiven. Frankfurt: Bundesar-beitsgemeinschaft für Rehabilitation.

Kompetenznetzwerk zur medizinisch-beruflichen Rehabilitation

Nolte, A. (1), Hämer, D. (1), Bartelt, S. (2), Krüger, S. (2), Persson, H. (2), Hellwig-Siegeris, F. (3)

(1) HELIOS Klinik Geesthacht, (2) InReha GmbH - Kompetenznetzwerk Hamburg, (3) Bugenhagen Bildungswerk Timmendorfer Strand

Hintergrund und Ziele Die HELIOS Klinik Geesthacht hat sich als Phase II Einrichtung im Jahr 2003 für einen neu-en Weg entschieden und gemeinsam mit dem Bugenhagen Berufsbildungswerk Timmen-dorfer Strand und dem Rehabilitationsdienst InReha ein Kompetenznetzwerk zur medizi-nisch beruflichen Rehabilitation (MBR) aufgebaut. In diesem Netzwerk übernimmt die Klinik alle medizinischen Leistungen, neuropsychologische Beurteilungen und die Koordination und Leitung der MBR. Im Bugenhagen Berufsbildungswerk (53 Ausbildungsberufe) lernen die Rehabilitanden geeignete Berufsfelder kennen, trainieren Arbeitsabläufe und erwerben fachpraktische und fachtheoretische Grundkenntnisse und Fertigkeiten. Gegenüber der bis 2003 in der Klinik angewendeten Methode mit eigenen Werkstätten hat die Umstrukturie-rung die Möglichkeiten für die Rehabilitanden erweitert.

Eine in der Klinik tätige Koordinatorin von InReha bereitet die Rehabilitanden auf die Ar-beitsaufnahme vor und begleitet Belastungserprobungen. Sofern eine Unterstützung auch über die Zeit der stationären Rehabilitation hinaus erforderlich ist, begleiten InReha-Mitarbeiter anschließend im ganzen Bundesgebiet die Integration wohnortnah.

Um für jeden Patienten eine individuelle Vorgehensweise abzustimmen, finden im vier- bis sechswöchigen Abstand Rehabilitationsberatungen mit den Kostenträgern, wöchentliche Absprachen mit den Netzwerkpartnern InReha und dem BBW Timmendorfer Strand sowie mit den Rehabilitanden statt.

Fragestellung und Methodik In der vorliegenden Studie werden die beruflichen Reintegrationsraten aller Rehabilitanden, die in den Jahren 2003 - 2008 nach einer mbR aus der Klinik entlassen wurden, quantifiziert (n = 95). In einem halbstrukturierten Interview werden alle entlassenen Rehabilitanden (n = 49) der Jahren 2007 und 2008 befragt und die Rehabilitationsergebnisse auf ihre Nachhaltigkeit und Tragfähigkeit untersucht.

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Ergebnisse In den Jahren 2003 - 2009 wurde zum Zeitpunkt der Entlassung für 81 % aller Rehabilitan-den eine positive Erwerbsprognose gestellt: 37,8 % nahmen eine sozialversicherungspflich-tige Tätigkeit auf und 43,2 % begannen eine Bildungsmaßnahme. Von den Rehabilitanden mit negativer Erwerbsprognose (11,6 %) wurden 4,2 % berentet und 7,4 % gingen in eine Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM). 7,4 % brachen die Maßnahme ab.

Bei der Stichprobe (Entlassung 2007 - 2008) sah das Ergebnis noch besser aus: Nach der Entlassung nahmen 63,3 % der Rehabilitanden eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit auf und weitere 20,4 % begannen eine Bildungsmaßnahme. Nur bei 4 % ergab sich eine negative Erwerbsprognose (Berentung: 2 %, WfbM: 2 %). Im Vergleich zur Gesamtstudie gab es allerdings überdurchschnittlich viele Abbrüche der Maßnahme (12,3 %).

Die Epikrise ergab, dass sich der Prozentsatz der Probanden in einer Bildungsmaßnahme nur geringfügig von 20,4 % auf 18,4 % vermindert hat. Auch der Prozentsatz der Probanden in einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit sank unwesentlich (von 63,3 % auf 59,2 %). 10,2 % aller Probanden waren zum Zeitpunkt der Nachbefragung arbeitslos. Von Arbeitslo-sigkeit betroffen waren in erster Linie die "Abbrecher" der Maßnahme.

Schlussfolgerung Im Vergleich zu anderen Einrichtungen der beruflichen oder mbR ist die Quote bei Entlas-sung mit 81 % ungewöhnlich hoch (Pohl et al., 2007; Spranger, Sutter, 2007); erst recht dann, wenn der Langzeitverlauf betrachtet wird. Auch die Arbeitslosigkeit liegt mit 10,2 % nur unwesentlich höher als die bundesweit durchschnittliche Arbeitslosigkeit bei Jugendli-chen (8,5 % bei 15- bis 20-Jährigen, 10 % bei 21- bis 25-Jährigen im Jahre 2007, Bundes-agentur für Arbeit, 2007)

Die hohe Quote der beruflichen Wiedereingliederung ist das Ergebnis einer Bündelung von Kernkompetenzen, einer strukturierten Kommunikation sowie einer poststationären Nach-sorge in Form einer Integrationsbegleitung. Für jeden Patienten werden höchst individuelle Lösungen entwickelt, die auf die persönlichen Anforderungen und Einschränkungen zuge-schnitten sind. Niemand wird ohne eine Empfehlung und Sicherung des nächsten Schrittes entlassen.

Daher empfiehlt sich eine weitere Erforschung und Ausweitung dieses Ansatzes.

Literatur Bundesagentur für Arbeit (2007): Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, 56.

Jahrgang, Sondernummer 2, Arbeitsmarkt 2007, URL: http://www.pub.arbeitsagentur.de/ hst/services/statistik/000100/html/jahr/arbeitsmarkt_2007_gesamt.pdf. 89. Abruf: 23.10.2009.

Pohl, M., Hipler, C., Presl, A. (2007): Die berufliche Eingliederung nach neurologischen Er-krankungen, DRV-Schriften, Bd. 83. 339 -341.

Spranger, M., Sutter, M. (2007): Berufliche Reintegration nach medizinisch-beruflicher Re-habilitation, DRV-Schriften, Bd. 72. 234-236.

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Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

Evaluation beruflicher Teilhabe schwerbehinderter Jugendlicher: Beispiele aus der Automobilindustrie

Niehaus, M., Kaul, T., Marfels, B., Menzel, F. Humanwissenschaftliche Fakultät, Universität zu Köln

Hintergrund Die Rahmenbedingungen für eine Transition in den betrieblichen Ausbildungsmarkt sowie die erfolgreiche Übernahme in ein Beschäftigungsverhältnis sind für Rehabilitanden und Rehabilitandinnen in den letzten Jahren deutlich komplexer geworden. Ein nahtloser Wech-sel ins Erwerbsleben stellt für viele Jugendliche eher die Ausnahme dar (Dressel, Pflicht, 2006; BMBF, 2005). Zur Erklärung der Problematik auf dem Ausbildungsmarkt können ver-schiedene Personen- und Kontextmerkmale sowie deren Wechselwirkungen herangezogen werden (Niehaus, Jäger, 2009). Absolventinnen und Absolventen von Förderschulen bzw. schwerbehinderte Jugendliche sind als Risikogruppe von diesem Konkurrenzkampf auf dem Lehrstellenmarkt besonders betroffen. Wie behinderte Auszubildende von Unternehmen rek-rutiert werden, ist weder theoretisch noch empirisch ausreichend bearbeitet worden (Lue-cking, 2003).

Ziele und Vorgehensweise Vorrangiges Ziel des vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderten Projektes ist die Evaluation der Teilhabemöglichkeiten am Arbeitsleben für schwerbehinderte Jugend-liche. Modellhaft werden in einer Branche (Automobilindustrie) nicht nur die bestehenden Strukturen, mit denen sich schwerbehinderte Jugendliche als Bewerber und Bewerberinnen um Ausbildungsplätze auseinandersetzen müssen, ermittelt, sondern auch Strategien für eine behinderungsadäquate Anpassung dieser Prozesse entwickelt. Neben Unternehmen der Automobilindustrie wirken an diesem Vorhaben sowohl Vertreter von Gewerkschaften als auch die Schwerbehindertenvertretungen und der Sozialverband VdK Deutschland mit.

Evaluiert werden über quantitative und qualitative Datenerhebungen praktizierte betriebliche Rekrutierungsprozesse in den Unternehmen:

- Daimler AG Bremen und Gaggenau

- Hans Hess Autoteile GmbH Köln

- Kolbenschmidt - Pierburg AG Neckarsulm

- Rheinmetall Landsysteme GmbH Kassel

- Volkswagen AG Braunschweig.

Die betrieblichen Akteure (Schwerbehindertenvertretung, Betriebsrat, Werksarzt, Persona-ler, Ausbilder u. a.) werden leitfadengestützt in Interviews zum Rekrutierungsprozess be-fragt. Über schriftliche Fragebögen werden die Anzahl der Bewerber und Bewerberinnen, weitere Personaldaten, die angestrebten Ausbildungsberufe und die Ergebnisse der Bewer-

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berauswahl in den jeweiligen Unternehmen erhoben. Auf der Grundlage der Evaluationser-gebnisse werden Angebote zur Information und Aufklärung von Personalverantwortlichen in den Unternehmen unterbreitet, um eine Barrierefreiheit des Rekrutierungsprozesses zu er-möglichen.

Ergebnisse Die schriftlichen Betriebsbefragungen zeigen, dass die Anzahl der Bewerbungen schwerbe-hinderter Jugendlicher sehr niedrig ist. In einigen Großunternehmen bewerben sich über-haupt keine behinderten Jugendlichen. Barrieren der beruflichen Teilhabe stellen sich somit bereits im Bewerbungsprozess dar. Schwerbehinderte Jugendliche können ebenso an der Hürde der Bewerberauswahl und Eignungsdiagnostik im Betrieb scheitern. Hierbei kann es sich um technische, soziale oder kommunikative Barrieren handeln. Exemplarisch wird aus den Interviews mit den betrieblichen Akteuren die Notwendigkeit zur behinderungsspezifi-schen Anpassung der Auswahlprozesse und -instrumente deutlich.

Im Sinne eines aktionsorientierten Forschungsansatzes werden erste Ergebnisse aus den Fokusgruppen mit Führungskräften, Personalverantwortlichen, Schwerbehindertenvertre-tung, Betriebsrat, Jugend- und Auszubildendenvertretung in den beteiligten Unternehmen zum Thema "Überwindung von Barrieren bei der Rekrutierung von Auszubildenden" vorge-stellt.

Viele Unternehmen kennen die Leistungen zur Teilhabe und vielfältigen Unterstützungsmög-lichkeiten nicht. Demgegenüber stellen Betriebe, die schon gute Erfahrungen mit behinder-ten Auszubildenden gemacht haben, in weiteren Rekrutierungsverfahren wieder behinderte Jugendliche ein (Schneeballeffekt).

Diskussion Die Entwicklung und Implementierung von barrierefreien Angeboten und Strukturen zur Rek-rutierung schwerbehinderter Jugendlicher in das Ausbildungssystem steht als Zielperspekti-ve im Mittelpunkt des Projektes, dabei wird diese allerdings immer wieder durch die aktuel-len ökonomischen und politischen Bedingungen in der Automobilbranche in Frage gestellt.

Literatur Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (Hrsg.) (2005): Berufliche Qualifizie-

rung Jugendlicher mit besonderem Förderbedarf - Benachteiligtenförderung. Bonn. Dressel, K., Plicht, H. (2006): Das neue Fachkonzept der Berufsvorbereitung und sein Ein-

fluss auf die Übergangswege jugendlicher Ausbildungssuchender. In: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.): Übergänge zwischen Schule und Beruf und darauf bezogene Hilfesys-teme in Deutschland. Bonn: Friedrich-Ebert-Stiftung. 48-58.

Luecking, R.G. (2003): Employer perspectives on hiring and accommodating youth in transi-tion. Journal of Special Education Technology, 18 (4). 65-72.

Niehaus, M., Jäger, D.J. (2009): Das Berufshinführungs- und Ausbildungssystem bei Behin-derungen und Benachteiligungen. In: Stein, R., Orthmann Bless, D. (Hrsg.): Basiswissen Sonderpädagogik. Bd. 4: Integration in Arbeit und Beruf bei Behinderungen und Benach-teiligungen. Baltmannsweiler: Schneider. 145-170.

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Einflussfaktoren auf das Ergebnis beruflicher Bildungsmaßnahmen der Rentenversicherung

Bestmann, A. Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund 2008 erhalten ca. 1.043.000 Rehabilitanden medizinische Rehabilitation oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben - auch berufliche Rehabilitationsleistungen genannt - durch die gesetzliche Rentenversicherung. In der beruflichen Rehabilitation sind es jährlich um die 95.000 Rehabilitanden, Tendenz: steigend (Deutsche Rentenversicherung, 2009). Berufli-che Bildungsmaßnahmen - mit ca. 30% die größte Gruppe der beruflichen Bildungsleistun-gen - dauern ein bis zweieinhalb Jahre und sind somit in der Regel kostenintensiver als me-dizinische Rehabilitationen (Erbstößer, 2008).

Angesichts hoher Kostenintensität und wachsender Rehabilitandenzahlen stellt sich die Frage, ob alle Rehabilitanden gleichermaßen von den beruflichen Bildungsmaßnahmen pro-fitieren und ob weitere zielgruppenspezifische Angebote in der beruflichen Rehabilitation benötigt werden (Beiderwieden, 2001; Irle, 2006; Korsukéwitz, 2008).

Der vorliegende Beitrag geht daher folgenden Fragen nach:

1. Unterscheiden sich verschiedene soziodemographische und sozialmedizinische Rehabi-litandengruppen bezüglich des Ergebnisses von beruflichen Bildungsmaßnahmen?

2. Welche soziodemographischen und sozialmedizinischen Faktoren beeinflussen das Er-gebnis der Bildungsmaßnahmen?

Datenbasis und Methodik Datenbasis ist die Reha-Statistik-Datenbasis (RSD-Jahreserhebung 2006) der Deutschen Rentenversicherung Bund im Format des Querschnitt-Scientific-Use-File "Abgeschlossene Rehabilitation 2006", der seit November 2009 publiziert ist. Die RSD-Jahreserhebung 2006 ist eine Vollerhebung aller Rehabilitanden, die in diesem Jahr mindestens eine Rehabilitati-onsmaßnahme in der gesetzlichen Rentenversicherung abgeschlossen haben.

Das Ergebnis einer Bildungsmaßnahme wird als (erfolgreicher / nicht erfolgreicher) Ab-schluss operationalisiert. Die Datenauswertung erfolgt deskriptiv und wird mit nichtpara-metrischen Signifikanztests abgesichert. Mittels einer binären logistischen Regression wer-den Determinanten eines erfolgreichen Abschlusses einer Bildungsmaßnahme identifiziert.

Ergebnisse Von 87.573 Rehabilitanden der beruflichen Rehabilitation durchlaufen im Jahr 2006 28 % (n = 24.333) Rehabilitanden eine berufliche Bildungsmaßnahme. Insgesamt zeigt sich für die relevanten Fälle (n = 18.338), dass 78 % ihre Bildungsmaßnahme erfolgreich beenden. 2 % bestehen die Prüfung nicht, 20 % brechen die Maßnahme aus unterschiedlichen Grün-den ab.

Eine Analyse des Maßnahmeabschlusses hinsichtlich der zugrunde liegenden Erkrankung offenbart Unterschiede zwischen den Diagnosegrundgruppen: Menschen mit psychischen Erkrankungen (ohne Sucht- und Abhängigkeitserkrankungen) brechen ihre Bildungsmaß-

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nahme signifikant häufiger ab als Menschen mit Erkrankungen der Muskeln und Knochen (8 %, p < 0.001), Männer hier häufiger als Frauen.

Bezogen auf die soziodemographischer Rehabilitandenmerkmale zeigen sich u. a. erhöhte Abbruchquoten aus gesundheitlichen Gründen von Frauen - gegenüber Männern - vor allem in Kombination mit Arbeitslosigkeit (4 %, p < 0.001).

Eine logistische Regression auf die abhängige Variable "erfolgreicher Abschluss vs. Ab-bruch aus gesundheitlichen Gründen" deutet daraufhin, dass vor allem die Art der Erkran-kung (p < 0.001) sowie die berufliche Qualifikation vor Beginn der Bildungsmaßnahme (p < 0.001) Determinanten für einen erfolgreichen Maßnahmeabschluss sind, das Ge-schlecht und der Erwerbsstatus spielen in der multivariaten Modellierung keine signifikante Rolle mehr.

Schlussfolgerungen und Ausblick Deskriptive Auswertungen des SUF legen Unterschiede zwischen verschiedenen soziode-mographischen Gruppen und den zwei großen Diagnosegrundgruppen hinsichtlich des Ab-schlusses von beruflichen Bildungsmaßnahmen nahe. Die Ergebnisse einer multivariaten Analyse verdeutlichen, dass lediglich die Erkrankung sowie das vor der Maßnahme beste-hende berufliche Qualifikationsniveau für den Maßnahmeerfolg eine Rolle spielen.

Vertiefende Analysen sind notwendig, da der Modellfit trotz sehr hoher Signifikanz nur eine geringe Aufklärung erreicht. Auch sollten die Ergebnisse an Längsschnittdaten zur Rehabili-tation der Rentenversicherung validiert werden, sobald diese als Scientific Use File zur Ver-fügung stehen.

Literatur Beiderwieden, K. (2001): Langfristige Wiedereingliederung nach der beruflichen Rehabilita-

tion. Ergebnisse einer Langzeituntersuchung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Berufs-förderungswerke. Sonderdruck. Mitteilungen der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 34. 182-205.

Deutsche Rentenversicherung Bund (2009): Statistik der Deutschen Rentenversicherung. Rehabilitation 2008. Bd. 174. Im Druck.

Erbstößer, S., Verhorst, H., Lindow, B., Klosterhuis, H. (2008): Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch die Deutsche Rentenversicherung - ein Überblick. RVaktuell, 11. 343-350.

Irle, H., Fischer, K., Grünbeck, P. (2006): Entwicklung in der Rehabilitation bei psychischen Störungen. RVaktuell, 2. 62-70.

Korsukéwitz, C., Rehfeld, U. (2008): Rehabilitation und Erwerbsminderungsrenten. Aktueller Stand und Entwicklungen. RVaktuell, 9. 247-284.

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Evaluation der Nachsorgeintervention JobTrain

Alles, T., Flach, T., Schmidt, C. Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH

an der Deutschen Sporthochschule Köln

Hintergrund Mit der Nachsorgeintervention JobTrain (Arbeitsgemeinschaft Deutscher Berufsförderungs-werke, 2007) wird allen Absolventinnen und Absolventen aus Berufsförderungswerken, die nach dem Ende ihrer Qualifizierung noch keinen Arbeitsplatz gefunden haben, eine Unter-stützung bei der Stellensuche angeboten.

JobTrain besteht aus 8 ganztägigen Terminen, die sich über insgesamt drei Monate vertei-len. Die Teilnahme ist freiwillig und berufsübergreifend. Im Vordergrund steht die individuelle Unterstützung des Bewerbungshandelns mittels Coaching. Die Berufsförderungswerke ha-ben sich auf gemeinsame Standards für die Durchführung von JobTrain verständigt.

Ziel der vorliegenden Evaluation ist es, quantitative und qualitative Effekte von JobTrain an mehreren Standorten exemplarisch zu untersuchen. Das Evaluationsvorhaben ist ein Teil-projekt des vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderten Forschungsprojekts "Verbesserung der Integrationschancen von Rehabilitandinnen und Rehabilitanden in Be-rufsförderungswerken".

Fragestellung Welche Effekte hat die Teilnahme an JobTrain auf das Bewerbungshandeln und die Wie-dereingliederung der RehabilitandInnen?

Dabei sind sowohl quantitative als auch qualitative Aspekte von Interesse.

Methodik Das Studiendesign ist multizentrisch. In die Untersuchung wurden an jedem Standort (Be-rufsförderungswerke Hamburg, Köln, Frankfurt/M., Heidelberg) zwei Absolventenjahrgänge einbezogen.

Der erste Erhebungszeitpunkt (2008) fand gegen Ende der Qualifizierung statt und diente der Erfassung zahlreicher mit dem Bewerbungshandeln in Beziehung stehender psychologi-scher Skalen, wie die bewerbungsspezifische Kompetenzerwartung und Kontrollüberzeu-gung, die berufliche Selbstwirksamkeit und Zielorientierung und die Prokrastination. Über alle vier Standorte beteiligten sich an der ersten Befragung insgesamt 565 RehabilitandIn-nen.

Beim zweiten Erhebungszeitpunkt (2009), 12 Monate nach Abschluss der Rehabilitation, wurden mit Hilfe von Onlinebefragungen bzw. telefonischen Interviews detaillierte Informati-onen zum Verbleib erhoben. Hierbei waren neben dem aktuellen Erwerbstatus insbesonde-re qualitative Aspekte der Integration von Interesse. An diesem Erhebungszeitpunkt beteilig-ten sich 45 % der AbsolventInnen der ersten Erhebung.

Die Auswertung der Daten konzentrierte sich auf den Gruppenvergleich von AbsolventIn-nen, die an JobTrain teilgenommen haben (Interventionsgruppe, n = 57) und den Absolven-

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tInnen, die trotz Arbeitslosigkeit nach der Rehabilitation diese Unterstützung des Berufsför-derungswerks nicht in Anspruch genommen haben (Vergleichsgruppe, n = 114).

In einer gesonderten qualitativen Untersuchung wurde die Treatmentintegrität von JobTrain an den vier Standorten untersucht. Diese Untersuchung führte zu dem Ergebnis, dass die Implementierung von JobTrain in Hamburg, Köln und Frankfurt/M inhaltlich und methodisch vergleichbar ist.

Ergebnisse In Bezug auf eine "unspezifische" Vermittlungsquote und der Geschwindigkeit der Vermitt-lung lassen sich keine signifikanten Unterschiede zur Vergleichsgruppe finden.

Ein deutlicher und signifikanter Effekt Chi2 (1, n = 171) = 4,79, p = .029 zeigt sich jedoch bei dem Vergleich der Vermittlung in den erlernten Umschulungsberuf. Während binnen eines Jahres nach Rehabilitation nur 27 % der Vergleichsgruppe in ihrem Umschulungsberuf tätig sind, sind es in der Gruppe der JobTrain-TeilnehmerInnen 44 %.

Auch gibt es eine Tendenz U (n = 79) = 573,00, p = .089, dass TeilnehmerInnen an JobTrain eine Arbeitsstelle finden, die sich weniger negativ auf den Gesundheitszustand der BefragungsteilnehmerInnen auswirkt.

Gleichzeitig zeigt sich ein signifikant höherer Anteil an befristeten Beschäftigungsverhältnis-sen in der Interventionsgruppe.

In Bezug auf die Aktivierung der AbsolventInnen für den Bewerbungsprozess konnte kein signifikanter Unterschied zwischen Studien- und Vergleichsgruppe gefunden werden.

JobTrain hat somit einen signifikanten und spezifischen Effekt, der sich insbesondere auf die Qualität der Wiedereingliederung auswirkt.

Schlussfolgerung Die Ergebnisse unterstreichen eine spezifische Wirksamkeit der Integrationsmaßnahme JobTrain. Anders als erwartet, steigert JobTrain nicht das Aktivierungsniveau zur Bewer-bung der RehabilitandInnen, wobei in dieser Hinsicht weder in der Vergleichs- noch in der Studiengruppe Defizite ermittelt wurden. Auch ließen sich keine signifikanten Effekte hin-sichtlich einer schnelleren und insgesamt zahlreicheren Integration ermitteln. Daraus lässt sich folgern, dass eine Mehrheit der RehabilitandInnen, unabhängig von der Teilnahme an JobTrain, zum Ende der Hauptmaßnahme über die notwendigen aktivierungsrelevanten Einstellungen und Kompetenzen verfügen.

JobTrain liefert einen wertvollen Beitrag zum Übergang berufliche Rehabilitation in Arbeit, in dem eine passgenaue und erfolgreiche Stellensuche vor dem Hintergrund des Umschu-lungsberufes unterstützt wird. Mit Hilfe von JobTrain sind signifikant mehr AbsolventInnen nach 12 Monaten an einem dem Umschulungsberuf entsprechenden und gesundheitsge-rechten Arbeitsplatz beschäftigt. Damit verfügt die JobTrain Gruppe über eine solide Grund-lage für eine nachhaltige Integration.

Dies spricht für die Relevanz coachingorientierter Interventionsansätze (Storch, Krause, 2007) im Rahmen des Integrations- bzw. Übergangsmanagements.

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Literatur Arbeitsgemeinschaft Deutscher Berufsförderungswerke (2007): JobTrain: Zug um Zug in

den Arbeitsmarkt. Rehavision, August 2007. 9. Storch, M., Krause, F. (2007): Selbstmanagement - ressourcenorientiert. Bern: Huber.

Unterschiede zwischen Frauen und Männern im Integrationsprozess nach beruflicher Rehabilitation

Begerow, B., Flach, T., Schmidt, C. Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation

an der Deutschen Sporthochschule Köln

Hintergrund In der Medizin und beruflich orientierten Rehabilitation hat sich die geschlechterspezifische Betrachtungsweise als notwendig erwiesen, um wirksame Therapien ableiten zu können (Voß, 2007; Eichler et al., 2000).

Da Frauen sowohl unterstützende und belastende Bedingungen der Arbeit, als auch ge-sundheitliches Befinden anders bewerten als Männer (Hatch et al., 1997), empfiehlt es sich, zur Ermittlung von Faktoren zur Rückkehr in Arbeit ebenfalls diese Unterscheidungen ein-zubeziehen.

Ziel der Untersuchung ist es, Faktoren zu identifizieren, die eine spezifische Relevanz für die Integration besitzen und diese für eine zielgerichtete und individuelle Qualifizierung in-tegrieren zu können.

Methode In 10 Berufsförderungswerken wurde eine Längsschnitterhebung mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern 24-monatiger Qualifizierungen durchgeführt. Erhebungszeitpunkte waren acht Wochen vor Beendigung der Maßnahme (schriftlicher Fragebogen t1), nach weiteren acht Monaten (Telefoninterview t2) sowie nach 14 Monaten (qualitatives Leitfadeninterview t3).

Zielkriterium dieser Untersuchung ist die Integration, bei t1 wurde der Surrogatparameter Bewerbungsaktivität eingesetzt. Als unabhängige Parameter wurden neben demographi-schen und Arbeitsmarktfaktoren u. a. Aspekte der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit, des Selbstkonzeptes und der beruflichen Wertigkeit einbezogen.

Zu t1 konnten 495 gültige Datensätze eingeschlossen werden, davon 28 % von Frauen. Kontaktdaten für t2 wurden von 411 Personen angegeben; die tatsächliche Beteiligung zu t2 belief sich auf 42 % der Stichprobe von t1.

Die folgenden Darstellungen beziehen sich auf die Längsschnittauswertung zwischen t1 und t2 und schließen 208 Datensätze ein, davon 34 % von Frauen. Statistische Anwendungen der folgenden Darstellungen beziehen sich auf univariate Regressionen und nicht para-metrische Gruppenvergleiche. Das Signifikanzniveau wurde mit 0.05 festgelegt.

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Ergebnisse Die Erhebung zu t2 belegt für Frauen und Männer die gleiche Integrationsquote acht Monate nach Reha-Ende (♂: 63 von 126; ♀: 30 von 63), obwohl Frauen zu t1 geringere Bewer-bungsaktivitäten und weniger Stellenzusagen aufwiesen als Männer (p = 0.002).

Eine Berechnung der Einflussfaktoren zur Wiedereingliederung bringt insgesamt für Männer andere potentielle Einflussfaktoren hervor als für Frauen. Diese sind: Bewerbungsaktivitäten (p = 0.001), Körperliches Wohlbefinden (p = 0.033), Partnerschaft (p = 0.021). Dahingegen unterscheidet sich die Gruppe der Frauen hinsichtlich der Integration lediglich im Merkmal der Erwerbsbiographie.

Im generellen Geschlechtervergleich zeigen sich Unterschiede hinsichtlich Angsterleben, beruflicher Selbstwirksamkeit, beruflicher Wertigkeit, psychischem Befinden (jeweils p < 0.05), die auch für den Geschlechtervergleich der integrierten Personen gelten.

Diskussion Bei gleicher Integrationsquote weist die Gruppe der Männer andere Einflussfaktoren auf als die Gruppe der Frauen. Während Bewerbungsaktivitäten in der Endphase der Rehabilitation Hinweis gebend sind für den Integrationserfolg bei Männern, scheinen Qualität und Quanti-tät des Bewebungshandelns zu diesem Zeitpunkt für Frauen nicht einflussreich zu sein. Zu klären bleibt, ob Frauen nach Reha-Ende ein zielgerichtetes Bewerbungsverhalten führen. Bisherige Daten, die Frauen mit geringer Mobilität und als "Mitverdiener" schlechtere Integ-rationsprognosen bescheinigen, können hier nicht bestätigt werden.

Das legt die Vermutung nahe, dass Frauen unabhängig von der Form des Zusammenlebens eine berufliche Autonomie anstreben.

Schlussfolgerung Es konnten aus dieser Untersuchung keine geschlechterübergreifenden Faktoren zur Opti-mierung der Integration nach beruflicher Rehabilitation identifiziert werden. Für Männer ha-ben sich die Form des Zusammenlebens, körperliche Gesundheit, Bewebungsaktivitäten vor Reha-Ende als Faktoren mit prognostischem Wert erwiesen. Die starke Homogenität der Frauen hat bisher zu keiner Identifizierung der zur Integration wesentlichen Faktoren ge-führt.

Literatur Eichler, M., Fuch, J., Maschewski-Schneider, U. (2000): Richtlinien zur Vermeidung von

Gender Bias in der Gesundheitsforschung, 8/4. 293-310. Hatch, M., Moline, J. (1997): Women, work, and health. A J Indust Med, 32. 303-308. Voß, A. (2007): Frauen sind anders krank als Männer. München, Hugendubel.

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Teilnehmerbefragung nach beruflicher Bildungsleistung - Wie unterschiedlich sind die Reha-Einrichtungen?

Erbstößer, S. Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund und Fragestellung Seit 2006 wird von der Rentenversicherung eine Teilnehmerbefragung, der "Berliner Frage-bogen", eingesetzt. Die Befragung ist ausgerichtet auf Absolventen beruflicher Bildungsleis-tungen (Qualifizierungen, Aus- und Weiterbildungen, Integrationsmaßnahmen). Zweck ist einerseits die Erfassung der Zufriedenheit der Versicherten mit dem Verlauf und Ergebnis ihrer beruflichen Bildungsleistung. Andererseits wird die Wiedereingliederung in den Ar-beitsmarkt differenziert erhoben (siehe auch Slesina, Rennert, 2009). Dazu werden neben Bewertungen der Struktur und des Prozesses der Leistung berufsbezogene Aspekte, z. B. die ausbildungsadäquate Beschäftigung nach der Rehabilitation abgefragt. Zusätzlich wer-den aus den RV-Routinedaten soziodemographische Merkmale der Teilnehmer und Infor-mationen zur Maßnahme zugeordnet. Diese Angaben werden einrichtungsbezogen ausge-wertet und den Einrichtungen als Input für das interne Qualitätsmanagement zurückgemel-det.

Im Oktober 2009 konnten erstmals einrichtungsbezogene Auswertungen für den Befra-gungszeitraum Juli 2007 bis Dezember 2008 erstellt werden. Die Teilnehmer äußern sich z. B. mit dem Reha-Träger, dem Abschlussergebnis, der Wahl des Ausbildungsziels, der Bildungseinrichtung und den Lehr- und Lernbedingungen zufrieden. Als unzureichend wer-den die individuelle Ausrichtung der Maßnahme auf die Teilnehmer, die Vorbereitung der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt während der Maßnahme sowie die Betreuung bei der beruflichen Wiedereingliederung nach der Maßnahme durch die Einrichtung beurteilt. Es zeigen sich dabei deutliche Unterschiede zwischen den Einrichtungen. Deshalb stellt sich die Frage, was bei einem Vergleich der einrichtungsspezifischen Ergebnisse beachtet wer-den muss. Dazu werden u. a. soziodemografische Aspekte der Teilnehmerstruktur näher betrachtet.

Methodik Für den Befragungszeitraum liegen insgesamt die Angaben von 10.948 Teilnehmern in be-ruflichen Bildungsleistungen vor. Der Fragebogenrücklauf lag nach einmaliger Erinnerung bei 44 %. Für 38 Bildungseinrichtungen haben mindestens 20 Teilnehmer geantwortet, so dass eine einrichtungsbezogene Auswertung erstellt wurde. 27 dieser Einrichtungen sind Berufsförderungswerke (BFW). Für die folgende Betrachtung wurden exemplarisch sieben BFW mit einer höheren Zahl antwortender Teilnehmer ausgewählt (n = 97 bis n = 440). Ge-prüft wurde, inwieweit sich die Ergebnisse bzw. die Rehabilitandenstruktur der einzelnen Einrichtungen signifikant von der Vergleichsgruppe der BFW (n = 3.425) unterscheiden.

Ergebnisse Die Ergebnisse der einzelnen BFW fallen unterschiedlich aus: Erfolgreich abgeschlossen haben zwischen 56 % und 80 % der Teilnehmer (im Durchschnitt 69 %). Die Wiedereinglie-derung in den sechs bis neun Monaten nach Leistungsende ist je nach Einrichtung 43 % bis

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61 % der Rehabilitanden gelungen (Durchschnitt 53 %). Die Wiedereingliederungsquoten und das Abschlussergebnis der Maßnahme sind jedoch selten signifikant unterschiedlich. Mit dem Gesamtergebnis der Bildungsmaßnahme sind zwischen 47 % und 60 % (Durch-schnitt 51 %) (sehr) zufrieden. Die integrationsvorbereitenden Maßnahmen während der Leistung wurden von 28 % bis 56 % als nicht erkennbar bewertet (Durchschnitt 40 %). Den-noch ist die Zufriedenheit mit der Bildungseinrichtung insgesamt relativ hoch: 60 % bis 83 % der Teilnehmer sind mit ihrem BFW (sehr) zufrieden (Durchschnitt 69 %). Die Zufriedenheit der Teilnehmer mit der Unterstützung nach der Maßnahme ist signifikant unterschiedlich. Bei den integrationsvorbereitenden Maßnahmen während der Leistung zeigen sich vor allem signifikante Einrichtungsunterschiede hinsichtlich der individuellen Maßnahmen zur Vorbe-reitung der Integration, der Vermittlung von Kontakten zu Arbeitgebern und der Unterstüt-zung der Stellensuche durch die Bildungseinrichtung.

Das Durchschnittsalter der Teilnehmer in Berufsförderungswerken liegt bei 41,3 Jahren. In den sieben ausgewählten Einrichtungen liegt die Spanne zwischen 38,7 und 43,2 Jahren. Der Anteil der Frauen in BFW beträgt zwischen 21 % und 34 % (durchschnittlich 29 %). Der Anteil der Teilnehmer mit orthopädischen Erkrankungen schwankt zwischen 66 % und 77 %, psychische Diagnosen liegen bei 20 % bis 39 % vor (jeweils erste bis dritte Diagnose). Wäh-rend der Anteil der Weiterbildungsmaßnahmen bei einzelnen BFW über 90 % liegt (Durch-schnitt 68 %), beträgt er bei einem BFW nur 39 %. Demzufolge ist hier der Anteil der Integ-rationsmaßnahmen verhältnismäßig hoch (57 %). Etwa drei Viertel der Befragten geben an, zum Zeitpunkt der Antragstellung durch den Gesundheitszustand in ihrer Berufsausübung stark eingeschränkt gewesen zu sein (in den einzelnen BFW 65 % bis 81 %). Der aktuelle Gesundheitszustand wird dagegen von etwa zwei Drittel der Befragten als (sehr) gut bzw. befriedigend angegeben (63 % bis 79 %). Selten signifikant unterschiedlich sind die Ein-schränkung zum Zeitpunkt der Antragstellung, der Familienstand und das Geschlecht. Der regionale Arbeitsmarkt der Teilnehmer und die im BFW durchgeführten Maßnahmearten sind durchweg signifikant unterschiedlich. Ebenso unterscheiden sich einige BFW signifikant hinsichtlich der Schulbildung ihrer Teilnehmer, der Arbeit vor Antragstellung, der Stellung im Beruf, der Diagnose und dem Alter.

Diskussion und Schlussfolgerungen Durch die Teilnehmerbefragung liegen der RV für die externe Qualitätssicherung einrich-tungsbezogen differenzierte Bewertungen aus Teilnehmersicht vor. Solche Einschätzungen werden den einzelnen Einrichtungen zur Verfügung gestellt, um im Rahmen des internen Qualitätsmanagements in Verbesserungen umgesetzt zu werden. Darüber hinaus besteht die Frage nach der Vergleichbarkeit der Einrichtungen. Zusammenfassend sind sowohl sig-nifikante Unterschiede zwischen den Bewertungen als auch zwischen den Teilnehmer-merkmalen der ausgewählten BFW festzustellen. Inwieweit die Bewertungsunterschiede durch die Teilnehmermerkmale beeinflusst werden, wird überprüft. Es ist zu klären, ob der Einfluss von z. B. personalen Faktoren auf die Bewertung der beruflichen Rehabilitation dem in der medizinischen Rehabilitation vergleichbar ist (siehe Widera, 2009) oder ob andere Faktoren die Bewertung beeinflussen. Es wird u. a. auch betrachtet, ob sich das Abschluss-ergebnis der Maßnahme und die (nicht) erfolgte Wiedereingliederung auf die Bewertung der Maßnahme und die Zufriedenheit auswirken.

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Literatur Erbstößer, S., Klosterhuis, H., Lindow, B. (2007): Berufliche Rehabilitation aus Teilnehmer-

sicht - aktuelle Ergebnisse des Berliner Fragebogens. RVaktuell 10/2007. 362-366. Slesina, W., Rennert, D. (2009): Prozess- und Ergebnisqualität beruflicher Rehabilitation.

Regensburg: S. Roderer Verlag. Widera, T. (2009): Ausblick zur Ergebnisqualität - Indikatoren einer erfolgreichen Rehabilita-

tion sowie Einflussfaktoren auf das Rehabilitationsergebnis. In: Deutsche Rentenversi-cherung Bund (Hrsg.): Ergebnisqualität in der medizinischen Rehabilitation der Renten-versicherung. Berlin. 167-194.

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Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Poster)

Praxis des RehaAssessments aus psychologischer Sicht

Schellmann, C., Witsch, E., Kleon, S., Arling, V., Spijkers, W. Institut für Psychologie, Berufliche Rehabilitation, RWTH Aachen

Hintergrund der Untersuchung In der beruflichen Rehabilitation haben sich in den letzten Jahren, insbesondere mit der Ein-führung des Neuen Reha-Modells, viele Veränderungen ergeben (Rehavision, 2/2009). Die vorliegende Studie konzentriert sich auf das RehaAssessment* und hinterfragt, was sich dort innerhalb der letzten neun Jahre gewandelt hat. Ausgangspunkt der Betrachtungen ist eine schon im Jahr 2000 von der RWTH Aachen an zahlreichen deutschen Berufsförderungs-werken (BFW) durchgeführte Befragung. Durch eine äquivalente Befragung im Jahr 2009 ist ein direkter Vergleich möglich.

Methodik Es handelt sich um eine Vergleichsstudie, für welche zu zwei verschiedenen Messzeitpunk-ten (2000 und 2009) Daten erhoben wurden. Mittels Fragebogen wurden die im RehaAs-sessment tätigen Psychologen von 17 BFWen befragt, welche diagnostischen Methoden dort eingesetzt werden (z. B. standardisierte Testverfahren), wie sich die psychologische Beratung gestaltet und wie Teilnehmerinformationen kommuniziert bzw. dokumentiert wer-den. Zur vergleichenden Auswertung der Daten wurden Häufigkeitsanalysen vorgenommen.

Ergebnisse Die Auswertung ergab, dass die im RehaAssessment durchschnittlich am häufigsten vertre-tenen diagnostischen Methoden, sowohl 2000 als auch 2009, standardisierte Testverfahren, arbeitsmedizinische Untersuchungen, freie Verhaltensbeobachtungen, explorative Inter-views und Arbeitsproben sind. Darüber hinaus wurde ebenfalls häufig die Auswertung der Teilnehmerakte genannt.

Standardisierte Testverfahren werden nach wie vor hauptsächlich für die Intelligenzerhe-bung genutzt. 2009 werden in diesem Bereich jedoch andere Testverfahren eingesetzt als 2000. So wurden 2000 vorwiegend der Figure-Reasoning-Test (FRT, 65 %), der Intelligenz-Struktur-Test-70 (IST-70, 53 %) und das Leistungsprüfsystem (LPS, 41 %) verwendet. Im Gegensatz dazu sind im Jahr 2009 vor allem der IST2000-R (59 %) und der WILDE-Intelligenztest (36 %) gängige Verfahren zur Intelligenzmessung. IST-70 und auch IST-2000 werden so gut wie gar nicht mehr verwendet. Der FRT (59 %) ist weiterhin sehr verbreitet. Darüber hinaus werden standardisierte Testverfahren verstärkt für die Erhebung berufsspe-zifischer Fähigkeiten (+50 %) und des technisch-mechanischen Verständnisses (+24 %) eingesetzt. * Die Untersuchung konzentriert sich auf ein bewährtes Standardangebot des RehaAssessments, welches

im klassischen Sinne als zweiwöchige "Berufsfindung und Arbeitserprobung" und im heutigen Sprachge-brauch des SGB IX auch als "Abklärung der beruflichen Eignung" bezeichnet wird.

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Zur Erfassung von Persönlichkeitsaspekten wie der sozialen Kompetenz und des Selbstver-trauens hingegen werden, auch in 2009, vorwiegend freie Verhaltensbeobachtungen durch-geführt. Die einzigen standardisierten Testverfahren, die hier überhaupt noch zum Einsatz kommen, sind das Freiburger Persönlichkeitsinventar (FPI/FPI-R) und der Berufsinteressen-Test (BIT). Allerdings werden sie nur von weniger als einem Drittel der BFWe genutzt. Be-rufsübergreifende Fähigkeiten und die berufsbezogene Motivation werden nach wie vor hauptsächlich mittels explorativer Interviews erfasst.

Im Jahr 2009 fanden durchschnittlich 1-2 mehr psychologische Beratungsgespräche pro Teilnehmer statt als im Jahr 2000. Die Hauptinhalte dieser Gespräche sind weiterhin The-men zu Beruf und Ausbildung. Jedoch werden nun auch verstärkt Aspekte zu sozialen und psychischen Bereichen behandelt. In Bezug auf den generellen Umgang mit Teilnehmerin-formationen ist zu beobachten, dass im Vergleich zu 2000 der Informationsaustausch insge-samt zugenommen hat. Es werden sowohl mehr Fallkonferenzen abgehalten (+18 %) als auch im Rahmen von Teamsitzungen (+6 %) und durch informelle Kontakte (+18 %) öfter Informationen ausgetauscht. Außerdem wurde das Casemanagement im Verlauf der letzten Jahre ausgeweitet.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass noch immer bei ca. 75 % aller befragten BFWe der Wunsch nach neuen standardisierten Testverfahren besteht, insbesondere zur Erfas-sung von Schlüsselkompetenzen (z. B. Selbstlernkompetenz) und fachlichen Fähigkeiten.

Diskussion und Ausblick Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Anforderungen an Psychologen im RehaAssessment zwischen 2000 und 2009 vor allem inhaltlich ausgeweitet haben. Es werden neben fachli-chen Fähigkeiten zunehmend "weiche" Faktoren berücksichtigt, für deren zuverlässige und valide Erfassung außerdem ein dringlicher Wunsch nach standardisierten Testverfahren be-steht. In Hinblick auf das Neue Reha-Modell lassen sich die Ergebnisse als Trend zu mehr Berücksichtigung von Ganzheitlichkeit bei der Gestaltung von Rehabilitationsprozessen in-terpretieren. Die Ergebnisse können außerdem als Ansatzpunkt zur Optimierung der psy-chologischen Diagnostik im RehaAssessment verstanden werden.

Literatur RehaAssessment in den Berufsförderungswerken: http://www.arge-bfw.de/ rehaassess-

ment/. Abruf: 30.10.2009. Rehavision (2/2009): Arbeitsgemeinschaft Deutscher Berufsförderungswerke. 5f. Spijkers, W., Conrads, J. (2001): Berufsfindung und Arbeitserprobung in den Berufsförde-

rungswerken: Ergebnisse einer Befragung. In: Arbeitsgemeinschaft deutscher Berufsför-derungswerke (Hrsg.): RehaAssessment in Berufsförderungswerken. Ergebnisband der Fachtagung 2001 Bad Pyrmont. Hamburg: Eigenverlag der Arbeitsgemeinschaft deut-scher Berufsförderungswerke. 104-115.

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Selbstgesteuertes Lernen in der beruflichen Rehabilitation - Der Fragebogen zur SelbstLernKompetenz (SLK)

Kleon, S., Arling, V., Schellmann, C., Witsch, E., Spijkers, W. Institut für Psychologie, Berufliche Rehabilitation, RWTH-Aachen

Hintergrund Selbstgesteuertes Lernen ist in der beruflichen Rehabilitation ein zentrales Thema. Das "Neue Reha-Modell", welches mit den Handlungsmaximen "Individualisierung" und "Integra-tionsorientierung" den Teilnehmer als aktiven Gestalter seiner Rehabilitations-Maßnahme in den Mittelpunkt rückt, forciert nochmals die Eigenverantwortung und Selbstregulation der Rehabilitanden. Die Fähigkeit zu selbstgesteuertem Lernen ist zum einen Voraussetzung für verstärkte Individualisierung, zum anderen kann die Förderung dieser Schlüsselkompetenz auch Inhalt der Qualifizierung sein. Dennoch fehlen den Einrichtungen validierte Messin-strumente zur Erfassung der lernerseitigen Voraussetzungen für selbstgesteuertes Lernen. Mit dem Fragebogen zur SelbstLernKompetenz (SLK) wird dem Rechnung getragen und ein Instrument speziell für die berufliche Rehabilitation entwickelt.

Methodik und Stichprobe Auf Basis einer Expertenbefragung, deren Ziel es war die zentralen Voraussetzungen für selbstgesteuertes Lernen zu bestimmen, wurde ein Fragebogen erstellt und einer ersten empirischen Erprobung (Untersuchung 1: n = 115) unterzogen. Daraus resultierte der SLK, welcher fünf zentrale Aspekte (5 Subskalen) selbstgesteuerten Lernens erfasst. Neben den motivationalen Aspekten Lernorientierung, Interesse/ intrinsische Motivation, Neugier und Selbstlernwirksamkeitsüberzeugung wird auch der kognitive Aspekt Organisationskompe-tenz im Instrument operationalisiert. Der Fragebogen umfasst 46 Items, die von den Rehabi-litanden auf einer vierstufigen Skala eingeschätzt werden.

Der SLK fand bislang in drei weiteren Untersuchungen Anwendung. Untersuchung 2 (n = 164) und Untersuchung 3 (n = 77) diente primär der Bestimmung der Konstruktvalidität und Reliabilität des Verfahrens. In Untersuchung 4 (n = 16) wurden die Rehabilitanden im Rahmen eines Evaluationsprojektes am Beginn und am Ende der Ausbildung mit dem SLK getestet, um Teilnehmerentwicklungen zu messen.

Ergebnisse Die Objektivität ist aufgrund der standardisierten Durchführung und Auswertung gegeben. Die Reliabilität sowohl der Subskalen als auch der Gesamtskala zeigt sich in den Alpha-Koeffizienten (s. Tab. 1).

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Skala Anzahl Items Cronbach´s Alpha Lernorientierung 9 .78 Interesse/ intrinsische Motivation 10 .85 Selbstlernwirksamkeitsüberzeugung 7 .83 Neugier 9 .80 Organisationskompetenz 11 .71 Stratified Alpha Gesamttest 46 .92

Tab. 1: Cronbach´s Alpha für die Subskalen und Stratified Alpha* für den Gesamttest

Die konvergente Validität des Verfahrens zeigt sich in Korrelationen mit konstruktnahen Ver-fahren. Der Gesamtscore des SLKs korreliert mit dem Selbstlern-Profil von Will (1993) (r = 0.66**). Auch für die Subskalen lassen sich die vermuteten Zusammenhänge mit ande-ren Verfahren bestätigen. Es korrelieren Selbstlernwirksamkeitsüberzeugung und die Beruf-liche Selbstwirksamkeit (BSW, Abele, 2000) (r = 0.63**); Lernorientierung und Beharrlichkeit des Leistungsmotivationsinventars (LMI, Schuler, Prochaska, 2003) (r = 0.59**); Neugier und Flexibilität des LMIs (r = 0.47**); Interesse/ intrinsische Motivation und Motivation der BSW (r = 0.53**); Organisationskompetenz mit der Skala Strategischer Planung (PCI, Schwarzer, 1999) (r = 0.49**). Des Weitern zeigt sich ein Zusammenhang zwischen Intelli-genz und der Skala Organisationskompetenz (r = 0.30*) (Arling, 2006).

In Untersuchung 4 zeichnet sich für sieben der 16 Rehabilitanden eine deutliche Steigerung (↑) der Selbstlernkompetenz ab, während sich vier eindeutig verschlechtern (↓). Fünf Reha-bilitanden beschreiben keine Veränderung. Teilnehmer, die eine Verbesserung beschreiben, haben deskriptiv bessere Noten in der Abschlussprüfung (MD↑ = 2; MD↓ = 3,5).

Diskussion und Ausblick Die Ergebnisse belegen, dass es sich beim SLK um ein reliables Verfahren handelt. Die Zu-sammenhänge zu anderen Verfahren weisen darauf hin, dass der SLK Selbstlernkompetenz mit den fünf zentralen Aspekten Lernorientierung, Interesse/ intrinsische Motivation, Neu-gier, Selbstlernwirksamkeitsüberzeugung und Organisationskompetenz erfasst. Studien zur Retestreliabilität, Kriteriumsvalidität und der inkrementellen Validität werden derzeit an Re-habilitanden und Studenten durchgeführt.

Aus Untersuchung 4 geht hervor, dass der SLK neben der pädagogischen Diagnostik auch zur Prozessdiagnostik verwendet werden kann. So kann anhand des Instrumentes der Ent-wicklungsverlauf von Rehabilitanden dokumentiert werden sowie die Qualität bestimmter didaktischer Methoden zur Förderung selbstgesteuerten Lernens evaluiert werden. Aktuell wird ein entsprechendes Training zur Selbstlernkompetenz konzipiert.

Literatur Abele, A.E., Stief, M., Andrä, M. (2000): Zur ökonomischen Erfassung beruflicher Selbst-

wirksamkeitserwartungen - Neukonstruktion einer BSW-Skala. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 43. 95-101.

Arling, V. (2006): Entwicklung und Validierung eines Verfahrens zur Erfassung von Pla-nungskompetenz in der beruflichen Rehabilitation: Der "Tour-Planer". Berlin: Logos.

* Maß zur Reliabilitätsschätzung bei interkorrelierten nonhomogenen Items.

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Schuler, H., Prochaska, M. (2003). Leistungsmotivationsinventar (LMI). Dimensionen be-rufsbezogener Leistungsorientierung. Göttingen: Hogrefe.

Schwarzer, R., Greenglass, E., Tauberts, S. (1999): Proaktives Coping Scale. http://userpage.fu-berlin.de/~health/pcigerman1.html. Abruf: 16.09.2009.

Will, J. (2000): Motiviertes selbstgesteuertes Lernen im Studium. Theoretischer Rahmen, diagnostisches Instrumentarium und Bedingungsanalyse: Das Selbstlern-Profil. Disserta-tion, Universität Bremen.

Bewerbungsspezifische Einflussfaktoren auf die Wiedereingliederung nach abschlussorientierter Qualifizierung

Flach, T., Begerow, B., Schmidt, C. Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH

an der Deutschen Sporthochschule Köln

Hintergrund Die allgemeine Zielsetzung der beruflichen Rehabilitation ist die Teilhabe am Arbeitsleben. Diese Zielsetzung lässt sich untergliedern in Wiederherstellung bzw. signifikante Verbesse-rung der Handlungs- und Beschäftigungsfähigkeit und dem Management des Übergangs in den ersten Arbeitsmarkt (Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2007). Zur Ausgestal-tung und Verbesserung des Übergangsmanagements in Berufsförderungswerken (BFW) bedarf es Hinweise über allgemeine und bewerbungsspezifische Prädiktoren der Wieder-eingliederung. Dazu konnten Untersuchungen in BFW den Einfluss von soziodemografi-schen, arbeitsmarktbezogenen und psychosozialen Variablen (Beiderwieden, 2001; Köster et al., 2007) und bewerbungsspezifischen Prädiktoren (Schmidt, 2007) aufzeigen. Die vor-liegende Studie untersucht den Einfluss bewerbungsspezifischer Merkmale auf das Bewer-bungshandeln und die Wiedereingliederung. Es werden die Einflussfaktoren auf die Wieder-eingliederung vorgestellt.

Methode An zehn Berufsförderungswerken wurde eine Längsschnitterhebung mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern 24-monatiger Qualifizierungen durchgeführt. Erhebungszeitpunkte waren acht Wochen vor Beendigung der Maßnahme (schriftlicher Fragebogen T1) und acht Mona-te nach Beendigung (Telefoninterview T2). Zielkriterium dieser Untersuchung ist die Wie-dereingliederung. Zu T1 konnten 642 gültige Datensätze eingeschlossen werden, Kontakt-daten für T2 wurden von 512 Personen (80 %) angegeben; die tatsächliche Beteiligung zu T2 belief sich auf 243 Personen, 38 % der Stichprobe von T1. T2-Teilnehmer unterschieden sich von der Gruppe der Nonresponder durch höheres Alter (>40 Jahre; p=.005), weniger Alleinlebende (p=.013, χ2) und weniger zukünftige Alleinverdiener (p=.014; χ2).

Mittels logistischer Regression von Merkmalen der T1 Befragung wurden Einflussfaktoren auf die Wiedereingliederung berechnet. Dabei ist man der methodischen Vorgehensweise von Muche (Muche et al., 2005) gefolgt.

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Ergebnisse Acht Monate nach Beendigung der beruflichen Rehabilitation standen 45 % (n = 110) der Teilnehmer in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis. Nach univariater Vari-ablenvorselektion gingen zur endgültigen Berechnung zehn Variablen ins Regressionsmo-dell ein. Berufliche Orientierung, Alter, Dauer der Arbeitslosigkeit vor Reha-Beginn, körperli-ches Wohlbefinden, Bewerbungserfahrungen vor Reha-Beginn, Bewerbungsstatus zu T1, Qualifizierungsberuf, Arbeitsagenturbezirk (Typisierung nach Blien et al., 2004), allgemeiner Gesundheitszustand, Form des Zusammenlebens. Die ersten sieben Variablen zeigen Ef-fekte auf die Wiedereingliederung. Stärkster Effekt zeigt sich bei den Bewerbungserfahrun-gen (p<.001) im Vorfeld der Umschulung. Rehabilitanden mit geringen Bewerbungserfah-rungen, assoziiert mit wenigen Arbeitslosigkeitsepisoden im Vorfeld der Umschulung, haben höhere Chancen auf die Wiedereingliederung. Auch nimmt der Bewerbungsstatus zum Zeit-punkt T1 (p=.006) Einfluss. Rehabilitanden, die während der Umschulung schon mindestens ein Vorstellungsgespräch geführt hatten (ohne Stellenzusage), im Gegensatz zu Personen, die nicht bewerbungsaktiv waren, haben 4-fach höhere Wiedereingliederungschancen (mit Stellenzusage 20-fach höhere Chancen). Des Weiteren erhöht eine stärkere berufliche Ori-entierung (p=.035) bezüglich der Einschätzung eigener berufsrelevanten Fähigkeiten und beruflichen Ziele die Chancen auf Wiedereingliederung um ein 2,4-faches. Ebenfalls höhere Chancen haben Rehabilitanden, die sich ein höheres körperliches Wohlbefinden (p=.071) zuschreiben. Weitere Einflussfaktoren zeigen sich im Alter (p=.040), Dauer der Arbeitslosig-keit vor Beginn der Umschulung (p=.088) und Umschulungsberuf (p=.115).

Diskussion/Schlussfolgerung Die Ergebnisse dieser Studie unterstreichen die Bedeutung des frühzeitigen Bewerbungs-handelns schon während der Schlussphase der Umschulung. Der ungünstige Einfluss von schwachen regionalen Arbeitsagenturbezirken zeigte sich in diesem logistischen Regressi-onsmodell nicht bedeutsam.

Literatur Beiderwieden, K. (2001): Langfristige Wiedereingliederung nach der beruflichen Rehabilita-

tion. Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 34. 182-206. Blien, U., Hirschenauer, F., Arendt, M., Braun, H., Gunst, D., Kilcioglu, S., Kleinschmidt, H.,

Musati, M., Roß, H., Vollkommer, D., Wein, J. (2004): Typisierung von Bezirken der Agenturen für Arbeit. Zeitschrift für Arbeitsmarktforschung, 37. 146-175.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2009): Stellungnahme der wissenschaftlichen Fachgruppe RehaFutur zur Zukunft der beruflichen Rehabilitation in Deutschland. http://www.bmas.de/portal/37900/property=pdf/f393__forschungsbericht.pdf, Abruf: 02.11.2009.

Köster, T., Fehr, M., Slesina, W. (2007): Zur Eingliederung von Rehabilitanden in das Er-werbsleben nach Umschulung in Berufsförderungswerken - ein Prognosemodell. Die Re-habilitation, 46. 258-265.

Muche, R., Ring, C., Ziegler, C. (2005): Entwicklung und Validierung von Prognosemodellen auf Basis der logistischen Regression. Aachen: Shaker.

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Schmidt, C. (2007): Einfluss personaler Faktoren auf Bewerbungsaktivitäten und Inte-grationserfolg von Umschulungsteilnehmerinnen und -teilnehmern. DRV-Schriften, Bd. 72. 294-297.

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Betriebliches Gesundheitsmanagement

Gesundheitsförderung und Selbstregulation durch individuelle Zielanalyse (GUSI) - Erprobung eines Präventionsprogramms der

Deutschen Rentenversicherung Bund und Westfalen

Olbrich, D. (1), Beblo, A. (1), Ritter, J. (2), Storch, M. (3) (1) Rehabilitationszentrum Bad Salzuflen der Deutschen Rentenversicherung Bund,

Bad Salzuflen, (2) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin, (3) ZRM research, Universität Zürich

Einleitung Seit dem 1. Januar 2009 hat die Rentenversicherung die Möglichkeit, ihren Versicherten Präventionsleistungen zur Sicherung der Erwerbsfähigkeit anzubieten. Zielgruppe sind Be-schäftigte, bei denen erste, die Erwerbsfähigkeit ungünstig beeinflussende gesundheitliche Beeinträchtigungen vorliegen. Auf der Grundlage des Rahmenkonzeptes "Beschäftigungs-fähigkeit teilhabeorientiert sichern - BETSI" (2008) wurde ein Präventionsprogramm zur "Gesundheitsförderung und Selbstregulation durch individuelle Zielanalyse - GUSI" zur mo-dellhaften Erprobung entwickelt (Olbrich, 2008). In Umsetzung des BETSI-Konzepts und der Richtlinien- und Anwendungsempfehlungen zu § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI wird das Präventi-onsprogramm GUSI seit Februar 2009 am Reha-Zentrum Bad Salzuflen angeboten. Seit Juli 2009 werden Präventionsgruppen durchgeführt.

Entwicklung der Rahmenbedingungen und Struktur der Prävention Prävention als Leistung der Deutschen Rentenversicherung und Inhalte wurden Betrieben vorgestellt. Nach Identifikation von in Frage kommenden Beschäftigten durch Betriebsmedi-ziner werden diese zur Diagnostik ("Initialphase") in der Reha-Klinik angemeldet. Die Initi-alphase umfasst medizinische, psychosoziale und berufsbezogene Diagnostik. Bei Indikati-on zur Prävention wird der Präventionsantrag mit einem in der Reha-Klinik erstellten Prä-ventionsbefundbericht an den Rentenversicherungsträger versandt. Dort wird nach sozial-medizinischer Prüfung ein Bescheid erstellt. Die Präventionsintervention wird in geschlosse-nen Gruppen durchgeführt. Sie gliedert sich in eine 3tägige ambulante Trainingsphase A (Donnerstag - Samstag) und eine Trainingsphase B an 7 Mittwochabenden. Nach vier Mo-naten wird ein "Refresher-Samstag" angeboten.

Inhalte des Präventionsprogramms GUSI Die Teilnehmer erlernen auf der Grundlage eines ressourcenorientierten Selbstmanage-menttrainings mit dem Züricher Ressourcenmodell (ZRM) eine bessere Selbstregulation durch Erarbeitung eines für sie passenden persönlichen Haltungsziels (Storch, Krause 2006). Dieses Haltungsziel integriert sowohl bewusste Motive als auch unbewusste Bedürf-nisse und hilft den Teilnehmern, selbstgesetzte Ziele auf der Handlungsebene auch umzu-setzen. Durch Steigerung der Selbstwirksamkeit und Ressourcenorientierung wird die Hand-lungsfähigkeit und der Handlungsspielraum der Teilnehmer in Alltag und Beruf gefördert

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(Selbstmanagement). Im Präventionsprogramm GUSI ist das ZRM-Training mit zwei hand-lungsorientierten Elementen kombiniert: der Progressiven Muskelentspannung und der Be-wegungstherapie. Alle Elemente sind so angelegt, dass sie aufeinander abgestimmt sind und rasch therapeutenunabhängig im Alltag genutzt werden können.

Einschlusskriterien und Methoden Teilnahmevoraussetzung waren neben den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen Ri-sikofaktoren, die die Erwerbsfähigkeit ungünstig beeinflussen. Erkennbare Risikofaktoren sind: Zunahme von AU-Zeiten, Zunahme unspezifischer Körperbeschwerden, Alleinerzie-hende, pflegende Angehörige, Schichtarbeiter, Risikoverhalten im Umgang mit Belastungen in Arbeit- und Berufsleben und ältere Arbeitnehmer (50+).

Als Messinstrumente zur Erfassung arbeits- und motivationspsychologische Parameter wer-den eingesetzt: HAKEMP 90 (Fragebogen zur Handlungskontrolle nach Erfolg, Misserfolg und prospektiv), Skalen zur Erfassung der Selbststeuerungskompetenzen (SSI-K3) (Kuhl, 2001), DIAMO (Diagnostikinstrument für Arbeitsmotivation) (Fiedler et al., 2005), AVEM (Ar-beitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster) (Scharschmidt, Fischer, 2001) und der Fragebogen zur subjektiven Prognose der Erwerbstätigkeit (SPE) (Mittag, Raspe, 2003).

Die Daten werden zu 4 Messzeitpunkten erhoben (Präventionsbeginn, Ende der Trainings-phase, Refresher nach 4 Monaten und Katamnese nach weiteren 6 Monaten).

Folgende Fragen sollen geklärt werden:

1. Gelingt es, die Prävention als neues Angebot der Rentenversicherung in Betrieben zu implementieren? Wie ist das Inanspruchnahmeverhalten ?

2. Wie ist die Übereinstimmung bei der Indikationsstellung?

3. Gelingt den Teilnehmern eine Verbesserung der Selbstregulation und Umsetzung ge-sundheitsförderlichen Verhaltens?

4. Beeinflusst das Programm die Arbeitsmotivation?

5. Werden durch das Programm überdauernde Verhaltensänderungen erreicht?

Erste Ergebnisse Es wurden Betriebe mit insgesamt rund 10.000 Beschäftigten informiert. Ab Mai 2009 starte-te die Initialphase. Die bisherige Inanspruchnahmequote liegt bei 0,5 %. Den Betriebsärzten kommt eine zentrale Schnittstellenfunktion zu. Der Grad an Übereinstimmung bei der Indika-tionsstellung zwischen Betriebsärzten und Reha-Medizinern betrug 90 %.

Alle bisherigen Teilnehmer haben die Trainingsphasen des Programms komplett durchge-führt. Zu diesem Zeitpunkt (t1-t2 Messung) waren bedeutsame Effekte im Hinblick auf För-derung der Handlungsorientierung nach Misserfolgserfahrungen und bessere Regulierung negativer Affekte nachweisbar. Der Grad der prospektiven Entscheidungs- und Handlungs-planung nahm zu. Bei der Arbeitsmotivation fand sich eine Steigerung des "Neugiermotivs" und der "Zielaktivierung" Die Teilnehmer führten regelmäßig mehr aktive Bewegungsthera-pien durch. Darüber hinaus kam es als "Nebeneffekt" zu einer Reduktion des Körperge-wichts von durchschnittlich 2,1 kg. Davon profitierten insbesondere Teilnehmer mit einem erhöhten BMI.

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Diskussion Das vorgestellte Präventionsprogramm GUSI ist umsetzbar und findet Akzeptanz bei Be-schäftigen und Betrieben. Durch das ZRM-Training gelingt es den Teilnehmern, ihre negati-ven Affekte besser zu regulieren und ihre Handlungsmotivation zu erhöhen. Dies führt nicht nur zu einer Steigerung bewussten gesundheitsförderlichen Verhaltens mit vermehrter Be-wegungsaktivität und verbesserter Stressbewältigung, sondern hat darüber hinaus auch er-wünschte gesundheitsförderliche "Nebeneffekte" (z. B. Gewichtsreduktion).

Die bisherigen Erfahrungen und Ergebnisse zeigen, dass das GUSI-Präventionsprogramm mit begrenzten Mitteln sehr gute Effekte im Hinblick auf Gesundheitsförderung und -erhaltung von Beschäftigten erzielt. Durch die von Beginn an begleitende Evaluation setzt die Rentenversicherung mit ihrem Präventionsangebot in einem bisher noch wenig evaluier-ten Bereich (Goldgruber, Ahrens, 2009) Maßstäbe.

Literatur Fiedler, R.G., Ranft, A., Schubmann, C., Greitemann, B., Heuft, G. (2005): Diagnostik von

Arbeitsmotivation in der Rehabilitation - Vorstellung und Befunde zur faktoriellen Struktur neuer Konzepte. Psychother.Psych.Med., 55. 476-482.

Goldgruber, J., Ahrens, D. (2009): Gesundheitsbezogene Interventionen in der Arbeitswelt. Review über die betriebliche Gesundheitsförderung und Primärprävention. Präv. Ge-sundheitsf., 4. 83-95.

Kuhl, J. (2001): Motivation und Persönlichkeit. Interaktion psychischer Systeme, Göttingen: Hogrefe.

Mittag, O., Raspe, H. (2003): Eine kurze Skala zur Messung der subjektiven Prognose der Erwerbsfähigkeit. Die Rehabilitation, 42. 169-174.

Olbrich, D. (2008): Gesundheitsförderung und Selbstregulation durch individuelle Zielanaly-se (GUSI). Präventionsprogramm im Rehabilitationszentrum Bad Salzuflen der Deut-schen Rentenversicherung Bund, Klinik Lipperland und Klinik am Lietholz. Unveröffentl. Manuskript, Rehazentrum, Bad Salzuflen.

Schaarschmidt, U., Fischer, A.W. (2001): Bewältigungsmuster im Beruf. Persönlichkeitsun-terschiede in der Auseinandersetzung mit der Arbeitsbelastung. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht.

Storch, M., Krause, F. (2006): Selbstmanagement - ressourcenorientiert, Grundlagen und Trainingsmanual für die Arbeit mit dem Züricher Ressourcenmodell (ZRM). (4. Aufl.). Bern: Huber.

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Betriebliche Gesundheitsförderung in kleineren und mittleren Unternehmen

Hartschuh, U., Wente, G. Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg

Hintergrund Im Jahr 1997 wurde die Luxemburger Deklaration mit Unterstützung der Europäischen Kommission von den Mitgliedern des Europäischen Netzwerkes für betriebliche Gesund-heitsförderung (ENWHP) verabschiedet. Hiernach wird Betriebliche Gesundheitsförderung wie folgt definiert: Betriebliche Gesundheitsförderung umfasst alle gemeinsamen Maßnah-men von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz.

Gesunde Beschäftigte sind Grundlage und Schlüssel des betrieblichen Erfolgs. Das gilt für kleinere und mittlere Unternehmen in besonderem Maße. Diese Betriebe haben jedoch auf-grund ihrer strukturellen Besonderheiten große Schwierigkeiten Betriebliche Gesundheits-förderung umzusetzen.

Das Modellprojekt: Bildung eines Netzwerkes für Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) in kleinen und mittleren Unternehmen Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg klärte zunächst mit den Projektpart-nern in welchem Umfang in kleinen und mittleren Unternehmen Betriebliche Gesundheits-förderung durchgeführt wurde und welche Hilfe sie von Sozialleistungsträgern erwarten.

Es wurde ein Fragebogen entwickelt, der an 1.200 Handwerksbetriebe aus unterschiedli-chen Branchen in der Region Böblingen versandt wurde.

Das Projekt wurde mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg und des Europäischen Sozi-alfonds gefördert.

Einige Ergebnisse der Befragung im Überblick Die Auswertung basiert auf 258 ausgefüllten Fragebogen.

Rund ein Viertel der antwortenden Betriebe setzt bereits BGF-Maßnahmen um. Nur 3 bis 4 % der Betriebe waren bereit, die jeweiligen Maßnahmen zu konkretisieren. In der Regel handelte es sich um isolierte Einzelmaßnahmen, wie Rückenschule, Ergonomie am Arbeits-platz, Hebezeuge, Anhalten zum Nichtrauchen um nur einige zu nennen.

Die Hälfte der Betriebe sind der Meinung, dass Betriebliche Gesundheitsförderung eine Maßnahme ist, damit die Beschäftigen länger gesund arbeiten können. Rund 58 % der Be-triebe vertreten die Auffassung, dass Betriebliche Gesundheitsförderung frühzeitig umge-setzt werden muss, um Krankheiten zu vermeiden.

Nur knappe 13 % der Betriebe sind bereit für die Betriebliche Gesundheitsförderung Res-sourcen (Beschäftigte und Finanzen) uneingeschränkt zur Verfügung zu stellen. Mehr als die Hälfte aller Betriebe ist hierzu nur eingeschränkt bereit.

Als Barrieren/Hemmnisse bei der Umsetzung der Betrieblichen Gesundheitsförderung ha-ben sich für ein Viertel der Betriebe die mangelnde Motivation der Beschäftigten erwiesen.

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Einige Betriebe gaben an, dass die Mitarbeiter die Maßnahmen nicht als positiv "notwendig" empfanden. Ein Problem war auch der Zeitaufwand und die gemeinsame Terminfindung außerhalb der Arbeitszeit. Die wenigsten Betriebe sind bereit Betriebliche Gesundheitsförde-rung während der Arbeitszeit anzubieten.

Die demographische Entwicklung und der damit verbundene Fachkräftemangel ist der Hälfte der Betriebe bewusst. Sie haben oft ein Problem mit der wachsenden Konkurrenz und der Nachfolgeplanung.

Über die Hälfte der Betriebe ist der Meinung, dass eine zentrale Servicestelle, die Informati-onen zur Betrieblichen Gesundheitsförderung aus einer Hand anbietet, sehr hilfreich wäre.

Zusammenfassung der Befragungsergebnisse Die Mehrzahl der Betriebe hält Betriebliche Gesundheitsförderung zwar für sinnvoll, ist aber nicht bereit uneingeschränkt Ressourcen, wie Personal und Finanzen, dafür einzusetzen. Wenn solche Leistungen im Unternehmen angeboten werden, dann meistens als Einzel-maßnahmen ohne Koordination. Die wenigsten Betriebe haben klare Vorstellungen, wie sie in Zukunft Betriebliche Gesundheitsförderung nutzen werden.

Die meisten Betriebe wünschen sich eine Servicestelle, die sie in Fragen der Betrieblichen Gesundheitsförderung unterstützt.

Projektansatz Der Wunsch der kleinen und mittleren Unternehmen nach einer Servicestelle als Ansprech-partner für Betriebliche Gesundheitsförderung wurde aufgegriffen.

In einer Pilotphase wurden drei Anlaufstellen zur Betrieblichen Gesundheitsförderung für kleinere und mittlere Unternehmen in Baden-Württemberg geschaffen (Stuttgart, Karlsruhe und Offenburg).

Es wird auf bestehende Strukturen zurückgegriffen.

Als Beratungsstellen bieten sich die Gemeinsamen Servicestellen für Rehabilitation an. Die Gemeinsamen Servicestellen sind bereits Ansprechpartner für Betriebe in Fragen des Be-trieblichen Eingliederungsmanagements (BEM). Dadurch haben die Gemeinsamen Service-stellen bereits gute Kontakte zu Betrieben. Die Gemeinsamen Servicestellen informieren kleinere und mittlere Unternehmen über die Betriebliche Gesundheitsförderung und stellen den Nutzen für das Unternehmen dar. Wenn ein Unternehmen konkretes Interesse an Be-trieblicher Gesundheitsförderung hat, stellt die Gemeinsame Servicestelle den Kontakt zu einer gesetzlichen Krankenkasse her, die der Betrieb ausgewählt hat.

Regionale Netzwerke, in welchen überwiegend die gesetzlichen Krankenkassen, die Hand-werkskammern und die Industrie- und Handelskammern vertreten sind, unterstützen das Projekt.

Das Projekt ist auf zwei Jahre ausgelegt und wird durch die Reha-Träger auf Landesebene begleitet. Nach Ende der Pilotphase ist vorgesehen das Beratungsangebot in den "Regelbe-trieb" zu überführen.

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Vom Wollen zum Handeln - Möglichkeiten und Grenzen der Umsetzung von Reha-Zielen am Beispiel

kleiner und mittlerer Betriebe

Köpke, K.-H. Hamburg

Hintergrund Die Untersuchung war darauf gerichtet herauszufinden, mit welchen Mitteln und Methoden das Instrumentarium der sozialen Sicherung fortentwickelt werden kann, um die Gesundheit und Erwerbsfähigkeit von Beschäftigten kleiner und mittlerer Betriebe nachhaltig zu festigen und zu stärken. Zentrales Element war ein Vergleich der gesetzlichen und anderen Rege-lungen, Vereinbarungen oder sonstigen Aktivposten zugunsten von Gesundheit und Er-werbsfähigkeit mit dem in Betrieben und bei Beschäftigten vorhandenen Wissen und deren Erfahrungen. Dieser Vergleich wurde exemplarisch angelegt. Ausgewählt wurden kleine und mittlere Betriebe; sie bilden bei weitem das größte Beschäftigtenpotential.

Methode Mit Hilfe von Vertretern der Sozialpartner und der sozialen Selbstverwaltung wurden je zehn Betriebe in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein ausgesucht. Sie hatten zwischen acht und 370 Beschäftigten. Bei der Auswahl der Betriebe wurde darauf geachtet, dass sie die Wirtschaftsstruktur angemessen widerspiegeln. So konnten sowohl Land- und Forstwirtschaft, das verarbeitende und Baugewerbe als auch Handel, Gastge-werbe, Kredit- und Versicherungsgewerbe, Verkehrsbetriebe, Wohnungswesen, personale Dienstleistungen, Erziehung und Unterricht und sonstige öffentliche Dienstleistungen einbe-zogen werden. In Gesprächen mit Betriebs- bzw. Personalleitern, ggf. unter Beteiligung des Betriebs- bzw. Personalrats, des Sicherheitsbeauftragten, der Vertrauensperson der Schwerbehinderten oder anderer Fachkundiger wurden alle gesundheitsfördernden Aspekte im Betrieb erkundet. Dazu gehörten insbesondere Gefährdungsanalysen, Fehlzeiten, Erfah-rungen mit Betriebsärzten, Fachkräften für Arbeitssicherheit und Sicherheitsfachkräften, Ar-beitsschutzausschüssen und Kenntnisse des Betrieblichen Eingliederungsmanagements - BEM - (§ 84 Abs. 2 SGB IX) und der betrieblichen Gesundheitsförderung - BGF - (§ 20 a SGB V). Erfragt wurde ferner, was die Anwendung des Gesundheits- und Arbeitsschutzes erleichtert bzw. erschwert und, ob externe Unterstützung hilfreich sein kann. Dies alles gab einen breiten Einblick in den Umgang mit gesundheitlichen und Arbeitsschutzthemen in die-sen Betrieben. Abgerundet wurde dieser Blick in die Praxis dadurch, dass erfahrene Be-triebsärzte um ihr Wissen und ihre Einschätzung gebeten wurden. Damit war ein tragfähiges Bild betrieblichen Geschehens für den Vergleich geschaffen.

Ergebnisse Die Befragung der betrieblichen Akteure erbrachte ein vielschichtiges Bild. Einerseits zeigte sich eine ausgeprägte Offenheit für gesundheitliche Belange der Beschäftigten. Dazu gehör-ten in einigen Betrieben verschiedene Maßnahmen wie Bewegungs- und Ernährungsbera-tung, Angeboten zum Umgang mit Stress, zur Anwendung von Rückenschulen oder zu ge-sundheitsgerechter Arbeitsplatzgestaltung. Betriebe berichteten von einem Arbeitskreis Ge-

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sundheit, einem BEM-Begleitausschuss und einschlägigen Betriebs- bzw. Dienstvereinba-rungen. Festgestellt wurde aber auch, dass gesetzliche Arbeitsschutzinstrumente und -me-thoden längst nicht immer eingesetzt werden. Dies zeigte sich insbesondere bei Gefähr-dungsbeurteilungen. Auch einen Betriebsarzt gab es nicht immer. Bei Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten fehlte häufiger der Arbeitsschutzausschuss. Unterschiedlich verbreitet war ferner das Wissen um das BEM und BGM. Insgesamt zeigten sich trotz aller Hemmnis-se zahlreiche Möglichkeiten für eine Optimierung betrieblicher Gesundheitsmaßnahmen. Diese waren vor allem dann erfolgreich, wenn alle betrieblichen Funktionsträger - insbeson-dere die Beschäftigten bzw. der Betriebs- bzw. Personalrat - einbezogen wurden.

Fazit und Diskussion Zusammenfassend ergeben sich zwei wesentliche Erkenntnisse. Zum einen gibt es eine un-zureichende Informiertheit und ein mangelhaft ausgeprägtes Gesundheitsbewusstsein in den Betrieben. Die Wege zu sozialer Sicherheit werden häufig als undurchschaubar, seine Vorschriften als unverständlich und kompliziert empfunden. Deshalb brauchen und wün-schen Betriebe mehr Ansprechpartner und auf ihre individuelle Situation zugeschnittene In-formationen. Eine solche Wissensbasis könnte mehr Verstehen bewirken, Vorbehalte ab-bauen und einen Nährboden für eine beschäftigten- und gesundheitsorientierte Unterneh-menskultur schaffen. Zum anderen mangelt es an koordiniertem Vorgehen der Sozialleis-tungsträger. Besonders deutlich wurde dies bei den Instrumenten der BGF und des BEM. Betrieblicher Gesundheitsförderung stehen Betriebe durchaus offen gegenüber, wünschen sich diese Angebote jedoch "aus einer Hand". Es wird zu diskutieren sein, wie der Geset-zeszweck wirksamer erreicht werden kann. Ähnliches gilt für das BEM. Auch hier gibt es ei-nen deutlichen Beratungsbedarf in den Betrieben, der durch externe Beratung bislang nicht ausreichend abgedeckt ist.

Ausblick Diese Erkenntnisse können insgesamt zu verbesserter Förderung von Gesundheit und Er-werbsfähigkeit beitragen, sollten deshalb in weitergehende Beratungen und Diskussionen einfließen. Multiplikatoren sind insofern nicht nur Rehabilitationswissenschaftler, sondern gleichermaßen die Experten der Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung aus Verwaltung, Selbstverwaltung und Politik.

Literatur Köpke, K.-H. (2009): Gesunde Arbeit für alle, Empirische Studie im Auftrage der DRV Nord.

Lübeck/Hamburg.

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Integratives Beratungsnetzwerk Betriebliches Eingliederungs-management - Modellprojekt der Deutschen Rentenversicherung Bund

Lewerenz, M. Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Ausgangssituation Arbeitgeber sind gem. § 84 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zu Betriebli-chem Eingliederungsmanagement (BEM) verpflichtet. Rehabilitationsträger sollen sie bei dessen Einführung im Betrieb und bei der Durchführung im Einzelfall unterstützen. Als ex-terne Beteiligte können beim BEM die Gemeinsamen Servicestellen für Rehabilitation betei-ligt werden. Bereits in einem ersten Modellprojekt hat die Deutsche Rentenversicherung Bund in den Jahren 2006 und 2007 untersucht, in welchem Umfang Arbeitgeber heute be-reits BEM durchführen und welche Hilfen von Rehabilitationsträgern dabei besonders wirk-sam sind.

Nach den Ergebnissen des Modellprojekts sehen Arbeitgeber aufsuchende und nie-derschwellige Beratung bei der Ein- und Durchführung von BEM im Betrieb als wichtiges In-strument an. Sie akzeptieren in hohem Maß externe kostenfreie Unterstützung bei der Ein-gliederung erkrankter Beschäftigter. Die Rentenversicherung genießt dabei aufgrund ihrer Neutralität hohes Vertrauen bei Arbeitgebern und bei den betroffenen Beschäftigten. Die Be-reitschaft, BEM durchzuführen, wird außerdem gesteigert, wenn für eingliederungsbedürfti-ge Beschäftigte ortsnah sozialmedizinische Konsile und Assessments zur Verfügung stehen (DRV Bund, 2007; Lawall et al., 2008).

Um die Effektivität der bereits entwickelten Unterstützungsangebote für Arbeitgeber und ihre Beschäftigten in einem größeren regionalen Maßstab zu erproben, hat die Deutsche Ren-tenversicherung Bund ihre anwendungsorientierte Forschungsarbeit im Modellprojekt Inte-gratives Beratungsnetzwerk Betriebliches Eingliederungsmanagement fortgesetzt (BMAS, 2009).

Konzept "Integratives Beratungsnetzwerk Betriebliches Eingliederungsmanagement" Die Deutsche Rentenversicherung Bund führte in den abgelaufenen beiden Jahren im Groß-raum Berlin und in einigen angrenzenden Landkreisen in Brandenburg die vorhandenen Strukturen im Rehabilitationsbereich zu einem Integrativen Beratungsnetzwerk Betriebliches Eingliederungsmanagement“ zusammen. Dabei nehmen die Gemeinsamen Servicestellen für Rehabilitation vor allem im Hinblick auf Arbeitgeberberatungen eine zentrale Rolle ein. Sie sollen neben ihrem bisherigen Aufgabenspektrum zusätzlich als eigenständige Kompe-tenzzentren für BEM arbeiten und damit ihre in § 84 Abs. 2 Satz 4 SGB IX festgelegte Koor-dinierungsfunktion im Verhältnis zu Arbeitgebern noch besser wahrnehmen (Niehaus et al., 2008).

Neben dem eigenen Reha-Zentrum Seehof in Teltow bieten auch private Reha-Kliniken und die Berufsförderungswerke der Region arbeitgebernahe Beratung und Unterstützung für er-krankte Beschäftigte an. Durch Bildung dieses "Integrativen Beratungsnetzwerkes" werden alle Arbeitgeber der Region Zugang zu schneller und kompetenter Hilfe im Einzelfall erhal-ten, ohne dass dafür neue Strukturen aufgebaut werden müssen. Die Bildung dieses dauer-

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haften "Integrativen Beratungsnetzwerks Betriebliches Eingliederungsmanagement" in Ber-lin und Brandenburg soll als Modell für ganz Deutschland dienen (Schinkel, 2007).

Kooperation zwischen Leistungsträgern, Leistungserbringern und Gemeinsamen Servicestellen für Rehabilitation In der gesamten Projektlaufzeit informieren Mitarbeiter der Deutschen Rentenversicherung Bund als ständige Ansprechpartner für Arbeitgeber und Beschäftigte in der Modellregion über BEM, die Möglichkeiten der Einführung im Betrieb und dessen Nutzen. Bei konkretem Beratungs- und Eingliederungsbedarf von Beschäftigten klären sie gemeinsam mit den Ko-operationspartnern (Reha-Zentren oder Berufsförderungswerke) den Rehabilitationsbedarf. Standardisierte Interviews erfassen bei allen Arbeitgeberkontakten die aktuellen Problemla-gen sowie die Erwartungshaltung gegenüber Rehabilitationsträgern.

Gestützt auf die Erfahrungen aus der Beratungspraxis werden in Zusammenarbeit mit den Gemeinsamen Servicestellen für Rehabilitation arbeitgeberorientierte Beratungsmodule entwickelt. Darüber hinaus werden verbindliche Verfahren für den Umgang mit Eingliede-rungsfällen vereinbart und institutionalisiert.

Die kooperierenden Reha-Kliniken und Berufsförderungswerke führen bei eingliederungs-bedürftigen Beschäftigten mit deren Einwilligung sozialmedizinische Assessments durch. Nach Abschluss dieser Assessments entscheiden Berater, Beschäftigter und die übrigen Beteiligten in einem Beratungsgespräch über das weitere Vorgehen, insbesondere über mögliche Veränderungen am Arbeitsplatz und die Einleitung spezieller Rehabilitationsleis-tungen.

Die Zusammenarbeit zwischen Rehabilitationsträger und Fallmanagement der Krankenkas-sen ist im Modellprojekt intensiviert worden um erkrankten Versicherten schneller den Weg zurück in den Erwerbsprozess zu ebenen. Auswirkungen zwischen AU-Zeiten und Einglie-derungsmanagement wurden untersucht.

Zusammenfassung Mit dem Modellprojekt "Integratives Beratungsnetzwerk Betriebliches Eingliederungsmana-gement" schafft die Deutschen Rentenversicherung Bund die praktischen Voraussetzungen für arbeitgebernahe Beratung und Hilfe bei Ein- und Durchführung von BEM. Vor allem die Beteiligung der Gemeinsamen Servicestellen für Rehabilitation und die Kooperation von Rehabilitationsträgern und Leistungserbringern wird in der Zukunft für ortsnahe und vernetz-te Hilfsangebote sorgen.

Literatur Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) (2009): Veranstaltungsbericht: Betriebli-

ches Eingliederungsmanagement - Ein Erfolgskonzept für Unternehmen. URL: http://www.bmas.de/portal/31724/2009__03__13__veranstaltung__betriebliches__eingliederungsmanagement.html. Abruf: 06.01.2010.

Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) (2007): Abschlussbericht über das Modellprojekt "Regionale Initiative Betriebliches Eingliederungsmanagement" der Deutschen Rentenversicherung Bund. URL: http://www.deutsche-rentenversicherung-bund.de/nn_10064/SharedDocs/de/Inhalt/Zielgruppen/02__arbeitgeber__steuerberater/07__betriebliche__eingliederung/regionale__initiave.html. Abruf: 06.01.2010.

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Niehaus, M., Magin, J., Marfels, B., Vater, G., Werkstätter, E. (2008): Betriebliches Einglie-derungsmanagement. Studie zur Umsetzung des Betrieblichen Eingliederungsmanage-ments nach § 84 Abs. 2 SGB IX. Köln. URL: http://www.bmas.de/portal/25370/f374__for-schungsbericht.html.

Lawall, C., Lewerenz, M., Muschalla, B. (2008): Wie organisieren Arbeitgeber betriebliches Eingliederungsmanagement und welche Hilfe erwarten sie von Rehabilitationsträgern?. RVaktuell. 55.

Schinkel, S. (2007): Betriebliches Eingliederungsmanagement - Eine Chance für Betrieb und Arbeitnehmer. RVaktuell. 102.

Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) in Klein- und Mittelbetrieben, insbesondere des Handwerks - Rechtliche

Anforderungen und Voraussetzungen ihrer erfolgreichen Umsetzung

Welti, F., Mahnke, C., Tauscher, A. Hochschule Neubrandenburg

Hintergrund und Zweck der Untersuchung Durch § 84 Abs. 2 SGB IX sind Arbeitgeber verpflichtet, für alle Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres insgesamt länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt sind, ein Betriebli-ches Eingliederungsmanagement (BEM) durchzuführen, um das Arbeitsverhältnis präventiv zu sichern. Besonders schwierig gestaltet sich die Einführung des Betrieblichen Eingliede-rungsmanagements in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) (Niehaus et. al., 2008). Dort besteht fast nie eine Schwerbehindertenvertretung, häufig auch kein Betriebsrat, gleichwohl gilt die gesetzliche Verpflichtung auch für sie (LAG). Die rechtlichen, gesund-heitsökonomischen (Emmert et. al., 2009) und psychologischen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung von BEM in kleinen und mittleren Unternehmen insbesondere des Handwerks sollen näher erforscht werden, um weitere Forschungs- und Umsetzungsschritte zu ermöglichen.

Methodik Die Datenerhebung der Experteninterviews wurde durch leitfadengestützte qualitative Inter-views (n = 30) vorgenommen, die mit Hilfe von MAXQDA ausgewertet wurden. Es wurden außerbetriebliche Akteure befragt (n = 13), d. h. Sozialleistungsträger (Rentenversicherung, Krankenversicherung, Unfallversicherung, Integrationsamt, Integrationsfachdienst) sowie Leistungserbringer (Berufsförderungswerke, ambulante und stationäre Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation), weiterhin betriebliche Akteure (n = 17): Arbeitgeber kleinerer und mittlerer Handwerksbetriebe und ambulanter Pflegeeinrichtungen, erkrankte Arbeitneh-mern, Betriebsärzte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit sowie betriebliche Interessenvertreter (Betriebsrat, Mitarbeitervertretung und Schwerbehindertenvertretung).

Ergebnisse Das BEM ist auch fünf Jahre nach seiner Einführung noch weitgehend unbekannt. Deutlich wird der geringe Kenntnisstand kleinerer und mittlerer Unternehmen. Die vom Gesetzgeber

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vorgesehenen Boni und Prämien für das BEM scheinen gerade für KMU keine Besserung zu versprechen. Finanzielle Anreize werden zwar positiv aufgenommen, sind jedoch nicht die auslösenden Motive zur Einführung eines BEM. Dagegen wird zunehmend das Problem des Fachkräftemangels und der demografischen Entwicklung deutlich. Gerade bei KMU sind die Qualifikation und das jahrelang gewachsene Vertrauen in die bestehende Zusammenar-beit entscheidende Motive, um Beschäftigte im Unternehmen zu behalten und nach längerer Krankheit wieder zu integrieren. Fehlende Arbeitsplatz-Alternativen stellen jedoch bei Klein-unternehmen ein gravierendes Problem bei der Umsetzung von BEM dar, da der Arbeits-platzerhalt leistungsgewandelter Mitarbeiter oft nicht erreicht werden kann. Arbeitgeber der KMU erwarten nicht zwangsläufig einen erheblichen Mehraufwand, um ein BEM tatsächlich durchzuführen, vorausgesetzt ihnen sind die notwendigen Informationen zugänglich und sie haben in der Praxis einen konkreten Ansprechpartner. Der Nutzen von BEM ergibt sich aus dem Erhalt der Arbeitskraft sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber.

Datenschutz ist ein zentrales Thema bei der Durchführung von BEM. In KMU ist dem Ar-beitgeber die Krankheitsdiagnose aufgrund kurzer Kommunikationswege häufig bekannt. Er fühlt sich moralisch verpflichtet, etwas für den Erhalt der Gesundheit seiner Mitarbeiter zu tun. In Abhängigkeit von der Art der Erkrankung gehen Arbeitnehmer in einem vertrauens-vollen Betriebsklima offen damit um. Stark schambesetzt sind jedoch Sucht- und psychische Erkrankungen.

Diskussion Es gibt keinen Konsens darüber, dass Arbeitgeber eine Belohnung dafür erhalten sollten, dass sie ihrem gesetzlichem Auftrag nachkommen. Problematisch wäre eine gerechte Ver-teilung von Boni bei unterschiedlichen Voraussetzungen der Betriebe aufgrund Betriebsgrö-ße und interner Strukturen. Kleine Unternehmen haben keine hilfreichen innerbetrieblichen Strukturen wie Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung. Ihnen fehlt zudem eigene ar-beitsmedizinische Kompetenz. Sie sind auf externe Hilfe angewiesen. Der Ausbau von Be-ratungsangeboten für KMU ist sinnvoll und erwünscht. Unter dem starken Kostendruck leis-ten sich diese jedoch keine kostenintensive externe Beratung.

Schlussfolgerungen, Umsetzung und Ausblick Nur in einem vertrauensvollen Betriebsklima lässt sich BEM wirklich umsetzen. Um KMU entsprechende externe Hilfe anzubieten, erwarten Sozialleistungsträger einen erhöhten Be-ratungsaufwand.

Zu prüfen sind externe Beratungs-Modelle, auf die KMU im Bedarfsfalle kostengünstig zu-rückgreifen können. Chancen können zukünftig in der Erweiterung der Beratungsmöglichkei-ten bis hin zum gesetzlich vorgesehenen Fallmanagement von Sozialleistungsträgern selbst liegen (gemeinsame Servicestellen; Welti, 2008), wie auch in spezifischen Initiativen, die das Handwerk unterstützen.

Literatur BGW (2007): Konzept- und Kompetenzentwicklung zum betrieblichen Eingliederungsmana-

gement- Gestaltung von Aufgaben und Rollen betrieblicher und überbetrieblicher Akteure. Hamburg.

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Emmert, M., Schöffski, O., Fassmann, H. (2009): Rentiert sich das Betriebliche Eingliede-rungsmanagement für ein Unternehmen? Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanage-ment, 14. 59-61.

Niehaus, M., Magin, J., Marfels, B., Vater, E.G., Werkstetter, E. (2008): Betriebliches Ein-gliederungsmanagement. Studie für das BMAS; BMAS-Forschungsbericht 374.

Welti, F. (2008): Die Aufgaben und Pflichten der Sozialleistungsträger. Soziale Sicherheit, 4. 125-129.

Gemeinsame deutsche Arbeitsschutzstrategie als integratives Instrument der betrieblichen Gesundheits- und Rehabilitationspolitik

Kohte, W. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Einleitung Die seit 2008 durch § 20 a ArbSchG eingeführte gemeinsame deutsche Arbeitsschutzstra-tegie (GDA) kann auch die Integration behinderter Menschen fördern, weil eine zielorientier-te betriebliche Präventionspolitik für betriebliches Eingliederungs- und Gesundheitsmana-gement einen klaren Handlungsrahmen setzt und den betrieblichen Akteuren überbetriebli-che Unterstützung vermitteln kann (Kohte, 2009a, § 290 Rn. 116 ff). Es ist daher auch sachlich geboten, dass Rehabilitationsträger in diesem Prozess eine wichtige Rolle spielen. So gehören die Unfallversicherungsträger zur Nationalen Arbeitsschutzkonferenz, die Kran-ken- und Rentenversicherungsträger sowie "Einrichtungen, die der Beschäftigungsfähigkeit dienen", zum Arbeitsschutzforum nach § 20 b Abs. 3 ArbSchG.

Gefährdungsbeurteilung und Integration behinderter Menschen Zu den ersten Maßnahmen der GDA gehört die Förderung einer systematischen Gefähr-dungsbeurteilung durch einen einheitlichen Handlungsleitfaden, der für alle Beteiligten im Internet zugänglich ist (www.baua.de). Danach sind auch die Gefährdungen und Maßnah-men zum Schutz besonderer Beschäftigtengruppen zu ermitteln; als eine spezielle Gruppe nennt der Leitfaden die "behinderten Menschen". Wird diese Gruppe nicht berücksichtigt, sollen Aufsichtspersonen die Gefährdungsbeurteilung beanstanden und eine Überarbeitung verlangen. Damit wird § 4 Nr. 6 ArbSchG konkretisiert.

Nach dieser Norm sind bei der Planung und Festlegung der Maßnahmen des Arbeitsschut-zes spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen zu berücksich-tigen. Damit wird nicht vorrangig auf individuelle Prävention, sondern in einem gruppenori-entierten Ansatz auf eine betriebliche Verhältnisprävention gesetzt. So bedeutet der syste-matische und rechtzeitige Einsatz von Hebehilfen sowohl eine individuelle behinderungs-kompensierende Maßnahme als auch einen generellen präventiven Schutz. Eine optimierte Beleuchtung des Arbeitsplatzes bewirkt generellen präventiven Unfallschutz, verbessert a-ber zugleich die Teilhabemöglichkeiten von Beschäftigten mit Sehstörungen. Auch für die Beachtung der Grundsätze der Software-Ergonomie ist eine solche Doppelwirkung aner-kannt (Revermann, Gerlinger, 2009, S. 180). Deutlich wird dieser Zusammenhang auch in

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der Entschließung des Rates vom 25.06.2007 zur Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2007 - 2012:

"2 f) Arbeitsplätze müssen so gestaltet werden, dass die Beschäftigungsfähigkeit der Arbeit-nehmer während ihres gesamten Berufslebens erhalten bleibt. Zugleich sollten die Arbeits-plätze auf die individuellen Bedürfnisse älterer und behinderter Arbeitnehmer zugeschnitten sein".

Betriebliches Eingliederungsmanagement und Arbeitsschutzstrategie Eine so verstandene Gefährdungsbeurteilung dient vorrangig dem "universellen Design" der Arbeitsumgebung, das offen für die Ergänzung durch "assistive Technologien" ist. In der be-trieblichen Praxis sind solche Beurteilungen noch selten. Eine Chance für Änderungen wird vor allem durch das Betriebliche Eingliederungsmanagement vermittelt, mit dem in einem organisierten Suchverfahren Ursachen längerer Arbeitsunfähigkeit und Maßnahmen zur Ü-berwindung ermittelt werden (Faber, 2008, 130). Bei den häufig den Anlass für ein BEM bie-tenden Rückenerkrankungen ist dann eine systematische Gefährdungsbeurteilung geboten, die sowohl generelle als auch individuelle Hebehilfen vermitteln kann (Kohte, 2009b, S. 385). Dabei können alle Beteiligten auf die entsprechenden Handlungshilfen der GDA zu-rückgreifen; die innerbetrieblich beteiligten Vertrauenspersonen der Schwerbehinderten können nach § 99 SGB IX mit den betrieblichen Arbeitsschutzexperten zusammenarbeiten, den Kontakt zu den Rehabilitationsträgern herstellen und deren Sachkunde für den Betrieb nutzbar machen (Düwell, 2009, § 20 VI). Der Handlungsrahmen der GDA kann allen Betei-ligten diese Arbeit erleichtern.

Literatur Düwell (2009): Kollektive Vertretung und Beauftragter des Arbeitgebers in Deinert/Neumann

(Hrsg.), Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. 2. Aufl., Nomos, Baden-Baden.

Faber (2008): Was Betriebe für Langzeitkranke tun müssen. SozSich, 130 ff. Kohte (2009a): Kodifikation der gemeinsamen deutschen Arbeitsschutzstrategie, in Richar-

di/Wlotzke/Wißmann/Oetker (Hrsg.), Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 3. Aufl. § 290 Rn. 116 ff.

Kohte (2009b): Krankheitsbedingte Kündigung und BEM, AiB 2009. 385 ff Revermann, Gerlinger (2009): Chancen und Perspektiven behinderungskompensierender

Technologien am Arbeitsplatz. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag.

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Betriebliches Gesundheitsmanagement (Poster)

Betriebliches Eingliederungsmanagement effektiv implementieren: Ein Qualifizierungsangebot für Fach- und Führungskräfte

Paridon, C.M. (1), Buchmann, A. (2), Bochmann, C. (1) (1) Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, Dresden,

(2) Verwaltungsberufsgenossenschaft, Dresden

Hintergrund Ist ein Beschäftigter länger als sechs Wochen innerhalb eines Jahres krank, muss der Ar-beitgeber ein "Betriebliches Eingliederungsmanagement" anbieten. Mit ihm sollen Möglich-keiten aufgezeigt werden, wie der Arbeitsplatz erhalten werden kann. So sieht es § 84 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) seit 2004 vor.

Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und ihr Spitzenverband haben breit gefä-cherte Angebote entwickelt, um die Unternehmen beim Eingliederungsmanagement zu un-terstützen. Dazu gehört auch ein dreitägiges Qualifizierungsangebot, das das Institut Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung in Dresden 2008 als Pilot-seminar unter dem Titel "Betriebliches Eingliederungsmanagement: Gezielt beraten, effektiv unterstützen" erfolgreich durchgeführt hat.

Das Seminar vermittelt Kenntnisse und Handlungskompetenzen, mit denen die Teilnehmer gezielt die Umsetzung des Eingliederungsmanagements in ihren Unternehmen initiieren und begleiten können. Grundannahme dabei ist, dass ein Eingliederungsmanagement sinnvoll nur dann durchgeführt werden kann, wenn zwischen Arbeitgeber und Beschäftigtem die Be-reitschaft zur vertrauensvollen Zusammenarbeit besteht (Paridon, 2009).

Methodik Das Pilotseminar fand an drei Tagen (16 Lehreinheiten á 45 Minuten) mit zehn Teilnehmern statt. Beide Dozenten waren im Teamteaching eingesetzt, so dass sich rechnerisch ein Ver-hältnis von einem Dozenten auf fünf Teilnehmer ergab und damit eine intensive inhaltliche Auseinandersetzung gewährleistet war.

Nach einer Erwartungsabfrage bei den Teilnehmern wurde ein Methodenmix aus Vortrag, Unterrichtsgespräch, Diskussion, Bearbeitung von Fallbeispielen (auch von den Teilneh-mern beigesteuerte) und Kleingruppenarbeit angewandt.

Inhalte des Pilotseminars waren Grundlagen, Ziele und Hintergründe sowie rechtliche Rah-menbedingungen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements, die spezifischen Aufga-ben, Rechte und Pflichten der beteiligten Akteure, Fragen der Implementierung im Betrieb, Instrumente wie Integrationsvereinbarung und Betriebsvereinbarung sowie Fragen des Da-tenschutzes (vgl. für 2010 BGAG, 2009). Damit die Teilnehmer für ihre Unternehmen be-darfsgerechte Lösungen entwickeln konnten, wurden pragmatische Möglichkeiten des He-rangehens erörtert sowie Gesprächssituationen eingeübt (Wiesner, Wolter, 2005).

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Die Veranstaltung wurde in einer abschließenden Gesprächsrunde und mit einem struktu-rierten Fragebogen evaluiert.

Ergebnisse In der Evaluation wurde u. a. die Teilnehmereinschätzung zur allgemeinen Zufriedenheit mit der Veranstaltung, zu Lerninhalten, Lernunterstützung, Lernklima und zur Veranstaltungsor-ganisation abgefragt. Diese fünf Globalwerte wurden entsprechend einer Schulnotenskala erhoben und mit Mittelwerten zwischen 1,3 und 1,9 beurteilt.

Die besondere Praxisnähe des Seminars wurde sowohl in den Freitextfeldern der Fragebö-gen hervorgehoben als auch durch folgende Zahlen aus der Fragebogenauswertung belegt:

Fragestellung Mittelwert Ich kann das Gelernte auch praktisch umsetzen. 1,8 Die verwendeten Beispiele waren anschaulich. 1,7 Meine beruflichen Aufgaben und Probleme wurden berücksichtigt. 2,1 Meinungen und Erfahrungen der Teilnehmer wurden berücksichtigt. 1,3

∅ 1,725

Ausblick Die positive Teilnehmerrückmeldung hat den Veranstalter darin bestärkt, das Seminar in seinem Programm "Bildungsangebote für Betriebliche Fach- und Führungskräfte zu Sicher-heit und Gesundheitsschutz" auch in den Jahren 2009 und 2010 anzubieten.

Literatur BGAG - Institut Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung

(2009): Bildungsangebote für Betriebliche Fach- und Führungskräfte zu Sicherheit und Gesundheitsschutz 2010. Dresden.

Hahn, W., Baumeister, P. (Hrsg.) (2008): Betriebliches Eingliederungsmanagement im Un-ternehmen - Rechtsfragen, Praxis, Weiterbildung. Berlin.

Paridon, C.M. (2009): Betriebliches Eingliederungsmanagement und Unfallversicherung im aktivierenden Wohlfahrtsstaat. St. Augustin.

Wiesner, G., Wolter, A. (Hrsg.) (2005): Die lernende Gesellschaft. Lernkulturen und Kompe-tenzentwicklung in der Wissensgesellschaft. Weinheim und München.

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Sozialmedizin

Selbsteinschätzungsbogen zum Leistungsantrag: Überprüfung der Verständlichkeit mit der Fokusgruppen-Methode

Zwingmann, C. (1), Gehrke, J. (2) (1) Prognos AG, Düsseldorf, (2) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Einleitung Die Deutsche Rentenversicherung hat einen einheitlichen Selbsteinschätzungsbogen entwi-ckelt, der die zuvor verwendeten, träger- und antragsspezifischen Bögen ersetzen soll (Deutsche Rentenversicherung, 2007). Der Selbsteinschätzungsbogen soll gleichermaßen bei Antragstellern auf medizinische Rehabilitation, auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeits-leben (LTA) und auf Rente wegen Erwerbsminderung (EM) eingesetzt werden. Die Versi-cherten können sich so frühzeitig im jeweiligen Antragsverfahren zu ihrer Leistungsfähigkeit und zu relevanten Kontextfaktoren äußern. Im Selbsteinschätzungsbogen werden auf zwei Seiten etwa 15 Sachverhalte angesprochen, und zwar überwiegend mit offenen Fragen, bei denen eine freitextliche Beantwortung durch die Versicherten vorgesehen ist.

Fragestellung Vor seinem Einsatz in der Routine wurde der Selbsteinschätzungsbogen auf seine Ver-ständlichkeit hin untersucht. Die Überprüfung wurde qualitativ auf der Basis von sechs an-tragsspezifischen Fokusgruppen durchgeführt. Auf der Grundlage der dabei gesammelten Erfahrungen sollte außerdem beurteilt werden, inwieweit sich die Fokusgruppen-Methode zur Untersuchung von Formularen der Rentenversicherung eignet.

Methode Insgesamt fanden sechs antragsspezifische Fokusgruppen mit jeweils 5-10 Teilnehmenden statt, drei in der Region Baden-Württemberg, drei im Rheinland. Von den insgesamt 39 teil-nehmenden Personen (davon 21 Frauen) hatten 16 einen Antrag auf medizinische Rehabili-tation, 12 auf LTA und 11 auf EM-Rente gestellt. LTA-Antragsteller und Antragsteller auf medizinische Rehabilitation hatten erwartungsgemäß ein geringeres Durchschnittsalter als EM-Rentenantragsteller (43/45 vs. 53 Jahre). Hinsichtlich des Schulabschlusses hatten 17 Teilnehmer einen Hauptschulabschluss, 14 einen Realschulabschluss und lediglich 4 einen Hochschulabschluss. Insgesamt 8 Personen hatten einen Migrationshintergrund.

Die Fokusgruppen liefen folgendermaßen ab: Nach einer Vorstellungsrunde füllte jeder Teil-nehmer den Selbsteinschätzungsbogen für sich aus. Als Einstieg in die Diskussion wurden die Teilnehmer nach ihrem ersten Eindruck sowie aufgetretenen Schwierigkeiten bei der Beantwortung gefragt. Außerdem wurden das Layout, das Selbsteinschätzungs-Angebot und die Bezeichnung "Selbsteinschätzungsbogen" thematisiert. Anschließend wurden jede einzelne Frage und ihre Bestandteile detailliert auf Verständlichkeit und auf möglicherweise unbemerkte Missverständnisse überprüft. Am Ende der Diskussion wurden einige abschlie-

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ßende Einschätzungen abgefragt, etwa zum Selbsteinschätzungs-Angebot und zur Voll-ständigkeit des Bogens.

Die Gespräche aller sechs Fokusgruppen wurden über Mitschriften und Tonbandaufzeich-nungen protokolliert. Für die Auswertung wurde auf einem mittleren Detaillierungsniveau ei-ne strukturierte und kategorisierte Zusammenfassung der Protokolle erstellt. Die Anmerkun-gen wurden nach Anzahl der Nennungen (je Gruppe eine Wertung) sortiert und anschlie-ßend verschiedenen Kategorien zugeordnet. Die Zusammenfassungen und Kategorisierun-gen der Gesprächsinhalte wurden jeweils von zwei unabhängigen Personen vorgenommen, anschließend miteinander verglichen und harmonisiert. Die Arbeitsergebnisse wurden au-ßerdem von einer dritten Person kritisch geprüft.

Ergebnisse und Schlussfolgerung Im Ergebnis zeigt sich, dass der Selbsteinschätzungsbogen grundsätzlich positiv aufge-nommen wird. Die befragten Antragsteller empfinden die Möglichkeit zur Eigeneinschätzung und -darstellung als sinnvoll und bewerten die Fragen insgesamt als verständlich und gut formuliert. Es treten jedoch bei einigen Items teilweise erhebliche Verständnisschwierigkei-ten auf. Um diese Probleme zu minimieren, wurden verschiedene Überarbeitungsvorschläge entwickelt (Zwingmann et al., 2009). Diese wurden dem Bereich Sozialmedizin der Deut-schen Rentenversicherung Bund vorgestellt und erläutert. Wesentliche Überarbeitungsvor-schläge wurden vom Bereich Sozialmedizin übernommen, teilweise wurden noch weitere Modifikationen vorgenommen, teilweise wurde die originäre Frageformulierung beibehalten.

Besondere Schwierigkeiten hatten LTA-Antragsteller und EM-Rentenantragsteller. Mehrere Fragen waren für sie aufgrund ihrer speziellen Situation nicht eindeutig zu beantworten. Im Sinne einer weiter optimierten Versichertenorientierung könnte deshalb auch erwogen wer-den, für jede Antragsart einen separaten Bogen vorzusehen. Weil aber die Reduzierung der Anzahl unterschiedlicher Antragsformulare ebenfalls ein zentrales Ziel darstellt, kann die nun überarbeitete Version als gute Kompromisslösung gelten.

Hinsichtlich der qualitativen Vorgehensweise kann konstatiert werden, dass sich die Fokus-gruppen-Methode zur Überprüfung der Verständlichkeit eines Fragebogens bzw. Formulars bewährt hat. Die Teilnehmer zeigten eine intensive Auseinandersetzung und nahmen enga-giert an der Diskussion teil. Es wurde eine gute Tiefe und Differenziertheit der Antworten er-zielt.

Literatur Deutsche Rentenversicherung (Hrsg.) (2007): Selbstauskunftsbogen zum Leistungsantrag.

Abschlussbericht der Projektgruppe "Selbstauskunftsbogen zum Leistungsantrag" (PGSELBST). Berlin: Herausgeber.

Zwingmann, C., Zweers, U., Knittel, T., Czock, H. (2009): Endbericht: Forschungsprojekt "Selbsteinschätzungsbogen zum Leistungsantrag". Düsseldorf/Basel: Prognos AG.

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Subjektive Rentenbedürftigkeit: Zusammenhang mit objektiven sozialmedizinischen Daten und klinischen Skalen

Schneider, J. MediClin Reha-Zentrum am Hahnberg, Bad Wildungen Reinhardshausen

Einleitung Patienten mit laufendem Rentenverfahren stellen einen Teil des Klientels in stationärer me-dizinischer Rehabilitation dar. Studien zeigen, dass die Variable ‚Rentenbegehren’ ein wich-tiger Prädiktor für den Erfolg oder Misserfolg einer stationären Maßnahme ist (Sandweg et al., 2001). Nach einem Modell von Plassmann und Färber (1995) zur Rentenentwicklung ist der Rentenantrag als Endstrecke eines lang andauernden Chronifizierungsprozesses zu se-hen. Ziel muss daher sein, zum einen "Risikopatienten" frühzeitig zu identifizieren und zum anderen die Patienten zu erkennen, bei denen ein Rentenantrag noch zu verhindern ist. Die Studie geht der Frage nach, inwiefern die "Rentenbedürftigkeit" hierfür ein relevanter Marker sein könnte.

Patientengut und Methode Es wurden Daten von mehr als 5.000 Patienten analysiert, die in den letzten Jahren im Me-diClin Reha-Zentrum an einer stationären psychosomatischen Rehabilitation teilnahmen. Die Rentenbedürftigkeit wurde mittels eines fünfstufigen Ratings erhoben (keine, ein wenig, mittel, stark, sehr stark). Mittels parametrischer und non-parametrisher Verfahren wurde der Zusammenhang der Rentenbedürftigkeit mit Variablen wie Rentenantragstellung, Arbeitsun-fähigkeitszeiten und Chronifizierung sowie mit Angaben z. B. zur Depressivität, Motivation oder Selbstwirksamkeit analysiert.

Ergebnisse Etwa zehn Prozent der Patienten haben bereits einen Rentenantrag gestellt, bevor sie zur Rehabilitation kommen. Weitere sechs Prozent berichten, einen Antrag stellen zu wollen. Diese Gruppe erlebt sich überwiegend als stark bzw. sehr stark rentenbedürftig und würde nur bei der Frage nach expliziter Rentenantragstellung nicht erfasst werden.

Die Analysen zeigen weiterhin, dass das fünfstufige Rating zur Rentenbedürftigkeit einen klaren Zusammenhang mit verschiedenen klinischen Maßen wie z. B. Depressivität, Selbst-wirksamkeit oder schmerzbedingter Beeinträchtigung aufweist.

Eine Gruppe von ca. zehn Prozent berichtet von einer Verschlechterung der Rentenbedürf-tigkeit, etwas über zwanzig Prozent berichten eine Verbesserung. Diese Gruppen sollen noch näher exploriert werden.

Diskussion Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass das Rating "Rentenbedürftigkeit" ein sensibler Marker für den sozialmedizinischen Status und die erlebte Beeinträchtigung ist. Bei einem geringen Teil der Patienten gelingt es innerhalb eines sechswöchigen stationären Reha-Aufenthaltes hierin Verbesserungen zu erzielen. In Katamnesestudien könnte der Frage nachgegangen werden, ob die Rentenbedürftigkeit einen langfristigen prognostischen Wert hat.

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Literatur Plassmann, R., Färber, K. (1995): Rentenentwicklung bei psychosomatisch Kranken. Die

Rehabilitation, 34. 23-27. Sandweg, R., Bernardy, K., Riedel, H. (2001): Prädiktoren des Behandlungserfolges in der

stationären psychosomatischen Rehabilitation muskuloskeletaler Erkrankungen. Psycho-therapie, Psychosomatik und medizinische Psychologie, 51. 394-402.

Beurteilung der kognitiven Leistungsfähigkeit nach SHT unter Berücksichtigung exogener Einflussfaktoren im Gutachten-Verfahren

Walk, H.-H., Wehking, E. Klinik am Rosengarten, Bad Oeynhausen

Einleitung Die Beurteilung der kognitiven Leistungsfähigkeit ist trotz neuropsychologischer Testverfah-ren schwierig und unterliegt exogenen Einflussfaktoren (Merten, 2004).

Methodik Prospektiv wurde ab dem 01.01.2008 bei allen Gutachten-Probanden, mit in der Bildgebung gesicherter Hirnkontusion, die CDT bestimmt. Zusätzlich erfolgte ein Drogenscreening im Urin (Opiate, Methadon, Cocain, Amphetamine, Cannabinoide, Barbiturate, Benzodiazepi-ne). Der Befund wurde nur positiv bewertet, wenn er sich auch chromatographisch bestäti-gen ließ. Es sollte ein cMRT mit Kontrastmittel nicht älter als 3 Monate vorliegen.

Nach Anamnese und Untersuchung schätzten die Gutachter vor Eingang der Laboranalysen schriftlich ein, ob ein illegaler Drogenkonsum oder ein übermäßiger Alkoholkonsum vorlie-gen könnte.

Patientengut Es wurden bis jetzt 53 Patienten untersucht (42 Männer, 11 Frauen), der Altersdurchschnitt betrug bei den Frauen 46,6 Jahre, bei den Männern 38,8 Jahre.

Ergebnisse In 7 Fällen (13,2 %) konnte illegale Drogen nachgewiesen werden, dabei handelt es sich in 100 % der Fälle um Cannabis. Die Drogen konnten nur bei Männern im Alter von 20-41 Jah-re nachgewiesen werden. Bei einem Mann (1,8 %) konnte ein erhöhter Alkoholkonsum fest-gestellt werden. In 41 Fällen (77,4 %) wurde der Nachweis von Alkohol oder Drogen korerkt negativ eingeschätzt. In 4 Fällen (7,6 %) war die Einschätzung korrekt positiv.

In 4 Fällen (7,6 %) war die Einschätzung falsch negativ und in ebenfalls 4 Fällen (7,6 %) falsch positiv.

Eine entsprechende Kernspintomographie lag nur in 50 der 53 Fälle vor. In 3 Fällen (6 %) fand sich kernspintomographisch der Hinweis auf eine zusätzliche cerebrale Durchblutungs-störung.

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Diskussion Trotz kritischem Augenmerk der Gutachter hinsichtlich eines Substanzmissbrauches, ist die klinische Einschätzung wenig valide, so werden hier ohne Laboruntersuchung nur 50 % der Fälle herausgefiltert.

In unserer Untersuchung war in 13 % der Fälle Cannabis nachweisbar, andere Drogen wie Opiate, Methadon, Amphetamine, Barbiturate oder Benzodiazepine waren nicht nachweis-bar. Dies deckt sich ungefähr mit den Ergebnissen der Drogensurveys von 2003 und 2006 (Kraus et al., 2008), in dem bei illegalen Drogen überwiegend Cannabis konsumiert wird und nur in einem verschwindend kleinen Anteil andere Drogen. Hinsichtlich der Altersverteilung und der Geschlechtsverteilung stimmen unsere Ergebnisse damit ebenfalls gut überein. Männer konsumieren deutlich häufiger als Frauen Cannabis, am häufigsten konsumieren Männer im Alter von 19-39 Jahren diese Droge.

Die Häufigkeit des Nachweises in den letzten 30 Tagen lagen nach dem Drogensurvey 2006 bei 9,2 %, die höhere Rate lässt sich bei uns möglicherweise durch den höheren Anteil Männern bzw. auch aufgrund des jüngeren Lebensalter, bei dem ein erhöhter Konsum be-steht, erklären. Der Anteil an Probanden, welche einen gefährlichen Alkoholkonsum / Hoch-konsum nachgehen (> 80 g/ Tag Reinalkohol bei Männern) liegt im Drogensurveys zwi-schen 2,6 % und 2,8 % (Pabst et al., 2008), wobei Männer hier auch häufiger betroffen sind als Frauen. Dies deckt sich ungefähr auch mit dem Prozentsatz, welcher in unserer Studie erhoben wurde.

Zusätzliche Durchblutungsstörungen des Gehirns wurden bei 6 % der Probanden festge-stellt, wobei - wie bei vaskulären Erkrankungen zu erwarten - hier das Lebensalter deutlich höher war mit 52-68 Jahren.

Die durchgeführten Zusatzuntersuchungen bedingen zusätzliche Kosten. Durch die Identifi-zierung von Probanden mit Substanzmissbrauch, kann durch entsprechende Maßnahmen das neuropsychologische Leistungsvermögen gebessert werden.

Durch entsprechende Diagnostik und Prophylaxe bei cerebralen Durchblutungsstörungen wird einer zusätzlichen Leistungsminderung vorgebeugt.

Fazit Die Gutachtereinschätzung, ob neuropsychologische Defizite zusätzlich durch einen Sub-stanzmittelmissbrauch beeinflusst werden, ist wenig valide, Aussagen - wie glaubhaft ver-neint - sind hier nicht ausreichend. Nach unserer Meinung ist es angezeigt, bei Männern im Alter bis 40 Jahren eine Untersuchung auf Cannabinoide im Urin durchzuführen. Bei Pro-banden über 50 Jahre sollte zusätzlich eine Kernspintomographie mit Kontrastmittel durch-geführt werden, um unfallunabhängige Hirndurchblutungsstörungen erkennen zu können.

Literatur Kraus, L., Pfeiffer-Gorschel, T., Pabst, A. (2008): Cannabis und andere illegale Drogen:

Prävalenz, Konsummuster und Trends. Ergebnisse des Drogensurveys 2006. Sucht, Suppl. 16-25.

Merten, T. (2004): Neuropsychologische Begutachtung und die Untersuchung einer ange-messenen Leistungsmotivation. Med Sach, 3. 154-157.

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Pabst, A., Kraus, L. (2008): Alkoholkonsum, alkoholbezogene Störungen und Trends. Er-gebnisse des Drogensurveys 2006. Sucht, Suppl. 36-46.

Effekt einer strukturierten Vorgabe bei der sozialmedizinischen Beurteilung auf die Zufriedenheit, die Depressivität und das

Schmerzempfinden bei chronischen Schmerzpatienten

Sohr, G. (1), Holme, M. (1), Basler, H.-D. (2) (1) Rehazentrum Bad Pyrmont - Klinik Weser, (2) Philipps-Universität Marburg

Problemstellung Die Erwartungen an die Rehabilitation sind bei Kostenträgern und Rehabilitanden häufig nicht deckungsgleich. Während die Kostenträger eine Wiedereingliederung in das Berufsle-ben erwarten, erhoffen sich viele Patienten nach der Rehabilitationsmaßnahme eine berufli-che Entlastung oder sogar eine Berentung (Cibis, 2003). Eine entscheidende Weichenstel-lung erfolgt durch die am Ende der Rehabilitation stehende sozialmedizinische Beurteilung der Leistungsfähigkeit (Hausotter, 2002). Entspricht diese Beurteilung nicht den Erwartun-gen der Patienten oder ist die Beurteilung durch die Patienten nicht nachvollziehbar, ent-steht Unzufriedenheit. Auf der anderen Seite gilt aber die Patientenzufriedenheit als Erfolgs-kriterium für eine medizinische Maßnahme (Reibe, 2001; Rychlik, 1999; Satzinger, 2002). Ziel der vorliegenden Studie ist es zu überprüfen, ob durch eine Standardisierung des sozi-almedizinischen Verfahrens der Beurteilung die Patientenzufriedenheit verbessert werden kann. Weitere Ziele bestehen darin zu untersuchen, ob sich das Beurteilungsverfahren auch auf das Schmerzerleben, die Depressivität und die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit aus-wirkt.

Methode Der Studie liegt ein zweifaktorielles varianzanalytisches Design zugrunde. Faktor 1 als Gruppenfaktor ist zweistufig und bezieht sich auf eine Variation der Bedingungen der Be-gutachtung: In der Kontrollgruppe findet eine herkömmliche Beurteilung statt, in der Ver-suchsgruppe hingegen eine standardisierte Beurteilung nach einem vorab entwickelten schriftlichen Leitfaden. Die Zuweisung zu Versuchs- und Kontrollgruppe erfolgt nicht rando-misiert in zeitlicher Sequenz. Faktor 2 als Zeitfaktor ist dreifach gestuft und bezieht sich auf die Messzeitpunkte t1 = Beginn der Rehabilitationsmaßnahme, t2 = Ende der Rehabilitati-onsmaßnahme und t3 = ein halbes Jahr nach Beendigung der Rehabilitationsmaßnahme. Zu allen drei Messzeitpunkten werden die folgenden Variablen erhoben: (1) Depressivität mit dem Beck-Depressionsinventar, (2) Schmerzerleben mit der Schmerzempfindungsskala und (3) Einschätzung der Arbeitsfähigkeit. Zum zweiten Messzeitpunkt wird außerdem ein selbstentwickelter Fragebogen zur Patientenzufriedenheit mit der sozialmedizinischen Beur-teilung eingesetzt. Insgesamt werden Daten von 366 Patienten mit chronischem Rücken-schmerz für die Untersuchung verwertet. n = 87 werden der Versuchsgruppe, n = 92 der Kontrollgruppe zugeordnet; die Daten der übrigen 151 Patienten dienen ausschließlich der Berechnung der psychometrischen Qualität des selbstentwickelten Fragebogens. Für die

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Auswertung werden neben Item- und Reliabilitätsanalysen auch Faktorenanalysen, Korrela-tionsverfahren und varianzanalytische Verfahren eingesetzt.

Ergebnisse Die psychometrische Analyse des Fragebogens kennzeichnet diesen als eindimensional mit einer hohen internen Konsistenz (Cronbachs Alpha = 0,93) und weist auf eine hohe Testgü-te hin. Die Vermutung, die Beurteilung nach einem strukturierten Leitfaden wirke sich positiv auf die Zufriedenheit der Patienten aus, kann bestätigt werden, wobei die Effektstärke der Intervention mit d = 0,45 im mittleren Bereich liegt. Weiterhin macht die statistische Analyse deutlich, dass Patienten, die mit dem Leitfaden beurteilt wurden, sowohl nach Therapieende als auch ein halbes Jahre später weniger depressiv sind als ohne Leitfaden beurteilte Pati-enten. Dieser Effekt bleibt auch erhalten, wenn die Ausgangswerte der Depressivität durch kovarianzanalytische Verfahren statistisch kontrolliert werden. Keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen können allerdings hinsichtlich des Schmerzerlebens gefunden werden. Geringe Unterschiede zu t2 bei der Arbeitsfähigkeit zugunsten der mit dem Leitfaden beur-teilten Gruppe sollten aus statistischen Gründen zurückhaltend interpretiert werden.

Diskussion Die größere Zufriedenheit und geringere Depressivität in der mit dem Leitfaden beurteilten Gruppe sind voraussichtlich auf eine für die Beurteilten größere Transparenz des Verfah-rens und auf ein hierdurch bedingtes stärkeres Kontrollerleben zurückzuführen. Methodi-sche Probleme der Studie bestehen in der fehlenden Randomisierung der Patienten auf die Gruppen und in der mangelnden Verblindung der Patienten und der Therapeuten. Um die empirische Evidenz der erzielten Ergebnisse zu sichern, erscheint es lohnend, die Studie mit einem verbesserten Design zu wiederholen.

Literatur Cibis, W. (2003): Sozialmedizinische Begutachtung für die gesetzliche Rentenversicherung.

6. Auflage. 106-107. Hausotter, W. (2002): Begutachtung somatoformer und funktioneller Störungen. München,

Jena: Urban & Fischer. Reibe, F., Schmidt, C. (2001), Struktur-,Prozess- und Erlebnisqualität in der Chirurgie-Ein

Klinikvergleich. Diplomarbeit der Fakultät für Gesundheitswissenschaft, Bielefeld. Rychlik, R. (1999). Gesundheitsökonomie und Krankenhausmanagement. Grundlagen und

Praxis. Stuttgart, Berlin, Köln: Kohlhammer. 22-23 Satzinger, W. (2002). Information für das Qualitätsmanagement im Krankenhaus: Zur Funk-

tion und Methotik von Patienten- und Personalbefragungen. Med Klin 97. 104-110.

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Ein innovativer Ansatz zum Vergleich von Rehabilitanden mit und ohne Migrationshintergrund hinsichtlich ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit

bei Abschluss der medizinischen Rehabilitation

Kaluscha, R. (1), Brzoska, P. (2), Jacobi, E. (1) (1) Forschungsinstitut für Rehabilitationsmedizin an der Universität Ulm,

(2) Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld

Hintergrund Frühberentungsquoten sind bei Ausländern deutlich höher als bei Deutschen (Höhne, Schu-bert, 2007). Als Ursache dafür wird unter anderem ein geringerer "Erfolg" medizinischer Re-habilitationsmaßnahmen bei Ausländern im Vergleich zu Deutschen vermutet (Maier et al., 2008). Eine kürzlich durchgeführte Studie untersuchte anhand von Daten der Deutschen Rentenversicherung (Scientific Use File "Abgeschlossene Rehabilitation 2006": SUFRSDQJ06B), inwieweit sich Unterschiede in der beruflichen Leistungsfähigkeit (zumut-barer zeitlicher Umfang) bei Abschluss einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme auf soziodemographische und gesundheitliche Unterschiede zwischen beiden Gruppen zurück-führen lassen (Brzoska et al., 2009). Die Auswertung ergab, dass auch nach Kontrolle für soziodemographische und gesundheitliche Faktoren Ausländer im Vergleich zu Deutschen eine 1,3-fach so hohe Chance hatten, die medizinische Rehabilitation mit einer geringen Leistungsfähigkeit abzuschließen (Brzoska et al., 2009). In der Studie konnte der Migrati-onshintergrund allerdings nur über die Staatsangehörigkeit definiert werden. Hierdurch ist es möglich, dass migrationsspezifische Unterschiede in der Leistungsfähigkeit unterschätzt wurden, da Menschen mit Migrationshintergrund, die die deutsche Staatsangehörigkeit be-sitzen (z. B. Aussiedler und Eingebürgerte), als Deutsche in die Analyse eingingen. Mittels eines für die Versorgungsforschung bei Migranten innovativen computerlinguistischen Zu-gangs gingen wir dieser Vermutung nach.

Methodik Die Forschungsdatenbank "Patientenkonto" des Reha-Forschungsverbundes Ulm (Kalu-scha, Jacobi, 2000) enthält ca. 100.000 anonymisierte Reha-Entlassungsberichte der Jahre 1999 - 2006 einschließlich deren Freitexte. In diesen suchten wir mit Hilfe einer computer-linguistische Analyse (Kaluscha, 2005) der textuellen Informationen zur Berufsanamnese nach Hinweisen auf einen Migrationshintergrund, z. B. nach der Erwähnung eines Schulbe-suches in der Türkei. So war es möglich, zusätzlich zur Staatsangehörigkeit einen evtl. Migrationshintergrund festzustellen. In unserer Analyse fokussierten wir zunächst Menschen mit einem türkischen Migrationshintergrund, da sie eine der größten Gruppen von Migranten in Deutschland darstellen.

Ergebnisse Wir konnten 57.953 Rehabilitanden deutscher Staatsangehörigkeit ohne Hinweise auf einen Migrationshintergrund identifizieren. Bei 438 deutschen Staatsangehörigen gab es Hinweise auf einen türkischen, bei weiteren 7.811 auf einen anderen Migrationshintergrund. Weitere 3.174 Rehabilitanden besaßen die türkische Staatsangehörigkeit.

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Tabelle 1 zeigt den vom Rehabilitationsarzt im Entlassungsbericht eingeschätzten zumutba-ren zeitlichen Umfang der aktuell ausgeübten beruflichen Tätigkeit, aufgeschlüsselt nach den vier Rehabilitanden-Gruppen. Derzeit wird diese im Entlassungsbericht in drei Stufen unterteilt: "gering" (weniger als 3h), "mittel" (3-6h) und "hoch" (mehr als 6h). Bei Daten aus den Jahren vor 2001 lag aufgrund der damaligen Gesetzeslage eine vierstufige Skala zugrunde; hier wurden beide mittlere Kategorien (2-4h und 4-8h) zu "mittel" zusammenge-zogen. Die relativ wenigen Fälle mit der Ausprägung 9 = "Beurteilung nicht erforderlich" (z. B. Rentner, Hausfrauen) wurden eliminiert.

Deutsche ohne Migrationshin-tergrund

Berufliche Leistungs-fähigkeit Anzahl Prozent

hoch 43.100 74,37 %

mittel 10.084 17,40 %

gering 3.924 6,77 %

Deutsche mit türk. Migrationshintergrund

hoch 342 78,08 %

mittel 65 14,84 %

gering 27 6,16 %

Deutsche mit anderem Migrationshintergrund

hoch 6.245 79,95 %

mittel 1.112 14,24 %

gering 379 4,85 %

Türken

hoch 2.137 67,33 %

mittel 706 22,24 %

gering 316 9,96 %

Tab. 1: Rehabilitanden nach Migrationshintergrund und Grad der beruflichen Leistungsfähigkeit

Diskussion Die Ergebnisse unserer Analyse stimmen für Rehabilitanden mit türkischer Staatsangehö-rigkeit weitestgehend mit früheren Untersuchungen überein (Brzoska et al., 2009; Maier et al., 2008): Türkische Staatsangehörige weisen nach Abschluss der medizinischen Rehabili-tation eine geringere Leistungsfähigkeit als Deutsche auf. Anders als zunächst vermutet, ähnelt bei den deutschen Staatsangehörigen mit türkischem Migrationshintergrund die be-rufliche Leistungsfähigkeit nach Abschluss der Rehabilitationsmaßnahme eher der Leis-tungsfähigkeit der deutschen als der Leistungsfähigkeit der türkischen Staatsangehörigen. Aufgrund der Kriterien für eine Einbürgerung ist zu vermuten, dass diese Gruppe besser in-tegriert ist als türkische Personen ohne deutschen Pass und daher migrationsspezifische und systembedingte Faktoren, die eine bedarfs- und bedürfnisgerechte rehabilitative Ver-sorgung bei Migranten womöglich behindern, weniger zum Tragen kommen. Zukünftige Un-tersuchungen sollten sich dieser Hypothese widmen.

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Schlussfolgerungen Die bundesweiten Daten aus dem Scientific Use File und die Daten aus dem "Patientenkon-to" ergänzen und stützen sich gegenseitig. Das computerlinguistische Verfahren hat sich als praktikable Möglichkeit erwiesen, über die Staatsangehörigkeit hinaus weitere Informationen zum Migrationshintergrund zu gewinnen und kann somit einen Beitrag zur rehabilitativen Versorgungsforschung bei Migranten leisten.

Literatur Brzoska, P., Voigtländer, S., Yilmaz, Y., Spallek, J., Razum, O., Reutin, B., Schott, T.

(2009): Inanspruchnahme medizinischer Rehabilitation und die berufliche Leistungsfähig-keit danach. Ein Vergleich von Rehabilitanden deutscher und ausländischer Staatsange-hörigkeit. Sechster Workshop des FDZ-RV. Bensheim, 01.-03. Juli 2009.

Höhne, A., Schubert, M. (2007): Vom Healthy-migrant-Effekt zur gesundheitsbedingten Frühberentung. Erwerbsminderungsrenten bei Migranten in Deutschland. In: DRV Bund (Hrsg.): DRV-Schriften, Etablierung und Weiterentwicklung. Bericht vom vierten Work-shop des Forschungsdatenzentrums der Deutschen Rentenversicherung (FDZ-RV) vom 28.-29.Juni 2007 in Berlin.

Kaluscha, R., Jacobi, E. (2000): Eine Datenbank zur Effektivitätsbeurteilung: Das Datenkon-zept des rehabilitationswissenschaftlichen Forschungsverbundes Ulm. DRV-Schriften, Bd. 20. 218-219.

Kaluscha, R. (2005): Informationsgewinnung aus Freitexten in der Rehabilitationsmedizin. Dissertation, Medizinische Fakultät, Universität Ulm. Online: http://vts.uni-ulm.de/doc.asp ?id=5265.

Maier, C., Razum, O., Schott, T. (2008): Medizinische Rehabilitation und Behandlungserfolg bei Patienten mit türkischem Migrationshintergrund. In: Muthny, F.A., Bermejo, I. (Hrsg.): Interkulturelle Medizin. Laientheorien, Psychosomatik und Migrationsfolgen. Köln: Deut-scher Ärzteverlag.

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ArentA - Erwerbsminderungsrente abgelehnt! Was wird aus den Antragstellern? Eine Analyse der gesundheitlichen, sozialen und

beruflichen Entwicklung von Antragstellern zwei Jahre nach Ablehnung des EM-Rentenantrags

Kedzia, S., Heuer, J., Gebauer, E. Institut für Rehabilitationsforschung Norderney, Abteilung Sozialmedizin Münster

Hintergrund und Ziele Allein 2008 wurden bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen 14.750 Anträge auf Erwerbsminderungsrente gestellt. Etwa 7.100 EM-Rentenanträge wurden abgelehnt, 5.500 davon mit einer sozialmedizinischen Begründung (DRV Westfalen, 2009).

Hinweise aus der Praxis der sozialmedizinischen Begutachtung sprechen dafür, dass gera-de Antragsteller mit noch vorhandenem Restleistungsvermögen teilweise durch nichtmedizi-nische Umstände (z. B. Arbeitsplatzverlust, finanzielle Probleme; Dragano, 2007) zur Ren-tenantragstellung veranlasst werden. Mitunter tritt dann eine Abwärtsspirale mit Vermi-schung medizinischer und psychosozialer Faktoren ein und ein Teil der Probanden wird letztendlich doch berentet. Andere Rentenantragssteller hingegen finden in das Berufsleben zurück. Diese Studie will Rentenantragssteller, deren Rentenantrag abgelehnt wurde, über einen Zeitraum von 2 Jahren verfolgen und sowohl Merkmale die schlussendlich doch zu einer Berentung führen, als auch protektive Faktoren (z. B.: persönliche Ressourcen, soziale Unterstützung, Rehabilitation), die zu einer Rückkehr ins Arbeitsleben führen, identifizieren. Welche Merkmale oder Merkmalskonstellationen gewissermaßen richtungweisend sind, ist bisher nicht untersucht. Die Studie will Möglichkeiten finden, die infrage kommenden Versi-cherten erfolgreich weiter zu betreuen und klären, ob und welche Unterstützungsmöglichkei-ten geeignet sind, um eine Frühberentung zu verhindern oder hinauszuschieben und so Kosten für den Rentenversicherungsträger zu sparen.

Methodik Mittels eines explorativen Aktenstudiums bei einer Stichprobe von 40 Versichertenakten 40- bis 58jähriger abgelehnter EM-Rentenantragsteller und einer Befragung der Gutachter der Deutschen Rentenversicherung Westfalen zu ihren Erfahrungen und Einschätzungen mit der Zielpopulation wurde das Themengebiet für die Fragebogenerhebung exakt definiert.

Im November 2008 wurden 2.500 Fragebögen an Rentenantragssteller verschickt. Nach Aufbereitung der Daten blieben 448 Fälle für die Auswertung. Die aus dem Fragebogen ge-wonnen Daten wurden mit den Routinedaten der Deutschen Rentenversicherung Westfalen (Beitragszeiten, Bewilligung oder Ablehnung des Antrages) aus den Jahren 2000 - 2008 verknüpft.

Um die quantitativen Daten durch konkrete lebensnahe Fallbeispiele zu ergänzen, wurden Anfang 2009 insgesamt 28 persönliche, leitfadengestützte Interviews mit zufällig ausgewähl-ten Rentenantragstellern geführt. Die Fragebogenerhebung und Interviews fanden vor dem Bescheid über Bewilligung oder Ablehnung des EM-Rentenantrages statt, um einen Einfluss des Bescheides auf die Antworten ausschließen zu können.

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2010 erfolgt eine zweite Befragung der Versicherten mittels Fragebogen und Leitfadeninter-views, um die Entwicklung der (abgelehnten) Rentenantragssteller zu dokumentieren und Determinanten für eine Rückkehr ins Berufsleben oder aber für eine spätere Berentung i-dentifizieren zu können.

Ergebnisse Durch die erste Datenanalyse konnte ein Portrait der Zielpopulation erstellt werden. Das Durchschnittsalter der Antragsteller lag bei 49 Jahren, 56 % waren Männer, 44 % Frauen. Häufigste Diagnosegruppe waren psychische Erkrankungen (34 %) gefolgt von Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems (27 %) und des Herz-Kreislaufsystems (9 %). Diagnosebezo-gen wurden 60 % der psychisch begründeten Anträge bewilligt, 45 % bei Erkrankungen KHK und 28 % bei muskoloskeletalen Erkrankungen. Diejenigen Befragten, deren Antrag abgelehnt wurde, schätzten ihre gesundheitlichen Perspektiven schlechter ein als diejeni-gen, deren Antrag bewilligt wurde. Andererseits verbinden erstere mehr positive Erwartun-gen für ihren Lebensentwurf an eine Erwerbsminderungsrente. Sie verfügen zudem über geringere Einkommen als bewilligte Rentenantragsteller. Für ein Drittel der Antragsteller soll die EM-Rente nur eine Übergangslösung sein; sie hoffen irgendwann wieder berufstätig zu sein. Von den 2 Dritteln, die Rente als Dauerlösung wünschen, beschreiben sich die meis-ten als zu krank dazu, wenngleich Arbeit für sie generell einen hohen Stellenwert besitzt.

Diskussion und Ausblick Die Analyse zeigt u. a., dass innerhalb der als sozial schwach zu charakterisierenden Popu-lation ein Wunsch zu arbeiten besteht, die Möglichkeiten oft allerdings durch körperliche Gebrechen eingeschränkt sind. Finanzielle Gründe spielen eine wichtige Rolle für die Ren-tenantragsstellung.

Nach der zweiten Fragebogenerhebung in 2010 soll die Entwicklung der Rentenantragsstel-ler dokumentiert und zugleich Merkmalskonstellationen, die zur Berentung oder einer Rück-kehr ins Arbeitsleben beitragen, identifiziert, sowie die gutachterliche Entscheidungsfindung unterstützt werden.

Literatur Dragano, N. (2007): Arbeit, Stress und krankheitsbedingte Frührenten - Zusammenhänge

aus theoretischer und empirischer Sicht. Wiesbaden. Deutsche Rentenversicherung Westfalen (2008): Interne Statistik über Rentenanträge 2008.

Münster.

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Rechtswissenschaften I

Flankierung der Eingliederungsinstrumente des SGB IX zugunsten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit Behinderung durch das

Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz

Fuerst, A.M. Bucerius Law School, Hamburg

Einleitung Das SGB IX dient der verbesserten Integration von Menschen mit Behinderung in Arbeits-welt und Gesellschaft. Dieses Ziel wird auch vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verfolgt, welches die Benachteiligung wegen einer Behinderung verbietet. Während das SGB IX eher auf eine Optimierung der Teilhabe - auch durch spezifische Sonderrege-lungen für Menschen mit Behinderung - ausgerichtet ist, verfolgt das AGG primär einen gleichheitsrechtlichen Regulierungsansatz. Allerdings gibt es Überschneidungen, was vor allem an der Pflicht zur Vornahme angemessener Vorkehrungen aus Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG liegt, die trotz fehlender ausdrücklicher Regelung im AGG mittlerweile als wich-tiger Bestandteil der Analyse von Behinderungsdiskriminierungsfällen anerkannt ist. Im Fol-genden wird aufgezeigt, wie die verschiedenen Facetten des Benachteiligungsverbots nach AGG mit Instrumenten des SGB IX korrespondieren und diese im Sinne eines umfassenden Integrationsrechts flankieren.

Verbot der unmittelbare Benachteiligung wegen einer Behinderung, §§ 7 Abs. 1, 3 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG Dieses Verbot richtet sich dagegen, dass Menschen wegen ihrer Behinderung nachteilig behandelt werden. Es ist immer dann aktiviert, wenn direkt an eine körperliche, geistige oder seelische Abweichung negative Rechtsfolgen angeknüpft werden. Etwa ist es eine unmittel-bare Benachteiligung, wenn einem Polizeianwärter aufgrund von Hormonschwankungen ei-ne Einstellung in den Polizeivollzugsdienst verweigert wird (VG Frankfurt, Urteil v. 3.12.2007 - 9 E 5697/06). Das Verbot der unmittelbaren Benachteiligung wegen einer Behinderung re-agiert auf Vorurteile und wirkt damit einer häufig zugrunde liegenden paternalistischen Ein-stellung entgegen. Stellt man vor allem auf diesen Aspekt ab, dann lässt sich das persönli-che Budget nach § 17 Abs. 2 SGB IX als Korrelat betrachten, das - zumindest seiner Idee nach - die Selbstbestimmung fördert und damit einer paternalistischen Fremdbestimmung entgegentritt (Neumann, Rn. 35 f.).

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Verbot der mittelbaren Benachteiligung und angemessene Vorkehrungen, §§ 7 Abs. 1, 3 Abs. 2 i.V.m. § 1 AGG Die Harmonisierung der in § 3 Abs. 2 AGG ausdrücklich geregelten mittelbaren Diskriminie-rung mit der Pflicht zur Vornahme angemessener Vorkehrungen bereitet Schwierigkeiten (Burg, 55 ff.; Fuerst, S. 2155 f. zu LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 4.12.2008 - 26 Sa 343/08). Jedenfalls müssen angemessenen Vorkehrungen nicht von wesentlichen und ent-scheidenden beruflichen Anforderungen abweichen, vgl. § 8 Abs. 1 AGG (Schlachter, Rn. 4; Fuerst, S. 2156). Die Pflicht zur Vornahme der antidiskriminierungsrechtlich geforderten an-gemessenen Vorkehrungen besteht bereits bei der Einstellung und gilt für jede Art von Be-hinderung. Schwerbehinderte Arbeitnehmer genießen im bestehenden Arbeitsverhältnis ei-nen regelmäßig über die antidiskriminierungsrechtlich geschuldeten angemessenen Vorkeh-rungen hinausgehenden Anspruch nach § 81 Abs. 4 Nr. 4 und 5 SGB IX.

Verfahrensrechtliche Anforderungen Die im Einzelfall möglichen angemessenen Vorkehrungen lassen sich nur in einem Kommu-nikationsprozess zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestimmen. Das AGG enthält hierzu leider keine Regelungen. Zwar ist anerkannt, dass kein Fragerecht des Arbeitgebers nach einer Behinderung besteht (Wisskirchen/Bissels, S. 173). Werden jedoch angemesse-ne Vorkehrungen beansprucht, um die geforderte Arbeitsleistung erbringen zu können, wird man um eine Offenlegung der Behinderung nicht herumkommen. Eine gewisse Parallele besteht zum BEM, § 84 Abs. 2 SGB IX, wonach bei drohender Behinderung ein umfassen-der Kommunikationsprozess zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einsetzen soll.

Literatur Burg, I. (2009): Positive Maßnahmen zwischen Unternehmerfreiheit und Gleichbehandlung.

Berlin: Duncker & Humblot. Fuerst, A.-M. (2009): Behindertendiskriminierung, Direktionsrecht und angemessene Vor-

kehrungen nach Art. 5 RL 2000/78/EG. Der Betrieb, 40. 2153-2157. Neumann, V. (2009): Selbstbestimmung des Leistungsberechtigten. In: Deinert, O., Neu-

mann, V. (Hrsg.): Handbuch SGB IX (2. Aufl.). Baden-Baden: Nomos. § 6. Schlachter, M. (2009): Kommentierung § 8 AGG. In: Müller-Glöge, R., Preis, U., Schmidt, I.

(Hrsg.): Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht (9. Aufl.). Wisskirchen, G., Bissels, A. (2007): Das Fragerecht des Arbeitgebers bei der Einstellung

unter Berücksichtigung des AGG. Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht, 4. 169-174.

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Das Wunsch- und Wahlrecht nach § 9 Abs. 1 SGB IX - Auswertung neuerer Normsetzung und Rechtsprechung

Welti, F. Hochschule Neubrandenburg

Hintergrund und Zweck der Untersuchung Das Wunsch- und Wahlrecht nach § 9 Abs. 1 SGB IX ist ein zentrales Instrument des Ge-setzes, um die Selbstbestimmung bei der Inanspruchnahme von Leistungen zur Teilhabe der Rehabilitationsträger zu gewährleisten (Welti, Sulek, 2000; Welti, 2003; Schütte, 2003). Tragweite und praktische Bedeutung sind aber umstritten und ungeklärt, insbesondere im Leistungserbringungsrecht (Fuhrmann, Heine, 2009). Die 2009 in Kraft getretene Behinder-tenrechtskonvention der Vereinten Nationen ist zusätzliche Rechtsquelle (Degener, 2009). In einem kooperativen Forschungsprojekt des UK Schleswig-Holstein und der HS Neubran-denburg wurde das Wunsch- und Wahlrecht in der medizinischen Rehabilitation empirisch und normativ aufgearbeitet. Hierzu wurde die neuere Normsetzung und Rechtsprechung sowie die wissenschaftliche Diskussion analysiert.

Methodik Normsetzung, Rechtsprechung und Literatur wurden an Hand der Datenbank juris und wei-terer eigener Datenquellen systematisch durchsucht und dann nach Wortlaut, Entstehungs-geschichte, Sinn und Zweck untersucht und bewertet. Im Expertengespräch wurde die transdisziplinäre Relevanz der Ergebnisse überprüft.

Ergebnisse Das Wunsch- und Wahlrecht ist verfassungsrechtlich in der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) fundiert. Die Einbindung in ein Pflichtversicherungssystem darf Freiheiten nicht mehr einschränken als erforderlich. Dies ist zugleich ein Beitrag zur Effektivität und Ef-fizienz des Sozialleistungssystems (BSG vom 3.11.1999, Az. B 3 Kr 16/99 R). Die Behinder-tenrechtskonvention (BRK) der Vereinten Nationen fordert die Achtung der individuellen Au-tonomie, die Nichtdiskriminierung und die Achtung vor der Unterschiedlichkeit behinderter Menschen (Art. 3 BRK). Am deutlichsten wird dies für den Bereich des Wohnens expliziert (Art. 19 BRK), wonach Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit ha-ben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben.

Das Wunsch- und Wahlrecht gilt, soweit die Leistungsgesetze nichts anderes bestimmen, für alle Rehabilitationsträger (§ 7 Satz 1 SGB IX). Es bindet das den Sozialversicherungs-trägern eingeräumte Ermessen bei der Auswahl des Leistungsorts (§ 13 SGB VI; § 40 SGB V; § 26 SGB VII) (LSG Hessen vom 28.8.2008, Az. L 1 Kr 2/05). Wünsche müssen, wie sich aus § 33 Satz 1 SGB I ergibt, Gegenstand der Amtsermittlung (§ 20 SGB X) und der Beratung sein.

Es ist nur berechtigten Wünschen zu entsprechen. Berechtigt sind Wünsche, denen kein rechtlicher Grund entgegensteht. Ist der entgegenstehende Grund eine Regel, erfolgt keine Abwägung, ist er ein Prinzip, ist abzuwägen. Familiäre Gründe sind herausgehobene Wün-sche mit hohem Gewicht (LSG Nordrhein-Westfalen, Az. L 8 B 15/08 R ER).

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Gründe der Wirtschaftlichkeit können entgegenstehen, sind aber abzuwägen. Ob daraus ei-ne Leistungsgewährung nur der "Sowieso-Kosten" mit Zuzahlung folgen kann (so LSG Ba-den-Württemberg v. 1.8.2007, Az. L 4 Kr 2071/05) ist fraglich. Ein bestehender Leistungs-erbringungsvertrag kann vielmehr Qualität und Wirtschaftlichkeit der gewünschten Einrich-tung indizieren (LSG Nordrhein-Westfalen, Az. L 8 B 15/08 R ER; Fuhrmann, Heine, 2009).

Literatur Degener, T. (2009): Welche legislativen Herausforderungen bestehen in Bezug auf die nati-

onale Implementierung der UN-Behindertenrechtskonvention in Bund und Ländern? Be-hindertenrecht. 34-51.

Fuhrmann, S., Heine, W. (2009): Das Wunschrecht nach § 9 Abs. 1 SGB IX und der Leis-tungserfüllungsort - am Beispiel der medizinischen Rehabilitation. Die Sozialgerichtsbar-keit (SGb). 516-524.

Schütte, W. (2003): Selbstbestimmung, Sicherstellung und Leistungserbringung im Rehabili-tationsrecht des SGB IX. Nachrichtendienst des Deutschen Vereins (NDV). 416.

Welti, F., Sulek, C. (2000): Die individuelle Konkretisierung des sozialrechtlichen Anspruchs auf Rehabilitation. Vierteljahresschrift für Sozialrecht (VSSR). 453-472.

Welti, F. (2003): Die individuelle Konkretisierung von Teilhabeleistungen und das Wunsch- und Wahlrecht behinderter Menschen, Die Sozialgerichtsbarkeit (SGb). 379-390.

Die Beschäftigungsförderung durch Arbeitsenklaven in Spanien - Vorbild für die unterstützte Beschäftigung in Deutschland?

Yokota, A. Leipzig

Am 22.12.2008 hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Einführung "Unterstützter Beschäf-tigung" (UB) und mit § 38a SGB IX einen Beitrag zur Verbesserung der Teilhabemöglichkei-ten am Arbeitsleben für behinderte Menschen geleistet. Das Gesetz stellt ein erstes Element zur Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte behinderter Menschen und dem darin enthaltenen Grundsatz der verstärkten Integ-ration behinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt dar (Wendt, 2009, S. 2).

Danach stehen für Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf, die einen sozialversi-cherungspflichtigen Arbeitsplatz anstreben aber nicht das besondere Angebot der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) benötigen, Leistungen der UB zur Verfügung. Mit der UB soll diesen Menschen eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Be-schäftigung ermöglicht und erhalten werden. UB umfasst dabei die individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung (§ 38a Abs. 1 SGB IX). Im Einzelnen bedeu-tet dies individuelle Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche, Arbeitsplatzanalyse und ggf. -anpassung, Qualifizierung am Arbeitsplatz sowie Krisenintervention und Nachsorge.

Ein Blick auf Spanien zeigt, dass Maßnahmen der UB in anderen Ländern bereits erfolg-reich praktiziert werden. Um den Übergang von geschützter zu sozialversicherungspflichti-ger Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu fördern, hat der spanische Gesetz-

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geber u. a. im Jahr 2004 die Rechtsfigur der "enclaves laborales" (Arbeitsenklaven) entwi-ckelt (Königliches Dekret 290/2004). Es handelt sich um ein Gruppenmodell, in dem eine bestimmte Anzahl behinderter Beschäftigter eines Beschäftigungszentrums zur Arbeits-erbringung für eine bestimmte Zeit in ein herkömmliches Unternehmen eingegliedert wird (Sánchez Senra, Sánchez Valdés, 2004, S. 38). Diese Arbeitsenklave wird in ein Unterneh-men des allgemeinen Arbeitsmarktes integriert, von diesem jedoch (zunächst) nicht selbst beschäftigt. Die Beschäftigten bleiben dem entsendenden Beschäftigungszentrum und da-mit der geschützten Beschäftigung zugeordnet (Yokota 2009, S. 200 f.). Ziel der Ar-beitsenklaven ist die Integration behinderter Menschen in regulären Betrieben an der Seite nicht behinderter Arbeitskollegen, um auf diese Weise mittel- oder langfristig den Übergang von geschützter in herkömmliche Beschäftigung zu erreichen (Art. 2a Königliches Dekret 290/2004).

Neben der Integration in allen Bereichen des Arbeitsalltages ist die Erbringung von Leistun-gen, die sonst von nichtbehinderten Menschen verrichtet werden, charakteristisch für die UB. Es handelt sich also nicht um eine therapeutische oder unbezahlte Beschäftigung, so dass jeder Beschäftigte den gleichen Lohn für gleiche Arbeit erhalten sollte (Doose, 2007, S. 116). In Spanien werden eventuelle Minderleistungen durch Lohnkostensubventionierung kompensiert.

Weiteres wesentliches Kernelement der UB ist der Grundsatz "Erst platzieren, dann qualifi-zieren": die Qualifikation erfolgt nicht vorab in einer Sondereinrichtung sondern direkt am Arbeitsplatz. Hintergrund hierfür ist, dass viele Menschen, insbesondere geistig und lernbe-hinderte Menschen, in Realsituationen besser lernen können (Rombach, 2009, S. 62).

Hinsichtlich der Zielgruppe unterscheiden sich die Maßnahmen nach § 38a SGB IX deutlich von den Arbeitsenklaven. Während vom deutschen Recht behinderte Menschen mit einem Potenzial für eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, die jedoch nicht werk-stattbedürftig im Sinne des § 136 SGB IX sind, erfasst werden, verlangt das spanische Recht, dass die Arbeitsenklave zu mindestens 60 % aus behinderten Menschen bestehen soll, die aufgrund der Schwere ihrer Behinderung über besondere Schwierigkeiten beim Zu-gang zur Beschäftigung verfügen. Anders als hierzulande versucht das spanische Recht durch UB auch für Menschen mit schwersten Behinderungen integrative Arbeitsmöglichkei-ten zu schaffen. Die Eingrenzung der Zielgruppe im deutschen Recht ist sicherlich dadurch begründet, dass bislang insbesondere Schulabgänger, die in einer Berufsausbildung oder berufsvorbereitenden Maßnahme überfordert, in einer WfbM hingegen unterfordert gewesen wären, keine Leistungen erhielten und diese Lücke im bisherigen System geschlossen wer-den sollte. Gleichwohl sollte bei positiver Entwicklung der UB erwogen werden, diese für alle Menschen unabhängig von Art und Schwere der Behinderung auszuweiten.

Literatur Doose, S. (2007): Unterstützte Beschäftigung: Berufliche Integration auf lange Sicht. Rombach, W. (2009): Unterstützte Beschäftigung - ein neuer Leistungstatbestand des

Rechts der Teilhabe am Arbeitsleben (§ 38a SGB IX). SGb. 61-67. Sánchez-Cervera Senra, J., Sánchez-Cervera Valdés, J. (2004): Los enclaves laborales. Wendt, S. (2009): Rechtsfragen der "Unterstützten Beschäftigung" für behinderte Men-

schen. BehindR. 1-12.

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Yokota, A. (2009): Beschäftigungsförderung behinderter Menschen nach spanischem Recht.

Die Versorgung mit Hilfsmitteln durch die Bundesagentur für Arbeit - Eine wichtige Form der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

Willig, M. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Leistungen zur Teilhabe im Arbeitsleben sowie zur medizinischen Rehabilitation sind unter-schiedlichen Trägern zugeordnet. Da § 14 SGB IX mittlerweile im Gerichtsalltag angekom-men ist, wird es für die Rehabilitationsträger immer wichtiger, auch die Zuständigkeit der anderen Träger richtig zu erkennen. So kann die Versorgung mit Hörgeräten nicht nur zwi-schen Rentenversicherung und Krankenkassen (siehe hierzu z. B. BSG 21.8.2008 - B 13 R 33/07 R - SGb 2009, 491), sondern auch zwischen beiden und der BA strittig sein (Weber, 2009, 496).

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) erbringt Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, wenn diese für Menschen mit Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen (§ 97 SGB II, § 33 Abs.1 SGB IX). Diese Leistungen umfassen auch die Versorgung mit Hilfsmitteln, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung, zur Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeits-leben oder zu Erhöhung der Sicherheit auf dem Weg zum Arbeitsplatz und am Arbeitsplatz erforderlich sind.

Da die BA Leistungen zur Teilhabe nur erbringt, wenn kein anderer Rehabilitationsträger zuständig ist (§ 22 SGB III), stellt sich zunächst die Frage, wann die Krankenkassen zuständig sind. Dies ist nach Ansicht des BSG der Fall, wenn das Hilfsmittel erforderlich ist, damit überhaupt eine sinnvolle Tätigkeit ausgeübt werden kann, nicht jedoch, wenn es für die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit oder für die behindertengerechte Ausgestaltung eines bestimmten Arbeitsplatzes notwendig ist (LSG Rheinland- Pfalz 19.02.06- L 1 AL 170/05).

Da die Rentenversicherung in der Regel erst leistungspflichtig wird, wenn eine Vorversiche-rungszeit von 15 Jahren besteht bzw. bereits eine Erwerbsminderungsrente bezogen wird oder in Aussicht steht, kommt der BA eine besondere Bedeutung für die Eingliederung jun-ger behinderter Menschen zu (Masuch, 2009, Rn. 22). So ist die Zuständigkeit der BA für die Versorgung eines Berufsschülers mit einer mobilen Rampe anerkannt worden, wenn diese wegen der Art oder Schwere der Behinderung zum Besuch einer Berufsschule ein-schließlich der überbetrieblichen Ausbildung erforderlich ist (LSG Rheinland- Pfalz 03.04.08- L 5 KR 115/06- Breith 2008, 609- 614). Sie kann auch für die Versorgung mit einem höher-wertigen als dem von der KK zu leistenden Hörgerät zuständig sein, wenn dieses aus aus-bildungsbedingten Gründen erforderlich ist und die berufsbedingten Mehrkosten nicht von der RV zu tragen sind (LSG NRW 29.05.09- L 19 B 16/09 AL).

Auch für Personen im SGB II- Leistungsbezug ist die BA Rehabilitationsträger, sofern kein anderer Rehabilitationsträger zuständig ist (§ 6a SGB IX). Hier ist ein deutlicher Rückgang

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der Rehabilitationsanträge zu verzeichnen, der auch auf die komplexe Entscheidungsstruk-tur in der Grundsicherung zurückgeführt wird (Dornette, Rausch, 2007, 1, 2). Diese Situation wird in der Praxis insbes. im Hinblick auf die verunsichernde Wirkung für die SGB II- Bezie-her mit Behinderung als unbefriedigend empfunden (Dornette, Rausch, 2007, 66) und ent-spricht auch nicht dem Bild einer schnellen und kontinuierlichen Leistungserbringung (Welti, 2007, 5). Da das Ergreifen von zeitnahen Rehabilitationsmaßnahmen aber gerade für die-sen Personenkreis besonders wichtig ist, kann die Nutzung von § 14 SGB IX Abhilfe schaf-fen. Schließlich muss dieses Problem stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt und auf die Tagesordnung der Gesetzgebung gesetzt werden (zu mögl. Gesetzesänderun-gen siehe Kohte, 2009, Rn. 12 ff.).

Literatur Dornette, J., Rauch, A. (Hrsg.) (2007): Berufliche Rehabilitation im Kontext des SGB II,

Karlsruhe: Präzis- Druck. Kohte, W. (2009): § 6a. In: Feldes/ Kohte/ Stevens- Bartol (Hrsg.): SGB IX, Frankfurt/M.:

Bund-Verlag. Masuch, P. (2009): Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. In: Luthe, E.-W. (Hrsg): Re-

habilitationsrecht. Berlin: Erich Schmidt. 224- 248. Weber, R. (2009): Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, in SGb 2009. 496- 497. Welti, F. (2007): Leistungen zur Teilhabe und Verfahrenspflichten des SGB IX für erwerbs-

fähige Hilfebedürftige nach dem SGB II, iqpr Form D, Diskussionsbeitrag Nr. 2/2007.

Die koordinierte Leistungserbringung zur Teilhabe am Arbeitsleben am Beispiel technischer Arbeitshilfen

Busch, D. Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin

Einleitung Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sollen behinderten oder von Behinderung bedroh-ten Menschen die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit möglichst auf Dauer sichern (§ 33 Abs. 1 SGB IX).

Ein Instrument von zentraler Bedeutung ist der Einsatz behinderungskompensierender Technologien am Arbeitsplatz. Dazu zählen insbesondere technische Arbeitshilfen. Solche also, die dem behinderten Mitarbeiter gezielt am zugewiesenen Arbeitsplatz helfen, seine geschuldete Tätigkeit zu erfüllen, soweit er wegen seiner Behinderung zur vollständigen Er-füllung dieser Aufgaben nicht mehr oder nur unter erschwerten Bedingungen in der Lage wäre.

Der Erfolg dieser beruflichen Rehabilitationsleistung hängt im wesentlichen davon ab, dass die Arbeitshilfen bedürfnisgerecht und zügig zum Einsatz kommen. Dies gelingt nur, wenn klar ist, wer für die Ausstattung des Arbeitsplatzes zuständig ist und die Kosten trägt.

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Zweispurige Anspruchsstruktur mit mehreren Zuständigkeiten und getrennter Kos-tentragungspflicht Es kommen mehrere Anspruchsgrundlagen mit entsprechender Kostentragungspflicht in Be-tracht, die systematisch den unterschiedlichen Rechtsgebieten des Sozial- und Arbeits-rechts zuzuordnen sind.

Ausgehend vom SGB IX zählen die technischen Arbeitshilfen zu den unmittelbar an den Be-troffenen zu erbringenden Teilhabeleistungen gemäß § 33 Abs. 3 Nr. 1 und 6 i. V .m. Abs. 8 Nr. 5 SGB IX. Zuständig sind die Rehabilitationsträger. Andererseits können sie diese Teil-habeleistung auch direkt an den Arbeitgeber erbringen. Die technischen Arbeitshilfen unter-fallen den Arbeitshilfen im Betrieb, für die Zuschüsse gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB IX vorgesehen sind. Ferner stellen die technischen Arbeitshilfen eine begleitende Hilfe im Ar-beitsleben dar, die in das Aufgabenspektrum des Integrationsamtes fällt (§ 102 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 3 S. 1 Nr. 1a bzw. Nr. 2a SGB IX). Betriebsextern bestehen damit 2 paral-lele Zuständigkeiten.

Ergänzend tritt die betriebsinterne Zuständigkeit des Arbeitgebers hinzu. Technische Ar-beitshilfen kann der behinderte Mensch arbeitsrechtlich basierend auf der grundsätzlichen Pflicht des Arbeitsgebers zur behindertengerechten Anpassung des Arbeitsplatzes nach § 618 Abs. 1 BGB sowie gemäß § 81 Abs. 4 S. 1 Nr. 5, 3 SGB IX beanspruchen.

Hieraus resultiert ein Bedarf zur Koordinierung der Zuständigkeiten bei der Leistungserbrin-gung, um daran geknüpft transparente Kostenregelungen zu formulieren.

Ausgewählte Ansätze zur Koordinierung der arbeits- und sozialrechtlichen Pflichten-erfüllung Das Gesetz enthält kein umfassendes System, das die Leistung von technischen Arbeitshil-fen koordiniert und die Kostentragungspflicht jeweils zuordnet. Im Koordinationsbereich des SGB IX kann die Kollisionsregel des § 14 SGB IX zur Anwendung kommen, die § 102 Abs. 6 SGB IX für das Integrationsamt entsprechend anwendbar erklärt.

Schwieriger ist die Koordinierung externer und betriebsinterner Zuständigkeiten. Anders als bei der Erbringung von Hilfsmitteln, für die § 33 Abs. 8 Nr. 4 SGB IX die Pflichten des Reha-bilitationsträgers und des Arbeitgebers in ein Subsidiaritätsverhältnis setzt, bestehen Zu-ständigkeit und Kostentragungspflicht von beiden gleichrangig. Dieses Konkurrenzverhältnis ist zugunsten des behinderten Menschen aufzulösen und eine Leistungspflicht des Rehabili-tationsträgers zu bejahen (Hk-SGB IX/Bieritz-Harder § 33 Rn. 40; § 34 Rn. 6). Leistet dieser und ergibt sich im nachhinein, dass daneben ein Anspruch gegen den Arbeitgeber bestand, muss ein Ausgleich der Rechtspositionen durch Erstattungsregelungen in Betracht gezogen werden. Eine weitere unter diesen Aspekten zu betrachtende und vom Gesetz nicht erfasste Konstellation besteht, wenn der Arbeitgeber seine Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig er-füllt. Sie ist ebenfalls zugunsten des behinderten Menschen zu regeln. Ein Koordinierungs-modell, das von einer (Vor)Leistungspflicht des Rehabilitationsträgers ausgeht, ist insbe-sondere für die Erbringung von Hilfsmitteln - obgleich der bestehenden Konkurrenznorm - relevant.

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Literatur Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Aus-

schuss) gemäß § 56a der Geschäftsordnung, Technikfolgenabschätzung (TA) - Chancen und Perspektiven behinderungskompensierender Technologien am Arbeitsplatz v. 30.7.2009, BT-Drs. 16/13860.

FKS-SGB IX/Busch, 2009, § 33 Rn 70 ff, 73f; § 34 Rn. 37 ff. FKS-SGB IX/Faber, 2009, § 81 Rn. 108 ff.; insbesondere Rn. 113. Hk-SGB IX/Bieritz-Harder § 33 Rn. 40; § 34 Rn. 6.

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Rechtswissenschaften II

Der Minderleistungsausgleich nach § 27 Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabenverordnung (SchwbAV) im Spiegel

verwaltungsgerichtlicher Urteile sowie der Verwaltungspraxis

Beyer, C. Landschaftsverband Rheinland, LVR-Integrationsamt, Köln

Gemäß § 102 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch (SGB) Neuntes Buch (IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - gehört zu den Aufgaben des Integrationsamtes die beglei-tende Hilfe im Arbeitsleben. Die begleitende Hilfe wird in enger Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit und den übrigen Rehabilitationsträgern durchgeführt. Sie soll unter anderem dahin wirken, dass schwerbehinderte Menschen auf Arbeitsplätzen beschäftigt werden, auf denen sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse voll verwerten und weiterentwickeln können. Im Rahmen seiner Zuständigkeit für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben kann das Integrationsamt aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln auch Geldleistungen an Ar-beitgeber erbringen für außergewöhnliche Belastungen, die mit der Beschäftigung bestimm-ter Gruppen schwerbehinderter Menschen verbunden sind, vor allem, wenn ohne diese Leistungen das Beschäftigungsverhältnis gefährdet würde (§ 102 Abs. 3 Nr. 2 e) SGB IX).

Diese Leistungen an Arbeitgeber bei außergewöhnlichen Belastungen werden in § 27 SchwbAV konkretisiert. Außergewöhnliche Belastungen sind überdurchschnittlich hohe fi-nanzielle Aufwendungen oder sonstige Belastungen, die einem Arbeitgeber bei der Beschäf-tigung eines schwerbehinderten Menschen auch nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten entstehen und für die die Kosten zu tragen für den Arbeitgeber nach Art und Höhe unzu-mutbar ist. Hinsichtlich der Art und Höhe der Leistung verweist § 27 Abs. 3 SchwbAV auf § 26 Abs. 2 SchwbAV und damit auf die Arbeitgeberpflichten nach § 81 Abs. 3 bis 5 SGB IX sowie auf die Übererfüllung der Beschäftigungsquote (§ 71 SGB IX) und die Beschäftigung besonders betroffener schwerbehinderter Menschen (§ 71 Abs. 1 Satz 2 und § 72 SGB IX). Die Dauer des Zuschusses bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles (§ 27 Abs. 2 und 4 SchwbAV).

Mit Ausnahme der Leistungen im Rahmen der Berufsbegleitung nach § 38a SGB IX sowie der Arbeitsassistenz nach § 102 Abs. 3a und 4 SGB IX handelt es sich bei der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben um Ermessensleistungen. Damit trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass das Integrationsamt auf die ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus der Ausgleichsabgabe beschränkt ist.

Zur Gewährleistung einer bundeseinheitlichen Verwaltungspraxis hatte eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Länder und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) eine Richtlinie zur Durchführung des § 27 SchwbAV erlassen, die in Nordrhein-Westfalen mit Wirkung vom 19.02.2002 in Kraft trat und zum 01.03.2007 wieder aufgehoben wurde (MBl. NRW. 2007 S. 122). Vor diesem Hintergrund wurden durch die BIH "Empfehlungen zur Gewährung von Leistungen des Integrationsamtes an Arbeitge-

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ber zur Abgeltung außergewöhnlicher Belastungen - Empfehlungen zu § 27 SchwbAV" er-arbeitet, die an die Stelle der alten Richtlinie traten.

Die Empfehlungen betonen den Nachrang der Leistung gegenüber zweckgleichen Leistun-gen der Rehabilitationsträgern, vor allem gegenüber Eingliederungszuschüssen im Sinne von §§ 217 ff. SGB III oder § 34 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX. Außerdem legen sie Bedarfsstufen sowie diesen zugeordnete Zahlbeträge fest. Die Leistungen werden bei erstmaliger Antrag-stellung für einen Zeitraum von maximal zwei Jahren bewilligt und können auf Antrag wie-derholt erbracht werden. Ab dem dritten Jahr soll eine Reduzierung erfolgen.

Minderleistungsausgleich wird gezahlt, wenn die Arbeitsleistung des schwerbehinderten Menschen mindestens um 30 v. H. geringer ist als diejenige eines anderen Beschäftigten, der eine vergleichbare Tätigkeit/Funktion im Betrieb/der Dienststelle ausübt. Anknüpfungs-punkt hierfür ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der zufolge das Gericht von einer grds. zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigenden personenbedingten Minderleistung des Beschäftigten ausgeht, wenn diese - gemessen an der betrieblichen Durchschnittsleistung - mindestens ein Drittel beträgt (BAG, Urteil vom 11.12.2003, 2 AZR 667/02). Auf die bei einer verhaltensbedingten Minderleistung subjektiv zu bestimmende Leistungspflicht (zuletzt BAG, Urteil vom 17.01.2008, 2 AZR 752/06) wird grds. nicht abge-stellt.

Der Ausgleich wird außerdem grundsätzlich gezahlt bis zu einer Minderleistung um 50 v. H. Geht die Minderleistung darüber hinaus, verliert das Arbeitsverhältnis seinen Charakter als Austauschverhältnis und ein ausreichendes Restleistungsvermögen des schwerbehinderten Menschen ist nicht mehr vorhanden. Die im Interesse der Schwerbehindertenfürsorge gebo-tene Sicherung des Arbeitsplatzes findet dort ihre Grenzen, wo eine Weiterbeschäftigung des schwerbehinderten Menschen allen Gesetzen wirtschaftlicher Vernunft widersprechen, insbesondere dem Arbeitgeber einseitig die Lohnzahlungspflicht auferlegen würde (BVerwG, Urteil vom 19.10.1995, 5 C 24.93).

Darüber hinaus ergeben sich eine Reihe von Einzelfragen, wie z. B.

- ob Minderleistungsausgleich auch in der Freistellungsphase der Altersteilzeit zu zahlen ist (VG Freiburg, Urteil vom 23.05.2007, 5 K 661/07),

- welche Auswirkungen die ordentliche Unkündbarkeit hat,

- ob die Leistungsvoraussetzungen bereits mit Erteilung der Zustimmung des Integration-samtes zu einer Kündigung nach § 85 SGB IX entfallen oder

- ob der Minderleistungsausgleich in der Kurzarbeit zu kürzen ist.

Literatur BAG, Urteil vom 11.12.2003, 2 AZR 667/02. BAG, Urteil vom 17.01.2008, 2 AZR 752/06. BVerwG, Urteil vom 19.10.1995, 5 C 24.93. VG Freiburg, Urteil vom 23.05.2007, 5 K 661/07. Pahlen in Neumann/Pahlen, SGB IX, 11. Auflage 2005, § 102. Adlhoch in Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, 10 Lfg. 07/2006, § 102.

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Die besonderen Belange behinderter und chronisch kranker Menschen, das Recht der Rehabilitation und Teilhabe und

die Kompetenzen des G-BA

Welti, F. (1), Brockmann, J. (2) Hochschule Neubrandenburg (1), Hamburg (2)

Hintergrund und Zweck der Untersuchung Den besonderen Belangen behinderter Menschen ist bei allen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung Rechnung zu tragen (§ 2a SGB V). Der G-BA muss die besonderen Belange behinderter Menschen berücksichtigen (§ 92 I 1 SGB V). Über Reichweite und In-halt dieser Pflichten, insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis akuter Krankenbehand-lung und Leistungen zur Teilhabe, besteht Unklarheit. Die Berücksichtigung im Hinblick auf Barrierefreiheit (Frehe, 2006) und Vernetzung (Heine, 2004; Fuchs, 2008) wird als unzurei-chend eingeschätzt.

Methodik Normsetzung, Rechtsprechung und Literatur wurden an Hand der Datenbank juris und wei-terer Datenquellen systematisch durchsucht und dann nach Wortlaut, Entstehungsgeschich-te, Sinn und Zweck untersucht und bewertet, um zu klären, ob die berichteten Probleme sol-che der Rechtssystematik oder der Rechtsanwendung sind.

Ergebnisse Besondere Belange behinderter Menschen sind für den gesamten Bereich des Sozialrechts aus § 10 SGB I, § 17 II SGB I und § 33c SGB I sowie aus dem Behindertengleichstellungs-gesetz (BGG) und der Behindertenrechtskonvention (BRK) zu entnehmen. Das SGB IX gibt ebenfalls Hinweise auf besondere Belange behinderter Menschen auch über den Bereich der Rehabilitation hinaus. Besondere Belange behinderter Menschen sind insbesondere der Schutz vor Benachteiligung, die gleichberechtigte Teilhabe an der gesundheitlichen Versor-gung, die Zugänglichkeit (Barrierefreiheit) aller Bereiche des Gesundheitswesens und des Verfahrens, die Selbstbestimmung und selbstbestimmte Lebensführung trotz Behinderung und gesundheitlicher Beeinträchtigung.

Bei Leistungen der Krankenbehandlung von Menschen mit Behinderungen gelten nach § 27 SGB IX sowohl die in § 26 I SGB IX festgelegten Rehabilitations-Ziele als auch die Pflicht zur Teilhabeplanung (§ 10 I SGB IX). Daher besteht auch bei der Krankenbehandlung die Pflicht zur sektor- und trägerübergreifenden Leistungskoordinierung.

Barrierefreiheit (§ 3 BGG) bedeutet, an allen Bereichen der Gesundheitsversorgung in der allgemein üblichen Weise und grundsätzlich ohne fremde Hilfe teilnehmen zu können. Die Krankenkassen sind nach § 17 II SGB I verpflichtet, die Barrierefreiheit der gesundheitlichen Versorgung sicherzustellen. Sie haben dazu die Regelungskompetenzen des G-BA insbe-sondere für die vertragsärztliche Versorgung zu nutzen. Die Barrierefreiheit ist dabei auch im Sinne der freien Arztwahl behinderter Menschen und als notwendiges Qualitätsmerkmal zu regeln.

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Schlussfolgerungen und Ausblick Die besonderen Belange behinderter Menschen können und müssen im bestehenden Sys-tem berücksichtigt werden. Soweit der G-BA Richtlinien erlässt, die (auch) Leistungen zur Teilhabe betreffen, sind die Anforderungen des SGB IX in diesen Richtlinien umzusetzen. Der G-BA und die Rehabilitationsträger haben ihre wechselseitigen Kompetenzen zu res-pektieren und ihre untergesetzlichen Regelungen aufeinander abzustimmen. Übergreifende Themen sind dabei insbesondere die Teilhabeplanung (§ 10 I SGB IX) und die Barrierefrei-heit. Dabei haben der GKV-Spitzenverband und die Verbände behinderter Menschen als Akteure in beiden Systemen eine besondere Verantwortung.

Literatur Frehe, H. (2006): Barrierefreie Gesundheitsversorgung - Rechtliche Situation, Gestaltungs-

und Sanktionsmöglichkeiten. Behindertenrecht. 7 ff. Fuchs, H. (2008): Vernetzung und Integration im Gesundheitswesen am Beispiel der medi-

zinischen Rehabilitation. Sankt Augustin. Heine, W. (2004): SGB IX und Akutbehandlung. In: Igl, G., Welti, F. (Hrsg.): Recht der Re-

habilitation und Teilhabe. Wiesbaden. Liebold, D. (2007): Auswirkungen des SGB IX auf die gesetzliche Krankenversicherung. Ba-

den-Baden. Lüßenhop, B. (2008): Chronische Krankheit im Recht der medizinischen Rehabilitation und

der gesetzlichen Krankenversicherung. Berlin.

Unmittelbarer Anschluss einer Stufenweisen Wiedereingliederung an eine stationäre Rehabilitation und praktische Umsetzungserfordernisse

- Aktuelle sozialrechtliche Rechtsprechung

Nebe, K. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Einleitung Zwei aktuelle Urteile des Bundessozialgerichts unterstreichen die anhaltende Bedeutung der Stufenweisen Wiedereingliederung (StW) für die nachhaltige Teilhabesicherung langzeiter-krankter Beschäftigter. Die beiden rentenversicherungsrechtlichen Senate des Bundessozi-algerichts (5a. Senat, Urt. 29.1.2008 - B 5a/5 R 26/07 R - und 13. Senat, Urt. 5.2.2009 - B 13 R 27/08 R) tragen mit ihren wichtigen Konkretisierungen dazu bei, die Praktikabilität der StW im Alltag zu steigern und sie nahtlos in den Rehabilitationsprozess zu integrieren. Von den Instanzgerichten werden diese Klärungen bereits aufgegriffen (LSG Niedersach-sen-Bremen, 21.1.2009 - L 2 R 195/08).

Aktueller Hintergrund Trotz der Verallgemeinerung der StW durch § 8 SGB IX waren noch einige Fragen in der praktischen Gestaltung von Rehabilitationsprozessen offen. Wurde Versicherten mit Ab-schluss ihrer stationären Rehabilitation empfohlen, ihr vorhandenes Teilleistungsvermögen zu nutzen und im Rahmen einer StW ihre Beschäftigung wieder aufzunehmen, um damit

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zügiger und nachhaltiger an ihre volle Leistungsfähigkeit herangeführt zu werden, war in der Praxis nicht selten unklar, welcher Rehabilitationsträger während der StW die soziale Absi-cherung leistet.

Während der alleinigen Zuständigkeit der GKV im Rahmen des § 74 SGB V trat dieses Problem nicht auf. Mit der Kodifizierung des SGB IX und der Erweiterung des Kreises der Leistungsverpflichteten stellten sich neue Fragen der Leistungszuständigkeit, die vom Bun-dessozialgericht inzwischen beantwortet sind. In beiden Fällen schloss sich die StW jeweils erst mit einer gewissen zeitlichen Unterbrechung an die vorangegangene stationäre Rehabi-litationsmaßnahme an. Krankenkasse und Rentenversicherungsträger hielten sich gegen-seitig für leistungszuständig. Ein Rückgriff auf die Vorschrift des § 51 Abs. 5 SGB IX war ausgeschlossen, da die StW jeweils vor der Gesetzesänderung zum 1.5.2004 stattfand. Wie die Entscheidungsgründe zeigen, hat § 51 Abs. 5 SGB IX nur vermeintlich eine Regelungs-lücke geschlossen. Das allgemeine Teilhaberecht bot die Lösung der Zuständigkeitsfrage.

Ausgewählte Ergebnisse Die beiden BSG-Senate stimmen in ihren Aussagen weitgehend überein:

- Die StW ist eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation, für die sowohl die GKV als auch die GRV zuständig sind; das Gesetz regelt keinen Zuständigkeitsvorrang.

- Die Zuständigkeit der GRV verlangt nicht, wie teilweise angenommen, dass parallel zur StW vom Rentenversicherungsträger zeitgleich andere Leistungen, wie z. B. eine ambu-lante Rehabilitationsmaßnahme, erbracht werden.

- Kommt für eine StW eine mehrfache Leistungszuständigkeit in Betracht, so ist die Zu-ständigkeit nach den allgemeinen Leistungsgrundsätzen des SGB IX zu bestimmen. Die Prinzipien der Nahtlosigkeit und der einheitlichen Leistungsgewährung gelten auch in-soweit.

- Im Sinne einer umfassenden Leistungsgewährung bleibt danach der primär zuständige Rehabilitationsträger zuständig, wenn bei Ende der stationären Rehabilitation die Vor-aussetzungen einer StW vorliegen und sich die StW hieran nahtlos anschließt.

- Eines "völlig nahtlosen Anschlusses" bedarf es nicht. Zeiten medizinisch notwendiger Rekonvaleszenz oder notwendiger organisatorischer Maßnahmen (Nebe, 2008) stehen der Nahtlosigkeit nicht entgegen.

- Feste Höchstfristen sind nicht normiert. Die Rechtsprechung plädiert für eine Prüfung der Einzelfallumstände. Die Literatur fordert bei Unterschreiten bestimmter Fristen eine Zuständigkeitsvermutung (Gagel, 2009).

Die juristische Bewertung der kontinuierlichen Leistungszuständigkeit eines Rehabilitations-trägers deckt sich mit den rehabilitationswissenschaftlichen Erkenntnissen über die Bedin-gungen für einen dauerhaften Eingliederungserfolg. Sollen sich Schwellenängste nicht wie-der verstärken und soll aufgebautes Vertrauen weiter nutzbar sein, müssen Wechsel in der Betreuung und Nachsorge nach der stationären Rehabilitation möglichst vermieden werden (Danner, 2004, S. 98). Durch die Konstanz in der Leistungszuständigkeit verbessern sich die Chancen der Rehabilitationsträger, die Übergangsphase aktiv im Sinne einer nachhalti-gen Wiedereingliederung mitzugestalten und den unterschiedlichen rehabilitationswissen-schaftlichen Anforderungen an eine StW gerecht zu werden (dazu Danner, 2004, S. 95). Die

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Leistungskontinuität gibt die Chance, nach der Rehabilitation ein geordnetes Betriebliches Wiedereingliederungsmanagement durchzuführen, weil gerade das BEM geeignet ist, orga-nisatorische Schwierigkeiten auszuräumen (Niehaus, 2008).

Literatur Bürger, W. (2008): Stufenweise Wiedereingliederung zu Lasten der GRV, Abschlussbericht,

fbg Karlsruhe. Danner, H.W. (2004): Stufenweise Wiedereingliederung mit begleitender Rehabilitation. In:

Deck, R., Glaser-Möller, N., Mittag, O. (Hrsg.): Rehabilitation und Nachsorge. Bedarf und Umsetzung. Lage: Verlag Hans Jacob. 93-104.

Gagel, A. (2009): Anm. zu BSG, 5.2.2009, jurisPR-SozR 20/2009, Anm. 3. Nebe, K. (2008): (Re-)Integration von Arbeitnehmern: Stufenweise Wiedereingliederung und

Betriebliches Eingliederungsmanagement - eine neues Kooperationsverhältnis, DB, 1801ff.

Niehaus, M. (2008): Studie zur Umsetzung des BEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX, Köln, S. 56 f.

Rahmenvereinbarungen der Rehabilitationsträger - Zulässige Leistungskonkretisierung oder unzulässige Leistungsbegrenzung?

- Eine grundsätzliche Analyse nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17.06.2008 (B 1 KR 31/07 R)

Lawall, C., Niedling, A. GKV-Spitzenverband

Hintergrund Rehabilitationsträger setzen Rahmenvereinbarungen ein, um Leistungen für ihre Versicher-ten trägerübergreifend zu koordinieren und zu konkretisieren. Rahmenvereinbarungen sind damit ein Beispiel für die Vielfalt untergesetzlicher exekutiver Normsetzung, die das Sozial-versicherungsrecht und insbesondere das Rehabilitationsrecht kennzeichnet.

Der Gestaltungsspielraum der Rehabilitationsträger wird bestimmt durch das Leistungsrecht. Im Streitfall überprüfen Sozialgerichte inzident die Wirksamkeit der Regelungen einer Rah-menvereinbarung. Mit dem Leistungsrecht unvereinbare Regelungen sind nichtig. So hat das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung vom 17.06.2008 die Befristung eines Funktionstrainings (§ 43 Abs. 1 SGB V i. V. m. § 44 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX) aufgrund der maßgeblichen Rahmenvereinbarung vom 01.10.2003 beanstandet.

Die Autoren ordnen die vom BSG beanstandete Rahmenvereinbarung typologisch ein, un-tersuchen einzelne Regelungsinhalte und versuchen daraus Kriterien abzuleiten, an denen sich Rehabilitationsträger orientieren müssen, um wirksam Leistungsinhalte in Rahmenver-einbarungen näher ausgestalten zu können.

Methode - Literaturrecherche

- Analyse der aktuellen Rechtssprechung

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Ergebnisse Zentrale Rechtsquelle des Sozialrechts ist das Gesetz. § 31 SGB I ordnet für das deutsche Sozialrecht den vollständigen Gesetzesvorbehalt an. Die Begründung von Leistungsansprü-chen bedarf immer einer gesetzlichen Grundlage. Umgekehrt sind Vereinbarungen zwi-schen Sozialleistungsträgern, die gesetzliche Ansprüche zu Lasten von Leistungsberechtig-ten einschränken, nichtig. Für öffentlich-rechtlich zu qualifizierende Vereinbarungen folgt dies aus dem allgemeinen Rechtstaatsprinzip, für privatrechtliche Vereinbarungen ordnet § 32 SGB I die Nichtigkeit an.

Die Leistungsgesetze der Rehabilitationsträger enthalten zahlreiche Ermächtigungen zur Regelung von Leistungsinhalten oder Modalitäten der Leistungserbringung in trägerüber-greifenden (Rahmen-) Vereinbarungen. Ohne ausdrückliche Ermächtigung sind Rahmen-vereinbarungen möglich, wenn und solange sie eine einheitliche und koordinierte Leistungs-erbringung bewirken und damit eine den Gemeinsamen Empfehlungen gem. § 13 SGB IX vergleichbare Zielsetzung verfolgen. Das BSG hat daher zu Recht eine fehlende ausdrückli-che Ermächtigungsgrundlage für die Rahmenvereinbarung nicht beanstandet.

Die Rahmenvereinbarung Rehabilitationssport / Funktionstraining kann am ehesten als sog. Normenvertrag charakterisiert werden. Sie konkretisiert abstrakt-generell sozialrechtliche, subjektiv-öffentliche Ansprüche von Versicherten der GKV. Gleichzeitig regelt sie die Teil-nahme von Leistungserbringern am Leistungsgeschehen. Leistungserbringerverbände und Behindertenverbände sind am Abschluss der Rahmenvereinbarung beteiligt.

Rehabilitationssport und Funktionstraining können nach der Rahmenvereinbarung zu Lasten der GKV nur nach einer ärztlichen Verordnung durchgeführt werden. Diese Verordnung stellt eine nach § 21 Abs. 1 Nr. 2 SGB X zulässige gutachterliche Stellungnahme im Rah-men des Antragsverfahrens dar. Sie belastet den Versicherten selbst nicht übermäßig und ermöglicht den einzelnen Krankenkassen eine vergleichbare Entscheidungs- und Bewilli-gungspraxis auf fundierter medizinischer Grundlage nach einheitlichen Kriterien. Unzulässig wären dagegen Regelungen, die bei der individuellen Bedarfsfeststellung zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Begrenzung des Beurteilungsspielraums des Rehabilitationsträgers oder zu einem uneinheitlichen Bewilligungsverfahren führen würden.

Mit dem Leistungsrecht vereinbare Regelungen der Modalitäten der Durchführung der Leis-tung beziehen sich auf die Häufigkeit, die Frequenz und die Dauer der einzelnen Übungen, auf die Überprüfung der individuellen Anspruchsvoraussetzungen durch die Reha-Träger sowie auf die Qualifikation der Anbieter. Sie berühren nicht den Kern des Anspruchs, son-dern tragen vielmehr zu einer einheitlichen Leistungserbringung für eine Vielzahl von Versi-cherten und Rehabilitationsträgern bei.

Mit dem Leistungsrecht unvereinbare Begrenzungen des individuellen Leistungsanspruchs sind dagegen unwirksam. Dazu zählen vor dem Hintergrund der für die GKV relevanten Vorschriften vor allem Antritts- oder Ausschlussfristen, die Rehabilitationssport oder Funkti-onstraining auf einen bestimmten Zeitraum nach einer Krankenbehandlung festlegen oder die Leistungsdauer trotz weiter bestehenden Bedarfs begrenzen.

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Literatur Axer, P. (2000): "Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung" LSG Nordrhein-

Westfalen, Urteil vom 10.05.2007 (L 5 KR 189/06), BSG, Urteil vom 17.06.2008 (B 1 KR 31/07 R).

Hänlein, A. (2001): "Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht: System und Legitimation".

Sozialgerichtliche Mediation im Rehabilitationsrecht

Ulrich, P. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Halle

Einleitung Die Fülle der zum Thema "Mediation" allein in den letzten fünf Jahren veröffentlichten Mate-rialien, die Gründung von wissenschaftlichen Vereinigungen, die Durchführung einschlägiger Veranstaltungen sowie das zahlreiche Angebot an Ausbildungsgängen könnten den Ein-druck erwecken, bei der Mediation handele es sich um eine neuartige Entwicklung der letz-ten Jahrzehnte. Tatsächlich ist sie aber nicht etwa in jüngerer Zeit von Amerika nach Europa gelangt, sondern hat bei uns eine eigene, Jahrhunderte alte Geschichte.

In fast jedem Konflikt lässt sich eine - oftmals verborgene - Lösung finden, die für alle Betei-ligten akzeptabel oder sogar besonders günstig sein kann. Mediation ist die Kunst, diesen Weg zu ebnen. Der Mediator bedient sich eines bestimmten Verfahrens, um die Kommuni-kation zu fördern und so Bewegung in einen festgefahrenen Streit zu bringen. Die Beteilig-ten erhalten mit Unterstützung des Mediators Gelegenheit, ihr Problem selbstständig zu lö-sen. Dabei vermittelt der Mediator, schafft eine konstruktive Gesprächsatmosphäre und sorgt für einen fairen Umgang miteinander. Ihm steht jedoch keine Entscheidungskompe-tenz zu. Insbesondere ist der richterliche Mediator kein "Ersatzrichter", der die Erfolgsaus-sichten eines Antrages einschätzen soll. Da während der Mediation aber auch Stärken und Schwächen der jeweiligen Rechtsposition thematisiert werden, ist das Recht unverzichtbarer Bestandteil der gerichtlichen Mediation (Überblick bei Koch, 2005).

Hintergrund Nachdem die Mediation auch in der Sozialgerichtsbarkeit Einzug gehalten hat (Niedersach-sen z. B. 2002, Bayern 2006), wird sie seit Januar 2009 nunmehr auch in Sachsen-Anhalt angeboten. Ihre Vorteile gegenüber dem streitigen Gerichtsverfahren sind etwa:

- Es steht mehr Zeit zur Verfügung. Hintergründe des Konflikts und die Interessen der Be-teiligten können besser herausgearbeitet und berücksichtigt werden.

- Die Beteiligten selbst bestimmen, wie ihr Streit gelöst wird. So kann eine tragfähige Be-ziehung für die Zukunft erhalten oder wieder geschaffen werden.

- Durch die Mediation können auch weitere Konflikte, die die Beteiligten belasten, gelöst und beigelegt werden.

- Eine Mediation kann äußerst kurzfristig stattfinden, so dass sie erforderlichenfalls sogar schneller als ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren zum Ziel führen kann.

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Vor diesem Hintergrund erscheint die Mediation gerade für den Bereich des Rehabilitations-rechts prädestiniert. Denn die vom Gesetz als soziales Recht zur Teilhabe (§§ 2 und 10 SGB I) bereitgestellten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Ar-beitsleben, zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft oder begleitenden unterhaltssi-chernden und anderen ergänzenden Leistungen (§ 29 SGB I) bergen nicht nur wegen ihres Umfangs ein erhebliches Streitpotential. Vielmehr wird dieses noch durch die Struktur des Rehabilitationsrechts als gegliedertes System mit verschiedenen Rehabilitationsträgern und unterschiedlichen Leistungsgesetzen (§ 7 SGB IX) potenziert (anschaulich Welti, 2009). Demgegenüber ist die Rehabilitation jedoch auf eine unverzügliche Leistungserbringung ausgerichtet, um ihr Ziel, eine bestimmte Funktionsstörung nicht zu einer dauerhaften Ein-schränkung/Beeinträchtigung der persönlichen, sozialen und/oder beruflichen Lebensum-stände werden zu lassen (Prävention vor Rehabilitation - § 3 SGB IX), erfüllen zu können. Überdies unterliegt die Leistungsgewährung im Hinblick auf Art, Umfang und Durchführung im Regelfall dem pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltung (§ 40 Abs. 3 SGB V, § 9 Abs. 2 SGB VI oder § 26 Abs. 5 SGB VII), wobei allerdings die Wünsche des Versicherten zu be-rücksichtigen sind (§ 19 Abs. 2 SGB IX). Obgleich der Gesetzgeber etwa mit der Zuständig-keitsklärung nach § 14 SGB IX (dazu Ulrich 2008 sowie Lauterbach vor § 97 SGB III RN 17 ff.) die Grundlage für eine unverzügliche Sicherstellung von Rehabilitationsleistungen ge-schaffen und die hierzu ergangene (höchstrichterliche) Rechtsprechung zur zusätzlichen Klärung beigetragen hat, scheinen die damit verbundenen rechtlichen Konsequenzen in der Verwaltungspraxis noch nicht immer angekommen zu sein. Auch das einstweilige Rechts-schutzverfahren (dazu Lode, 2009) bietet unter Umständen keine hinreichende Abhilfe bzw. wird von ihm nur zögerlich Gebrauch gemacht.

Beispiele rehabilitationsbezogener Mediation Dagegen hat sich z. B. in vier Verfahren, in denen es um die Hilfsmittelgewährung für eine schwerstbehinderte Klägerin bzw. deren Anspruch auf ein geschlossenes Sterilwassersys-tem bei der Versorgung mit Flüssigsauerstoff, die Gewährung eines Zuschuss für ein Kfz, die Versorgung mit einem digitalen Hörgerät sowie die Erbringung einer Physiotherapie zur Behandlung von Halswirbelsäulenbeschwerden ging, gezeigt, dass mit mediativen Mitteln eine sachgerechte und zeitnahe Konfliktbewältigung gefunden werden konnte. Diese Tatsa-che belegt, dass die sozialgerichtliche Mediation ein probates Instrument darstellt, das An-liegen der Rehabilitation in ein greifbares Ergebnis umzusetzen.

Literatur Koch (2005): NJ, 101. Lauterbach (2008): In: Gagel, SGB III, Stand August 2008, Vor §§ 97 bis 115 ff. Lode (2009): SGb 2009, 211. Ulrich (2008): SGb 2008, 452 Welti (2009): BG 2009, 401.

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Orthopädische/rheumatologische Rehabilitation I

Angst und Depression bei bandscheibenoperierten Patienten - Prävalenz, Kosten und Konsequenzen

Zieger, M. (1), Konnopka, A. (2), Günther, L. (3), Meixensberger, J. (4), Meisel, H.J. (5), Stengler, K. (6), König, H.-H. (2), Riedel-Heller, S.G. (1,7)

(1) Professur für Public Health, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Universität Leipzig, (2) Professur für Gesundheitsökonomie, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Universität

Leipzig, (3) Klinikum St. Georg gGmbH, Klinik für Neurochirurgie, (4) Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie, Universität Leipzig, (5) Klinik für Neurochirurgie, BG-Kliniken Bergmannstrost, (6) Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie,

Universität Leipzig, (7) Selbständige Abteilung Sozialmedizin, Universität Leipzig

Hintergrund Laut Statistiken der Deutschen Rentenversicherung bezogen 2007 in Deutschland 6.843 Menschen Erwerbsminderungsrenten aufgrund einer bandscheibenbedingten Erkrankung. Frühberentungen gehen oft mit einer schlechteren wirtschaftlichen Situation und mit sozialer Stigmatisierung der Betroffenen einher. Lange Krankenzeiten bedeuten jedoch auch einen hohen Verwaltungsaufwand, praktische und wirtschaftliche Kosten für den Arbeitgeber und die Gesellschaft (Selander et al., 2002). Bisher liegen sehr wenige Untersuchungen zu psy-chischer Komorbidität bei Bandscheibenoperierten vor. Am häufigsten werden Depressivität und Angststörungen beschrieben. Präsentiert werden erste Ergebnisse einer von der Deut-schen Rentenversicherung Bund geförderten Längsschnittuntersuchung zu psychischer Komorbidität und Frühberentung in einer Mitteldeutschen Bandscheibenkohorte.

Fragestellung Welche Prävalenzraten für Angst- und Affektive Störungen zeigen sich bei bandscheiben-operierten Patienten und wie unterscheiden sich diese von Prävalenzraten in der deutschen Allgemeinbevölkerung? Wie entwickeln sich Angst- und Depressivitätsraten im Verlauf von 9 Monaten nach der Bandscheibenoperation? Welchen Einfluss hat die psychische Komorbi-dität auf die gesundheitsökonomischen Kosten, die Lebensqualität und die Arbeitsfähigkeit bei Bandscheibenoperierten?

Methodik Die Studie bezieht sich auf eine konsekutiv erhobene Stichprobe von n = 305 bandschei-benoperierten Patienten zwischen April 2007 und Oktober 2008. Es wurden ausschließlich deutschsprachige Patienten zwischen dem 18. und 55. Lebensjahr befragt. Die Baseline-Befragung fand in Form eines Face-to-Face-Interviews im Akutkrankenhaus durchschnittlich 3,5 Tage (Median) nach der Bandscheibenoperation statt. 277 Patienten (Dropout-Rate: 9,2 %) nahmen ebenso am Follow-up 1 drei Monate später, 260 Patienten (Dropout-Rate: 14,8 %) nahmen ebenso am Follow-up 2 neun Monate später teil. Angst- und Affektive Stö-rungen wurden mithilfe des Composite International Diagnostic Interview - Diagnostisches

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Expertensystem für Psychische Störungen (CIDI / DIA-X) (Wittchen et al., 1997) erhoben. Die Daten wurden mit Prävalenzraten der deutschen Allgemeinbevölkerung aus dem Zu-satzsurvey "Psychische Störungen" des Bundes-Gesundheitssurveys 1998 (Jacobi et al., 2004) verglichen. Der Verlauf von Angst- und Depressivitätsraten wurde mithilfe der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS-D) (Herrmann et al., 1995) erhoben. Gesundheits-ökonomische Kosten wurden mittels eines Kostenbuches, die gesundheitsbezogene Le-bensqualität wurde mit dem Fragebogen zum Gesundheitszustand (SF-36) (Bullinger, Kirchberger, 1998) erfasst.

Ergebnisse Bandscheibenoperierte Patienten weisen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein höhe-res Risiko auf, an Affektiven Störungen zu leiden. Angst- und Depressivitätsraten sind zum Zeitpunkt der Behandlung im Akutkrankenhaus signifikant höher als in der deutschen Allge-meinbevölkerung. Zwar nimmt Angst und Depressivität signifikant im Verlauf von 9 Monaten nach der Bandscheibenoperation ab, jedoch liegen die Angstraten bei bandscheibenoperier-ten Patienten 3 und 9 Monate später noch immer signifikant über den Raten in der deut-schen Allgemeinbevölkerung. Psychische Komorbidität ist ein signifikanter Risikofaktor für höhere direkte Kosten (p = 0.043) bei Bandscheibenoperierten. Die direkten Kosten liegen im Mittel bei psychisch komorbiden Bandscheibenoperierten um 11 % (zervikal) bzw. 20 % (lumbal) höher als bei psychisch gesunden Patienten. Psychische Komorbidität ist ebenso ein signifikanter Risikofaktor für eine schlechtere gesundheitsbezogene Lebensqualität (p=.000), sowie für Arbeitsunfähigkeit (OR = 3,534, p = 0.034) bei Bandscheibenoperierten.

Diskussion und Schlussfolgerung: Bandscheibenoperierte Patienten weisen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein höheres Risiko auf, an Affektiven Störungen zu leiden. Trotz einer Abnahme von Angst und Depressivität im Zeitverlauf, ist die psychische Belastung im Zeit-verlauf von bis zu 9 Monaten immer signifikant erhöht. Die wenigen Studien, die sich bisher dieser Thematik genähert haben, konnten einen negativen Einfluss von psychischer Komor-bidität auf den postoperativen Outcome, Arbeitsfähigkeit, Analgetikamissbrauch, Schmerz-empfinden sowie abnormes Krankheitsverhalten bei Bandscheibenoperierten zeigen. Ein stärkeres Augenmerk auf das seelische Befinden in Anschlussheilbehandlungen und ambu-lanten Settings könnte den Rehabilitationserfolg und beruflichen Einstieg von Bandschei-benoperierten verbessern helfen, sowie direkte Kosten senken.

Literatur Bullinger, M., Kirchberger, I. (1998): SF-36 Fragebogen zum Gesundheitszustand. Handan-

weisung. Göttingen: Hogrefe. Herrmann, C., Buss, U., Snaith, R.P. (1995): HADS-D Hospital Anxiety and Depression Sca-

le - Deutsche Version. Ein Fragebogen zur Erfassung von Angst und Depressivität in der somatischen Medizin. Testdokumentation und Handanweisung (1. Auflage). Bern: Verlag Hans Huber.

Jacobi, F., Wittchen, H.-U., Hölting, C., Höfler, M., Pfister, H., Müller, N., Lieb, R. (2004): Prevalence, co-morbidity and correlates of mental disorders in the general population: re-sults from the German Health Interview and Examination Survey (GHS). Psychological Medicine, 34. 597-611.

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Selander, J., Marnetoft, S.U., Bergroth, A., Ekholm, J. (2002): Return to work following voca-tional rehabilitation for neck, back and shoulder problems: risk factors reviewed. Disability and Rehabilitation, 24. 704-712.

Wittchen, H.U., Pfister, E. (1997): Instruktionsmanual zur Durchführung von DIA-X Inter-views. Frankfurt: Swets, Zeitlinger B.V. Swets Test Services.

Zur langfristigen Wirksamkeit eines Trainings zur Depressionsbewältigung für Patienten mit chronisch

unspezifischem Rückenschmerz und Depressivität in der stationären orthopädischen Rehabilitation

Hampel, P. (1,2), Gräf, T. (3), Krohn-Grimberghe, B. (4), Mantel, F. (5), Tlach, L. (6) (1) ehemals Stiftungsprofessur "Rehabilitationspsychologie" der Deutschen

Rentenversicherung Oldenburg-Bremen, (2) Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit, Fachhochschule Kiel, (3) Montanus-Klinik, Bad Schwalbach, (4) Rheuma-Klinik Bad

Wildungen, (5) Deutsche Rentenversicherung Oldenburg-Bremen, (6) Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Universität Bremen

Hintergrund Depressivität gehört zu den häufigsten psychischen Beeinträchtigungen bei chronischem Rückenschmerz (Härter et al., 2002) und scheint mit einem geringeren Rehabilitationserfolg zusammenzuhängen (Mohr et al., 2008; Watson et al., 2004). Allerdings wurde der Einfluss der psychischen Beeinträchtigungen in der stationären orthopädischen Rehabilitation von Patienten mit chronisch unspezifischem Rückenschmerz in Deutschland bislang häufig un-terschätzt und nicht beachtet (Hüppe, Raspe, 2005). Infolgedessen wurde eine multimodale und interdisziplinäre Rehabilitationsmaßnahme für Patienten mit chronischem Rücken-schmerz und Depressivität entwickelt, die ein kognitiv-behaviorales Depressionsbewälti-gungstraining als wesentliche Komponente enthielt. In unserer 1-Jahres-Follow-up-Studie konnten günstige Effekte der neuen Maßnahme auf das psychische Befinden festgestellt werden (Hampel et al., 2009a, b)*.

Es sollte untersucht werden, ob Patienten mit erhöhter Depressivität langfristig von einer störungsspezifischen kognitiv-behavioralen Intervention profitieren.

Methodik Die Studie bezog eine konsekutive Stichprobe von 153 Patienten mit chronisch unspezifi-schen Rückenschmerzen (69 Frauen, 84 Männer; Alter: M=51 Jahre; ICD-10 Diagnosen: M54.4, M54.5) ein, die einer drei- bis vierwöchigen stationären orthopädischen Rehabilitati-on in der Rheumaklinik Bad Wildungen oder der Montanus-Klinik in Bad Schwalbach zuge-wiesen wurden. In einem dreifaktoriellen Design wurden die Rehabilitationseffekte auf sozi-almedizinische und psychosoziale Kennwerte vor, unmittelbar nach, 6, 12 und 24 Monate nach der Rehabilitation in Abhängigkeit von der experimentellen Bedingung und vom Ge-

* Die Studie wurde finanziert durch die Deutsche Rentenversicherung Oldenburg-Bremen.

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Depressivität: "Bedingung x Zeit"F(7.1, 519.5)=4.77, p<0.001, η²=0.06

schlecht untersucht. Eine Standardrehabilitation mit einem vierstündigen Schmerzbewälti-gungstraining wurde mit Patienten mit niedriger Depressivität (Kontrollgruppe, KG) und mit Patienten mit mittlerer oder hoher Depressivität (KGdepr) durchgeführt. Eine dritte Gruppe von Patienten mit mittlerer und hoher Depressivität erhielt zusätzlich ein fünfstündiges kog-nitiv-behaviorales Modul zur Depressionsbewältigung (Interventionsgruppe, IGdepr).

Ergebnisse Insgesamt konnten keine geschlechtsabhängigen Rehabilitationseffekte festgestellt werden. Alle Patienten profitierten kurzfristig von der Rehabilitation. In den schmerzbezogenen Kennwerten bildete sich dieser Effekt jedoch mittel- oder langfristig zurück. Im psychischen Befinden hingegen zeigten sich mittel- und langfristige Rehabilitationseffekte in Abhängigkeit von der experimentellen Bedingung: Bei Patienten der KGdepr zeigten sich mittel- und lang-fristig keine günstigen Effekte auf die Depressivität (vgl. Abb. 1). Dagegen waren bei den Patienten der IGdepr noch 24 Monate nach Rehabilitationsende reduzierte Depressivitätswer-te zu beobachten. Außerdem ergab sich, dass die Patienten der KG sechs und 24 Monate nach der Rehabilitation höhere Werte in der Depressivität aufwiesen. In der Angst profitier-ten Patienten in der KGdepr und der IGdepr auch noch 12 Monate nach der Rehabilitation, wo-bei eine Stabilität dieses Effektes über zwei Jahre lediglich in der IGdepr erzielt werden konn-te (vgl. Abb. 2). Auch weitere psychische Befindensmaße waren in der KGdepr weder mittel- noch langfristig verbessert. Die IGdepr zeigte jedoch noch sechs Monate nach der Maßnah-me eine bedeutsam gesteigerte psychische Lebensqualität (ES=0.78), eine reduzierte schmerzbedingte Hilflosigkeit/Depression (ES=0.53) sowie eine verminderte schmerz-bedingte Angst (ES=0.56). Diese Effekte waren jedoch langfristig nicht stabil.

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Abb. 1: Mittlere Verläufe für die ADS-Depressivität in Abhängigkeit von der experimentellen Bedingung

(Anmerkungen: eingezeichnet sind nur Signifikanzen der abhängigen Vergleiche für prä vs. 6, 12 und 24 Monate).

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Abb. 2: Mittlere Verläufe für die HADS-Angst in Abhängigkeit von der experimentellen Bedingung (Anmer-

kungen: eingezeichnet sind nur Signifikanzen der abhängigen Vergleiche für prä vs. 6, 12 und 24 Monate).

Diskussion und Schlussfolgerungen Im Langzeitverlauf konnten in den psychologischen Parametern günstige Effekte der Reha-bilitationsmaßnahme für die IGdepr nachgewiesen werden, während die KGdepr nicht stabil profitierte. Es kann demnach angenommen werden, dass das Training zur Depressionsbe-wältigung dem zusätzlichen psychologischen Behandlungsbedarf von Patienten mit chro-nisch unspezifischen Rückenschmerzen mit komorbider Depressivität gerecht wird, langfris-tig den Rehabilitationserfolg verbessert und somit einer weiteren Chronifizierung entgegen-wirkt. Allerdings sollten die bei allen Patienten lediglich kurzfristigen Rehabilitationseffekte auf körperlicher Ebene über Nachsorgemaßnahmen stabilisiert werden. Zudem ist zu erwar-ten, dass die kurz- und mittelfristig günstigen Rehabilitationseffekte des neuen Depressi-onsbewältigungstrainings auf die psychische Lebensqualität und die schmerzbezogene psy-chische Beeinträchtigung durch Nachsorgemaßnahmen ausgebaut werden könnten.

Literatur Härter, M., Baumeister, H., Reuter, K., Wunsch, A., Bengel, J. (2002): Epidemiologie ko-

morbider psychischer Störungen bei Rehabilitanden mit muskuloskeletalen und kardio-vaskulären Erkrankungen. Die Rehabilitation, 41. 367-374.

Hampel, P., Gräf, T., Krohn-Grimberghe, B., Tlach, L. (2009a): Effects of gender and cogni-tive-behavioral management of depressive symptoms on rehabilitation outcome among inpatient orthopedic patients with chronic low back pain: a 1 year longitudinal study. European Spine Journal. doi:10.1007/s00586-009-1080-z.

Hampel, P., Tlach, L., Gräf, T., Krohn-Grimberghe, B., Mantel, F., Mohr, B. (2009b): Zur Wirksamkeit eines Trainings zur Depressionsbewältigung für Patienten mit chronisch un-spezifischem Rückenschmerz in der stationären Rehabilitation - Eine 1-Jahres-Follow up-Studie. DRV-Schriften, Bd. 83. 322-325.

Hüppe, A., Raspe, H. (2005): Die Wirksamkeit von stationärer medizinischer Rehabilitation in Deutschland bei chronischen Rückenschmerzen: Aktualisierung und methodenkritische Diskussion einer Literaturübersicht. Die Rehabilitation, 44. 24-33.

Angst: "Bedingung x Zeit" F(7.1, 520.4)=3.10, p=0.003, η²=0.040

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Watson, P.J., Booker, C.K., Moores, L., Main, C.J. (2004): Returning the chronically unem-ployed with low back pain to employment. European Journal of Pain, 8. 359-369.

Veränderungen der subjektiven Befindlichkeit bei Patienten und Patientinnen mit chronischen Rückenschmerzen bei stationärem Reha-

Aufenthalt - Ergebnisse einer qualitativen Teilstudie

Müller, M. (1), Härtel, U. (1), Gottfried, T. (2) (1) Humanwissenschaftliches Zentrum, Ludwig-Maximilians-Universität München,

(2) Klinik Höhenried gGmbH, Bernried

Hintergrund und Fragestellung Im Bereich der orthopädischen Rehabilitation liegen bisher nur wenige Studien vor, die die Unterschiede zwischen Männern und Frauen bezüglich der Wirkung therapeutischer Maß-nahmen systematisch untersuchen. Auch über die möglicherweise unterschiedliche Wahr-nehmung und Deutung von Veränderungen des Gesundheitszustandes während des Reha-Aufenthalts ist wenig bekannt. In einer in der Klinik Höhenried durchgeführten prospektiven Kohortenstudie wird untersucht, ob die derzeitige Standardtherapie in der Orthopädie bei Männern und Frauen physisch und psychosozial gleichermaßen erfolgreich ist und welche Faktoren unter genderspezifischen Gesichtspunkten die Prognose beeinflussen.

Im Rahmen dieser Studie, deren Patienten-Rekrutierung bei einer angestrebten Stichprobe von 220 Patient/innen noch andauert, wurde eine qualitative Teilstudie durchgeführt. Ziel der qualitativen Teilstudie war es, zu analysieren, welche subjektiven - und genderspezifischen - Wahrnehmungen bezüglich der Veränderung der Befindlichkeit vorliegen und auf welche Erfahrungen während der Reha diese zurückgeführt werden.

Methodik In der qualitativen Teilstudie wurde mit 16 Patient/innen am Ende des Reha-Aufenthalts ein leitfadengestütztes Interview zu den Themen "Subjektive Wahrnehmung und Bewertung des Befindens" geführt. Die Analyse erfolgte anhand einer verkürzten Grounded-Theory-Strategie.

Ergebnisse Fast alle Befragten - Männer wie Frauen - nehmen eine allgemeine gesundheitliche Besser-ung wahr. Physisch wird die Besserung vorrangig auf die Beweglichkeit bezogen - bei den Schmerzen wird hingegen kaum eine Besserung wahrgenommen. Mit diesem unveränder-ten Status Quo der Schmerzen erfolgt jedoch kein frustrierter, sondern eher ein fatalistischer Umgang ("Mir reichts eigentlich schon, dass ich mich fast wieder normal bewegen kann").

Zentral wird - und dies wird vor allem von den Frauen thematisiert - eine positive Veränder-ung des subjektiven (seelischen) Wohlbefindens wahrgenommen, die eine Reihe von unter-schiedlichen Aspekten umfasst: u. a. das Schöpfen neuer Energie ("Ich habe Kraft jetzt und ich weiß, dass ich kann kämpfen"); der Aufbau körperlicher Selbstwahrnehmung ("Ich fühle, dass ich Muskeln habe und das macht mich sehr froh"); der Abbau von Ängsten ("20 Jahre

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habe ich Angst vor dem Wasser gehabt, aber jetzt habe ich es geschafft") oder die Klärung eines neuen Lebensabschnitts (durch Einreichung des Rentenantrags).

Die allgemeine Verbesserung des Gesundheitszustandes wird sowohl von den Patientinnen als auch Patienten allgemein auf die Kombination aller Therapien zurückgeführt. Von den Männern werden die Verbesserungen direkt und vorrangig mit den Komponenten/Inhalten einzelner Therapien verbunden (v. a. Massagen, Rückenschwimmen und Kranken-gym-nastik). Für die Frauen stehen im Vordergrund nicht so sehr die Art der Therapie als viel-mehr die Möglichkeit der Mitsprache ("Massagen waren sehr gut, da konnt ich sagen, weiter oben, weiter unten") und der Eigenanteil am Erfolg ("Bin sehr diszipliniert mit mir umgegan-gen").

Für die Verbesserung des Allgemeinzustands wird den therapieunabhängigen Reha-Rahmenbedingungen eine zentrale Rolle zugeschrieben: u. a. das Ausbleiben des alltägli-chen Stresses ("Weil ich nix machen brauch, ich brauch nicht waschen, nicht kochen"); die (räumliche und gedankliche) Distanz von zu Hause ("Ich hab keine Sorgen, weil ich denk nicht an zu Hause, was die anstellen"). Unter genderspezifischen Gesichtspunkten ist dies ein interessantes Ergebnis, da es bei allen Patientinnen und Patienten auftritt, die für den Alltag sog. Doppelbelastungen äußern (also z. B. als alleinerziehender berufstätiger Vater).

Schlussfolgerungen Subjektive Wahrnehmung und Deutung von Verbesserungen des allgemeinen Wohl-befindens während des Reha-Aufenthalts spielen neben physischen Veränderungen eine zentrale Rolle bei den untersuchten Patienten und Patientinnen mit chronischen Rücken-schmerzen. Für eine erfolgreiche Reha-Nachsorge gilt es, die damit in Verbindung stehen-den genderspezifischen Komponenten schon während des Reha-Aufenthalts stärker zu be-rücksichtigen.

Motivation zur Umsetzung von Bewegungsaktivitäten 4 Wochen nach Reha-Ende bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen

Beck, L. (1), Mattukat, K. (1), Ehlebracht-König, I. (2), Kluge, K. (3), Schmidt, H. (1), Mau, W. (1)

(1) Institut für Rehabilitationsmedizin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, (2) Rehazentrum Bad Eilsen, (3) Teufelsbad Fachklinik Blankenburg

Hintergrund und Ziel der Untersuchung Regelmäßige körperliche Aktivität geht bei Patienten mit chronischen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen mit einer Verbesserung der Funktionskapazität einher (De Jong et al., 2003). Zur langfristigen Sicherung des Reha-Erfolges wird den Rehabilitanden neben der Verordnung entsprechender Nachsorgeleistungen empfohlen, nach der Rehabili-tation auch eigeninitiativ körperlich aktiv zu sein. Da es vielen Rehabilitanden nicht gelingt, ihre positiven Absichten umzusetzen (Lippke, Schwarzer, 2007), muss die Realisierung der Bewegungsaktivitäten gezielt unterstützt werden (Mattukat et al., 2009).

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Deshalb wird im vorliegenden Projekt* während der stationären Rehabilitation ein intensives Kraft-, Ausdauer- und Koordinationstraining (KAKo-Training) bei Patienten mit chronischen Polyarthritiden (cP) oder Spondyloarthritiden (SpA) in geschlossenen Gruppen durch eine systematische Motivationsarbeit vor dem Hintergrund des Transtheoretischen Modells (TTM) ergänzt und dessen Erfolg im Ein-Jahres-Verlauf untersucht.

Methoden Die Studie wird bei Rehabilitanden mit cP oder SpA im Reha-Zentrum Bad Eilsen und der Teufelsbad Fachklinik Blankenburg durchgeführt. Teilnehmer der Interventionsgruppe (IG) werden zu fünf Messzeitpunkten über ein Jahr befragt. Für die Analysen wurden Daten von bisher 105 Rehabilitanden der IG einbezogen, die die Zeitpunkte T1 (Reha-Beginn), T2 (Reha-Ende) und T3 (4 Wochen nach Reha-Ende, nur in der IG) umfassen (Durchschnittsal-ter 49 [± 8] Jahre, 62 % Frauen, 77 % cP, 23 % SpA).

Ergebnisse Im Vergleich zu T1 berichteten die Rehabilitanden der IG zu T2 eine höhere Motivationsstu-fe nach dem Stufenalgorithmus des TTM (p < 0.001), eine höhere Selbstwirksamkeitserwar-tung (p <0.001) sowie positivere Entscheidungsbalance bzgl. sportlicher Aktivität (Skalen: vgl. Basler et al., 1999) (p < 0.001).

Zu T2 planten die Rehabilitanden durchschnittlich 3 (± 2) Bewegungsaktivitäten der folgen-den vier Kategorien: Bewegungsaktivitäten im Alltag (18 %), eigenständige Sportaktivitäten (97 %), Sportprogramme unter fachlicher Anleitung (14 %) und verordnete Nachsorgeleis-tungen (69 %).

Zu T3 wurden 64 % aller geplanten Bewegungsaktivitäten umgesetzt. Am häufigsten reali-siert wurden mit jeweils 75 % Bewegungsaktivitäten im Alltag (z. B. Spaziergänge) und ei-genständige Sportaktivitäten (z. B. Walking, Fahrrad fahren, Schwimmen). Die besten Um-setzungsraten erzielten sehr individuelle Sportaktivitäten, wie Yoga, Reiten, Rudern oder Tennis. Sportprogramme unter fachlicher Anleitung (z. B. Rückenschule, Aquajogging) wur-den von den Studienteilnehmern zu 53 % und verordnete Nachsorgeaktivitäten (v. a. MTT, Funktionstraining, Reha-Sport, IRENA) zu 49 % realisiert.

Diskussion und Ausblick Die Ergebnisse zeigen eine deutliche Steigerung der Bewegungsmotivation. Die Umsetzung geplanter Bewegungsaktivitäten ist jedoch noch zu verbessern. Während selbständig durch-führbare Aktivitäten gut umgesetzt werden, werden Bewegungsaktivitäten, die von äußeren Rahmenbedingungen (z. B. Kostenzusagen, Programmangebote) abhängen, zu weniger als 50 % realisiert. Mögliche Ursachen hierfür könnten in optimierbaren Steuerungsprozessen oder auch einem zu kurzen Nachbefragungszeitraum liegen. Im weiteren Studienverlauf wird untersucht, inwiefern die Intervention im Vergleich zur KG auch langfristig zu einer Fortsetzung der Bewegungsaktivitäten führt. Weiterhin ist eine Analyse von Hindernissen und Lösungswegen der gesamten IG geplant.

* Förderschwerpunkt "Versorgungsnahe Forschung: Chronische Krankheiten und Patientenorientierung"

- Förderkennzeichen: 0536 (Deutsche Rentenversicherung Bund)

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Literatur Basler, H.-D., Jäkle, C., Keller, S., Baum, E. (1999): Selbstwirksamkeit, Entscheidungsba-

lance und die Motivation zu sportlicher Aktivität - Eine Untersuchung zum Transtheoreti-schen Modell der Verhaltensänderung. Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische Psychologie, 20. 203-216.

De Jong, Z., Munneke, M., Zwinderman, A.H., Kroon, H.M., Jansen, A., Ronday, K.H., van Schaardenburg, D., Dijkmans, B.A., van den Ende, C.H., Breedveld, F.C., Vliet Vlie-land, T.P., Hazes, J.M. (2003): Is a long-term high-intensity exercise program effective and safe in patients with rheumatoid arthritis? Results of a randomized controlled trial. Arthritis & Rheumatism, 48. 2415-2424.

Lippke, S., Schwarzer, R. (2007): Maßgeschneiderte Gesundheitsförderung in der Rehabili-tation. In: Arbeitskreis Klinische Psychologie in der Rehabilitation - Fachgruppe der Sekti-on Klinische Psychologie im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) e.V. (Hrsg.): Motivation und Lebensstiländerung - Strategien und Konzepte. Bonn: Deutscher Psychologen Verlag. 15-29.

Mattukat, K., Beck, L., Ehlebracht-König, I., Kluge, K., Mau, W. (2009): Indikatoren des Be-wegungsverhaltens bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zu Be-ginn einer stationären Rehabilitation. Gesundheitswesen, 71. 518-519.

Bedürfnisse und Probleme älterer Versicherter in der medizinischen Rehabilitation

- Eine Bestandsaufnahme in der orthopädischen Rehabilitation

Deck, R. Institut für Sozialmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Lübeck

Hintergrund Allen Statistiken zufolge wird die Bevölkerung in Deutschland immer älter. Eine veränderte gesellschaftliche Altersverteilung schlägt sich auch in der Alterszusammensetzung in Reha-bilitationskliniken nieder (DRV Bund, 2008; VDR, 2003). Ältere Rehabilitanden weisen krankheitsspezifisch und krankheitsassoziiert eine andere Beschwerdelast auf als jüngere Versicherte. Ein speziell auf ältere Rehabilitanden zugeschnittenes Rehabilitations- und Therapieangebot ist nahe liegend und könnte für den längerfristigen Erfolg der Rehabilitati-on erforderlich sein. Anhand der Daten aus der "Qualitätsgemeinschaft medizinische Reha-bilitation in Schleswig-Holstein" (Deck, Raspe, 2006) wird untersucht, welche Erwartungen und Ziele ältere Versicherte mit einem Reha-Aufenthalt verbinden und welche Erfolge die Rehabilitation bei älteren Personen erzielen kann.

Material / Methoden 1.008 Patienten der Qualitätsgemeinschaft aus acht orthopädischen Reha-Kliniken (Heilver-fahren) wurden in die Analyse aufgenommen (57 % weiblich, Durchschnittsalter 53 Jahre, Anteil Patienten > 55 Jahre 44 %). Untersucht wurden u. a. Reha-Zugang und Reha-Ziele, Erwartungen, Therapieangebote und Nachsorge sowie Zufriedenheit (Einzelitems entspre-

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chend den Fragen der Qualitätssicherung der DRV Bund). Reha-Effekte wurden anhand standardisierter Skalen analysiert (u. a. SF-36, FFbH-R, FSS, Schmerzen).

Ergebnisse Ältere Patienten treten mit einem schlechteren Gesundheitszustand, einer größeren Schmerzprävalenz und größeren Funktions- und Leistungseinschränkungen die Rehabilita-tion an (p< 0.01). Entsprechend ist das vorrangige Ziel der älteren Rehabilitanden die Ver-besserung der Beweglichkeit. Erhöhung der Leistungsfähigkeit, Stressabbau und Krank-heitsbewältigung sind hingegen die Reha-Ziele jüngerer Versicherter. In die gleiche Rich-tung weisen die Reha-Erwartungen. Ältere Patienten kommen mit signifikant höheren Ren-tenerwartungen in die Reha (p<0.01), Erwartungen bezüglich Krankheitsbewältigung sind deutlich geringer ausgeprägt als bei den jüngeren Patienten (p<0.01). Trotz dieser alters-spezifischen Unterschiede beinhaltet die Rehabilitationsmaßnahme vergleichbare Therapie-angebote für die beiden Altersgruppen. Mehr noch, trotz der stärkeren Indikation für spezifi-sche Bewegungstherapien und sozialtherapeutische Beratungsangebote (Rentenerwartun-gen, subjektive Prognose der Erwerbstätigkeit) werden diese bei älteren Patienten nicht in entsprechendem Umfang vermittelt.

Hinsichtlich der Reha-Effekte vier Monate nach der Rehabilitation zeigt sich, dass ältere Pa-tienten generell nicht in dem Umfang von der Rehabilitation profitieren wie jüngere. Dies be-trifft sowohl die gesundheitsbezogenen Beeinträchtigungen, aber insbesondere die Leis-tungsfähigkeit im Beruf (p<0.05). Ältere Rehabilitanden weisen vier Monate nach der Reha ein deutlich höheres berufliches Risiko auf (p<0.01) und scheiden doppelt so häufig aus dem Berufsleben aus wie jüngere Versicherte.

Was die Intensität der ärztlichen, psychologischen und pflegerischen Betreuung betrifft, füh-len sich die Patienten unabhängig vom Alter ausreichend versorgt. Hinsichtlich der Art der Betreuung zeigt sich durchgängig eine höhere Zufriedenheit bei den älteren Rehabilitanden, die bei der ärztlichen und pflegerischen Betreuung statistische Signifikanz erreicht.

Schlussfolgerungen Ältere Patienten kommen mit unterschiedlichen Erwartungen und Zielen sowie mit spezifi-schen körperlichen Beeinträchtigungen und Schmerzen in die Rehabilitation. Unseren Daten zufolge werden die altersspezifischen Probleme und Einstellungen vor und in der Rehabilita-tion nicht hinreichend berücksichtigt. Es fehlt anscheinend an altersspezifischen Therapiedif-ferenzierungen und gezielten berufsbezogenen Angeboten für Ältere. Im Zuge der demo-graphischen und politischen Entwicklungen scheint eine stärkere Ausrichtung der Reha auf diese Rehabilitandengruppe jedoch dringend geboten.

Literatur Deutsche Rentenversicherung Bund (2008): Rehabilitation 2007. Berlin. Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (2003): VDR Statistik Rehabilitation des

Jahres 2002. Frankfurt. Deck, R., Raspe, H. (2006): Regionale Qualitätssicherung in der medizinischen Rehabilitati-

on. Qualitätsgemeinschaft medizinische Rehabilitation in Schleswig-Holstein - Hauptstu-die und Ergebnisse aus orthopädischen Kliniken. Die Rehabilitation, 45. 272-281.

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Orthopädische/rheumatologische Rehabilitation II

Schlüsselparameter zur Optimierung des Gangverhaltens in der Rehabilitation bei Patienten nach Knie- und Hüft-TEP

Jöllenbeck, T. (1,2), Neuhaus, D. (1), Grebe, B. (1) (1) Institut für Biomechanik, Orthopädische Rehabilitationsklinik Lindenplatz, Bad

Sassendorf, (2) Department Sport und Gesundheit, Universität Paderborn

Hintergrund In der Literatur finden sich erst wenige Studien zur Entwicklung des Gangverhaltens nach endoprothetischem Ersatz des Knie- oder Hüftgelenkes, die zudem nur den Zeitraum kurz vor der Operation und meist deutlich nach der Rehabilitation umfassen (Benedetti et al., 2003; Ouellet, Moffet, 2002). Wie sich das Gangverhalten der Patienten während der 3-wöchigen Rehabilitation entwickelt und welche Interventionsmaßnahmen optimale Ergeb-nisse versprechen, ist noch nicht geklärt. Aufbauend auf einer Pilotstudie (Jöllenbeck et al., 2008) soll die vorliegende Studie mittels biomechanischer Ganganalyse (Jöllenbeck, 2003; Vogt, Banzer, 2005) die wesentlichen Schlüsselparameter aufdecken.

Methodik An der Studie nahmen je 12 Patienten nach Implantation einer Knie- oder Hüft-TEP mit Vollbelastung und ohne Berücksichtigung weiterer Ausschlusskriterien teil. Als Referenz diente eine aus 8 Probanden bestehende altersadäquate Vergleichsgruppe ohne gesund-heitliche Einschränkungen (Jöllenbeck et al., 2008). Die Patienten wurden im Abstand von 7 Tagen und beginnend am 3./4. Tag ihres Aufenthaltes (∅ 24 Tage post-op) 3-mal vermes-sen. Sie wurden gebeten, auf einem Laufband (h/p/cosmos quasar med) nach angemesse-ner Gewöhnungszeit bei selbst gewählter Geschwindigkeit zu gehen. Zur Erhebung der ki-netischen und kinematischen Parameter wurde ein komplexes Instrumentarium bestehend aus einer im Laufband integrierten ganganalytischen Messtechnik (Zebris FDM-T) sowie ei-nem 3D-Ultraschall-Bewegungsanalysesystem (Zebris) eingesetzt. Die Messzeit betrug je-weils 30 Sekunden. Die Messzeitpunkte wurden untereinander und im Vergleich zur Refe-renzgruppe mittels SPSS (V. 17) statistisch analysiert.

Ergebnisse Zum Ende der Rehabilitation sind alle kinemetrischen Parameter der Patienten wie Gangge-schwindigkeit, Kadenz, Schrittlänge und sagittale Bewegungsausmaße mit Ausnahme des minimalen Kniewinkels (Knie-TEP) mindestens signifikant verbessert (Tab. 1 + 2). Bis auf Kadenz (Knie-TEP) bzw. Standphase (Hüft-TEP) verbleibt jedoch bei allen Parametern ein meist sehr signifikanter Unterschied zur Referenzgruppe. Die vertikalen Bodenreaktionskräf-te zeigen in der Dynamik als Abstand zwischen Maxima und Minimum kaum Verbesserun-gen und bleiben gegenüber der Referenzgruppe signifikant reduziert.

In der Knie-TEP-Gruppe ist das Bewegungsausmaß des operierten Knies am Ende der Re-habilitation deutlich vergrößert, bleibt jedoch hinsichtlich der Extension gegenüber der Refe-

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renzgruppe signifikant reduziert. Besonders auffällig ist, dass beim Abrollvorgang im Kniege-lenk der betroffenen Seite nahezu keine Flexions-Extensionsbewegung vorhanden ist.

In der Hüft-TEP-Gruppe zeigt sich auf der operierten Seite ein signifikant reduziertes Bewe-gungsausmaß des Hüftgelenkes, das zum Großteil durch eine reduzierte Hüftextension be-dingt ist. Gleichzeitig ist das Bewegungsausmaß des Beckens im Vergleich zur Referenz-gruppe signifikant erhöht. Besonders auffällig ist die Bewegungskopplung zwischen Be-ckenneigung und Hüftwinkel auf der operierten Seite sowie die kompensatorische Gegen-bewegung auf der kontralateralen Seite.

Parameter 1. Messung (P1) 2. Messung (P2) 3. Messung (P3) Referenz (RG) Zeitpunkt Tag 3/4 Tag 10/11 Tag 17/18 v (m/s) 0,51±0,22 0,63±0,28 0,80±0,39 1,19±0,10 K (Schrit-te/s) 0,76±0,14 0,78±0,12 0,83±0,14 0,90±0,07 DSL (m) 0,66±0,24 0,80±0,28 0,92±0,35 1,33±0,08 b-S. nb-S. b-S. nb-S. b-S. nb-S. StPh (%GZ) 67,4±3,6 68,9±4,0 65,8±4,8 66,5±4,6 65,2±4,9 65,9±4,7 63,4±1,1 KWmax (°) 41,1±12,7 47,7±10,0 43,5±9,0 52,0±7,4 48,8±9,6 51,8±7,6 60,1±3,1 KWmin (°) 1,6±6,5 -1,3±9,1 1,1±5,4 -3,4±7,2 0,1±8,8 -5,3±10,7 -8,2±2,3 TSB (*) 39,5±12,2 48,9±10,1 42,4±11,0 55,4±10,5 48,6±9,4 57,0±9,3 68,4±3,9 F1 (%KG) 99,8±5,3 103,6±3,4 100,5±3,3 103,0±5,2 100,5±5,6 107,3±7,4 108,2±5,0 F2 (%KG) 91,4±4,9 93,3±6,0 90,3±6,4 92,0±6,2 86,4±9,6 86,4±11,8 77,0±4,5 F3 (%KG) 98,4±3,3 100,8±3,3 99,7±4,8 101,4±6,5 100,5±5,5 103,5±9,6 100,5±7,0 v: Geschwindigkeit; K: Kadenz; DSL: Doppelschrittlänge; StPh: Standphase; KW: Kniewinkel; TSB: totales sagittales Bewegungsausmaß; F1: 1.vertikales Kraftmaximum; F2: zentrales vertikales Kraftminimum; F3: 2. vertikales Kraftmaximum; P1-P3: Patienten zum 1.-3. Messzeitpunkt; RG: Referenzgruppe; b-S.: betroffene Seite; nb-S.: nicht betroffene Seite

Tab. 1: Veränderungen ausgewählter ganganalytischer Parameter bei Patienten mit Knie-TEP während der stationären Rehabilitation und im Vergleich zu einer Referenzgruppe

Fazit Insgesamt zeigen sich während einer 3-wöchigen Rehabilitation nach Knie- oder Hüft-TEP signifikante Verbesserungen wesentlicher Gangparameter. Allerdings verbleiben noch deut-liche Unterschiede gegenüber einer Referenzgruppe. Die Wiederherstellung eines gleich-mäßigen und damit auch sicheren Gangbildes ist noch nicht erreicht, hierfür scheint aus bewegungs- wie trainingswissenschaftlicher Perspektive der Rehabilitationszeitraum viel zu kurz. Als Schlüsselparameter für Interventionsmaßnahmen zur Optimierung des Gangver-haltens scheint nach Knie-TEP die Normalisierung der Flexions-Extensions-Bewegung im Kniegelenk während des Bodenkontaktes, nach Hüft-TEP die Normalisierung der Becken-/Hüftbewegung von besonderer Bedeutung zu sein. Die ebenfalls defizitären Bodenreakti-onskräfte können jeweils als Folge daraus gewertet werden. In weiteren Studien sollen nun Feedbacksysteme zur Ansteuerung der Schlüsselparameter entwickelt und überprüft wer-den.

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Parameter 1. Messung (P1) 2. Messung (P2) 3. Messung (P3) Referenz

(RG) Tag 3/4 Tag 10/11 Tag 17/18

v (m/s) 0,55±0,27 0,70±0,31 0,85±0,26 1,19±0,10 K (Schritte/s) 0,76±0,12 0,78±0,11 0,82±0,11 0,90±0,07 DSL (m) 0,72±0,28 0,88±0,31 1,03±0,24 1,33±0,08 b-S. nb-S. b-S. nb-S. b-S. nb-S. StPh (%GZ) 69,1±4,7 72,0±5,5 67,4±4,3 70,1±5,1 65,2±5,3 66,6±5,2 63,4±1,1 TSB BW (°) 6,7±2,4 6,4±3,0 7,4±2,7 3,1±1,3 TSB HW (°) 22,6±9,2 38,4±7,2 26,2±10,8 40,5±6,6 27,9±9,0 43,0±9,4 42,8±6,0 TSB OW (°) 25,5±7,7 34,8±5,5 29,3±8,1 37,2±5,0 31,4±6,3 38,2±7,3 37,9±2,1 F1 (%KG) 98,3±8,7 104,4±10,2 100,1±12,2 106,8±8,7 100,0±9,5 107,9±10,9 108,2±5,0 F2 (%KG) 88,5±10,7 89,9±11,0 87,7±10,2 88,8±9,1 86,1±6,8 85,9±8,1 77,0±4,5 F3 (%KG) 97,5±5,6 99,1±6,8 102,0±3,6 102,5±4,0 102,8±6,4 102,7±6,3 100,5±7,0 v: Geschwindigkeit; K: Kadenz; DSL: Doppelschrittlänge; StPh: Standphase; BW: Beckenwinkel; HW: Hüftwinkel; OW: Oberschenkelwinkel; TSB: totales sagittales Bewegungsausmaß; F1/F3: 1./2. vertikales Kraftmaximum; F2: zentrales vertikales Kraftminimum; P1-P3: Patienten zum 1.-3. Messzeitpunkt; RG: Referenzgruppe; b-S.: betroffene Seite; nb-S.: nicht betroffene Seite

Tab. 2: Veränderungen ausgewählter ganganalytischer Parameter bei Patienten mit Hüft-TEP während der stationären Rehabilitation und im Vergleich zu einer Referenzgruppe

Literatur Benedetti, M.G., Catani, F., Bilotta, T.W., Marcacci, M., Mariani, E., Giannini, S. (2003):

Muscle activation pattern and gait biomechanics after total knee replacement. Clinical Bi-omechanics, 18. 871-876.

Jöllenbeck, T. (2003): Die Stellung der Biomechanik in der orthopädisch-traumatologischen Rehabilitation. dvs-Informationen, 18 (1). 13-17.

Jöllenbeck, T., Classen, C., Olivier, N. (2008): Veränderungen ausgewählter ganganalyti-scher Parameter bei Patienten mit Knieendoprothese während der 3-wöchigen stationä-ren Rehabilitation. DRV-Schriften, Bd. 77. 377-379.

Ouellet, D., Moffet, H. (2002): Locomotor deficits before and two months after knee arthro-plasty. Arthritis & Rheumatism, 47. 484-493.

Vogt, L., Banzer, W. (2005). Instrumentelle Ganganalyse. Deutsche Zeitschrift für Sportme-dizin, 56. 108-109.

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Stationäre Rehabilitation nach Hüft-TEP - von der Patienten-Fallgruppenbildung zur Entwicklung

bedarfsorientierter Behandlungsstandards

Peters, A. (1), Blau J.-R. (2) (1) Schwarzwaldklinik Orthopädie, Bad Krozingen, (2) MEDIAN Kliniken, Berlin

Fragestellung Bei stationären Reha-Patienten nach Hüft-TEP mit heterogenen Merkmalen ist nach Identifi-kation von Risikoindikatoren und Feststellung des Ausgangswertes im Harris-Hip-Score (HHS) die Zuordnung in Schweregradgruppen (Patientenfallgruppen) von besonderer Be-deutung (Peters, 2005). Darauf erst kann eine am Bedarf orientierte Therapie festgelegt werden (Jäckel et al., 2005; Ranneberg, Neubauer, 2005). Nach einer Studie mit 1.165 Hüft-TEP-Patienten wurden für diese Indikation Behandlungsstandards in Form von Therapie-modulen entwickelt. Hier stellt sich die Frage, inwieweit die Ergebnisse der vorliegenden Studie mit den Angaben in der orthopädischen Literatur (Heisel, 2007, 2008; Müller et al., 2009; Geidl et al., 2009) und der Pilotversion Reha-Therapiestandards (Nov. 2009) der Deutschen Rentenversicherung (KTL) übereinstimmen und wo sie von selbigen abweichen.

Methodik Aufbauend auf einer multizentrischen prospektiven Kohortenstudie (2000 - 2001) mit 1.165 Patienten zur Bildung von Patientenkategorien abhängig von der Identifikation von Einfluss-faktoren und Bewertung durch den (HHS) zu Reha-Beginn wurden am Bedarf orientierte Behandlungsmodule entwickelt und die Ergebnisse mit den Literaturangaben und der Pilot-version Reha-Therapiestandards für Hüft- und Knie-TEP-Rehabilitanden der Deutschen Rentenversicherung (KTL) abgeglichen.

Ergebnisse Grundlage für die Entwicklung der Behandlungsstandards ist die Identifikation der Risikoin-dikatoren und Zuordnung der Rehabilitanden zu einer Patientenfallgruppe mit unterschiedli-chem Schweregrad und Therapiebedarf. Mittels des Harris-Hip-Scores ließen sich 2 Schwe-regradgruppen zu Beginn der stationären Reha feststellen: Schweregradgruppe I mit gutem Ausgangswert im HHS (70,1 Punkte) und Schweregradgruppe II mit anfänglich schlechte-rem Punktwert (55,3 Punkte). Der Anteil von Rehabilitanden der schlechteren Schweregrad-gruppe II an der Gesamtklientel betrug 83 %. Weitere durch Komorbidität bedingte Einfluss-faktoren wurden durch den HHS nicht abgebildet.

Die Auswertung der Bedarfslage der Schweregradgruppen stimmte mit den KTL-Vorgaben bezüglich Bewegungstherapie weitgehend überein.

Abweichend zur Pilotversion der Deutschen Rentenversicherung differierten die am Bedarf orientierten Maßnahmen bezüglich physikalische Therapie, Ergotherapie / Alltagstraining, Information / Schulung, sozialrechtliche Beratung und psychologische Leistungen.

Im Vordergrund standen die Abweichungen für die physikalische Therapie und psychologi-sche Leistungen, wobei die Datenauswertung einen geringeren Bedarf als Soll-Standard zeigte. Maßnahmen wie ergotherapeutisches Funktionstraining sind in den zukünftigen The-

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rapiestandards der Deutschen Rentenversicherung unterrepräsentiert. Auffällig ist die all-gemeine agglomerierte, auf unterschiedliche Anteile der Gesamtklientel bezogene Mindest-vorgabe der Deutschen Rentenversicherung für alle Evidenzbasierten Therapiemodule ohne vorherige Festlegung der Bedarfslage und ohne Differenzierung zwischen Hüft- und Knie-TEP-Operierten.

Beim Vergleich mit den klinischen Empfehlungen in der Literatur fehlen ebenfalls die Zuord-nung der Rehabilitanden in Fallgruppen und die Differenzierung in bedarfsorientierte Thera-piemodule.

Die vorliegende Studie ergab einen höheren Bedarf an physiotherapeutischen Einzelleistun-gen für Patienten der Schweregradgruppe II, während Rehabilitanden der Gruppe I insbe-sondere von der Bewegungstherapie (Sport und Bewegung) profitierten.

Schlussfolgerung Mit Zuordnung der Patienten in Schweregradgruppen werden Patientenfallgruppen geschaf-fen, die die Voraussetzung für die Einführung von bedarfsorientierten Behandlungsstan-dards sowie einer zukünftig möglichen fall- und bedarfsbezogenen Vergütung in der statio-nären Rehabilitation darstellen. Die Inhalte evidenzbasierter Standards werden in Form von unterschiedlichen Therapiemodulen angeboten. Ergänzend sollte für multimorbide Rehabili-tanden zusätzlich eine individuelle Therapiegestaltung möglich sein. Auf Grundlage der Da-tenlage werden Vorschläge zur Revision der ab 2011 verbindlichen Reha-Therapiestand-ards der Deutschen Rentenversicherung für Patienten nach endoprothetischem Ersatz von Hüfte und Knie unterbreitet. Mit dem vorgelegten Konzept wird dem Ziel einer auf den spe-ziellen Bedarf ausgerichteten Behandlung entsprochen, um die orthopädischen Reha-Er-gebnisse zu optimieren und eine Fehlsteuerung von Leistungen zu vermeiden.

Literatur Deutsche Rentenversicherung (2009): Reha-Therapiestandards in der Rehabilitation von

Patienten mit Hüft- und Kniegelenksendoprothesen, Pilotversion, Stand November 2009. Online: www.deutsche-rentenversicherung.de: Pfad: Zielgruppen>Sozialmedizin und For-schung>Qualitätssicherung>Prozessleitlinien.

Geidl, W., Hendrich, S., Schöne, D., Pfeifer, K. (2009): Bewegungstherapie und sportliche Aktivität nach Hüftgelenks-Total-Endoprothese. Med. Orth. Tech. 129. 31-42.

Heisel, J., Jerosch, J. (2007): Rehabilitation nach Hüft- und Knieendoprothese. Deutscher Ärzteverlag.

Heisel, J. (2008): Rehabilitation nach endoprothetischem Ersatz von Hüfte und Knie. Ortho-päde, 37 (12). 1217-1232.

Jäckel, W.H., Müller-Fahrnow, W., Schliehe, F., Raspe, H. (2005): Indikationsleitlinien zur medizinischen Rehabilitation: Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Rehabilita-tionswissenschaften. Die Rehabilitation, 44. 379-381.

Müller, E., Mittag, O., Gülich, M., Uhlmann, A., Jäckel, W.H. (2009): Systematische Litera-turanalyse zu Therapien in der Rehabilitation nach Hüft- und Kniegelenks-Total-Endoprothesen: Methoden, Ergebnisse und Herausforderungen. Die Rehabilitation, 48. 62-72.

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Peters, A., Müller-Fahrnow, W., Dohnke, B. (2005): Median-Studie: Reha-Effekte bei H-TEP-Rehabilitanden unter Berücksichtigung unterschiedlicher Schweregradgruppen. DGOOC-Kongreß Berlin 10-2005, Vortrags-Nr.: F3-381. Abstract-Band.

Ranneberg, J., Neubauer, G. (2005): Entwicklung von Rehabilitationsbehandlungsgruppen (RBG) für die Cardiologie und Orthopädie - Ergebnisse eines Forschungsprojektes. Die Rehabilitation 44. 34-43.

Rehabilitanden-Management-Kategorien - Screeninginstrument für die Rehabilitations-Zuweisungssteuerung zur Früherkennung spezifischer

Bedarfslagen bei muskuloskeletalen Erkrankungen

Vorsatz, N. (1), Köhn, S. (2), Spyra, K. (2) (1) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin, (2) Charité - Universitätsmedizin Berlin

Hintergrund Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMK) sind bedarfs-und leistungsbezogene Fall-gruppen, die bisher u. a. für die Rehabilitation muskuloskeletaler Erkrankungen definiert wurden. Funktion der RMK als Patientenklassifikationssystem ist es, Rehabilitanden mit gleichartigem Behandlungsbedarf und vergleichbaren therapeutischen Leistungen in Fall-gruppen zusammenzufassen. Die RMK erlauben es, unter Anlehnung an das bio-psycho-soziale Modell der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) spezielle Bedarfslagen von Patientengruppen innerhalb einer Indikation zu identifizieren, zu messen und transparent zu machen. Für den Einsatz in Rehabilitationskli-niken wurde das RMK-Assessment konzipiert. Es erlaubt eine Zuordnung von Patienten zu einer der vier (Chronischer Rückenschmerz) bzw. jeweils zwei (Hüfte und Knie) definierten MSK-Bedarfsgruppen (Spyra et al., 2008). Für die RMK-Gruppen lassen sich auch gruppen-spezifische Behandlungsanforderungen für die Therapieplanung ableiten. Ein geplantes Forschungsprojekt wird ab 2010 die praktische Umsetzung der bisher empirisch und theore-tisch abgeleiteten sowie experten-konsentierten Behandlungsanforderungen untersuchen. Auf Basis des RMK-Assessments wurde nunmehr ein Screening-Instrument entwickelt, das darauf abzielt, spezifische Bedarfslagen bereits in der Zuweisungssteuerung beim Rehabili-tationsträger systematisch und effizient zu erfassen (Blume et al., 2009). Das Screening er-laubt eine aufwandsarme Vorabschätzung der Bedarfsgruppenzuordnung im Antragsverfah-ren, wobei es perspektivisch durch den Einsatz des ausführlichen RMK-Assessments in den Kliniken diagnostisch untersetzt und durch ausführliche therapierelevante Informationen er-gänzt werden soll.

Methodik Im Rahmen eines von der Deutschen Rentenversicherung Westfalen und Bund geförderten Forschungsprojektes wurde das für die Diagnosen Knie (M16), Hüfte (M17) und Chronischer Rückschmerz (ICD Schlüssel gemäß Geltungsbereich der Leitlinie Deutsche Rentenversi-cherung Bund) (Deutsche Rentenversicherung, 2009) konzipierte RMK-Screening-Instru-ment erstmals eingesetzt und an einer Stichprobe von 1.145 Patienten, davon 197 Knie, 181

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Hüfte und 767 Chronischer Rückenschmerz, auf seine psychometrischen Eigenschaften überprüft. Zusätzlich wurde eine erste Bewertung des Screenings in Form eines Workshops mit sieben Ärzten des sozialmedizinischen Dienstes der Deutschen Rentenversicherung Bund durchgeführt. Ziel war es u. a., die Akzeptanz, die Praktikabilität und den Nutzen des Screening-Instrumentes für die Zuweisungssteuerung aus Sicht des sozialmedizinischen Dienstes zu analysieren. Die Teilnehmer des Workshops beurteilten dazu den Rehabilitati-onsbedarf von Reha-Antragstellern zunächst auf Basis herkömmlicher Informationen und anschließend unter zusätzlicher Einbeziehung der Ergebnisse des Screenings für eine Stichprobe von 13 realen, anonymisierten Fällen mit Diagnose Chronischer Rückenschmerz (CR). Die Ergebnisse der insgesamt 78 Fallbeurteilungen wurden mittels verschiedener sta-tistischer Verfahren (Cohens-Kappa-Koeffizient, Kreuztabellierung) ausgewertet. Zusätzlich wurde eine standardisierte Befragung zur Bewertung des Screenings durch die Teilnehmer durchgeführt.

Ergebnisse 1. Die untersuchten Gütekriterien interne Konsistenz, Trennschärfe, Differenzierungspoten-

zial und Akzeptanz für die einzelnen Skalen der somatischen, psychischen und sozialen Dimensionen weisen gute Werte auf, so dass eine zuverlässige und präzise Messung durch das Screening-Instrument sichergestellt ist.

2 Eine Screening-konforme Bedarfsgruppenzuordnung durch den sozialmedizinischen Dienst gelingt bei herkömmlicher Beurteilung ohne Screening insbesondere bei An-tragstellern mit einer hohen psychischen Beeinträchtigung nur in rund 25 % der Fälle. Auch stimmen die Beurteiler nach herkömmlichem Verfahren bei diesen Fällen nur rela-tiv selten (Kappa 0,27) überein.

3. Die Ergebnisse der Befragung des sozialmedizinischen Dienstes zeigen, dass das Screening mehrheitlich als hilfreich für die Zuweisung eingeschätzt wird und für die ärzt-liche Entscheidung zusätzliche Informationen liefert.

Ausblick Die derzeit durchgeführte Überprüfung der prognostischen Valenz des Screening-Instru-mentes für die Bedarfsgruppenzuordnung mit Hilfe des ausführlichen RMK-Assessments an einer Kohorte wird zeigen, inwieweit die Bedarfsgruppenzuordnung durch Screening und Assessment übereinstimmen und ob damit ein kombinierter Einsatz beider Instrumente in der Praxis grundsätzlich möglich wäre.

Literatur Blume, C., Böttcher, J., Möllmann, C., Spyra, K. (2009): Rehabilitanden-Management-

Kategorien - Entwicklung eines Screenings zu den Behandlungsbedürfnissen in der Re-habilitation bei Patienten mit muskuloskeletalen Erkrankungen. DRV-Schriften, Bd. 83. 294-296.

Deutsche Rentenversicherung (2009): Leitlinie für die Rehabilitation bei chronischen Rü-ckenschmerzen Konsultationsfassung - Modulare Therapiestandards zur Reha-Qualitäts-sicherung, Stand: Februar 2009.

Spyra, K., Müller-Fahrnow, W., Blume, C., Böttcher, J., Erhart, M., Streibelt, M. (2008): Re-habilitanden-Management-Kategorien (RMKs) und die Option einer finanziellen Vergü-

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tung im Sinne von Rehabilitanden-Management-Pauschalen (RMPs). Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 80. 108-129.

Neue Aufgaben- und Rollenverteilung in der medizinischen Rehabilitation - Kliniker bewerten Vorschläge positiv

Höder, J. (1), Deck, R. (2), Möller, J. (3) (1) Rheumaklinik Bad Bramstedt (2) Institut für Sozialmedizin des Universitätsklinikums

Schleswig-Holstein, Campus Lübeck (3) Reha-Klinik Damp

Hintergrund und Fragestellung Ausgelöst durch Äußerungen des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2007) sowie durch den von Akut- und Rehakliniken verzeichneten aktuellen Ärztemangel kam es in den vergangenen Jahren zu einer breiten Diskussion der Frage, ob und wie die Aufgaben im Gesundheitswesen rationaler auf die verschiedenen Be-rufsgruppen verteilt werden können. Wie sehen das die betroffenen Akteure selbst?

Methode Wir befragten in halbstrukturierten Interviews 50 Vertreter aller patientennahen Berufe aus 5 orthopädischen Kliniken, darunter 14 Ärzte. Die beiden wichtigsten Fragen lauteten: Welche Ihrer üblichen Tätigkeiten könnten ebenso gut von anderen Mitarbeitern erledigt werden, weil sie eigentlich nicht zum Kernbereich Ihres Berufes gehören? Welche Aufgaben, die zurzeit von anderen Berufsgruppen bearbeitet werden, würden Sie auch Ihrer eigenen Berufsgruppe zutrauen? Aus diesen Interviews kristallisierten sich 15 Vorschläge heraus. Wir formulierten jeden Vorschlag in einem Text von jeweils einer halben bis dreiviertel Seite, fassten die Texte zu einem Fragebogen zusammen und legten ihn Mitarbeitern von orthopädischen/rheumatologischen Rehakliniken zur Bewertung der Sinnhaftigkeit der Aufgabenumverteilung vor. Dabei sollte von Fragen der kurzfristigen Realisierbarkeit, Stellenschlüsseln, Leistungsträgervorgaben, vermuteten Patientenreaktion usw. abgesehen werden - allein der Sinn der Vorschläge war zu bewerten. Dazu standen die Antwortkategorien sinnvoll - vielleicht sinnvoll - nicht sinnvoll zur Verfügung. Außerdem gab es die Möglichkeit zu freitextlichen Stellungnahmen.

Es galt folgende Definition: Ein Vorschlag sei umso sinnvoller,

- je mehr die vorgeschlagene Mitarbeitergruppe die zur Aufgabenbewältigung nötigen Kompetenzen mitbringt oder sie leicht erwerben kann und

- dadurch der Prozess oder das Ergebnis eines Arbeitsablaufs eine Qualitätssteigerung erhält oder

- bei annähernd gleicher Qualität kostengünstiger wird oder

- mit höherer Mitarbeiterzufriedenheit verbunden ist.

Inhaltlich waren die Vorschläge vielgestaltig. Eine größere Rolle spielten dabei die Entlas-tung der Ärzte durch eine Assistenzkraft ("Reha-Assistentin") sowie mehr Verantwortung für

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Sportlehrer/Physiotherapeuten und Psychologen, z. B. bei der Erstellung des Leistungsbil-des oder der Festlegung individueller Reha-Ziele.

Die bisher ausgewertete Stichprobe bestand aus 21 Ärzten (davon 12 in leitenden Positio-nen), 33 Pflegekräften (12 leitende), 21 Psychologen, 20 Sportlehrern und Physiotherapeu-ten und 9 aus anderen Berufen (z. B. Diätassistentin, Gesundheitsberater), davon 75 Pro-zent weiblich. Die durchschnittliche Berufserfahrung in der Rehabilitation betrug 12 Jahre.

Ergebnisse Die 15 Vorschläge wurden im Mittel von 60 Prozent als "sinnvoll", von weiteren 27 Prozent als "vielleicht sinnvoll" bewertet. Ein Summenscore über alle Vorschläge und Probanden er-gab einen Mittelwert von 73 von 100 möglichen Punkten. Die Bewertungen fielen nicht alle gleich aus. Am wenigsten Zustimmung mit 49 von 100 Punkten erhielt der Vorschlag, dass geeignete Pflegekräfte statt oder zusätzlich zu Psychologen hilfreiche Gespräche mit psy-chisch belasteten Rehabilitanden führen (obwohl sich von allen Vorschlägen dieser auf die beste wissenschaftliche Evidenz stützen kann, z. B. Gunzelmann et al., 1987). Am meisten Zustimmung fand die Vorbereitung der ärztlichen Schlussuntersuchung durch die neu zu schaffende "Reha-Assistentin" (92/100). Ebenfalls besonders positiv bewertet wurde die ei-genverantwortliche Therapiesteuerung durch Sportlehrer/Physiotherapeuten (80 Punkte) sowie die Bildung eines festen interdisziplinären Teams für die Durchführung der Gesund-heitsberatung (81). Die verschiedenen Berufsgruppen beurteilten die Vorschläge in ihrer Gesamtheit nur mit geringen Unterschieden (70 bis 77 Punkte), die in der Varianzanalyse nicht signifikant wurden. Personen in leitender Position gaben ein um etwa eine halbe Stan-dardabweichung positiveres Urteil ab (t-Test, p ≤0.02). Geschlechtsunterschiede ergaben sich kaum, ebensowenig Korrelationen mit der Berufserfahrung in Jahren.

Ausblick Insgesamt ergaben sich deutliche Hinweise darauf, dass erfahrene Kliniker in der Rehabili-tation bei muskuloskeletalen Erkrankungen es für sinnvoll halten, Ärzte und Pflegekräfte durch den neuen Beruf des Reha-Assistenten/ der Reha-Assistentin zu entlasten und Sport-lehrern, erfahrenen Physiotherapeuten und Psychologen mehr Verantwortung zu übertra-gen. In weiteren Schritten wird hierzu die Akzeptanz bei Rehabilitanden und Leistungsträ-gern erkundet.

Literatur Gunzelmann, T., Schiepek, G., Reinecker, H. (1987): Laienhelfer in der psychosozialen Ver-

sorgung: Meta-Analysen zur differentiellen Effektivität von Laien und professionellen Hel-fern. Gruppendynamik, 18. 361-384.

Höder, J., Deck, R., Möller, J. (2008): Neue Aufgaben- und Rollenverteilung in der medizini-schen Rehabilitation. DRV-Schriften, Bd. 83. 308–310.

Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2007): Ko-operation und Verantwortung. Voraussetzungen einer zielorientierten Gesundheitsver-sorgung. Gutachten 2007, Kurzfassung. URL: http://www.svr-gesundheit.de/Startseite /Kurzfassung %2.pdf. Abruf: 17.8.07.

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Orthopädische/rheumatologische Rehabilitation (Poster)

Reha-Therapiestandards für die Rehabilitation nach Hüft- und Kniegelenkstotalendoprothesen: Entwicklung einer Prozess-Leitlinie für

die medizinische Rehabilitation der Rentenversicherung

Spieser, A. (1), Mittag, O. (1), Brüggemann, S. (2), Gülich, M. (1), Müller, E. (4), Uhlmann, A. (1), Jäckel, W.H. (1,3)

(1) Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialforschung, Universitätsklinikum Freiburg, (2) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin, (3) Hochrhein-Institut für

Rehabilitationsforschung, Bad Säckingen, (4) Pädagogische Fachhochschule Freiburg

Einleitung Die Reha-Therapiestandards sind als ein Teil der Reha-Qualitätssicherung der Deutschen Rentenversicherung* konzipiert. Sie enthalten - anders als Leitlinien - keine Therapie-algorithmen für individuelle Behandlungsentscheidungen, sondern sollen dazu beitragen, das therapeutische Versorgungsgeschehen transparent zu machen, Defizite aufzudecken und eine den Anforderungen entsprechende, evidenzbasierte Versorgung mit therapeuti-schen Leistungen in der Rehabilitation zu fördern (Korsukéwitz et al., 2003). Im Fokus der Betrachtung steht nicht der einzelne Patient, sondern die Gesamtheit aller RehabilitandIn-nen einer Indikation in einer Reha-Einrichtung. Die empirische Überprüfung der Erfüllung der Anforderungen der Reha-Therapiestandards ist gleichzeitig Grundlage für eine Bewer-tung der Prozessqualität der Reha-Einrichtung.

Im Folgenden wird die Entwicklung der Therapiestandards (Pilotversion) für die Reha-bilitation nach Hüft- und Kniegelenkstotalendoprothesen (TEP) dargestellt. Sie werden der-zeit in den Reha-Einrichtungen, die von der Deutschen Rentenversicherung belegt werden, eingeführt ("Implementierungsphase").

Methodik Die Entwicklung der Reha-Therapiestandards umfasste folgende Arbeitsabschnitte: eine systematische Literaturanalyse zu Therapiestudien für die Rehabilitation nach Hüft- und Kniegelenkstotalendoprothesen (Müller et al., 2009), Fokusgruppen mit RehabilitandInnen beider Indikationen, sowie die Analyse der in KTL-Codes dokumentierten Therapien (Gülich et al., 2009). Des Weiteren wurden bei einer schriftlichen Expertenbefragung 184 orthopädi-sche Facheinrichtungen und 17 Fachgesellschaften / Berufsverbände um ihre Einschätzung der Indikation, der Dauer und Häufigkeit für vorbereitete Therapiemodule gebeten. Die Zu-sammenstellung der Ergebnisse von Literaturanalyse, Fokusgruppen, KTL-Analyse und Ex-pertenbefragung war Grundlage zur Konsentierung der Evidenzbasierten Therapiemodule (ETM) im Rahmen eines Expertenworkshops. Für jedes ETM wurden die therapeutischen

* Initiiert und gefördert durch die Deutsche Rentenversicherung Bund im Rahmen des Reha-Leitlinienpro-

gramms "Entwicklung evidenzbasierter Therapiestandards für die Rehabilitation nach Hüft- bzw. Knie-endoprothesenimplantation"

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Inhalte formuliert, die Dauer und Häufigkeit der Anwendungen pro Woche oder Rehabili-tationsaufenthalt festgelegt, der Katalog an (im Rahmen jedes Moduls individuell auszuwäh-lenden) KTL-Leistungseinheiten diskutiert sowie der Mindestanteil entsprechend zu behan-delnder Rehabilitanden bestimmt.

Ergebnis Evidenz aus randomisierten, kontrollierten Studien liegt nur für Physiotherapie und Bewe-gungstherapie nach Hüft- und Knie-TEP vor. Für alle anderen in den Therapiemodulen ein-geschlossenen Leistungen kann aus der Literaturrecherche keine oder nur eingeschränkte Evidenz für die Wirksamkeit abgeleitet werden. Für die TeilnehmerInnen der Fokusgruppen war ebenso die Physiotherapie das zentrale Element. Die schriftliche Expertenbefragung (n = 112 bis 118 je Therapiemodul) lieferte weitere wichtige Informationen. Die Notwendig-keit einer geschlechtsspezifischen Behandlung nach Hüft- und Knie-TEP wurde verneint.

Einige Therapieleistungen wie die klinische Sozialarbeit oder die Nachsorge ergeben sich aus dem gesetzlichen Auftrag der Rentenversicherung als Reha-Träger. Diese werden auch seitens der Experten als grundlegend wichtig erachtet.

Im Expertenworkshop wurde eine Unterscheidung der Vorgaben zwischen den Lokalisatio-nen Hüfte und Knie in den ETM für nicht notwendig erachtet. Für eine bedarfsgerechte, indi-viduelle Behandlung können und müssen relevante Leistungen aus den einzelnen ETM ausgewählt werden.

Die Vorgaben der 13 ETM sind Tabelle 1 zu entnehmen:

ETM-Bezeichnung Mindestdauer Häufigkeit Mindestanteil

Bewegungstherapie 6,5 Std/Wo 5 x/Wo mind. 80 %

Einzelkrankengymnastik 270 min/Reha 6 x/Reha mind. 90 %

Physikalische Therapie 180 min/Reha 6 x/Reha mind. 50 %

Bewegungsschiene 120 min/Reha 5 x/Reha mind. 20 %

Alltagstraining 60 min/Reha mind. 90 %

Gesundheitsbildung 60 min/Reha mind. 80 %

Patientenschulung TEP 90 min/Reha 2 x/Reha mind. 80 %

Ernährungsschulung 60 min/Reha mind. 20 %

Entspannungstraining 180 min/Reha 4 x/Reha mind. 10 %

Psychologische Beratung und Therapie 60 min/Reha mind. 10 %

Sozial- und sozialrechtliche Beratung 15 min/Reha mind. 75 %

Unterstützung der beruflichen Integration 30 min/Reha mind. 20 %

Nachsorge und soziale Integration 15 min/Reha mind. 50 %

Tab. 1: Überblick ETM der Reha-Therapiestandards Hüft- und Knie-TEP

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Ausblick Im Rahmen der Implementierungsphase der Reha-Therapiestandards Hüft- und Knie-TEP werden die von der Deutschen Rentenversicherung in dieser Indikation belegten Reha-Einrichtungen per Fragebogen um Rückmeldung zur Umsetzbarkeit der Therapiestandards in ihren Einrichtungen gebeten. Geplant ist, die Reha-Therapiestandards nach drei Jahren zu überarbeiten und dem aktuellen Forschungsstand anzupassen.

Literatur Gülich, M., Mittag, O., Müller, E., Uhlmann, A., Brüggemann, S., Jäckel, W.H. (2009): Er-

gebnisse einer Analyse der therapeutischen Leistungsdaten (KTL-Daten) von 5.838 Re-habilitandInnen nach Hüft. bzw. Knieendoprothesenimplantation: Wird in der Reha ge-macht, was in der Reha gemacht werden soll? Die Rehabilitation (im Review).

Korsukéwitz, C., Rose, S., Schliehe, F. (2003): Zur Bedeutung von Leitlinien für die Rehabili-tation. Die Rehabilitation, 42 (2). 67-73.

Müller, E., Mittag, O., Gülich, M., Uhlmann, A., Jäckel, W.H. (2009): Systematische Litera-turanalyse zu Therapien in der Rehabilitation nach Hüft- und Kniegelenks-Total-Endoprothesen: Methoden, Ergebnisse und Herausforderungen. Die Rehabilitation, 48. 62-72.

Die Arbeitssituation erwerbstätiger Rehabilitanden: Analyse der patientenseitig berichteten Einschränkungen durch

muskuloskeletale Erkrankungen

Müller, E. (1), Prinz, E. (1), Frey, C. (1), Bengel, J. (2), Wirtz, M. (1) (1) Abteilung Forschungsmethoden, Pädagogische Hochschule Freiburg,

(2) Institut für Psychologie,Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Einleitung Die Forschung im Bereich der Diagnostik drohender Einschränkungen der beruflichen Parti-zipation bei Rehabilitanden hat in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht (z. B. Bürger, Deck, 2009; Mittag et al., 2003). Eine differenzierte Analyse der Arbeitssituati-on in Bezug auf die patientenseitig berichteten Auswirkungen muskuloskeletaler Erkrankun-gen ist uns jedoch nicht bekannt.

In der vorliegenden Arbeit sollen folgende Fragen untersucht werden:

- In welchen Bereichen und in welchem Ausmaß liegen Beeinträchtigungen bei der Erfül-lung von Aufgaben und Anforderungen im Berufsleben vor (= Funktionsfähigkeit im Be-ruf)?

- Gibt es Unterschiede bezüglich der Funktionsfähigkeit im Beruf zwischen orthopädischen und rheumatologischen Rehabilitanden?

- Welche Auswirkungen haben die Einschränkungen der Funktionsfähigkeit auf die berufli-che Situation der Rehabilitanden?

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Methoden 621 berufstätige Rehabilitanden in sieben Rehabilitationseinrichtungen beantworteten einen Fragebogen zu ihrer beruflichen Situation (Mittelwert Alter 51,6 Jahre; 51,4 % weiblich; AU-Tage letzte 12 Monate: m = 60, sd = 78). 279 Rehabilitanden bearbeiteten alle Items, 342 Rehabilitanden jeweils 50 % der Items in einem Multi-Matrix-Testheftdesign (vgl. Carstensen et al., 2004).

Für die Skalen der Funktionsfähigkeit im Beruf (vgl. Tab. 1) wurden in Rasch-Analysen er-rechnete Personenparameter auf einen Wertebereich von 0 bis 10 transformiert (10 = ma-ximale Belastung). Mittels T-Tests wurde für die einzelnen Skalen auf Gruppenunterschiede im Belastungsniveau zwischen den Indikationsbereichen (Orthopädie/Rheumatologie) über-prüft.

Die in die Auswertung einbezogenen Einzelitems aus dem Bereich der Auswirkungen (5-stufige Skala bzgl. Zustimmung) wurden dichotomisiert (keine/mittlere Belastung = Antwort-optionen 0/1/2 vs. hohe Belastung = Antwortoptionen 3/4). Für die Auswertung der Einzel-items konnten aufgrund des Testheftdesigns nur die Daten der 279 Rehabilitanden mit voll-ständigen Testheften zugrunde gelegt werden.

Ergebnisse Wie zu erwarten, werden sowohl in Bezug auf berufliche Tätigkeiten mit hohen als auch mit geringen körperlichen Anforderungen von einem überwiegenden Anteil der Patienten mittle-re (80 bzw. 79 %) bzw. hohe (6 bzw. 3 %) Belastungen beschrieben. Des Weiteren beste-hen in der Stichprobe in großem Ausmaß Belastungen durch Erschöpfungssymptome und im Umgang mit Stress. Für die Ergebnisse weiterer Skalen vgl. Tab. 1.

Prozentualer Anteil der Rehabilitanden mit Skalenwerten von

Skalen

Funktionsfähigkeit

im Beruf

N Mittel-wert

m (sd)

0,0 – 3,3

Keine/geringe Belastung

3,4 - 6,6

Mittlere Belastung

6,7 – 10,0

Hohe Belastung

Hohe körperliche Anforde-rungen 621 4,8 (1,5) 14 % 80 % 6 %

Geringe körperliche Anfor-derungen 620 4,3 (1,4) 18 % 79 % 3 %

Erschöpfung 620 4,1 (1,6) 27 % 66 % 7 %

Umgang mit Stress 620 3,3 (1,6) 46 % 52 % 2 %

Leistungsfähigkeit 618 3,3 (2,0) 52 % 43 % 5 %

Kognitive Anforderungen 619 1,7 (1,3) 87 % 13 % 0 %

Tab. 1: Mittelwerte und prozentuale Anteile geringer/mittlerer/hoher Belastung für die Skalen der "Funktions-fähigkeit im Beruf"

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Die T-Tests zeigen auf allen sechs Skalen der Funktionsfähigkeit im Beruf signifikant höhere Belastungsniveaus für rheumatologische Rehabilitanden als für orthopädische Rehabili-tanden (p < 0,01).

Die Auswirkungen können hier nur in Auszügen dargestellt werden (n = 279, berichtet wird jeweils der prozentuale Anteil mit hoher Belastung): 62 % der Rehabilitanden geben Schmerzen und Beschwerden während der Arbeitszeit an, 40 % berichten ohne Medika-menteneinnahme nicht arbeitsfähig zu sein. Bei 32 % der Rehabilitanden leidet das Privat- und Familienleben und 30 % beschreiben Schlafstörungen.

Diskussion Die berichteten Daten ermöglichen einen aufschlussreichen Einblick in die Arbeitsplatzsi-tuation der Rehabilitanden mit muskuloskeletalen Erkrankungen. Eine Einschränkung bei der Interpretation der vorgelegten Ergebnisse besteht insofern, als dass die Repräsentativi-tät der Stichprobe nicht überprüft werden kann (Gelegenheitsstichprobe).

Literatur Bürger, W., Deck, R. (2009): SIBAR - ein kurzes Screening-Instrument zur Messung des

Bedarfs an berufsbezogenen Behandlungsangeboten in der medizinischen Rehabilitation. Die Rehabilitation, 48. 211-221.

Carstensen, C.H., Knoll, S., Rost, J., Prenzel, M. (2004): Technische Grundlagen. In: PISA Konsortium Deutschland (Hrsg.): PISA 2003. Der Bildungsstand der Jugendlichen in Deutschland - Ergebnisse des zweiten internationalen Vergleichs. Münster: Waxmann Verlag GmbH. 371-388.

Mittag, O., Glaser-Möller, N., Ekkernkamp, M., Matthis, C., Héon-Klln, V., Raspe, A., Raspe, H. (2003): Prädiktive Validität einer kurzen Skala zur subjektiven Prognose der Erwerbs-tätigkeit (SPE-Skala) in einer Kohorte von LVA-Versicherten mit schweren Rücken-schmerzen oder funktionellen Beschwerden der inneren Medizin. Sozial- und Präventiv-medizin, 48. 361-369.

Schmerzassoziierte Kognitionen und affektive Störungen: Prognosefaktoren der Chronifizierung muskuloskeletaler Beschwerden

Meier, R.K. (1,2), Meyer, N. (2), Wiese, C.H.R. (2) (1) Rehabilitationsklinik Prinzregent Luitpold und Kurmittelhaus der Moderne Bad

Reichenhall, (2) Interdisziplinäre Schmerzambulanz der Universitätsklinik Regensburg

Hintergrund Der Einfluss psychosozialer Faktoren bei der Schmerzchronifizierung ist anerkannt. Patien-ten mit chronischen Rückenschmerzen zeigen mehr emotionale Belastung als akute Rü-ckenschmerzpatienten (Gatchel et al., 2008), traumatische Lebensereignisse in der Vergan-genheit und depressive Stimmung erklären das Ausmaß chronischer Schmerzen und nega-tive Schmerzüberzeugungen erklären schmerzbezogene Einschränkungen (Casey et al., 2008). Katastrophisieren spielt dabei als kognitiver Faktor in Verbindung mit depressiven Symptomen eine wichtige Rolle (Lee et al., 2008). In einem Review von Melloh et al. (2009)

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wurde daher die Bedeutung psychosozialer Faktoren bei der Prognose chronischer Schmerzstörungen hervorgehoben. Der "Musculosceletal Pain Screening Questionnaire" in der deutschen Version MPSQ-D (Linton, Boersma, 2003; Meier et al., 2008) stellt ein Mess-instrument für psychosoziale Belastungen und ein Prognoseinstrument für Schmerzchronifi-zierung dar. In der vorliegenden Untersuchung sollte die in diesem Fragebogen enthaltene Skala "Psyche" validiert werden.

Methodik Der MPSQ-D ist ein Fragebogen, der aus 4 soziodemographischen Fragen und 21 intervall-skalierten Items besteht. Die Items können den 4 Skalen Schmerz, Psyche, Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL) und Arbeit zugeordnet werden. Zur Einschätzung des individuellen Risikoprofils wird ein Gesamtscore errechnet, welcher zwischen 0 und 210 Punkten liegt und mit einem validierten Cut-off verglichen wird. Die Skala "Psyche" besteht aus 5 Items, welche Anspannung und Angst, Niedergeschlagenheit, selbst eingeschätztes Chronifizie-rungsrisiko sowie das Vermeidungsverhalten (2 Items) erheben. Zur Validierung wurden die Itemeigenschaften sowie die Trennschärfen der Items für die Skala "Psyche" errechnet. Die Werte der Skala wurden dann mit dem Gesamtscore in Beziehung gesetzt. Zur Einschät-zung der Prognosequalität der Skala "Psyche" wurde der Zusammenhang mit der Arbeitsun-fähigkeit nach einem Jahr untersucht. Die Validität der Skala sollte mittels eines Vergleiches mit der allgemeinen Depressionsskala ADS, einem eingeführten und gebräuchlichen In-strument zum Screening depressiver Störungen, untersucht werden.

Die Studie fand 2008/2009 in Praxen niedergelassener Orthopäden und Allgemeinmediziner statt. Integriert wurden 217 Patienten im Alter von 17 bis 85 Jahren (M = 45,29; STD = 12,32), davon waren 111 weiblich. Alle Patienten erklärten schriftlich ihr Einverständnis zur Teilnahme an der Untersuchung.

Ergebnisse Alle Items weisen eine hohe Eigentrennschärfe auf (siehe Tabelle 1). Die Skala "Psyche" korreliert höchstsignifikant mit dem Gesamtscore des MPSQ-D sowie signifikant mit dem Wert "Arbeitsunfähigkeit nach 1 Jahr". Der Zusammenhang der Skala mit der allgemeinen Depressionsskala ADS ist ebenfalls höchstsignifikant nachgewiesen (siehe Tabelle 2).

Nr. Minimum Maximum Mittelwert STD Trennschärfe Signifikanz N

13 0 10 4,56 2,763 ,832** ,000 213

14 0 10 4,88 3,108 ,824** ,000 212

15 0 10 6,12 3,077 ,748** ,000 214

19 0 10 6,11 2,998 ,625** ,000 214

20 0 10 4,51 3,413 ,721** ,000 214

Tab. 1: Itemeigenschaften

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R P N Zusammenhang mit Summenscore t0 ,805** ,000 210 Zusammenhang mit Summenscore AU (t1) ,470** ,000 95 Zusammenhang mit ADS ,643*** ,000 127

Tab. 2: Korrelationen der Skala Psyche

Diskussion Psychosoziale Faktoren tragen bei bestehenden muskuloskalettalen Beschwerden zur Ent-wicklung der Teilhabe am Arbeitsleben bei (Meier et al., 2009). Die Skala Psyche des MPSQ-D ist valide hinsichtlich des Screenings von Probanden mit affektiven Störungen. Der MPSQ-D operationalisiert Beeinträchtigungen der Teilhabe am Arbeitsleben als kumulative AU-Dauer in den 12 Monaten nach Erhebung. Der Einsatz ist auf Patienten mit Beschwer-den und Erkrankungen des Haltungs- und Bewegungsapparates beschränkt.

Schlussfolgerungen Die Skala Psyche ist valide und trägt in ihrer Aussagekraft wesentlich zur Gesamtvorhersa-gekraft des MPSQ-D bei. Das Screeninginstrument eignet sich unserer Ansicht nach sowohl für den Einsatz in algesiologischem als auch in rehabilitativem bzw. sozialmedizinischem Rahmen.

Literatur Casey, C.Y., Greenberg, M.A., Nicassio, P.M., Harpin, R.E., Hubbard, D. (2008): Transition

from acute to chronic pain and disability: A model including cognitive, affective, and trauma factors. Pain, 134. 69-79.

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Meier, R.K., Tutsch, B., Kriener, W., Penninger, E., Straub, T. (2008): Deutsche Erstüber-setzung und erste statistische Kennzahlen des Örebro-Risikofragebogens zur Schmerz-chronifizierung: MPSQ-D. DRV Schriften, Bd. 77. 114-116.

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Melloh, M., Elfering, A., Egli Presland, C., Roeder, C., Barz, T., Rolli Salathe, C., Tamcan, O., Mueller, U., Theis, C. (2009): Identification of prognostic factors for chronicity in pa-

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tients with low back pain - a review of screening instruments. International Orthopaedics, 33, 2. 301-313.

Subjektive Krankheitstheorien und funktionaler Verlauf nach Hüftgelenkersatz

Bethge, M. (1), Bartel, S. (1), Streibelt, M. (2), Lassahn, C. (3), Thren, K. (4) (1) Abteilung für Versorgungssystemforschung und Grundlagen der Qualitätssicherung in der Rehabilitation, Charité - Universitätsmedizin Berlin, (2) Deutsche Rentenversicherung

Bund, Berlin, (3) Annastift, Hannover (4) Klinik Niedersachsen, Bad Nenndorf

Hintergrund und Fragestellung Patienten entwickeln bezüglich ihrer Krankheit, der alltäglichen Beschwerden und des Ge-nesungsverlaufs Theorien und Erwartungen, die wesentlichen Einfluss auf die Behand-lungsergebnisse haben können (Leventhal et al., 1998). Diese Krankheitskonzepte entste-hen aus dem Bedürfnis heraus, kognitive Kontrolle über die eigene Lebenssituation wieder-zuerlangen. Leventhal et al. (1998) gehen davon aus, dass der Einfluss dieser Krankheits-konzepte durch Bewältigungsstrategien mediiert wird. Als weitere wesentliche Einflussgröße gelten gesundheitsbezogene Selbstwirksamkeitserwartungen (Lorig et al., 2001). Bislang liegen jedoch keine Studien über den Einfluss dieser Konzepte auf den Verlauf nach einem Hüftgelenkersatz vor. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es daher, die Bedeutung sub-jektiver Krankheitskonzepte für Behandlungsergebnisse in der Hüftendoprothetik zu über-prüfen, um daraus Hinweise für die Gestaltung der Arzt-Patienten-Interaktion abzuleiten.

Methodik Die Daten stammen aus der von der Erwin-Röver-Stiftung geförderten Studie "IV En-doprothetik". Die in die Analysen eingeschlossenen Patienten wurden im Rahmen eines In-tegrierten Versorgungsmodells aufgrund eines Hüftgelenkersatzes behandelt (Streibelt, Bethge, 2010). Zur Erfassung des Behandlungserfolgs wurde der Harris Hip Score (HHS) eingesetzt (Harris, 1969). Das Instrument erfasst Schmerz, Funktion, Bewegungsumfang und das Fehlen von Deformitäten und verdichtet diese Dimensionen zu einem Index mit dem Wertebereich von 0 bis 100, wobei höhere Indexwerte einem besseren Behandlungs-ergebnis entsprechen. Werte ab 80 Punkte gelten als gute Behandlungsergebnisse (Mar-chetti et al., 2005). Der HHS wurde zu fünf Messzeitpunkten, vor der Operation (U1), 7 Tage nach der Operation (U2), bei Abschluss der Rehabilitation (U3) und bei den Nachuntersu-chungen im Krankenhaus nach 3 bis 4 (U4) und nach 12 Monaten (U5), in den Patienten-pässen der Studienteilnehmer dokumentiert.

Krankheitsüberzeugungen und Selbstwirksamkeitserwartungen wurden mittels Fragebogen beim Erstkontakt im Krankenhaus erfasst. Krankheitsüberzeugungen wurden mit den 9 Items der deutschen Version des Brief Illness Perception Questionnaire erhoben (Broad-bent et al., 2006). Gesundheitsbezogene Selbstwirksamkeitserwartungen wurden mit der von Lorig et al. (2001) vorgeschlagenen Skala erhoben.

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Ergebnisse 163 Patienten wurden im Rahmen der Studie aufgrund eines Hüftgelenkersatzes behandelt. Für 135 (82,8 %) dieser Patienten konnte der in den Patientenpässen dokumentierte Verlauf des HHS ausgewertet werden. Das mittlere Alter der Teilnehmer betrug 72,1 Jahre (SD = 6,9). 65,9 % der Personen waren Frauen. Der HHS verbesserte sich einer logarithmi-schen Wachstumskurve folgend am stärksten innerhalb der ersten Monate nach der Opera-tion. Zur U1 lag der mittlere HHS-Wert bei 49,1 (SD = 14,2), zur U2 bei 61,1 (SD = 15,3), zur U3 bei 76,3 (SD = 7,3), zur U4 bei 84,7 (SD = 13,9) und zur U5 bei 88,8 (SD = 12,5). Im-merhin 82,2 % der Patienten wiesen nach 12 Monaten einen HHS-Wert ≥ 80 und damit ein mindestens gutes Behandlungsergebnis auf.

Unter Kontrolle von Alter und Geschlecht zeigten sich differentielle Verläufe und statistisch bedeutsame Interaktionseffekte in Zusammenhang mit der erwarteten Krankheitsdauer (p = 0,046), der Behandlungserwartung (p = 0,005) und tendenziell der Selbstwirksamkeits-erwartungen (p = 0,089). Mit zunehmender Dauer erlebten Personen mit hoher Behand-lungserwartung und hohen Selbstwirksamkeitserwartungen einen günstigeren Verlauf, wäh-rend Personen, die eine lange Erkrankungsdauer antizipierten, einen ungünstigeren Verlauf hatten. So erreichten Personen mit hohen Behandlungserwartungen nach 12 Monaten eine um rund 10 Skalenpunkte stärkere Verbesserung als Personen mit geringen Behandlungs-erwartungen (d = 0,72). Diese Effekte erreichten nach 12 Monaten moderates bis hohes Ni-veau.

Schlussfolgerung Die Ergebnisse bestätigen den prognostischen Wert subjektiver Krankheitstheorien und ge-sundheitsbezogener Selbstwirksamkeitserwartungen für den funktionalen Verlauf bei Hüft-TEP-Patienten und verweisen auf die Bedeutsamkeit von Patientenschulungen und ange-messene Aufklärung auch in der Rehabilitation nach Hüftgelenkersatz. Eine geeignete pati-entenzentrierte Aufklärung durch den Arzt könnte die identifizierten Patientenerwartungen möglicherweise günstig beeinflussen und über ein damit einhergehendes günstigeres Be-wältigungsverhalten positiv auf den funktionalen Verlauf wirken.

Literatur Broadbent, E., Petrie, K.J., Main, J., Weinman, J. (2006): The brief illness perception ques-

tionnaire. J Psychosom Res, 60. 631-637. Harris, W.H. (1969): Traumatic arthritis of the hip after dislocation and acetabular fractures:

treatment by mold arthroplasty. An end-result study using a new method of result evalua-tion. J Bone Joint Surg Am, 51. 737-755.

Leventhal, H., Leventhal, E.A., Contrada, R.J. (1998): Self-regulation, health, and behavior: A perceptual-cognitive approach. Psychology & Health, 13. 717-733.

Lorig, K.R., Sobel, D.S., Ritter, P.L., Laurent, D., Hobbs, M. (2001): Effect of a self-management program on patients with chronic disease. Eff Clin Pract, 4. 256-262.

Marchetti, P., Binazzi, R., Vaccari, V., Girolami, M., Morici, F., Impallomeni, C., Commes-satti, M., Silvello, L. (2005): Long-term results with cementless Fitek (or Fitmore) cups. J Arthroplasty, 20. 730-737.

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Streibelt, M., Bethge, M. (2010): Patientenpräferenzen bei der Ausgestaltung Integrierter Versorgungsprogramme: ein Discrete Choice Experiment. Gesundh ökon Qual manag. Im Druck.

Erste Ergebnisse eines intensiven Kraft-, Ausdauer- und Koordinationstrainings (KAKo) bei Patienten mit entzündlich-

rheumatischen Erkrankungen

Mattukat, K. (1), Beck, L. (1), Ehlebracht-König, I. (2), Kluge, K. (3), Mau, W. (1) (1) Institut für Rehabilitationsmedizin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg,

(2) Rehazentrum Bad Eilsen, (3) Teufelsbad Fachklinik Blankenburg

Hintergrund und Ziel der Untersuchung Chronische Polyarthritiden (cP) und Spondyloarthritiden (SpA) können Aktivitäten und Teil-habe der betroffenen Patienten erheblich einschränken (Mau et al., 2008). Regelmäßige in-tensive körperliche Aktivitäten führen hier zu einer signifikanten Verbesserung der Funkti-onskapazität ohne vermehrte Gelenkschäden oder Erhöhung der Krankheitsaktivität (De Jong, Vliet Vlieland, 2005). Allerdings sind erhebliche Defizite der ambulanten und stationä-ren funktionsorientierten Versorgung dieser Patienten zu konstatieren (Mau, Müller, 2008).

Mit dem Ziel der langfristigen Aufrechterhaltung von Bewegungsaktivitäten wird daher in ei-nem Projekt während der stationären Rehabilitation ein intensives Kraft-, Ausdauer- und Koordinations-Training (KAKo-Training) in geschlossenen Gruppen mit systematischer Moti-vationsarbeit kombiniert. Durch das in der Rehabilitation initialisierte und zur Fortführung in-dividuell konkret geplante Bewegungsprogramm sollen signifikante körperliche, psychische und sozialmedizinische Verbesserungen erreicht werden.

Methoden Die Studie* wird im sequenziellen Kontroll-Interventionsgruppen-Design bei Rehabilitanden mit cP oder SpA im Reha-Zentrum Bad Eilsen und der Teufelsbad Fachklinik Blankenburg durchgeführt. Die Teilnehmer werden zu vier (Kontrollgruppe [KG]) bzw. fünf (Interventions-gruppe [IG]) Messzeitpunkten befragt. Für die durchgeführten Analysen wurden zunächst vorliegende Daten für 381 Patienten im Verlauf der Rehabilitation (von Rehabilitationsbeginn [T1] bis zur Entlassung [T2]) im Gruppenvergleich untersucht.

Ergebnisse Das Durchschnittsalter beträgt 48 (± 9) Jahre, 64 % sind Frauen. Bei 72 % lagen cP, bei 28 % SpA vor. Zu T1 gibt es keine signifikanten Gruppenunterschiede zwischen KG und IG bis auf eine höhere Krankheitsaktivität (BASDAI) in der kleineren Subgruppe der Rehabili-tanden mit SpA (p < 0.05).

* Förderschwerpunkt "Versorgungsnahe Forschung: Chronische Krankheiten und Patientenorientierung"

- Förderkennzeichen: 0536 (Deutsche Rentenversicherung Bund)

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Zu T2 berichten die Patienten der IG gegenüber der KG geringere Beeinträchtigungen der körperlichen (p < 0.01) und emotionalen Rollenfunktion (SF-36) (p < 0.05) sowie eine positi-vere Einschätzung des Reha-Erfolges und der Behandlungszufriedenheit (p < 0.001).

Beide Gruppen zeigen zu T2 im Vergleich zu T1 Verbesserungen ihrer physischen und psy-chischen Gesundheit (körperliche Funktionskapazität [FFbH-PR]; Krankheitsaktivität [BAS-DAI, RADAI, NRS-Schmerzintensität], gesundheitsbezogene Lebensqualität [SF-36], Angst/Depression [HADS-D]) (p < 0.001). Allerdings geben Patienten der IG gegenüber der KG zum Reha-Ende eine stärkere Verbesserung ihrer körperlichen Funktionskapazität (FFbH-PR) (p < 0.05) und eine höhere Zunahme ihres psychischen Wohlbefindens an (SF-36, HADS-D) (p < 0.05).

Diskussion und Ausblick Die Ergebnisse belegen zwar in beiden Gruppen positive Veränderungen im Verlauf der Rehabilitation bei Patienten mit chronischen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Gleichzeitig wird aber deutlich, dass diese körperlichen und psychischen Verbesserungen durch ein praktisch gut umsetzbares, intensiviertes Training mit systematischer Motivie-rungsarbeit noch gesteigert werden können. Inwiefern diese Steigerung auch langfristig nachweisbar ist und auch den sozialmedizinischen Verlauf betrifft, ist in den weiteren Unter-suchungen des Projekts zu prüfen.

Literatur De Jong, Z., Vliet Vlieland, T.P. (2005): Safety of exercise in patients with rheumatoid arthri-

tis. Current Opinion in Rheumatology, 17. 177-182. Mau, W., Beyer, W., Ehlebracht-König, I., Engel, M., Genth, E., Greitemann, B., Jä-

ckel, W.H., Zink, A. (2008): Routineberichterstattung zu sozialmedizinischen Folgen ent-zündlich-rheumatischer Erkrankungen in Deutschland. Zeitschrift für Rheumatologie, 67. 157-164.

Mau, W., Müller, A. (2008): Rehabilitative und ambulante physikalisch-medizinische Versor-gung von Rheumakranken. Ergebnisse der Befragungen von Patienten mit Rheumatoider Arthritis oder ankylosierender Spondylitis und Rheumatologen. Zeitschrift für Rheumato-logie, 67. 542-553.

Ergebnisse der Gangrehabilitation bei Patienten mit vorderer Kreuzbandplastik in der ambulanten Rehabilitation

Richter, T. (1,2), Kainat, C. (1,2), Hartig, L. (1), Witt, A. (1), Leuchte, S. (2) (1) rehaFLEX Saline Rehabilitationsklinik Halle/Saale, (2) Institut für Medien,

Kommunikation und Sport, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Problemstellung Die operativ versorgte vordere Kreuzbandruptur gehört zu den dominierenden Indikationen in der ambulanten Rehabilitation. Die Wiederherstellung von Funktionalität und Lebensquali-tät ist u. a. eng an die Gangrehabilitation gebunden. Derzeit sind keine Studien zur Gangre-habilitation nach vorderer Kreuzbandplastik in der ambulanten Rehabilitation durch die Ob-

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jektivierung mittels dynamometrischen Laufbandes bekannt. Bei Untersuchungen zur Reha-bilitation nach Hüfttotalendoprothese (Luchs, 2006), die den Zeitraum kurz vor und deutlich nach der Rehabilitation umfassen, wurde das Messinstrument erfolgreich eingesetzt. Wie sich das Gangbild mit vorderer Kreuzbandplastik in der Rehabilitationsphase entwickelt und welche Interventionsmethoden optimale Ergebnisse versprechen, ist noch nicht geklärt. Ziel der vorliegenden Studie ist die Überprüfung räumlich-zeitlicher sowie funktioneller Gangpa-rameter während der ambulanten Rehabilitationsphase.

Material und Methodik In einer prospektiven Studie wurden 20 Patienten (14♂, 6♀; Alter: 34,1±9,4 Jhr.; BMI: 26,2±4,0 kg/m2) mit vorderer Kreuzbandplastik in der ambulanten Rehabilitation ganganaly-tisch über vier Wochen begleitet. Die räumlich-zeitlichen Parameter und die funktionellen Indizes der vertikalen Bodenreaktionskraft (Steuer, 1999) wurden auf dem dynamometri-schen Laufband Gaitway™, standardisiert bei 3,5 km/h objektiviert (Leuchte, Stöber, 2002). Die mathematische Berechnung der Symmetrie der Gangzyklen erfolgte nach Robinson (1987). Das Bewegungsausmaß des Kniegelenkes wurde mittels Neutral-Null-Methode be-stimmt. Die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Patienten wurde durch den Fragebo-gen SF-36 überprüft. Die statistische Signifikanz wurde auf p < 0.05 festgelegt.

Ergebnisse Auf der operierten Seite konnten bezüglich der Doppelschrittlänge, der Gangzykluszeit und der Einbeinstützzeit keine Veränderungen festgestellt werden. Dem gegenüber zeigten sich in der Symmetrie der Lastübernahme ("loading response": p = 0.004) und bei der Bewälti-gung der Last in der Einbeinstandphase ("df2": p = 0.021) signifikante Fortschritte zum Ab-schluss der ambulanten Rehabilitation. Das Bewegungsausmaß verweist sowohl auf eine signifikante Reduzierung des Streckdefizits (p < 0.001) als auch ein gesteigertes Flexions-vermögen (p < 0.001). Diese Effekte der Gangrehabilitation korrelieren mit der subjektiven Befindlichkeit (SF-36): Im Verlauf der ambulanten Rehabilitation zeigt sich eine signifikante Reduzierung der körperlichen Schmerzen (p = 0.003) bei verbesserter körperlicher Funkti-onsfähigkeit (p < 0.001).

Diskussion Die Wiederherstellung eines symmetrischen Gangbildes kann durch die "konstante" Band-geschwindigkeit zweckmäßig unterstützt werden. Die eigentliche Problematik besteht jedoch darin, die Lastübernahme und Lastbewältigung im Einbeinstand anzugleichen, damit der Pa-tient die Schonhaltung "bewusst" kontrolliert und letztlich aufgibt. Diesen Beitrag leistet das dynamometrische Laufband "Gaitway"™ in hervorragender Weise. Problematisch bleibt wei-terhin die Individualisierung der voreingestellten Laufbandgeschwindigkeit beim Training und in der Diagnostik.

Schlussfolgerung Die instrumentierte Ganganalyse liefert objektive Daten, um physio- und sporttherapeutische Konzepte der ambulanten Rehabilitation nach operativer Versorgung einer vorderen Kreuz-bandruptur zu evaluieren. Wir stellten diesbezüglich eine hohe Übereinstimmung zwischen den Effekten der Gangrehabilitation, klinischen Parametern und der subjektiven Befindlich-

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keit der Patienten fest. Dieses Vorgehen ist prinzipiell übertragbar auf Patienten nach Ver-sorgung mit einer Hüft- oder Knietotalendoprothese in der ambulanten Rehabilitation.

Literatur Leuchte, S., Stöber, K. (2002): Laufband versus Gangbahn? - Theorie, Methodik und Empi-

rie. Leipziger Sportwissenschaftliche Beiträge, 43 (1). 62-86. Luchs, A. (2006): Minimalinvasiver Operationszugang bei Hüfttotalendoprothesen - Verlaufs-

kontrolle mittels biomechanischer Ganganalyse. Dissertation. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Robinson, R.O., Herzog, W., Nigg, B.M. (1987): Use of force platform variables to quantify the effects of chiroparctic manipulation on gait symmetry. Journal of Manipulative and Physiological Therapeutics, 10. 172-176.

Steuer, M. (1999): Ganganalytische Untersuchung nach operativ versorgten Rupturen des vorderen Kreuzbandes. Krankengymnastik, 4. 614-620.

IRENA - Anspruch und Wirklichkeit - Eine qualitative Studie über die Umsetzung der Intensivierten

Reha-Nachsorge IRENA bei orthopädischen Indikationen

Rohm, E. (1), Brüggemann, S. (2), Pfeifer, K. (1) (1) Institut für Sportwissenschaft und Sport, Universität Erlangen-Nürnberg,

(2) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund Reha-Nachsorge kann als strukturierte Transferphase des in der Rehabilitation Erreichten verstanden werden. Sie ist damit ein wichtiges Element der Behandlungskette (DRV, 2008). IRENA (Intensivierte Reha-Nachsorge, DRV, 2006) ist ein von der Deutschen Rentenversi-cherung Bund entwickeltes Nachsorgeprogramm, das seit 1999 umgesetzt wird. IRENA kann berufsbegleitend und zeitlich flexibel durchgeführt werden. Die Therapieinhalte sollen dabei multimodal aus den folgenden drei Therapiefeldern zusammengesetzt sein: A) Übungs-/ Trainingstherapie; B) Problemverarbeitung, Verhaltensänderung, Entspan-nungstherapie und C) Information, Motivation, Schulung.

Bislang liegen keine Studien über die Umsetzung von IRENA vor. Diese qualitative Studie untersucht die Diskrepanz zwischen dem Anspruch der Rahmenkonzeption "IRENA" und der Versorgungsrealität bei orthopädischen Indikationen in vier Reha-Einrichtungen.

Methoden Die qualitative Datenerhebung in den Reha-Einrichtungen erfolgte mittels einer kombinierten Methode aus leitfadengestütztem strukturiertem Interview mit Ärzten, Bewegungstherapeu-ten und Verwaltungsangestellten, sowie teilnehmender Beobachtung in Kurseinheiten von IRENA.

Neben der dichotomen Erhebung von Struktur- und Prozessqualitätskriterien von IRENA, (mod. nach Huber, 2004) wurden Meinungen der interviewten Personen in Textform erfasst.

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Die Untersuchung wurde in drei ambulanten und einer stationären Reha-Einrichtung im Großraum Berlin durchgeführt.

Ergebnisse Die konzeptionell intendierte Multimodalität von IRENA wird in den untersuchten Einrichtun-gen nicht umgesetzt. In allen Einrichtungen werden derzeit nur bewegungstherapeutische Leistungen angeboten, vorwiegend als Kombination von Medizinischer Trainingstherapie, Funktionsgymnastik und/oder Bewegungsbad. Inhalte aus den beiden anderen psychosozial ausgerichteten Therapiefeldern wurden bei Einführung von IRENA angeboten, jedoch von den Teilnehmern nicht in Anspruch genommen. "Teilnehmer wollen trainieren. Auch Nordic Walking wird abgelehnt".

Bei der Übungs-/ Trainingstherapie ist weder eine differenzierte Konzeptausarbeitung mit Ausformulierung von Inhalten und Methoden und Zuordnung zu Zielen, noch eine Manuali-sierung der Kurseinheiten in den Einrichtungen erkennbar. "IRENA ist ein unspezifisches Programm - wir stellen den Raum zum freien Üben zur Verfügung". Die Umsetzung der In-halte in den meist 30-minütigen Funktionsgymnastik-Gruppen erfolgt überwiegend durch Bewegungsanweisungen. Methoden zur Unterstützung der Verhaltensänderung in Richtung körperlich aktiver Lebensstil werden nicht eingesetzt. "Teilnehmer möchten gesagt bekom-men, was sie machen sollen". "Die Mentalität ist bedient zu werden - und Verantwortung ab-zugeben".

In allen Einrichtungen werden die Inhalte in offenen Gruppen mit durchschnittlich 6-12 Teil-nehmern umgesetzt. In den drei ambulanten Zentren sind die Gruppen indikationsunspezi-fisch und beschränken sich auf IRENA-Teilnehmer. Dagegen sind die Gruppen in der statio-nären Einrichtung mit Rehabilitanden gemischt und indikationsspezifisch.

Die Abbruchquote wird in den drei ambulanten Zentren auf 20-30 % geschätzt und kurzfris-tige telefonische Terminabsagen seien sehr häufig: "IRENA ist freiwillig und kostenlos. Die Teilnehmer haben keine Sanktionen bei Abbruch zu erwarten". "Enormer Verwaltungsauf-wand durch die Terminabsagen." Dem steht eine als gering eingeschätzte Abbruchquote in der stationären Einrichtung gegenüber: "IRENA Teilnehmer sind sehr zuverlässig. Absagen und Abbruch sind sehr selten."

Die Wartezeiten betragen für Teilnehmer, die ihre Rehabilitation in derselben Einrichtung durchgeführt haben, bis zu 4 Wochen. Bei überwiesenen Teilnehmern beträgt die Wartezeit zwischen 4 und 12 Wochen. Dies liege an einem Engpass für die zusätzlich notwendigen Termine zur ärztlichen Aufnahme sowie zur Einweisung in die Medizinische Trainingsthera-pie.

Diskussion und Ausblick Die derzeitige Umsetzung von IRENA weicht insbesondere bei den Therapieinhalten vom Rahmenkonzept ab und entspricht nicht der ursprünglichen Intention des Konzeptes. Es ist zu vermuten, dass ein Verzicht auf einen multimodalen Therapieansatz zu schlechteren Outcomes führt.

Die Durchführung der Bewegungstherapie könnte durch Einsatz von Methoden wie Hand-lungsplanung oder Barrieremanagement, die sich als wirksam zur Unterstützung der Verhal-tensänderung in Richtung körperlich aktive Lebensstile erwiesen haben, verbessert werden.

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Dies entspräche auch dem aktuellen Forschungsstand. Eine Manualisierung der Inhalte ist wünschenswert

Geschlossene indikationsspezifische Gruppen sind grundsätzlich zu bevorzugen, stellen je-doch die Reha-Einrichtungen vor organisatorische Herausforderungen. Dennoch sollte die-ses Ziel nicht aus den Augen verloren werden.

Die hoch geschätzte Abbruchquote in den ambulanten Zentren bei guter Therapieadhärenz im stationären Setting bedarf der Erklärung. Hier sollten neben Einstellungen der Teilneh-mer weitere Einflussfaktoren wie z. B. fehlende Therapeuten- und Gruppenbindung, Kompa-tibilität mit Beruf oder Wohnortnähe analysiert werden.

Weiteres Optimierungspotenzial besteht in einer Verkürzung der Wartezeiten.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass IRENA derzeit ihr Potenzial nicht erfüllt. Deutliche Verbesserungen in der Prozessqualität - mit hoffentlich entsprechenden Auswir-kungen auf die Ergebnisqualität - sollten allerdings mit zumutbarem Aufwand umzusetzen sein.

Literatur Deutsche Rentenversicherung (2006): Rahmenkonzeption IRENA inklusive "Curriculum

Hannover" vom 17.10.2006, Stand: 1.2.2008; Download www.deutsche-rentenversiche-rung-bund.de, Pfad: Zielgruppen > Reha-Einrichtungen > Nachsorgeprogramm.

Deutsche Rentenversicherung (2008): Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Reha-Nachsorge in der Rentenversicherung; Download www.deutsche-rentenversicherung.de, Pfad: Zielgruppen > Sozialmedizin und Forschung > Konzepte und Systemfragen > Nachsorge.

Huber, G. (2004). Evaluation in der Sporttherapie. In: Schüle, K., Huber, G. (Hrsg.) Grundla-gen der Sporttherapie. München: Urban und Fischer.

Nachsorgeangebote der regionalen und bundesweiten Rentenversicherungsträger nach Leistungen zur medizinischen

Rehabilitation wegen entzündlich-rheumatischer und anderer Erkrankungen des Bewegungssystems

Mattukat, K., Beck, L., Lamprecht, J., Mau, W. Institut für Rehabilitationsmedizin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Hintergrund und Zielsetzung Zur Verbesserung der Nachhaltigkeit der Ergebnisse der medizinischen Rehabilitation wer-den vielfach Nachsorgeleistungen empfohlen, aber nur zum Teil wahrgenommen (Beck, Mau, 2005; Lindow, Grünbeck, 2008). Unter den verschiedenen Regional- und Bundesträ-gern der Rehabilitation variiert die Häufigkeit der durchgeführten Nachsorgeleistungen über alle Indikationen. Deshalb wurden für die individuelle Nachsorgeplanung in einem Projekt des Förderschwerpunktes "Chronische Krankheiten und Patientenorientierung" bei Rehabili-tanden mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen die Nachsorgeangebote der Renten-

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versicherungsträger für diese Indikationen sowie für andere Erkrankungen des Bewegungs-systems sondiert.

Methode Von Mai bis Juli 2009 wurden halbstandardisierte Telefoninterviews zu Nachsorgeleistungen mit den einzelnen RV-Trägern zu folgenden Inhalten durchgeführt:

1. Angebot verschiedener Leistungen bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und anderen Erkrankungen der Bewegungsorgane,

2. Verfügbarkeit inhaltlicher Beschreibungen der Angebote,

3. Durchführung regelmäßiger Routineauswertungen und

4. Häufigkeit der Leistungen für den letztverfügbaren Zeitraum (2007/2008).

Ergebnisse 1. Rehabilitationssport und Funktionstraining werden von allen Trägern (bis auf Reha-Sport

bei einem Regionalträger) angeboten. Das intensive Rehabilitationsnachsorgeprogramm "IRENA" der Deutschen Rentenversicherung Bund wird von sieben Regionalträgern in der Originalform übernommen. Fünf weitere Träger bieten eigene Nachsorgeprogramme an, die sich stark an IRENA orientieren und nur geringfügig abweichen (z. B. Leistungs-zeitraum, Fahrtkostenerstattung). Ein weiteres Nachsorgeangebot dreier Regionalträger stellt die Medizinische Trainingstherapie dar. Einzelkrankengymnastik wird als Nachsorgeleistung von zwei regionalen Trägern übernommen, wenn entsprechende Maßnahmen während der Rehabilitation nicht bedarfsgerecht beendet werden konnten.

2. Die Inhalte der komplexeren Nachsorgeprogramme IRENA, Ambulantes Stabilisierungs-programm (ASP), Medizinische Reha-Nachsorgeleistung (MERENA) und Ambulante Reha-Nachsorge (ARENA) sowie eine Übersicht über Inhalte von Rehabilitationssport, Funktionstraining und Medizinischer Trainingstherapie sind auf den Homepages der je-weiligen Rentenversicherungsträger einzusehen (BAR, 2007; DRV, 2008).

3. Regelmäßige Routineauswertungen im Bereich der Nachsorgeleistungen werden von fünf DRV-Trägern durchgeführt. Der Umfang dieser Auswertungen ist meist sehr be-grenzt (z. B. Häufigkeit einer Nachsorgeleistung pro Jahr für alle Indikationen zusam-men).

4. Die Angaben der Träger zu den Häufigkeiten der Nachsorgeleistungen sind aufgrund ih-rer Heterogenität nicht vergleichbar: Die Daten beziehen sich auf

- unterschiedliche Zeiträume (2007, 2008 oder 2007 und 2008),

- unterschiedliche Differenzierungsgrade der Leistungen (einzelne oder mehrere/alle Nachsorgeleistungen),

- unterschiedliche Abschnitte im Versorgungsprozess (Empfehlungen im Entlassungs-bericht, Verordnungen, Durchführungen/Abrechnungen) und

- unterschiedliche Differenzierungsgrade der Indikationen (entzündlich-rheumatische Erkrankungen, Erkrankungen der Bewegungsorgane oder alle Indikationen [kardiolo-gische, orthopädische, psychosomatische, neurologische und Stoffwechselerkran-kungen]).

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Diskussion Die meisten Nachsorgeangebote für Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen bzw. Erkrankungen des Bewegungssystems sind innerhalb der Rentenversicherung qualita-tiv ähnlich gestaltet. Einige regionale Träger halten noch zusätzliche Angebote bereit (v.a. Medizinische Trainingstherapie, Einzelkrankengymnastik). Die Bedeutung und mögliche Konsequenzen dieser qualitativen Besonderheiten sowie der für größere Indikationsgruppen zusammen vorbeschriebenen quantitativen Unterschiede zwischen einzelnen Einrichtungen und Regionalträgern (Lindow, Grünbeck, 2008) sollten Gegenstand vereinheitlichter, diffe-renzierter Analysen und Darstellungen sein.

Literatur Beck, L., Mau, W. (2005): Schnittstellen ambulanter orthopädisch rheumatologischer Reha-

bilitation - Vernetzung mit beruflicher Rehabilitation und Nachsorge. In: Petermann, F. (Hrsg.): Assessments und Ergebnisqualität in der medizinischen Rehabilitation. Regens-burg: S. Roderer Verlag. 131-160.

Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) (2007): Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining vom 1. Oktober 2003. Stand: 1. Januar 2007. 1-23.

Deutsche Rentenversicherung (DRV) (2008): Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Re-ha-Nachsorge in der Rentenversicherung. Stand: 7. April 2008. URL: http://www.deutsche-rentenversicherung-bund.de/nn_10454/SharedDocs/de/Navigation/ Service/Zielgruppen/Sozialmedizin__Forschung/konzepte__systemfragen/konzepte/ Nachsorge__Reha__node.html__nnn=true.

Lindow, B., Grünbeck, P. (2008): Nachsorge nach medizinischer Rehabilitation - Wer nimmt welche Leistung in Anspruch? Vortrag auf dem 17. Rehabilitationswissenschaftlichen Kol-loquium in Bremen, 03.-05.03.2008. URL: http://forschung.deutsche-rentenversiche- rung.de/ForschPortalWeb/ressource?key=2-Vortrag_Lindow-Internet.pdf.

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Bewegungstherapie in der Rehabilitation

Bewegungstherapeutische Versorgung in der medizinischen Rehabilitation der Rentenversicherung

Brüggemann, S., Sewöster, D. Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund und Zielsetzung Unter dem Begriff "Bewegungstherapie" wird eine Vielzahl unterschiedlicher Verfahren sub-sumiert, die alle körperliche Bewegung als therapeutisches Agens einsetzen. Bewegungs-bezogene Therapien sind heute zentrale Interventionen jeglicher medizinischer Rehabilitati-on. Dies widerspiegelt den aktuellen Forschungsstand, der zeigt, dass Bewegungstherapie die funktionale Gesundheit über alle ICF-Komponenten positiv beeinflusst. D. h. neben der positiven Beeinflussung geschädigter Körperstrukturen und -funktionen werden auch - weit-gehend indikationsunabhängig - Aktivitäten, Teilhabe und psychosoziale Ressourcen geför-dert (WHO, 2001).

Der deutliche Forschungsmangel zu Aspekten der Bewegungstherapie als Teil der medizini-schen Rehabilitation ist bekannt (Pfeifer et al., 2008; AG "Bewegungstherapie", 2009). So existiert bislang kein Überblick über indikationsabhängige Häufigkeit, Art und Dauer bewe-gungstherapeutischer Leistungen in der rehabilitativen Praxis. Zielsetzung dieser Studie war daher die Analyse entsprechender Informationen auf der Basis der von der Deutschen Ren-tenversicherung routinemäßig erhobenen Leistungsdaten.

Methoden Routinemäßig werden in den Reha-Entlassungsberichten alle Behandlungen während einer medizinischen Rehabilitation dokumentiert. Hierzu wird die Klassifikation Therapeutischer Leistungen (KTL, Deutsche Rentenversicherung, 2007) eingesetzt. Nach KTL können be-wegungstherapeutische Leistungen dokumentiert werden als Sport- und Bewegungsthera-pie (Kapitel A), Physiotherapie (Kapitel B) und Rekreationstherapie (Kapitel L, ohne Kom-munikation/Interaktion).

Für die zentralen Indikationen der Rehabilitation wurden die KTL-Daten deskriptiv analysiert. Erfasst wurden insbesondere Anteil und Dauer bewegungstherapeutischer Leistungen an der Gesamtheit erbrachter Leistungen sowie die Verteilung der bewegungstherapeutischen Leistungen auf die drei KTL-Kapitel. Um Indikationen mit unterschiedlicher Verweildauer vergleichbar zu machen, ist die Reha-Dauer grundsätzlich pro Woche angegeben.

Ergebnisse Datengrundlage sind 39.532.196 therapeutische Leistungen aus 354.142 Entlassungs-berichten in acht Indikationen.

Der Anteil der Rehabilitanden mit Leistungen aus den verschiedenen bewegungs-therapeu-tischen Kapiteln variiert erheblich. So erhielten in der Indikation Dermatologie nur 79 % der

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Rehabilitanden Leistungen aus der Sport- und Bewegungstherapie während es in der Kar-diologie 98 % waren. Der Range in der Physiotherapie ist noch größer. Er reicht von 62 % in der Kardiologie bis zu 98 % in der Orthopädie. In der Rekreationstherapie wurden in der Neurologie mit 20 % die wenigsten und in der Pneumologie mit 49 % die meisten Patienten behandelt.

Über alle Indikationen konnten 14.825.817 Leistungen (37,5 %) der Bewegungstherapie (Sport- und Bewegungstherapie, Physiotherapie oder Rekreationstherapie) zugeordnet wer-den. Die durchschnittliche Dauer der Bewegungstherapie liegt bei 9,4 Stunden pro Woche und Rehabilitand mit bewegungstherapeutischen Leistungen.

Die Verteilung auf die einzelnen Indikationen ist Tabelle 1 zu entnehmen.

Sport- und Bewegungs-

therapie

Physio-therapie

Rekreations-therapie

Bewegungs-therapie ge-

samt

alle Leistun-gen

Anteil an allen Leis-

tungen

Dermatologie 3,0 3,8 1,6 8,4 20,8 40,4%

Gastroenterologie 3,6 3,6 1,9 9,1 16,1 56,5%

Kardiologie 5,6 3,2 1,2 10,0 14,5 69,0%

Neurologie 3,7 4,4 1,1 9,2 14,1 65,2%

Onkologie 3,5 4,3 2,6 10,4 13,8 75,4%

Orthopädie 4,6 4,7 2,0 11,3 15,7 72,0%

Pneumologie 4,4 3,7 1,8 9,9 17,8 55,6%

Psychosomatik 3,7 2,4 1,1 7,2 16,3 44,2%

Tab. 1: Dauer der einzelnen Bestandteile der Bewegungstherapie pro Rehabilitand mit Leistungen pro Wo-che in Stunden und ihr Verhältnis zu allen therapeutischen Leistungen

Die unterschiedliche Verteilung der Bewegungstherapie in den verschiedenen Indikationen ist in Abb. 1 dargestellt.

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Psychosomatik

Pneumologie

Orthopädie

Onkologie

Neurologie

Kardiologie

Gastroenterologie

Dermatologie

Sport- und Bewegungstherapie Physiotherapie Rekreationstherapie Abb. 1: Anteile von Sport- und Bewegungstherapie, Physiotherapie und Rekreationstherapie an der Gesamt-

dauer bewegungstherapeutischer Maßnahmen

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Diskussion und Schlussfolgerung Die erhobenen Daten zeigen, dass bewegungstherapeutische Leistungen sowohl von der Anzahl als auch von der Dauer her in der Rehabilitation der Rentenversicherung einen ho-hen Stellenwert haben. Unterschiedliche Gesamtdauer, relative Dauer im Verhältnis zu an-deren Therapieverfahren, Anteil von Einzeltherapie und Art der Bewegungstherapie verdeut-lichen unterschiedliche therapeutische Ansätze, die sich aus den verschiedenen Indikatio-nen gut begründen lassen. So ist es z. B. einleuchtend, dass in Orthopädie und Neurologie der Anteil an Physiotherapie höher liegt, da hier vermutlich vorrangig Funktionsstörungen und weniger Partizipationsstörungen im Zentrum der Therapie stehen. Ebenso ist ein Vor-herrschen von Sport- und Bewegungstherapie in der Kardiologie nachvollziehbar, da hier Ausdauer- und Krafttraining wesentliche Teile der Therapiekonzepte sind. Dies spricht für eine sinnhafte, indikations- und krankheitsspezifisch ausgestaltete Zusammenstellung der Inhalte der Bewegungstherapie. Diese Vermutung sollte im Rahmen qualitativer und quanti-tativer Struktur- und Prozessevaluationen diskutiert werden. Um die Qualität in der Bewe-gungstherapie einschließlich korrekter Indikationsstellung, konkreter Inhalte, Organisations-formen und Auswahl angewandter Methoden während einer Rehabilitation grundsätzlich beurteilen zu können, sind weitere Studien notwendig.

Literatur Arbeitsgruppe "Bewegungstherapie" in der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswis-

senschaften (DGRW) (2009): Ziele und Aufgaben der Arbeitsgruppe "Bewegungsthera-pie" in der DGRW. Die Rehabilitation; 48. 252-255.

Deutsche Rentenversicherung (Hrsg.) (2007): KTL Klassifikation therapeutischer Leistungen in der medizinischen Rehabilitation. 5. Auflage, Berlin.

Pfeifer, K., Schöne, D., Brüggemann, S. (2008): Bewegungstherapeutische Versorgung in der stationären Rehabilitation orthopädischer Erkrankungen. DRV-Schriften Bd. 77. Ber-lin. 350-352.

WHO - World Health Organization (ed.) (2001): International Classification of Functioning, Disability and Health. ICF. WHO, Geneva.

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Wirksamkeit einer theoriegeleiteten Förderung von körperlicher Aktivität in einem Rückenschulungsprogramm

Meng, K. (1), Seekatz, B. (1), Worringen, U. (2), Faller, H. (1) (1) Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie, Universität Würzburg,

(2) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund Eine Rückenschulung ist ein wesentliches Therapiemodul in der Rehabilitation von Patien-ten mit chronischen Rückenschmerzen, das Schulungselemente und bewegungstherapeuti-sche Ansätze beinhaltet. Aktuelle Behandlungsempfehlungen und -konzepte sprechen für eine bewegungsbezogene und bio-psycho-soziale Ausrichtung moderner Rückenschulen. Dabei stellt der Aufbau von körperlicher Aktivität im Alltag ein zentrales Schulungsziel dar.

Bei der Weiterentwicklung des Curriculum Rückenschule aus dem Gesundheitstrainingspro-gramm der Deutschen Rentenversicherung Bund* wurde zur Zielerreichung eine theoriege-leitete Intervention nach dem sozial-kognitiven Prozessmodell gesundheitlichen Handelns (HAPA; Schwarzer, 2008) in das Programm integriert. Nach dem HAPA nehmen sozial-kognitive Variablen - Selbstwirksamkeit, Handlungsergebniserwartung, Risikowahrnehmung, Intention, Handlungsplanung - stadienspezifisch Einfluss auf Intentionsbildung, Planungs-prozesse und Verhaltensausübung. In ersten Analysen konnte gezeigt werden, dass das neue Programm eine Wirksamkeit hinsichtlich einiger der Verhaltensdeterminanten zu Re-habilitationsende aufweist (Meng et al., 2009).

Zur weiteren Prüfung werden die folgenden Fragestellungen bearbeitet:

F1: Weist das Curriculum eine mittel- und langfristige Effektivität hinsichtlich des Zielverhal-tens (körperliche Aktivität, Rückenübungen, rückenbezogenes Verhalten) auf?

F2: Welche Wirkmechanismen bedingen Effekte im Zielverhalten (körperliche Aktivität)?

Methode Zur theoretischen Fundierung wurden den HAPA-Determinanten strukturiert Interventions-techniken (Abraham, Michie, 2008) zugeordnet und in die sieben Schulungsmodule integ-riert. Die ersten fünf Module enthalten primär Techniken zur Förderung motivationaler De-terminanten, die Module 6 und 7 Techniken für volitionale Determinanten.

Die Schulungsevaluation erfolgte in einer randomisierten Kontrollgruppenstudie mit vier Messzeitpunkten (Reha-Beginn, Reha-Ende, 6- und 12-Monats-Katamnese). In der Inter-ventionsgruppe wurde das Curriculum Rückenschule, in der Kontrollgruppe die klinikinterne Rückenschule durchgeführt. Alle Zielparameter wurden mittels Patientenfragebogen erfasst.

Die Stichprobe besteht aus 360 Rückenschmerzpatienten (Reha-Hauptindikation: M51, M53, M54). 64 % sind Frauen, das Durchschnittsalter ist 50 Jahre (SD = 7,6). 91 % der Teilnehmer sind erwerbstätig; dabei handelt es sich überwiegend um Angestellte (91 %).

* Projekt "Effektivität des Gesundheitstrainingsprogramms der Deutschen Rentenversicherung Bund" (Meng,

Vogel, Faller)

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Intergruppeneffekte (Interventions-/Kontrollgruppe) im Zielverhalten werden mittels Varianz- bzw. Kovarianzanalyse geprüft. Zur Überprüfung der angenommenen Wirkmechanismen werden Mediatoranalysen mittels Regressionsanalysen und Sobel-Test (Baron, Kenny, 1986) berechnet.

Ergebnisse Hinsichtlich des Zielkriteriums körperliche Aktivität liegt ein signifikanter Gruppenunterschied über die Messzeitpunkte für das neue Curriculum vor (Zeit x Gruppe: η2 = .015, p < .05). Dabei ist ein Interaktionseffekt mit dem Geschlecht zu berücksichtigen. Nur für Männer be-steht ein bedeutsamer Interventionseffekt (η2 = .045, p < .001) 6 Monate nach der Rehabili-tation.

Für die Durchführung von Rückenübungen besteht 12 Monate nach der Rehabilitation ein signifikanter Interventionseffekt (η2 = .020, p < .05); Teilnehmer der Interventionsgruppe füh-ren häufiger Kräftigungs-/Rückenübungen, Dehnungs- bzw. Lockerungsübungen durch. Für rückenbezogenes Verhalten im Alltag liegen signifikante Interventionseffekte zugunsten der Interventionsgruppe sowohl 6 als auch 12 Monate nach Rehabilitationsende vor (η2 = .025, p < .01; η2 = .017, p < .05). Alle Effektgrößen sind im kleinen Bereich, wie es für den Ver-gleich von zwei Interventionen erwartet wurde.

Eine Mediatoranalyse zeigt, dass die Wirkung der Intervention auf die körperliche Aktivität tendenziell über die Handlungsplanung mediiert wird (zSobel = 1.67, p = .09).

Schlussfolgerungen Die Wirksamkeit des Curriculums in Bezug auf einige sozial-kognitive Verhaltensdetermi-nanten ist bestätigt. Eine geschlechtsspezifische Wirksamkeit besteht mittelfristig in Bezug auf die Gesamtaktivität. Auch hinsichtlich der spezifischen Ziele der Umsetzung von Rü-ckenübungen bzw. rückengerechtem Verhalten im Alltag zeigen sich zufriedenstellende Ef-fekte. Die für das Curriculum angenommenen Wirkmechanismen konnten nur bedingt bestä-tigt werden.

Aus den Ergebnissen können Optimierungspotentiale für eine letzte Überarbeitung des Cur-riculums abgeleitet werden. Die Nachhaltigkeit könnte des Weiteren durch eine gezielte Koppelung mit Nachsorgeleistungen gefördert werden. Insgesamt kann die Umsetzbarkeit und Effektivität von theoriegeleiteten Interventionen in der Praxis bestätigt werden.

Literatur Abraham, C., Michie, S. (2008): A taxonomy of behaviour change techniques used in inter-

ventions. Health Psychology, 27. 379-387. Baron, R.M., Kenny, D.A. (1986): The mediator-moderator variable distinction in social psy-

chological research: Conceptual, strategic, and statistical considerations. Journal of Per-sonality and Social Psychology, 51. 1173-1182.

Meng, K., Seekatz, B., Faller, H. (2009): Theorie und Intervention: Theoretische Fundierung eines Patientenschulungsprogramms. DRV-Schriften, Bd. 83. 277-279.

Michie, S., Johnston, M., Francis, J., Hardeman, W., Eccles, M. (2008): From Theory to In-tervention: Mapping theoretically derived behavioural determinants to behavior change techniques. Applied Psychology: An International Review, 57. 660-680.

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Schwarzer, R. (2008): Modeling health behavior change: How to predict and modify the adoption and maintenance of health behaviors. Applied Psychology: An International Re-view, 57. 1-29.

Einfluss von körperlicher Aktivität auf Lebensqualität und psychische Gesundheit von Multiple Sklerose-Patienten

Tallner, A. (1), Mäurer, M. (2), Waschbisch, A. (3), Hentschke, C. (1), Pfeifer, K. (1) (1) Institut für Sportwissenschaft und Sport, Universität Erlangen-Nürnberg, (2) Caritas-

Krankenhaus, Bad Mergentheim, (3) Neurologische Klinik, Universitätsklinikum Erlangen

Hintergrund In früheren Studien konnten bereits positive Effekte von körperlicher Aktivität und Sport auf die Lebensqualität sowie psychische und kognitive Fähigkeiten von MS-Patienten gezeigt werden. Meist handelt es sich hierbei allerdings um kleine Stichproben mit heterogener Zu-sammensetzung und unterschiedlichen körperlichen Einschränkungen. Ziel dieser Studie war es, die Beziehungen zwischen körperlicher Aktivität und Lebensqualität im Allgemeinen und speziell die Beziehungen zwischen körperlicher Aktivität und psychischen Gesundheits-faktoren zu untersuchen. Da die körperliche Aktivität eng an die körperliche Leistungsfähig-keit (Schweregrad der Symptome) gebunden ist und diese wiederum das psychische Befin-den beeinflusst, wurde eine Subgruppenanalyse durchgeführt, bei der die Auswirkung von körperlicher Aktivität auf das Befinden von körperlich nicht behinderten Patienten mit MS un-tersucht wurde.

Methoden Patienten mit MS wurden mit Hilfe des Baecke-Fragebogens zur körperlichen Aktivität, des SF-36 zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität und des Beckschen Depressionsinventar charakterisiert. Anhand dieser Gesamtstichprobe wurde die globale Beziehung zwischen körperlicher Aktivität und Lebensqualität untersucht. In die Subgruppenanalyse zur Bestim-mung der Beziehung zwischen körperlicher Aktivität und psychischen Gesundheitsfaktoren gingen nicht depressive Patienten mit unbegrenzter Gehstrecke ein. Diese Patienten wur-den anhand des Sportindex des Baecke-Fragebogens in die körperlich aktivsten und inak-tivsten Patienten (erstes und letztes Quartil) eingeteilt. Zwischen diesen beiden Subgruppen wurden die Ergebnisse des SF-36 und des Becks Depressionsinventars verglichen.

Ergebnis Ingesamt wurden Fragebögen von 632 Patienten (172 m, 460 w; Alter 43,3 ± 10,4 Jahre; EDSS 3,0 ± 1,8) ausgewertet. Die körperliche Aktivität (Sportindex 2,64 ± 0,84; Freizeitindex 2,98 ± 0,97; Arbeitsindex 2,36 ± 0,59) des Patientenkollektivs lag nur geringfügig unter den Normwerten für die Allgemeinbevölkerung. Die Werte bei den Skalen der Lebensqualität la-gen über den Werten internationaler Vergleichskollektive mit MS-Patienten, jedoch ebenfalls unter den Normwerten für die Allgemeinbevölkerung (Körperl. Funktionsfähigkeit 65,2 ± 29,9; Körperl. Rollenfunktion 59,3 ± 40,5; Körperl. Schmerzen 74,4 ± 28,5; Allg. Gesund-

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heitswahrnehmung 54,8 ± 21,3; Vitalität 47,5 ± 19,9; Soziale Funktionsfähigkeit 71,8 ± 26,3; Emotionale Rollenfunktion 68,4 ± 40,5; Psychisches Wohlbefinden 66,3 ± 18,6).

265 Patienten erfüllten die Einschlusskriterien für die Subgruppenanalyse und jeweils 66 Pa-tienten bewegten sich innerhalb des ersten bzw. letzten Quartils. Die körperlich aktiven Pa-tienten wiesen bei den psychischen Komponenten der Gesundheit und bei der allgemeinen Gesundheitswahrnehmung deutlich bessere Werte auf als inaktive Patienten. Unterschiede wurden hinsichtlich Vitalität (60,5 ± 21,2 vs. 49,0 ± 16,8, p = 0.001), psychischem Wohlbe-finden (73,4 ± 15,3 vs. 67,80 ± 17,5, p = 0.051), emotionaler Rollenfunktion (87,1 ± 29,6 vs. 77,3 ± 33,1, p = 0.074), sozialer Funktionsfähigkeit (85,6 ± 19,2 vs. 78,5 ± 22,1, p= 0.052) und allgemeiner Gesundheitswahrnehmung (70,6 ± 21,1 vs. 59,4 ± 17,9, p = 0.001) gezeigt.

Schlussfolgerung Das untersuchte Patientenkollektiv weist eine höhere Lebensqualität auf als aus bisherigen Studien mit MS-Patienten bekannt ist, was von der relativ hohen körperlichen Aktivität des untersuchten Kollektivs vermittelt sein könnte. Wir konnten außerdem zeigen, dass eine ho-he körperliche Aktivität mit einer besseren psychischen Verfassung von nicht behinderten MS-Patienten assoziiert ist. Die kausalen Zusammenhänge sind jedoch noch nicht ab-schließend geklärt und sind Gegenstand weiterer Untersuchungen. Eine Aktivierung von MS-Patienten zu dauerhafter körperlicher Aktivität kann in Hinsicht auf Parameter der Le-bensqualität allgemein und insbesondere auf psychische Parameter der Gesundheit emp-fohlen werden.

Einfluss sozial-kognitiver Ressourcen auf die Ausübung von körperlicher Aktivität 3 Jahre nach einer ambulanten Rehabilitation

Lippke, S., Ziegelmann, J.P., Schwarzer, R. Freie Universität Berlin

Hintergrund und Stand der Literatur Nach Abschluss einer Rehabilitationsbehandlung ist die Aufnahme und Aufrechterhaltung von körperlicher Bewegung wichtig. Dies ist stark von psychischen Merkmalen der Patienten vor, während und nach der Reha sowie ihren Erfahrungen in der Bewegungstherapie ab-hängig. Zu diesen Merkmalen gehören insbesondere Selbstwirksamkeitserwartung, Intenti-on (Motivation) und Planung, die auch als sozial-kognitive Ressourcen bezeichnet werden (Schwarzer, 2004). Kaum Studien lassen sich finden, die den Einfluss von diesen Ressour-cen auf die Ausübung von Bewegung in einer Langzeit-Katamnese überprüfen.

Zweck der Untersuchung Um Implikationen für theorie- und evidenzbasierte Interventionen im Rehabilitationssetting ableiten zu können, wurden mittels einer 3-Jahres-Studie folgende Fragen untersucht: Ste-hen psychische Merkmale der Patienten zu Beginn und am Ende der Rehabilitation in einem Zusammenhang mit der späteren körperlichen Aktivität? Welche Bedeutung haben diese Merkmale nach der Reha? Wie gestaltet sich die Entwicklung der Variablen über die Zeit?

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Methodik, Studiendesign Es wurde eine Längsschnittstudie mit Patienten durchgeführt, die sich aufgrund von ortho-pädischen Beeinträchtigungen in einer ambulanten Rehabilitationsmaßnahme befanden. Die Patienten wurden mittels Fragebogen zu Beginn der Reha (t1), am Ende (t2) und mehrfach nach der Reha befragt: 6 Monate (t3), 1 Jahr (t4) und 3 Jahre (t5) nach Abschluss der Be-handlung.

An der Befragung nach 3 Jahren nahmen n = 296 Patienten (von ursprünglich n = 423) teil, auf die sich die folgenden Analysen beziehen. Zu allen Meßzeitpunkten wurden Selbstwirk-samkeitserwartung, Intention und Planung erhoben. Zu t1 und t5 wurde die ausgeübte kör-perliche Aktivität per Selbstbericht gemessen.

Ergebnisse Während zu Beginn der Reha 134 Patienten (45,3 %) angaben, regelmäßig körperlich aktiv zu sein, waren es 3 Jahre nach der Reha 183 (61,8 %). Auch wenn Patienten, die vor der Reha schon aktiv waren, mit einer höheren Wahrscheinlichkeit nach der Reha aktiv wurden, war der Unterschied nicht signifikant (p > 0.10).

Prädiktoren von regelmäßiger Bewegung 3 Jahre nach der Reha waren zu t1 die Selbst-wirksamkeitserwartung (OR = 2,1) und die wahrgenommenen Barrieren (OR = 0,6) sowie zu t2 die Selbstwirksamkeitserwartung (OR = 1,6) und die Intention (OR = 1,6). Zu t3 und t4 waren Intention, Planung und Selbstwirksamkeitserwartung (alle OR > 1,5) bedeutsam. Fer-ner zeigten sich die Interaktionen zu t3 von Planung und Selbstwirksamkeitserwartung (OR = 2,2) und zu t4 von Intention und Planung (OR = 1,6) als entscheidend.

Werden längsschnittliche Verläufe von Selbstwirksamkeitserwartung, Intention und Planung betrachtet (t1 - t5), fällt auf, dass zwischen Patienten, die nach 3 Jahren aktiv sind und den-jenigen, die nicht ausreichend aktiv sind, schon Unterschiede zu Beginn und am Ende der Reha bestehen. Ab t3 werden die Unterschiede größer: Nachfolgend inaktive Patienten be-richten abnehmende Ressourcen, während erfolgreich aktive Patienten ihre Ressourcen aufrechterhalten oder sogar noch steigern (F > 47,5; p < 0.01).

Diskussion Selbstwirksamkeitserwartung ist für alle Patienten hilfreich: Hoch-selbstwirksame Patienten haben eine 1,5 bis 2-mal höhere Wahrscheinlichkeit, körperlich aktiv zu sein. Während we-niger Barrieren zu Beginn der Reha die Wahrscheinlichkeit steigern, auch 3 Jahre später aktiv zu werden, sind hohe Intention und stark ausgeprägte Planung (Wissen, wann, wie und wo man körperlich aktiv sein will) vor allem nach der Reha bedeutsam. Darüberhinaus gilt es, genau zu planen und sich die Ausübung auch zuzutrauen (2-mal höhere Wahr-scheinlichkeit, auch tatsächlich aktiv zu sein) bzw. auch weiterhin hoch motiviert zu bleiben (1,6-mal höhere Wahrscheinlichkeit).

Schlussfolgerung, Umsetzung und Ausblick Defizite hinsichtlich Selbstwirksamkeitserwartung, Barrieren, Intention und Planung können während der Reha insbesondere in der Bewegungstherapie bearbeitet werden. Durch spe-zielle Maßnahmen (z. B. Planungsinterventionen) lassen sich effektiv die Intention aufrecht-erhalten, die Planung optimieren und die Barrieren bewältigen. Selbstwirksamkeitserwartung kann durch entsprechende Trainings verstärkt werden, z. B. durch Konfrontation mit Rol-

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lenmodellen und durch eigene Erfolgserfahrungen während der Reha. Dies gilt es, in der Rehabilitation entsprechend zu implementieren.

Literatur Schwarzer, R. (2004): Psychologie des Gesundheitsverhaltens (3. Aufl.). Göttingen: Hogre-

fe.

Langfristige Effekte eines stationär-ambulanten Rückentrainings

Huber, G. Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Heidelberg

Hintergrund Chronische Rückenschmerzen gehören zu den kostenintensivsten Problemen in der Ge-sundheitsversorgung. Es existieren zahlreiche Modellvorstellungen zur Entstehung. Für die unterschiedlichen Behandlungsstrategien ist die Evidenzlage nicht sehr aussagekräftig. Al-lerdings besteht ein Konsens hinsichtlich der Bedeutung eines wiederherstellenden Muskel-trainings (Rainville et al., 2004; van Tulder et al., 2004). Vor diesem Hintergrund wurde von uns der rehabilitative Mehrwert eines spezifischen Rückentrainings evaluiert. Im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg wurde von uns dazu 2005 eine pro-spektive randomisierte und kontrollierte Untersuchung durchgeführt (Huber et al., 2007). Die Schmerzreduktion betrug im Durchschnitt in der Kontrollgruppe 28 %, in der Experimental-gruppe 46 %. Dies entspricht einer Intergruppeneffektstärke von 0,43. Die Daten belegen einen signifikanten Mehrwert durch das zusätzliche Krafttraining. Demgegenüber entstehen Mehrkosten für diese Intervention von ca. 300 - 400 €. In dieser Nachbefragung sollte über-prüft werden, ob sich dieser Mehrwert in einer niedrigeren Inanspruchnahme von medizini-schen Leistungen niederschlägt.

Methodik Die Untersuchung wurde als strukturiertes Telefoninterview auf der Grundlage des SF 36, des FFbH und Fragen zur Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen durchgeführt. Aus der ursprünglichen Stichprobe wurden dazu Probanden zufällig ausgewählt. Interviews wurden mit 31 Teilnehmern aus der Experimentalgruppe, 45 aus der Kontrollgruppe durch-geführt. Es bestanden keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der soziodemographi-schen Merkmale, zwischen Reha-Aufenthalt und Interviewtermin lagen durchschnittlich 30 Monate.

Ergebnisse Die Ergebnisse zeigen, dass sich die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Teilnehmer im Katamnesezeitraum zwar wieder leicht verschlechtert hat, jedoch immer noch deutlich über den Eingangswerten zu Beginn der Rehabilitation lagen. Allerdings wird deutlich, dass nun zwischen Experimentalgruppe und Kontrollgruppe keine Unterschiede mehr zu finden sind. Insgesamt finden sich zwei Jahre nach der Rehamaßnahme alle Teilnehmer auf nahe-zu demselben Niveau. Parallel dazu zeigt sich ein konsistentes Bild für die Inanspruchnah-

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me von rückenbezogenen gesundheitlichen Dienstleistungen. Hier ergeben sich zwischen den Gruppen keine signifikanten Unterschiede. Zwar benötigen die Teilnehmer der Experi-mentalgruppe tendenziell weniger physiotherapeutische Anwendungen, Massagen und Schmerzmittel, sind aber umgekehrt etwas häufiger beim Arzt und wurden häufiger krank-geschrieben. (Abb. 1 und 2 ). Es ergeben sich keinerlei statistisch signifikante Unterschiede. Ebenfalls nicht relevant unterscheiden sich die gemessenen Effektstärken, sowohl innerhalb der Gruppen (t4 - t5) als auch zwischen den Gruppen (KG - EG). Eine gesundheitsökono-misch detaillierte Analyse mit einer ungefähren Berechnung der in Anspruch genommenen Leistungen erscheint deshalb nicht angemessen.

In weitergehenden statistischen Untersuchungen zeigen sich folgende zusätzlichen Ergeb-nisse:

- Es konnte keine Subgruppe identifiziert werden, die von dem rückenspezifischen Trai-ning besonders viel oder besonders wenig profitiert hat.

- Die Teilnahme an der MedX-Intervention resultiert in einer Polarisierung bei der Frage, ob sich die mit der Rehabilitationsmaßnahme verbundenen Erwartungen erfüllt haben. Das Training führt hier zu einer grundsätzlichen Zustimmung oder einer grundsätzlichen Ablehnung.

- Die subjektive Gesamtbewertung ("Erwartungen haben sich erfüllt") wird für alle Rehabi-litanden vor allem davon beeinflusst, ob es gelingt, Schmerzen zu reduzieren und die körperliche Funktionsfähigkeit wieder herzustellen.

Konsequenzen Es ergeben sich für den Untersuchungszeitraum keine signifikanten Unterschiede zwischen den Teilnehmern an der MedX-Intervention und der Kontrollgruppe. Es ist davon auszuge-hen, dass in der durchgeführten Form weder das Rückentraining noch ein zusätzliches am-bulantes Rückenschulangebot effektiv oder gar effizient sind. Damit bestätigen sich Studien, die von einer sekundärpräventiven Wirkung von ca. zwei Jahren des MedX-Trainings aus-gehen, nicht.

Ob dies von Programmen geleistet werden kann, die sich intensiver an den arbeitsplatztypi-schen Belastungen und Beanspruchungen orientieren, ist nach unserer Einschätzung offen.

Literatur Huber, G., Wiskemann, J., Heilmeyer, P. (2007): Krafttraining und die Rehabilitation des

chronischen Rückenschmerzes - eine kontrollierte und randomisierte Studie. DRV-Schriften, Bd. 72. 394-395.

Rainville, J., Hartigan, C., Martinez, E., Limke, J., Jouve, C., Finno M. (2004): Exercise as a treatment for chronic low back pain. Spine, 4/1. 106-115.

van Tulder, M.W., Malmivaara, A., Esmail, R., Koes, B.W. (2004): Exercise therapy for low-back pain (Cochrane Review): In: The Cochrane Library, Issue 3, Chichester, UK: John Wiley und Sons, Ltd.

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Neurologische Rehabilitation

Entwicklung und Erprobung eines Assessments der Kliniken Schmieder für Patienten der Phase C der Neurologischen Rehabilitation - AKS / C

Greitemann, G. (1), Küst, J. (2), Starrost, K. (3) (1) Kliniken Schmieder Konstanz, (2) Kliniken Schmieder Gailingen,

(3) Kliniken Schmieder Allensbach

Fragestellung Das Assessment der Kliniken Schmieder für die Phase C der Neurologischen Rehabilitation (AKS/C) soll eine umfassende und alltagsorientierte Darstellung der Eingangs- und Ent-lassungsbefunde von Patienten der Phase C ermöglichen. Es besteht aus dem Functional Independence Measure (FIM), dem Functional Assessment Measure (FAM) und weiteren Items aus dem Bereich Motorik, die funktionale Verbesserungen in quantifizierbarer Form darstellen sollen.

Methode Functional Independence Measure (FIM) und Functional Assessment Measure (FAM) sind international eingesetzte Skalen, die sich in vielen Studien als praktikabel, wenig aufwendig und sensibel für die Messung von Leistungszuwächsen erwiesen haben. Der FIM beurteilt 18 (basale) Alltagsfertigkeiten. Die 12 Items des FAM sind als Ergänzung zum FIM konzi-piert worden und enthalten vor allem kommunikative und kognitive Aspekte. Die insgesamt 30 Items aus FIM und FAM bilden den Kern des neurologischen Assessment. Entsprechend dem Schwerpunkt der Behandlung in der Phase C der Neurologischen Rehabilitation wur-den zusätzlich 26 Items zur Motorik und Bewältigung von Alltagsanforderungen konstruiert. Sie sind in Anlehnung an FIM und FAM aufgebaut und beurteilen die Leistungen der Patien-ten ebenfalls auf einer siebenstufigen Skala. Grundlage der Beurteilung ist, in welchem Um-fang der Patient die betreffende Aufgabe selbständig erledigen kann bzw. wieviel Unterstüt-zung durch eine Hilfsperson notwendig ist. Eine Untersuchung der Interrater-Reliabilität, der Responsivität und Validität dieser zusätzlichen Items ergab durchgehend gute Werte.

Konsekutiv wurden alle Patienten der Phase C erfasst, die nach dem 1. Januar 2009 in ei-ner der Kliniken Schmieder aufgenommen wurden. Ausgeschlossen wurden Patienten, die (meist wegen interkurrenter Erkrankungen) Behandlungszeiten von weniger als 20 Tagen hatten.

Im Unterschied zu FIM und FAM, wo Vor- und Nachtest auf der Basis von (Teil-)Summen verglichen werden, haben wir eine differenziertere Auswertung erarbeitet, bei der die Anzahl der Items, in denen es eine Änderung des Werts gab, bezogen wird auf die Anzahl der Items, die tatsächlich getestet wurden und die bei Aufnahme nicht bereits den Wert 7 (nicht beeinträchtigt) hatten. Zusätzlich wurde das Ausmaß der Veränderungen berechnet, das pro Item einen Wert von 1 bis 6 erreichen kann. Neben den Veränderungen der Rohwerte

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wurden Effektgrößen (Standard Response Mean, SRM) für alle Items berechnet. Außerdem wurde der Einfluß von Therapieintensität, Ätiologie und Dauer der Erkrankung analysiert.

Darüber hinaus werden die Ergebnisse von Rasch-Analysen des Assessments vorgestellt (Modell-Fit, Reliabilität, Trennungsindices, Test auf Eindimensionalität).

Ergebnisse Die Datenerhebung umfasst ca. 1.200 Patienten, die im Jahr 2009 aufgenommen wurden. Eine erste Auswertung ergab deutliche Leistungsverbesserungen bei den Patienten: im Durchschnitt waren 27 Items bewertet worden. 76 % der Patienten verbesserten sich in mindestens 5 der 56 Items (um mindestens einen Punkt), 56 % der Patienten in 10 oder mehr Items. Mehr als 28 % der Patienten verbesserten sich in 20 oder mehr Items (von 56 Items). Die Effektstärken (SRM) waren mittel bis stark (0,44 - 1,05).

In der Rasch Analyse erwies sich der Bereich "Mobilität" als eindimensional. Die mittlere Verbesserung in diesem Bereich betrug 1,7 Logits.

Literatur Bond, T.G., Fox, C.M. (2007): Applying the Rasch Model. Fundamental Measurement in

theHuman Sciences. Lawrence Erlbaum Associates, publishers. Mahwah, New Jersey, London.

Hall, K.M. (1997): The Functional Assessment Measure (FAM). Journal of Rehabilitation Outcomes, 1(3). 63-65.

Hobart, J.C., Lamping, D.L., Freeman, J.A., Langdon, D.W., McLellan, D.L., Green-wood, R.J., Thompson, A.J. (2000): Evidence-based measurement. Which disability scale for neurologic rehabilitation? Neurology, 57. 639-644.

Turner-Stokes, L., Nyein, K., Turner-Stokes, T., Gatehouse, C. (1999): The UK FIM+FAM: development and evaluation. Functional Assessment Measure. Clinical Rehabilitation, 13 (4). 277-287.

Wie wirksam sind rehabilitative Maßnahmen zur Verbesserung der Gehfähigkeit mehr als sechs Monate nach Schlaganfall?

Saal, S., Behrens, J., Herrmann, G., Lorenz, S., Schubert, M. Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Hintergrund, Stand der Forschung und Untersuchungsziel Ein Schlaganfall ist ein komplexes Geschehen und beeinträchtigt häufig aufgrund hemipare-tischer Folgeerscheinungen die Fähigkeit des Gehens. Obwohl in den ersten 12 Wochen die größten Remissionen nach Schlaganfall zu erwarten sind (Jorgensen et al., 1995), erreichen etwa 35 % aller Überlebenden keine Alltagsfunktionen und weitere 20-25 % keine Gehfähig-keit mehr (Kwakkel et al., 2002).

Es gibt derzeit keine ausreichend gesicherte Basis über die Wirksamkeit medizinischer Spätrehabilitation nach einem Schlaganfall (Aziz et al., 2008). Bisherige Forschungsarbeiten betrachten entweder phasenübergreifend sowohl Früh- als auch Spätrehabilitation oder aber

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können aufgrund der mangelhaften Studienlage keine differenzierte Aussage zu geeigneten Therapiestrategien nach Abschluss der akuten Phase treffen (Moseley et al., 2005; Pome-roy et al., 2006; Pollock et al., 2007). Um Hinweise auf Effekte therapeutischer Verfahren nach der akuten Rehabilitation zu erhalten, betrachtet diese Übersichtsarbeit Forschungsar-beiten mit Interventionen bereits ab einem halben Jahr nach einem Schlaganfall.

Methodik Die Übersichtsarbeit basiert auf einer systematische Literaturrecherche in folgenden Daten-banken bis zum Zeitpunkt Januar 2009: Medline, PEDro, ACP Journal Club, DARE, Coch-rane Central Register of Controlled Trials, Science Citation Index Expanded, OTseeker, CI-NAHL, PsycInfo. Es wurden randomisierte Studien eingeschlossen, die eine Intervention der medizinischen Rehabilitation von Folgeerscheinungen eines Schlaganfalls prüfen, der min-destens sechs Monate vergangen ist, sowohl im ambulanten als auch stationären Setting, in englischer oder deutscher Sprache. Studien mit Teilnehmern unter 18 Jahren und Studien, deren Interventionen nicht vorrangig der medizinischen Rehabilitation dienen, wurden nicht in die weitere Untersuchung aufgenommen. Die eingeschlossenen Studien wurden anhand des Beurteilungssystems von Behrens und Langer (2004) methodisch bewertet und die Evi-denzstärke therapeutischer Interventionen anhand der Levels of Evidence nach van Tulder et al. (2003) ermittelt.

Ergebnisse Die Datenbanksuche ergab insgesamt 604 Treffer. Dabei entsprachen 28 RCTs den Ein-schlusskriterien. Während vier Studien ein Gangtraining unter dem Einsatz von Laufband, elektromechanischer - oder robotergestützter Gangtrainer untersuchten, befassten sich wei-tere sechs Studien mit elektrotherapeutischen Verfahren, zwei Studien mit einem Biofeed-backverfahren, 14 Studien mit verschiedenen physiotherapeutischen Verfahren ohne Ein-satz von Großgeräten und zwei Studien mit Akupunktur.

Davon ausgehend zeigte sich eine moderate Evidenz zur Verbesserung der Gehfähigkeit mindestens sechs Monate nach einem Schlaganfall für ein gezieltes Krafttraining der Bein-muskulatur, aufgabenbezogenes Kreistraining, Balancetraining und Laufbandtraining. Mit ebenfalls moderater Evidenz ist derzeit von einer fehlenden Wirksamkeit einer Akupunktur auf die Gehfähigkeit auszugehen.

Begrenzte Evidenz existiert bezüglich einer Verbesserung der Gehfähigkeit für Bewegungs-therapie im Wasser, ein spezifisches Ballübungsprogramm, ein Gangtraining mit Rückwärts-laufen, ergänzende TENS-Behandlung, ein Biofeedbackverfahren zur Kräftigung der Fuß-hebemuskulatur, Balancetraining mit einer Biofeedbackplattform und Training eines elekt-romechanischen Gangtrainers. Hingegen ist die Evidenzlage zu Effekten ergänzender ner-valer und neuromuskulärer Elektrostimulation auf die Gehfähigkeit derzeit widersprüchlich.

Diskussion und Schlussfolgerung Sowohl die Anzahl als auch die methodische Güte der eingeschlossenen Studien ist derzeit nicht ausreichend, um auf Basis einer starken Evidenz eindeutige Therapieempfehlungen aussprechen zu können. Dennoch gibt es Hinweise darauf, dass Therapieansätze, welche sich unmittelbar nach einem Schlaganfall als wirksam erwiesen haben, auch noch nach ei-nem halbem Jahr und darüber hinaus die Gehfähigkeit positiv beeinflussen. Umso relevan-

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ter erscheint eine strukturierte Fortführung der Rehabilitation im Rahmen ambulanter thera-peutischer Leistungen nach der Entlassung aus der Rehabilitationseinrichtung. Um einen Effekt später rehabilitativer Maßnahmen sicher darzustellen, bedarf es größerer Studien, die sich explizit dem Zeitraum der späten Nachsorge widmen.

Literatur Aziz, N.A., Leonard-Bee, J., Phillips, M.F., Gladman, J., Legg, L.A., Walker, M. (2008):

Therapy-based rehabilitation services for patients living at home more than one year af-ter stroke. Cochrane Database of Systematic Reviews, Issue 2. Art. No.: CD005952.

Behrens, J., Langer, G. (2004): Evidence-based nursing. Vertrauensbildende Entzauberung der "Wissenschaft". Qualitative und quantitative Methoden bei täglichen Pflegeent-scheidungen. Verlag Hans Huber (Bern, Göttingen, Toronto, Seattle).

Jorgensen, H.S., Nakayama, H., Raaschou, H., Vive-Larson, J., Stoier, M., Olsen, T., (1995): Outcome and time course of recovery in stroke. Part I: Outcome. The Copenha-gen Stroke Study. Archives of Physical Medicine and Rehabilitation, 76 (5). 399-405.

Kwakkel, G., Kollen, B.J., Wagenaar, R.C. (2002): Long term effects of intensity of upper and lower limb training after stroke: a randomised trial. Journal of Neurology, Neurosur-gery und Psychiatry 72 (4). 473-479.

Moseley, A.M., Stark, A., Cameron I.D., Pollock, A. (2005): Treadmill training and body weight support for walking after stroke. Cochrane Database Of Systematic Reviews, Is-sue 4. Art. No.: CD002840.

Pollock, A., Bear, G., langhorne, P., Pomeroy, V. (2007): Physiotherapy treatment ap-proaches for the recovery of postural control and lower limb function following stroke: a systematic review. Clinical Rehabilitation, 21 (5). 395-410.

Pomeroy, V.M., Graeme, J.H, King, L.M., Pollock, A., Baily-Hallman, A., Langhorne, P. (2006): Electrostimulation for promoting recovery of movement or functional ability after stroke. Cochrane Database Of Systematic Reviews, Issue 2. Art. No.: CD003241.

van Tulder, M., Furlan, A., Bombardier, C., Bouter, L., (2003): "Updated Method Guidelines for Systematic Reviews in Cochrane Collaboration Back Review Group." SPINE, 28 (12). 1290-1299.

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Supervidierte telemedizinische Nachsorge von Schlaganfallpatienten mit Störungen von Sprache und Aufmerksamkeit mit dem EvoCare-System

- Ergebnisse einer Evaluationsstudie

Radoschewski, F.M., Mohnberg, I. Charité - Universitätsmedizin Berlin

Hintergrund Computergestütztes Training sprachlicher und kognitiver Funktionen gehört seit geraumer Zeit zum Versorgungsalltag in der Rehabilitation von Patienten mit Schlaganfall. Das Ange-bot ambulanter neuropsychologischer und sprachtherapeutischer Versorgung ist - insbe-sondere außerhalb städtischer Ballungszentren - nur in Einzelfällen ausreichend (Schupp et al., 2006). Eine Alternative stellt ein telemedizinisches Versorgungskonzept dar, mit dem die für notwendig erachtete Supervision (Huber, 2004; Bauer et al., 2002) durch Therapeuten der Rehabilitationskliniken gewährleistet werden kann.

Die Deutsche Rentenversicherung Westfalen und nachfolgend weitere Rentenversicherun-gen führten deshalb als Pilotprojekt die Verordnungsmöglichkeit von Nachsorgeleistungen für Schlaganfallpatienten mit dem EvoCare-System ein. Die Besonderheit des EvoCare-Konzepts (Entwickler: Dr. Hein GmbH) liegt in einer kombinierten Systemlösung, die den Therapeuten eine kontinuierliche Supervision und Anpassung an den Übungsverlauf und die Trainingsergebnisse der Patienten ermöglicht (Seewald et al., 2004; Radoschewski et al., 2008).

Zielsetzung und Methoden Die von der Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften NRW e.V. geförderte Evaluati-onsstudie untersuchte, ob die Nachsorge bei Schlaganfallpatienten mit dem EvoCare-System zu besseren Ergebnissen im Aufmerksamkeitsbereich, bei den sprachlichen Fähig-keiten und der Lebensqualität führt als die poststationäre ambulante Regelversorgung.

An der Studie waren vier neurologische Rehabilitationskliniken beteiligt (Helios Klinik Ha-gen-Ambrock, Reha-Zentrum Bad Gögging, Helios Reha-Zentrum Odebornklinik, Wester-waldklinik Waldbreitbach gGmbH).

Einschlusskriterien für die zwei Therapiegruppen (Aufmerksamkeit bzw. Sprache) war ein Prozentrang von ≤ 16 in zwei von drei Untertests der TAP (Testbatterie zur Aufmerksam-keitsprüfung) oder nur im Untertest "Geteilte Aufmerksamkeit" und andererseits eine Profil-höhe des AAT (Aachener Aphasietest) unter einem Wert von 58. Von in 18 Monaten insge-samt 627 überprüften Patienten entsprachen 46 (Aufmerksamkeit) bzw. 26 (Sprache) den Einschlusskriterien und stimmten einer Studienteilnahme zu.

Bereits während der stationären Rehabilitation wurde mit dem EvoCare-System trainiert. Vor der Entlassung wurden erneut TAP und AAT durchgeführt und es erfolgte die randomisierte Zuweisung zu Interventions- und Kontrollgruppe. Die Interventionsgruppe trainierte über 6 Wochen täglich zu Hause, während die Kontrollgruppe die üblichen Empfehlungen für die ambulante Weiterversorgung erhielt. Am Ende der Nachsorgephase und nach 3 Monaten erfolgten erneut Messungen. Zu allen Messzeitpunkten und zusätzlich nach 6 Monaten wur-

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den die Studienteilnehmer auch zu ihren Erfahrungen mit dem Trainingssystem, zur Bewer-tung der Ergebnisse und ihrer gesundheitsbezogenen Lebensqualität standardisiert befragt.

Für den Vergleich der Outcomes und Verläufe zwischen der Interventions- und Kontroll-gruppe, sowie der Überprüfung der Interaktionen mit potentiellen Einflussfaktoren und Con-foundern wurden parameterfreie Testverfahren eingesetzt.

Ergebnisse Für das Training der Aufmerksamkeitsfunktionen ergeben sich keine Vorteile für Interventi-ons- oder Kontrollgruppe am Ende der Nachsorgephase (6WO) und 3 Monate nach Ende der stationären Rehabilitation.

Ausschließlich in der stationären Phase zeigten sich für die Mehrzahl der Untertests des AAT bei Interventions- und Kontrollgruppe signifikante Verbesserungen.

In den Gruppen mit Aufmerksamkeitsdefiziten verschlechtert sich die körperliche Befindlich-keit der Interventionsgruppe gegenüber der Kontrollgruppe nach dem Nachsorgezeitraum signifikant, während in der psychischen Befindlichkeit keine Unterschiede festzustellen sind. Die Entwicklung der mit dem SF-36 gemessenen körperlichen und psychischen Befindlich-keit in den Aphasiegruppen lässt keine Vorteile für die Nachsorgegruppe erkennen.

Konträr zu den Messwerten berichten die Aphasie-Patienten der Interventionsgruppe häufi-ger über Verbesserungen ihrer sprachlichen Fähigkeiten und ihres Befindens.

Diskussion und Ausblick Die Erwartungswerte hinsichtlich der rekrutierbaren Studienteilnehmer erwiesen sich infolge der strengen Ein- und Ausschlusskriterien als erhebliche Überschätzungen. Auch die gerin-ge Teilnahmebereitschaft dieser Patientengruppe war nicht erwartet worden. Deshalb muss-te auf alternative, parameterfreie Analyseverfahren ausgewichen werden.

Die Studienergebnisse zeigen, dass bei etwa 8 % der Schlaganfallpatienten aus dem Klien-tel der Rentenversicherung ein indizierter Bedarf an computergestützter Sprachtherapie und bei 23 % an computergestützter Therapie von Aufmerksamkeitsstörungen während der sta-tionären Rehabilitation und gegebenenfalls in der Nachsorge besteht. Diese Werte liegen erheblich unter den Anteilen, die laut KTL für Rehabilitanden der Rentenversicherung mit der Diagnose Schlaganfall bislang erbracht wurden. Für die Reha-Kliniken ist bei diesen Bedarfsgrößen die Wirtschaftlichkeit dieser Leistungserbringung in Frage gestellt.

Literatur Bauer, A., de Langen-Müller, U., Glindemann, R., Schlenck, C., Schlenck, K.-J., Huber, W.

(2002): Qualitätskriterien und Standards für die Therapie von Patienten mit erworbenen neurogenen Störungen der Sprache (Aphasie) und des Sprechens (Dysarthrie) - Leitli-nien 2001. In: Akt Neurol, 29. 63-75.

Huber, W. (2004): Sprache. In: Kuratorium ZNS für Unfallverletzte mit Schäden des zentra-len Nervensystems e.V. (Hrsg.): Tagungsbericht Wissenschaftliches Symposium Neuro-rehabilitation - Heute und Morgen. 20-30.

Schupp, W., Lederhofer, C., Seewald, B., Haase, I. (2006): Ambulante Nachsorge und sprachtherapeutische Weiterbehandlung bei Aphasikern nach stationärer Rehabilitation - Was können zusätzliche telemedizinische Angebote bringen? unter: http://www.dr-

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hein.com/download/3/studie_ambulante_nachsorge_und_sprachtherapeutische_weiterbehandlung.pdf. Abruf: 10.10.2009.

Seewald, B., Rupp, E., Schupp, W. (2004): Computergestützte Aphasietherapie: Das Kon-zept der EvoCare-Therapie. Forum Logopädie, 2. 24-29.

Radoschewski, F.M., Tesmer, I., Müller-Fahrnow, W. (2008): Nachsorge bei Schlaganfallpa-tienten mit "EvoCare" - Evaluation der Effektivität eines teletherapeutischen Verfahrens; In: DRV-Schriften, Bd. 77. 539-540.

Kognitive Fatigue bei MS-Patienten und diurnaler Leistungsabfall bei Schlaganfall-Patienten

Claros-Salinas, D. (1), Nickisch, N. (2), Ochs, L. (3), Greitemann, G. (1) (1) Kliniken Schmieder Konstanz und Lurija Institut für Rehabilitationswissenschaften

und Gesundheitsforschung an der Universität Konstanz, (2) Eberhard-Karls-Universität Tübingen, (3) Philipps-Universität Marburg

Fragestellungen und Ziel Neben motorischer Fatigue berichten MS-Patienten auch kognitive Fatigue, häufig als Ab-nahme ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit über den Tag. Um die Frage zu klären, inwieweit sich die kognitive Fatigue bei MS-Patienten von Beschreibungen subjektiven Leistungsab-falls bei Schlaganfallpatienten unterscheidet, wurden die Aufmerksamkeitsleistungen dieser beiden Patientengruppen mehrfach zu unterschiedlichen Tageszeitpunkten geprüft. Da die kognitive Ausdauerleistung v. a. die Möglichkeiten beruflicher Teilhabe beeinflusst, wurden nur Patienten eingeschlossen, deren berufliche Wiedereingliederungsfähigkeit zu beurteilen war.

Methode Die computergestützten Messungen, bei denen die Subtests Alertness, selektive Aufmerk-samkeit (Go / No go), geteilte Aufmerksamkeit des Testsystems TAP-M (Zimmermann, Fimm, 2005) eingesetzt wurden, erfolgten dreimal täglich (morgens, mittags, nachmittags) an zwei aufeinanderfolgenden Tagen.

Die Probanden wurden jeweils um eine subjektive Einschätzung ihrer aktuellen geistigen Leistungsfähigkeit gebeten (visuelle Analogskala, VAS). MS-Patienten wurde zusätzlich ein Fragebogen zur Erfassung ihrer Fatiguebeschwerden (FSMC, Penner et al., 2005) vorge-legt. Zwischen den Messungen wurden die Patienten berufsrelevanten kognitiven Belastun-gen ausgesetzt.

Um die diurnale Aufmerksamkeitsleistung der Patienten von unspezifischen Ermüdungser-scheinungen abzugrenzen, wurde eine Kontrollgruppe berufstätiger Hirngesunder einge-schlossen, die ebenfalls zu den sechs Messzeitpunkten untersucht wurden.

Stichprobe Für den ätiologischen Subgruppenvergleich wurden 22 Schlaganfall-Patienten 20 konsekutiv untersuchten MS-Patienten gegenübergestellt, deren Fatiguebeschwerden erfasst wurden.

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9 der 22 Schlaganfall-Patienten waren weiblich. Der Altersmedian lag bei 45,7 Jahren (24 - 59). Als höchsten Schulabschluss hatten 7 Patienten einen Hauptschulabschluss, 9 einen mittleren Bildungsabschluss und 6 ein Abitur. Von 20 MS-Patienten waren 14 weiblich, bei einem Altersmedian von 39,7 Jahren (20 - 53). 6 Patienten hatten einen Hauptschulab-schluss, 9 einen mittleren Bildungsabschluss, 5 ein Abitur. Die Kontrollgruppe umfasste 76 Probanden, 38 weiblich, deren Altersmedian bei 39 Jahren (20 - 60) lag. 11 Probanden hat-ten einen Hauptschulabschluss, 23 einen mittleren Bildungsabschluss, 41 ein Abitur.

Ergebnisse Die Patientengruppe beurteilte ihre Leistung als über den Tag abfallend, die Kontrollgruppe gab keine wesentlichen Unterschiede an. Die Subgruppe der 20 MS-Patienten erreichte bei der Einschätzung ihrer Fatigue insgesamt einen deutlich pathologischen Wert, sowohl für die kognitive als auch die motorische Subskala. Diese Werte korrelierten insgesamt mit ihrer subjektiven VAS-Einschätzung. Für diese wiederum ergab sich kein Unterscheid zur ent-sprechenden subjektiven Leistungseinschätzung der Schlaganfall-Subgruppe. Bei der Auf-merksamkeitsmessung ergaben sich für die Kontrollgruppe Leistungsanstiege in allen Sub-tests. Die Patientengruppe zeigte diurnale Verschlechterungen, am deutlichsten im Subtest Alertness, bzw. keine signifikanten Leistungsänderungen. Für die ätiologischen Subgruppen ergaben sich keine überzufälligen Unterschiede. Unabhängig von diesen Gruppenergebnis-sen zeigten sich bei einzelnen MS-Patienten Diskrepanzen zwischen subjektiver Einschät-zung einer (deutlichen) diurnalen Leistungsabnahme, einem hohen kognitiven Fatiguewert einerseits und objektiv eher unauffälligen Aufmerksamkeitswerten andererseits.

Diskussion Die Ergebnisse zeigten sich relevant für eine diagnostische Abklärung der möglichen beruf-lichen Teilhabe, v. a. durch den Nachweis diurnaler Leistungsminderung. Aber auch das Ausbleiben eines z. T. linearen Leistungsanstiegs, wie ihn die Kontrollgruppe zeigte, ist als mögliches Korrelat kognitiver Belastungsminderung zu werten - zumal bei einer Patienten-gruppe, deren kognitive Beeinträchtigungen nicht derart ausgeprägt waren, dass eine beruf-liche Wiedereingliederung ausgeschlossen erschien. Für eine individuell auf Leistungskom-pensation und -adaptation ausgerichtete Berufstherapie folgen wichtige Hinweise auf inhalt-liche wie tageszeitbezogene Anpassungen bei der beruflichen Wiedereingliederung.

Gerade für die Subgruppe der MS-Patienten, die insgesamt eine deutliche Fatigue-Pro-blematik schilderten, sich aber leistungsmäßig nicht von den Schlaganfall-Patienten unter-schieden, ergeben sich je nach Nichtübereinstimmung subjektiver Empfindung eines Leis-tungsdekrements und objektiver Leistungsmöglichkeit zumindest im Einzelfall Ressourcen für eine verbesserte Teilhabe am Alltags- und Berufsleben.

Literatur Claros-Salinas, D., Greitemann, G., Ochs, L., Babinsky, R. (2008): Circadiane Aufmerksam-

keitsbestimmungen zur Erfassung berufsrelevanter Belastungsminderungen. DRV-Schriften Bd. 77. 313-314.

Penner, I.K., Vogt, A., Raselli, C., Stöcklin, M., Opwis, K., Kappos, L. (2005): The FSMC (Fatigue Scale for Motor and Cognitive functions) - A new patient-reported outcome measure for cognitive and motor fatigue in multiple sclerosis. Multiple Sclerosis, 11. 66.

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Zimmermann, P., Fimm, B. (2005): Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (Version Mobi-lität), Version 1.0. Herzogenrath: Psytest.

Rehabilitation bei Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen - Resultate

Schröter, C. Klinik Hoher Meissner, Bad Sooden-Allendorf

Hintergrund In der Neurologischen Abteilung der Klinik Hoher Meissner wurden im Jahre 2008 404 Pati-enten mit vorwiegend degenerativen neuromuskulären Erkrankungen wie Muskeldystro-phien, spinalen und neuralen Muskelatrophien sowie der amyotrophen Lateralsklerose be-handelt. Kostenträger waren Rentenversicherungsträger und gesetzliche Krankenkassen sowie private Krankenversicherungen. Die ätiologisch und pathogenetisch unterschiedlichen Erkrankungen haben zumeist verminderte Kraft und Ausdauer zur Folge, die die Lebens-qualität und Alltagsbewältigung der Patienten erheblich einschränken. Zwar wird bei den progredienten degenerativen neuromuskulären Erkrankungen die Trainierbarkeit immer wieder in Frage gestellt, die Effektivität von physiotherapeutischen und rehabilitativen Be-handlungsprogrammen wird aber in der Literatur allgemein akzeptiert (Kilmer, 1998; Brooke et al., 1989; Carter, 1997; Vignos, 1988; Dal Bello-Haas et al., 1998; Agre, 1995).

Methodik Zu Beginn der Rehabilitation und vor Entlassung wurde neben der neurologischen Untersu-chung eine standardisierte physio- und ergotherapeutische Testung zur Beurteilung des in-dividuellen Therapieerfolgs vorgenommen. Insbesondere im Alltag wichtige Funktionen wur-den dabei quantitativ erfasst. Hierzu gehörten beispielsweise der Nine hole peg Test, die maximale Dauer (max. 90 s) und Häufigkeit (max. 30 mal) der Abduktion des rechten Ar-mes, wie oft der Betroffene jeweils innerhalb von 15 Sekunden aus der Rückenlage in die Brücke gelangen konnte, wie oft er sich vom Hocker aufrichten und hinsetzen konnte, wie oft er einen Gymnastikball aufnehmen und ablegen konnte. Weiter gehörten dazu der Timed Walking Test und die Anzahl der Stufen, die innerhalb von 15 Sekunden jeweils aufwärts und abwärts bewältigt werden konnten. Zur Überprüfung des Effekts unseres Behandlungs-konzepts wurden die Daten retrospektiv für das Gesamtkollektiv und für die einzelnen Krankheitsbilder zusammengestellt und statistisch ausgewertet.

Um bei den 67 Patienten mit einer amyotrophen Lateralsklerose hierbei Überlastungen zu vermeiden, wurde auf die Testung verzichtet. Für weitere 37 Patienten lagen keine Evaluati-onsbögen bei Aufnahme und Entlassung vor, somit konnten die Daten von exakt 300 Pati-enten retrospektiv ausgewertet werden, dabei unter anderem 73 Patienten mit Muskeldys-trophien, 59 Patienten mit myotonen Dystrophien, 35 Patienten mit spinalen und bulbospina-len Muskelatrophien sowie 35 Patienten mit einer hereditären sensomotorischen Neuropa-thie (HMSN).

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Ergebnisse Die Patienten waren 17 bis 84 Jahre, im Median 48 Jahre alt. 53 % der Patienten waren Frauen, 47 % Männer. Die mittlere Behandlungsdauer betrug 30,1 Tage, der Median 28 Ta-ge. Die statischen Auswertungen wurden mit Hilfe von SPSS für Windows, Version 15.0 (SPSS Inc., U.S.A.) durchgeführt. Die kontinuierlichen Variablen wurden mittels des Kolmo-gorov-Smirnov-Tests hinsichtlich ihrer Normalverteilung überprüft. Keine der getesteten Va-riablen wiesen eine Normalverteilung auf (Kolmogorov-Smirnov-Test: p<0,05). Bei den Ver-gleichen der Stichproben wurden daher durchgehend nichtparametrische Tests für nicht normalverteilte Stichproben herangezogen. Bei allen durchgeführten Tests erfolgte eine zweiseitige Signifikanzüberprüfung, wobei für alle statistischen Tests ein p-Wert < 0,05 als statistisch signifikant angenommen wurde.

Die vorliegenden Daten ergaben für sämtliche untersuchte Parameter für die Gesamtklientel im Behandlungsverlauf höchstsignifikante Effekte (p < 0,001). Die Besserungen der Para-meter lagen dabei zwischen 11 und 53 %. Auch bezogen auf die einzelnen Krankheitsgrup-pen ergaben sich für die genannten Parameter ganz überwiegend signifikante bis höchst-signifikante Effekte.

Fazit Die Ergebnisse weisen in Übereinstimmung mit der Literatur darauf hin, dass durch stationä-re Behandlungsmaßnahmen eine Verbesserung der Funktionen und Fähigkeiten von Pati-enten mit neuromuskulären Erkrankungen erreicht werden kann. Solange keine kausalen Therapieformen vorliegen, stellt die rehabilitative Behandlung ein unverzichtbares Modul in der Versorgung dieser Patienten dar.

Literatur Agre, J.C. (1995): The role of exercise in the patient with post-polio-syndrome. Ann NY Acad

Sci., 753. 321-334. Brooke, M.H., Fenichel, G.M., Griggs, R.C. (1989): Duchenne muscular dystrophy: patterns

of clinical progression and effects of supportive therapy. Neurology, 39. 475-481. Carter, G.T. (1997): Rehabilitation Management in Neuromuscular Disease. J Neuro Rehab,

11. 69-80. Dal Bello-Haas, V., Kloos, A.D., Mitsumoto, H. (1998): Physical therapy for a patient through

six stages of amyotrophic lateral sclerosis. Phys Ther, 78. 1312-1324. Kilmer, D.D. (1998): The role of exercise in neuromuscular disease. Phys Med Rehabil Clin

North Am, 9. 115-125. Vignos, P.J. jr. (1988): Management of musculoskeletal complications in neuromuscular dis-

ease: limb contractures and the role of stretching, braces and surgery. Medicine and Re-habilitation: State of the Art Reviews, 2. 509-536.

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Neurologische Rehabilitation (Poster)

Medizinische Rehabilitation begründende Diagnosen von Schlaganfallpatienten vor und nach dem ersten Schlaganfall

Fleischer, S., Schubert, M., Selinger, Y., Behrens, J., Zimmermann, M. Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Hintergrund Im Rahmen des Teilprojekts C5 des Sonderforschungsbereichs 580 werden neben eigenen Befragungsdaten sowie klinisch kontrollierter Studien insbesondere Routinedaten der Ren-tenversicherung bei der Indikation Schlaganfall ausgewertet. Die längsschnittliche Analyse der Rehabilitations- und Krankheitsverläufe Betroffener fokussiert nicht nur auf den Zeitraum nach dem Akutereignis (rehabilitative und therapeutische Versorgung, Nachsorge und Ver-netzung) sondern auch die Periode davor. Trotz der aus epidemiologischer Sicht einge-schränkten Aussagekraft (Nennerproblem) des selektiven Datensatzes, wie ihn die Reha-Statistik-Datenbasis (RSD) darstellt (nur ca. 25 % der Schlaganfallpatienten sind überhaupt unter 65 Jahre und damit für die Rentenversicherung relevant), können erste Rückschlüsse über sonstige Erkrankungen (Komorbiditäten) und andere Eigenschaften von medizinischen Schlaganfallrehabilitanden mit vorangegangener medizinischer Rehabilitation (die nicht we-gen eines Schlaganfalls erfolgte) gezogen werden.

Im Rahmen dieses Beitrags werden Ergebnisse der Auswertung dieser Routinedaten in Hinblick auf rehabilitationsbegründende Diagnosen präsentiert.

Methodik Datengrundlage für die Analysen war der Datensatz der RSD aus dem Jahr 2006. Einge-schlossen wurden alle Fälle, die mindestens eine medizinische Rehabilitation in den Jahren 2001, 2002 oder 2003 bewilligt bekommen haben, die mit der Diagnose Schlaganfall (ICD 10: I60-I64) begründet war. Weiterhin wurde die Stichprobe regional auf Personen aus den Bundesländern Sachsen-Anhalt, Thüringen, Schleswig-Holstein sowie Baden-Württemberg eingeschränkt. Aus den Auswahlkriterien resultierte eine Stichprobe von insgesamt n = 8.485 Personen. Von allen Personen wurden die Daten der zum Zeitpunkt der Stichpro-benziehung letzten, bis zu maximal fünf zurückliegenden Rehabilitationsmaßnahmen einbe-zogen.

Es wurden von allen Personen mit medizinischer Rehabilitation die erste durch Schlaganfall begründete Rehabilitation ermittelt und davor bzw. danach stattgefundene medizinische Re-habilitationen nach ihren begründenden Diagnosen gruppiert in die Hauptgruppen der ICD 10 tabelliert.

Ergebnisse Für die vor der ersten durch Schlaganfall begründeten medizinischen Rehabilitation(en) wa-ren die drei häufigsten Diagnosegruppen im System der ICD 10 mit 36 % "Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes", mit 20 % "Krankheiten des Kreislaufsys-

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tems" sowie mit 17 % "Psychische und Verhaltensstörungen". Insgesamt wurden bereits vor der ersten medizinischen Rehabilitation wegen Schlaganfalls n = 1.580 medizinische Reha-bilitationen durchgeführt.

Für die nach der ersten durch Schlaganfall begründeten medizinischen Rehabilitation(en) waren die fünf häufigsten Diagnosegruppen im System der ICD 10 mit 46 % nochmals eine Schlaganfalldiagnose (erneute Rehabilitation oder Reinfarkt), mit 17 % "Psychische und Verhaltensstörungen", mit 10 % "Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Binde-gewebes" sowie mit jeweils 8 % "Krankheiten des Nervensystems" und "Krankheiten des Kreislaufsystems". Insgesamt wurden nach der ersten medizinischen Rehabilitation n = 2.435 medizinische Rehabilitationen durchgeführt.

Eine nähere Betrachtung der Psychischen und Verhaltensstörungen ergab wie erwartet eine große Häufigkeit psychischer Erkrankungen mit affektiven Anteilen. Die fünf häufigsten Di-agnosen in der dreistelligen Systematik der ICD 10 verteilten sich hierbei wie folgt (relativer Anteil an Psychischen und Verhaltensstörungen): F06 (24 %), F07 (18 %), F43 (13 %), F10 (11 %) sowie F32 (11 %).

Diskussion Bei der Betrachtung der Diagnosegruppen vor der ersten Schlaganfallrehabilitation fällt vor dem Hintergrund bekannter Risikofaktoren auf, dass insbesondere Krankheiten des Kreis-laufsystems deutlich über der berichteten Rate von 4,7 % (Frauen) bzw. 12,8 % (Männer) in der Statistik der DRV liegen (Deutsche Rentenversicherung, 2008). Andere Risikofaktoren, wie z. B. Stoffwechselkrankheiten, traten hingegen kaum auf bzw. wurden anscheinend in dieser Periode nicht als rehabegründend vordringlich.

Der hohe Anteil von schlaganfallbegründeten Rehabilitationen nach der ersten Schlaganfall-rehabilitation illustriert den komplexen und langwierigen Rehabilitationsprozess nach Schlaganfall. Der ausgesprochen hohe Teil "Psychische und Verhaltensstörungen" lässt ei-ne starke rehabilitationsrelevante psychisch-affektive Komponente des Schlaganfallrehabili-tationsprozess vermuten.

Fazit Schlaganfallpatienten befinden sich in einem langwierigen, komplexen Rehabilitationspro-zess, der in einem großen Maße auch Leistungen bei "Psychischen und Verhaltensstörun-gen" beinhaltet.

Literatur Deutsche Rentenversicherung (2008): Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, sonsti-

ge Leistungen zur Teilhabe und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben der gesetzli-chen Rentenversicherung im Jahre 2007. Bd. 169.

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400

Bewegungsanalyse zur Objektivierung der motorischen Fatigue bei Multipler Sklerose

Dettmers, C. (1), Khusnullina, A. (2), Roth, M. (2), Vieten, M.(2) (1) Kliniken Schmieder Konstanz,

(2) Fachbereich Sportwissenschaften, Universität Konstanz

Einleitung Fatigue, d. h. pathologische Erschöpfbarkeit, ist ein schillernder Begriff, der in unterschiedli-chen Zusammenhängen sehr unterschiedlich benutzt wird (Dettmers, Schmidt, 2009). Selbst bei der Multiplen Sklerose wird er unterschiedlich verwendet. Im engeren Sinn, wie er im Folgenden benutzt wird, beschreibt die motorische Fatigue die abnorme Erschöpfbarkeit der Motorik, wie sie vermutlich durch wiederholten Gebrauch von Neuronen entsteht (use de-pendent conduction block). Dabei ist die Fatigue nur in begrenztem Ausmaß modifizierbar (Dettmers et al., 2009). Selbst für das motorische Phänomen im engeren Sinne ist der ob-jektive Nachweis schwierig (Dettmers et al., 2008). Üblicherweise wird motorische Fatigue durch die Angaben des Patienten und durch Fragebogen erfasst. Problematisch ist, dass häufig nicht die Paresen oder kognitive Defizite die berufliche Leistungsfähigkeit beschrän-ken, sondern die verminderte Belastbarkeit bzw. kognitive oder motorische Fatigue. Insofern ist es wünschenswert, Fatigue objektiv messen oder erfassen zu können. Dies ist der Hin-tergrund dafür, dass wir bei Patienten mit motorischer Fatigue Bewegungsanalysen durch-führen, um Fatigue besser erfassen zu können.

Methodik Selektion Vierzehn Patienten mit klinisch definitiver Multipler Sklerose (MS) und der subjektiven An-gabe von Fatigue wurden zur Messung herangezogen.

Protokoll Patienten gingen auf einem Laufband der Firma Woodway mit einer für sie angenehmen, konstanten Geschwindigkeit bis zur Erschöpfung.

Videoaufzeichnung Patienten wurden mit einer Digitalkamera (Canon Digital Ixus 65) von hinten aufgezeichnet.

System der Bewegungsaufzeichnung mittels Infrarottechnik Das Komplettsystem AS 200 der Firma LUKOtronic diente zur Aufzeichnung der Bewegung. Dazu gehörte die Kameraeinheit MCU 200, aktive Infrarot-Marker, eine Controllerbox mit Funkverbindung, ein Ladegerät, Datenaufzeichnungssoftware und eine Analysesoftware. Elf Infrarotmarker wurden auf der Körperrückseite des Patienten befestigt (2 mal Ferse, 2 mal Archillessehne, 2 mal Kniekehle, 2 mal Darmbein, Wirbelsäule BWK5, 2 margo medialis Schulterblatt).

Datenanalyse Folgende Bewegungsanalysen wurden durchgeführt: Schrittlänge, Schrittbreite, Schritthöhe, Circumduktion rechts und links, Kniewinkel rechts und links, Sway (rechts-links-Ab-weichung). In einem ersten Analyseschritt wurde nach signifikanten Veränderungen dieser Parameter während der Meßperiode geschaut. In einem zweiten Schritt wurde untersucht,

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ob die Variabilität (Unregelmäßigkeit) der Schrittparameter mit zunehmender Erschöpfung zunimmt.

Klinische Daten Die Selbstbewertung der Patienten hinsichtlich Fatigue wurde abgefragt mittels FSMC (Fati-gue Skala für Motorik und Cognition, Penner, 2008).

Ergebnisse Dreizehn Patienten hatten eine schwere körperliche Fatigue (> 32 von 50 möglichen Punk-ten), einer hatte eine mittelgradige Fatigue (> 27 Punkte), einer nur kognitive Fatigue.

Die Patienten legten im Durchschnitt 110 (63 bis 692) Meter zurück. Alle acht Bewegungs-parameter änderten sich signifikant von Beginn zum Ende der Laufbandbelastung für die Gesamtheit der Gruppe. Bei den Frauen nahm die Variabilität zu, bei den Männern nicht (Tab.1).

Hypothesen

Indikatoren

Mittel- wert

Tendenzbei

Frauen

Tendenzbei

Männern

Varia-bilität

Tendenz bei

Frauen

Tendenzbei

Männern

Schrittlänge + ↑ - - ↑ ↓

Schrittbreite + ↑ ↓ + ↑ -

Schritthöhe + ↑ ↓ + ↑ -

Circumduktion rechts + - - + ↑ ↑

Circumduktion links + ↑ - + ↑ -

Kniewinkel rechts + ↓ - + ↑ -

Kniewinkel links + ↓ - - - -

Sway + ↑ ↓ + ↑ ↓

Gesamt 8 7 3 6 6 3

+ signifikante (p<0,05, paariger T-Test) Abweichung des Mittelwertes am Ende der Gangprobe bzw. signifikan-te Abweichung der Variabilität (SD-Test). Die Pfeile geben die Richtung der Veränderung an (Vergrößerung oder Verkleinerung) Tab. 1: Signifikante Veränderung der Gangparameter im Mittelwert und in der Variabilität

Diskussion Die Analyse der dreidimensionalen Bewegungen in umschriebenen Bewegungssegmenten erlaubt die exakte Beschreibung von Veränderungen des Gangbildes. Motorische Fatigue geht mit einer signifikanten Veränderung des Gangbildes und mit einer Zunahme der Varia-bilität einher. Inwiefern dies im Einzelfall eine sichere Trennung erlaubt, muss im Rahmen einer prospektiven Studie bestätigt werden.

Literatur Dettmers, C., Sulzmann, M., Gütler, R., Lange, R., Weiller, C., Vieten, M. (2008): Motorische

Fatigue bei Multipler Sklerose. In: Penner, I.-K. (Hrsg.): Fatigue bei Multipler Sklerose. Hippocampus Verlag, Bad Honnef. 53-62.

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Dettmers, C., Schmidt, R. (2009): Fatigue bei Patienten mit MS. In: Dettmers, Weiller, Bülau: Rehabilitation der Multiplen Sklerose. Hippocampus-Verlag, Bad Honnef.

Dettmers, C., Sulzmann, M., Ruchay-Ploessl, A., Guetler, R., Vieten, M. (2009): Endurance exercise improves walking distance in MS patients with fatigue. Acta Neurol Scand; 120. 251-257.

Penner, I.-K. (2008): Klinische Erfassungsinstrumente der Fatigue. In: Penner, I.-K. (Hrsg.): Fatigue bei Multipler Sklerose. Hippocampus Verlag, Bad Honnef. 95-106.

Randomisierte, kontrollierte Studie zur Evaluation des heimbasierten Videotrainings zur Behandlung von Armparesen nach Schlaganfall

Nedelko, V. (1), Hassa, T. (1), Rothmeier, C. (2), Starrost, K. (1), Binkofski, F. (3), Schoenfeld, A. (4), Dettmers, C. (2)

(1) Kliniken Schmieder Allensbach, (2) Kliniken Schmieder Konstanz, (3) Neurologische Universitätsklinik Schleswig Holstein, Campus Lübeck,

(4) Leibniz Institut für Neurobiologie, Magdeburg

Einleitung Mentales Training wird zunehmend häufig auch als attraktive Methode in der Neurorehabili-tation empfohlen (Zimmermann-Schlatter et al., 2008). Es gibt gute wissenschaftliche Kon-zepte zur Funktion der Spiegelneurone. Diese sind involviert in die Bewegungsausführung, aber gleichzeitig auch zuständig für Erkennen, Beobachten und Imitation von Handlungen (Dettmers, Nedelko, 2009). Neben der Bewegungsvorstellung (Page et al., 2007; Liu et al., in press) wird auch die Bewegungsbeobachtung zur Verbesserung der Handfunktion emp-fohlen. Hierzu gibt es aber bisher nur eine Studie mit einer Stichprobe von acht Patienten in der Interventionsgruppe (Ertelt et al., 2007). Dies war für uns die Ausgangslage, um die Wirksamkeit des heimbasierten Videotrainings bei Patienten mit Armparese und Schlagan-fall im Rahmen einer prospektiven, randomisierten, dreiarmigen Studie zu untersuchen.

Methodik Setting Patienten wurden jeweils in der letzten Woche ihrer stationären Rehabilitationbehandlung in zwei Standorten der Kliniken Schmieder (Konstanz und Allensbach) rekrutiert.

Einschlusskriterien Patienten mit einer behandlungsbedürftigen Arm- oder Handparese.

Ausschlusskriterien Alter < 18 oder > 80; klinisch manifester Neglekt, Apraxie, Aphasie oder kognitive Defizite, die ein Verständnis in den Sinn und Zweck einer Untersuchung ausschlossen; Plegie oder nur minimale Feinmotorikstörung; manifeste Depression; Entfernung zum Wohnort > 300 km; kein Videogerät zuhause verfügbar.

Intervention Es wurden 45 einfache, Objekt-bezogene Handübungen unterschiedlichen Schwierigkeits-grades von einer Physiotherapeutin langsam, repetitiv vorgemacht und auf Video aufge-

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nommen. Eine Übung dauert jeweils 4-5 Minuten. Nach 45 Sekunden erscheint der Text mit der Aufforderung, die Übung jetzt nachzumachen. In der letzten Woche der stationären Re-habilitationsbehandlung wurden von den Ergotherapeuten 10 bis 12 Videoübungen ausge-sucht, die im Schwierigkeitsgrad dem Patienten angemessen waren. Das Video mit den Übungen läuft dann jeweils 50 Minuten. Der Patient wird in der Handhabung der DVD und der Übungen eingewiesen und erhält die Aufgabe, nach der Entlassung für sechs Wochen jeden Tag für 50 Minuten zu üben.

Kontrollintervention Eine Kontrollgruppe erhält dieselben Aufgabe auf einer DVD. Die Übungen werden jedoch nicht vorgemacht, sondern in einem Text beschrieben. Auch diese DVD läuft 50 Minuten. Die zweite Kontrollgruppe erhält keine Hausaufgaben mit nach Hause. Alle Patienten dürfen auf Rezept zusätzlich Ergo- und Physiotherapie durchführen und müssen dies dokumentie-ren.

Protokoll Patienten werden in der letzten Woche der stationären Rehabilitation untersucht und sechs Wochen später, nach Beendigung des häuslichen Trainings erneut einbestellt und nachun-tersucht. Sechs Monate nach Beendigung des Trainings wird eine erneute schriftliche Nachbefragung durchgeführt.

Design Dreiarmige, kontrollierte, randomisierte Studie. Hauptzielkriterien werden verblindet ausge-wertet.

Abb. 1: Diagramm zum Design der Studie

Hauptzielkriterien Hauptzielkriterium ist der Wolf-Motor-Function-Test (WMFT), der vor und nach dem Training auf Video aufgenommen wird und von einem erfahrenen Physiotherapeuten verblindet aus-gewertet wird.

Nebenzielkriterien Nebenzielkriterien sind der Nine-Hole-Peg-Test (NHPT), der ein quantitatives Maß für die

Patienten mit Handparese nach ischämischem Mediainfarkt

6 Wochen heimba-siertes Videotraining

1 h/Tag

6 Wochen heimbasiertes Training

identischer Übungen nach Textvorlag

1 h/Tag

6 Wochen Kontrolle

fMRT und klin.Tests (WMFT, MAL, SIS)

fMRT und klin.Tests

Patienten können zusätzliche Physiotherapie und Ergotherapie auf Rezept erhalten Wöchentliche Telefonate und Dokumentation des Trainings

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Handmotorik ist. Der Motor Activity Log (MAL) ist ein gut evaluierter Fragebogen zur Qualität und Quantität für den Einsatz der Hand im Alltag. Die Stroke Impact Scale (SIS) erfasst zu-sätzlich die Lebensqualität.

fMRT Vor und nach dem Training wird eine funktionelle Kernspintomographie durchgeführt, u. a. während der Beobachtung und Vorstellung von motorischen Sequenzen.

Finanzierung Lurija Stiftung der Kliniken Schmieder.

Ergebnis Die Rekrutierung erfolgte von Dezember 2007 bis September 2009 und umfasste 54 Patien-ten, 18 pro Gruppe. Klinische Daten sind in Tabelle 1 wiedergegeben. Die verblindete Aus-wertung des WMFT steht aus, ferner die schriftliche Befragung (SIS und MAL) sechs Mona-te nach Beendigung des Trainings.

Die Auswertung des NHPT, MAL und SIS läuft zur Zeit.

Gesamtanzahl n = 56

Alter 58,5 (±12,9)

Geschlecht w = 18 m = 38

Tage nach Infarkt 1.200 (±2.500)

Parese schwer = 10 mittel = 20 leicht = 24

Oberflächen-Sensibilität betroffen 24

Tiefen-Sensibilität betroffen 14

NIHSS 3,52 (±1,935)

Tab. 1: Klinische Daten der drei Gruppen

Diskussion Eine Patientin erlitt einen Reinfarkt im Beobachtungszeitraum und musste ausgeschlossen werden. Eine Patientin erschien nicht zur Nachuntersuchung. Keiner der Patienten aus der Interventionsgruppe hat das Training abgebrochen. Die Rückmeldung der Patienten aus der Interventionsgruppe besagt, dass die Patienten für sechs Woche eigenständig dieses Trai-ning durchführen können, ohne Supervision zu benötigen. Die individuelle Auswahl durch den persönlichen Ergotherapeuten des Patienten hebt die Motivation. Die Methode ist ex-trem kostengünstig. Durch Verbreitung der Videos ist sie einfach und flächendeckend über Kliniken und Ergo-/Physiopraxen zu verbreiten. Ergebnisse zur Wirksamkeit bzw. der Ne-benzielparameter sind in Kürze zu erwarten.

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Literatur Dettmers, C., Nedelko, V. (2009): Mentales Training und Lernen durch Bewegungsbeobach-

tung. Neurol Rehabil, 15. 234-241. Ertelt, D., Small, S., Solodkin, A., Dettmers, C., McNamara, A., Binkofski, F., Buccino, G.

(2007): Action observation has a positive impact on rehabilitation of motor deficits after stroke. Neuroimage, doi: 10.1016/j.neuroimage.2007.03.043.

Liu, K.P.Y., Chan, C.C.H., Wong, R.S.M., Kwan, I.W.L., Yau, C.S.F., Li, L.S.W., Lee, T.M.C. (in press): A randomized controlled trial of mental imagery augment generalization of learning in acute poststroke patients. Stroke 200, 40.

Page, S.J., Levine, P., Leonard, A. (2007): Mental practice in chronic stroke. Results of a randomized, placebo-controlled trial. Stroke, 38. 1293-1297.

Zimmermann-Schlatter, A., Schuster, C., Puhan, M.A., Siekierka, E., Steurer, J. (2008): Effi-cacy of motor imagery in post-stroke rehabilitation: A systematic review. J NeuroEngi-neering and Rehabilitation, 5. 8.

Robotergestütztes Gangtraining im Lokomat bei Patienten mit bilateraler spastischer Cerebralparese: Ein Fallbeispiel

Nagel, A. (1), Dercks, M. (2), Sprinz, A. (1,2) (1) Zentrum für Bewegungsanalyse und -therapie, Ganglabor Walstedde,

(2) Gesundheitszentrum für Kinder, Jugendliche & junge Erwachsene, Haus Walstedde

Fragestellung Zur Verbesserung der Gelenkbewegung und des Gangbildes bei CP wird in den letzten Jah-ren verstärkt robotergestütztes Gangtraining im Lokomaten (Meyer-Heim, 2007; Borggräfe, 2008) eingesetzt. Die Effekte des Gangtrainings auf das Gangbild und die Gelenkbewegung werden untersucht.

Methodik Der 6-jährige Patient leidet an einer bilateralen spastischen CP (GMFCS Level 3) und ist im Alltag weitestgehend auf den Rollstuhl angewiesen. Eigenständiges Gehen war in Form ei-nes unsicheren Vorfußgehens über kurze Distanzen möglich. Die Behandlung umfasste ein zweiwöchiges intensives Gangtraining im Lokomat® (Hocoma AG, Schweiz) mit 5 Trainings-einheiten pro Woche. Die Veränderungen im Gangbild wurden durch dreidimensionale Ganganalysen erfasst (Vicon, Oxford Metrics). Botulinumtoxin wurde nicht eingesetzt.

Ergebnisse Während sich der passive ROM und die dynamischen Bewegungsumfänge im Gangzyklus an einzelnen Gelenken wenig veränderten, zeigten sich doch merkliche Verbesserungen des Gangbildes bei dem Patienten. Vor dem Gangtraining im Lokomat war das Gangbild geprägt von schnellen unsicheren Schrittfolgen, die sich in einer hohen Kadenz (165 Schrit-te/min im Barfußgehen) widerspiegelten. Nach dem Gangtraining verringerte sich die Ka-denz auf 150 Schritte/min im Barfußgehen und weiter auf 128 Schritte/min mit den getrage-

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nen Schuhen. Weiterhin konnte eine merkliche Verringerung der Gehgeschwindigkeit von 0,81 m/s auf 0,70 bzw. 0,66 m/s festgestellt werden.

Disskussion und Schlussfolgerung Die nach dem robotergestützten Gangtraining im Lokomat festgestellten Veränderungen weisen auf eine Stabilisierung des Ganges hin. Der vorher durch schnelle Schrittfolgen ge-kennzeichnete unsichere Gang gewann durch das Training an Sicherheit und Stabilität, was sich u. a. in der geringeren Gehgeschwindigkeit und Kadenz ausdrückt. Signifikante Verän-derungen der Bewegungsabläufe in den einzelnen Gelenken waren bei diesem Patienten nach dem ersten Gangtraining im Lokomat nicht zu verzeichnen. Weitere Trainingsblöcke sowie die Kombination aus Botulinumtoxin und Lokomat-Therapie könnten weitere Verbes-serungen des Gangbildes bringen.

Literatur Meyer-Heim, A., Ammann-Reiffer, C., Schwartz, A., Schäfer, J.S., Sennhauser, F.H., Hei-

nen, F., Knecht, B., Dabrowski, E., Borggräfe, I. (2009): Improvement of walking abilities after robotic-assisted locomotion training in children with cerebral palsy. Arch Dis Child, 94 (8). 615-620.

Borggräfe, I., Meyer-Heim, A., Kumar, A., Schäfer, J.S., Berweck, S., Heinen, F. (2008): Im-proved gait parameters after robotic-assisted locomotor treadmill therapy in a 6-year-old child with cerebral palsy. Mov Disord, 23 (2). 280-283.

Meyer-Heim, A., Borggräfe, I. Ammann-Reiffer, C., Berweck, S., Sennhauser, F.H., Co-lombo, G., Knecht, B., Heinen, H. (2007): Feasibility of robotic-assisted locomotor training in children with central gait impairment. Dev Med Child Neurol, 49 (12). 900-906.

Elektromechanische und Roboterassistierte Rehabilitation zur Verbesserung der Arm- und Gehfunktionen nach Schlaganfall:

Zwei systematische Cochrane-Reviews mit Meta-Analysen

Pohl, M., Mehrholz, J. Wissenschaftliches Institut der Klinik Bavaria Kreischa

Einleitung In den vergangenen Jahren wurden eine Reihe elektromechanischer und Roboterassistier-ter Apparatetechnologien für den Einsatz in der neurologischen Rehabilitation entwickelt.

Beispiele sind hierfür der Gangtrainer (GT1), der Lokomat, MIT-Manus u. v. m. (Hesse et al., 2008; Pohl et al., 2007). Ziel der vorliegenden Untersuchungen war es, in mehreren Schrit-ten in zwei Cochrane Reviews die Effektivität der elektromechanischen und Roboterassis-tierten Rehabilitation zur Verbesserung von Alltagsfunktionen, des Gehens und der Armmo-torik von Patienten nach Schlaganfall zu evaluieren.

Methoden Wir suchten in Zusammenarbeit mit der Cochrane Stroke Group (CSG) systematisch im CSG Trials Register, in CENTRAL, in MEDLINE, EMBASE, CINAHL, AMED, SPORTDiscus,

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PEDro, COMPENDEX und INSPEC nach sämtlichen randomisierten und kontrollierten Stu-dien, welche die elektromechanisch assistierte oder teilautomatisierte Rehabilitation bei Pa-tienten nach Schlaganfall evaluierten. Zusätzlich wurde eine Handsuche potentieller Kon-gressbeiträge und Referenzlisten durchgeführt. Zur Auswertung wurden die Ergebnisse aller Studien in mehreren Metaanalysen mit Sensitivitäts- und Subgruppenanalysen zusammen-gefasst. Zielparameter waren die Verbesserung der Gehfähigkeit und der Armfunktion. Für alle statistischen Auswertungen nutzten wir die Software der Cochrane Collaboration (Rev-Man).

Ergebnisse 15 randomisierte und kontrollierte Studien mit einer Gesamtzahl von 749 Patienten wurden in die Analyse zur Gehfähigkeit einbezogen (Mehrholz et al., 2009b). Die elektromecha-nisch-assistierte Gangrehabilitation erhöhte die Wahrscheinlichkeit zum Erreichen der Geh-fähigkeit von Patienten nach Schlaganfall mit einer Odds Ratio von 2,23 (95 % CI: 1,53 ...3,26; p<0,001). Dies entspricht einer Number Needed to treat (NNT) von 7 (95 % CI: 4 ... 21). Jede siebte Gehbehinderung wäre also vermeidbar, wenn die elektromechanische Gangrehabilitation genutzt wird (Mehrholz et al., 2009b).

11 randomisierte und kontrollierte Studien mit einer Gesamtzahl von 328 Patienten wurden in die Analyse zur Armfunktion einbezogen (Mehrholz et al., 2008; Mehrholz et al., 2009a). Einerseits verbesserten sich Alltagsfunktionen (u. a. gemessen durch Barthel-Index und FIM) durch elektromechanisch-assistiertes Armtraining nicht (SMD=0,29; 95 % CI: -0,47…1,06; p=0,45). Andererseits verbesserten sich Armmotorik (gemessen u. a. mit Fugl-Meyer-Score) und Armkraft (SMD=0,68 (95 %CI: 0,24…1,11; p=0,002 bzw. SMD=1,03 (0,29…1,78) p=0,007).

Demnächst liegen zur Thematik in der Cochrane Database of Systematic Reviews mehrere aktuelle, umfangreiche und detaillierte Darstellungen vor.

Diskussion Die Ergebnisse der vorliegenden Studien zeigen, dass elektromechanisch unterstützendes Training in der Rehabilitation die Alltagskompetenz, Gehfähigkeit und Armmotorik von Pati-enten nach Schlaganfall verbessern kann. Dies ist im Einklang mit zahlreichen wissen-schaftlichen Hinweisen aus der neurologischen Rehabilitation, insbesondere dass ein repe-tetiver, motivierender und aufgabenorientierter Ansatz viel versprechend ist.

Allerdings sind diese Ergebnisse vorsichtig zu interpretieren, da die eingeschlossenen Stu-dien sich hinsichtlich Auswahlkriterien, Dauer und Häufigkeit der Behandlung und zusätzli-cher Therapien stark unterschieden.

Ein Nachteil der elektromechanischen und Roboterassistierten Rehabilitation sind sicherlich die hohen Kosten und die derzeit nur geringe Verfügbarkeit bzw. Verbreitung dieser Techno-logien.

Zusammenfassend handelt es sich bei den untersuchten Therapiegeräten um viel verspre-chende und sinnvolle Ergänzungen der stationären neurologischen Rehabilitation.

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Literatur Hesse, S., Werner, C., Pohl, M., Mehrholz, J., Puzich, U., Krebs, H. (2008): Mechanical arm

trainer for the treatment of the severely affected arm after a stroke: a single-blinded ran-domized trial in two centers. American Journal of Physical Medicine and Rehabilitation, 87. 779-788.

Mehrholz, J., Platz, T., Kugler, J., Pohl, M. (2008): Electromechanical-assisted training for improving upper limb function and disability after stroke. Cochrane Database Syst Rev: Art. No.: CD006876.

Mehrholz, J., Platz, T., Kugler, J., Pohl, M. (2009a): Electromechanical-assisted training for improving upper limb function and disability after stroke. Stroke, 40. e392-e393.

Mehrholz, J., Werner, C., Kugler, J., Pohl, M. (2009b): Electromechanical-assisted training for walking after stroke [Update]. Cochrane Database of Systematic Reviews: CD006185. in press.

Pohl, M., Werner, C., Holzgraefe, M., Kroczek, G., Mehrholz, J., Wingendorf,I., Hoolig, G., Koch, R., Hesse, S. (2007): Repetitive locomotor training and physiotherapy improve walking and basic activities of daily living in subacute, non-ambulatory stroke patients: a single-blind, randomised multi-centre trial (DEutsche GAngtrainerStudie, DEGAS). Clin Rehabil, 21. 17-27.

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Kardiologische Rehabilitation I - in Kooperation mit der DGPR

Mittelfristige Effekte der kardialen Rehabilitation in Deutschland und international: Ergebnisse eines systematischen Reviews mit Metaanalyse

Mittag, O. (1), Schramm, S. (2), Böhmen, S. (3), Hüppe, A. (2), Meyer, T. (2), Raspe, H. (2) (1) Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, UniversitätsklinikumFreiburg,

(2) Institut für Sozialmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Lübeck, (3) Rehabilitations-Zentrum Oldenburg

Hintergrund Kardiale Rehabilitationsprogramme sind weltweit ein wichtiger Bestandteil der Behandlung von KoronarpatientInnen nach der Entlassung aus dem Akutkrankenhaus. Sie beinhalten typischerweise körperliches Training, psychologische Unterstützung und weitere Maßnah-men zur Reduktion von Risikofaktoren. Systematische Reviews und Metaanalysen vorwie-gend internationaler Studien zeigen, dass dadurch die kardiale Morbidität und Mortalität günstig beeinflusst werden kann (Clark et al., 2005). Fast alle in diese Analysen einge-schlossenen Primärstudien beziehen sich auf ambulante Rehabilitationsprogramme, die ü-ber Zeiträume von 6 bis 12 Wochen durchgeführt wurden. Im Gegensatz zu dieser internati-onal üblichen Praxis wird kardiale Rehabilitation in Deutschland überwiegend stationär im zeitlichen Block von regelhaft drei Wochen durchgeführt. Für diese Versorgungsform liegt ausschließlich Evidenz aus Beobachtungsstudien vor. Ziel der vorliegenden Studie (Förde-rer: DRV Nord) war, die aus Deutschland vorliegenden Untersuchungen möglichst vollstän-dig zu erfassen und die gefundenen Effekte mit denen der internationalen Studien zu ver-gleichen.

Methodik Eine systematische Recherche nach relevanten Studien aus Deutschland (1/1990 - 6/2004) wurde in den Datenbanken MEDLINE, PsychINFO, SOMED, GEROLIT und REHADAT durchgeführt. Außerdem fand eine intensive Handsuche statt, und Reha-Einrichtungen, For-schungsverbünde und Register wurden schriftlich um unveröffentlichte Daten gebeten. Stu-dienauswahl und -bewertung folgten dem üblichen Vorgehen. 77 nationale Studien erfüllten die Einschlusskriterien. Es wurde keine randomisierte, kontrollierte Studie gefunden.

Internationale Primärstudien wurden anhand von fünf aktuellen Metaanalysen zu den Effek-ten kardialer Rehabilitation identifiziert. Für den entsprechenden Zeitraum fanden sich hier 40 randomisierte, kontrollierte Studien. Die Endpunkte umfassen u. a. koronare Risikofakto-ren (Lipide, Blutdruck, Rauchen), Befinden (Depression, Angst) und funktionale Kapazität (Wattleistung). Verschiedene Katamnesezeiträume wurden zu kurzfristigen (bis zu 6 Mona-ten), mittelfristigen (12 Monate) und langfristigen (24 Monate und länger) Effekten zusam-mengefasst.

Die Outcomes wurden in eine Datenbank eingepflegt (internationale Studien: getrennt für Interventions- und Kontrollgruppen), und anschließend wurden die Prä-Post-Effekte nach

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dem von Hüppe und Raspe (2005) vorgeschlagenen Verfahren in Form von Effektstärken quantifiziert und über verschiedene Studien zu gewichteten Gesamteffektstärken gepoolt. Positive Werte bei den Effektstärken bedeuten Verbesserungen, negative Verschlechterun-gen. Unterschiede wurden als signifikant (p < .05) betrachtet, wenn das 95 %-Konfidenz-intervall der Effektstärken aus den nationalen Studien die gepoolte Effektstärke der interna-tionalen Interventionsgruppen (Referenz) nicht einschließt.

Ergebnisse Hier werden die Ergebnisse mit Ausnahme von Morbidität und Mortalität berichtet (s. Tabelle 1). Danach sind die Effekte in den nationalen Studien bei sieben (Lipide außer HDL, Blutdruck, Depressivität und Angst) der neun Outcomes signifikant schlechter als in den internationalen Interventionsgruppen; bei der Wattleistung zeigen die internationalen Studien schlechtere Effekte (allerdings bei deutlich höheren Eingangs- und Katamnese-werten).

Internationale Studien Outcome Nationale Studien

Intervention Kontrollen… Gesamtcholesterin 0.29 (0.14; 0.44) 0.57 (0.10; 1.05) 0.19 (-0.19; 0.57)LDL 0.54 (0.40; 0.68) 0.93 (0.25; 1.60) 0.45 (-0.11; 1.01)HDL 0.39 (0.22; 0.57) 0.25 (0.02; 0.48) 0.19 (0.01; 0.26)Triglyzeride 0.05 (-0.10; 0.20) 0.30 (0.14; 0.46) 0.10 (-0.05; 0.24)RR systolisch -0.36 (-0.52; -0.19) 0.14 (-0.30; 0.58) -0.12 (-0.26; 0.03)RR diastolisch -0.43 (-0.60; -0.26) 0.10 (-0.21; 0.40) -0.20 (-0.33; -0.07)Wattleistung 0.94 (0.70; 1.18) 0.67 ( 0.15; 1.19) 0.33 (-0.35; 1.01)Depressivität 0.11 (-0.02; 0.24) 0.32 (0.13; 0.51) 0.26 (-0.02; 0.54)Angst 0.05 (-0.11; 0.21) 0.48 (0.25; 0.71) 0.21 (0.01; 0.41)

Tab. 1: Effektstärken und 95 %-Konfidenzintervalle für Ergebnisse nach 12 Monaten

Betrachtet man die Mittelwerte der einzelnen Outcomeparameter in den nationalen Studien (hier nicht im Detail berichtet), so zeigt sich, dass die Werte mit Ausnahme des LDL (122 mg/dl; SD = 24,5) und der Triglyzeride (173 mg/dl, SD = 81,4) in den nationalen Stu-dien im Zielbereich lagen; in den internationalen Studien waren die LDL-Werte ebenfalls er-höht.

Diskussion Die Ergebnisse dieser Metaanalyse zeigen keine Überlegenheit der multidisziplinär-multi-modalen ("komprehensiven") Kompaktrehabilitation, wie sie in Deutschland traditionell durchgeführt wird. Hinsichtlich der Blutdruckkontrolle sowie der Depressivität schneiden die PatientInnen der nationalen Studien sogar deutlich schlechter ab als die internationalen Kontrollgruppen. Schlechte Ergebnisse hinsichtlich der antihypertensiven Therapie wurden auch in anderen Studien gefunden (Prugger et al., 2006). Die Unterschiede bei der Wattleis-tung dürften z. T. durch Verschiedenheiten bei den Belastungsprotokollen (orientierende vs. Ausbelastung) zu erklären sein. Enttäuschend sind die Ergebnisse hinsichtlich der Senkung von Depressivität und Angst. Hier erreichten die internationalen Interventionsstudien mittel-starke Effekte. Nur zwei der hier eingeschlossenen nationalen Studien erreichten zumindest kleine bis mittlere Effekte. Eine dieser beiden Studien war speziell angelegt, psychische

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Komorbidität zu identifizieren (Nübling et al., 2004), bei der anderen (Mittag et al., 2006) handelte es sich um eine langfristige telefonische Nachsorgemaßnahme, die auch Unter-stützung hinsichtlich der psychischen Belastung beinhaltete.

Literatur Clark, A.M., Hartling, L., Vandermeer, B., McAlister, F.A. (2005): Meta-analysis: Secondary

prevention programs for patients with coronary artery disease. Annals of Internal Medici-ne, 143. 659-672.

Hüppe, G., Raspe, H. (2005): Zur Wirksamkeit stationärer medizinischer Rehabilitation in Deutschland bei chronischen Rückenschmerzen: Aktualisierung und methodenkritische Diskussion einer Literaturübersicht. Die Rehabilitation, 44. 24-33.

Mittag, O., China, C., Hoberg, E., Juers, E., Kolenda, K.D., Richardt, G., Maurischat, C., Raspe, H. (2006): Outcomes of a telephone counseling intervention following cardiac re-habilitation (Luebeck Follow-Up Trial): Overall and gender specific results. International Journal of Rehabilitation Research, 29. 295-302.

Nübling, R., Hafen, K., Jastrebow, J., Körner, M., Löschmann, C., Rundel, M., Schmidt, J., Wirtz, M., Bengel, J. (2004): Indikation zu psychotherapeutischen und psychosozialen Maßnahmen im Rahmen stationärer medizinischer Rehabilitation. Regensburg: Roderer.

Prugger, C., Heuschmann, P.U., Keil, U. (2006): Epidemiologie der Hypertonie in Deutsch-land und weltweit. Herz, 31. 287-293.

Effektivität und Effizienz in der kardiovaskulären Rehabilitation - Ergebnisse nach 3 Jahren SeKoNa

Redaèlli, M. (1), Simic, D. (1), Kohlmeyer, M. (2) , Schwitalla, B. (2), Seiwerth, B. (2), Mayer-Berger, W. (2)

(1) Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin der Universität Witten/Herdecke, (2) Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen Roderbirken,

Deutsche Rentenversicherung Rheinland, Leichlingen

Hintergrund Der demografische Wandel in den Industrienationen zwingt die Gesundheitssysteme sich stärker auf chronische Krankheitsbilder zu fokussieren. Somit nimmt die Bedeutung der Se-kundärprävention, vor allem im kardiovaskulären Sektor, zu (Lopez et al., 2006; Lorenz et al., 2007). Die hohen Erwartungen der sekundärpräventiven Versorgung von Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) konnten bisher nicht erfüllt werden (Bittner, Sanderson, 2006; Thomas, 2007; Thompson, 2009).

Methodik Die SeKoNa-Studie* ist eine unizentrische, prospektive, randomisierte und kontrollierte Stu-die. Sie ist auf eine Dauer von 36 Monate mit 600 Patienten angelegt. Die Intervention be-

* Sekundärprävention bei Patienten mit Koronarer Herzkrankheit durch Anschlussheilbehandlung und an-

schließende konzeptintegrierte Nachsorge (SeKoNa)

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steht aus telefonischen Remindern nach 3-wöchiger stationärer Rehabilitation (monatlich in den ersten drei Monaten, danach 3-monatlich bis Studienende nach 36 Monaten) und einer 1-tägigen, ambulanten Nachschulung im Studienzentrum 6 Monate nach Ende der Rehabili-tation.

Zur Outcome-Messung werden zu Studienbeginn und zum Studienende herangezogen: Blutdruck, BMI, Triglyzeride, Gesamtcholesterin, LDL-Cholesterin, HDL-Cholesterin, HbA1c sowie Raucherstatus. Ebenso erfolgt eine standardisierte Messung der Intima-Media-Dicke der Carotiden. Die Lebensqualität wird mittels EUROQOL und HADS erfasst. Am Ende der Studie wird der Rentenstatus ermittelt.

Ergebnisse Die Auswertung erfolgte nach dem Prinzip "Per-Protocol". Insgesamt weist die Interventi-onsgruppe bessere Laborparameter im Einzelnen aus als die Kontrollgruppe. Statistisch ge-sehen lassen sich keine Signifikanzen (Ausnahme: systolischer RR, Triglyzeride, Raucher-status) nachweisen.

In der Betrachtung des Risikoprofils weist die Interventionsgruppe signifikant bessere Werte gegenüber der Kontrollgruppe auf. Deutlich wird dies beim PROCAM Score (Primäres Ziel-kriterium: Senkung des 10-Jahres-Risiko). Hier ergibt sich für die Interventionsgruppe ein Wert von 5,77 und für die Kontrollgruppe von 7,51. Bezüglich der Lebensqualität, welche mit EUROQOL gemessen wurde, weist die Interventionsgruppe signifikant bessere Werte auf (76,01 zu 65,32). Eine signifikante Verbesserung der Interventionsgruppe ist auch bezüglich der Werte zur Depression (HADS-D/Depression) und zur Angst (HADS-D/Angst) feststell-bar. Nach 36 Monaten sind 8 Patienten der Kontrollgruppe und zwei Patienten der Interven-tionsgruppe verstorben. Die Morbidität zeigt signifikante Unterschiede, ausgedrückt durch die seit Studienbeginn eingetretenen Erwerbsminderungsrenten.

Schlussfolgerungen Auch bei einer Hochrisikogruppe (junge, vorwiegend männliche Patienten mit niedrigem so-zialen Status) lässt sich durch eine bewusst einfache, psychosozial gestaltete, ambulante Nachbetreuung mit geringem Ressourceneinsatz eine Nachhaltigkeit erreichen, die mit einer signifikanten Senkung der Morbidität sowie mit einer signifikanten Verbesserung der Le-bensqualität verbunden ist. Bemerkenswert ist, dass diese Ergebnisse ohne die Erreichung von in evidenzbasierten Leitlinien empfohlenen Zielwerten der klassischen Risikofaktoren erlangt wurden.

Literatur Bittner, V., Sanderson, B. (2006): Cardiac rehabilitation as secondary prevention center.

Coron Artery Dis., 17 (3). 211-218. Lopez, A.D., Mathers, C.D., Ezzati, M., Jamison, D.T., Murray, C.J. (2006): Global and re-

gional burden of disease and risk factors, 2001: systematic analysis of population health data. Lancet, 367 (9524). 1747-1757.

Lorenz, M.W., Markus, H.S., Bots, M.L., Rosvall, M., Sitzer, M. (2007): Prediction of clinical cardiovascular events with carotid intima-media thickness: a systematic review and meta-analysis. Circulation, 115 (4). 459-467.

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Thomas, A. (2007): Cardiac rehabilitation/secondary prevention programs: a raft for the rap-ids: why have we missed the boat? Circulation, 116 (15). 1644-1646.

Thompson, D.R., Clark, A.M. (2009): Cardiac rehabilitation - into the future. Heart. online first.

Evaluation der Nachhaltigkeit von Viniyoga in der stationären Rehabilitation von Patienten mit arterieller Hypertonie

Kettner, C. (1), Mayer-Berger, W. (1), Moebus, S. (2), Pieper, C. (2), Marr, A. (2), Bräutigam, U. (3)

(1) Klinik Roderbirken der Deutschen Rentenversicherung Rheinland, (2) Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie,

Universitätsklinikum Essen, (3) Die Yoga-Schule, Düsseldorf

Hintergrund und Untersuchungsziel Sowohl für Yoga (Jayasinghe, 2004; Ornish et al., 1990) als auch für die Progressive Muskelrelaxation (Ebrahim, Smith, 1998; Linden, Chambers, 1994) ist eine Blutdruck sen-kende Wirkung nachgewiesen. Bisher wird jedoch nur die Progressive Muskelrelaxation (PMR) regelhaft als Standardtherapieverfahren in der kardiologischen Rehabilitation einge-setzt. Darüber hinaus existieren bisher keine Daten zur Nachhaltigkeit (d. h. Aufrechterhal-tung der Anwendung) beider Methoden.

Das Beibehalten erlernter Techniken nach dem Klinikaufenthalt stellt jedoch ein zentrales Anliegen der Rehabilitation dar. Nach Mayer-Berger et al. (2008) zeigte sich diesbezüglich innerhalb der Nachsorge von Patienten mit koronarer Herzerkrankung in der Klinik Roder-birken, dass nur etwa 20 % der Patienten die vermittelten Techniken über ein halbes Jahr nach Klinikaufenthalt weiter regelmäßig anwendeten.

Vor diesem Hintergrund wird in der vorliegenden Studie primär untersucht, ob Viniyoga von Patienten mit arterieller Hypertonie nach Ende der Rehabilitation zu einem höheren Pro-zentsatz weiter durchgeführt wird als die PMR. Bei besserer Nachhaltigkeit von Viniyoga gegenüber PMR könnte ein standardisiertes Viniyoga-Programm die progressive Muskelre-laxation im Routinebetrieb der kardiologischen Rehabilitation ergänzen oder ablösen. Dies würde bedeuten, dass bei gleichem Aufwand eine höhere Nachhaltigkeit zu erzielen wäre.

Forschungsdesign und Methode In die kontrollierte Studie, wurden in zwei Studienarme (Kontroll- und Interventionsgruppe), wöchentlich alternierend, Patienten mit arterieller Hypertonie der Klinik Roderbirken rando-misiert. Um den Einfluss einer Erwartungshaltung durch die Patienten auszuschließen, wur-den beide Entspannungsverfahren neutral betitelt mit Entspannung 1 (PMR / Kontrollgrup-pe) und Entspannung 2 (Viniyoga / Interventionsgruppe). Sowohl die Kontroll- wie auch die Interventionsgruppe nahm über drei Wochen hinweg, wochentäglich für 45 Minuten an dem jeweiligen Entspannungsverfahren teil.

Zu Beginn (t1) und am Ende des Rehabilitationsaufenthaltes (t2) wurden neben soziodemo-graphischen und klinischen Daten (Routinedaten), standardisierte Blutdruckmessung und

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Langzeit-EKG (Herzfrequenzvariabilität) sowie Lebensqualitätdaten (SF-12) erhoben. Letz-tere wurden neben der Nachhaltigkeit durch eine schriftliche bzw. telefonische Befragung ein halbes Jahr nach dem Rehabilitationsaufenthalt (t3) nochmals ermittelt.

Ergebnisse Insgesamt wurden 340 männliche Patienten mit arterieller Hypertonie in die Studie einge-schlossen. Davon wurden 167 Patienten in die Kontrollgruppe und 173 Patienten in die In-terventionsgruppe randomisiert. Die Altersspanne der Teilnehmer lag zwischen 19 und 65 Jahren.

Im Verlauf der Übungsphase gab es insgesamt 36 Studienabbrecher, davon schieden auf-grund unterschiedlicher Ursachen 9 Teilnehmer aus der Entspannung 1 und 27 Teilnehmer aus der Entspannung 2 aus. Die verbleibenden Studienteilnehmer (Entspannung 1 = 158 TN / Entspannung 2 = 146 TN) nahmen im Durchschnitt an 12 Übungseinheiten teil.

Die Rücklaufquote der Fragebogenerhebung nach sechs Monaten betrug 85 Prozent, so-dass die statistische Auswertung auf einem umfassenden Datensatz beruhte.

Bezüglich soziodemographischer Daten, verschiedener Laborparameter, sowie physiologi-scher und psychologischer Parameter waren beide Gruppenstichproben homogen.

Die Haupthypothese, dass Viniyoga nach 6 Monaten noch häufiger angewendet werden würde als PMR, konnte nicht bestätigt werden. Gegenteilig zur postulierten Hypothese trai-nierten nach sechs Monaten noch doppelt so viele Studienteilnehmer PMR als Viniyoga. Ei-ne Besserung des Blutdrucks war in beiden Gruppen, wie in der Literatur zu diesem Thema bereits beschrieben, auch in dieser Studie erkennbar. Darüber hinaus gab es in beiden Gruppen eine Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität.

Schlussfolgerung Die Ergebnisse zeigten, dass von einem Wechsel der Entspannungstechnik kein nachhalti-gerer Therapieerfolg zu erwarten ist.

Von Interesse wäre jedoch, ob eine Änderung in der stationären Routine hin zu geschlosse-nen Gruppen, einer höheren Übungshäufigkeit und noch gezielterer Motivationsförderung den Alltagstransfer deutlich verbessern könnte.

Literatur Ebrahim, S., Smith, G.D. (1998): Lowering blood pressure: a systematic review of sustained

effects of non-pharmacological interventions. J Public Health Med, 20. 441-448. Jayashinghe, S.R. (2004): Yoga in cardiac health (A Review). Eur J Cardiovasc Prev Reha-

bil, 11. 369-375. Mayer-Berger, W., Kohlmayer, M., Redaèlli, M., Büscher, G., Schwitalla, B. (2008): Se-

kundärprävention bei Patienten mit Koronarer Herzkrankheit durch Anschlussheilbehand-lung und anschließende konzeptintegrierte Nachsorge (SeKoNa). Abstract Herzmedizin 25, Bd. 2. 96.

Linden, W., Chambers, L. (1994): Clinical effectiveness of non-drug treatment for hyperten-sion: a meta-analysis. Ann Behav Med,16. 35-45.

Ornish, D., Brown, S.E., Scherwitz, L.W., Billings, J.H., Armstrong, W.T. (1990): Can lifestyle changes reverse coronary heart disease? The Lifestyle Heart Trial. Lancet, 336. 129-133.

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Auswirkung der kardiologischen Rehabilitation auf den klinischen Verlauf ein Jahr nach akutem Herzinfarkt - Ergebnisse aus der OMEGA-Studie

Rauch, B. (1), Schneider, S. (2), Schiele, R. (2), Gohlke, H. (3), Senges, J. (3) for the OMEGA Study Group

(1) ZAR Ludwigshafen Klinikum, (2) Institut für Herzinfarktforschung an der Universität Heidelberg, (3) Herzzentrum Bad Krozingen

Hintergrund Der prognostische Effekt der kardiologischen Rehabilitation (REHA) in Deutschland ist um-stritten und durch randomisierte Studien nicht belegt.

Methodik OMEGA ist eine randomisierte, Placebo-kontrollierte, doppelblinde, multizentrische Studie zur Testung des Effekts von täglich 1 Gramm Omega-3-Säure-Äthylester-90 auf die Rate des plötzlichen Herztodes und anderer klinischer Ereignisse ein Jahr nach überlebtem Myo-kardinfarkt. Die Teilnahme der Patienten an einer REHA war ein Nebenkriterium und wurde drei Monate nach dem Index-Ereignis nach Protokoll telefonisch erfragt. Danach, in den Monaten 4 bis 12 nach Index-Ereignis, erfolgte die prospektive Erfassung des kombinierten Endpunkts aus Tod, nicht tödlichem Herzinfarkt und Schlaganfall.

Ergebnisse Innerhalb von 3 Monaten hatten 70,6 % der Patienten eine REHA absolviert. Der Endpunkt wurde in den Folgemonaten 4 bis 12 bei 154 von 3.263 Patienten erreicht. Die Absolventen einer REHA waren jünger, hatten häufiger eine akute Rekanalisierung des Infarktgefäßes und weniger häufig einen Myokardinfarkt oder eine Bypass-OP in der Vorgeschichte. Nach multivariater Analyse hatten die REHA-Patienten signifikant weniger klinische Ereignisse als die Patienten ohne Reha (OR 0,527, CI 95 % 0,31-0,89). Auch in der Subgruppen-Analyse nach Alter, Geschlecht, Diabetes, eingeschränkter Pumpfunktion und akuter Rekanalisie-rung zeigten sich in der REHA-Gruppe signifikant weniger Endpunkte.

Zusammenfassung Die Ergebnisse bestätigen frühere retrospektive Studien aus Infarktregistern, und zeigen ei-nen positiven Effekt der REHA auf den klinischen Verlauf nach Herzinfarkt.

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Motivation zur körperlichen Aktivität im Rehabilitationsverlauf kardiologischer Patienten und Wirkung der Telefonischen Nachsorge zur

Förderung der intrinsischen Motivation

Bönisch, R. (1), Bremer, F.J. (1), Schweidtmann, W. (1), Trenner, M. (1), Ohnesorge, W. (1), Stemmler, M. (2), Muthny, F.A. (3)

(1) Klinik Eichholz, Gesundheitszentrum in Bad Waldliesborn, (2) Universität Bielefeld, (3) Institut für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Münster

Hintergrund Körperliche Aktivität ist zentraler Baustein der kardiologischen Sekundärprävention (Bjarna-son-Wehrens et al., 2007). Trotzdem gelingt es kardiologischen Rehabilitanden häufig nicht, die körperliche Aktivität in der Reha-Phase III fortzusetzen (Schlicht et al., 2006). Hauptziel der Untersuchung war die Erhebung von verschiedenen Motivationsfacetten der körperli-chen Aktivität im kardiologischen Reha-Verlauf sowie die Förderung der intrinsischen Moti-vation durch Telefonische Nachsorge.

Methode 273 Patienten-Fragebögen am Ende der stationären Reha konnten 265 Datensätze zum Reha-Beginn zugeordnet werden. In die Auswertungen wurden Ergebnisse der 6-Monats-Katamnese einbezogen, wobei die Patienten randomisiert der Telefonischen Nachsorge (73), Schriftlichen Nachsorge (73) und Standard-Reha-Nachsorge (77) zugeordnet wurden. Häufigste Grunderkrankung war eine koronare Herzkrankheit (68 %). 39 % der Patienten wurden dilatiert, 33 % erhielten eine Bypassoperation (Durchschnittsalter 63 Jahre, s = 10). Förderstrategien der intrinsischen Motivation, z. B. Verwendung individueller Bezugsnormen und Attribution von Erfolg auf Anstrengung, wurden nach Schiefele (2004) entwickelt und in fünf monatlichen Telefonaten bzw. Briefen vermittelt. Zur Erfassung der Motivation wurden neu entwickelte Skalen eingesetzt, die als Leistungsmotivation, gesundheitsbezogene, sozi-ale und intrinsische Motivation bezeichnet wurden (Cronbach´s Alpha von .74 bis .92, Bö-nisch et al., 2009).

Ergebnis Mittelwertsvergleiche der Messzeitpunkte ergaben signifikante und z. T. große Zuwächse der Motivationswerte zum Ende der Reha-Phase II. Für die Standard-Reha-Nachsorge zeig-te sich in Reha-Phase III ein signifikantes Nachlassen der Motivation. Soziale Motivation fiel auf das Ausgangsniveau vor der Akuterkrankung zurück. Die Werte für die weiteren Motiva-tionsfacetten blieben signifikant erhöht im Vergleich zum Ausgangsniveau vor der Reha. Die Mittelwerte für die Interventionsgruppen zeigten sich nicht signifikant höher als die der Stan-dard-Reha-Nachsorge.

Diskussion Für die kardiologische Rehabilitation bedeutet das, dass in der Frühphase einer Erkrankung insbesondere gesundheitsbezogene und Leistungsmotivation und weniger intrinsische und soziale Motivation gefördert werden. Das Nachlassen der Motivation konnte durch telefoni-sche und schriftliche Nachsorge nicht verhindert werden, ebensowenig wie das Bewegungs-

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verhalten verbessert werden (laut Patientenselbstbeschreibung). Für weitere Untersuchun-gen ist zu klären, welche Maßnahmen in den Reha-Phase II und III ergriffen werden können, um die Motivation zur körperlichen Aktivität zu optimieren.

Literatur Bjarnason-Wehrens, B., Held, K., Hoberg, E., Karoff, M., Rauch, B. (2007): Deutsche Leitli-

nie zur Rehabilitation von Patienten mit Herz-Kreislauferkrankungen (DLL-KardReha). Clinical research in cardiology, suppl 2. III/1-III/54.

Bönisch, R., Bremer, F.J., Schweidtmann, W., Ohnesorge, W., Stemmler, M., Muthny, F.A. (2009): Motivation zum kardiologischen Reha-Sport - Ergebnisse zur Reliabilität und Vali-dität eines neu entwickelten Fragebogens (MokaRSpo). Prävention und Rehabilitation, 21. 61-69.

Schiefele, U. (2004): Förderung von Interessen. In: Lauth, G.W., Grünke, M., Brunstein J.C. (Hrsg.): Interventionen bei Lernstörungen. Göttingen: Hogrefe. 134-144.

Schlicht, W., Kanning, M., Bös, K. (2006): Psychosocial interventions to influence physical inactivity as a risk factor: Theoretical models and practical evidence. In: Jordan, J., Bardé, B., Zeiher, A.M. (Eds.): Contributions toward evidence-based psychocardiology: A systematic review of the literature. Washington, DC: American Psychological Association. 107-123.

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Kardiologische Rehabilitation II

RehaCAT-Kardio: Entwicklung eines modernen Diagnostiksystems für die kardiologische Rehabilitation

Schnurr, A. (1), Abberger, B. (1), Bengel, J. (1), Wirtz, M. (2), Baumeister, H. (1) (1) Institut für Psychologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, (2) Institut für Psychologie, Pädagogische Hochschule Freiburg

Einleitung Kardiologische Patienten sind aufgrund ihrer somatischen Erkrankung in ihrem Alltag häufig eingeschränkt und weisen darüber hinaus in einem erhöhten Maß psychische Belastungen auf (Baumeister et al., 2004). Die Beurteilung der somatischen und psychischen Gesundheit von Patienten in der Rehabilitation ist eine wichtige Grundlage für die Planung und Beurtei-lung des Erfolges von Rehabilitationsmaßnahmen. Eine umfassende Diagnostik ist jedoch sehr zeitintensiv und stellt somit eine erhebliche Belastung für die Patienten dar.

Computeradaptive Testverfahren (CAT) bieten die Möglichkeit umfassende, valide, reliable und ökonomische Testverfahren zu entwickeln. Dies wird durch eine Itemauswahl ermög-licht, die den Patienten, basierend auf ihren vorherigen Antworten, Items mit maximalem zu-sätzlichem Informationsgewinn präsentiert. Ziel des von der Zarnekow-Stiftung geförderten Projektes RehaCAT-Kardio ist die Entwicklung und Validierung eines ICF-basierten CAT zur funktionalen Gesundheit kardiologischer Rehabilitanden. Die erste Projektphase diente der Entwicklung von vier die funktionale Gesundheit abbildenden Itembanken: "Funktionsfähig-keit im Alltag", "Funktionsfähigkeit im Beruf", "Depression" und "Angst".

Methoden Als Grundlage für die Erstellung der Itembanken dienten die Itembanken zu Funktionsfähig-keit im Alltag und Beruf sowie Depression des Parallelprojektes RehaCAT-Ortho sowie eine umfangreiche Literaturrecherche zu bestehenden Assessmentverfahren in allen vier Berei-chen. Zur Überprüfung der Relevanz der Items erfolgte eine Expertenbefragung. Die Ver-ständlichkeit der Items wurde in Patienteninterviews mittels der Think-aloud-Technik beur-teilt. Durch eine multizentrische Datenerhebung in 14 kardiologischen Rehabilitationseinrich-tungen konnten Daten von 765 kardiologischen Rehabilitanden zur Überprüfung der Item-banken analysiert werden. Im Rahmen der Item Response Theorie (Hays et al., 2000) wur-den die einzelnen Itembanken mittels Rasch-Analyse auf ihre Passung zum jeweiligen Mo-dell hin überprüft (InFit-Maße < 1.3; Wirtz, Böcker, 2007).

Ergebnisse Die Itembanken umfassten nach der Experten- und Patientenbefragung noch 161 Items zu Funktionsfähigkeit im Alltag, 166 Items zu Funktionsfähigkeit im Beruf, 112 Items zu De-pression und 156 Items zu Angst. Die Überprüfung der Itembanken zu Depression und Angst führte zu eindimensionalen, rasch-homogenen Itembanken. Für die Bereiche "Funkti-onsfähigkeit im Alltag" und "Funktionsfähigkeit im Beruf" ließen sich Subskalen zu einzelnen

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Aspekten der Bereiche identifizieren. Insgesamt wiesen die Items aller Bereiche eine zufrie-den stellende Reliabilität auf.

Diskussion Mit den Itembanken des RehaCAT-Kardio ist die Vorraussetzung geschaffen, die funktionale Gesundheit kardiologischer Rehabilitanden durch einen computeradaptiven Test (CAT) zu erfassen. In einem nächsten Schritt wird aufgrund der modellierten Itembanken ein Algo-rithmus entwickelt, der es ermöglicht, die Testung individuell auf den einzelnen Patienten abzustimmen.

Literatur Baumeister, H., Jacobi, F., Wittchen, H.-U., Bengel, J., Härter, M. (2004): Psychische Stö-

rungen bei Patienten mit muskuloskeletalen und kardiovaskulären Erkrankungen im Ver-gleich zur Allgemeinbevölkerung. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychothera-pie, 1. 33-41.

Hays, R.D., Morales, L.S., Reise, S.P. (2000): Item response theory and health outcomes measurement in the 21st century. Medical Care, 38. II28-ii42.

Wirtz, M., Böcker, M. (2007): Das Rasch-Modell - Eigenschaften und Nutzen für die dia-gnostische Praxis. Die Rehabilitation, 46. 238-245.

Dynamik von linksventrikulärer Hypertrophie (LVH) und Nierenfunktionsstörung unter zielwertorientierter Therapie bei

arterieller Hypertonie

Reibis, R. (1), Karoff, M. (2), Kamke, W. (3), Bürger, A. (1), Huber, M. (4), Kreutz, R. (4), Wegscheider, K. (5), Völler, H. (1)

(1) Klinik am See, Rüdersdorf, (2) Klinik Königsfeld, Klinik an der Universität Witten/Herdecke, Ennepetal, (3) MediClin Reha-Zentrum Spreewald, Burg,

(4) Charité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte, Berlin, (5) Department of Medical Biometry and Epidemiology, University Medical Centre, Hamburg-Eppendorf

Einleitung Bei Patienten mit arterieller Hypertonie bestimmen nicht nur Schlaganfall und Myokardin-farkt, sondern auch die linksventrikuläre Hypertrophie (LVH) sowie die Nephropathie die Prognose. Über deren Veränderungen unter leitlinien- und zielwertorientierter Therapie ist bisher wenig bekannt.

Patienten und Methodik Von Januar bis Juni 2005 wurden in 3 Rehabilitationskliniken 500 Patienten (57,6 ± 10,1 Jahre; 81,4 % Männer) mit bekannter (98,4 %) oder neu diagnostizierter arterieller Hyperto-nie (1,6 %) in das ESTher-Register (Endorganschäden, Therapie und Verlauf) eingeschlos-sen, bei denen im Rahmen des Deutschen Genomprojektes eine Evaluierung bestehender Endorganschäden (Phänotypisierung) durchgeführt wurde und eine Untersuchung des Zu-sammenhangs zwischen Endorganschäden sowie klinischen Ereignissen (Zielgrößen und

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Baseline-Charakteristika bzw. Genotypen) erfolgen soll. Während der kardiologischen Re-habilitation (CR) sowie nach 536,8 ± 161,2 Tagen wurden kardiovaskuläre Komorbiditäten und Risikofaktoren ebenso erfasst wie die leitlinienorientierte Therapie und die Zielwerterrei-chung. Es wurde ein Ruhe- und Belastungs-EKG, eine Langzeit-BDM durchgeführt, die LVH (g/h2,7) und die Ejektionsfraktion wurden echokardiographisch ermittelt, die Nierenfunkti-onsstörung anhand der GFR nach MDRD klassifiziert. Veränderungen diskreter Merkmale über die Zeit werden mit Transition Tables dargestellt und mit dem McNemar-Test getestet.

Ergebnis Eine KHK bestand bei 85,2 %, ein Schlaganfall/TIA in 6,2 % sowie eine pAVK in 9,6 %. Eine Herzinsuffizienz (NYHA II-IV) trat in 15 %, eine EF < 40 % in 5,2 % und eine LVH in 40,4 % der Patienten auf. Zielwerte < 140/90 mmHg wurden bei Entlassung aus der CR in 85,2 % im Vergleich zur Nachuntersuchung in 79,3 % unterschritten, p < 0,0001. Von 490 (98 %) der Patienten konnte der Vitalstatus ermittelt werden, 4 (0,8 %) waren verstorben, 7 (1,4%) hatten einen Myokardinfarkt, 5 (1 %) einen Schlaganfall erlitten. 411 (82,1 %) wurden nach-untersucht, wobei die LVH im Mittel keine signifikanten (44 % vs. 40,1 %), intraindividuell jedoch große Veränderungen aufwies (Abbildung). Eine GFR < 60 ml/min nahm signifikant zu (10,3 vs. 17,8 %; p < 0,0001).

Abb. 1: Hohe interindividuelle Varianz von LVH bei Entlassung und während des Follow up.

Schlussfolgerung Patienten mit arterieller Hypertonie werden während einer CR sowie im Verlauf eines Jahres in hohem Maße zielwertorientiert behandelt und weisen eine exzellente Kurzzeitprognose auf. Dennoch ist eine deutliche Zunahme der Nephropathie sowie eine große Varianz der LVH zu beobachten. Inwieweit genotypische Untersuchungen eine Erklärung liefern können, wird mit Spannung erwartet.

0

25

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at discharge at follow-up

ns

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Metaanalysen zur Assoziation komorbider depressiver Störungen mit Outcomeparametern bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung

Baumeister, H., Hutter, N. Institut für Psychologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg,

Hintergrund Depressive Störungen treten bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung gehäuft auf (Här-ter et al., 2007; Ormel et al., 2007) und sind mit erhöhten Mortalitätsraten assoziiert (Barth et al., 2004). In welchem Ausmaß komorbide depressive Störungen mit einer verringerten Le-bensqualität und erhöhten Versorgungskosten bei KHK-Patienten einhergehen, ist bislang ungeklärt (Baumeister, Härter, 2005; Baumeister et al., 2005). Des Weiteren stellt sich die Frage, inwiefern durch eine gezielte Depressionsbehandlung sowohl depressionsspezifische als auch kardiologische Outcomeparameter positiv veränderbar sind. Ziel dieser Studie ist es, basierend auf Daten von zwei von der Landesstiftung Baden-Württemberg und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekten, eine systematische Übersicht zum Stand der Forschung bezüglich dieser beiden Fragestellungen zu bieten.

Methodik Die Auswahl der Primärstudien erfolgte auf Basis einer umfangreichen Datenbankrecherche zu a) Lebensqualität und Versorgungskosten von KHK-Patienten mit vs. ohne komorbide psychische Störungen (3.563 Treffer) sowie b) den Effekten gezielter Depressionsbehand-lung bei KHK-Patienten mit komorbiden depressiven Störungen in randomisierten kontrol-lierten Studien (RCT) (3.253 Treffer) (Baumeister et al., 2009). Studienselektion, Datenex-traktion und methodische Beurteilung wurden von zwei Reviewern unabhängig durchgeführt. Für die Primärstudien wurden die jeweiligen Effektstärken (z. B. standardisierte Mittelwerts-unterschiede, Odds Ratios) extrahiert oder gegebenenfalls rekonstruiert. Zur metaanalyti-schen Befundintegration wurden Modelle zufallsvariabler Effekte berechnet.

Ergebnisse Es wurden 47 Primärstudien zum Zusammenhang zwischen komorbiden depressiven Stö-rungen und der Lebensqualität und den Versorgungskosten bei KHK-Patienten eingeschlos-sen. Zudem liegen bislang 15 abgeschlossene RCTs zur Depressionsbehandlung komorbi-der depressiver Störungen bei KHK vor. Sowohl die psychosoziale Lebensqualität (d=-0,89) von KHK-Patienten mit komorbiden depressiven Störungen als auch die somatische Le-bensqualität (d=-0,71) erwiesen sich im Vergleich zu Patienten ohne komorbide Störungen als stark verringert. Hinsichtlich der Versorgungskosten zeigten sich teilweise erhöhte stati-onäre, ambulante und sonstige direkte Kosten sowie eine niedrigere Wahrscheinlichkeit zeitnah wieder in den Beruf einzusteigen (OR=0,27). 6 Interventionsstudien untersuchten die Wirksamkeit psychopharmakologischer Behandlung, während 9 Studien auf die Effekte psychologischer Interventionen fokussierten bzw. multimodale Interventionsprogramme durchführten. Untersucht wurden die Outcomes Depressionsremission bzw. reduzierte De-pressivität, Mortalität und Morbidität sowie kardiologische Parameter, Lebensqualität und Versorgungskosten. Die Effektivität der Behandlungen variiert bedeutsam je nach betrachte-

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tem Endpunkt. Wenig untersucht wurden patientenbezogene Outcomes wie die Lebensqua-lität.

Diskussion Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die wahrgenommene psychosoziale und somatische Lebensqualität bei KHK-Patienten mit vorliegenden komorbiden depressiven Störungen be-deutsam eingeschränkt ist. Zudem zeigen sich erhöhte Versorgungskosten bei Patienten mit komorbiden depressiven Störungen. Interventionsstudien erweisen sich zumindest in Bezug auf bestimmte Outcomes als wirksam, wobei wesentliche Aspekte wie die Lebensqualität der Patienten kaum untersucht wurden.

Literatur Barth, J., Schumacher, M., Herrmann-Lingen, C. (2004): Depression as a risk factor for mor-

tality in patients with Coronary Heart Disease: a meta-analysis. Psychosomatic Medicine, 66. 802-813.

Baumeister, H., Balke, K., Härter, M. (2005): Psychiatric and somatic comorbidities are negatively associated with quality of life in physically ill patients. Journal of Clinical Epi-demiology, 58. 1090-1100.

Baumeister, H., Härter, M. (2005): Auswirkungen komorbider psychischer Störungen bei chronischen körperlichen Erkrankungen. Zeitschrift für Medizinische Psychologie, 14. 175-189.

Baumeister, H., Hutter, N., Bengel, J. (2009): Psychological and pharmacological interventi-ons for depression in patients with coronary artery disease (Protocol). Cochrane Data-base of Systematic Reviews 2009, 4: CD008012. DOI: 10.1002/14651858.CD008012.

Härter, M., Baumeister, H., Reuter, K., Jacobi, F., Höfler, M., Bengel, J., Wittchen, H.U. (2007): Increased 12-month Prevalence Rates of Mental Disorders in Patients with Chronic Somatic Diseases. Psychotherapy and Psychosomatics, 76. 354-360.

Ormel, J., von Korff, M., Burger, H. et al. (2007): Mental disorders among persons with heart disease -results from World Mental Health surveys. General Hospital Psychiatry, 29. 325-334.

Zielvereinbarungen zu Verhaltensänderungen im Hinblick auf den Tabak-konsum für die Phase III der kardiologischen Rehabilitation

Stamm-Balderjahn, S., Ladstätter, A., Nowossadeck, E. Abteilung Versorgungssystemforschung und Grundlagen der Qualitätssicherung in der

Rehabilitation, Charité - Universitätsmedizin Berlin

Hintergrund Etwa 38.000 Menschen sterben jährlich in Deutschland an ischämischen Herzerkrankungen, die durch das Rauchen verursacht sind (Deutsches Krebsforschungszentrum, 2009). Patien-ten, die nach einem erlittenen Herzinfarkt weiter rauchen, haben - verglichen mit nicht rau-chenden Patienten - ein 50 % höheres Risiko für ein weiteres koronares Ereignis (Rea, 2002). Demgegenüber reduziert sich das absolute Mortalitätsrisiko um 9,2 %, wenn diese

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Patienten eine Interventionsmaßnahme zum Rauchverzicht erhalten und anschließend ab-stinent bleiben (Mohiuddin, 2007). Eine wesentliche Aufgabe der kardiologischen Rehabilita-tion (Phase II) ist es, Patienten zu motivieren, ihr Risikoverhalten zu verändern. Vereinba-rungen zwischen Patienten und Ärzten, die sich auf die Nachhaltigkeit von Verhaltensmodi-fikationen in der Phase III Rehabilitation beziehen, waren Untersuchungsgegenstand der Studie CARO-ZIR (Cardiac Rehabilitation Outcome - Zielvereinbarungen in der Rehabilitati-on), die von der DRV Westfalen/DRV Bund gefördert wurde. Analysiert werden sollen die Wirksamkeit von Zielvereinbarungen im Hinblick auf die Abstinenz von Tabakkonsum der Rehabilitanden sowie mittelfristige Veränderungen des Rauchverhaltens.

Methode Die multizentrische Längsschnittstudie erfasst 621 Patienten in 10 Reha-Einrichtungen. Ein-schlusskriterium war eine gesicherte KHK mit und ohne Bypass-OP. Am Ende der Reha wurden Ziele in Form einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Patienten und Ärzten zu verhaltensbedingten Schutz- und Risikofaktoren (körperliche Aktivität, Ernährungsverhalten, Tabakkonsum, Medikamentenadhärenz) getroffen. Eine schriftliche Patientenbefragung er-folgte jeweils am Ende der Reha (n = 546, Response = 88 %) sowie sechs Monate danach (n = 454, Response = 73 %).

Ergebnisse Am Ende der Reha gaben 38 (7,1 %) der Patienten an, dass sie aktuell rauchen. Zu diesem Zeitpunkt hatten 343 Patienten das Rauchen aufgegeben, von denen 150 (43,7 %) wegen des kardialen Ereignisses auf den Konsum von Tabak verzichteten. Die zweite Gruppe der Ex-Raucher (56,3 %) waren 193 Patienten, die bereits längere Zeit vor dem kardialen Ereig-nis (> 2 Monate) mit dem Rauchen aufgehört hatten. 134 (26,9 %) Patienten gaben an, nie-mals geraucht zu haben.

89,9 % der Patienten, die wegen des kardialen Ereignisses auf das Rauchen verzichteten, hatten sich vorgenommen, auch weiterhin nicht zu rauchen, sofern dieses Ziel vereinbart wurde. Von den Ex-Rauchern, die seit längerer Zeit nicht mehr geraucht haben, wollten 92,3 % auch in Zukunft nicht mehr rauchen. Von den Rauchern nahmen sich 65,2 % vor, ihren Tabakkonsum zu reduzieren bzw. das Rauchen einzustellen, 21,7 % wollten im An-schluss an die Reha einen Nichtraucherkurs besuchen.

Am Ende des Nachbeobachtungszeitraumes waren 233 (87,3 %) Patienten weiterhin Nicht-raucher, 5 (1,9 %) hatten mit dem Rauchen aufgehört und 12 (4,5 %) wieder damit begon-nen. Das Zielvereinbarungsgespräch, in dem über die Bedeutung der weiteren Tabakabsti-nenz gesprochen wurde, war für 75,3 % der befragten Ex-Raucher nützlich bzw. sehr nütz-lich.

Diskussion und Ausblick Die überwiegende Mehrzahl der Patienten, die das Rauchen wegen des kardialen Ereignis-ses bzw. längere Zeit davor aufgegeben hatten, nahm sich nach Abschluss der Reha vor, auch weiterhin nicht zu rauchen. Der größte Teil der noch rauchenden Patienten wollte sei-nen Tabakkonsum in Zukunft reduzieren bzw. ganz einstellen. Sechs Monate nach Ende der Reha waren fast 90 % der Patienten weiterhin Nichtraucher. Das bedeutet, dass zu diesem Zeitpunkt die Rauchquote der kardiologischen Rehabilitanden mit 10,9 % um etwa ein Drittel

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niedriger liegt als in der Allgemeinbevölkerung (30,1 %). Es kann davon ausgegangen wer-den, dass sich die Zielvereinbarungen positiv auf das Rauchverhalten ausgewirkt haben. Ob sich diese Ergebnisse bestätigen, wird derzeit in einer randomisierten kontrollierten Inter-ventionsstudie zum Gesundheitsverhalten von Patienten in der Phase III Rehabilitation ü-berprüft, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird.

Literatur Deutsches Krebsforschungszentrum (Hrsg.) (2009): Tabakatlas Deutschland 2009. Heidel-

berg. Rea, T.D., Heckbert, S.R., Kaplan, R.C., Smith, N.L., Lemaitre, R.N., Psaty, B.M. (2002):

Smoking status and risk for recurrent coronary events after myocardial infarction. Ann In-tern Med, 137. 494-500.

Mohiuddin, S.M., Mooss, A.N., Hunter, C.B., Grollmes, T.L., Cloutier, D.A., Hilleman, D.E. (2007): Intensive smoking cessation intervention reduces mortality in high-risk smokers with cardiovascular disease. CHEST, 131. 446-452.

Evaluation von berufsorientierten stationären und poststationären Maßnahmen bei kardiologischen Rehabilitanden mit

berufsbezogenen Problemen (BERUNA-Studie)

Huber, D. (1), Kittel, J. (3), Hoberg, E. (2), von Hoerschelmann, N. (2), Karoff, M. (1,3) (1) Rehabilitationsforschung Klinik Königsfeld, Ennepetal; Klinik an der Universität Witten-

Herdecke, (2) Mühlenbergklinik Holsteinische Schweiz, Bad Malente, (3) Institut für Rehabilitationsforschung Abteilung Königsfeld, Norderney

Hintergrund Besonders multimorbide und beruflich schlecht qualifizierte Patienten können hinsichtlich der beruflichen Prognose häufig nur unzureichend von den bisher üblichen Versorgungsan-geboten profitieren. Eine noch stärker patientenorientierte Rehabilitation kann bei dieser so-zial benachteiligten Klientel die Chance auf eine Teilhabe am Arbeitsleben erhöhen (Karoff et al., 2000; Kittel, Karoff, 2005; Kittel, 2007) Die Studie soll klären, ob eine Kombination aus intensivierter berufsbezogener Rehabilitation und individualisierten tätigkeitsbezogenen Nachsorgeangeboten, die Teilhabe am Arbeitsleben zwölf Monate nach der Rehabilitation verbessern kann. Die Studie wird vom BMBF, im Bereich Versorgungsnahe Forschung "Chronische Krankheiten und Patientenorientierung" gefördert.

Methodik Modellhaft wird die Studie in den zwei kardiologischen Abteilungen der Klinik Königsfeld, Ennepetal und der Mühlenbergklinik Holsteinische Schweiz, Bad Malente, durchgeführt. Es sollen insgesamt 300 Patienten mit beruflicher Problemlage randomisiert zugeteilt werden, 150 Patienten in die Interventions- und 150 Patienten in die Kontrollgruppe.

Das berufsbezogene Konzept der Interventionsgruppe startet während des stationären Auf-enthalts in Ergänzung zur konventionellen Rehabilitation. In der stationären Phase soll die Motivation zur Rückkehr zur Arbeit durch Informationen über Rentenansprüche und die Er-

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arbeitung positiver Aspekte der Arbeit erhöht werden. In einer anschließenden Nachsorge-phase können die Patienten über einen Zeitraum von sechs Monaten an je vier therapeu-tisch begleiteten Nachsorgetreffen in der jeweiligen Klinik teilnehmen. In der Nachsorgepha-se werden etwaige Schwierigkeiten bei der beruflichen Reintegration mit den Patienten re-flektiert und Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt. Die Kontrollgruppe erhält die konventionel-le Rehabilitation und die Standardnachsorgeempfehlungen der Klinik.

Die Evaluation des Programms und der Effekte erfolgt zu vier Erhebungszeitpunkten (t1= zu Beginn der Rehabilitation, t2= zum Ende der Rehabilitation, t3= 6 Monate nach der Rehabili-tation, t4= 12 Monate nach der Rehabilitation). Zentrales Outcome-Kriterium ist die Erwerbs-tätigkeit zwölf Monate nach der Rehabilitation, das über eine Erhebung der Versichertenkon-ten erfolgt. Daneben sollen der somatische, psychische und soziale Status der Rehabilitan-den erfasst werden, um zum einen Veränderungen in der Lebensqualität beurteilen zu kön-nen und zum anderen Prädiktoren für eine erfolgreiche berufliche Reintegration extrahieren zu können.

Die Erfassung des berufsbezogenen Behandlungsbedarfs der Patienten erfolgt mittels Screening-Instrument für Beruf und Arbeit in der Rehabilitation (SIBAR, Bürger, Deck, 2007).

Zwischenergebnisse Die Untersuchung dauert aktuell noch an. 52 % aller unter 58-jährigen Patienten, sehen ihre berufliche Situation als problematisch an und äußern einen beruflichen Handlungsbedarf während der Rehabilitation.

Zwischenergebnisse sind in Tabelle 1 dargestellt. Die Patienten der Interventionsgruppe schätzen sowohl zu t2, als auch zu t3 ihre subjektive Prognose der Erwerbstätigkeit (ge-messen mittels SPE-Skala) signifikant besser ein als die Patienten der Kontrollgruppe. Ähn-liche Effekte konnten für die Parameter Angst und Depressivität (gemessen mittels HADS) beobachtet werden. 6 Monate nach der Rehabilitation lassen sich in der Interventionsgruppe signifikant geringere Depressivitätswerte und tendenziell geringere Angstwerte beobachten als in der Kontrollgruppe.

Gruppe

Signifikanz Skala

Zeitpunkt

IG KG

M (s) M (s)

SPE

t2 1,00 (1,12) 2,12 (1,17) p < 0.05

t3 1,15 (1,18) 2,16 (1,11) p < 0.05

HADS Angst t3 8,85 (4,69) 12,04 (4,91) Tendenz p < 0.10

HADS Depressivität t3 6,23 (4,65) 10,64 (5,36) p < 0.05

Tab. 1: Signifikante univariate Ergebnisse sowie Mittelwerte und Standardabweichung bezogen auf den Haupteffekt Gruppe

Das Nachsorgeangebot findet hohe Akzeptanz bei den Teilnehmern. Besonders positiv be-werten die teilnehmenden Patienten den untereinander stattfindenden Erfahrungsaustausch.

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Diskussion Die Förderung der beruflichen Reintegration ist ein zentrales ökonomisches Ziel der von der Rentenversicherung finanzierten Rehabilitation (Rische, 2004). Die große Anzahl an Patien-ten mit beruflicher Problemlage macht deutlich, dass in dieser Studie eine hochbelastete Ri-sikogruppe untersucht wird und zeigt die Relevanz von berufsbezogenen Elementen wäh-rend der Rehabilitation. Die Zwischenergebnisse lassen schon jetzt Rückschlüsse auf die Effektivität des Programms zu.

Literatur Bürger, W., Deck, R. (2007): SIBAR - Screening zur Erfassung des Bedarfs an berufsbezo-

genen Behandlungsangeboten in der Medizinischen Rehabilitation - Ergebnisse zur Reli-abilität und Validität. DRV-Schriften, Bd. 72, 236-237.

Karoff, M., Röseler, R., Lorenz, C., Kittel, J. (2000): Intensivierte Nachsorge (INA) - ein Ver-fahren zur Verbesserung der beruflichen Reintegration nach Herzinfarkt und/oder By-passoperation. Z Kardiol, 89. 423-433.

Kittel, J., Karoff, M. (2005): Functional capacity evaluation and psychosocial interventions in cardiac rehabilitation: a randomized clinical trial. European J. of Cardiov. Prev. & Rehabi-litation 12, 3. 391.

Kittel, J. (2007): Effekte berufsorientierter Interventionen in der kardiologischen Rehabilitati-on ein Jahr nach der Rehabilitation - Ergebnisse einer randomisierten Kontrollgruppen-studie. DRV-Schriften, Bd. 72. 259-260.

Rische, H. (2004): Welchen Nutzen hat die medizinische Rehabilitation der gesetzlichen Rentenversicherung? Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 67. 200-205.

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Kardiologische Rehabilitation (Poster)

Effektivität der Raucherentwöhnung in der stationären psychosomatischen und internistischen Rehabilitation

Käufling-Flesch, C. (1), Berg, G. (2), Schmied, W. (1), Köllner, V. (1) (1) Fachklinik für Psychosomatische Medizin, Mediclin Bliestal Kliniken, Blieskastel,

(2) Fachklinik für Innere Medizin, Mediclin Bliestal Kliniken, Blieskastel

Hintergrund Aufgrund der gesundheitlichen und volkswirtschaftlichen Folgeschäden des Tabakkonsums ist es notwendig, standardisierte Programme zur Raucherentwöhnung anzubieten. Dies wird auch in den Leitlinien der Deutschen Rentenversicherung (Brüggemann, Klosterhuis, 2005) gefordert und ist Bestandteil des Gesundheitstrainings in der Rehabilitation (Lubenow et al., 2008). Ziel der vorliegenden Arbeit war es, in einer prospektiven Studie die Wirksamkeit des Raucherentwöhnungsprogramms der Mediclin Bliestal Kliniken Blieskastel zu prüfen. Wei-terhin sollten Unterschiede in den Entwöhnungserfolgen der Fachklinik für Psychosomati-sche Medizin und der Fachklinik für Innere Medizin eruiert werden, um auf der Grundlage dieser Daten eine Verbesserung des Konzepts zur Raucherentwöhnung durchführen zu können.

Methode Befragt wurden Raucher und instabile Ex-Raucher in beiden Rehabilitationskliniken bei Kli-nikaufnahme (t0), Entlassung (t1) und einer Katamnese nach 3 Monaten (t3). Die Raucher-Quote betrug in der Grundgesamtheit aller Patienten der Inneren Medizin 18 % und der Psychosomatik 39 %. Von 250 eingeschlossenen Patienten beteiligten sich 203 (103 Frau-en, Alter 49 ± 9,8 Jahre), davon 133 (Alter 46,6 ±7,9 Jahre; 67,8 % Frauen) aus der Psy-chosomatik und 70 aus der Inneren Medizin (Alter 55,6 ± 10,5 Jahre; 23,2 % Frauen). Zu t3 beteiligten sich 91 Rehabilitanden. Nikotinabhängigkeit wurde mit dem Fagerström-Test er-fasst, das Stadium der Veränderungsbereitschaft nach dem transtheoretischen Modell nach Prochaska und DiClemente (1983). Angst und Depressivität wurden mittels HADS-D erfasst. Die Patientenzufriedenheit mit dem Entwöhnungsprogramm wurde über Schulnoten erfragt.

Ergebnisse Bei Aufnahme befanden sich 19,3 % der Befragten im Stadium der Absichtslosigkeit, 29,2 % im Stadium des Nachdenkens, 36,1 % hatten den Entschluss gefasst, mit dem Rauchen aufzuhören und 15,4 % sahen sich im Stadium der Aufrechterhaltung. Bei 27,2 % lag eine starke oder sehr starke und bei 11,9 % eine mittelgradig ausgeprägte Nikotinabhängigkeit vor.

Zu t0 waren 19,7 % instabile Nichtraucher und 80,3 % Raucher (im Mittel 11-20 Zigaret-ten/Tag). Zu t1 waren 29,1 % der Befragten rauchfrei, in der Katamnese stieg der Anteil der Nichtraucher auf 41,6 %, der Anteil der starken Raucher (>30 Zigaretten/Tag) ging von 8,4 auf 0 % zurück.

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99,4 % waren bei der Anamnese von den StationsärztInnen nach dem Rauchen gefragt worden und 94,2 % hatten einen Rat zur Nikotinabstinenz erhalten. 87 % wurde weiterge-hende Unterstützung angeboten. 54,4 % der Raucher hatten den Eindruck, dass den Ärz-tInnen dieser Rat sehr wichtig war, während 27,8 % sie als eher gleichgültig ("Routineflos-kel") erlebt hatten. Zur Unterstützung wurde in 63 % eine Raucherentwöhnungsgruppe und in 33 % Nikotinersatztherapie angeboten. In Anspruch genommen wurden die Gruppe von 63 % und Nikotinersatztherapie von 24 % der Raucher. Das Raucherentwöhnungskonzept erhielt von 39,1 % der Rehabilitanden die Noten sehr gut oder gut, von 34,5 % befriedigend und von 26,4 % ausreichend oder schlechter. Gewünscht wurden vor allem eine kontinuier-liche Zusammensetzung der Raucherentwöhnungsgruppe sowie mehr Einzelberatung und Information über gesundheitliche Folgen des Rauchens.

In der Psychosomatik war der Anteil der stark und sehr stark abhängigen Raucher mit 32,1 % nahezu doppelt so hoch wie in der Inneren Medizin (17,7 %). Erwartungsgemäß wa-ren die Patienten der Psychosomatik bei der Aufnahme signifikant stärker durch Angst und Depressivität belastet, in der Katamnese bestand dieser Unterschied nicht mehr. Mittels li-nearer Regression wurde versucht, zu t0 Prädiktoren für eine Nikotinabstinenz zu t1 zu er-mitteln. Eine signifikante Korrelation fand sich für das Absichtsstadium nach Prochaska und DiClemente sowie die Bewertung des ärztlichen Ratschlags zur Nikotinabstinenz, die er-reichte Varianzaufklärung war jedoch gering.

Diskussion Die Abstinenzquote in der Katamnese liegt im oberen Bereich dessen, was bei Raucherent-wöhnungsprogrammen zu erwarten ist (Peukert, Batra, 2008). Die Daten sprechen dafür, dass ein Raucherentwöhnungstraining als Bestandteil der stationären Rehabilitation effektiv ist. Die Empfehlung, Nikotinabusus systematisch zu erfragen und Nikotinabstinenz anzura-ten, wird in nahezu allen Fällen befolgt. Allerdings hatte nur gut die Hälfte der Rehabilitan-den den Eindruck, dass dieser Rat den ÄrztInnen wirklich wichtig war, 1/4 erlebte ihn eher als Routinefloskel, was sich möglicherweise negativ auf die Abstinenzmotivation auswirkte. Eine Folgestudie soll zeigen, ob ein Kommunikationstraining zur Raucherberatung für die StationsärztInnen hier zu einer Verbesserung führt. Es zeigte sich auch, dass die Raucher in den beiden Fachkliniken unterschiedliche Problemkonstellationen aufweisen. Die Rehabili-tanden der Psychosomatik waren in stärkerem Maße nikotinabhängig und stärker psychisch belastet, wobei v. a. Depressivität mit einer geringeren Erfolgsrate korreliert zu sein scheint (Herbert, Härtel, 2007). Insofern könnten unterschiedliche Entwöhnungskonzepte für beide Reha-Indikationen sinnvoll sein.

Literatur Brüggemann, S., Klosterhuis, H. (2005): Leitlinienreport "Leitlinie für die Rehabilitation bei

koronarer Herzkrankheit". Deutsche Rentenversicherung. http://www.deutsche-rentenver-sicherung.de

Herbert, B.M., Härtel U. (2007): Rauchen und Depression bei Rehabilitation nach Myokard-infarkt. DRV-Schriften, Bd. 72. 459-460.

Lubenow, B., Worringen, U., Korsukéwitz, C. (2008): Gesundheitstraining der Deutschen Rentenversicherung Bund. Psychotherapie im Dialog, 9. 370-373.

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Peukert, P., Batra, A. (2008): Bedeutung psychotherapeutischer Konzepte bei der Tabak-entwöhnung. Psychotherapie im Dialog, 9. 344-349.

Prochaska, J., DiClemente, C. (1983): Stages and Process of Self Change of Smoking: To-wards an Integrative Modell of Change. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 54. 390-395.

Entwicklung eines Psychosozialen Screenings bei kardiovaskulären Erkrankungen - Das Lübecker Interview

zum Psychosozialen Screening (LIPS)

Benninghoven, D. Mühlenbergklinik - Holsteinische Schweiz

Fragestellung Die Bedeutung psychosozialer Variablen für den Verlauf kardiovaskulärer Erkrankungen gilt als gesichert. Eine fundierte Diagnostik dieser Faktoren in der Rehabilitation dieser Erkran-kungen ist daher sinnvoll und notwendig. In der Regel kommen dabei Fragebogen als Selbstbeurteilungsverfahren zum Einsatz. Diese sind in der klinischen Routine allerdings aufwendig. Sie erfordern jeweils mehrere Schritte. Zunächst muss der Patient den Fragebo-gen bearbeiten, dann erfolgt die Auswertung, und in einem dritten Schritt muss der Patient erneut kontaktiert werden, um das Ergebnis zurückzumelden und gegebenenfalls eine Kon-sequenz einzuleiten. Die direkte Fremdbeurteilung psychosozialer Belastungen des Patien-ten durch einen Arzt oder Psychologen bietet hier eine Alternative. Die Diagnostik bleibt ein-gebettet in den zwischenmenschlichen Kontakt. Nonverbale Informationen können aufge-nommen werden. Ein bestehendes Vertrauensverhältnis kann genutzt werden, eventuell fremdanamnestisch gewonnene Informationen können einbezogen werden etc. Bislang existieren keine überprüften Instrumente für diese Zwecke.

Methodik Entwickelt wurde ein kurzes halbstandardisiertes Interview, mit dem die wesentlichen für kardiovaskuläre Erkrankungen relevanten psychosozialen Variablen (Ängstlichkeit, Depres-sivität, soziale Unterstützung und vitale Erschöpfung) erfasst werden. Zunächst wurden die Interraterreliabilität sowie die Paralleltestreliabilität mit dem HADS sowie weiteren konstrukt-verwandten Fragebogen getestet (n = 800). In einem weiteren Schritt wurde die prognosti-sche Relevanz der mit dem Instrument dokumentierten Ergebnisse in einer Follow-up-Studie über einen Zeitraum von 30 Monaten nach akutem Myokardinfarkt bei n = 92 Patienten überprüft. Studienendpunkte waren: kardiovaskulärer Tod, Myocardinfarkt, Revaskularisati-on.

Ergebnisse Die Interraterreliabilität erwies sich als gut (Kendal’s Tau zwischen .53 und .91). Die Über-einstimmungen mit konstruktverwandten Fragebögen (HADS, ESSI, Mastricht Questionnaire zur vitalen Erschöpfung) war ebenfalls zufriedenstellend. In einem multivariaten Modell ge-

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lang die beste Vorhersage der definierten Endpunkte mit den Variablen Diabetes, LIPS-Angst, Alter und Partnerstatus.

Diskussion Eine reliable und valide Fremdbeurteilung psychosozialer Belastungen bei kardial erkrank-ten Patienten scheint möglich. Verlaufsdaten zeigen einen klinisch relevanten prädiktiven Gehalt der LIPS-Beurteilungen. U. U. ist die Fremdbeurteilung der Selbstbeurteilung überle-gen, wenn Verleugnung bei Patienten eine Rolle spielt. Das Instrument wird eingesetzt, um die Indikation für psychologische Interventionen in der Rehabilitation zu validieren.

Erfassung psychischer Komorbidität in der kardiologischen Rehabilitation: Übereinstimmung von Screeningfragebogen und

klinischem Urteil

Seekatz, B. (1), Brüser, J. (2), Vogel, H. (1), Schubmann, R. (2), Müller-Holthusen, T. (2) (1) Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie, Universität Würzburg,

(2) Klinik Möhnesee, Möhnesee-Körbecke

Hintergrund Psychische Komorbidität bei kardiologischen Rehabilitanden ist mit einem ungünstigeren Outcome wie geringerer Lebensqualität, ungünstigerem Genesungsprozess und höherer Mortalität assoziiert (Sirois, Burg, 2003). Im Vergleich zur Normalbevölkerung liegt bei Pati-enten in der kardiologischen Rehabilitation eine erhöhte Prävalenz psychischer Störungen vor; am häufigsten sind affektive Störungen und Angststörungen (Härter et al., 2002). Psy-chotherapeutische Behandlungen nach kardialen Ereignissen zeigen überwiegend positive Effekte (Linden et al., 2007). Es besteht ein Bedarf an effektiven diagnostischen Strategien zur Entdeckung psychischer Störungen sowie an entsprechenden Interventionen im Rah-men der kardiologischen Rehabilitation. Studien aus der Primärversorgung kardiologischer Patienten zeigen, dass Ärzte nur in 30-50 % der Fälle Patienten mit Depression erkennen. Daher wird zur Erfassung psychisch belasteter Rehabilitanden der Einsatz von Screening-Fragebögen empfohlen.

Ziel dieser Vorstudie ist die Erfassung des Bedarfs an psychischer Unterstützung sowie der Übereinstimmung von Fragebogenergebnis und klinischem Urteil bezüglich psychischer Komorbidität bei kardiologischen Rehabilitanden.

Methode Über den Zeitraum von zwei Monaten wurden von allen kardiologischen Rehabilitanden der Klinik Möhnesee (n = 173) bei Aufnahme Screeningfragebögen zur psychischen Belastung ausgefüllt. Als Screeninginstrument mit hoher Sensitivität und Spezifität wurde die Kurzform des PHQ zu depressiven Störungen (PHQ-9) und Panikstörung eingesetzt. Cut-off-Wert für eine erhöhte depressive Belastung ist ein Summenscore ≥ 9 Punkte; von einer Panikstörung wird ausgegangen, wenn alle 5 entsprechenden Items positiv beantwortet wurden (Löwe et al., 2001). Zusätzlich wurden Funktionsfähigkeit (PHQ) sowie Lebensqualität (MacNew) zu

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Rehabilitationsbeginn und -ende erhoben. Als Maß für das klinische Urteil bezüglich psychi-scher Komorbidität wurde erfasst, ob die Patienten im Rehabilitationsverlauf zum psycho-somatischen Konsil überwiesen wurden. Die Beurteilung der Urteilsübereinstimmung von Screening und ärztlicher Überweisung erfolgt durch Yules Y (Wirtz, Kutschmann, 2007). Zum Vergleich der Lebensqualität und Funktionsfähigkeit bei psychisch belasteten und nicht belasteten Patienten werden Varianzanalysen berechnet.

Ergebnisse Die Patientenstichprobe setzt sich aus 81 % Männern und 19 % Frauen zusammen; der Al-tersdurchschnitt beträgt 69 Jahre (SD 8, Spannweite 41 bis 88). Nach den Ergebnissen des Screenings liegt bei 33 % der Patienten zu Rehabilitationsbeginn eine erhöhte psychische Belastung vor (bei 29 % depressive Symptomatik, bei 1 % eine Panikstörung und bei 3 % beide Störungsbilder). Durch klinisches Urteil wurden 9 % der Rehabilitanden zum psycho-somatischen Konsil überwiesen. Es besteht eine schwache bis mäßige Übereinstimmung von klinischem Urteil und Screeninginstrument (Y = 0,394). Psychisch belastete Rehabili-tanden gemäß Screeningfragebogen haben eine geringere Funktionsfähigkeit und Lebens-qualität als psychisch nicht belastete Patienten; die Unterschiede werden durch die Rehabili-tation verringert, jedoch nicht vollständig abgebaut.

Schlussfolgerungen Der Anteil der durch das Screening als psychisch belastet identifizierten Patienten ist erwar-tungskonform. Es wird für psychisch belastete Patienten der kardiologischen Rehabilitation ein erhöhter Behandlungsbedarf festgestellt. Durch klinisches Urteil wurde psychische Be-lastung deutlich seltener erkannt. Die Ergebnisse unterstreichen den Bedarf am Einsatz ob-jektiver Screeninginstrumente zur Entdeckung erhöhter psychischer Belastung bei kardiolo-gischen Rehabilitanden sowie zur Zuweisung belasteter Patienten zu unterstützenden An-geboten.

Literatur Härter, M., Baumeister, H., Reuter, K., Wusch, A., Bengel, J. (2002): Epidemiologie komor-

bider psychischer Störungen bei Rehabilitanden mit muskuloskeletalen und kardiovasku-lären Erkrankungen. Rehabilitation, 41. 367-374.

Linden, W., Phillips, M.J., Leclerc, J. (2007): Psychological treatment of cardiac patients: a meta-analysis. European Heart Journal Advance Access, 28. 2972–2984.

Löwe, B., Spitzer, R.L., Zipfel, S., Herzog, W. (2001): Gesundheitsfragebogen für Patienten. Karlsruhe: Pfitzer, Inc.

Sirois, B.C., Burg, M.M. (2003): Negative emotion and coronary heart disease. A review. Behavior Modification, 27. 83-102.

Wirtz, M., Kutschmann, M. (2007): Analyse der Beurteilerübereinstimmung für kategoriale Daten mittels Cohens Kappa und alternativer Maße. Die Rehabilitation, 46. 370-377.

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432

Krankheitswissen und Wohlbefinden vor und nach einem multimodalen Kompetenztraining für Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz

Muschalla, B., Glatz, J. Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité, Universitätsmedizin

Berlin und Rehabilitationszentrum Seehof der Deutschen Rentenversicherung Bund, Teltow

Hintergrund Herzinsuffizienz ist ein häufiges klinisches Syndrom mit wachsender Bedeutung und schlechter Prognose. Sie verursacht hohe Gesundheitskosten, insbesondere durch eine ho-he Rate stationärer Wiederaufnahmen bei kardialen Dekompensationen, deren Ursache un-ter anderem eine schlechte Compliance der Patienten mit den empfohlenen Behandlungs-maßnahmen ist. Es wird daher nach wirksamen Konzepten gesucht, diese zu verbessern.

Evaluierte Herzinsuffizienz-Schulungsprogramme fehlen bisher in Deutschland. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurde ein solches Patientenschulungsprogramm entwickelt und Parameter des krankheitsbezogenen Wissens, der gesundheits- und krankheitsbezo-genen Lebensqualität, sowie der psychischen Symptombelastung im Verlauf erfasst.

Methode 64 Patienten (79,7 % Männer) nahmen im Rahmen eines dreiwöchigen kardiologischen Re-habilitationsaufenthaltes an einer kompetenz-fokussierenden Schulung für Herzinsuffizienz-patienten teil. Die Patienten füllten vor Beginn (t0), unmittelbar nach Abschluss (t1), sowie sechs Monate nach der Schulung (t2) Fragebögen zum psychischen Wohlbefinden (HADS Angst und Depressions-Skalen, Herrmann-Lingen et al., 2005) und zur gesundheits- und krankheitsbezogenen Lebenszufriedenheit (SF-36, Bullinger, Kirchberger, 1998; KCCQ, Green et al., 2000) aus, sowie einen auf Schulungsinhalte bezogenen Wissenstest.

Ergebnisse Zu beiden Zeitpunkten nach der Schulung konnte gegenüber der Aufnahme eine signifikant höhere Rate an richtig beantworteten Wissensfragen verzeichnet werden.

Bezüglich der gesundheits- und krankheitsbezogenen bezogenen Lebensqualität schätzen sich die Teilnehmer nach der Schulung zufriedener ein als zu Beginn.

In der psychischen Symptombelastung (HADS) zeigte sich ebenfalls in beiden Skalen eine signifikante Symptomverbesserung zum Zeitpunkt der Entlassung (t1) und relativer Stabilität zum Zeitpunkt (t2) sechs Monate nach Entlassung (Tab. 1).

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Dimensionen der Symptombelastung und Lebenszufriedenheit

t0 unmittelbar

vor der Schulung (n = 62)

t1 unmittelbar nach der Schulung (n = 53)

t2 6 Monate nach der Schulung (n = 31)

p

HADS-A Psychische Symptombelastung Angst Summenscore

7,5 (4,4)

6,7 (5,3)

6,2 (4,8)

1.043** 2.031** 3.670

HADS-D Psychische Symptombelastung Depressivität Summenscore

7,3 (5,2)

6,1 (5,1)

6,3 (5,1)

1.003** 2.008** 3.434

SF-36 Gesundheitsbezogene Lebensqualität Körperlicher Summenscore

37,19 (8,96)

41,14 (11,15)

45,70 (15,33)

1.003** 2 .111 3 .009**

SF-36 Gesundheitsbezogene Lebensqualität Psychischer Summenscore

45,25 (12,4)

50,67 (12,48)

50,87 (16,12)

1 .010** 2 .250 3 .180

KCCQ Krankheitsbezogene Lebensqualität Summenscore

57,21 (22,34)

69,09 (21,6)

65,8 (23,24)

1 .0001** 2 .020** 3 .490

Wissenstest: Richtig beantwortete Wissensfragen in %

64,85 (8,88)

81,59 (7,2)

72,90

(14,36)

1.000** 2.001** 3.015**

**p<.05 1Vergleich t0-t1, 2Vergleich t1-t2, 3Vergleich t0-t2

Schlussfolgerungen Ein multimodales Programm mit Schwerpunkt Kompetenztraining kann im Rahmen einer kardiologischen Rehabilitation bei Patienten mit Herzinsuffizienz zu einer Verbesserung des Wissens über die Erkrankung, Reduzierung von Angst- und Depressivitätserleben und Ver-besserung der Lebensqualität beitragen. Eine intensivierte ambulante Nachsorge dieser Pa-tienten und gute Behandlungskoordination ist sicherlich notwendig.

Zu überprüfen wären in der weiteren Forschung Indikations- bzw. Kontraindikationskriterien für derartige Patientenschulungen, z. B. die Frage, ob und in welcher Weise für Patienten mit Neigung zu hypochondrischen Ängsten eine Gefahr der Angstverstärkung durch Infor-mationsvermittlung besteht (Linden et al., 2009).

Literatur Bullinger, M., Kirchberger, I. (1998): SF-36. Fragebogen zum Gesundheitszustand. Göttin-

gen: Hogrefe. Herrmann-Lingen, C., Buss, U., Snaith, R.P. (2005): HADS-D. Hospital Anxiety and Depres-

sion Scale - Deutsche Version. Ein Fragebogen zur Erfassung von Angst und Depressivi-tät in der somatischen Medizin. Bern: Verlag Hans Huber.

Green, C.P., Porter, C.B., Bresnahan, D.R., Spertus, J.A. (2000): Development and Evalua-tion of the Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire: A New Health Status Measure for Heart Failure. Journal of the American College of Cardiology, 35. 1245-1255.

Linden, M., Herm, K., Pieper, C., Fertmann, J., Sandau, E., Muschalla, B. (2009): Ab-schlussbericht über das Forschungsprojekt Bibliotherapie. Die Entwicklung von bibliothe-rapeutischen Materialien und Durchführung einer kontrollierten Studie zum Einsatz der Bibliotherapie bei Patienten in der psychosomatischen Rehabilitation. Berlin: DRV Bund.

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Bibliotherapie: Verminderte Symptombelastung oder Wissenszuwachs durch schriftliche Patienteninformationen?

Muschalla, B., Linden, M. Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité,

Universitätsmedizin Berlin und dem Rehabilitationszentrum Seehof der Deutschen Rentenversicherung Bund, Teltow

Hintergrund Unter "Bibliotherapie" versteht man den Einsatz von Texten zu therapeutischen Zwecken mit dem Ziel, Patienten Informationen, neue Einsichten oder Denkanstöße zu Problemlösungen zu vermitteln (Linden et al., 2001). Bibliotherapie kann alleine i. S. von Selbsthilfeliteratur angewendet werden oder in Ergänzung zu einer Psychotherapie.

Bibliotherapie kann ergänzend zu sonstigen Behandlungsprogrammen zu einer Behand-lungsintensivierung beitragen, aber möglicherweise auch den Behandlungsprozess stören.

Trotz der Vielzahl der in der täglichen Praxis an Patienten weitergegebenen Informations-materialien sind Studien zu den positiven und negativen Wirkungen einer Bibliotherapie sel-ten und häufig methodisch unzureichend. Die vorliegende Studie ist eine Voraussetzung für eine evidenzbasierte Bibliotherapie.

Methode Unter Bezug auf die einschlägige kognitiv-verhaltenstherapeutische Fachliteratur und Exper-tenurteile wurden Broschüren zu Themen verfasst, die von genereller Relevanz sind hin-sichtlich Krankheitsbewältigung bei Patienten mit kardiologischen Erkrankungen: "Krank-heits-Bewältigung" sowie "Hypochondrie & Abbau körperbezogener Ängste".

Die 139 Studien-Patienten einer kardiologischen Rehabilitationsklinik füllten außerdem bei Aufnahme und Therapieende einen Selbsteinschätzungsfragebogen zu krankheitsbezoge-nen Ängsten aus (Herzangst-Fragebogen). Am Ende gab es einen standardisierten Wis-senstest.

Ergebnisse Patienten, die die Broschüren gelesen hatten (n = 78), wussten in einem Wissenstest am Ende signifikant mehr als Patienten der Kontrollgruppe (n = 61).

Während des Reha-Aufenthaltes nahmen sowohl die Furcht vor Symptomen als auch die herzbezogene Selbstaufmerksamkeit und vor allem die Vermeidung von Aktivitäten signifi-kant ab. Das Broschürenlesen hatte keinen zusätzlichen Effekt auf diese Reha-Outcome-Maße. So unterschieden sich Kontroll- und Interventionsgruppe am Ende nicht signifikant in diesen drei Subskalen des Herzangstfragebogens (Abb. 1).

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Abb. 1: Symptombelastung Herzangstfragebogen zu Beginn und Ende der Rehabilitation

Schlussfolgerungen Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass ein Wissenszuwachs durch das Broschürenlesen nicht unmittelbar mit einer Besserung des klinischen Zustandes bzw. einer besseren Krank-heitsverarbeitung im Sinne einer Reduktion von Ängstlichkeit und Selbstbeobachtung ein-hergeht. Dies gilt auf dem Hintergrund, dass die kardiologische Rehabilitation mit ihren viel-fältigen medizinischen und psychoedukativen Interventionen an sich bereits zu einer deutli-chen Angstreduzierung beiträgt, so dass möglicherweise die bibliotherapeutische Interventi-on keinen Zusatzeffekt mehr bewirken kann. Es wäre nötig eine derartige Untersuchung nochmals ohne therapeutische Unterstützung durchzuführen.

Literatur Linden, M., Pieper, C., Herm, K., Muschalla, B., Fertmann, J., Sandau, E. (2009): Bibliothe-

rapie. Abschlussbericht zum Forschungsprojekt. Berlin. DRV Bund.

00,5

11,5

22,5

33,5

40=

nie,

4=i

mm

er

Furcht vor Symptomen prä

Furcht vor Symptomen post

Aktivitätsvermeidung prä

Aktivitätsvermeidung post

herzbez Selbstaufmerksamk prä

herzbez Selbstaufmerksamk post

Kontrollgruppe (ohneBroschüre N = 61)

Interventionsgruppe (mitBroschüre N = 78)

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Onkologische Rehabilitation I

Telefonische Nachsorge in der onkologischen Rehabilitation - Akzeptanz und Wirksamkeit

Tripp, J. (1), Schulte, T. (2), Schröck, R. (3), Muthny, F.A. (1) (1) Institut für Medizinische Psychologie, Universitätsklinik Münster,

(2) Klinik Bad Oexen, Bad Oeynhausen, (3) Paracelsus-Klinik Scheidegg

Einleitung Die Effekte der onkologischen Rehabilitation selbst sind mittlerweile gut belegt, doch die Be-funde zur mittel- und langfristigen Wirkung z. T. widersprüchlich (Teichmann, 2002), und die Angebote zur Nachsorge erscheinen noch unzureichend. Im Rahmen eines Forschungspro-jektes* zur Optimierung der Patientenschulung und Nachsorge in der onkologischen Rehabi-litation wird untersucht, ob sich die telefonische Nachsorge als Intervention zur Verbesse-rung der längerfristigen Effekte der Rehabilitation eignet und wie sie von den Patienten an-genommen und bewertet wird.

Methoden 172 Brustkrebspatientinnen und 174 Prostatakrebspatienten wurden zu Beginn der Reha (T0), zu Reha-Ende (T1) und sechs Monate nach Reha-Ende (T2) mit einem Fragebogen-paket befragt, das u. a. als zentrale Outcome-Maße den HADS und den IRES-24 sowie Fragen zur direkten Bewertung der telefonischen Nachsorge umfasste. Es erfolgte eine ran-domisierte Aufteilung in eine Gruppe, die an einer telefonischen Nachsorge teilnahm und eine Kontrollgruppe. Die telefonische Nachsorge wurde mit einem in Anlehnung an China und Mittag (2003) entwickelten Manual von Psychologen der beteiligten Reha-Kliniken durchgeführt. Von insgesamt 240 Patienten lagen zu T2 auswertbare Fragebögen vor (Rücklaufquote 69,4 %). Davon waren 103 in der Interventionsgruppe und 137 in der Kon-trollgruppe.

Ergebnisse Die Patienten der Interventionsgruppe haben im Durchschnitt M = 4,79 (SD = 1,06) Telefon-gespräche mitgemacht. Bei der Gesamtbewertung der telefonischen Nachsorge bewerteten 46 % die Nachsorge als "gut" und weitere 51 % sogar als "sehr gut" oder "ausgezeichnet". Der Aussage "Die Telefonische Nachsorge sollte allen onkologischen Rehabilitanden ange-boten werden" stimmten 86 % der Teilnehmerinnen deutlich zu, 78 % würden sie anderen Rehabilitanden empfehlen. Die Teilnehmer gaben an, dass ihnen die Telefongespräche ge-holfen haben, die Vorsätze aus der Rehabilitation im Alltag umzusetzen (65 % starke/sehr starke Zustimmung), auf mehr Entspannung (45 %) und ausreichend Sport und Bewegung zu achten (41 %). Weiterhin stimmten sie zu, dass sie das Gefühl hatten, dass ihnen gut zu-gehört wurde (99 %), die Anrufer als angenehm erlebt wurden (96 %), sie sich in ihrer Situa-

* gefördert von der Arbeitsgemeinschaft für Krebsbekämpfung NRW (ARGE)

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tion verstanden fühlten (80 %) und sich auf ihrem persönlichen Weg (79 %) sowie in der Umsetzung ihrer Vorsätze bestärkt sahen (76 %). Nur 2 % fühlten sich durch die Anrufe kri-tisiert oder "kontrolliert". Varianzanalysen mit Messwiederholungen mit dem Gesamtwert des IRES-24 und den Scores für Depressivität und Angst der HADS zeigten signifikante po-sitive Verläufe und Unterschiede zwischen den Diagnosegruppen (höhere Belastung bei Brustkrebs), jedoch keinen signifikanten Unterschied zwischen Interventions- und Kontroll-gruppe.

Diskussion und Fazit Die telefonische Nachsorge erreichte bei den teilnehmenden Krebspatienten eine hohe Ak-zeptanz und wurde deutlich positiv und als sinnvoll für die Nachsorge bewertet. Eine Ver-besserung der langfristigen Wirkung der Rehabilitation im Vergleich zur Kontrollgruppe ließ sich im Bezug auf die Outcome-Parameter IRES-24 und HADS jedoch nicht belegen. Mögli-che Erklärungen könnten sein, dass die Dosis (Länge und Frequenz) der an sich positiv be-werteten Telefonate zu niedrig war, um Veränderungen zu bewirken, die sich in den Outco-me-Parametern niederschlagen oder dass die Maßnahmen der Rehabilitation und die tele-fonische Nachsorge nicht genug aufeinander abgestimmt waren. In der zweiten Phase des laufenden Forschungsprojektes soll daher untersucht werden, ob sich durch eine Kombina-tion von Kleingruppen-Patientenschulung und darauf abgestimmter telefonischer Nachsorge eine Verbesserung der Nachhaltigkeit der Rehabilitation erreichen lässt.

Literatur China, C., Mittag, O. (2003): Entwicklung eines Anleitungs- und Dokumentationsbogens

(Manual) für die telefonische Nachsorge in der onkologischen Rehabilitation. Praxis Klini-sche Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 61. 85-103.

Teichmann, J.V. (2002): Onkologische Rehabilitation: Evaluation der Effektivität stationärer Rehabilitationsmaßnahmen. Die Rehabilitation, 41. 53-63.

Welche Möglichkeiten bietet das Internet für die Inanspruchnahme psychosozialer Nachsorge für onkologische PatientInnen nach

der Rehabilitation?

Kossow, K. (1), Schulz, H. (1), Kordy, H. (2), Zimmer, B. (2), Koch, U. (1), Watzke, B. (1) (1) Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, (2) Forschungsstelle für Psychotherapie, Universitätsklinikum Heidelberg

Einleitung Ein nicht unbeträchtlicher Teil von Patienten mit Prostata- bzw. Brustkrebs leidet an krebs-spezifischen psychischen Belastungen oder Ängsten. Psychoonkologische Behandlungs-elemente stellen einen wichtigen Baustein im Rahmen der onkologischen Rehabilitation dar (Domann et al., 2007). Eine Reihe von Studien zeigt jedoch, dass die in der Rehabilitation erzielten Verbesserungen zum Katamnesezeitpunkt nicht mehr oder nur noch sehr einge-schränkt nachzuweisen sind. Angesichts des stark segmentierten Gesundheitssystems stellt sich die Aufgabe, eine Optimierung der Behandlungspfade vorzunehmen, um stationäre Be-

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handlungserfolge katamnestisch zu sichern, den Transfer in den Alltag zu fördern und eine Erhöhung der Behandlungskontinuität zu erreichen. Bisher fehlen jedoch systematische und flächendeckende Nachsorgeangebote nach onkologischer Rehabilitation. Da in allen Teilen der Bevölkerung eine zunehmende Nutzung neuer internetbasierter Medien erfolgt, wird in diesem Modellprojekt die Frage untersucht, inwieweit E-Nachsorge zu den genannten Ziel-setzungen beitragen kann. Nachfolgend sollen erste Ergebnisse zur Frage des Bedarfs bzw. der Akzeptanz eines solchen Angebots vorgestellt werden.

Methoden Eine konsekutive Stichprobe von n = 230 PatientInnen (ProstataCa n = 104; MammaCa n = 126) wurde mittels eines eigens entwickelten Fragebogens sowie standardisierter Ver-fahren wie HADS und EORTC-QLQ C30 im Rahmen einer rehabilitativen Behandlung u. a. zu folgenden Merkmalen befragt: 1. Soziodemografische und klinische Charakteristika; 2. psychosoziale Belastung; 3. Einstellung zu, Nutzung von und Zugang zu psychosozialen Angeboten; 4. Bedarf an krankheitsbezogenen Informationen; 5. Nutzung von Informations-quellen (speziell Internet).

Ergebnisse Das Durchschnittsalter der Patienten mit ProstataCa betrug 62,9 Jahre (SD = 10,2), der Pa-tientinnen mit MammaCa 58,8 Jahre (SD = 12,1). Als höchsten Schulabschluss geben 48 % der Patienten mit ProstataCa sowie 39 % der Patientinnen mit MammaCa den Hauptschul-abschluss an. 33 % der MammaCa-Patientinnen bzw. 20 % der ProstataCa-Patienten zeig-ten Merkmale einer klinisch relevanten Depression und/oder Angstsymptomatik. 46 % der PatientInnen wünschen sich mehr Informationen zu Ihrer Krebserkrankung (die am häufigs-ten genannte Quelle ist dabei zu 84 % das Gespräch mit ÄrztInnen). 53 % aller PatientInnen nehmen mindestens eine Art von psychosozialer Unterstützung in Anspruch, wohingegen 33 % der PatientInnen angeben, gar keine Möglichkeit zu haben, mit jemandem über die psychische Belastung durch die Erkrankung zu sprechen. Die Patienten nennen am häufigs-ten sozialrechtliche Beratung (33 %), psychologische Beratung (23 %) und Psychotherapie (16 %). Aktive Internetnutzung geben 42 % der Patientinnen und 38 % der Patienten an. Die Häufigkeit der genutzten Unterstützung via Internet unterscheidet sich hierbei nicht signifi-kant zwischen den Indikationsgruppen, ist jedoch abhängig von Alter und Bildung.

Diskussion Die Ergebnisse betonen sehr deutlich die Bedeutung niedrigschwelliger Zugänge zur Unter-stützung und Bereitstellung von krankheitsbezogenen Informationen. Es zeigt sich, dass so-bald ein Internetzugang vorhanden ist, dieser auch als Informationsquelle von etwas mehr als einem Drittel der PatientInnen gezielt genutzt wird, wobei erwartungsgemäß berufstätige und jüngere PatientInnen signifikant häufiger Zugang zum Internet haben.

Schlussfolgerungen Durch die demografischen Entwicklungen und das Potential der neuen Medien ist davon auszugehen, dass das Internet in Zukunft weiter an Bedeutung für Informationstransfer und Kommunikation bei onkologischen PatientInnen gewinnen wird und damit auch ein großer Entwicklungs- und Forschungsbedarf für die Konzeption und Implementierung solcher An-gebote deutlich wird.

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Literatur Domann, U., Brüggemann, S., Klosterhuis, H., Weis, J. (2007): Leitlinienentwicklung für die

Rehabilitation von Brustkrebspatientinnen - Phase 2: Ergebnisse der KTL-Daten-Analyse. Die Rehabilitation, 46. 212-219.

Die subjektive Erwerbstätigkeitsprognose im Rehabilitationsverlauf - Ergebnisse einer mitteldeutschen Tumorkohorte

Barth, D. (1), Wienholz, S. (1), Zieger, M. (2), König, H.-H. (3), Riedel-Heller, S.G. (1,2) (1) Selbständige Abteilung Sozialmedizin, Medizinische Fakultät, Universität Leipzig,

(2) Universität Leipzig, Zentrum für Psychische Gesundheit, Public Health Research Unit, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, (3) Universität Leipzig, Health Economics Research Unit,

Klinik und Poliklinik für Psychiatrie

Hintergrund Mit den Fortschritten im Bereich der Früherkennung und der medizinischen Behandlung von Tumorpatienten mit einer Verbesserung der Langzeitprognose gewinnt die berufliche Rein-tegration einen immer größeren Stellenwert in der onkologischen Rehabilitation (Weis et al., 2006). Die Rückkehrerraten variieren zwischen 30 % und 93 %, durchschnittlich werden 62 % der Krebsüberlebenden beruflich wieder eingegliedert (Spelten et al., 2002) - ein Hin-weis, dass eine Krebsdiagnose unter heutigen Bedingungen nicht mehr automatisch mit dem Verlust der Erwerbsfähigkeit oder frühzeitiger Berentung einhergeht. Als mögliche Prä-diktoren für die Berufsrückkehr wurden neben der Art und Schwere der Erkrankung, psychi-schen Beeinträchtigungen, Arbeitsbelastungen und personenbezogene Faktoren wie Alter und beruflichem Status auch die subjektive Einschätzung der Erwerbsfähigkeit untersucht. Diese erwies sich bei Patienten mit längerer Krankheitsdauer (> 90 Tage) und unterschiedli-chen Diagnosen als stärkster Prädiktor für eine Wiederaufnahme der Berufstätigkeit inner-halb eines Zeitraums von 18 Monaten (Heijbel et al., 2006). Forschungsanstrengungen zum Thema Rückkehr ins Erwerbsleben und zugehörige prognostische Faktoren wurden bislang vor allem in den Bereichen Orthopädie, Psychosomatik und Kardiologie unternommen, wäh-rend der onkologische Bereich dazu vergleichsweise wenig untersucht wurde (Weis, 2006).

Anliegen des Projektes Gefördert durch die Deutsche Rentenversicherung Bund untersucht die Abteilung Sozialme-dizin der Universität Leipzig u. a. die Frühberentungsgefahr und die Identifikation von be-sonderen Risikogruppen in der Rehabilitation. Untersucht wird die Frage, inwieweit sich die subjektive Prognose der Erwerbsfähigkeit durch Rehabilitationsmaßnahmen gezielt beein-flussen lässt, um somit ein wichtiges Rehabilitationsziel zu bewirken. Differenziertere Er-kenntnisse sollen Aufschlüsse darüber geben, was sich hinter einer subjektiv eingeschätz-ten Gefährdung der Erwerbsfähigkeit verbirgt und welche möglichen Ansatzpunkte sich für spezifische Reha-Interventionen ableiten lassen.

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Methodik In die Untersuchung wurde eine Teilstichprobe von 114 kurativ behandelte Tumorpatienten zwischen 18 und 55 Jahren eingeschlossen, die zu drei Erhebungszeitpunkten (während der Akutbehandlung, 3+9 Monate danach) befragt wurden. Dabei standen das psychische und körperliche Befinden, die berufliche Situation, die Erwartungen an und Erfahrungen während einer Rehabilitationsmaßnahme sowie die Versorgungssituation im Mittelpunkt. Zur Erhe-bung der subjektiven Prognose der Erwerbsfähigkeit kam insbesondere die SPE-Skala (Mit-tag, Raspe, 2003) zum Einsatz. Das gesundheitliche Befinden und die Lebensqualität wur-den anhand des EORTC QLQ-C30 (European Organization for Research and Treatment of Cancer Quality of Life Questionnaire - Core 30) (Aaronson et al., 1993) erfasst.

Ergebnisse Aus den Ergebnissen geht hervor, dass der überwiegende Teil der befragten Patienten zum Zeitpunkt der Akutbehandlung seine zukünftige Erwerbsfähigkeit als nicht gefährdet ein-schätzt. Betrachtet man die Situation ein Vierteljahr später, zeichnet sich eine signifikante Verschlechterung ab. Tatsächlich beruflich wiedereingegliedert waren neun Monate nach Akutbehandlung über die Hälfte der Patienten, ein Rentenbegehren äußerten ca. 10 %. Der positive prädiktive Wert der subjektiven Prognose der Erwerbsfähigkeit und damit die Wahr-scheinlichkeit der tatsächlichen beruflichen (Wieder-)Eingliederung bei positivem Tester-gebnis beträgt 74 %. Als weitere Prädiktoren erweisen sich neben dem SPE-Skalenwert die Erwerbstätigkeit vor der Erkrankung, die Tumorlokalisation und die Ausprägung der Fatigue-Symptomatik als ausreichend unabhängig und bedeutsam zur Vorhersage der beruflichen (Wieder-)Eingliederung. Der Faktor Rehabiltations-Inanspruchnahme erwies sich im Rah-men des Vorhersagemodells als nicht signifikant. Die Ergebnisse werden anhand einer grö-ßeren Stichprobe bestätigt.

Diskussion Die Erfassung der subjektiven Prognose der Erwerbstätigkeit anhand der SPE-Skala erweist sich auch bei Tumorpatienten als praktikable und ökonomische Möglichkeit, zu einem relativ frühen Zeitpunkt (drei Monate nach Behandlung in der Akutklinik) einen großen Teil jener Patienten und Patientinnen zu identifizieren, die an ihren Arbeitsplatz zurückkehren werden beziehungsweise deren berufliche Wiedereingliederung womöglich gefährdet ist.

Es bleibt die Frage zu diskutieren, weshalb sich die Einschätzungen der Patienten in der vorliegenden Untersuchung über den beobachteten Zeitraum verschlechtern. Die Vermu-tungen gehen dahin, dass sich die Ergebnisse aus dem Verlauf von Krebserkrankungen und -behandlungen selbst erklären, da Dauer und Folgen zu Beginn des Behandlungsprozesses oft noch nicht vollends abzuschätzen sind. Ebenso wäre denkbar, dass sich Patienten erst während der Rehabilitationsbehandlung durch krankheitsbedingte Defizite oder Sozialbera-tungsgespräche mit der Berufsrelevanz ihrer Erkrankung konfrontiert sehen und somit ihre zukünftige Erwerbstätigkeit pessimistischer einschätzen als noch zuvor.

Literatur Aaronson, N., Ahmedzai, S., Bergmann, B., Bullinger, M., Cull, A., Duez, N.J. et al. (1993):

for the EORTC Study Group on Quality of Life. The European Organization for Research

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and Treatment of Cancer QLQ-C30: A quality-of-life instrument for use in international clinical trials in Oncology. Journal of the National Cancer Institute, 85. 365-376.

Heijbel, B., Josephson, M., Jensen, I., Stark, S., Vingård, E. (2006): Return to work expecta-tion predicts work in chronic musculoskeletal and behavioral health disorders: Prospec-tive study with clinical implications. Journal of Occupational Rehabilitation, 16. 173-184.

Mittag, O., Raspe, H. (2003): Eine kurze Skala zur Messung der subjektiven Prognose der Erwerbstätigkeit: Ergebnisse einer Untersuchung an 4.279 Mitgliedern der gesetzlichen Arbeiterrentenversicherung zur Reliabilität (Guttman-Skalierung) und Validität der Skala. Die Rehabilitation, 42. 169-174.

Spelten, E., Sprangers, M., Verbeek, J. (2002): Factors reported to influence the return to work of cancer survivors: a literature review. Psycho-Oncology, 11. 124-131.

Weis, J. (2006): MBO-Assessments und Interventionen in der onkologischen Rehabilitation. In: Müller-Fahrnow, W., Hansmeier, T., Karoff, M. (Hrsg.): Wissenschaftliche Grundlagen der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation. (1. Auflage). Lengerich: Pabst Science Publishers. 259-262.

Weis, J., Rüffer, J.U., Heim, M.E. (2006): Tumorbedingte Fatique und ihre Auswirkungen auf die beruflich-soziale Reintegration von Tumorpatienten. In: Müller-Fahrnow, W., Hans-meier, T., Karoff, M. (Hrsg.): Wissenschaftliche Grundlagen der medizinisch-beruflich ori-entierten Rehabilitation (1. Auflage). Lengerich: Pabst Science Publishers. 574-582.

Versorgung von Migranten in der ambulanten onkologischen Rehabilitation

Kerschgens, C., Brandis, S. Abteilung für Onkologie, Vivantes Rehabilitation GmbH, Berlin

Einführung Zu den Inhalten der medizinischen Rehabilitation zählt die Verbesserung von Fähigkeits- und Funktionsstörungen mit dem Ziel der Teilhabe am gesellschaftlichen und beruflichen Leben. Für einen gelungenen Rehabilitationsprozess ist Kommunikation eine wichtige Vor-aussetzung. Eine besondere Bedeutung hat das in der Rehabilitation von Patienten mit nicht-deutscher Muttersprache bzw. mit Migrationshintergrund. In der Regel erfolgen in Re-habilitationseinrichtungen Informationsvermittlung und psychoedukative Seminare in deut-scher Sprache, gleiches gilt für die individuelle psychologische Begleitung.

Fragestellung Systematische Untersuchungen zum Anteil von Patienten mit Migrationshintergrund in der medizinischen Rehabilitation und ihrer Versorgung liegen bis jetzt nicht vor. Eine Schwierig-keit stellt dabei die Erfassung dieser Patientengruppe dar. Da Migranten auf verschiedenen rechtlichen Wegen nach Deutschland einwandern (z. B. Arbeitsmigration, Aussiedler, Asyl, nachgezogene Angehörige) und in Deutschland leben, ist die Staatsangehörigkeit für diese Fragestellung kein sinnvoller Parameter. Auch bestimmte Merkmale des Nach- und Vorna-mens sind aufgrund des großen Spektrums von Migration nicht hilfreich. Eine individualisier-

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te Herangehensweise stellt hingegen die Erfassung der Muttersprache dar. Die vorliegende Untersuchung dient dazu, den Anteil von Patienten mit nicht-deutscher Muttersprache und die vorhandenen deutschen Sprachkenntnisse aller Patienten der ambulanten onkologi-schen Rehabilitation Berlin im Jahr 2008 zu erfassen.

Material und Methoden Vom 01.01. bis 31.12.2008 wurden alle in der ambulanten onkologischen Rehabilitation (Vi-vantes Rehabilitation GmbH, Berlin) behandelten Patienten im Rahmen des ärztlichen Auf-nahmegespräches zu ihrer Muttersprache befragt und die deutschen Sprachkenntnisse be-urteilt. Die deutschen Sprachkenntnisse wurden als "sehr gut" eingeschätzt, wenn komplexe Zusammenhänge diskutiert werden konnten und quasi deutsch-muttersprachliches Niveau erreichten, als "gut", wenn organisatorische Abläufe und einfache Zusammenhänge bespro-chen werden konnten, als "mäßig", wenn Angaben zu Ort, Zeit und Person gemacht werden konnten, aber keine Zusammenhänge vermittelt werden konnten und als "unzureichend", wenn keine deutschen Sprachkenntnisse vorhanden waren. Hieraus folgte im Anschluss an das Aufnahmegespräch die Organisation von supportiven Maßnahmen um die erfolgreiche Teilnahme am Rehabilitationsprogramm zu erreichen (z. B. fremdsprachliche Ressourcen in der Einrichtung, Einbeziehung von Angehörigen, externe Dolmetscher).

Ergebnisse Im genannten Zeitraum wurden insgesamt 517 Patienten in unserer Einrichtung behandelt. Von diesen hatten 79 (15,3 % aller) Patienten eine nicht-deutsche Muttersprache. Überwie-gend handelte es sich um türkisch-sprachige Muttersprachler (26 Patienten, 32,9 % der Migranten), und Patienten mit Sprachen des früheren Yugoslawiens (16 Patienten, 20,3 % der Migranten), nachfolgend 9 Patienten (11,4 % der Migranten) mit russischer/ukrainischer Muttersprache.

Die übrigen Patienten brachten als Muttersprache Sprachen Westeuropas, Afrikas und A-siens mit.

In der ärztlichen Beurteilung der deutschen Sprachkenntnisse wurden bei 36 Patienten sehr gute (45,6 % der Migranten), bei 17 Patienten gute (21,5 % der Migranten), bei 10 Patienten mäßige (12,7 % der Migranten) und bei 16 Patienten (20,3 % der Migranten) unzureichende deutsche Sprachkenntnisse festgestellt.

Diskussion In der Erfassung der Muttersprache und der deutschen Sprachkenntnisse im Zeitraum vom 01.01. bis 31.12.2008 aller Patienten der ambulanten onkologischen Rehabilitation (Vivan-tes Rehabilitation GmbH, Berlin) zeigte sich ein Anteil von 15,3 % Patienten mit nicht-deutscher Muttersprache. Von diesen beherrschte ca. 1/3 der Patienten die deutsche Spra-che mäßig oder unzureichend. Diese Patienten können ohne supportive Maßnahmen nicht an therapeutischen, sprachbasierten Angeboten teilnehmen. Im Gegensatz dazu besteht aus unserer Erfahrung gerade in dieser Gruppe ein hoher Informationsbedarf. Ob es Unter-schiede in der Inanspruchnahme von Rehabilitationsmaßnahmen durch Migranten zwischen dem ambulanten und stationären Setting gibt, bzw. zwischen städtischem und ländlichem Raum, welche Strategien sinnvolle Unterstützung bieten und im Alltag der Rehabilitations-einrichtung implementierbar sind, sollte durch weitere Untersuchungen geklärt werden.

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Onkologische Rehabilitation II

Ziele und Zielerreichung in der onkologischen Rehabilitation im Vergleich von Rehabilitanden und Ärzten

Tripp, J. (1), Schulte, T. (2), Schröck, R. (3), Muthny, F.A. (1) (1) Institut für Medizinische Psychologie, Universitätsklinik Münster,

(2) Klinik Bad Oexen, Bad Oeynhausen, (3) Paracelsus-Klinik Scheidegg

Hintergrund Aus der Heterogenität an Problemlagen und daraus resultierenden Behandlungszielen (Bührlen et al., 2000) ergibt sich die Notwendigkeit eines Kommunikationsprozesses zwi-schen Patient und Arzt über die Behandlungsziele, denen große Bedeutung für die Thera-pieplanung zukommt (Vogel et al., 1994). In der onkologischen Rehabilitation zeigten sich Hinweise auf geringe Übereinstimmung zwischen Ärzten und Patienten in der Bewertung der Rehabilitationsziele (Thies et al., 2008), die in der vorliegenden Untersuchung* auch hinsichtlich Zielrelevanz und Zielerreichung geprüft wurden.

Methoden 172 Brustkrebspatientinnen und 174 Prostatakrebspatienten sowie deren Ärzte wurden zu Beginn und am Ende der Rehabilitation zu den Zielen der Patienten und der Erreichung die-ser Ziele befragt. Hierzu wurde ihnen eine Liste von Zielen nach Mehnert und Koch (2007) vorgelegt. 20 Ziele wurden auf einer dreistufigen Skala danach bewertet, inwieweit sie für die Patienten zutreffen bzw. zum Reha-Ende erreicht wurden. Zudem enthielt das Fragebo-genpaket verschiedene standardisierte Messinstrumente (IRES-24, HADS, FBK, LZI, BZI, REHAKOG, F-Sozu).

Ergebnisse Die Patienten gaben mit durchschnittlich 8,30 (SD = 4,77) zutreffenden Zielen zu Reha-Beginn und 9,22 (SD = 5,50) erreichten Zielen zu Reha-Ende signifikant mehr Ziele an als die Ärzte (Reha-Beginn 4,34 (SD = 2,86) und Reha-Ende 4,32 (SD = 4,02); t = 13,54, p < 0.001 resp. T = 11,90, p < 0.001). Die Patienten nannten vor allem Ziele im Bereich der körperlichen Leistungsfähigkeit, aber auch im psychischen Bereich. Demgegenüber nannten die Ärzte ebenfalls häufig Ziele im körperlichen Bereich, jedoch deutlich weniger im psychi-schen Bereich und mit Bezug zu Informationsbedürfnissen. Bei 14 der 21 Ziele gab es signi-fikante Korrelationen zwischen der Relevanzeinschätzung von Patienten und Ärzten zwi-schen r = 0.11 und r = 0.57; am höchsten waren Korrelationen für Ziele im körperlichen Be-reich. Es zeigten sich auch nur geringe und zum Teil negative Zusammenhänge zwischen der Relevanz eines Zieles zu Reha-Beginn und der Zielerreichung zu Reha-Ende mit Korre-lationen von r = -0.30 bis r = 0.29. Dabei wurden 5 Ziele häufiger erreicht, wenn sie als rele-vant eingestuft wurden, 4 Ziele hingegen häufiger, wenn sie als irrelevant eingestuft wurden.

* Gefördert von der Arbeitsgemeinschaft für Krebsbekämpfung NRW (ARGE)

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Im Vergleich zwischen Zielerreichung und dem Outcome indirekter Ergebnismessung zeig-ten sich nur im IRES-24 schwache signifikante Korrelationen (r = 0.17) zwischen der Zieler-reichung und den Veränderungen der Fragebogenwerte.

Diskussion und Fazit Damit konnten Ergebnisse früherer Arbeiten zu Zielen in der Rehabilitation bestätigt werden (vgl. für Onkologie: Thies et al., 2008; für Kardiologie: Dörner, Muthny, 2006), wie z. B. die Gewichtung verschiedener Zielbereiche und die relativ geringe Übereinstimmung zwischen Ärzten und Patienten. Weiterhin zeigte sich, dass die Zielerreichung am Reha-Ende kaum mit der Einschätzung der Zielrelevanz zu Reha-Beginn zusammenhängt. Auch zwischen Zielerreichung und indirekter Ergebnismessung gibt es kaum Zusammenhänge.

Dem Prozess der Zielaushandlung und -festlegung sollte in der Rehabilitation noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die hiermit verbundenen Erwartungen werden bisher in weiten Teilen noch nicht erfüllt.

Literatur Bührlen, B., Gerdes, N., Zwingmann, C., Jäckel, W.H. (2000): Operationalisierung von The-

rapiezielen für die Überprüfung der Zielerreichung in der Rehabilitation. In: Bengel, J., Jä-ckel, W.H. (Hrsg.): Zielorientierung in der Rehabilitation. Regensburg: Roderer. 125-131.

Dörner, U., Muthny, F.A. (2006): Ziele in der kardiologischen Rehabilitation aus Sicht von Patienten und Ärzten - Passt das zusammen? Prävention und Rehabilitation, 18. 131-139.

Mehnert, A., Koch, U. (2007): Zur Wirksamkeit der stationären onkologischen Rehabilitation unter besonderer Berücksichtigung spezifischer psychoonkologischer Interventionen - Projektabschlussbericht. Hamburg. Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

Thies, S., Leibbrand, B., Barth, J., Gärtner, U., Friedrich, G., Bootsveld, W., Berger, D., Koch, U., Mehnert, A. (2008): Individuelle Rehabilitationsziele und Rehabilitationsmotiva-tion in der onkologischen Rehabilitation. Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin, 18. 318-323.

Vogel, H., Tuschhoff, T., Zillessen, E. (1994): Die Definiton von Rehabilitationszielen als Herausforderung für die Qualitätssicherung. Deutsche Rentenversicherung, 11. 751-764.

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Effekte der körperlichen Aktivität auf den klinischen Verlauf und tumor-assoziierte Biomarker bei Patienten mit kolorektalem Karzinom nach ku-rativer Behandlung - Was ist gesichert? Eine aktuelle Literaturrecherche

Allgayer, H. (1), Owen, W.R. (2) (1) Rehaklinik Ob der Tauber, Bad Mergentheim, RehaZentren Baden-Württemberg,

(2) Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Heidelberg

Hintergrund und Stand der Literatur Zahlreiche prospektive Studien konnten eine inverse Beziehung zwischen körperlicher Akti-vität und dem Risiko für ein kolorektales Karzinom im Rahmen der Primärprävention bele-gen (Quadrilatero et al., 2003; Kruk, 2007; Trojian et al., 2007; Howard et al., 2008). Neben der Langzeitevaluierung des klinischen Verlaufs wurden zur Quantifizierung und Modifikati-on des Risikos reproduzierbare und sensitive Biomarker vorgeschlagen (Campbell, McTier-nan, 2007). In der Tertiärprävention, d. h. bei Patienten mit kurativ behandeltem Karzinom sind die Effekte der körperlichen Aktivität/Übungsprogramme auf den Krankheitsverlauf (Re-zidivrisiko, Overall Survival, körperlicher Funktionsstatus, Somatisierung, Lebensqualität) (QoL) und entsprechende Biomarker bisher nicht oder nur in geringem Umfang untersucht worden, genauere Kenntnisse wären jedoch von großer Bedeutung, da vor allem in der An-schlussrehabilitation mehr körperlicher Aktivität vermittelt werden soll. Ziel dieser Arbeit ist es, einen kurzen Überblick zu geben zur Frage, ob und in welchem Ausmaß körperliche Ak-tivität/Trainingsprogramme bei Patienten mit kolorektalen Tumoren nach Primärbehandlung Einfluss auf o. g. klinische Parameter +/- Biomarker haben könnten.

Methoden DIMDI/COCHRANE Recherche nach neueren Originalarbeiten (Beobachtungs-, Interventi-onsstudien) ab dem Jahr 2005 (Search Terms: physical activity exercise, colorectal cancer survivors, biomarkers). Neben der Patientenzahl waren genaue quantitative Angaben be-züglich der körperlichen Aktivität (Metabolic Equivalent Task Hours pro Woche) (MET-h/wk) wichtige Auswahlkriterien, bei Interventionsstudien wurden nur Übungsprogramme mit defi-nierter Intensität +/-Messung von Biomarkern berücksichtigt.

Ergebnisse 5 von 14 Studien waren prospektiv, n = 8 Querschittsstudien/Surveys, sowie zwei verglei-chende Kurzzeitinterventionsstudien mit Bestimmung des Verlaufes der Urinausscheidung von 8-Hydroxy-deosoxyguanin (8-OH-dG)(ein Marker für tumorrelevante, oxidative DNA-Schäden) bzw. entzündlicher/antientzündlicher Cytokine. Patienten mit höherer körperlicher Aktivität (>18MET-h/wk) wiesen eine signifikant niedrigere tumorbezogene und allgemeine Mortalität auf als solche mit geringer Aktivität (<5MET-h/wk): 0.39 (0.18-0.82) bzw. 0.43 (0.25-0.74). In den Querschnittstudien/Surveys wurden signifikant günstigere Effekte bei ak-tiven vs. inaktiven Patienten bezüglich o. g. Parameter berichtet wie QoL und Somatisie-rungsrate, die Abnahme des Physical Function Score war bei aktiven Patienten durchwegs geringer:-2.15 (0.36-3.93) vs.-4.84 (3.04-6.63), p<0.03. In einer Kurzzeitinterventionsstudie wurde bei Patienten mit kolorektalem Karzinom nach Primärbehandlung in der AR eine sig-nifikante Abnahme der 8-OH-dG Urinausscheidung nach 2 wöchigem leicht bis mäßigem

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Training (50 W) gefunden (-31.5 %, p<0.02), in einer anderen eine Verbesserung der phasi-schen Immunantwort (Zunahme des IL-1 Rezeptorantagonisten: +27.5 %, p<0.05).

Schlussfolgerungen Da sich die Evidenz für die beobachteten Effekte der körperlichen Aktivität bei Patienten mit kurativ behandeltem kolorektalen Karzinom bisher nur auf wenige Studien stützen kann, sind weitere prospektive Untersuchungen +/- Biomarker nötig mit der Klärung der Frage, ob diese Effekte unspezifisch sind oder ob diese auch den Verlauf der Tumorerkrankung güns-tig beeinflussen können.

Literatur Campbell, K.L., McTiernan, A. (2007): Exercise and biomarkers for cancer prevention stud-

ies. The Journal of Nutrition, 137 (Suppl.).161-196. Howard, R.A., Freedman, D.M., Park, Y., Hollenbeck, A., Schatzkin, A., Leitzmann, M.F.

(2008): Physical activity, sedentary behavior, and the risk of colon and rectal cancer in the NIH-AARP Diet and Health Study. Cancer Causes &Control: CCC, 19. 939-953.

Kruk, J. (2007): Physical activity in the prevention of the most frequent chronic diseases: an analysis of recent evidence. Asian Pacific Journal of Cancer Prevention: APJCP, 8. 325-338.

Quadrilatero, J., Hoffman-Goetz, L. (2003): Physical activity and colon cancer. A systematic review of potential mechanisms. J Sports Med Phys Fitness, 43. 121-138.

Trojian, T.H., Mody, K., Chain, P. (2007): Exercise and colon cancer: primary and secondary prevention. Current Sports Med Reports, 6. 120-124.

Gewinn an Lebensqualität und Fatigue-Reduktion nach individueller Bewegungsintervention während onkologischer Therapie

Lungwitz, A. (1), Bernhörster, M. (1), Thiel, C. (1), Vogt, L. (1), Heringer, O. (2), Jäger, E. (2), Banzer, W. (1)

(1) Abteilung Sportmedizin, Goethe-Universität Frankfurt, (2) Klinik für Hämatologie und Onkologie, Krankenhaus Nordwest Frankfurt

Einleitung In der kurativen und palliativen Versorgung von Krebspatienten zählt die Chemotherapie zu den wesentlichen therapeutischen Möglichkeiten, ruft aber häufig ein spezifisches Erschöp-fungssyndrom (Fatigue) hervor und beeinträchtigt die Lebensqualität. Erste Untersuchungen im stationären Setting deuten darauf hin, dass angeleitete körperliche Aktivität diese Ne-benwirkungen reduzieren kann. Die vorliegende Studie untersucht die Effekte eines indivi-duellen, heimbasierten sportmedizinischen Interventionsansatzes auf Leistungsfähigkeit, Fa-tigue und Lebensqualität in der Akuttherapiephase onkologischer Krankheitsbilder.

Methodik 39 Krebspatienten (32 - 77 Jahre) (histologisch gesichertes Malignom) unter Einfluss übli-cher onkologischer Behandlungsschemata (Chemotherapie, Bestrahlung oder Hormonthe-

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rapie) absolvierten eine sportmedizinische Gesundheits- und Fitnessdiagnostik inkl. Lak-tatschwellenermittlung zur Trainingssteuerung. Im Rahmen ausführlicher Einzelberatungs-gespräche wurden individualisierte Bewegungspläne zur eigenverantwortlichen Trainings-durchführung erarbeitet und Strategien zur Steigerung körperlicher Aktivität im Alltag entwi-ckelt. Die Fitnessdiagnostik diente gleichzeitig der standardisierten Registrierung aerober Kapazität (Oxycon Mobile, Cardinal Health, Würzburg) auf dem Fahrradergometer (0W+ 25W, Stufendauer 3 min). Folgetermine nach 4 - 6 und 16 - 20 Wochen wurden mit dem Ziel einer kontinuierlichen Diagnostik, Betreuung und sportmedizinischen Beobachtung verein-bart. Zu allen drei Messzeitpunkten wurden Lebensqualität und Fatigue-Symptomatik mit Hilfe international etablierter Fragebogeninstrumente erfasst (EORTC, QLQ-C30).

Ergebnisse Die Resultate zeigen Hinweise für eine Veränderung der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2peak) über die ersten 4 - 6 Wochen (p > 0.05), welche sich nach 16 - 20 Wochen in einer signifikanten Verbesserung um durchschnittlich 10 % manifestieren (p < 0.05). Die Analyse der EORTC- Fragebögen ergab eine Zunahme der globalen Lebensqualität um durchschnittlich 8 % nach 4 - 6 Wochen (p > 0.05), sowie eine signifikante Verbesserung um 32 % nach 16 - 20 Wochen (p < 0.01). Weiterhin berichteten die Patienten über eine um 17 % nachlassende Fatigue- Symptomatik nach 4 - 6 Wochen (p < 0.05) und eine Reduktion um 35 % bei der Abschlussuntersuchung (p < 0.01).

t0 t1 t2 MW ± SD KI MW ± SD KI MW ± SD KI VO2peak 21,4 ± 5,9 19,5-23,4 22,8 ± 5,7 20,8-24,8 23,5 ± 6,8 21,2-25,7 Fatigue 48,4 ± 22,8 41,0-55,7 39,9 ± 25,7 31,5-48,4 31,3 ± 20 24,8-37,8 Lebensqualität 55,5 ± 20,4 48,9-62,1 59,9 ± 21,9 52,7-67,1 73,1 ± 17,1 67,5-78,6

Tab. 1: Veränderung der Outcomeparameter zwischen Eingangsuntersuchung (t0), Folgeuntersuchung nach 4 - 6 Wochen (t1) und Abschlussuntersuchung nach 16 - 20 Wochen (t2) unter Angabe von Mittel-wert (MW), Standardabweichung (SD) und Konfidenzintervall (KI)

Schlussfolgerungen Die beobachteten Veränderungen wichtiger Outcome-Parameter belegen die Wirksamkeit des gewählten Interventionsansatzes und die Relevanz körperlicher Aktivität bereits in einer frühen Behandlungsphase. Die dadurch gewonnene Erkenntnis zur sportlichen Selbstwirk-samkeit kann Grundlage der weiterführenden Bewegungstherapie im Rehabilitationsbereich sein und mittel- bis langfristig positive Effekte auf die gesundheitsbezogene Leistungsfähig-keit bewirken. Eine sorgfältige Diagnostik und motivierende individuelle Beratung vorausge-setzt, scheinen durch selbständiges Training und Steigerung körperlicher Aktivität im ambu-lanten Setting, trotz der gegenüber angeleitetem Gruppentraining geringeren sozialen Un-terstützung und fehlenden Kontrolle, vergleichbare Ergebnisse erreichbar. Ziel zukünftiger kontrollierter Längsschnittuntersuchungen mit objektiven Registrierungen des Bewegungs-verhaltens könnte die Ermittlung erster zielgruppenspezifischer Dosis-Wirkungs-Bezie-hungen sein.

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Einfluss von körperlicher Aktivität auf Schmerzerleben, Schulterbeweglichkeit und Lebensqualität von Brustkrebspatientinnen

nach Abschluss einer Rehabilitation

Kähnert, H. (1), Exner, A.-K. (1), Leibbrand, B. (2), Biester, I. (3), Gärtner, U. (4), Kalusche, E.-M. (5), Koller, B. (6), Niehues, C. (7)

(1) Institut für Rehabilitationsforschung Norderney, Abteilung Bad Salzuflen, (2) Salzetalklinik, Bad Salzuflen, (3) MediClin Rose Klinik, Horn-Bad Meinberg, (4) Paracelsus-Klinik am See, Bad Gandersheim, (5) Median Klinik am Park,

Bad Oeynhausen, (6) Klinik Porta Westfalica, Bad Oeynhausen, (7) Median Klinik am Burggraben, Bad Salzuflen

Hintergrund Körperliche Aktivität wirkt bei der Bewältigung von Krebserkrankungen unterstützend, da sie positive Effekte auf physische Funktionalität, psychische Befindlichkeiten und Lebensqualität der Erkrankten erzielen kann (Courneya, 2003; Dimeo, Thiel, 2008; Oldervoll et al., 2004). Sport- und Bewegungstherapien sind deshalb essentielle Bestandteile einer onkologischen Rehabilitation. Trotz dieser Erkenntnis gelingt es Rehabilitanden selten, ein regelmäßiges Sportverhalten in ihren Alltag zu integrieren, so dass Reha-Erfolge langfristig nicht mehr nachzuweisen sind (Deck, Raspe, 2004). Die Studie* untersucht, ob über eine Rehabilitation Brustkrebspatientinnen zu mehr Sport motiviert werden und hierüber die Reha-Erfolge hin-sichtlich Schmerzen, Schulterbeweglichkeit und Lebensqualität langfristig erhalten bleiben.

Methodik Im Rahmen der Nordic Walking-Studie wurden 564 Brustkrebspatientinnen 3-mal schriftlich befragt (Beginn (T1), Ende (T2), 6 Monate nach der Reha (T3)). Gesundheitsmerkmale wurden über Fragen zum Schmerzerleben (Schmerzfragebogen der DGSS), zur Schulter-beweglichkeit und Lebensqualität mithilfe des EORTC-QLQ-C30 erfasst, wobei die Funkti-onsskalen Physisch (PF), Rollen (RF), Emotionalität (EF), das Symptom Fatigue und die Lebensqualität (LQ) betrachtet wurden. Zu T1 und T3 wurde ein Summenindex zur körperli-chen Aktivität aus sieben Bewegungsarten gebildet und die Frauen in die Gruppen der Inak-tiven (≤ 45 Min./Woche) und der Aktiven (> 45 Min./Woche) eingeteilt. Zusammenhänge zwischen den Aktivitätsgruppen und den Gesundheitsmerkmalen wurden über T-Test und kovarianzanalytische Verfahren überprüft und Effektstärken (d) nach Cohen berechnet.

Ergebnisse Zwei Drittel der Frauen, die zu T1 noch zu den Inaktiven (n = 171) zählten, sind zu T3 mit durchschnittlich 140±90 Min./Woche körperlich aktiv. Mehr als 90 % der zu T1 körperlich ak-tiven Frauen (n = 393) sind auch zu T3 aktiv, wobei sie ihre Sportzeiten durchschnittlich von 230±174 Min./ Woche (T1) auf 296±154 Min./ Woche (T3) steigern.

In der Gesamtstichprobe können in den untersuchten Merkmalen von T1 nach T2 signifikan-te Verbesserungen nachgewiesen werden, bis T3 nehmen diese Verbesserungen in unter-schiedlichen Ausmaßen wieder ab. Die Auswertung zu T3 getrennt nach den Aktivitätsgrup-

* Institut für Rehabilitationsforschung, Norderney

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pen belegt, dass im Vergleich zu der Gruppe der Inaktiven, die körperlich aktiven Frauen geringere Schmerzen im Oberkörpers wahrnehmen (p=0,06, d=0,16), in ihrem Schlaf & Wohlbefinden (S-S&W) weniger stark durch Schmerzen beeinträchtigt sind (p<0,05, d=0,44) und bewegungsbedingte Einschränkungen in den Lebensbereichen Haushalt, Freizeit und Sport (B-HFS) nachlassen (p<0,01, d=0,46). Auch für die EORTC-Skalen lassen sich zu T3 mit Ausnahme der Lebensqualität signifikante Unterschiede zugunsten der Sportaktiven zei-gen (PF: p<0,000, d=0,52; RF: p<0,05, d=0,25; EF: p<0,01, d=0,42; Fatigue p<0,05, d=0,25). Hinsichtlich der Lebensqualität zu T3 können zwischen den Gruppen nur im Trend Unterschiede nachgewiesen werden (p=0,08).

Im Zeitvergleich (T2 T3) gibt es für die S-S&W, die B-HFS und den EORTC Skalen RF und EF in beiden Aktivitätsgruppen signifikante Unterschiede. Die zu T2 erreichten Reha-Erfolge dieser Merkmale verringern sich in beiden Gruppen zu T3, wobei dieser Effekt bei den Inaktiven jeweils stärker ausgeprägt ist. Zudem kann im Zeitvergleich nur bei den Inak-tiven eine signifikante Erhöhung der Schmerzintensität bzw. eine signifikante Verschlechte-rung der PF gezeigt werden. Die aktiven Frauen weisen vergleichbare Schmerzintensitäten und PF-Werte zu T2 und T3 auf, die Reha-Erfolge beider Merkmale zu T2 bleiben somit weitgehend erhalten.

Diskussion und Ausblick Ein fortbestehendes regelmäßiges Bewegungsverhalten ist ein wesentlicher Faktor, um die Erfolge einer onkologischen Rehabilitation bei Brustkrebspatientinnen für mindestens sechs Monate zu erhalten bzw. einer Verschlechterung, wie sie bei körperlich Inaktiven auftritt, entgegenzuwirken. Körperliche Aktivität wirkt sich positiv auf physische Gesundheitsmerk-male aus. Die Lebensqualität wird nach den Ergebnissen allerdings nicht beeinflusst. Der langfristige Bestand sportbedingter Auswirkungen und welche zusätzlichen Faktoren Le-bensqualität, Schmerz und Bewegungseinschränkungen beeinflussen, sollte Gegenstand weiterer Studien sein. Aus den Ergebnissen folgt für die Rehabilitationspraxis, die positive Einstellung der Patienten zu mehr körperlicher Aktivität noch stärker zu fördern. Dies stellt einen Untersuchungsschwerpunkt der Folgestudie "INOP" dar, die über spezifische Inter-ventionen onkologische Patienten zu mehr Sport und Bewegung motivieren will.

Literatur Courneya, K.S. (2003): Exercise in Cancer Survivors: An Overview of Research. Medicine &

Science in Sports & Exercise, 35. 1846-1852. Deck, R., Raspe, H. (2004): Nachsorgeempfehlungen und ihre Umsetzung im Anschluss an

die Rehabilitation. In: Deck, R., Glaser-Möller, N., Mittag, O. (Hrsg.): Rehabilitation und Nachsorge. Lage: Jacobs-Verlag. 55-70.

Dimeo, F.C., Thiel, E. (2008): Körperliche Aktivität und Sport bei Krebspatienten. Der Onko-loge, 14. 31-37.

Oldervoll, L.M., Kaasa, S., Hjermstad, M.J., Lu, J.A. (2004): Physical exercise results in the improved subjective well-being of a few or is effective rehabilitation for all cancer patients. The European journal of cancer, 40, 7. 951-962.

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Evaluation eines bewegungs- und verhaltensbezogenen Nachsorgekonzepts zur Reduzierung der Krankheitsfolgen und zur

Förderung der Lebensqualität nach Mamma-Ca

Rudolph, I. (1), Heinz, B. (1), Pfeifer, K. (2) (1) Institut für Sportwissenschaft, Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, (2) Institut für

Sportwissenschaft und Sport, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Einleitung In der modernen Brustkrebstherapie wendet man sich zunehmend den Folgen der Erkran-kung zu. In diesem Kontext hat sich die Sporttherapie als aktive Maßnahme etabliert. Die Integration von bewegungs- und verhaltensbezogenen Nachsorgemaßnahmen (Rehabilita-tionssport am Wohnort) in das Gesamtkonzept der Therapie kann die nachhaltige Verände-rung eines körperlich aktiven Lebensstils weitgehend unterstützen und die in der Rehabilita-tion erzielte Verbesserung in Bezug auf die Einschränkungen nach der Behandlung mani-festieren. Wenngleich eine Reihe von Studien die positiven Wirkungen körperlicher Aktivität bei Mamma-Carzinom bestätigen, fehlen doch Erfahrungen über langfristige Effekte von Bewegungsprogrammen, zur Dosis-Wirkungs-Beziehung und zu den Wirkungen unter-schiedlicher körperlicher Beanspruchungen in der Nachsorge (vgl. im Überblick Dimeo, 2001). Die vorangestellten Überlegungen haben dazu geführt, in Vernetzung mit Akteuren in der Rehabilitationskette in der Region Magdeburg, ein bewegungs- und verhaltensbezoge-nes Nachsorgekonzept zu implementieren, das auf die spezifischen Bedürfnisse der Brust-krebspatientinnen abgestimmt ist. Im Anschluss an die stationäre Rehabilitation soll das Konzept in Weiterführung der Zielsetzungen des Indikationskatalogs Sporttherapie (Schüle, Schnieders, 2000, vgl. auch Leitlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund) im Rahmen des Rehabilitationssports in Vereinen durchgeführt und im Hinblick auf den Inhalt, Dosis-Wirkungs-Beziehung (Häufigkeit) und Verhaltensänderung evaluiert werden. Zur Überprü-fung der Wirksamkeit des Programms wurde eine Pilotstudie vorgeschaltet und ausgewählte Messverfahren einer Test-Re-Test-Untersuchung unterzogen.

Methodik 14 Probandinnen nahmen von Oktober 2008 bis April 2009 an der Pilotstudie teil, ein Fol-low-up folgt im Oktober 2009. Ein- und Ausschlusskriterien für die Teilnehmerinnen wurden festgelegt und mit den Kooperationspartnern abgestimmt. Das Training erfolgte 1x/Woche über 90 Minuten. Von 12 Probandinnen (Alter 60 ± 9,8 Jahre) konnten die Daten ausgewer-tet werden. Erfasst wurden die Beweglichkeit im betroffenen Schultergelenk (eigens entwi-ckeltes computergestütztes Messsystem) und isometrisch (ISO-Rack von mecha Tronic©) die Kraftfähigkeit der Schulter- und Brustmuskulatur sowie die Ausdauerfähigkeit mit einem submaximalen Test. Weiterhin wurde die Lebensqualität (SF 36), die Ausprägung der Fati-gue sowie die körperliche Aktivität (Singer, Wagner, 2003) erfasst.

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Ergebnisse Im Ergebnis der Intervention zeigen sich signifikante Effekte (t-Test) in der aeroben Aus-dauerfähigkeit (p < 0,001), in der Kraftfähigkeit mit Abduktion (p < 0,01), Adduktion (p < 0,01), Innenrotation (p < 0,01) und Außenrotation (p < 0,01). Auch die Schulterbeweg-lichkeit verbessert sich signifikant (p < 0,01). In den psychosozialen Parametern zeichnet sich eine positive Tendenz ab. Die allgemeine Gesundheit wird signifikant (p < 0,01) besser eingeschätzt, die ausgeprägte Müdigkeit (Fatigue) nimmt ab (p < 0,05). Die Test-Re-Test-Untersuchungen der Messmethoden zur Beweglichkeit und zu der Kraftfähigkeit zeigen eine hohe Reliabilität. Der ICC liegt bei 0,97 für die Beweglichkeitsmessung und zwischen 0,73 und 0,87 für die unterschiedlichen Bewegungsrichtungen bei der Kraftmessung. Somit sind die gewählten Messinstrumente für die geplante Studie geeignet.

Diskussion Wenngleich die Aussagekraft mit nur 12 Datensätzen eingeschränkt ist, konnte mit der Pi-lotstudie der Nachweis erbracht werden, dass mit dem Nachsorgekonzept die erwarteten Effekte in Hinblick auf die ausgewählten Variablen erreicht werden konnten. Die in der Re-habilitation erzielten Erfolge in den funktionellen Einschränkungen konnten weiter verbessert werden. Differenzierter sind die Ergebnisse in Bezug auf die psychosozialen Parameter zu beurteilen. Inwieweit diese nachhaltig zu beeinflussen sind, muss der eigentlichen Studie vorbehalten bleiben.

Ausblick Gegenwärtig wird auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse aus der Pilotstudie, eine kontrollierte randomisierte Studie (Kama-Studie) mit zwei Versuchsgruppen (unterschiedli-che Häufigkeit/Woche) und einer Kontrollgruppe durchgeführt. Die erzielten Resultate sollen bei der zukünftigen Umsetzung bzw. Gestaltung von Rehabilitationssport bei Brustkrebspa-tientinnen im Raum Magdeburg genutzt werden. Die Zustimmung der Ethik-Kommission liegt vor.

Literatur Deutsche Rentenversicherung Bund (2007): Leitlinien für die Rehabilitation von Patientinnen

mit Brustkrebs. Pilotversion. Download unter http://www. deutsche-rentenversicherung.de Dimeo, F.C. (2001): Körperliche Aktivität und Krebs: Eine Übersicht. Deutsche Zeitschrift für

Sportmedizin, 52 (9). 238-244. Robert-Koch-Institut (Hrsg.) (2008): Krebs in Deutschland 2003-2004. Häufigkeiten und

Trends, aus der Reihe "Gesundheitsberichtserstattung des Bundes". Berlin: Robert-Koch-Institut.

Schüle, K., Schnieders, S. (2000): Anhang. In: Schüle, K., Huber, G. (Hrsg.): Grundlagen der Sporttherapie. München: Urban & Fischer. 265-287.

Wagner, P., Singer, R. (2003): Ein Fragebogen zur Erfassung der habituellen körperlichen Aktivität verschiedener Bevölkerungsgruppen. Sportwissenschaft, 33 (4). Heidelberg: Springer- Medizin Verlag. 383-397.

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Onkologische Rehabilitation (Poster)

Kann Nordic Walking ein sekundäres Armlymphödem bei Brustkrebspatientinnen auslösen?

Kähnert, H. (1), Exner, A.-K. (1), Leibbrand, B. (2), Biester, I. (3), Gärtner, U. (4), Kalusche, E.-M. (5), Koller, B. (6), Niehues, C. (7)

(1) Institut für Rehabilitationsforschung Norderney, Abteilung Bad Salzuflen, (2) Salzetalklinik, Bad Salzuflen, (3) MediClin Rose Klinik, Horn-Bad Meinberg, (4) Paracelsus-Klinik am See, Bad Gandersheim, (5) Median Klinik am Park,

Bad Oeynhausen, (6) Klinik Porta Westfalica, Bad Oeynhausen, (7) Median Klinik am Burggraben, Bad Salzuflen

Hintergrund Bei dem sekundären Armlymphödem (s-AL) von Brustkrebspatientinnen liegt eine erworbe-ne Schädigung vor, die nach einer axillären Lymphknotenektomie und Bestrahlung der axil-lären Region auftreten kann (Herpertz, 2006). Es gibt zahlreiche Empfehlungen zur Vorbeu-gung eines s-AL. Diese basieren hauptsächlich darauf, alle Aktivitäten auf ein Minimum zu reduzieren, die die Lymphproduktion anregen. Hierzu zählen auch bestimmte Sportarten mit ruckartigen Armbewegungen oder starken Belastungen des Oberkörpers. Mit Ausnahme weniger Studien (Moseley et al., 2007; Baumann, Schüle, 2008) stehen wissenschaftliche Untersuchungen zu der Frage, welche spezifische Sportart ein Lymphödem auslösen oder ihm vorbeugen kann, bis heute aus. Die Studie geht der Frage nach, inwieweit Nordic Wal-king durch den Stockeinsatz und somit einer erhöhten Muskelarbeit im Oberkörper eine Lymphödembildung stimuliert im Vergleich zum Walking, dem keine erhöhte Lymphödem-bildung zugeschrieben wird.

Methodik Die Nordic Walking-Studie* ist eine prospektive Multicenterstudie mit drei Messzeitpunkten (Beginn (T1), Ende (T2) und 6 Monate (T3) nach einer stationären Rehabilitation). Brust-krebspatientinnen wurden zu T1 randomisiert der Walking oder Nordic Walking Gruppe zu-gewiesen. Die Lauftrainings wurden während der Rehabilitation an vier Tagen/ Woche für jeweils 45 Minuten angeboten. Eine mögliche Lymphödembildung wurde zu den Visiten kon-trolliert. Der Lymphödemnachweis erfolgte durch die Ärzte mittels der Methode der verglei-chenden Armumfangsmessung zu T1 und T2. Gemessen wurde an drei standardisierten Messpunkten (MP), dem Oberarm und Unterarm, jeweils 15 cm vom Olecranon entfernt und dem Handgelenk. Für die Auswertung wurden zu T1 und T2 die jeweiligen Differenzen im Seiten- und Zeitvergleich an allen drei MP berechnet und ins Verhältnis gesetzt. Differenz-werte zwischen betroffenem und gesundem Arm von ≥2 cm weisen auf die Ausbildung eines s-AL hin (Harris et al., 2001).

* Studienförderung: Institut für Rehabilitationsforschung, Norderney.

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Ergebnisse In die Auswertung gingen die Daten von 611 Patienten ein, davon übten 47 % (n = 289) Walking (W) und 53 % (n = 322) Nordic Walking (NW) aus. Im Mittel nahmen die Frauen drei Mal/ Woche an einem der beiden Lauftrainings teil. Nach Anamnese durch die Ärzte hatten unter den Nordic Walkern 12 % (n = 38) und unter den Walkern 15 % (n = 43) post-operativ ein Armlymphödem ausgebildet und stellen somit Personen mit einem erhöhtem s-AL-Risiko dar.

Die Auswertung der Umfangsmessungen zeigt, dass zu T1 im Seitenvergleich an allen MP bei 98 % der Patientinnen (Gruppe 1) keine wesentlichen Unterschiede bestanden. Bei etwa 2 % der Patientinnen (Gruppe 2) traten Differenzwerte im Seitenvergleich von >2 cm auf. Im Zeitverlauf können in beiden Gruppen keine bedeutsamen Zunahmen der Armumfänge an den drei MP des betroffenen im Vergleich zum gesunden Arm nachgewiesen werden. Tra-ten im Zeitverlauf Umfangsdifferenzen von mehr als 2 cm auf, konnten diese mit Ausnahme von acht Patientinnen im vergleichbaren Ausmaß an beiden Armen nachgewiesen werden.

Bei diesen acht von 611 Patienten (1,3 %) konnten ausschließlich am Oberarm Differenz-werte von >2 cm ermittelt werden. Bei drei dieser Patienten lagen im Zeit- und Seitenver-gleich eine Zunahme der Umfänge des betroffenen Oberarmes von 2 oder 3 cm vor. Zwei dieser Patientinnen hatten NW und eine W durchgeführt und bei allen drei Frauen war post-operativ kein s-AL aufgetreten. Bei weiteren fünf Patientinnen konnte im Zeitvergleich eine Abnahme der Oberarmumfänge mit Differenzwerten bis zu 3 cm zwischen betroffenem und gesundem Arm nachgewiesen werden. Drei dieser fünf Patientinnen waren in der NW-Gruppe und vier der fünf Frauen hatten postoperativ keine s-AL-Erfahrung. Bleibt nachzu-tragen, dass die Ärzte insgesamt zwei Patienten wegen eines schwach ausgeprägten Arm-lymphödems aus der Studie ausgeschlossen haben. Eine Patientin hatte Walking die ande-re Nordic Walking durchgeführt.

Diskussion und Schlussfolgerung Nach diesen Ergebnissen kann kein Einfluss des Stockeinsatzes beim NW auf die Ausbil-dung eines s-AL bei Brustkrebspatientinnen nachgewiesen werden. Auch Frauen mit post-operativer s-AL-Erfahrung sind nicht stärker gefährdet als Frauen, die postoperativ kein s-AL entwickelt hatten. Eine protektive Wirkung des NW auf das s-AL, bedingt durch das rhythmi-sche Öffnen und Schließen der Hände bei der Stockführung, kann ebenfalls nicht belegt werden. Da aufgrund der Ausschlusskriterien keine Person mit Armlymphödem in die Studie aufgenommen wurde, muss die Frage zu möglichen protektiven Wirkungen von NW in wei-teren Studien untersucht werden. Anzumerken ist, dass die Differenzwerte im Seiten- und Zeitvergleich gering sind und zudem Messungenauigkeiten nicht ausgeschlossen werden können. Brustkrebspatientinnen sollten nicht vom NW ausgeschlossen werden, wenn keine weiteren medizinischen Gründe vorliegen. Weitere Untersuchungen müssen prüfen, inwie-weit NW auch außerhalb des Settings stationärer Rehabilitation vergleichbare Auswirkungen zeigt.

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Literatur Baumann, F.T., Schüle, K. (2008): Bewegungstherapie und Sport bei Krebs. Leitfaden für

die Praxis. Köln: Deutscher Ärzte Verlag. Harris, S.R., Hugi, M.R., Olivotto, I.A., Levine, M. (2001): Clinical practice guidelines for the

care and treatment of breast cancer: 11. Lymphedema. CMAJ, 164. 191-199. Herpertz, U. (2006): Ödeme und Lymphdrainage. Diagnose und Therapien von Ödemkrank-

heiten. 3. Aufl. Stuttgart: Schattauer. Moseley, A.L., Carati, C.J., Piller, N.B. (2007): A systematic review of common conservative

therapies for arm lymphoedema secondary to breast cancer treatment. Annals of Oncol-ogy, 18. 639-646.

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Gastroenterologische Rehabilitation - in Kooperation mit der GRVS

Patienten-Motivation und Erfolg der Adipositas-Rehabilitation

Jolivet, B., Fischer, H., Rosemeyer, D. Institut für Rehabilitationsforschung, Norderney an der Klinik Rosenberg der

Deutschen Rentenversicherung Westfalen, Bad Driburg

Fragestellung Es wird allgemein angenommen, dass die Motivationslage des Patienten ein zentraler As-pekt des Erfolges von therapeutischen Maßnahmen bei Adipositas darstellt. Dies wurde bis-her wenig untersucht (Sarkin et al., 2001; Wilson, Schlamm, 2004). In dieser Untersuchung haben wir die Motivation anhand des mehrstufigen transtheoretischen Modells (TTM) der Verhaltensänderung (Prochaska et al., 1992) erfasst und die Therapie-Strategie an diese Stufen adaptiert.

Folgende Fragen wollten wir beantworten:

1. Stimmt die Fremdeinschätzung (Arzt) der Patienten-Motivation mit der Selbsteinschät-zung in die jeweilige TTM-Stufe überein?

2. Sind "hoch motivierte" Patienten nach 1 Jahr erfolgreicher?

3. Erreicht man durch eine stufengerechte Strategie bessere Ergebnisse?

Patienten und Methoden Rekrutiert wurden alle adipösen Patienten (BMI >= 30kg/m2), die an einer Adipositas-Schulung während der Reha teilnahmen. Ausgeschlossen wurden primär onkologische oder psychosomatische Patienten. Die TTM-Einstufung für Ernährungsumstellung und für mehr Bewegung (Absichtslosigkeit / Absichtsbildung / Vorbereitung / Handlung / Aufrechterhal-tung) wurde bei Aufnahme im Interview erfasst. Unabhängig davon wurde vom Arzt nach Aufnahme-Untersuchung die Motivation zur Lebensstiländerung geschätzt (Rating scale 0 bis 100).

314 Patienten wurden eingeschlossen (Alter: 45 ± 10 Jahre; 62 % männlich). Die Verteilung in den TTM-Stufen bei Reha-Antritt sah wie folgt aus:

% von Patienten Absichtslos (1) Absichts-bildung (2)

Vorbereitung (3)

Handlung (4) Aufrecht-erhaltung (5)

TTM für Ernährung 3 4 56 25 11 TTM für Bewegung 3 7 71 11 8

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Ergebnisse 1a) Die ärztliche Einschätzung der Motivation unterscheidet sich nicht zwischen den Patien-

ten-Gruppen in den verschiedenen TTM-Stufen für Ernährungsumstellung

1b) Ein signifikanter Unterschied bei der ärztlichen Einschätzung der Motivation findet sich lediglich zwischen den Patienten-Gruppen TTM-Stufen 1 u. 2 vs. 3 bis 5 für mehr Be-wegung (55 ± 23 vs. 68 ± 18; p<0.05).

2) Definiert man Erfolg als mindestens 5 % Gewichtsabnahme nach 1 Jahr, so findet sich kein signifikanter Zusammenhang

a) zwischen der ärztlichen Einschätzung der Motivation und Erfolg: Motivation "niedrig" (< 70) Erfolg nach 1 Jahr 35 %, Motivation "hoch" Erfolg nach 1 Jahr 33 % und

b) zwischen TTM-Stufe bei Aufnahme und Erfolg nach 1 Jahr: % Erfolg Absichtslos /

Absichtsbildung Vorbereitung Handlung Aufrechterhaltung

TTM für Ernährung 45 34 33 25

TTM für Bewegung 35 34 29 36

3. Die Erfolgsquoten unterschieden sich in der Interventionsgruppe (37 %) im Vergleich zur Kontrollgruppe (31 %) nicht.

Diskussion Der Versuch, anhand des TTM-Modells die Motivation zu quantifizieren, stimmt nicht mit der subjektiven ärztlichen Einschätzung überein.

Die differenzierte Schulung von unterschiedlich motivierten Patienten (gemessen anhand der Stufen des TTM) erbrachte keine besseren Erfolge als eine unselektierte gemeinsame Schulung. Mögliche Erklärungen sind,

- dass die motivierten Patienten bereits vor der Reha-Aufnahme abgenommen hatten. - dass die Intervention die unterschiedliche Motivation nicht ausreichend berücksichtigte. - dass die Verteilung der Motivation über die Motivationsstufen nicht homogen war.

Die vorliegenden Daten erlauben es nicht, den Erfolg einer Reha-Maßnahme wegen Adipo-sitas anhand der Motivationslage vorauszusagen.

Literatur Prochaska, J.O., DiClementi, C.C., Norcross, J.C. (1992): In search of how people change.

Applications to addictive behaviors. American Psychologist. 1102, 1114. Sarkin, J.A., Johnson, S.S., Prochaska, J.O., Prochaska, J.M. (2001): Appling the Tran-

stheoretical Model to regular moderate exercise in a overweigt population: Validation of a stages of change measure. Preventive Medicine, 33. 462-469.

Wilson, G.T., Schlamm, T.R. (2004): The transtheoretical model and motivational interview-ing in the treatment of eating and weight disorders. Clinical Psychology Review, 24. 361-378.

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Ergebnisse eines bedarfsorientierten Screenings mittels Lübecker Algorithmus zur stationären Rehabilitation bei Diabetes mellitus Typ 2

Döbler, A. (1), Pollmann, H. (2), Raspe, H. (3), Mittag, O. (1) (1) Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, (2) Klinik Niederrhein der Deutschen Rentenversicherung Rheinland, Bad Neuenahr,

(3) Institut für Sozialmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck

Theoretischer Hintergrund Rehabilitation in Deutschland stellt eine Antragsleistung dar. Ein aktives Zugehen der Träger von Rehabilitationsleistungen auf mögliche rehabilitationsbedürftige Versicherte ist eher die Ausnahme (Raspe et al., 2005). Der multimodale-mulitdisziplinäre Ansatz der stationären Rehabilitation scheint vor allem für komplexe Gesundheitsstörungen geeignet. Der Diabetes mellitus Typ 2 stellt eine solche multidimensionale Erkrankung dar. Um der Entwicklung von Folgeerkrankungen vorzubeugen und einer Gefährdung der sozialen Teilhabe zu begegnen, erscheint eine frühzeitige Identifikation von Rehabilitationsbedarf mit entsprechender Be-handlungsempfehlung sinnvoll. Bislang liegen nur wenige Befunde zum Bedarf an rehabilita-tiven Leistungen bei Diabetes mellitus Typ 2 vor (Dodt et al., 2002; Hüppe et al., 2008). Deshalb werden hier erste Ergebnisse einer systematischen Ermittlung von Rehabilitations-bedarf bei PatientInnen mit Diabetes mellitus Typ 2 vorgestellt.

Methode Im Rahmen des Projekts zur Proaktiven Rehabilitation und telefonischen Intervention bei Typ 2 Diabetes (PARTID) erhielten Versicherte der Deutschen Rentenversicherung Rhein-land, die in das DMP der AOK Rheinland/Hamburg eingeschrieben sind, einen Selbstaus-füllbogen auf der Grundlage des Lübecker Algorithmus. Darin werden für den Verlauf des Diabetes m. Typ 2 relevante Problembereiche (z. B. Bewegungsmangel, Begleiterkrankun-gen, Blutzuckerwerte) erfragt. Die Logik der Bedarfsfeststellung mittels Lübecker Algorith-mus besteht in der Zuordnung der 15 erfragten Problembereiche (Rehaindikatoren) zu zehn spezifischen Therapieoptionen. Sind zur störungsspezifischen Behandlung gleichzeitig meh-rere Therapien erforderlich, wird von einer hinreichend komplexen Behandlungsstruktur ausgegangen, die am besten im stationären Setting umsetzbar ist. Um zu prüfen, ob sich die Behandlungseffekte bei komplexen und weniger komplexen Problemlagen unterschei-den, wurde in der Studie das Kriterium für Rehabilitationsbedarf bei drei und mehr aktuell erforderlichen Behandlungszugängen definiert.

Ergebnisse In einer ersten Tranche wurden 487 Versicherte angeschrieben. Die Rücklaufquote lag bei 14 %. Zwei Fragebögen konnten aufgrund der bislang fehlenden Einverständniserklärung nicht ausgewertet werden. Die Responder waren im Durchschnitt 50 Jahre alt, zu 74 % männlich und erwerbstätig (75 %). Sie hatten überwiegend einen Hauptschulabschluss oder keinen Abschluss (75 %). Die durchschnittliche Erkrankungsdauer betrug 6,4 Jahre, der mittlere BMI 31,8 und der HbA1c-Wert im Mittel 7,3. 12 % der Screeningteilnehmer hatten bereits einmal aufgrund ihres Diabetes mellitus an einer Rehabilitation teilgenommen. Die überwiegende Anzahl der Versicherten (74 %) hatten in fünf bis neun Problembereichen

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Behandlungsbedarf. Der Anteil der Screeningteilnehmer, die in den jeweiligen Problembe-reichen (Rehaindikatoren) Interventionsbedarf aufwiesen, ist aus Tabelle 1 ersichtlich. Die daraus resultierenden häufigsten Behandlungsindikationen sind Ernährungsberatung (95 %), ärztliche Beratung (91 %) und Diabetesschulung (77 %). Das Kriterium von mindes-tens drei Behandlungsformen für Rehabilitationsbedarf erfüllten 99 % der Screeningteilneh-mer. Bei 34 % wurde mit 3-4 Behandlungsformen eine weniger komplexe und bei 65 % mit mehr als fünf Behandlungsformen eine komplexe Problemlage festgestellt.

Problembereich Kriterium / Instrument Häufigkeit in %

Adipositas BMI ≥ 30 65 %

Erhöhter Blutdruck / erhöhte Blutfette wenn aktuell behandelt 71 %

Unangemessene Ernährung Lebensmittelliste (Keller, 1998) 62 %

Bewegungsmangel Bewegung ≤ 2 h/Woche 11 %

Rauchen wenn aktuell Raucher 31 %

Problematisches Essverhalten PHQ-D 49 %

Depressivität PHQ-9 ≥ 15 23 %

Chronischer Stress TICS 45 %

Diabeteswissen Lücken im Wissenstest DDZ 49 %

Hypoglykämie mit Fremdhilfe im letzten Jahr 9 %

Folgeerkrankungen Folgeerkrankungen ≥ 2 15 %

Beeinträchtigung im Alltag IMET 51 %

Gefährdung der Erwerbstätigkeit SPE-Skala ≥ 2 46 %

Schichtarbeit wenn Schichtarbeit 19 %

Erhöhter HbA1c-Wert HbA1c > 7 in den letzten 6 Mo 52 %

Tab. 1: Krankheitsspezifische Problembereiche (Rehaindikatoren) und prozentuale Häufigkeit der Screening-teilnehmer, die in den entsprechenden Bereichen Behandlungsbedarf aufweisen (n = 65).

Diskussion Die Ergebnisse der Pilotphase der Studie zeigen einen hohen Rehabilitationsbedarf unter den DRV-Versicherten der AOK, die in das DMP Diabetes mellitus Typ 2 eingeschrieben sind und an unserer Befragung teilnahmen. Ein Grund dafür ist die Festlegung von Rehabili-tationsbedarf bei drei notwendigen Behandlungsformen. Da bislang keine Befunde vorlie-gen, die eine Aussage zur Wirksamkeit von Rehabilitation bei unterschiedlich komplexen Behandlungsanforderungen zulassen, erscheint dieses vergleichsweise sensitive Kriterium im Rahmen der Studie sinnvoll. Aber auch der Anteil von Versicherten mit fünf und mehr in-dizierten Behandlungsformen erscheint höher als in einer vergleichbaren Studie bei einer Ersatzkasse (Hüppe et al., 2008). Möglicherweise liegt auch die Schwelle zum Ausfüllen ei-nes postalisch zugesandten Screeningbogens bei einer Population mit eher gering ausge-prägter "Health Literacy" höher, so dass vor allem sehr belastete Personen am Screening

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teilnahmen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit alternativer Wege zur frühzeitigen Identifi-kation von Rehabilitationsbedarf.

Literatur Dodt, B., Peters, A., Héon-Klin, V., Matthis, C., Raspe, A., Raspe, H. (2002): Reha-Score für

Typ-2-Diabetes mellitus: Ein Instrument zur Abschätzung des Rehabilitationsbedarfs. Die Rehabilitation, 41. 237-248.

Hüppe, A., Parow, D., Raspe, H. (2008): Wirksamkeit und Nutzen eines Screeningverfah-rens zur Identifikation von rehabilitationsbedürftigen Personen mit Diabetes mellitus Typ 2: eine randomisierte, kontrollierte Evaluationsstudie unter Versicherten der Hamburg Münchener Krankenkasse. Das Gesundheitswesen, 70. 590-599.

Keller, S. (1998): Zur Validität des Transtheoretischen Modells - Eine Untersuchung zur Veränderung des Ernährungsverhaltens. Dissertation, Universität Marburg. URL: http://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z1998/0303/html/frame.htm. Abruf: 14.04.2009.

Raspe, H., Ekkernkamp, Matthis, C., Raspe, A., Mittag, O. (2005): Bedarf an rehabilitativen Leistungen: Theorie und Empirie. Die Rehabilitation, 44. 325-334.

Welche Effekte hat eine Intervallrehabilitation bei Erwerbstätigen mit Diabetes mellitus? Ergebnisse einer randomisierten kontrollierten Studie

Ernst, G. (1), Hübner, P. (2) (1) Medizinische Psychologie, Medizinische Hochschule Hannover,

(2) Klinik Niederrhein, Bad Neuenahr-Ahrweiler

Hintergründe Die Medizinische Rehabilitation steht vor der großen Herausforderung jahrzehntelang etab-lierte Denk- und Verhaltensweisen innerhalb weniger Wochen zu verändern. Kurzzeitig ist sie dabei erfolgreich, häufig gelingt es jedoch nicht, die Effekte langfristig zu stabilisieren (Haaf, 2005). Seit einigen Jahren wird deswegen dem Thema Nachsorge vermehrte Auf-merksamkeit geschenkt (Köpke, 2005). Durch einen stärkeren Einbezug des Patientenall-tags in die Schulungen sowie Follow-up-Angebote, wie z. B. telefonische Nachbetreuung oder sog. Booster Sessions, sollen die Patienten bei der Umsetzung ihrer gesundheitlichen Ziele unterstützt und Effekte verstetigt werden.

Methodik Das Forschungsprojekt "Intervallrehabilitation bei Erwerbsfähigen mit Diabetes" will den Transfer in den Alltag der Patienten durch einen multimodalen Ansatz erleichtern. Schon während des ersten 3-wöchigen Aufenthaltes in der Klinik Niederrhein wurde das Thema "Ziele für Zuhause" in einem Workshop aufgegriffen. Nach 6 Monaten wurden die Patienten zu einer Zusatzwoche in die Klinik eingeladen. Hier wurden Erfahrungen mit der Umsetzung der Ziele aufgearbeitet, Inhalte aufgefrischt und die Veränderungsmotivation gestärkt. Nach der Rehabilitation und nach der Zusatzwoche wurden die Patienten telefonisch von einer Schulungsschwester begleitet. Diese rief die Patienten regelmäßig an, informierte sich über die Zielerreichung und gab bei Bedarf Hilfestellung.

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In einem prospektiven randomisierten, kontrollierten Design wurde untersucht, ob die inten-sive Nachbetreuung einer Standardrehabilitation hinsichtlich medizinischer (kardiovaskulä-res Risiko, Stoffwechseleinstellung), psychosozialer (Behandlungszufriedenheit, Lebensqua-lität) und gesundheitsökonomischer Parameter (Erwerbsprognose, AU-Tage) nach einem Jahr überlegen ist.

Ergebnisse Insgesamt wurden 411 Patienten in die Studie aufgenommen. Das Patientenkollektiv be-stand zu 75 % aus Männern und hatte überwiegend niedrige Schulabschlüsse. Das Durch-schnittsalter lag bei 50 Jahren, die mittlere Diabetesdauer bei 7 Jahren. Die Stichprobe zeig-te initial ein ausgeprägtes kardiovaskuläres Risikoprofil.

Nach einem Jahr fanden sich für alle Werte rehatypische "Badewannen"-Verläufe, d. h. kurzfristig deutliche Verbesserungen, langfristig ein Wiederanstieg der Werte. Darüber hin-aus zeigten sich bei den bisher vorliegenden 250 vollständigen Datensätzen signifikante Un-terschiede zugunsten der Intervallgruppe hinsichtlich der psychosozialen Maße und in Ten-denzen auch bei den gesundheitsökonomischen Parametern. Die Unterschiede bei den me-dizinischen Werten erreichten kein signifikantes Niveau, es war aber eine deutliche Ver-schiebung des Risikoprofils zu erkennen.

Im März 2010 liegen die Ergebnisse der Gesamtstichprobe vor.

Diskussion und Schlussfolgerungen Die intensivierte, individuelle Nachsorge trifft den Bedarf und das Interesse dieser schwer erreichbaren Gruppe (Männer mittleren Alters mit niedrigem Sozialstatus). Sie verbessert den Transfer zwischen Rehabilitation und Alltag und hilft, bei den mit hohem Morbiditätsrisi-ko ausgestatteten Personen Wohlbefinden und Krankheitsbewältigung zu stabilisieren. Wei-tere Ergebnisse, insbesondere Subgruppenanalysen und Kosten-Nutzen-Erwägungen, sind abzuwarten.

Literatur Haaf, H.-G. (2005): Ergebnisse zur Wirksamkeit der Rehabilitation. Die Rehabilitation, 44.

259-276. Köpke, K.-H. (2005): Aufwerten, ausbauen und systematisieren - Eine Analyse von Situa-

tion, Reformbedarf und innovativen Projekten zur Nachsorge in der Rehabilitation der Rentenversicherung. Die Rehabilitation, 44. 344-352.

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Diabetiker haben ein günstigeres T-Stadium bei Diagnosestellung eines Rektumkarzinoms als Nicht-Diabetiker: Untersuchungen bei Patienten in

Anschlussrehabilitation nach Rektumkarzinom

Allgayer, H. (1), Nagel, J.M. (2), Bücker, S. (3), Stark, R. (4), Crispin, A. (5), Göke, B. (2), Parhofer, K. (2)

(1) Rehaklinik Ob der Tauber, Bad Mergentheim, RehaZentren Baden-Württemberg, (2) Endocrinology Section, Beth Israel Hospital and Harvard University, Boston, Ma. USA, (3) Medizinische Klinik II, Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität München,

(4) Helmholtz Institut, München, (5) Institut für Biometrische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie, Ludwig-Maximilians-Universität München

Hintergrund und Stand der Literatur Eine Reihe von Studien konnte für Patienten mit Typ 2 Diabetes (DM-2) eine 30-40 %ige Risikoerhöhung für Kolonkarzinome nachweisen, außerdem zeigten DM-2 Patienten fortge-schrittenere Adenome/Karzinome (La Vecchia et al., 1997; Meyerhardt et al., 2003; Limburg et al., 2005; Elwing et al., 2006). Im Gegensatz dazu fanden wir in einem großen Rehabili-tandenkollektiv, dass DM-2 Patienten mit Kolonkarzinom zum Diagnosezeitpunkt signifikant niedrigere UICC Stadien (N-Stadien) aufwiesen als Nichtdiabetiker (n-DM), wobei spezielle Vorsorgeeffekte und vermehrte Aspirineinnahme als mögliche Erklärungen diskutiert wurden (Berster et al., 2008). Ob ähnliche Verhältnisse auch für Diabetiker mit Rektumkarzinomen vorliegen, ist bisher nicht bekannt, jedoch in Hinblick auf mögliche Präventionstrategien von großer klinischer Bedeutung.

Methodik In diese retrospektive Studie wurden n = 365 Patienten eingeschlossen, die mit den Diagno-sen Rektumkarzinom (ICD-10 C 20 ) und DM-2 (E 11) bzw. Rektumkarzinom ohne DM-2 von 06/2004-07/2007 zur Anschlussrehabilitation kamen. Es wurden klinische, demographi-sche, diabetes- und tumorbezogene Charakteristika (TNM-/UICC Stadien) sowie die Medi-kamenteneinnahme verglichen mittels bi-/multivariater Analyse (multiple logistische Regres-sion (SPSS 15.0). Ergebnisse: n = 51 (14.0 %) der Patienten mit Rektumkarzinom wiesen einen DM-2 auf, n = 11 (21.6 %) wurden mit Insulin behandelt, n = 136 (37.3 %) waren Frauen, DM-2 Pat. waren signifikant älter und adipöser als n-DM: 69.8+/-8.5 vs. 66.1+/-11.1 Jahre, p<0.029; BMI 27.15+/-2.96 vs. 26.07+/-4.41 kg/m2, p<0.018. 23.5 % der Patienten mit DM-2 nahmen Aspirin ein vs. 10.8 % bei n-DM (p<0.011). Pat. mit DM-2 waren zum Di-agnosezeitpunkt signifikant häufiger in den Tumorstadien T1/2 anzutreffen als n-DM: 56.8 % vs. 37.5 % (p<0.021), n-DM signifikant häufiger in den Stadien T3/4, keine Unterschiede er-gaben sich für die N/M Stadien. In der binären logistischen Regression zeigten weder das Geschlecht (OR. 1.064, 0.631-1.795), noch der BMI (OR 1.034, 0.977-1.095) noch die Aspi-rineinnahme (OR 0.876, 0.422-1.818 ) signifikante Einflüsse.

Schlussfolgerungen Die Ergebnisse zeigen, dass auch bei Patienten mit Rektumkarzinom und DM-2 zum Diag-nosezeitpunkt signifikant niedrigere Tumorstadien (kleinere T-Stadien als Zeichen der ge-ringeren lokalen Tumorausbreitung) vorliegen und bestätigen somit unsere früheren Beo-

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bachtungen an Patienten mit Diabetes und Kolonkarzinom. Gründe für die im Vergleich zur Literatur diskrepanten Ergebnisse könnten wiederum in einer intensiveren Vorsorge und/oder regelmäßigeren ärztlichen Betreuung der Diabetiker mit früherer Entdeckung der Karzinome in diesem (selektierten) AR- Patientengut im Vergleich zu den n-DM liegen. Ob dies generell zutrifft, muss prospektiv in epidemiologischen und selektierten Kollektiven wei-ter untersucht werden mit dem Ziel, Präventionsstrategien bei diesen Patienten zu verbes-sern, sei es auf rehabilitativer oder hausärztlich/ambulanter Basis.

Literatur Berster, J.M., Bücker, S., Stark, R., Crispin, A., Göke, B., Parhofer, K., Allgayer, H. (2008):

Diabetiker präsentieren sich mit weniger fortgeschrittenen Stadien bei Diagnose eines Kolonkarzinoms als Nicht-Diabetiker. Z Gastroenterol, 46/1022. 297.

Elwing, J.E., Gao, F., Davidson, N.O., Early, D.S. (2006): Type 2 diabets mellitus: the impact on colorectal adenoma risk in women. Am J Gastroenterol, 101. 1866-1871.

La Vecchia, C., Negri, E., Recarli, A., Franceschi, S. (1997): Diabetes mellitus and colon cancer risk. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev,6. 1007-1010.

Limburg, P.J., Anderson, K.E., Johnson, T.W., Jacobs, D.R., Lazovich, D., Hong, C.P., Nicodemus, K.K., Folsom, A.R. (2005): Diabetes mellitus and subsite-specific colorectal cancer risk in the Iowa Women’s Health Study. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev,14.133-137.

Meyerhardt, J.A., Catalano, P.J., Haller, D.G., Mayer, R.J., MacDonald, J.S., Benson, A.B., Fuchs, C.S. (2003): Impact of diabetes mellitus on outcomes in patients with colon can-cer. J Clin Oncol, 21. 433-440.

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Erkrankungsaktivität, Arbeitsunfähigkeit und Rehabilitationserfolg bei Patienten mit Morbus Crohn

Streit, J. (1), Wunsch, S. (1), Reichel, C. (1,2) Reha-Zentrum Bad Brückenau, Klinik Hartwald der Deutschen Rentenversicherung Bund,

Bad Brückenau, (2) Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum Bonn, Bonn

Einleitung Für Deutschland liegen derzeit keine Daten zum Verhältnis von Krankheitsaktivität zu be-rufsbezogenen Parametern wie Arbeitsunfähigkeit und Rehabilitationserfolg bei Patienten mit Morbus Crohn (MC) vor.

Ziele Nachweis von Assoziationen zwischen Biomarkern und Erkrankungsaktivität mit dem klini-schen und berufsbezogenen Rehabilitationsverlauf bei MC.

Methode In einer retrospektiven Patientenkurvenanalyse untersuchten wir alle im Jahr 2006 in unse-rem Rehabilitationszentrum betreuten Patienten mit dem International Classification of Di-sease Code (ICD) K50 für MC (n = 355). Im Rahmen einer multivariaten Analyse identifizier-ten wir Parameter, die mit einer klinischen Verbesserung (Abnahme des Harvey Bradshaw Index (HBI) um ≥ 2 U), Arbeitsunfähigkeit bei Aufnahme und berufsbezogenem Rehabilitati-onserfolg (Übergang von arbeitsunfähig zu arbeitsfähig) assoziiert waren.

Ergebnisse 331 der untersuchten Patienten (246 weiblich, Alter 40 ± 11 Jahre) erfüllten die Diagnosekri-terien eines MC. Der mittlere HBI nahm von 4,9 U auf 3,7 U um 1,2 U (95 % Konfidenzinter-vall 0,7 U bis 1,7 U) (P < 0,001) ab. Die Einnahme von Steroiden war mit Arbeitsunfähigkeit bei Aufnahme (OR 5,65 (3,41 bis 9,35)) und ein HBI ≥ 5 U mit einer klinischen Verbesse-rung während der Rehabilitation assoziiert (OR 3,1 (1,9 bis 5,1)). Bei 124 initial arbeitsunfä-higen Patienten war ein berufsbezogener Rehabilitationserfolg mit einem normalen C-re-aktiven Protein (CRP) [OR 2,8 (1,1 bis 7,0)] und einem höheren Body-Mass-Index (BMI) [OR (pro 1 kg/m2 Anstieg) 1,1 (1,0 bis 1,2)] assoziiert.

Zusammenfassung Die Parameter Steroidtherapie, Erkrankungsaktivität, CRP und BMI waren mit Parametern wie Arbeitsunfähigkeit und klinischem sowie beruflichem Rehabilitationserfolg assoziiert. Die Kenntnis dieser Zusammenhänge könnte für die Weiterentwicklung der MC-spezifischen Rehabilitation wichtig sein.

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Rehabilitation bei psychischen Störungen I

Ergebnisparameter der unmittelbaren Behandlungseffekte eines Früherkennungs- und Frühinterventionsprogramms bei psychischen

Erkrankungen in Bezug auf klinisch-psychologische Kriterien

Zielke, M. (1,2), Schumacher, A. (3), Kristof, O. (3) (1) Baltic-Bay-Institut Mönkeberg, (2) Fakultät für Sozialwissenschaften der

Universität Mannheim, (3) AHG Klinik Waren

Hintergrund und Zweck der Untersuchung Die Krankheitsanamnesen von Patienten mit psychischen Erkrankungen betragen nach wie vor etwa 7 Jahre bis zum Beginn qualifizierter psychotherapeutischer Behandlungen. Solche Krankheitskarrieren sind mit enormen Kosten für das Gesundheitssystem verbunden. Zur Prävention von Chronifizierungsprozessen und zur Verkürzung von "Krankheitskarrieren" wurde zwischen der Gmünder Ersatzkasse (GEK) als Leistungsträger und der AHG Klinik Waren ein "Intensivprogramm zur Risikomodifikation bei psychischen und psychosomati-schen Erkrankungen" entwickelt und umgesetzt.

Methodik und Design Versicherten der GEK mit beginnenden Krankschreibungen infolge ausgewählter psychi-scher Erkrankungen (F-Diagnosen) wurde die Möglichkeit eröffnet, eine sechswöchige stati-onäre Behandlung nach dem vorgenannten Konzept zu absolvieren. In einem naturalisti-schen Design sollten Veränderungen in klinisch-psychologischen Problemstellungen (De-pressivität, Angstsymptomatik, Stärke psychosomatischer Beschwerden) untersucht wer-den und geprüft werden, ob die Patienten auf diesem Wege tatsächlich in früheren Phasen der Krankheitsentwicklung in qualifizierte psychotherapeutische Behandlungen gelangen.

Ergebnisse 300 Patienten nahmen an der Frühintervention teil. Die der Behandlung vorausgehende Krankheitsdauer betrug lediglich noch 4,4 Jahre. Bei 51,8 % der Patienten bestand die Symptomatik maximal ein Jahr. Die erreichte Klientel unterscheidet sich deutlich von dem Patientengut im Rahmen sonstiger regulärer Behandlungsmaßnahmen: Höherer Anteil an Männern (55 % : 19 %), mehr Arbeitslose (37 % : 24 %), höherer Anteil an Arbeitsunfähigen bei Aufnahme (97 % : 44 %) und nachhaltigere Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit (64 % : 50 %).

Die Effektstärken zur Verringerung der Depressivität sind mit ES=0,76 und bei psychischer Komorbidität mit ES=0,99 ausgesprochen hoch.

Diskussion Trotz zahlreicher Bedenken nicht weniger Kliniker hat sich das aktive Zugehen auf Versi-cherte mit beginnenden Krankheitsprozessen als ausgesprochen hilfreich und die anschlie-ßende Maßnahme des Frühinterventionsprogamms als ausgesprochen effektiv erwiesen.

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Durch das gewählte Vorgehen war es möglich, psychosomatisch Erkrankte zu einem frühe-ren Zeitpunkt ihrer Krankheitskarriere zu erreichen als dies sonst der Fall ist. Das Frühinter-ventionsprogramm mit einem aktiven Zugehen auf die Betroffenen erweist sich als hoch wirksam.

Schlussfolgerungen, Ausblick Das Frühinterventionsprogramm als eine Kombination aus "klassischen" präventiven Ele-menten mit bewährten Behandlungs- und Rehabilitationsmaßnahmen ist als Ermutigung für die Sozialversicherungsträger, für die Behandler und auch für die Betroffenen zu werten, Präventionsleistungen im Sinne der Revitalisierung des § 31 im SGB VI stärker ins Blickfeld zu rücken.

Literatur Schumacher, A., Kristof, O., Zielke, M.: Früherkennung und Risikomodifikation bei psycho-

somatischen Erkrankungen - Struktur, Indikation, Ergebnisse. In: Zielke, M. (Hrsg.): Indi-kation zur stationären Behandlung und Rehabilitation bei psychischen und psychosomati-schen Erkrankungen. Lengerich :Pabst Science Publishers. Im Druck.

Zielke, M., Herder, F., Glahn, N. (2000): Intensivprogramm zur Risikomodifikation bei psy-chischen und psychosomatischen Erkrankungen (IPR). Therapiekonzept als spezifisches Leistungsangebot für die GEK. Internes Programmkonzept.

Effekte eines Interventionsprojektes zur stationären Behandlung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen

Dörning, H. (1), Bitzer, E.M. (1), Lorenz, C. (1), Zielke, M. (2) (1) ISEG - Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung

Hannover/Witten, (2) Baltic-Bay-Institut für angewandte Verhaltensmedizin und Rehabilitation, Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Mannheim

Hintergrund Psychische Störungen zählen, seit Jahren mit zunehmender Tendenz, zu den am häufigsten gestellten Diagnosen und sind zudem besonders ausgabenintensiv. Bei 28,7 % der Ge-samtbevölkerung wurde z. B. im Jahre 2007 mindestens eine Diagnose aus dem Diagnose-kapitel "Psychische und Verhaltensstörungen" gestellt (Grobe et al., 2008). Außerdem fielen erstmals im Jahr 2007 sowohl bei Männern als auch bei Frauen mehr Behandlungstage un-ter der Hauptdiagnose von psychischen Störungen an als unter den bisher für Verweilzeiten in Krankenhäusern bedeutsamsten Diagnosen von Krankheiten des Kreislaufsystems. Psy-chische Störungen sind damit - gemessen an den Behandlungstagen - bei beiden Ge-schlechtern zum relevantesten Diagnosekapitel für Krankenhausbehandlungen geworden (Bitzer et al., 2008).

Vor diesem Hintergrund hat eine Krankenkasse (GEK) mit einer Rehabilitationsklinik (AHG Klinik Waren) einen Vertrag über ein Pay for Performance-Projekt geschlossen. Vereinbart wurde eine durchschnittlich sechswöchige Rehabilitationsmaßnahme bei Versicherten mit psychischen Erkrankungen ("Affektive Störungen" sowie "Neurotische, Belastungs- und so-

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matoforme Störungen") auf der Basis einer definierten Fallpauschale. Zusätzlich wurde eine Bonus-/Malusregelung festgeschrieben. Die Regelung sieht vor, dass die durchführende Klinik für jeden Reha-Teilnehmer, der innerhalb eines Zeitraums von 36 Monaten nach Maßnahmeende fallbezogen mindestens 35 % geringere gesundheitsbezogene Leistungs-ausgaben verursacht als der Durchschnitt einer Kontrollgruppe (Behandlung unter Alltags-bedingungen) und der zudem unter zusätzlichem Einbezug aller anfallenden Ausgaben für das Pay for Performance-Programm (Fallpauschale und anteilige Evaluationskosten) weni-ger Kosten verursacht als der Durchschnitt der Kontrollgruppe, eine zusätzliche Bonuszah-lung in Höhe von 10 % der Fallpauschale erhält. Bei individuell nicht erreichter "Performan-ce" erfolgt im Gegenzug eine Malusrückzahlung an die Krankenkasse von ebenfalls 10 % der Fallpauschale.

Methodik Zur Evaluation des Erfolgs der Maßnahme wurde eine kontrollierte prospektive Studie mit einem Follow-up von 36 Monaten durchgeführt. Die Zielgruppe umfasst Personen, die nach definierten Ein- und Ausschlusskriterien im wöchentlichen Rhythmus aus Krankenkassen-routinedaten gezogen wurden (Einschluss: u. a. Krankengeldbezugsberechtigung, maximal vollendetes 59. Lebensjahr, am Ziehungstag arbeitsunfähig, Beginn der AU mindestens 42 Tage vor Ziehungstag, ICD10-Diagnosen F32-F34, F38-F41, F43, F45, F48; Ausschluss: u. a. aktueller stationärer Aufenthalt, stationärer Aufenthalt innerhalb der letzten zwei Jahre unter einer der ICD-Diagnosen C00-C97, F00-F32, F42, F44, F50-F98, I20-I25, I60-I69). Die selektierten Versicherten wurden zunächst ausschließlich der Interventionsgruppe und da-nach der Kontrollgruppe zugewiesen.

Primäre Outcomes für das fallbezogene Pay for Performance-Projekt waren die Parameter "Krankenhaustage", "Krankengeldtage" und "Medikamentenkosten". Für eine zusätzlich durchgeführte gruppenbezogene Evaluation der Effektivität der Maßnahme wurden zudem die Parameter "Arbeitsunfähigkeitstage", "Medikamentenverordnungen" und "EU-/BU-Berentungen" berücksichtigt.

Bei der Evaluation im Rahmen des Pay for Performance-Projektes wurden, um dem Um-stand der "dynamischen Versichertenpopulation" Rechnung zu tragen, zwei Analyseansätze zur Bestimmung des fallbezogenen Ergebnisses gewählt. Zum einen wurden, unabhängig von der Vollständigkeit der Nachbeobachtungszeiten, alle Teilnehmer einbezogen, die den definierten Ein- und Ausschlusskriterien zu Beginn der Studie entsprachen (SG1: n = 286, Kontrollgruppe: n = 482), zum anderen wurden nur die Teilnehmer berücksichtigt, die voll-ständige 36 Monate nachbeobachtet werden konnten (SG2: n = 136).

In die zusätzlichen gruppenbezogenen Analysen zur Effektivität wurden dagegen durchgän-gig alle Teilnehmer und Kontrollen unabhängig von der Vollständigkeit der Nachbeobach-tungszeit einbezogen (Kontrollgruppe: n = 482; Interventionsgruppe: n = 286). Die Auswer-tungen erfolgten dabei alters-, geschlechts- und Diagnose-adjustiert (direkte Standardisie-rung) unter rechnerischer Einbeziehung der individuellen Versicherungszeiten im 36-monatigen Nachbeobachtungszeitraum.

Ergebnisse Von der ersten Studiengruppe (SG1) erfüllen 63,6 % (n = 182) und von der zweiten Stu-diengruppe (SG2) 72,8 % der Teilnehmer (n = 99) das erste Bewertungskriterium. D. h. na-

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hezu zwei Drittel bzw. knapp drei Viertel der Teilnehmer verursachen mindestens um 35% geringere Leistungsausgaben als der Durchschnitt der Kontrollgruppe.

Unter Einbezug des zweiten Bewertungskriteriums (zusätzlicher Einbezug der Fallpauschale und der Evaluationskosten) verursachen 60,8 % (SG1) bzw. 72,8 % (SG2) weniger Ausga-ben als die Kontrollgruppe, so dass ein positives Ergebnis im Sinne der vereinbarten Bonus-/Malus-Regelung vorliegt.

Die Ergebnisse der Analysen zeigen bei allen kontrollierten Outcome-Parametern einen po-sitiven Effekt der Maßnahme. Die Werte in der Interventionsgruppe liegen ausnahmslos substanziell und, von einer Ausnahme abgesehen, auch statistisch signifikant unter den Werten in der Kontrollgruppe.

- Die Anzahl an Krankenhaustagen liegt im Nachbeobachtungszeitraum mit durchschnitt-lich 8,43 Tagen um 7,94 Tage unter dem Durchschnittswert in der Kontrollgruppe (16,37 Tage) (p<0.01).

- Die durchschnittliche Anzahl an AU-Tagen in der Interventionsgruppe liegt mit 175,74 Tagen um 27,26 Tage unterhalb des Werts in der Kontrollgruppe (203,0 Tage) (p<0.05).

- Der Unterschied an Krankengeldtagen zwischen Interventionsgruppe (101,99 Tage) und Kontrollgruppe (135,52 Tage) beträgt im Durchschnitt 33,53 Tage zugunsten der Maß-nahmeteilnehmer (p<0,001).

- In der Interventionsgruppe (25,47 Verordnungen) wurden während der Nachbeobach-tungszeit im Schnitt 5,43 Medikamente weniger verordnet als in der Kontrollgruppe (30,9 Verordnungen) (p<0,001).

- Die EU-/BU-Rate, also der Anteil an Personen mit einer Erwerbs- oder Berufsunfähig-keitsberentung im Nachbeobachtungszeitraum, beträgt in der Interventionsgruppe 14,6% und in der Kontrollgruppe 19,5 %. Die Differenz von 4,9 Prozentpunkten ist - zu-mindest bei zweiseitiger Testung - allerdings nur randständig signifikant (p=0,078).

Diskussion Mit dem hier vorgestellten Projekt liegt eine prospektive kontrollierte Studie zur mittelfristigen (Kosten-)Wirksamkeit der psychosomatischen Rehabilitation bei erwerbstätigen Patienten mit affektiven und/oder neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen vor, die zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie über die Möglichkeit zur Teilnahme an dem Rehabiliati-onsprogramm informiert wurden, bereits 42 Tage arbeitsunfähig waren. Bei diesem Patien-tenkollektiv führt eine stationäre psychosomatische Rehabilitation zu einer substanziellen Reduktion der Inanspruchnahme gesundheitlicher Leistungen und zu geringeren Ausgaben für die gesetzliche Krankenversicherung. Die Ergebnisse können damit als positives Beispiel eines Pay for Performance-Ansatzes gewertet werden.

Literatur Bitzer, E.M., Grobe, T.G., Neusser, S., Dörning, H., Schwartz, F.W. (2008): GEK-Report a-

kut-stationäre Versorgung 2008. St. Augustin: Asgard-Verlag. Grobe, T.G., Dörning, H., Schwartz, F.W. (2008): GEK-Report ambulant-ärztliche Versor-

gung 2008. St. Augustin: Asgard-Verlag.

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Risikofaktoren für chronische Depression - Ergebnisse einer systematischen Übersichtsarbeit

Reese, C. (1), Hölzel, L. (2), Kriston, L. (3), Härter, M. (3) (1) Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg,

(2) Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Freiburg, (3) Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Hintergrund und Fragestellung Bei Rehabilitanden mit einer somatischen Erkrankung wird die 4-Wochen-Prävalenz von af-fektiven Störungen auf 10 % geschätzt (Härter et al., 2007). Zahlreiche Studien belegen, dass komorbide Depression einen negativen Prädiktor für die Morbidität, Mortalität, Versor-gungskosten, Inanspruchnahmeverhalten, sowie die Lebensqualität der Patienten darstellt (Baumeister, Härter, 2005).

Untersuchungen von Bevölkerungsstichproben und klinischen Stichproben deuten darauf hin, dass bei jedem fünften bis sechsten Patienten mit einer akuten depressiven Episode auch nach zwei Jahren noch keine relevante Besserung der Symptomatik eintritt und sich in Folge dessen eine chronische Depression entwickelt (Gilmer et al., 2005). Um beurteilen zu können, ob die Gefahr einer Chronifizierung der Depression bei einem Patienten erhöht ist, ist das Wissen um die Risikofaktoren für chronische Depression bedeutsam. Hierzu werden die wichtigsten Ergebnisse einer systematischen Übersichtsarbeit zu den Risikofaktoren für chronische Depression aufgeführt, die mit dem Ziel erstellt wurde, die vorhandenen Einzel-befunde zu integrieren und zu strukturieren.

Methodik Aktuelle Verfahren für die Metaanalyse von Beobachtungsstudien wurden verwendet. Im September 2007 wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt, um die relevan-ten Primärstudien zum Thema zu identifizieren. Dabei wurden folgende Datenbanken be-rücksichtigt: Medline, CINAHL, ISI Web of Science, Psycinfo und BIOSIS Previews. Die Su-che wurde mit Stichworten und Standardvokabular (z. B. MeSH) durchgeführt. In Ergänzung zur elektronischen Literaturrecherche wurde eine Handsuche im "Journal of Affective Disor-ders" (Jahrgänge 1987-2007) durchgeführt.

Über den Ein- und Ausschluss der Studien entschieden zwei unabhängige Rater anhand einer Kriterien-Checkliste. Die methodische Qualität der Studien wurde ebenfalls anhand einer Checkliste beurteilt. Die Datenextraktion erfolgte anhand eines strukturierten Extrakti-onsformulars. Die Datenauswertung wurde mittels Vote-Counting durchgeführt.

Ergebnisse Es wurden 25 relevante Primärstudien mit insgesamt 5.192 Studienteilnehmern identifiziert und in die systematische Übersichtsarbeit eingeschlossen. Die Studien wiesen hinsichtlich der untersuchten Studienpopulationen, der Studiendesigns, der methodischen Qualität, der untersuchten Risikofaktoren und der Ergebnisse eine große Heterogenität auf. Es konnte für folgende Risikofaktoren empirische Evidenz gefunden werden: (1) Vorkommen von affekti-ven Störungen in der Familiengeschichte, (2) jüngeres Ersterkrankungsalter und (3) längere Dauer der depressiven Episode. Folgende Faktoren traten gehäuft in Assoziation mit chro-

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nischer Depression auf: (1) psychische Komorbidität in Form von Angststörungen, Persön-lichkeitsstörungen und Substanzabusus, (2) geringe soziale Integration, (3) negative soziale Interaktion und (4) eine schwächere depressive Symptomatik. Dabei bleibt die Richtung des kausalen Zusammenhangs aufgrund des Querschnittdesigns der Studien unklar.

Diskussion Die Ergebnisse der durchgeführten systematischen Übersichtsarbeit weisen auf unter-schiedliche Faktoren hin, die für chronische Depression prädisponieren oder in Assoziation mit ihr auftreten. Aufgrund der hohen Prävalenz akuter depressiver Episoden in der somati-schen Rehabilitation ist es wichtig, dass die behandelnden Experten die Risikofaktoren für chronische Depression kennen. Diese Kenntnis kann sie dabei unterstützen, unter den Re-habilitanden mit einer akuten affektiven Störung diejenigen zu identifizieren, die besonders gefährdet sind, eine chronische Depression zu entwickeln. Solche Rehabilitanden sollten hinsichtlich des Verlaufes der depressiven Störung besonders aufmerksam beobachtet wer-den.

Des Weiteren deuten die Ergebnisse der durchgeführten systematischen Übersichtsarbeit auf die Relevanz einer frühzeitigen Diagnostik und Therapie von Depressionen hin, da eine längere Dauer der depressiven Episode die Wahrscheinlichkeit für eine Chronifizierung der Depression erhöht. In der somatischen Rehabilitation bleibt psychische Komorbidität, z. B. Depression, jedoch zumeist unerkannt (Farin et al., 2002) und unbehandelt (Irle et al., 2002). Solche Befunde unterstreichen die Bedeutung eines routinemäßigen psychodiagnos-tischen Screenings zu Rehabilitationsbeginn. Die Implementierung eines solchen Scree-nings wird derzeit im Rahmen eines Projektes der Deutschen Rentenversicherung "Imple-mentierung einer Strategie zum Screening und zur Diagnostik psychischer Störungen bei Patienten in der medizinischen Rehabilitation (DIBpS-Transferprojekt)" untersucht und be-wertet.

Literatur Baumeister, H., Härter, M. (2005): Auswirkungen komorbider psychischer Störungen bei

chronischen körperlichen Erkrankungen. Zeitschrift für Medizinische Psychologie, 14. 175-189.

Farin, E., Follert, P., Jäckel, W.H. (2002): Die Therapiezielfestlegung bei Patienten mit psy-chischen Belastungen in der orthopädischen und kardiologischen Rehabilitation. Die Re-habilitation, 41. 389-400.

Gilmer, W.S., Trivedi, M.H., Rush, A.J., Wisniewski, S.R., Luther, J., Howland, R.H., Yo-hanna, D., Khan, A., Alpert, J. (2005): Factors associated with chronic depressive epi-sodes: a preliminary report from the STAR-D project. Acta Psychiatrica Scandinavica, 112. 425-433.

Härter, M., Baumeister, H., Bengel, J. (2007): Psychische Störungen bei körperlichen Er-krankungen. Heidelberg: Springer. 56-69.

Irle, H., Worringen, U., Korsukéwitz, C., Klosterhuis, H., Grünbeck, P. (2002): Erfassung und Behandlung psychischer Beeinträchtigungen in der somatisch-medizinischen Rehabilita-tion. Die Rehabilitation, 41. 382-388.

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Arbeits- und Erwerbsfähigkeit bei Rehabilitanden mit Fibromyalgiesyndrom im Langzeitverlauf nach stationärer

psychosomatischer Rehabilitation

Köllner, V. (1,2), Schlößer, A. (1), Bernardy, K. (1,3) (1) Fachklinik für Psychosomatische Medizin, Mediclin Bliestal Kliniken, Blieskastel,

(2) Medizinische Fakultät der Universität des Saarlandes, Homburg/Saar, (3) Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie,

Universitätskliniken des Saarlandes, Homburg/Saar

Einleitung Das Fibromyalgiesyndrom (FMS) ist eine chronische Schmerzkrankheit, die häufig zu einer Gefährdung der Erwerbsfähigkeit (EF) führt. Eine erhöhte Rate von Krankschreibungen und Frühberentungen lässt sich in Ländern mit unterschiedlichen Sozialsystemen nachweisen (Henriksson et al., 2005). Aus diesem Grund wird bei diesen Patienten häufig die Indikation zu einer stationären psychosomatischen Rehabilitation gestellt. Die Effektivität des multimo-dalen Konzepts der Rehabilitation bei FMS ist gut belegt (Häuser et al., 2009; Lange et al., 2009), gleichzeitig bestehen aber Zweifel daran, ob das Ziel eines nachhaltigen Erhalts oder einer Wiederherstellung der EF bei Rehabilitanden mit FMS realisierbar ist. Ziel der vorlie-genden Studie ist es, zu untersuchen, wie der sozialmedizinische Langzeitverlauf nach einer psychosomatischen Rehabilitation war und wie die FMS-Patienten diese Maßnahme retro-spektiv evaluieren.

Methodik 579 FMS-PatientInnen, die an einer psychosomatischen Rehabilitation teilgenommen hatten und die postalisch noch erreichbar waren, wurden 1 bis 5 Jahre danach (Mittelwert = 3,19 Jahre) mit einem hierfür entwickelten Fragebogen befragt, wie sich ihre Erwerbsfähigkeit im Verlauf entwickelt hatte und welche Teilbereiche der Rehabilitationsmaßnahme sie als hilf-reich empfunden hatten.

Ergebnisse Es antworteten 239 Rehabilitanden, von denen 28 eine Teilnahme durch zurücksenden lee-rer Fragebögen verweigerten, so dass die Daten von 211 Rehabilitanden vorlagen. Dies entspricht einer Antwortquote von 36,4 %. Im Durchschnitt waren die Rehabilitanden zum Zeitpunkt der Befragung 53,7 ± 5,9 Jahre alt, 202 (95,7 %) waren weiblich, 9 (4,3 %) waren männlich. 19,9 % der Rehabilitanden gaben an, dass sie zum heutigen Zeitpunkt vollschich-tig arbeiten, weitere 20,2 % arbeiten in Teilzeit und 6,2 % im Rahmen eines Minijobs. 10,4 % sind arbeitssuchend gemeldet, 42,7 % bezeichnen sich als nicht erwerbstätig.

24,4 % erhalten eine Rente wegen vollständiger und 6,2 % wegen teilweiser Erwerbsminde-rung; 4,3 % beziehen inzwischen eine Altersrente. 7,1 % erhalten aktuell Leistungen nach Hartz IV. Bei 5,7 % der Befragten läuft aktuell ein Rentenverfahren, bei 4,7 % ist ein Ren-tenantrag abgelehnt worden und 4,3 % beabsichtigen, innerhalb der nächsten 12 Monate einen Rentenantrag zu stellen.

Je 68,7 % der Rehabilitanden schilderten in der Rückschau, dass sie durch die stationäre Maßnahme sehr oder etwas hinsichtlich ihrer Lebensqualität und ihres Aktivitätsniveaus pro-

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fitiert hätten, 61,1 % berichteten eine Verbesserung hinsichtlich der Schmerzen und 59,7 % eine Verringerung der Depressivität. Jedoch wurde nur von 48,3 % eine Verbesserung der Begleitsymptomatik angegeben. Als sehr oder zumindest etwas hilfreich wurden von der überwiegenden Mehrheit der Rehabilitanden sowohl die Psychotherapie (82,5 %) als auch Ausdauertraining (74,9 %), passive Anwendungen (z. B. Wärmeanwendung, 82,0 %) und Patientenschulung (71,5 %) erlebt, während die ärztlich-medikamentöse Behandlung nur von 50,3 % als hilfreich eingeschätzt wurde.

Schlussfolgerung Etwa die Hälfte der FMS-Rehabilitanden ist auch im Langzeitverlauf nach Psychosomati-scher Rehabilitation noch erwerbstätig, nur 24,4 % beziehen eine volle Erwerbsminderungs-rente. Eine pessimistische Einschätzung der Erwerbsprognose bei FMS wird durch diese Daten nicht gestützt. Auch im Langzeitverlauf nach über 3 Jahren wird die Rehabilitation noch als hilfreich erlebt, wobei vor allem Psychotherapie, Ausdauertraining und passiv-entspannende Maßnahmen hervorgehoben werden. Am häufigsten werden positive Verän-derungen in den Bereichen Lebensqualität, Aktivität und Schmerz genannt. Wie auch bei Opitz et al. (2008) zeigte sich eine eher skeptische Beurteilung der medikamentösen Thera-pie. Eingeschränkt wird die Interpretation der Daten jedoch durch die hohe Drop-Out-Quote, so dass eine systematische Erhebung mit einer Erfassung der Leistungsdaten der Sozial-versicherungsträger wünschenswert wäre.

Literatur Häuser, W., Bernardy, K., Arnold, B., Offenbächer, M., Schiltenwolf, M. (2009): Efficacy of

multicomponent treatment in fibromyalgia syndrome: A meta-analysis of randomized con-trolled clinical trilas. Arthritis & Rheumatism, 61. 216-224.

Henriksson, C.M., Liedberg, G.M., Gerdle, B. (2005): Women with fibromyalgia: work and rehabilitation. Disabil Rehabil, 27. 685-694.

Lange, M., Krohn-Grimberge, B., Petermann, F. (2009): Patienten mit Fibromyalgiesyndrom: Der Einfluss von Depressivität auf den Rehabilitationserfolg. Die Rehabilitation, 48. 298-305.

Opitz, U., Glattacker, M., Bengel, J., Jäckel, W.H. (2008): Subjektive Krankheits- und Be-handlungskonzepte bei PatientInnen mit Fibromyalgie. DRV-Schriften, Bd. 83. 264-266.

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Rehabilitation bei psychischen Störungen II

Pathologischer PC-/Internet-Gebrauch: Möglichkeiten der Rehabilitation bei einem neuen Krankheitsbild

Schuhler, P. (1), Sobottka, B. (2), Vogelgesang, M. (1), Fischer, T. (2) (1) AHG Klinik Münchwies, (2) AHG Klinik Schweriner See

Hintergrund und Fragestellung Wir verstehen den pathologischen Umgang mit dem neuen Medium PC/Internet weniger als einfaches dysfunktionales Reiz-Reaktionsmuster im Rahmen einer "online-Sucht", sondern als eine tiefgreifende Störung der Beziehungs- und Selbstwertregulation. Ausgangspunkt ist die Unterscheidung zwischen normalem, problematischem und pathologischem PC-Konsum als Gaming (dysfunktionaler Umgang mit MMORPG - Massively Multiplayer Online Role-Playing Games und "ego-shooter"-Spielen), Chatting (etwa in Partnerschafts-chatrooms) und Surfing (z. B. dem ausufernden, aber letztlich ziellosen Sammeln von Musikdateien, Reisezielen oder Filmen). Im Zentrum steht die klinisch relevante Form des pathologischen PC-Konsums, wie er im Rahmen der stationären Rehabilitation behandelt wird. Fragen nach den Merkmalen des Krankheitsbilds und der diagnostischen Einordnung werden diskutiert, ebenso wie die Erfahrungen mit dem psychotherapeutischen Vorgehen, das auf kognitiv-emotionale Restrukturierungen und Verhaltensänderungen zielt. Erste Prä-Post-Ergebnisse auf der Basis der Symptom-Checklist (SCL-90) und Schlussfolgerungen für die stationäre Rehabilitation werden erörtert.

Methode Alle der weit über 100 Patienten (der erste wurde 1999 behandelt) bearbeiteten standardi-sierte klinische Fragebogenverfahren bei Aufnahme und Entlassung. Basisdaten wie Alter, Geschlecht, berufliche Bildung, Wohn- und Arbeitssituation wurden bei jedem Patienten er-hoben. Die diagnostischen Kriterien können nach Schuhler, Vogelgesang und Petry (2009) folgendermaßen beschrieben werden: Der pathologische PC/Internet-Gebrauch wird als ei-ne tiefgreifende Störung der Affekt- und Beziehungsregulierung sowie der Selbststeuerung verstanden, die am ehesten in die Diagnoseklasse "Persönlichkeits- und Verhaltensstörun-gen" einzuordnen ist. Im aktuellen Glossar, das den pathologischen PC/Internet-Gebrauch noch nicht als eigenständige Störung aufweist, erscheint die ICD-10 F 68.8 Klassifikation "sonstige näher bezeichnete Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen" am besten geeignet für eine diagnostische Einordnung. Als diagnostische Leitlinie wird vorgeschlagen zu prüfen, ob die PC/Internet-Aktivität (Petry, 2009) Teil des überdauernden Identitätserlebens gewor-den ist in Verbindung mit Immersionserleben.

Ergebnisse Die Störung geht mit einer hohen Quote an komorbiden psychischen Störungen einher (v. a. soziale Phobie, depressive Störungen, aber auch Persönlichkeitsstörungen). Alle pathologi-schen PC/Internet-Konsumformen können mentale und sozialinteraktive Funktionsdefizite

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bedingen, die in der Folge zu beruflichen Leistungseinschränkungen führen, wie etwa Ein-bußen im Ausdauervermögen, in der Frustrationstoleranz, der sozialen Kompetenz oder der Anstrengungsbereitschaft, was bei den Betroffenen gravierende Probleme in der Lebensfüh-rung und Arbeitswelt auslöst.

Am häufigsten tritt der schädliche PC/Internet-Gebrauch als das exzessive Spielen von Mehrpersonen-online-Rollenspielen, gefolgt vom Chatting und dem dysfunktionalen Surfen auf. Männer sind im Verhältnis 9:1 sehr viel häufiger betroffen als Frauen, die Gruppe ist im Vergleich zum Durchschnittsalter der Patienten der stationären Rehabilitation in den Indika-tionsgebieten Psychosomatik und Sucht etwa 10 Jahre jünger: Das Durchschnittsalter liegt bei 27 Jahren. Neben dem allgemeinen Behandlungsprogramm nehmen die Patienten an einem neuen indikativen psychotherapeutischen Gruppenprogramm teil (Sobottka, 2009). Die Behandlungsziele bestehen im Abbau der zugrunde liegenden intrapsychischen und in-terpersonellen Probleme. Es wird ein bio-psycho-soziales Verstehensmodell des PC/Inter-net-Gebrauchs vermittelt. Dabei stehen die dysfunktionalen Lösungs- und Bewältigungsver-suche im Vordergrund. Dies geschieht unter einer interpersonellen und intrapsychischen Perspektive. Daran schließt sich die Erarbeitung funktionaler Alternativen und salutogeneti-scher Potenziale an, ebenso wie die Entwicklung von auf die Lebens- und Arbeitswelt bezo-genen Perspektiven. Rückfallprophylaxe nach einem "Ampelmodell" steht am Ende der the-rapeutischen Arbeit. In beiden Abteilungen der Klinken (Psychosomatik und Sucht) stehen Behandlungsplätze zur Verfügung: In den Abteilungen für Abhängigkeitserkrankungen wer-den solche Patienten und Patientinnen behandelt, die neben dem pathologischen PC-Gebrauch auch eine stoffgebundene Suchterkrankung aufweisen. Die Prä-Post-Ergebnisse zeigen ermutigende Therapieerfolge.

Diskussion Eine Nachsorgebehandlung wird dringend empfohlen. Sie sollte im unmittelbaren Anschluss an die stationäre Rehabilitation beginnen, wenn eine Nachsorgeempfehlung ausgesprochen wird. Obwohl der pathologische PC/Internet-Gebrauch nicht unter die Empfehlungsvereinba-rungen zur Rehabilitation bei pathologischem Glücksspielen fällt, wäre ein Verfahren analog der Nachsorge bei pathologischem Glücksspiel sinnvoll. Unsere - relativ lange - Behand-lungserfahrung lässt vor allem zwei Schwerpunkte für die künftige Arbeit erkennen: Zum ei-nen eine explorative Suchrichtung, die zur Beantwortung der Frage beitragen kann, was spezifisch für diese Patientengruppe ist. Einen kleinen Beitrag dazu kann vermutlich eine Vergleichsstudie leisten, die von der DRV Bund gefördert und ab Januar 2010 in Münchwies und Schwerin durchgeführt wird: Alkoholabhängige, psychosomatisch Kranke und patholo-gische Glücksspieler werden hinsichtlich zentraler klinischer Merkmale gegenübergestellt. Ein zweiter Forschungsschwerpunkt dürfte in Studien zur Wirksamkeit von Behandlungsan-sätzen bestehen. Katamnestische Untersuchungen werden gegenwärtig in Münchwies und Schwerin vorbereitet.

Literatur Petry, J. (2009): Pathologischer PC-/Internetgebrauch. Göttingen: Hogrefe. Schuhler, P. (2009): Pathologischer PC-/Internet-Gebrauch (Gaming, chatting, surfing).

Münchwieser Hefte, 16. Behandlungskonzepte.

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Schuhler, P., Vogelgesang, M., Petry, J. (2009): Pathologischer PC-/Internetgebrauch. Krankheitsmodell, diagnostische und therapeutische Ansätze. Psychotherapeut, 54 (3). 187-192.

Sobottka, B. (2009): Pathologischer PC-Gebrauch (2008). Behandlungskonzept. Schriften-reihe der AHG Klinik Schweriner See, 14.

Evaluation einer gruppenpsychotherapeutischen Behandlung bei komorbiden psychischen Störungen in der kardiologischen und

orthopädischen Rehabilitation

Schuster, N., Rüddel, H., Keck, M., Schwarting, A. Reha Kompetenzzentrum Bad Kreuznach/ Bad Münster am Stein-Ebernburg

Einleitung und Fragestellung Es ist mittlerweile gut dokumentiert, dass körperliche und psychische Krankheiten sehr häu-fig gemeinsam auftreten. Baumeister (2005) führte zwei große epidemiologische Studien zusammen und analysierte sie im Hinblick auf die Häufigkeit und Art psychischer Störungen bei Patienten mit chronischen somatischen Erkrankungen. Dabei erfüllten 60,8 % der Reha-bilitanden die Kriterien für zumindest eine, jeder dritte Patient sogar für mehr als eine psy-chische Störung in der bisherigen Lebensspanne. Jeder fünfte Patient (20,9 %) in der medi-zinischen Rehabilitation (Kardiologie, Onkologie, Orthopädie, Pneumologie und Endokrino-logie) erfüllt laut Baumeister zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Kriterien für zumindest eine psychische Störung, bei 7,6 % der Rehabilitanden liegt mehr als eine psychische Störung vor.

Gleichzeitig liegen zum aktuellen Zeitpunkt nur wenige Behandlungsprogramme vor, die die komorbiden psychischen Störungen im Rahmen der kardiologischen oder orthopädischen Rehabilitation behandeln und dadurch nachhaltige Effekte im Erleben und Verhalten der Pa-tienten erzielen können. Eine aktuelle Studie von Hampel und Kollegen (2009) konnte bei-spielsweise zeigen, dass sowohl die klinische Standardbehandlung als auch ein zusätzli-ches kognitiv-behaviorales Depressionsbewältigungstraining die Befindlichkeit unmittelbar nach, sechs und zwölf Monate nach der Rehabilitation signifikant verbesserten. Nach sechs Monaten zeigen jedoch nur noch die Patienten der Interventionsgruppe in der psychischen Befindlichkeit verbesserte Werte. Neuere Befunde implizieren darüber hinaus, dass reine Schmerzbewältigungstrainings bei Patienten mit psychischen Störungen zu unspezifisch sind (Schwarz et al., 2008).

Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde ein manualisiertes Behandlungskonzept entwi-ckelt, um komorbide Depressionen, Ängste und Somatoforme Störungen im Rahmen der stationären kardiologischen und orthopädischen Rehabilitation behandeln zu können. Die-ses Behandlungskonzept sollte möglichst ökonomisch sein, was der kurzen Verweildauer in den Kliniken gerecht wird und die Patienten nicht überfordert. Inhalte sind Psychoedukation, Entspannungsverfahren, kognitive Umstrukturierung (inkl. Aufmerksamkeitslenkung), Stressmanagement sowie Arbeit am Selbstwert. Besonderen Wert wurde auf die Nachsorge und die Einleitung von poststationären Maßnahmen gelegt.

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Methodik und Design In einem Comprehensive Cohort Design wurde geprüft, ob durch eine frühzeitige Erkennung der psychischen oder psychosomatischen Komorbiditäten und einer speziellen Intervention die Befindlichkeit (gemessen mit der HADS) der Rehabilitanden verbessert werden kann. Postuliert wurde zudem, dass auch nach sechs Monaten noch deutliche Effekte vorhanden sind.

Alle neu stationär aufgenommenen Patienten erhielten in der Eingangsdiagnostik die HADS (n = 4.367). Bei auffälligen Werten (>11) wurden die Patienten zu einem diagnostischen In-terview eingeladen (n = 1.356). Im Rahmen des Interviews wurde überprüft, ob neben den subjektiven Beschwerden auch eine psychische Diagnose vergeben werden konnte. Bei Vorliegen einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung hatten die Patienten die Mög-lichkeit, an einer Intervention teilzunehmen. Im wochenweisen Wechsel erfolgte die Zutei-lung entweder zur Interventions- oder zur Kontrollgruppe. Die Interventionsgruppe (n = 139) erhielt während der dreiwöchigen stationären Rehabilitation eine manualisierte Gruppenthe-rapie, die an sechs Tagen zusätzlich zum klinikinternen Standardprogramm stattfand. Die Kontrollgruppe (n = 221) erhielt das klinikinterne Standardprogramm. Zu drei Messzeitpunk-ten (prä- und poststationär sowie sechs Monate nach Abschluss der Reha) wurde die HADS ausgefüllt.

Es wurde eine Completer-Analyse durchgeführt, sodass nur diejenigen Patienten, die zu al-len drei Zeitpunkten die Fragebögen ausgefüllt hatten, in die Studie eingeschlossen wurden.

Ergebnisse Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die manualisierte Intervention dem reinen Stan-dardprogramm der Kliniken deutlich überlegen war. Es zeigte sich sogar, dass sich die Standardbehandlung bei Patienten mit zusätzlichen psychischen Symptomen ohne die Kombination mit der manualisierten Intervention negativ auf die psychische Befindlichkeit am Ende der Rehabilitationsmaßnahme auswirkte. Die Teilnehmer der Interventionsgruppe hatten direkt nach der Reha als auch nach sechs Monaten unauffällige Werte in der HADS, wohingegen die Teilnehmer der Kontrollgruppe zu allen Messzeitpunkten auffällige Werte vorwiesen.

0

2

4

6

8

10

12

14

T1 T2

IVKG

Abb. 1: HADS- Mittelwerte Interventionsgruppe (IV) und Kontrollgruppe (KG) (T1 und T2)

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Die Hypothesentests für Zwischen-Subjekteffekte zeigten einen signifikanten Gruppeneffekt (F-Wert = 20.40, p = <0.0011). Bei der Berechnung der Innerhalb-Subjekteffekte zeigte sich ein signifikanter zeit*gruppe-Interaktionseffekt. Die Analyse der Kontrastvariablen verdeut-lichte die gegenläufigen Gruppeneffekte zwischen T1 und T2.

Doch nicht nur am Ende der Rehabilitationsmaßnahme, sondern auch zum dritten Mess-zeitpunkt (sechs Monate nach der Reha-Maßnahme) hatten die Teilnehmer der Interventi-onsgruppe signifikant bessere Befindlichkeitswerte als die Kontrollpersonen (Cohens d = 0.86, p = <0.0001).

Die beiden Gruppen unterschieden sich zu Beginn der stationären Reha in wesentlichen Gesichtspunkten (Geschlecht, Diagnosen, körperliche Erkrankungen) nicht voneinander.

02468

101214

T1 (prä) T2 (post) T3 (6-Monats-Katamnese)

IVKG

Abb. 2: Verlauf der Befindlichkeit der beiden Gruppen

Schlussfolgerungen und Diskussion Die Ergebnisse zeigen die hohe Bedeutsamkeit der Behandlung psychischer und psycho-somatischer Auffälligkeiten im Rahmen der medizinischen Rehabilitation. Die Befindlichkeit der Interventionspatienten hat sich in der subjektiven Einschätzung durch die Teilnahme an der Intervention im Vergleich zur Kontrollgruppe deutlich verbessert.

Kritisch zu sehen ist die aufwändige Diagnostik der Patienten vor der Möglichkeit zur Teil-nahme an der Intervention. Neuere Studien besagen, dass die subjektive Befindlichkeit ei-nen besseren Prädiktor für das erneute Auftreten kardialer Ereignisse darstellt als eine (durch ein aufwändiges Interview gestellte) psychische Diagnose (Whooley et al., 2008). Vor dem Hintergrund der vorliegenden Ergebnisse und auf der Basis der neueren Literatur scheint es daher förderlicher zu sein, statt der psychischen Diagnosen nur die Befindlichkeit der Patienten per Selbstbeurteilung zu erfassen und den Patienten dann die Möglichkeit zu geben, an einer spezifischen Intervention teilzunehmen.

Literatur Baumeister, H. (2005): Psychische Störungen bei Patienten mit chronischen somatischen

Erkrankungen: Prävalenzraten und Risikoschätzungen im Vergleich zur Allgemeinbevöl-kerung und Gesunden. Albert-Ludwigs-Universität Freiburg: Dissertation.

Hampel, P., Gräf, T., Krohn-Grimberghe, B., Thomsen, M., Mohr, B. (2009): Effektivität ei-nes kognitiv-behavioralen Depressionsbewältigungstrainings in der stationären orthopä-

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dischen Rehabilitation bei chronisch unspezifischem Rückenschmerz und Depressivität. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 38 (3). 154-165.

Schwarz, S., Mangels, M., Sohr, G., Holme, M., Worringen, U., Rief, W. (2008): Patienten mit vs. ohne psychische Störung in der orthopädischen Rehabilitation. Der Schmerz, 22. 67-74.

Whooley, M.A., de Jonge, P., Vittinghoff, E., Otte, C., Moos, R., Carney, R.M., Ali, S., Dow-ray, S., Na, B., Feldman, M.D., Schiller, N.B., Browner, W.S. (2008): Depressive sym-ptoms, health behaviors, and risk of cardiovascular events in patients with coronary heart disease. JAMA, Vol. 300 (20). 2379-2388.

Ressourcenaktivierung durch störungsspezifische Gruppentherapie im Rahmen stationärer psychosomatischer Rehabilitation - Ein Angebot für

Frauen mit Traumafolgestörungen nach sexueller Gewalterfahrung

Webendörfer, S., Benoit, D., Diehl, S., Bischoff, C. AHG Klinik für Psychosomatik Bad Dürkheim

Hintergrund Frauen mit sexuellen Traumatisierungen in der Vorgeschichte haben unabhängig von der Diagnose einer PTBS Einschränkungen in ihrem bio-psycho-sozialem Funktionsniveau, die nicht immer Krankheitswert erreichen, aber zu nachhaltigen Einschränkungen in Aktivität und Teilhabe führen. Interpersonelle Interaktionen und Beziehungen sind fast immer schwie-rig, Selbstwert und Selbsteffizienz deutlich vermindert. Komorbid bestehen oft somatoforme Beschwerden und klinisch relevante Depressionen. Die Konfrontation im Rahmen der PTBS-Therapie wird insbesondere bei kurzen Behandlungsdauern kontrovers diskutiert (Neuner, 2008).

Methodik Untersucht wird die Wirksamkeit eines integrierten stationären geschlossenen Gruppen-konzeptes für die Therapie von Frauen mit Traumafolgestörungen nach sexueller Gewalt. Das Behandlungskonzept basiert auf einem kognitiv-verhaltenstherapeutischen Vorgehen, in das Skilltraining, psychoedukative sowie körpertherapeutische Übungen integriert sind. (Ehlers, 1999; Linehan, 1996). Es besteht aus insgesamt 10 Sitzungen über einen Zeitraum von 5 Wochen. Schwerpunktthemen sind Psychoedukation, Umgang mit Auslösern für post-traumatische Reaktionen sowie Schuld- und Schamgefühlen, Bericht über das Trauma mit dem Ziel, die erlebte Traumatisierung in die eigene Biographie einzuordnen, Arbeit mit inne-ren Anteilen, Abgrenzung und Vertrauen. Durch das gezielte Einsetzen von Körperübungen, die physiologische und emotionale Reaktionen auslösen, kann der Organismus lernen, aus der chronisch wiederkehrenden Alarmsituation herauszukommen. In der Gruppentherapie werden Problemsituationen simuliert und soziale Kompetenzen trainiert, die Patientinnen erleben gegenseitige Unterstützung, Feedback und lernen am Modell. Die vorhandenen Ressourcen werden aktiviert und so die funktionale Gesundheit verbessert. Die Patientinnen nehmen zusätzlich das multimodale Regelangebot der Klinik wahr.

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Im Rahmen einer Therapiestudie werden die Ressourcenaktivierung und die Veränderung der Posttraumatischen Belastungsstörung von 54 Teilnehmerinnen der "Frauengruppe" der Jahre 2008 und 2009 mit in einem Ein-Gruppen-Prä-Post-Design überprüft. (Rabung, 2007; Ehlers et al., 1996). In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich um Patientinnen, die multiple Traumatisierungen erlebt haben und an komplexen Traumafolgestörungen leiden. Neben einer PTBS werden am häufigsten depressive Störungen, Adipositas und Essstörungen so-wie Persönlichkeitsstörungen diagnostiziert, im Durchschnitt insgesamt 2,8 "F-Diagnosen". Die mittlere Verweildauer beträgt ca. 60 Tage, für etwa die Hälfte der Patientinnen sind das 8-9 Wochen Rehabilitation.

Ergebnis Die Teilnahmehäufigkeit an der Frauengruppe liegt im Mittel bei 9,7. In der Prä-Post-Messung zeigen sich hohe Effektstärken für die Zunahme der Selbstwirksamkeit und des psychischen Wohlbefindens sowie für die Abnahme interaktioneller Schwierigkeiten und der Beeinträchtigung in Aktivität und Partizipation. Mittlere Therapieeffekte zeigen sich in der Einschätzung somatoformer Beschwerden, hohe Effekte auf die Depressivität. In Bezug auf die PTBS-Symptomatik werden mittlere Effektstärken, hinsichtlich der Vermeidung sogar hohe Effektstärken erreicht. Die hohe Akzeptanz des Angebots spiegelt sich trotz Konfronta-tion in der Gruppentherapie in den sehr niedrigen Drop-out Zahlen.

Literatur Ehlers A. (1999): Posttraumatische Belastungsstörung. Göttingen: Hogrefe. Ehlers, A., Steil, R., Winter, H., Foa, E.B. (1996): Deutsche Übersetzung der Posttraumatic

Diagnostic Scale von Foa (1995). Unveröffentlichtes Manuskript, Department of Psychi-atry, Warneford Hospital, Oxford.

Linehan, M. (1996): Therapie der Borderlinestörung. München: CIP-Medien. Neuner, F. (2008): Stabilisierung vor Konfrontation in der Traumatherapie - Grundregel oder

Mythos? Verhaltenstherapie, 18. 109-118. Rabung, S., Harfst, T., Koch, U., Schulz, H. (2007): Hamburger Module zur Erfassung all-

gemeiner Aspekte psychosozialer Gesundheit für die therapeutische Praxis (HEALTH). http://www.hamburger-module.de.

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Spezifische Hemm- und Förderfaktoren bei stationärer Rehabilitation von Migranten mit psychosomatischen Erkrankungen

Pfeiffer, W. (1), Winkler, M. (1), Göbber, J. (2), Petermann, F. (3), Kobelt, A. (2) (1) Klinik am Hasenbach, Clausthal-Zellerfeld, (2) Deutsche Rentenversicherung Hannover-Braunschweig, Hannover, (3) Zentrum für klinische Psychologie und Rehabilitation, Bremen

Hintergrund und Stand der Literatur, Zweck der Untersuchung Die Behandlung von Versicherten mit Migrationshintergrund gewinnt im Kontext psychoso-matischer Rehabilitation zunehmend an Bedeutung. Grund hierfür sind steigende Zahlen von Versicherten mit Migrationshintergrund einerseits und schlechtere Behandlungs- und Wiedereingliederungserfolge andererseits (Maier, 2008; Rommel, 2005). Der Faktor Migrati-onshintergrund ist von hoher Bedeutung als ein negativer Prädiktor des Behandlungserfolgs (Mösko et al., 2008). Jedoch sind die spezifischen Hemm- und Förderfaktoren dieser Versi-chertengruppe nur unzureichend untersucht. Im Sinne eines ICF-basierten Reintegrations-managements sollten eben solche Kontextfaktoren in die Rehabilitationskonzepte systema-tisch mit einbezogen werden. Ziel der hier vorgestellten Studie ist es, zu untersuchen, durch welche spezifischen Hemm- und Förderfaktoren sich psychosomatisch erkrankte Versicher-te mit Migrationshintergrund, die eine stationäre Heilbehandlung absolvieren, auszeichnen sowie den Behandlungserfolg bei dieser Versichertengruppe zu erheben.

Methodik/Studiendesign Untersucht wurden in einem quasiexperimentellen Studiendesign insgesamt 625 Patienten (274 Migranten, 351 Deutsche), die sich im Zeitraum von 2006 bis 2009 in der psychosoma-tischen Rehabilitation in der Klinik am Hasenbach befanden. Die Patienten wurden durch den behandelnden Arzt fremdeingeschätzt, welcher für jeden Versicherten einen Fragebo-gen ausfüllte, der Items zu Hemm- und Förderfaktoren, Diagnosen und der Behandlung ent-hielt.

Ergebnisse Die Gruppe der Patienten mit Migrationshintergrund unterschied sich signifikant (p<0,05) von der Gruppe der deutschen Patienten in nahezu allen Variablen. Die Migranten verfügten über einen geringeren Aus- und Schulbildungsstand als die deutsche Kontrollgruppe, wie-sen längere Arbeitslosigkeitszeiten auf, waren vor Antritt der Heilbehandlung längere Zeit arbeitsunfähig, bezogen häufiger Rente und zeigten auch häufiger Rentenbestrebungen, sie verfügten häufiger über einen Grad der Behinderung und stammten häufiger aus Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern. Zudem zeigte sich, dass bei den Migranten signifikant mehr Frauen eine psychosomatische Heilbehandlung in Anspruch nahmen. Keine Unter-schiede zeigten sich beim Alter. Weiter zeigte sich, dass die Patienten mit Migrationshin-tergrund häufiger in einer Partnerschaft oder im Familienverband lebten. Die Patienten mit Migrationshintergrund zeigten mehr somatoforme und depressive Störungsbilder, jedoch weniger Erschöpfungssyndrome, keine Unterschiede zeigten sich bei den Angststörungen. Bezogen auf die Behandlung zeigte die Migrantengruppe mehr somatisch-orientierte Be-handlungserwartungen und äußerten häufiger den Wunsch nach geschlechtsspezifischen Behandlungsangeboten. In Bezug auf den Behandlungsverlauf zeigten die Migranten eine

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geringere Behandlungsdauer, erhielten dabei mehr berufsbezogene Beratungen, wurden häufiger arbeitsunfähig entlassen und zeigten häufiger Einschränkungen im Leistungsbild. Den Entlassungsstatus stuften sowohl die Patienten mit Migrationshintergrund selbst, als auch deren Behandler signifikant schlechter ein, als es bei der deutschen Kontrollgruppe der Fall war.

Schlussfolgerungen, Umsetzung und Ausblick Die deutlichen Unterschiede in den Hemm- (Bildungsstand, erwerbsbezogene Attribute, Rentenbezug) und Förderfaktoren (soziale Unterstützung), wie auch in den Behandlungser-wartungen zeigen die Notwendigkeit der Berücksichtigung dieser in der Behandlung von Pa-tienten mit Migrationshintergrund auf, welche durch die signifikant schlechteren Behand-lungsergebnisse untermauert werden. Die vorliegende Untersuchung weist die begrenzte Wirksamkeit aktueller Vorgehensweisen in der Rehabilitation von Versicherten mit Migrati-onshintergrund nach und zeigt Ansatzpunkte für notwendige Veränderungen auf. Neben den erwerbs- und störungsbezogenen Unterschieden sollte auch den abweichenden Behand-lungserwartungen und dem größeren Anteil von weiblichen Rehabilitanden Rechnung ge-tragen werden.

Literatur Maier, C. (2008): Migration und rehabilitative Versorgung in Deutschland. In: Schott, T.:

Veröffentlichungsreihe des Zentrums für Versorgungsforschung. Forschungsbericht, Bie-lefeld: Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld.

Mösko, M., Schneider, J., Koch, U., Schulz, H. (2008): Beeinflusst der türkische Migrations-hintergrund das Behandlungsergebnis? Psychotherapie Psychosomatik Medizinische Psychologie, 58. 176-182.

Rommel, A. (2005): Migration und Rehabilitation psychischer Erkrankungen - Perspektiven und Grenzen einer Gesundheitsberichtserstattung mit Routinedaten. Gesundheitswesen, 67. 280-288.

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Symptomatik, Krankheitsmodelle, Behandlungserleben und Effekte bei Patienten mit und ohne Migrationshintergrund

Gruner, A. (2), Oster, J. (1), Müller, G. (2), von Wietersheim, J. (1) (1) Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universität Ulm,

(2) Schlossklinik Bad Buchau

Hintergrund und Ziele Der Prozentsatz der Ausländer, die im Jahr 2005 an einer stationären Medizinischen Reha-bilitation teilnahmen, lag bei der Deutschen Rentenversicherung Baden Württemberg bei über 21 % (Werte errechnet aus Statistik der Deutschen Rentenversicherung, 2007). Stu-dien über die Wirksamkeit psychosomatischer Rehabilitation haben gezeigt, dass Patienten mit Migrationshintergrund oft nicht zufriedenstellend von der Rehabilitation profitieren (Col-latz 1997, Schmeling-Kludas et al., 2003). Über die Gründe gibt es viele Spekulationen. Mangelnde Deutschkenntnisse, geringe Schulbildung und kulturelle Barrieren erschweren übliche Fragebogenerhebungen (Schmeling-Kludas et al., 2002), so dass der transkulturelle Forschungsprozess für die psychosomatische Rehabilitation noch sehr am Anfang steht. In der Rehabilitationsklinik Schloss Bad Buchau liegt der Anteil der Patienten mit Migrations-hintergrund bei ca. 30 %. Das Hauptziel der hier vorgestellten Studie war nun der Vergleich der Patienten mit und ohne Migrationshintergrund hinsichtlich soziodemografischer Variab-len, Symptomatik, Verlauf und Ergebnis der Rehabilitation. Von besonderem Interesse wa-ren zudem die Erfassung und der Vergleich von Krankheitsmodellen, Therapieerwartungen und dem Erleben der Behandlung.

Methodik In der Studie wurden konsekutiv aufgenommene Patienten der beteiligten Rehabilitationskli-nik Schloss Bad Buchau, Abteilung Psychosomatik, mit und ohne Migrationshintergrund un-tersucht. Migration ist definiert als transkulturelle Wanderung eines Individuums von einem kulturellen Großraum in einen anderen (Haasen, 2000). Patient mit Migrationshintergrund bedeutete, dass der Patient irgendwann in seinem Leben eine derartige Erfahrung gemacht hat. Weitere objektive Daten3 wie Nationalität des Patienten und seiner Eltern, sowie Über-siedlungsjahr wurden erhoben. In die Teilnahme an der Studie willigten 150 Patienten ein. Zu Beginn des Aufenthaltes wurden alle Studienteilnehmer über die Studie mündlich sowie mit einem Informationsschreiben informiert und um Teilnahme gebeten. Bei Bedarf erhielten die Patienten das Informationsschreiben in ihrer entsprechenden Muttersprache.

Aufgrund der oben beschriebenen methodischen Schwierigkeiten einer Fragebogenuntersu-chung wurden zu den drei Zeitpunkten Aufnahme und Entlassung sowie drei Monate nach Abschluss der Behandlung halbstrukturierte Interviews durchgeführt. Die Nachuntersuchun-gen geschehen in Form von Telefoninterviews und werden im Dezember dieses Jahres ab-geschlossen sein. Auswertungen erfolgen im Quer- und Längsschnitt.

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Ergebnisse Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass es den Patienten mit Migrationshintergrund subjek-tiv bei Aufnahme und bei Entlassung in den Bereichen körperliche und seelische Verfassung sowie der Einschätzung der allgemeinen Leistungsfähigkeit bedeutend schlechter geht als den Patienten ohne Migrationshintergrund. Die Patienten mit Migrationshintergrund spüren zum Entlassungszeitpunkt eine deutlich geringe subjektive Verbesserung ihrer Symptome und sind insgesamt unzufriedener mit der Behandlung. Die sozialmedizinische Erwartung ist ebenfalls bei Patienten mit Migrationshintergrund deutlich negativer, wohingegen deutsche Patienten sich am Ende ihres Aufenthaltes überwiegend als arbeitsfähig einschätzen.

35 % der Patienten mit Migrationshintergrund berichteten, sich nach einem Leben in ihrem Heimatland zu sehnen.

25 % fühlten sich durch ihre mangelnden Sprachkenntnisse bei den Therapien einge-schränkt.

Schlussfolgerung Insgesamt sprechen die bisherigen Ergebnisse dafür, dass Patienten mit Migrationshin-tergrund bereits subjektiv "kränker" in die Rehabilitation kommen und gleichzeitig weniger von den Therapien profitieren. Ein Grund scheinen mangelnde Sprachkenntnisse zu sein. Der Abschluss der Katamnese sowie Auswertung der umfangreichen Daten werden weite-ren Aufschluss geben.

Literatur Collatz, J. (1997): Ethnomedizinische Grundlagen der Beurteilung von Arbeitsmigranten -

verschiedene Aspekte der Lebensleistung. In: Collatz, J., Koch, E., Salman, R., Mach-leidt, W. (Hrsg.): Transkulturelle Begutachtung, Bd. 1. Verlag für Wissenschaft und Bil-dung, Berlin. 13-35.

Deutsche Rentenversicherung Bund (2007): Statistik der Deutschen Rentenversicherung, Bd. 159. Berlin.

Haasen, C. (2000): Kultur und Psychopathologie. In: Haasen, C., Yagdiran, O. (Hrsg.): Beur-teilung psychischer Störungen. Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau. 14-29.

Schmeling-Kludas, C., Boll-Klatt, A., Fröschlin, R. (2002): Was lässt türkische Migranten psychosomatisch erkranken? Rückschlüsse aus einer retrospektiven Aktenanalyse. In: Dettmers, C., Albrecht, N.-J., Weiller, C. (Hrsg.): Gesundheit, Migration, Krankheit. Hip-pocampus Verlag, Bad Honnef. 195-203.

Schmeling-Kludas, C., Fröschlin, R., Boll-Klatt, A. (2003): Stationäre psychosomatische Re-habilitation für türkische Migranten: Was ist realisierbar, was ist erreichbar? Die Rehabili-tation, 42. 363-370.

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Rehabilitation bei psychischen Störungen (Poster)

Gestufte psychiatrische und psychosomatische Versorgung - Kriterienorientierte Indikationsstellung mit der Checkliste CGPV

Nosper, M. Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz, Alzey

Hintergrund und Stand der Literatur Für die Behandlung von Menschen mit psychischen Störungen und psychosomatischen Er-krankungen steht ein fachlich differenziertes und nach Kostenträgern gegliedertes Versor-gungssystem zur Verfügung (Nosper, 2005). Um unwirtschaftliche Verordnungen und Fehl-allokationen zu vermeiden, muss die Differenzialindikation mit den Schwerpunktfragen "Reicht ambulante Behandlung aus, ist Rehabilitationsbehandlung notwendig, ist Kranken-hausbehandlung notwendig?" gezielt gestellt und nach definierten Kriterien beantwortet werden. Gemessen an der Bedeutung kriterienorientierter Indikationsstellung ist die For-schungslage unzureichend und die Meinungslage inhomogen (Maylath, 2005; Hildenbrand, 2003). Vor allem fehlt es an praktikablen Hilfen, die dem behandelnden Arzt, dem sozialme-dizinischen Gutachter und dem Rehabilitationsträger eine Indikationsentscheidung nach einheitlichen und sozialmedizinisch konformen Kriterien ermöglichen.

Zweck der Untersuchung Um eine medizinisch zweckmäßige und sozialmedizinisch angemessene Differenzialindika-tion zwischen ambulanter Versorgung, Krankenhausbehandlung und Rehabilitation zu un-terstützen, entwickelte der Autor die "Checkliste gestufte psychiatrische und psychosomati-sche Versorgung (CGPV)" (Nosper, 2009). Sie ermöglicht auf der Grundlage ausreichender Untersuchungsbefunde die eindeutige Entscheidung für die Behandlungsoptionen "Ambu-lante Versorgung, Integrierte Versorgung, Rehabilitation oder Krankenhausbehandlung".

Methodik Aus der Sozialrechtsprechung und medizinischen Veröffentlichungen zum Thema wurden Kriterien abgeleitet, die einen Beitrag zur gestuften und differenziellen Indikation leisten. Diese Kriterien wurden einer sozialmedizinischen Revision unterzogen und unter Beachtung der Rechtsprechung, der Stufungsgrundsätze der Sozialgesetzbücher und bestehender Richtlinien als hierarchisches Entscheidungsdiagramm systematisiert.

Ergebnisse Ausgehend von der literaturgestützten Einschätzung des Autors, dass eine direkt verglei-chende Abgrenzung zwischen der Indikation zur Krankenhausbehandlung und Rehabilitati-onsbehandlung auf der Grundlage von Patientenmerkmalen und Behandlungsstrukturen nicht möglich ist, wurde ein neuer Ansatz gewählt. Im ersten Schritt wird geprüft, ab ambu-lante Versorgung ausreicht. Reicht diese nicht aus, wird geprüft, ob eine Rehabilitationsbe-handlung als Leistung der DRV oder der GKV notwendig und zweckmäßig ist. Die Notwen-

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digkeit einer Krankenhausbehandlung ergibt sich in dieser Systematik daraus, dass ambu-lante Behandlung nicht ausreicht, eine stationäre Versorgung notwendig und zweckmäßig ist, diese jedoch wegen definierter Kontraindikationen nicht als Rehabilitationsbehandlung erbracht werden kann.

Diskussion Die Checkliste CGPV ist ein Anstoß, der qualifizierten Nutzung des Versorgungssystems mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Mit der evidence based medicin wird versucht, das the-rapeutische Handeln rationaler zu gestalten. Eine vergleichbare Rationalität im Bereich der Zuweisungssteuerung ist unzureichend entwickelt und bedarf größerer Anstrengungen. Dies gilt auch für das Antragsverfahren auf Rehabilitationsleistungen.

Umsetzung und Ausblick Die Checkliste wurde medizinischen Experten zur Bewertung der Stichhaltigkeit und An-wendbarkeit vorgelegt und hinsichtlich der Kriterien und gelieferten Ergebnisse als stimmig eingestuft. Die Anwendung in einer Ambulanz zeigte, dass die Kriterien schnell verinnerlicht werden und die reine Arztbewertung und das Checklistenurteil nach paralleler Anwendung übereinstimmen. Damit eignet sich die Liste auch für die sozialmedizinische Schulung von Ärzten und Gutachtern. Das Manuskript der Originalarbeit sowie eine anwendungsfähige Version der Checkliste CGPV stellt der Autor auf Anfrage zur Verfügung.

Literatur Hildenbrand, G. (2003): Zur Differenzierung psychosomatisch-psychotherapeutischer Kran-

kenhausbehandlung und stationärer Rehabilitation. Zeitschrift für Psychosomatische Me-dizin und Psychotherapie, 49. 308-322

Maylath, E. (2005): Rehabilitationsantrag oder Krankenhauseinweisung. In: Friboes, R.-M., Zaudig, M., Nosper, M. (Hrsg.): Rehabilitation bei psychischen Störungen. München, El-sevier, Urban, Fischer, 1. Auflage. 58-65.

Nosper, M. (2005): Versorgungsstrukturen zur Behandlung und Rehabilitation psychischer Störungen und psychosomatischer Erkrankungen in Deutschland. In: Friboes, R.-M., Zaudig, M., Nosper, M. (Hrsg.): Rehabilitation bei psychischen Störungen. München, El-sevier, Urban, Fischer, 1. Auflage. 49-57.

Nosper, M. (2009): Gestufte psychiatrische und psychosomatische Versorgung. Kriterienori-entierte Indikationsstellung mit der Checkliste CGPV. Eingereicht zur Veröffentlichung in Thieme Psychiatrische Praxis.

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Validität der klinischen Diagnose "Anpassungsstörung" in der stationären Psychosomatischen Rehabilitation

Köllner, V. (1,2), Terber, S. (1), Untersinger, I. (1), Phillipe, J. (1), Bernardy, K. (1,3) (1) Fachklinik für Psychosomatische Medizin, Mediclin Bliestal Kliniken, Blieskastel,

(2) Medizinische Fakultät der Universität des Saarlandes, (3) Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Universitätskliniken des Saarlandes, Homburg/Saar

Fragestellung Anpassungsstörungen (AD) gehören sowohl in der ambulanten Psychotherapie (Bley et al., 2008) als auch in Rehabilitationskliniken zu den am häufigsten gestellten Diagnosen, ob-wohl der Rehabilitationsbedarf in dieser Diagnosegruppe durchaus kritisch diskutiert wird (Amberger et al., 2005). Gerade bei Rehabilitanden mit beruflichen Konfliktsituationen (z. B. Mobbing) scheinen AD eine häufige Diagnose zu sein (Kobelt et al., 2009). In der Forschung fanden sie bisher eher geringes Interesse, die Zahl der Publikationen zu diesem Störungs-bild entspricht nicht der klinischen Bedeutung. Die Abgrenzbarkeit gerade zu depressiven Störungen ist von hoher praktischer Relevanz, z. B. für die Frage, ob Leitlinien für die Be-handlung von Patienten mit Depression auch für Patienten mit depressiven Anpassungsstö-rungen übertragbar sind (Volke et al., 2009). Ziel der vorliegenden Studie ist es, zu verglei-chen, wie häufig die Diagnose AD von erfahrenen Klinikern im Rahmen der Aufnahmeunter-suchung im Vergleich zu einer Nachuntersuchung mit einem strukturierten Interview (CIDI) gestellt wird.

Methoden 240 Patienten (w: 77 %; m: 23 %; Alter: 48,68 ± 8,61 Jahre) einer psychosomatischen Re-habilitationsklinik wurden mit Hilfe eines strukturierten Interviews zur Erfassung psychischer Störungen (CIDI) innerhalb der ersten Woche nach Aufnahme beurteilt. Da das CIDI ADs nicht erfasst, wurde es um das entsprechende Modul aus dem SKID ergänzt. Die Intervie-wer waren hinsichtlich des Ergebnisses der klinischen Diagnostik verblindet. Dies wurde nachträglich aus den Entlassbriefen entnommen. Die klinische Diagnostik stützte sich auf ein 90- bis 120-minütiges Interview einschließlich biographischer Anamnese und Testdia-gnostik (z. B. SCL-90).

Ergebnisse Die Kliniker diagnostizierten in 38,3 % der Fälle eine AD, das strukturierte Interview in 15,8 % der Fälle. Mehr als die Hälfte der Patienten, die klinisch die Diagnose AD erhalten hatten, zeigten im strukturierten Interview ein depressives Störungsbild (55,4 % Dysthymia, 32,4 % schwere depressive Episode, 21,6 % mittelgradige depressive Episode), gefolgt von somatoformen Störungen (31 % anhaltende somatoforme Schmerzstörung) und Angststö-rungen (12,1 % Generalisierte Angststörung, 10,8 % Panikstörung). Insgesamt ermittelt die strukturierte Diagnostik eine größere Anzahl komorbider Diagnosen und scheint vor allem bei Angststörungen sensitiver zu sein. Eine Übersicht über die unterschiedlichen Diagnose-häufigkeiten gibt Tabelle 1.

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Rang Diagnose klinisch Häufigkeit Diagnose CIDI/SKID Häufigkeit

1 Anpassungsstörung F43.2 38,3 % (92) Dysthymia F34.1 47 % (113)

2 Mittelgradige depr. Episode F32.1 10,4 % (25) Somatoforme Schmerzstörung F45.4 31,25 % (75)

3 Mittelgradige depr. Episode (rez. Störung) F33.1 10,4 % (25) Spezifische Phobie F40.21- F40.25 26,25 % (63)

4 Somatoforme Schmerzstörung F45.4 7 % (17) Schwere depressive Episode F32.2 25 % (60)

5 Angst und Depression gemischt F41.2 6,25 % (15) Anpassungsstörung F43.2 15,8 % (39)

6 Dysthymia F34.1 5 % (12) Mittelgradige depr. Episode F32.1 13,3 % (32)

7 Leichte depr. Episode (rez. Störung) F33.0 4,5 % (11) Generalisierte Angststörung F41.1 13,3 % (32)

8 Agoraphobie mit Panikstörung F40.01 3,3 % (8) Agoraphobie mit Panikstörung

F40.01 12,5 % (30)

9 Posttraumatische Belastungsstö-rung F43.1 2 % (5) F43.1 Posttraumatische Belas-

tungsstörung 11,6 % (28)

10 Generalisierte Angststörung F41.1 1,6 % (4) F40.1 Soziale Phobie 11,25 % (27)

Tab. 1: Die 10 häufigsten Diagnosen in der klinischen und der strukturierten Diagnostik (n = 240). Bei den klin. Diagnosen sind nur Erstdiagnosen angegeben, im CIDI nicht, da dies keine entsprechende Ge-wichtung vornimmt.

Diskussion Klinisch war die Anpassungsstörung mit einem Anteil von 38,3 % die häufigste Diagnose, in der strukturierten Diagnostik fand sich hingegen nur eine Prävalenz von 15,8 %. Dieser Un-terschied erklärt sich vor allem aus dem C-Kriterium des DSM-IV, wonach eine andere Di-agnose vorrangig vergeben werden sollte, wenn die entsprechenden diagnostischen Krite-rien erfüllt sind. So erwies sich eine klinisch diagnostizierte Anpassungsstörung im CIDI häufig als Dysthymia, aber auch mittelschwere und sogar schwere depressive Episoden wurden klinisch als Anpassungsstörung klassifiziert. Dies könnte darauf hinweisen, dass Kliniker bei ihrer diagnostischen Einschätzung stärkeres Gewicht auf eine kausale Betrach-tung legen als dies die aktuellen diagnostischen Systeme vorsehen. Eine solche Diskrepanz zwischen klinischer und strukturierter Diagnostik ist unbefriedigend. Ein Lösungsansatz könnte eine Neuformulierung der diagnostischen Kategorie Anpassungsstörung sein, wie sie z. B. Maercker et al. (2007) vorschlagen. Die derzeit bestehende diagnostische Unschärfe vor allem zwischen Anpassungsstörungen und depressiven Störungen spricht dafür, Thera-piestandards für beide Diagnosegruppen gemeinsam zu formulieren. Forschung zu diesem häufigen Störungsbild und auch zur Bedeutung strukturierter Diagnostik für die Psychoso-matische Rehabilitation insgesamt ist notwendig.

Literatur Amberger, S., Beisel, J., Fischer, K., Hoppe, S., Irle, H., Rohwetter, M., Sandner, G. (2005):

Leitlinien zur Rehabilitationsbedürftigkeit bei psychischen Störungen. 2. Fassung. Berlin: Deutsche Rentenversicherung Bund.

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Bley, S., Einsle, F., Maercker, A., Weidner, K., Joraschky, P. (2008): Anpassungsstörungen - die Erprobung eines neuen diagnostischen Konzepts in einem ambulanten psychoso-matischen Setting. Psychotherapie - Psychosomatik - Medizinische Psychologie, 58. 446-543.

Kobelt, A., Pfeiffer, W., Winkler, M., vom Bauer, V., Gutenbrunner, C., Petermann, F. (2009): Sind Mobbingbetroffene eine besondere Patientengruppe in der psychosomatischen Re-habilitation? Die Rehabilitation, 48. 312-320.

Maercker, A., Einsle, F., Köllner, V. (2007): Adjustment disorders as stress response syn-dromes: A new diagnostic concept and its exploration in a cardiology patient sample. Psychopathology, 40. 135-146.

Volke, E., Dirmaier, J, Barghaan, D. (2009): Unveröffentlichter Materialienband zum Exper-tenworkshop "Leitlinie für die Rehabilitation von Patienten mit Depression". Berlin: Deut-sche Rentenversicherung Bund.

Therapiewahlalgorithmus für die Arzneimittelbehandlung in der Rehabilitation: THE-Checkliste

Keßler, U., Linden, M. Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité,

Universitätsmedizin Berlin und dem Rehabilitationszentrum Seehof der Deutschen Rentenversicherung Bund, Teltow

Hintergrund Die Aufgabe der stationären medizinischen Rehabilitation ist die Behandlung von Langzeit-erkrankungen. Dies erfordert die Berücksichtigung der bisherigen Behandlungsbemühungen wie auch den Transfer in die ambulante Versorgung nach dem Ende der Rehamaßnahme. Eine häufige therapeutische Fragestellung ist die Optimierung, Umstellung oder Neueinstel-lung der Arzneimittelbehandlung (Linden, 2004). Dabei ist zu berücksichtigen, dass dies stets ein Schritt in einer Reihe von früheren Medikationsversuchen darstellt. Auch Transfer- und Nachhaltigkeitseffekte der Rehabilitation werden wesentlich durch die Fortführung der Arzneimitteltherapie bedingt. Dies gilt sowohl für kurative als auch für prophylaktische Maß-nahmen. Schließlich stellt die Arzneimitteltherapie sowohl während der stationären Rehabili-tation wie auch anschließend unter ambulanten Bedingungen einen hohen Kostenfaktor dar, der bei Verordnungen mit zu bedenken ist.

Problem Die Pharmakotherapie in der Rehabilitation muss sich in die laufende Behandlung einfügen und die bisherige Behandlungsvorgeschichte zur Kenntnis nehmen. Die Optimierung einer Medikation im Rahmen der Rehabilitation sollte unter Verlaufs-, Prognose- und Teilhabege-sichtspunkten stattfinden.

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Stand der Forschung Bislang existiert kein Algorithmus zur evidenzbasierten Erhebung der Arzneimittelanamnese und Bewertung der bisherigen Therapieschritte, welcher eine zusammenfassende Schluss-folgerung und daraus ableitbare Therapieempfehlungen erlaubt (Adli et al., 2006).

Methode Es wird ein Therapiewahlalgorithmus am Beispiel der Pharmakotherapie der Depression (Bauer et al., 2002a; Bauer et al., 2002b) vorgestellt (THE-Checkliste). Dieser erlaubt zum einen die standardisierte Erhebung und Bewertung der Behandlungsvorgeschichte und in-tegriert diese gleichzeitig in einen evidenzbasierten Algorithmus zur Wahl der bestmöglichen Therapiealternative.

Ergebnis Die Auswahl eines Medikamentes basiert auf (a) einer Zusammenstellung aller verfügbaren Therapieoptionen, (b) der evidenzbasierten Hierarchisierung der Medikamente unter Ge-sichtspunkten der Wirksamkeit, Nebenwirkungen, Angemessenheit der Anwendung, Kosten etc. sowie der Erhebung und Bewertung der Vorbehandlungen. (c) Diese Informationen können in einem Algorithmus zur Wahl der besten Therapiealternative wie in der "Treatment History Evaluation (THE)-Checklist" integriert werden. (d) Diese Systematisierung ermög-licht auch eine bessere Einbindung des Patienten in die laufende Therapie (Barber et al., 2004; Reichhart et al., 2008).

Schlussfolgerungen Die THE-Checkliste erlaubt die Erhebung der Behandlungsvorgeschichte in einem detaillier-ten wie standardisierten Verfahren, bewertet die vergangenen Behandlungsschritte in bezug auf Angemessenheit und Effektivität, identifiziert die noch möglichen Behandlungsoptionen und erlaubt die Entscheidung über den nächsten Schritt in der Pharmakotherapie. Sie stellt zugleich ein Instrument dar, mit dem die Einbindung des Patienten in die laufende Therapie verbessert werden kann.

Literatur Adli, M., Bauer, M., Rush, A.J. (2006): Algorithms and collaborative-care systems for de-

pression: are they effective and why? A systematic review. Biol Psychiatry, 59. 1029-1038.

Barber, N., Parsons, J., Clifford, S., Darracott, R., Horne, R. (2004): Patients' problems with new medication for chronic conditions. Qual Saf Health Care, 13. 172-175.

Bauer, M., Whybrow, P.C., Angst, J., Versiani, M., Moller, H.J. (2002a): World Federation of Societies of Biological Psychiatry (WFSBP). Guidelines for Biological Treatment of Unipo-lar Depressive Disorders, Part 1: Acute and continuation treatment of major depressive disorder. World J Biol Psychiatry, 3. 5-43.

Bauer, M., Whybrow, P.C., Angst, J., Versiani, M., Moller, H.J. (2002b): World Federation of Societies of Biological Psychiatry (WFSBP). Guidelines for Biological Treatment of Unipo-lar Depressive Disorders, Part 2: Maintenance treatment of major depressive disorder and treatment of chronic depressive disorders and subthreshold depressions. World J Bi-ol Psychiatry, 3. 69-86.

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Linden, M. (2004): Begründungen von Ärzten für die Auswahl eines Arzneimittels. Der The-rapiewahlfragebogen. Psychopharmakotherapie, 11. 76-79.

Reichhart, T., Kissling, W., Scheuring, E., Hamann, J. (2008): Patient Participation in Ger-man Psychiatry - A Critical Review. Psychiat Prax, 35. 111-121.

Prädiktoren des Alltagstransfers von Progressiver Muskelrelaxation nach stationärer psychosomatischer Rehabilitation

Klosterhalfen, S. (1), Becker, N. (2), Welsch, K. (1), Köllner, V. (1) (1) MediClin Bliestal Kliniken, Blieskastel, (2) Differentielle Psychologie und psychologische

Diagnostik, Universität des Saarlandes, Saarbrücken

Hintergrund Die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson (PMR) stellt eines der am häufigsten ein-gesetzten Entspannungsverfahren in deutschen Rehakliniken dar (Brenner, 2002; Krampen, 2002a). Obwohl sich bei derartigen Programmen rasche Übungserfolge einstellen, scheitert ein nicht zu vernachlässigender Anteil von Patienten am Transfer des Erlernten in den Alltag (Derra, 2007). Interessant ist hierbei die Frage, durch welche Faktoren die Aufrechterhal-tung des Übungsverhaltens bei den übrigen Patienten bedingt wird. Bereits bekannt ist, dass der Therapieerfolg sowohl von der Übungshäufigkeit außerhalb der Übungsstunden innerhalb der Klinik als auch von der Motivation zu Beginn des Kurses abhängig ist (Bernar-dy et al., 2008). In diesem Zusammenhang kann angenommen werden, dass die Motivation zur Anwendung der erlernten Techniken im Alltag durch die Verbesserung der Symptome, die während der stationären Rehabilitation wahrgenommen wurde, beeinflusst ist. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es daher, festzustellen, ob der Reduktion vorhandener Symptome sowie dem eingeschätzten Entspannungserleben ein positiver Einfluss auf die Übungshäufigkeit im Alltag zugeschrieben werden kann.

Methode 181 Patienten einer psychosomatischen Rehabilitationsklinik, die an einem PMR-Kurs teil-nahmen, wurden zu Beginn des Kurses (T1), bei Abreise (T2) und nach 3 Monaten (T3) mit-tels einer modifizierten Version des "diagnostischen und evaluativen Instrumentariums für Entspannungsverfahren und Entspannungstherapie" (ET-EVA; vgl. Krampen, 2002b) be-fragt. Insgesamt 134 Patienten antworteten, was einer Rücklaufquote von 74,0 % entspricht. 71 % der Patienten dieser Stichprobe waren weiblichen Geschlechts, das Alter lag im Mittel bei 49,7 ± 7,7 Jahren. Neben einer Einschätzung der aktuellen Beschwerden wurden eben-falls die Veränderung des Entspannungserlebens und Wohlbefindens zwischen den Mess-zeitpunkten sowie die Übungshäufigkeit erfasst. Eine Übungshäufigkeit von mindestens einmal pro Woche zum Zeitpunkt T3 wurde als erfolgreich definiert. Als Maß der Verände-rung der Symptome wurden Differenzwerte zwischen den Messzeitpunkten berechnet.

Ergebnisse Insgesamt konnten die Rehabilitanden zum Ende der Rehabilitation eine signifikante Sym-ptomreduktion erzielen, die auch in der Katamnese nach 3 Monaten noch nachweisbar war

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(Tab. 1). Zum Zeitpunkt T3 übten 47,8 % der Patienten noch mindestens einmal pro Woche. Das Entspannungserleben während der Rehabilitation zeigte sich als bester Prädiktor des Alltagstransfers. Diesbezügliche Einschätzungen zu T2 korrelieren signifikant mit der Übungshäufigkeit (r = 0,331; p < 0,01) nach 3 Monaten. Weder die Symptombelastung zu den unterschiedlichen Zeitpunkten (mit einer mittleren Korrelation von r = 0,07, n. s.), noch die errechneten Veränderungswerte (mit einer mittleren Korrelation von r = 0,07, n. s.) wei-sen Zusammenhänge mit der Übungshäufigkeit auf.

Skala T1 T2 T3 T1 vs. T2 T1 vs. T3 Körperliche u. psychische Erschöpfung_T0 2,19 ± 0,52 1,28 ± 0,52 1,56 ± 0,67 t=15,77; p < 0,01 t=10,77; p < 0,01

Nervosität u. innere Anspannung_T0 1,75 ± 0,66 1,05 ± 0,66 1,25 ± 0,74 t=11,38; p < 0,01 t=7,67; p <0,01

Psychophysiologische Dysregulation_T0 1,17 ± 0,63 0,87 ± 0,63 0,96 ± 0,64 t=6,67; p < 0,01 t=4,63; p < 0,01

Leistungs- u. Verhaltens-schwierigkeiten_T0 1,52 ± 0,68 1,04 ± 0,68 1,13 ± 0,74 t=8,02; p < 0,01 t=6,5; p < 0,01

Schmerzbelastung_T0 1,29 ± 0,66 0,92 ± 0,66 1,07 ± 0,68 t=8,59; p < 0,01 t=4,67; p < 0,01

Selbstbestimmung u. Selbstkontrolle _T0 1,49 ± 0,75 0,99 ± 0,75 1,07 ± 0,76 t=8,47; p < 0,01 t=6,56; p < 0,01

Tab. 1: Mittelwertvergleich der Skalen des ET-SYM zwischen T1 (Aufnahme), T2 (Entlassung) und T3 (Ka-tamnese nach 3 Monaten), n = 134

Diskussion Insgesamt sprechen die Ergebnisse für einen nachhaltigen Effekt des Entspannungstrai-nings. Der Alltagstransfer scheint mehr vom Entspannungserleben als von der Symptomre-duktion beeinflusst zu sein. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass es sinnvoll sein könn-te, Entspannungskurse so zu konzipieren, dass ein initiales Erleben von Entspannung er-leichtert wird (z. B. Üben im Liegen, angenehmer und ungestörter Raum), anstatt zu früh un-ter "alltagsnahen" Bedingungen zu üben. Weiteren Aufschluss über den Erfolg des Alltags-transfers kann hierbei die Forschung zu interindividuellen Voraussetzungen des Entspan-nungserlebens sowie eine Erhebung der Langzeit-Katamnese geben.

Literatur Bernardy, K., Krampen, G., Köllner, V. (2008): Prädiktoren des Alltagstransfers eines statio-

nären erlernten Entspannungstrainings. Die Rehabilitation, 47. 359-365. Brenner, H. (2002): Progressives Entspannungstraining. Pabst: Lengerich. Derra, C. (2007): Progressive Relaxation. Grundlagen und Praxis für Ärzte und Therapeu-

ten. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag. Krampen, G. (2002a): Prognostischer Wert von Vorerfahrungen und Teilnahmemotiven für

den Lern- und Transferprozess bei Autogenem Training und Progressiver Relaxation. Entspannungsverfahren, 19. 5-24.

Krampen, G. (2002b): ET-ANAM. Entspannungstraining und -therapie. Anamnesebogen. Göttingen: Hogrefe.

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Gründe für Nichtantritt oder frühzeitige Beendigung einer Nachsorgeleistung im Bereich psychischer Störungen

Mussgay, L., Rüddel, H. Psychosomatische Fachklinik St. Franziska-Stift, Bad Kreuznach, Abteilung für

Verhaltensmedizin und Rehabilitation des Forschungszentrums für Psychobiologie und Psychosomatik (FPP) an der Universität Trier

Fragestellung und Hintergrund Bei den Nachsorgeangeboten unserer psychosomatischen Fachklinik fiel auf, dass a) ein substanzieller Anteil angemeldeter Patienten die Maßnahme gar nicht erst antrat und dass b) ebenfalls relativ viele Patienten die Maßnahme nicht ordnungsgemäß zu Ende führten. Um nähere Aufschlüsse über die Gründe zu erhalten und um gegebenenfalls unser spezifi-sches Angebot entsprechend anpassen zu können, führten wir eine anonyme postalische Umfrage durch.

Methodik Für Fragestellung a) erhielten alle Patienten, die zwischen Mai 2008 und Mai 2009 für eine Nachsorgemaßnahme angemeldet wurden, einen Fragebogen mit Rückumschlag zuge-schickt und wurden mit einem Begleitschreiben, das den Hintergrund der Umfrage darstellte, um Beantwortung gebeten. Für Fragestellung b) wurden alle Patienten, welche im selben Zeitraum die Maßnahme angetreten, sie aber frühzeitig (<15 Teilnahmen) ohne Angabe von Gründen beendet hatten, mit einem etwas erweiterten Fragensatz angeschrieben. Die Pati-enten sollten jeweils angeben, welche Gründe bei ihnen zutrafen, zudem sollten sie die für sie zutreffenden Gründe in eine Rangreihe bringen. Zusätzlich wurde erfragt, ob die Aufklä-rung über die geplante Maßnahme ausreichend empfunden wurde und, wie der Nichtantritt bzw. der Abbruch im Nachhinein bewertet wird. Die Fragen sind bei den berichteten Ergeb-nissen aufgeführt.

Ergebnisse Für Fragestellung a) wurden 40 Patienten angeschrieben wovon 3 Empfänger verzogen wa-ren. 18 Bögen (50,5 %) wurden beantwortet.

Die Ergebnisse (für Nennungen > 2) sind in folgender Tabelle aufgeführt (angeben sind je-weils Anzahl der Nennungen und der resultierende mittlere Rangplatz: Nen-

nungen Rang-platz

Ich habe ein anderes regelmäßiges Therapieangebot vorgezogen (ambulante Therapie, Selbsthilfegruppe oder ähnliches). Welches? 4 1.5

Meine zeitliche Gesamtbelastung erlaubte mir dann doch keine Teilnahme. 6 1.6 Die angebotenen Gruppenzeiten waren für mich nicht passend. Ich hätte gekonnt (wann)? 8 2.3 Die Anfahrt war mir zu umständlich bzw. zu zeitaufwendig. Die Entfernung beträgt ___ km und dauert ca. _____ Minuten. 6 2.4

Die angebotene Fahrtkostenerstattung von 5,- € pro Teilnahme schien mir zu gering. 4 2.8 Ich hatte auf zusätzliche Angebote gehofft (Einzelgespräche, Krankengymnastik, Phy-siotherapie etc.). Was? 3 1.7 Es war für mich abschreckend, direkt in eine Gruppe von Menschen zu kommen, die ich nicht kenne. 3 2.0

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Für Fragestellung b) wurden ebenfalls 40 Patienten angeschrieben. Zwei waren unbekannt verzogen. 26 Bögen (68 %) wurden beantwortet. Nen-

nungen Rang-platz

Ich habe ein anderes regelmäßiges Therapieangebot vorgezogen (ambulante Thera-pie, Selbsthilfegruppe oder ähnliches). Welches? 13 1.7

Meine zeitliche Gesamtbelastung erlaubte mir dann doch keine Teilnahme. 10 1.7 Die angebotenen Gruppenzeiten waren für mich nicht passend. Ich hätte gekonnt (wann)? 8 2.5 Die Anfahrt war mir zu umständlich bzw. zu zeitaufwendig. Die Entfernung beträgt ___ km und dauert ca. _____ Minuten. 7 3.1

Die angebotene Fahrtkostenerstattung von 5,- € pro Teilnahme schien mir zu gering. 3 5.5 Ich hatte auf zusätzliche Angebote gehofft (Einzelgespräche, Krankengymnastik, Phy-siotherapie etc.). Was? 3 3.3

Ich bin in der Gruppe nicht richtig heimisch geworden. 3 2.5 Die Gruppe war zu groß. 13 2.2 Es kamen zu häufig neue, noch unbekannte Patienten in die Gruppe. 3 2.0 Die angeschnittenen Gruppenthemen haben nicht mit meinen Bedürfnissen und Erwar-tungen überein gestimmt. 10 1.7

Ich habe mich und meine Problematik zu wenig in die Gruppe einbringen können. 4 4.0 Der Gruppentherapeut / die Gruppentherapeutin hat mir nicht gelegen. 3 2.0 Die Art, wie die Gruppe durchgeführt wurde, hat mir nicht gefallen. 4 2.0

Die Aufklärung der zuweisenden Klinik über die Nachsorgemaßnahme wurde überwiegend als zumindest befriedigend empfunden; 47 % bzw. 67 % der Patienten (Fragestellung a) bzw. b) bedauerten im Nachhinein, die Maßnahme nicht angetreten zu haben.

Diskussion Vor dem Hintergrund unseres spezifischen Angebotes (wöchentliche, problemorientierte Gruppen ohne Zwang zur wöchentlichen Teilnahme, halboffen, entweder abends ab 17 Uhr oder vormittags ab 11 Uhr) würde sich aus den Ergebnissen eine leichte Verschiebung der Gruppen in die späteren Abendstunden ableiten lassen. Von großer Wichtigkeit scheint auch eine kleine Gruppengröße zu sein. Erstaunlich scheint, dass der Aufwand für die An-fahrt, der bei unseren Patienten wegen des großen Einzugsgebiets manchmal weit über ei-ner Stunde liegt und die nicht deckende Fahrtkostenerstattung nicht häufiger genannt wur-de. Bei den abgebrochenen Maßnahmen fällt eine gewisse Unzufriedenheit mit den Grup-peninhalten und in Einzelfällen mit dem Gruppenleiter bzw. mit der Art der Durchführung auf.

Schlussfolgerung, Ausblick Bei der Zuweisung zu einer Nachsorgemaßnahme sollte darauf Wert gelegt werden, die Passung von Patient und Nachsorgeangebot besonders kritisch zu überprüfen. Dabei soll-ten der Gesamtaufwand (An- und Abfahrt sowie Gruppenzeit) die inhaltliche Gestaltung der Nachsorgegruppen (problemorientierte Gruppenarbeit), sowie die konkreten Erwartungen bzw. Bedürfnisse des Patienten explizit geprüft werden. Auf Anbieterseite sollte eine mög-lichst kleine Gruppengröße angestrebt werden. Nützlich könnte es auch sein, Maßnahmen zur Stärkung der Bindung zwischen Patient und Gruppenleiter zu ergreifen.

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Wirkungen der psychosomatischen Rehabilitation

Veränderungsbereitschaft und tatsächliche körperliche Aktivität vor und während einer stationären psychosomatischen Rehabilitation

Mussgay, L., Rüddel, H. Psychosomatische Fachklinik St. Franziska-Stift, Bad Kreuznach, Abteilung für

Verhaltensmedizin und Rehabilitation des Forschungszentrums für Psychobiologie und Psychosomatik (FPP) an der Universität Trier

Fragestellung und Hintergrund Im TTM-Konzept (Keller et al., 1999) werden üblicherweise die Stufen der Veränderungsab-sicht (SoC) mit den Unterscheidungen Absichtslosigkeit, Absichtsbildung, Vorbereitung, Handlung und Aufrechterhaltung erfasst. Die individuelle Veränderungsbereitschaft wird an-hand fest vorgegebener Kriterien geprüft (z. B. Maurischat, 2001: "Üben Sie zurzeit eine in-tensive sportliche Aktivität regelmäßig aus, d. h. für jeweils 20 Minuten an mindestens 3 Ta-gen pro Woche?"). Dies scheint problematisch, da moderate Veränderungsabsichten so nicht abgebildet werden. Gerade im Bereich der psychosomatischen Rehabilitation wäre aber bei vielen Patienten bereits eine moderat ausgeprägte Intensivierung ihres Bewe-gungsverhaltens ein Fortschritt. Wir entwickelten deshalb eine alternative Erfassungsmög-lichkeit. Als Fragestellung sollte beantwortet werden, ob unser neu entwickelter Erfas-sungsmodus eine adäquate Bestimmung der Veränderungsbereitschaft erlaubt, ob die Ver-änderungsabsichten auch zu entsprechenden (kurzfristigen) Verhaltens-Konsequenzen füh-ren und wie groß insgesamt der Umfang körperlicher Aktivität bei unseren Patienten ange-geben wird?

Methodik Patienten der Klinik beschrieben zu Beginn ihres Aufenthaltes jeweils, wie häufig und wie lange sie in den letzten 6 Monaten verschiedene körperliche Aktivitäten während einer typi-schen Woche ausführten. Auf der Grundlage dieser Angaben schätzten sie dann auf einer Ratingskala (10 Stufen) ein, a) wie ausgeprägt ihre vorherige Aktivität im Vergleich zu totaler Inaktivität bzw. einem Leistungssportler war, und wie sehr sie b) in 30 Tagen und c) in 60 Tagen aktiv sein möchten. Die Gestaltung war so gewählt, dass eine beabsichtigte Inten-sivierung des Bewegungsverhaltens als Anstieg über die Ratingskalen erkennbar wurde. Dies, zusammen mit der abverlangten Einschätzung der Veränderungsziele sollte als didak-tisches Element dienen. Aus den Anfangsdaten konnte durch die Verankerung an den An-gaben zur zurück liegenden Aktivitätsmenge die Stages of Change nach dem TTM-Konzept ermittelt werden.

Am Ende des Aufenthaltes wurde erfragt d) wie sehr sie während des Aufenthaltes aktiv wa-ren und e) in welchem Ausmaß sie zu Beginn hatten aktiv sein wollen. Zusätzlich sollten sie angeben, wie viel körperliche Aktivität sie zusätzlich zu den Klinikveranstaltungen absolviert hatten. Für den Aufenthalt wurde das Ausmaß tatsächlicher körperlicher Aktivität anhand

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der routinemäßig erhobenen KTL-Ziffern (Katalog Therapeutischer Leistungen) ermittelt. Dadurch lagen Daten zum zurück liegenden und zum Verhalten während der Rehabilitation vor, zudem die angestrebte Intensivierungsabsicht und, analog, die SoC-Einstufung.

Ergebnisse Daten von 322 Personen (239 = weiblich, 83 = männlich, Alter 44,8 Jahre) lagen vor. Patien-ten mit Anorexia Nervosa waren ausgeschlossen. Die Patienten geben überwiegend an, sich im Bewegungsverhalten steigern zu wollen, die Intensivierung wird dabei zumeist als 2 oder mehr Ratingstufen angegeben. Weiterhin wird für den Zeitraum von 6 Monaten noch eine weitere leichte Steigerung angestrebt.

Analog den SoC-Stadien waren 17,4 % absichtslos (Stufe 1), 28 % bildeten die Absicht her-aus (Stufe 2), 26,1 % bereiteten sich vor (Stufe 3) und 28,4 % waren bereits aktiv (Stufe 4). An Sport vor der Rehabilitation wurde über die SoC-Stufen 1 bis 4 absolviert: 143 min, 111 min, 157 min und 224 min mit einem signifikanten Unterschied zwischen Stufe 2 und 4 (F=5.61, p=.001). Generell wird deutlich, dass die SoC-Einstufung im tatsächliche Verhalten nur sehr wenig Niederschlag findet. Das Geschlecht hat keinen Einfluss, Patienten in der Stufe der Absichtslosigkeit sind im Mittel 4,5 Jahre älter

Die während der Behandlung tatsächlich durchgeführte Aktivität (Klinik-Sport und freiwilliger zusätzlicher Sport) lag wieder über die SoC-Stufen hinweg bei 480 min, 439 min, 540 min und 497 min; unterschied sich nicht signifikant zwischen den Stufen und zeigte keinen Ein-fluss von Alter und Geschlecht.

Die tatsächliche Aktivität (KTL) und die Gesamtaktivität hingen nur wenig mit der Soc-Einstufung zusammen (r = 0.04; p = .48; r = 0.06; p = 0.30), die mit der Ratingskala erfasste Absicht korrelierte nicht mit der KTL-Aktivität (r = 0.01; p = 0.83). Lediglich die Gesamtaktivi-tät zeigte hier einen schwachen Zusammenhang (r = 0.12; p = 0.04) was eine leichte Über-legenheit der neuen Erfassungsmethode andeutet.

Die retrospektive Einschätzung der durchgeführten Aktivität nach der Behandlung korrelierte offenbar ausreichend gut. Die Gesamtaktivität korrelierte mit r = 0.30 (p < 0.0001), die KTL-erfasste Aktivität mit r = 0.23; p < 0.0001. Alter hatte keinen wesentlichen Einfluss auf das Zusammenhangsmuster. Im Rückblick geben die Patienten an, eigentlich mehr Aktivitäts-steigerung vorgehabt zu haben, als sie in Wirklichkeit zu Beginn der Behandlung angegeben haben.

Die berichteten Befunde sind im Vergleich zwischen diagnostischen ICD-Kategorien im We-sentlichen vergleichbar.

Diskussion Die alternative Erfassungsweise sagt tatsächliches Aktivitätsverhalten leicht besser vorher als die SoC-Klassifizierung, ohne jedoch befriedigend zu sein. Überraschend ist das relativ hohe Ausmaß der berichteten Aktivität bereits vor der Rehabilitation. Hier mag eine Tendenz vorliegen, nieder intensive Aktivitäten über zu bewerten. Eine angegebene Veränderungs-absicht scheint sich insgesamt nur sehr schwach in tatsächliches Verhalten zu überführen. Höheres Alter prädisponiert dazu, keine Steigerung des Bewegungsverhaltens zu beabsich-tigen. Die diagnostische Eingruppierung hat keinen Einfluss.

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Schlussfolgerung, Ausblick Dieses Problem ist letztlich nicht durch die Erfassung der Veränderungsabsicht zu lösen, sondern ist Ausdruck der bekannten Intensions-Verhaltens-Lücke. Das Augenmerk sollte folglich vermehrt auf die Aufklärung von Konstituenten der Intensions-Verhaltens-Lücke ge-richtet werden.

Literatur Keller, S., Velicer, W.F., Prochaska, J.O. (1999): Das Transtheoretische Modell - Eine Über-

sicht. In: Keller, S. (Hrsg.): Motivation zur Verhaltensänderung: Das Transtheoretische Modell in Forschung und Praxis. Freiburg im Breisgau: Lambertus. 17-44.

Maurischat, C. (2001): Erfassung der Stages of Change im Transtheoretischen Modell Pro-chaska’s - eine Bestandsaufnahme. (Berichte aus dem Fachbereich Psychologie der Al-bert-Ludwigs-Universität. Nr. 154), Freiburg: Universität Freiburg, Fachbereich Psycholo-gie.

Differentielle Effektivität Progressiver Muskelrelaxation nach Jacobson in der psychosomatischen Rehabilitation in

Abhängigkeit von Störungsbildern

Welsch, K. (1), Becker, N. (2), Klosterhalfen, S. (1), Kerkhoff, G. (3), Köllner, V. (1) (1) MediClin Bliestal Kliniken, Fachklinik für Psychosomatische Medizin, Blieskastel,

(2) Universität des Saarlandes, Differentielle Psychologie und psychologische Diagnostik, Saarbrücken, (3) Universität des Saarlandes, Klinische Neuropsychologie, Saarbrücken

Hintergrund Aufgrund ihrer positiven Effekte ist die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson (PMR) eines der am häufigsten eingesetzten Entspannungsverfahren in der psychosomatischen Rehabilitation (Brenner, 2002; Krampen, 2002a). Sie kommt in vielen Kliniken bei der Mehr-zahl der Rehabilitanden in gleicher Weise zur Anwendung, weitgehend unabhängig von den vorliegenden Störungen. Die Frage der differentiellen Effektivität, d. h. die Frage, ob Patien-ten mit verschiedenen Störungsbildern unterschiedlich stark von dem Entspannungstraining profitieren, ist jedoch weitgehend ungeprüft (Krampen, 2004). In der vorliegenden Untersu-chung fand daher ein Vergleich der Symptomveränderung bei Patienten mit verschiedenen Störungen statt.

Methode 378 Patienten einer psychosomatischen Fachklinik wurden gemäß der Hauptdiagnosen den vier Patientengruppen Angst- (n = 50), Anpassungs- (n = 151), Schmerz- (n = 58) und de-pressive Störungen (n = 119) zugeteilt und nahmen im Rahmen eines stationären, multimo-dalen Therapieprogramms an insgesamt sechs Entspannungssitzungen teil. Zu Beginn des Entspannungstrainings (T1) sowie bei der Entlassung (T2), wurde den Patienten ein Sym-ptomfragebogen (ET-SYM; vgl. Krampen, 2002b) vorgegeben, der speziell Symptome im Zusammenhang mit erhöhter Anspannung erfasst. Zu T2 konnten insgesamt 321 Bögen er-

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fasst werden, was einer Schwundquote von 15,1 % entspricht. Die Stichprobe bestand zu 73,4 % aus Frauen. Das mittlere Alter betrug 49,6 Jahre (SD = 8).

Ergebnisse Zur Prüfung der Abhängigkeit der Symptomveränderung von den Hauptdiagnosen wurde eine dreifaktorielle Varianzanalyse (Zeitpunkt*Symptom*Hauptdiagnose) mit Messwiederho-lung über den ersten beiden Faktoren durchgeführt. Ein signifikanter Haupteffekt des Fak-tors Zeitpunkt (F(1,308) = 374,95; p < 0,01) zeigt, dass sich die Symptome während der In-tervention verringert haben. Das Ausbleiben einer signifikanten Interaktion zwischen Zeit-punkt und Hauptdiagnose (F(3,308) = 1,3; p = 0,27) deutet jedoch darauf hin, dass keine differentielle Veränderung der Symptomatik zwischen den Hauptdiagnosen besteht. Zusätz-lich wurden daher Post-Hoc-Mehrfachvergleiche zwischen den Hauptdiagnosen durchge-führt. Trotz des ausbleibenden Overall-Effektes zeigte sich hierbei in der Gruppe Anpas-sungsstörung eine signifikant stärkere Symptomverbesserung als in den Gruppen Angst- (p = 0,04), Schmerz- (p < 0,01) und depressive Störung (p < 0,01).

Diskussion Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Störungsbild einen Einfluss auf die Wirk-samkeit des Entspannungstrainings zu haben scheint, wobei sich in allen 4 Diagnosegrup-pen eine signifikante Reduktion anspannungsassoziierter Beschwerden zeigte. Interessant ist, dass Patienten mit Anpassungsstörung stärker profitieren als die übrigen betrachteten Patientengruppen. Mögliche Gründe hierfür können sein, dass in dieser Gruppe die Chroni-fizierung der Symptomatik geringer ist und dass erhöhte Anspannung aufgrund aktueller Be-lastungen (z. B. Arbeitsplatzunsicherheit, Mobbing) eine größere Rolle bei der Aufrechter-haltung der Symptomatik spielt. Bei chronischen Schmerzerkrankungen wie z. B. dem Fibromyalgiesyndrom konnte für PMR in Metaanalysen kein überzeugender Wirksamkeits-nachweis erbracht werden, während sich z. B. geleitete Imagination als wirksam erwies (Köllner et al., 2008). Für die Praxis stellt sich die Frage, wie das Entspannungstraining zu überarbeiten ist. Das Entspannungstraining sollte künftig weniger als "Einheitsentspannung" angeboten werden. Eine Abstimmung der vermittelten Entspannungsmethode auf spezielle, vom Krankheitsbild abhängige Bedürfnisse der Rehabilitanden erscheint auch unter dem Aspekt der Sicherung eines nachhaltigen Behandlungserfolges als sinnvoll.

Literatur Brenner, H. (2002): Progressives Entspannungstraining. Pabst: Lengerich. Köllner, V., Bernardy, K., Häuser, W. (2008): Fibromyalgiesyndrom - Empfehlungen für die

ärtztliche psychosomatische und psychotherapeutische Versorgung. Ärztliche Psychothe-rapie, 3. 166-172.

Krampen, G. (2004): Differentielle Indikation von Autogenem Training und Progressiver Re-laxation. Entspannungsverfahren, 21. 6-27.

Krampen, G. (2002a). Prognostischer Wert von Vorerfahrungen und Teilnahmemotiven für den Lern- und Transferprozess bei Autogenem Training und Progressiver Relaxation. Entspannungsverfahren, 19. 5-24.

Krampen, G. (2002b): ET-ANAM. Entspannungstraining und -therapie. Anamnesebogen. Göttingen: Hogrefe.

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Psychosomatische Rehabilitation: Vergleich von stationärer und teilstationärer Behandlung

Grulke, N., Huse, E., Bailer, H. Zentrum für Verhaltensmedizin, Luisenklinik, Bad Dürrheim

Hintergrund Ganztägig ambulante und vollstationäre Rehabilitationen sind wirksam, jedoch ist die Frage weitgehend ungeklärt, welche Patientengruppen von welchem der beiden Settings profitie-ren und inwieweit differentielle Therapieeffekte existieren (Huse et al., 2009).

Methodik Beteiligte Behandlungszentren: Luisenklinik, Bad Dürrheim (vollstationäre Reha) und Psy-chosomatisch-Psychotherapeutisches Rehabilitationszentrum PPRZ, Stuttgart (ganztägig ambulante Reha). Längsschnittstudie im naturalistischen Setting mit Erhebungen zu Beginn der Reha, bei Entlassung und 6 und 12 Monate nach Entlassung. Erhebung von demogra-phischen und klinischen Eingangsdaten, psychometrische Testungen (GBB, BSI, FPI, IIP-D, FMP, IST 2000R). Explorativer Vergleich der Settingbedingungen hinsichtlich der erhobenen Variablen.

Ergebnisse Stichprobe: n = 351 Patienten vollstationär, 54 teilstationär. 54,1 % weiblich, 12,8 % nicht-deutscher Herkunft, 64,8 % in fester Partnerschaft; Schulbildung: (Fach-) Abitur 15,7 %, mittlere Reife (MR) 30,9 %, Hauptschulabschluss u. a. 53,3 %. Durchschnittsalter 37,8 Jah-re. Hauptdiagnosen (ICD-10): neurotische, somatoforme und Belastungsstörungen (F4) 46,8 %; affektive Störungen (F3) 32,5 %; Essstörungen (F50) 11,8 %; Störungen aus ande-ren Kapiteln 8,9 %.

Statistisch bedeutsame Unterschiede voll- vs. ganztägig ambulanter Behandlung ergaben sich für die Behandlungsdauer 47,4 vs. 54,3 Tage; das Alter: 37,1 vs. 41,9 Jahre; den Schulabschluss: Abitur 14 % vs. 26 %; den Zuweiser (DRV BW/ DRV Bund): 54,5 % / 28 % vs. 35,3 % / 54,9 %; bei Aufnahme erwerbstätig, aber AU: 25,2 % vs. 53,7 %; Dauer der AU im Jahr vor Aufnahme 6 Wochen und mehr: 41 % vs. 64 %; Störungsspektrum vergleichbar, jedoch keine Essstörungen teilstationär; Anteil der Patienten mit mindestens einer Nebendi-agnose bei Aufnahme: 39,9 % vs. 64,8 %.

Ebenfalls waren bedeutsame Unterschiede in den psychometrischen Eingangswerten zu konstatieren, höhere Werte ganztägig ambulant vs. vollstationär auf diesen Skalen: Be-schwerdedruck (GBB), Somatisierung, Zwanghaftigkeit, Depressivität und GSI (BSI).

Mit Blick auf die Ausfallraten waren keine Settingunterschiede zu beobachten, es antworte-ten bei der 1. Katamnese 62,9 % und bei der 2. noch 40,8 % der Studienteilnehmer. Patien-ten, die zur 1. Katamnese nicht mehr antworteten, waren eher jünger, männlich, hatten ei-nen niedrigeren Bildungsabschluss und waren psychisch (BSI) und körperlich (GBB) be-lasteter.

Für 151 (davon 20 ganztägig ambulante) Fälle lag ein kompletter Datensatz über alle vier Messzeitpunkte vor. Exemplarisch seien die Werte für die psychische Belastung über die

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Zeit (GSI-BSI, T-Werte) für ganztägig ambulant vs. vollstationär Behandelte für die Zeitpunk-te Aufnahme - Entlassung - 6 Monate - 12 Monate nach Entlassung mitgeteilt: 71,3 - 60,7 - 67,0 - 67,3 vs. 67,2 - 59,4 - 63,8 - 63,4.

Die Verläufe sind parallel, spiegeln die höhere anfängliche Belastung der teilstationär Be-handelten wider und zeigen einen deutlichen Effekt bei Entlassung (Effektstärke für GSI, teilstationär 0,89, vollstationär 0,71), aber eine Zunahme der Belastung über die Zeit da-nach. Dieser Verlauf findet sich entsprechend auch für den Beschwerdedruck (GBB).

Zu Beginn und am Ende der Reha ist der Anteil der arbeitsfähigen Personen bei den vollsta-tionär Behandelten höherer. Dieser Unterschied ist bei beiden Katamnesen statistisch nicht mehr bedeutsam.

Diskussion und Schlussfolgerungen Insgesamt ist festzuhalten, dass die ganztägig ambulant behandelten Patienten sich zu Be-ginn der Reha bedeutsam belasteter beschrieben als die vollstationär behandelten, längere AU-Zeiten im Jahr vor der Reha aufwiesen, aber bei insgesamt höherem Bildungsniveau. Sofern differentielle Effekte zu beobachten waren, stellt sich die Frage, ob diese tatsächlich auf die unterschiedlichen Settings zurückzuführen sind.

Literatur Huse, E., Grulke, N., Wahl, R. (2009): Vergleichende Rehabilitationsstudie über die Wirk-

samkeit sowie die differentielle Indikation und Kosten-Nutzen-Aspekte von teilstationären vs. vollstationären Rehabilitationsmaßnahmen bei Patienten mit depressiven Störungen, Angststörungen, somatoformen Störungen und Essstörungen (unveröff. Projektbericht). Bad Dürrheim: Luisenklinik.

Therapiedosis und Response bei vollstationärer psychosomatischer Rehabilitationsbehandlung - Eine explorative Untersuchung

Bailer, H., Huse, E., Grulke, N. Luisenklinik - Zentrum für Verhaltensmedizin, Bad Dürrheim

Hintergrund Die Befundlage bezüglich der Dosis-Wirkungsbeziehung zwischen der Anzahl der Sitzungen und dem therapeutischen Effekt ist im stationären Setting weniger klar als im ambulanten. Es gibt Hinweise auf Zusammenhänge der Therapiedauer (Steffanowski et al., 2005) und Therapiedichte (Holzapfel et al. 2009) auf den Behandlungseffekt im stationären Setting. Wir explorierten die Zusammenhänge von therapeutischer Dosis während einer psychosomati-schen Rehabilitationsbehandlung mit dem Ergebnis bei Entlassung und in 6- und 12-Monats-Katamnesen (Wirkung).

Methodik Erhebung der Daten im naturalistischen Setting stationärer psychosomatischer Rehabilitati-on in der Luisenklinik, Bad Dürrheim. Als Indikator für die psychotherapeutische Dosis leg-ten wir die Dauer des Aufenthalts zugrunde. Als Wirkungsgröße definierten wir die Differenz

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von psychischer Belastung bei Aufnahme minus Belastung bei Entlassung, 1. bzw. 2. Ka-tamnese, operationalisiert über den Gesamtwert GSI des Brief-Symptom-Inventory (BSI). Wir setzten die Therapiedauer mit den Wirkungsgrößen und weiteren Variablen in Bezie-hung.

Ergebnisse Stichprobe: n = 321 Patienten, 54,8 % weiblich, 11,5 % nicht-deutscher Herkunft, 78,8 % verheiratet; Schulbildung: (Fach-)Abitur 14,0 %, mittlere Reife (MR) 30,5 %, Hauptschulab-schluss u. a. 55,5 %. Durchschnittsalter 37,1 Jahre (SD 11,6 Jahre). Hauptdiagnosen (ICD-10): neurotische, somatoforme und Belastungsstörungen (F4) 45,8 %; affektive Störungen (F3) 31,5 %; Essstörungen (F50) 13,4 %; Störungen aus anderen Kapiteln 9,3 %.

Psychotherapeutische Dosis = Behandlungsdauer: durchschnittlich 47,9 Tage (12–126 Ta-ge, SD 17,6 Tage). Wirkung: GSI (T-Werte) bei Aufnahme 68,5 (n = 321); bei Entlassung 60,5 (n = 318; Differenz zum Wert bei Aufnahme 8,0); 6 Monate nach Entlassung 64,0 (n = 202; Differenz 3,2); 12 Monate nach Entlassung 63,7 (n = 133; Differenz 3,7).

Dosis und Outcome:

Statistisch bedeutsame (p < 0,05) Korrelationen zwischen der Therapiedauer und den GSI-Werten bei Aufnahme (r = 0,11) und Entlassung (r = 0,12), jedoch keine Zusammenhänge zu den GSI-Werten bei beiden Katamnesezeitpunkten und zu allen drei Differenzwerten (-0,06 < r < 0,14, 133 ≤ n ≤ 317; alle p > 0,12).

Weitere bedeutsamen Zusammenhänge der Therapiedauer mit: Geschlecht (Männer vs. Frauen 44,5 vs. 50,6 Tage, p<0,01); Alter (r = -0,29, p<0,001); Diagnosegruppe (Störungen aus Bereich F50: 58,7 Tage, sonstige: 54,6 Tage, F3: 46,0 Tage, F4: 44,6 Tage; p<0,001); Schulbildung (niedrigere vs. Abitur/MR 45,9 vs. 50,3 Tage).

Schulbildung ist mit der Response assoziiert (p<0,01): niedrige Schulbildung (Verringerung der GSI-Werte zum Zeitpunkt der Entlassung um 6,2 T-Wert-Punkte) ist mit einer gegenüber höherer Schulbildung geringeren Response verbunden (MR 9,8; Abitur 11,1 Punkte); Effekte für die 1-Jahres-Katamnese in entsprechender Reihenfolge (p<0,05): 1,0 - 4,8 - 9,7 Punkte.

Diskussion und Schlussfolgerungen Wir konnten nur schwache Beziehungen zwischen der Therapiedauer und der Verringerung der psychischen Belastung nach der Rehabilitation aufzeigen. Ursache hierfür können so-wohl das gewählte Dosis- als auch das Wirkungskriterium darstellen, die evtl. erweitert wer-den sollten, ebenso sind multivariate Analysemethoden in Erwägung zu ziehen.

Die beobachteten Zusammenhänge mit der Schulbildung legen nahe, dass höher Gebildete (unabhängig von der Therapiedauer) eher und nachhaltiger von einer psychosomatischen Rehabilitation profitieren als Patienten mit niedriger Schulbildung. Praktisch stellt sich die Frage, inwieweit spezielle Angebote für eher bildungsfernere Patienten zu kreieren sind, damit diese ähnlich stark und nachhaltig wie Patienten mit höherer Bildung von den thera-peutischen Angeboten profitieren können.

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Literatur Holzapfel, M., Schonauer, K., Mittag, O. (2009): Einfluss von Behandlungsdosis und Be-

handlungsdichte auf die psychosomatische Symptomlast - Eine naturalistische Studie an 67 stationären Psychotherapiepatienten. DRV-Schriften, Bd. 83. 417-418.

Steffanowski, A., Löschmann, C., Schmidt, J., Wittmann, W.W., Nübling, R. (2005): Meta-Analyse der Effekte stationärer psychosomatischer Rehabilitation - MESTA-STUDIE Ab-schlussbericht. eqs.-Institut, Karlsruhe, und Lehrstuhl Psychologie II, Universität Mann-heim: Karlsruhe / Mannheim.

Effekte eines Interventionsprojektes in der stationären psychosomatischen Behandlung unter dem Aspekt einer

ergebnisabhängigen Finanzierung mit einem Bonus-Malus System

Bitzer, E.M. (1), Dörning, H. (1), Lorenz, C. (1), Kristof, O. (2), Zielke, M. (3) (1) Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung Hannover/Witten, (2) AHG Klinik Waren, (3) Baltic-Bay-Institut für angewandte

Verhaltensmedizin und Rehabilitation, Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Mannheim

Hintergrund Primäres Ziel des Projekts "Selektionsprozesse bei Langzeitverläufen zum Gesundheits- und Krankheitsverhalten auf der Basis von Daten der Krankenkasse zum Ressourcen-verbrauch" ist die Bewertung der Effizienz einer durchschnittlich sechswöchigen stationären Reha-Maßnahme auf der Basis einer eingeschränkten Kosten-Nutzen-Analyse aus Kran-kenkassenperspektive.

Im Rahmen der Evaluation wurde, gemäß den zwischen der Krankenkasse (GEK) und der durchführenden AHG Klinik Waren vereinbarten Ergebniskriterien, die Effizienz der Maß-nahme in zwei Analyseschritten bewertet:

1. Prüfung auf individueller Ebene, wie viele Programmteilnehmer innerhalb eines Zeit-raums von 36 Monaten nach Absolvierung der Maßnahme fallbezogen mindestens 35 % geringere gesundheitsbezogene Leistungsausgaben für Krankenhausaufenthalte, Kran-kengeld und verordnete Arzneimittel verursachen als der Durchschnitt einer Kontroll-gruppe.

2. Anschließend wurde analysiert, wie viele der Programmteilnehmer, bei denen mindes-tens 35 % geringere Leistungsausgaben feststellbar sind, unter Berücksichtigung der Kostenbestandteile "individuelle gesundheitsbezogene Leistungsausgaben" sowie "durchschnittliche fallbezogene Kosten für die Durchführung und Evaluation des statio-nären Programms" unter den durchschnittlichen Kosten einer Kontrollgruppe liegen.

Zwischen der GEK und der AHG Klinik Waren wurde vertraglich vereinbart, dass bei fallbe-zogenem Nachweis der Wirtschaftlichkeit eine Bonuszahlung in Höhe von 10 % der Fallpau-schale durch die GEK fällig wird. Bei individuell nicht erreichter Wirtschaftlichkeit erfolgt im

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Gegenzug eine Malusrückzahlung an die GEK in Höhe von ebenfalls 10 % der Fallpauscha-le (Pay for Performance-Ansatz).

Methode Zur Bestimmung der individuellen gesundheitsbezogenen Leistungsausgaben der Teilneh-mer im Vergleich zu den Durchschnittskosten der Kontrollgruppe wurde eine taggenaue Be-rechnung vorgenommen. Dabei wurde separat für jeden Teilnehmer jeder der bis zu 1.095 Nachbeobachtungstage mit den durchschnittlichen Kosten der Kontrollgruppenmitglieder verglichen, für die an dem jeweils entsprechenden Tag Informationen zu Leistungsausgaben vorlagen. Anschließend wurden die tageweise bestimmten Vergleichswerte über den jeweils spezifischen Nachbeobachtungszeitraum jedes Programmteilnehmers aufaddiert und mit den kumulierten Durchschnittskosten der Kontrollgruppe verglichen.

Um dem Umstand der relativ hohen Rate an unvollständigen Nachbeobachtungszeiträumen Rechnung zu tragen, wurden zwei Analyseansätze zur Bestimmung der individuellen Er-gebnisse gewählt. Zum einen wurden alle Teilnehmer in die Analysen einbezogen, die den definierten Ein- und Ausschlusskriterien entsprechen (SG1: n = 286), zum anderen wurden nur die Teilnehmer berücksichtigt, die einen vollständigen Nachbeobachtungszeitraum so-wie eine durchgängige Krankengeldbezugsberechtigung aufweisen (SG2: n = 136).

Ergebnisse Von der ersten Studiengruppe (SG1) erfüllen 63,64 % (n = 182) und von der zweiten Stu-diengruppe (SG2) 72,79 % der Teilnehmer (n = 99) das erste Bewertungskriterium. D. h. nahezu zwei Drittel bzw. knapp drei Viertel der Teilnehmer verursachen mindestens um 35 % geringere Leistungsausgaben als der Durchschnitt der Kontrollgruppe.

Bei weiteren 11,19 % (SG1) bzw. 9,56 % (SG2) sind ebenfalls geringere gesundheitsbezo-gene Folgekosten als in der Kontrollgruppe nachweisbar, die allerdings geringer sind als 35%. Lediglich für 25,17 % (SG1) bzw. 17,65 % (SG2) sind höhere gesundheitsbezogene Leistungsausgaben im Nachbeobachtungszeitraum im Vergleich zum Durchschnitt der Kon-trollgruppe feststellbar.

Fazit Unter Einbezug des zweiten Bewertungskriteriums (zusätzlicher Einbezug der durchschnitt-lichen fallbezogenen Kosten für die Durchführung und Evaluation des stationären Pro-gramms) kann für insgesamt 60,84 % (SG1) bzw. 72,79 % (SG2) ein positives Ergebnis im Sinne der vereinbarten Bonus-/Malus-Regelung konstatiert werden.

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Arbeit und Psychosomatik

Arbeitsplatzängste und die Bedeutung verschiedener Dimensionen des Soziales Netzes

Muschalla, B., Linden, M. Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité,

Universitätsmedizin Berlin und dem Rehabilitationszentrum Seehof der Deutschen Rentenversicherung Bund, Teltow

Hintergrund Arbeitsplatzbezogenes Belastungserleben wurde in der Forschung häufig mit mangelnder sozialer Unterstützung am Arbeitsplatz in Zusammenhang gefunden. Es stellt sich zum ei-nen die Frage, ob Dimensionen sozialer Unterstützung außerhalb des Arbeitsplatzes einen ähnlichen Zusammenhang mit dem Ausmaß erlebter Arbeitsplatzangst aufweisen wie die Dimension der spezifischen arbeitsplatzbezogenen sozialen Unterstützung. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob es Unterschiede gibt bzgl. der Zusammenhänge zwischen sozialer Unterstützung und Arbeitsplatzängsten einerseits und sozialer Unterstützung und allgemei-nem psychosomatischen Belastungserleben andererseits.

Methode 154 berufstätige Patienten einer psychosomatischen Rehabilitationsklinik (70 % Frauen) wurden mittels Fragebogen untersucht. Erfasst wurden die selbsteingeschätzte allgemeine psychische Symptombelastung (SCL-90-R), Arbeitsplatzbezogene Ängste (Job-Angst-Skala, Linden et al., 2008), sowie die erlebte soziale Unterstützung in verschiedenen Le-bensbereichen (Arbeit, Haushalt, weitere Familie, Nachbarn, Freunde, Freizeitpartner; MuSK) (Linden et al., 2007).

Ergebnisse Die Befragten berichteten mehr emotionale als praktische Unterstützung in fast allen Le-bensbereichen. Der höchste soziale Belastungsgrad fand sich in den Bereichen "Arbeit" und "Familie". Am wenigsten belastet fühlten sich die Befragten durch ihre sozialen Kontakte, die auf Freiwilligkeit basieren oder unverbindlich sind, d. h. Freunde und Freizeitkontakte sowie Nachbarn (Abb. 1).

Arbeitsplatzängste korrelierten signifikant mit erlebter sozialer Unterstützung durch Kolle-gen. Dabei zeigten die Dimensionen "Kritik, Ablehnung, Überforderung" sowie "Trost und Zuspruch" engere Zusammenhänge mit Arbeitsplatzängsten als die Dimension der "Prakti-schen Unterstützung". Es fanden sich keine bedeutsamen Zusammenhänge zwischen Ar-beitsplatzängsten und Sozialer Unterstützung durch Haushaltsmitglieder, Familie, Freunde, Freizeitpartner oder Nachbarn (Tab. 1).

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0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

HaushaltFamilieArbeitskollegenFreundeFreizeitkontakte

Nachbarschaft

Praktische UnterstützungEmotionale UnterstützungSoziale Belastung

Abb. 1: Soziale Unterstützung und Belastung bei Psychosomatik-Patienten (n = 154)

Sozialer Bereich JAS GSI kontrolliert

GSI JAS kontrolliert

1. Haushalt: PU .106 -.079

2. Haushalt: EU -.057 -.234

3. Haushalt: SB -.002 .175

4. Familie: PU -.072 -.167

5. Familie: EU -.265 -.153

6. Familie: SB .145 .260

7. Arbeitskollegen: PU -.282* -.143

8. Arbeitskollegen: EU -.594** -.115

9. Arbeitskollegen: SB .519** .206

10. Freunde: PU -.150 -.193

11. Freunde: EU -.239 -.120

12. Freunde: SB -.091 .328*

13. Freizeitkontakte: PU -.134 -.220

14. Freizeitkontakte: EU -.091 -.185

15. Freizeitkontakte: SB .212 .241

16. Nachbarschaft: PU -.109 -.159

17. Nachbarschaft: EU -.006 -.249

18. Nachbarschaft: SB .009 .191 *p<.05 **p<.01

Tab. 1: Zusammenhang zwischen Job-Angst (JAS), allgemeiner psychosomatischer Symptombelastung (SCL - GSI) und Sozialer Unterstützung bei Psychosomatik-patienten (n = 154)

Schlussfolgerungen Soziale Unterstützung ist bzgl. des Lebensbereichs Arbeit in spezifischer Weise bedeutsam (Muschalla et al., 2009).

Arbeitsplatzängste sind ein lebensbereichsspezifisches klinisches Phänomen und unabhän-gig von erlebter sozialer Unterstützung außerhalb der Arbeit. Arbeitsplatzängste müssen

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unabhängig von allgemeiner psychischer Symptombelastung als eigenständiges klinisches Phänomen verstanden werden.

Dies bedeutet auch, dass arbeitsplatzbezogene Ängste nicht ausreichend mittels kompen-satorischer Strategien und unterstützender Kontakte außerhalb des Arbeitsbereichs behan-delt werden können, sondern dass spezifische arbeitsbezogene Behandlungen notwendig werden.

Literatur Linden, M., Lischka, A.M., Popien, C., Golombek, J. (2007): Der mehrdimensionale Sozial-

kontakt Kreis (MuSK) - ein Interviewverfahren zur Erfassung des sozialen Netzes in der klinischen Praxis. Zeitschrift für Medizinische Psychologie, 16. 135-143.

Linden, M., Muschalla, B., Olbrich, D. (2008): Die Job-Angst-Skala (JAS). Ein Fragebogen zur Erfassung arbeitsplatzbezogener Ängste. Zeitschrift für Arbeits- und Organisations-psychologie, 52. 126-134.

Muschalla, B., Markova, M., Linden, M. (2009): Perceived Job-Anxiety and General Psycho-somatic Symptom Load and Perceived Social Support - Is there a Relationship? Work: A Journal of Prevention, Assessment and Rehabilitation, in press.

Arbeitsunfähigkeit aufgrund psychischer, psychosomatischer und/oder somatischer Erkrankungen in Folge von hoch eskalierten Konflikten und

Mobbing am Arbeitsplatz

Schlatterer, M., Schellhammer, E., Herrmann, J.M. Rehaklinik Glotterbad der RehaZentren Baden-Württemberg gGmbH*

Einleitung Mobbing kann als multifaktorieller Prozess mit komplexen Wechselwirkungen zwischen indi-viduellen und organisatorisch-strukturellen sowie gesellschaftlichen Faktoren beschrieben werden. Sehr häufig handelt es sich bei Mobbing um einen schleichenden Prozess, an des-sen Anfang ungelöste Arbeitskonflikte stehen. Im weiteren Verlauf folgen Ausgrenzung, Iso-lation, schikanöses Verhalten, arbeitsrechtliche Konsequenzen, die bis zum Verlust der Ar-beitsfähigkeit und/oder Verlust des Arbeitsplatzes führen können. Parallel zu diesem Pro-zess sind kontinuierlich Leistungsdefizite, psychische und physische Beeinträchtigung bis hin zu schweren psychosomatischen und somatischen Erkrankungen zu beobachten (Herr-mann et al., 2008). Zur Umsetzung des Reha-Ziels Erhaltung der Leistungs- und Erwerbsfä-higkeit bedarf es eines ausreichenden Unterstützungsangebots (Kobelt et al., 2008). Eine frühzeitige Begleitung und Unterstützung des Betroffenen ist zur Beendigung des Mobbing-Prozesses von großer Bedeutung. In der vorliegenden Studie wird das Verlaufsmodell nach Leymann (2000) vorgestellt. Es werden Ergebnisse aus den Beratungsgesprächen der

* Das Forschungsprojekt "Implementierung einer Mobbing-Telefon-Hotline zur Beratung bei Konflikten am

Arbeitsplatz" wird von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg und dem Ministerium für Arbeit und Soziales des Landes Baden-Württemberg gefördert.

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Mobbing-Hotline Baden-Württemberg hinsichtlich aktueller Mobbing-Phase sowie Beein-trächtigungen im Arbeits- und Leistungsverhalten dargestellt.

Methode Ingesamt wurden 609 im Zeitraum 2008-2009 geführte telefonische Beratungsgespräche anhand eines mit vorgegebenen Antwortkategorien versehenen Fragebogens dokumentiert und analysiert. Der von den Mobbing-Beratern auszufüllende Fragebogen wurde zur Ver-gleichbarkeit eng an den Fragen und Antwortkategorien des Mobbing-Reports (Meschkutat et al., 2002) angelehnt. Die von Mobbing betroffenen Anrufer wurden gemäß ihrer aktuellen Situation einer der vier Mobbing-Phasen zugeordnet und in entsprechende Gruppen unter-teilt. Zur Analyse der Auswirkungen des erfahrenen Mobbings auf das Arbeits- und Leis-tungsverhalten wurden systematisch Gruppenunterschiede berechnet (Chi2 Test und einfak-torielle Varianzanalysen).

Ergebnisse Die Anrufer der vorliegenden Stichprobe sind zu 74 % Frauen (Männer: 25 %; missing data: 1 %). In Bezug auf den aktuellen Status der Mobbing-Phase zeigt sich folgende Gruppen-aufteilung:

Phase 1 (Anfangsphase mit ungelösten Konflikten, erste Schuldzuweisungen und persönli-che Angriffe gegen eine bestimmte Person): 21 %,

Phase 2 (Beginn systematischer Schikane, Ausgrenzung und Isolierung des Betroffenen): 36 %,

Phase 3 (Eskalation, Beginn arbeitsrechtlicher Maßnahmen wie Abmahnung, Versetzung oder Kündigung): 26 % und

Phase 4 (Ausschluss, Verlust des Arbeitsplatzes oder Ausscheiden aus der Arbeitswelt): 17 %.

Die Mobbing-Betroffenen wurden befragt, welche Einschränkungen sie im Hinblick auf ihr Arbeits- und Leistungsverhalten bei sich wahrnehmen. Am häufigsten berichten die Betrof-fenen, unter Verunsicherung (60 %), Nervosität (45 %), Gefühl der Ohnmacht (43 %) und Angstzuständen (38 %) zu leiden.

Im Hinblick auf die unterschiedlichen Mobbing-Phasen zeigen sich zwischen den Gruppen signifikante Unterschiede in den Einschränkungen des Arbeits- und Leistungsverhaltens. Personen, die sich in den Mobbing-Phasen 2 und 3 befinden, berichten am häufigsten, unter Einschränkungen im Leistungs- und Arbeitsverhalten zu leiden (F = 14,9; df = 3, p < 0.00). Mobbing-Betroffene in Phase 4 berichten insgesamt über weniger Beeinträchtigungen des Arbeits- und Leistungsverhaltens. Erwartungsgemäß zeigen jedoch die Personen in der Mobbing-Phase 4 die höchsten Krankheitsquoten (chi2 = 42,36, df = 3, p < 0.00). In der Mobbing-Phase 4 waren bereits 90 % der Betroffenen aufgrund des Mobbings arbeitsunfä-hig (Phase 1 = 28 %, Phase 2 = 60 %, Phase 3 = 86 %).

Ausblick Mit zunehmender Dauer wird die Beendigung des Mobbing-Prozesses immer unwahrschein-licher (Weber et al., 2007). Ziel der Mobbing-Hotline Baden-Württemberg ist es, zu einem möglichst frühen Zeitpunkt im Mobbing-Prozess zu intervenieren. Die Ergebnisse zeigen,

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dass sich über die Hälfte der Anrufer bei der Mobbing-Hotline Baden-Württemberg in Phase 1 oder 2 (57 %) befinden. Somit kann die Beratung an der Mobbing-Hotline Baden-Württemberg als ein zentrales Instrument der Frühintervention gewertet werden. Durch die frühzeitige Beratung wird einer weiteren Eskalation vorgebeugt. Darüber hinaus werden in der Mobbing-Hotline in Abhängigkeit der individuellen Problemlage des Anrufers unter-schiedliche Interventionen angeboten, wie z. B. gemeinsame Erarbeitung einer Konfliktana-lyse, ein Perspektivenwechsel mit einer daran anknüpfenden, lösungsorientierten Beratung, die auch Kompetenzen in konstruktiver Konfliktbearbeitung vermittelt.

Literatur Herrmann, J.M., Schellhammer, E., Sanford, D. (2008): Diagnosis and therapy of health is-

sues and disorders caused by conflicts at the working place. 4th International Forum on Disability Management, Berlin.

Kobelt, A., Gutenbrunner, C., Grosch, E., Petermann, F. (2008): Mobbingerfahrung bei Ver-sicherten der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, die eine medizi-nische Rehabilitation beginnen - Eine psychometrische Untersuchung. DRV-Schriften Bd. 83. 259-261.

Leymann, H. (2000): Mobbing - Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehrt. 11. Auflage. Reinbeck: Rowohlt Verlag.

Meschkutat, B., Stackelbeck, M., Langenhoff, G. (2002): Der Mobbing-Report. Eine Reprä-sentativstudie für die Bundesrepublick Deutschland. Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Dortmund/Berlin: Wirtschaftsverlag NW.

Weber, A., Hörmann, G., Köllner, V. (2007): Mobbing - eine arbeitsbedingte Gesundheitsge-fahr der Dienst-Leistungs-Gesellschaft? Gesundheitswesen, 69. 267-276.

Berufliche Beanspruchung und Optimismus im Verlauf einer psychosomatischen Rehabilitation

Becher, L.F. (1), Breitbach, J. (1), Poulet, R. (1), Rudolph, M. (1), Vogt, J. (2) (1) Mittelrhein-Klinik, Boppard, (2) Technische Universität Darmstadt

Hintergrund Seligman (1990) definiert die stabile, globale und internale Attribution von Erfolg sowie die variable, spezifische und externale Attribution von Misserfolg als Optimismus. Becher und Vogt (2009) zeigten einen Zusammenhang von optimistischer Einstellung und einem günsti-geren Verlauf depressiver Symptomatik. Es sollten nun die Veränderung arbeitsbezogener Erlebens- und Verhaltensmuster im Zusammenhang mit einer optimistischen Einstellung un-tersucht werden.

Methodik Zu Reha-Beginn wurde ein selbstentwickelter Fragebogen zur "optimistischen Einstellung" (OPEN; Becher, 2008) vorgegeben. Der Fragebogen "Arbeitsbezogene Verhaltens- und Er-lebensmuster" (AVEM; Schaarschmidt, Fischer, 1996) wurde zu Beginn und zum Ende er-hoben.

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Ergebnisse Die Stichprobe umfasste 101 Patienten im Alter von 45,9 Jahren (±8,5). Zwei Drittel der Pa-tienten hatten einen Hauptschulabschluss und übten eine einfache Tätigkeit aus.

Über alle 11 AVEM-Skalen zeigten sich signifikante Verbesserungen zur Entlassung (df = 100, F = 4.60, p = 0.034). In Einzelvergleichen zeigten sich signifikante Verbesserun-gen auf den Skalen "Perfektionsstreben" (df = 100, T = 4.83, p = 0.000), "Resignationsten-denz" (df = 100, T = 4.83, p = 0.000), "Innere Ruhe" (df = 100, T = -4.46, p = 0.000) und "Lebenszufriedenheit" (df = 100, T = -3.05, p = 0.003). Zusammengenommen zeigte sich bei den drei Dimensionen des AVEM eine signifikante Verbesserung zur Entlassung (df = 100, F = 4.60, p = 0.034). Insgesamt zeigte sich bei den vier AVEM-Mustern keine signifikante Veränderung zur Entlassung (df = 100, F = 0.89, p = 0.348), jedoch eine signifikante Interak-tion von Zeit und Muster (df = 98, F = 6.79, p = 0.000). In Einzelvergleichen zeigten sich signifikante Verbesserungen bei den Mustern "Schonung" (df = 100, T = -4.42, p = 0.000) und "Burn-Out" (df = 100, T = 3.79, p = 0.000).

Anhand des Mittelwertes im OPEN wurden die Patienten in solche mit hohem vs. solche mit niedrigem Optimismus klassifiziert. Die Gruppenvergleiche wurden hinsichtlich der Variablen Alter, Geschlecht, Diagnose, Arbeitsfähigkeit bei Aufnahme, sozioökonomischer Status, Schulabschluss und Arbeitsunfähigkeit in den letzten 12 Monaten kontrolliert. Es ergaben sich keine Zusammenhänge zwischen beruflichem Erleben und Optimismus.

Diskussion Die Ergebnisse bestätigen die Untersuchung von Bernardy, wonach eine psychosomatische Rehabilitation zu signifikanten Verbesserungen hinsichtlich arbeitsbezogener Verhaltens- und Erlebensmuster führt.

Es zeigten sich keine Unterschiede hinsichtlich des beruflichen Erlebens in Abhängigkeit ei-ner optimistischen Einstellung. Die bisherigen Untersuchungen zum AVEM wurden bei Be-rufen durchgeführt, die von einem verstärkten Umgang und der Verantwortung für Men-schen gekennzeichnet sind: Lehrer, Führungskräfte, Existenzgründer u. a. Bei diesen Be-rufsgruppen kann man eine höhere Eigenverantwortung annehmen. Es ist zu vermuten, dass Zusammenhänge zwischen Optimismus und dem beruflichen Erleben hier eher zu fin-den sind.

Schlussfolgerungen Die Veränderungen des Erlebens der beruflichen Situation bei Personen mit einfachen Tä-tigkeiten sollte im Zusammenhang mit Änderungen auf struktureller Ebene untersucht wer-den. Hier wäre zu fragen, welche Angebote des Sozialdienstes (KTL) und welche Möglich-keiten der Veränderung struktureller Bedingungen, Einfluss auf berufsbezogene Probleme haben könnten. Bei weiteren Untersuchungen sollten der AVEM und der OPEN bei Berufs-gruppen mit hoher Kontrolle eingesetzt werden.

Literatur Becher, L.F., Vogt, J. (2009): Optimismus - Prädiktor und Wirkfaktor depressiver Symptoma-

tik. DRV-Schriften, Bd. 83. 423-424. Becher, L.F. (2008): Aufbau und Evaluation stationärer Verhaltenstherapie zur Behandlung

psychosomatischer Störungen. Dissertation. Technische Universität Dortmund.

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Bernardy, K., Kochlick, A. Köllner, V. (2008): Verändern sich arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster im Verlauf einer psychosomatischen Rehabilitation? DRV-Schriften, Bd. 77. 498-501.

Schaarschmidt, U., Fischer, A. (2008): Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM). 3. Überarbeitete u. erweiterte Auflage. Frankfurt/Main, Swets.

Seligman MEP (1990): Learned Optimism. New York. Pocket Books.

Diagnostik von Ressourcen bei Rehabilitanden - Eine explorative Bestandsaufnahme zur Konzeptualisierung und Operationalisierung

neuer psychodiagnostischer Foki

Hinrichs, J. (1), Greitemann, B. (2), Heuft, G. (1) (1) Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie,

Universitätsklinikum Münster, (2) Klinik Münsterland der Deutschen Rentenversicherung Westfalen, Bad Rothenfelde

Hintergrund Die zweite Version der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der World Health Organization (WHO) sowie das daraus abgeleitete Theoriemodell der Rehabilitation (Gerdes, Weis, 2000) räumen den persönlichen Ressour-cen einen zentralen Stellenwert in der Rehabilitation ein. Es lassen sich in der medizini-schen und psychosozialen Versorgung im Gegensatz zu pathogenen Aspekten auch so ge-nannte Ressourcen (u. a. persönliche Stärken; soziale Unterstützung) identifizieren, die eine wichtige Einflussgröße auf den Behandlungsverlauf und -erfolg darstellen (Grawe, 1998). In der medizinischen Rehabilitation gibt es bislang weder übergeordnete Definitionsansätze zum Thema Ressourcen bei Rehabilitanden, noch gibt es psychodiagnostische Verfahren, die sich mit der generischen Erfassung von Ressourcen bei Rehabilitanden beschäftigen.

Für die theoretische Konzeptualisierung und zur Ermittlung relevanter Faktoren des Kon-struktes "Ressourcen bei Rehabilitanden" wurden Rehabilitanden aus den drei wesentlichen Indikationsgebieten (Psychosomatik, Orthopädie, Kardiologie) interviewt. Die hier berichte-ten Interviews sind Teil einer Studie, dessen Ziel es ist, den Ressourcenbegriff im Kontext der Rehabilitation zu konzeptualisieren. Auf Basis dieser Konzeption erfolgt eine Operatio-nalisierung für die Entwicklung und Evaluation eines multidimensionalen Instruments zur ökonomischen Erfassung von Ressourcen bei Rehabilitanden.

Methodik Es wurde auf Grundlage einer Literaturanalyse ein Interviewleitfaden zu persönlichen Res-sourcen entwickelt und im Rahmen eines Piloten erprobt. Nach der Revision des Leitfadens wurden insgesamt 36 Rehabilitanden aus den drei Indikationsgebieten unter Berücksichti-gung der Faktoren Alter und Geschlecht zu sieben Themenbereichen (u. a. Krisenbewälti-gung, Selbstwerterleben, Nutzung/Nicht-Nutzung von Stärken und Potentiale) interviewt. Die Interviews wurden inhaltsanalytisch ausgewertet und dienen als Grundlage für die Konzep-tualisierung und Operationalisierung des Ressourcenkonstruktes in der Rehabilitation.

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Ergebnisse Die Stichprobe von 36 Rehabilitanden weist bei vergleichbarer Geschlechterverteilung ein mittleres Alter bei Männern von 46 Jahren (± 13,6) und bei Frauen von 47 Jahren (± 12,6) auf. In den bisherigen Auswertungen der Interviews konnte eine große Variation unter-schiedlicher Stärken, Kompetenzen und Ressourcen bei Rehabilitanden erfasst werden.

Es wurden aber auch Erwartungen an die Reha und die Nicht-Verfügbarkeit von Ressour-cen im Reha-Verlauf thematisiert. Viele Nennungen lassen sich wie erwartet bekannten Ressourcenkonzepten (z. B. emotionale Ressourcen, soziale Ressourcen) zuordnen (vgl. Forstmeier et al., 2005). Erste Konzeptionalisierungsansätze des Ressourcenbegriffs auf Grundlage der inhaltsanalytischen Auswertung werden zur Tagung vorliegen und entspre-chend differenziert präsentiert.

Diskussion Die in den Interviews gefundene Bandbreite von Ressourcen bei Rehabilitanden zeigt die Komplexität des Gegenstandbereiches. Es werden neue Erkenntnisse über die Wechselbe-ziehung zwischen Ressourcen und Reha-Maßnahme erwartet, die in konzeptioneller wie auch methodischer Form durch die Entwicklung eines Diagnostikinstrumentes genutzt wer-den sollen. Das Diagnostikinstrument kann zu Beginn einer Rehabilitationsmaßnahme ge-nutzt werden, um Ressourcen bei Rehabilitanden ökonomisch mittels Selbstbeurteilung zu erfassen. Erfahrungen mit dem Diagnostikinstrument in der Praxis können zu Empfehlungen für eine effizientere Ressourcenorientierung in der Rehabilitation führen.

Literatur Forstmeier, S., Uhlendorff, H., Maercker, H. (2005): Diagnostik von Ressourcen im Alter.

Zeitschrift für Gerontopsychologie und -psychiatrie, 18. 227-257. Gerdes, N., Weis, J. (2000): Zur Theorie der Rehabilitation. In: Bengel, J., Koch, U. (Hrsg.):

Grundlagen der Rehabilitationswissenschaften. Berlin: Springer. 41-68. Grawe, K. (1998): Psychologische Therapie. Göttingen: Hogrefe.

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Arbeit und Psychosomatik (Poster)

Berufliche Gratifikationskrisen und Work Ability

Bethge, M., Radoschewski, F.M. Abteilung für Versorgungssystemforschung und Grundlagen der Qualitätssicherung in der

Rehabilitation, Charité - Universitätsmedizin Berlin

Hintergrund In einer aktuellen Übersichtsarbeit haben van den Berg et al. (2009) konsistente Befunde zusammengetragen, die den Einfluss hoher psychischer Beanspruchung, geringer Hand-lungsautonomie und hoher körperlicher Beanspruchung auf Beeinträchtigungen beruflicher Leistungsfähigkeit bestätigen. Neuere Arbeiten haben zudem auf berufliche Gratifikations-krisen als möglichen Risikofaktor für Beeinträchtigungen beruflicher Leistungsfähigkeit hin-gewiesen (Bethge, Radoschewski, 2009; Conway et al., 2008). Das von Siegrist (1996) vor-geschlagene Modell beruflicher Gratifikationskrisen geht davon aus, dass fehlende Rezipro-zität in der Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch ein erlebtes Ungleich-gewicht von Verausgabung und Belohnung negative Beanspruchungsreaktionen zur Folge hat und das Erkrankungsrisiko insbesondere für psychische und koronare Erkrankungen er-höht. Für einen möglichen Zusammenhang zu Indikatoren beruflicher Leistungsfähigkeit lie-gen bislang allerdings nur Ergebnisse aus Querschnittsstudien vor.

Ziel des Beitrags ist es, diese Ergebnisse erstmals durch Befunde einer Längsschnittstudie zu ergänzen. Aufgrund der stresstheoretischen Annahme, dass bestimmte Personen vulne-rabler für die Konsequenzen beruflicher Belastungen sind als andere, war zudem beabsich-tigt, mögliche Variablen zu identifizieren, die den Effekt beruflicher Gratifikationskrisen mo-derieren.

Methodik Die Datenbasis für die Untersuchung bildeten Erhebungsdaten der ersten und zweiten Welle des Sozialmedizinischen Panels für Erwerbspersonen (SPE) (Bethge, Radoschewski, 2009; Bethge et al., 2009). Die berufliche Leistungsfähigkeit der Befragten wurde in beiden Wellen mit dem Work Ability Index (WAI) operationalisiert (Ilmarinen, 2009). Das Vorliegen einer beruflichen Gratifikationskrise wurde mit dem von Siegrist (1996) vorgeschlagenen Frage-bogen erhoben. Zur Erfassung gesundheitsbezogener Kontrollüberzeugungen wurde eine Kurzform des Fragebogens zur Erhebung von Kontrollüberzeugungen zu Krankheit und Ge-sundheit (KKG) eingesetzt (Lohaus, Schmitt, 1989). Das Gesundheitsverhalten wurde über Fragen zum Tabakkonsum und zur sportlichen Betätigung sowie dem Body-Mass-Index er-fasst. Um Haupt- und Interaktionseffekte zu überprüfen, wurden mehrfaktorielle Kovarianza-nalysen gerechnet.

Ergebnisse Die Bruttostichprobe umfasste 6059 Versicherte der Deutschen Rentenversicherung Bund, Mitteldeutschland und Westfalen. Der Rücklauf der ersten Welle betrug 34,5 % (n = 2092).

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In die folgenden Analysen wurden ausschließlich ganztags erwerbstätige Arbeiter und An-gestellte mit vollständigen Werten für alle berücksichtigten unabhängigen Variablen einge-schlossen (n = 919). Für 596 dieser Personen (64,9 %) lagen Angaben zur beruflichen Leis-tungsfähigkeit aus der zweiten Welle vor.

Das mittlere Alter der eingeschlossenen Personen betrug 45,7 (SD = 7,7) Jahre. 67,4 % der Personen waren männlich und drei Viertel der Befragten als Angestellte beschäftigt. Der mittlere WAI-Wert der ersten und zweiten Welle lag bei 39,6 (SD = 6,9) bzw. 39,2 (SD = 7,1). Der Anteil von Personen mit schlechter Arbeitsfähigkeit (WAI < 28) lag zu beiden Erhebungszeitpunkten bei rund 7 %.

Mehrfaktorielle Kovarianzanalysen bestätigten signifikante Haupteffekte ausschließlich für die berufliche Leistungsfähigkeit zur Ersterhebung (F1, 578 = 575,675; p < 0,001), für ein am Arbeitsplatz erlebtes Ungleichgewicht von Verausgabung und Belohnung (F1, 578 = 5,390; p = 0,021) und für das Alter (F1, 578 = 4,053; p = 0,045). Signifikante Interaktionseffekte konn-ten zudem für Gratifikationskrisen und Tabakkonsum (F1, 578 = 7,444; p = 0,007) einerseits und für Gratifikationskrisen und soziale Externalität (F1, 578 = 4,645; p = 0,032) andererseits identifiziert werden wurde. Die disordinale Interaktion von Tabakkonsum und Gratifikations-krise deutet daraufhin, dass Wirkungen auf die berufliche Leistungsfähigkeit erst durch das gemeinsame Auftreten beider Risikofaktoren zu erwarten sind.

Schlussfolgerung Mit den vorgestellten Ergebnissen liegen erstmals Befunde vor, die einen Zusammenhang zwischen beruflichen Gratifikationskrisen und beruflicher Leistungsfähigkeit auch im Längs-schnitt bestätigen. Zudem konnten unsere Analysen zeigen, dass die Wirkung von berufli-chen Gratifikationskrisen durch Gesundheitsverhalten und gesundheitsbezogene Kontroll-überzeugungen moderiert wird. Dies unterstreicht die Bedeutung des Gesundheitstrainings in der Rehabilitation, um die Resilienz gegenüber psychosozialen Arbeitsbelastungen zu er-höhen.

Literatur Bethge, M., Radoschewski, F.M. (2009): Physical and psychosocial work stressors, health-

related control beliefs and work ability: cross-sectional findings from the German Socio-medical Panel of Employees. Int Arch Occup Environ Health. 10. 1007/s00420-00009-00442-00425 [doi].

Bethge, M., Radoschewski, F.M., Müller-Fahrnow, W. (2009): Work stress and work ability: cross-sectional findings from the German Sociomedical Panel of Employees (SPE). Dis-abil Rehabil, 31. 1692-1699.

Conway, P.M., Campanini, P., Sartori, S., Dotti, R., Costa, G. (2008): Main and interactive effects of shiftwork, age and work stress on health in an Italian sample of healthcare workers. Appl Ergon, 39. 630-639.

Ilmarinen, J. (2009): Work ability - a comprehensive concept for occupational health re-search and prevention. Scand J Work Environ Health, 35. 1-5.

Lohaus, A., Schmitt, G.M. (1989): Fragebogen zur Erhebung von Kontrollüberzeugungen zu Krankheit und Gesundheit (KKG). Göttingen, Hogrefe.

Siegrist, J. (1996): Adverse health effects of high-effort/low-reward conditions. J Occup Health Psychol, 1. 27-41.

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van den Berg, T.I., Elders, L.A., de Zwart, B.C., Burdorf, A. (2009): The effects of work-related and individual factors on the Work Ability Index: a systematic review. Occup Envi-ron Med, 66. 211-220.

Geschlechtsspezifische Wirkungen von beruflichem Stress auf die berufliche Leistungsfähigkeit

Kasten, Y., Bethge, M., Radoschewski, F.M. Abteilung für Versorgungssystemforschung und Grundlagen der Qualitätssicherung in der

Rehabilitation, Charité - Universitätsmedizin Berlin

Hintergrund und Fragestellung Trotz gesellschaftlicher und politischer Bemühungen im Sinne der Strategie des Gender Mainstreamings, die das Ziel verfolgt, die Gleichstellung bzw. Gleichbehandlung von Frauen und Männer in der Gesellschaft sicher zu stellen, unterscheiden sich ihre Lebens- und Ar-beitsbedingungen auch heute noch erheblich. Im Rahmen einer geschlechtersensiblen For-schung gewinnt die Einbeziehung der Kategorie Geschlecht in verschiedenen Forschungs-vorhaben zwar immer mehr an Bedeutung, ist aber immer noch keine Selbstverständlichkeit (Jahn, 2005). Auch bei der Entwicklung der meisten beruflichen Stressmodelle, wie dem Modell der beruflichen Gratifikationskrise, wurde die Kategorie Geschlecht nicht explizit be-rücksichtigt. Einflüsse eines geschlechtsspezifischen Arbeitsmarktes oder die häufigere Doppelbelastung der Frauen durch Beruf und Familie werden in diesen Modellen nicht mit-betrachtet. Ziel dieser Arbeit war es daher, zu untersuchen, ob sich beruflicher Stress im Sinne einer beruflichen Gratifikationskrise unterschiedlich auf die berufliche Leistungsfähig-keit von Männern und Frauen auswirkt und welche persönlichen und umweltbedingten Fak-toren diese Wirkung zusätzlich beeinflussen.

Methode In die Querschnittsuntersuchung wurden 1.380 erwerbstätige Personen im Alter zwischen 30 und 59 Jahren aus der Ersterhebung des Sozialmedizinischen Panels für Erwerbsperso-nen (SPE) einbezogen (Bethge et al., 2009). Die berufliche Leistungsfähigkeit wurde mit dem Work-Ability-Index (WAI) operationalisiert (Ilmarinen, 2009). Beruflicher Stress bezieht sich im Sinne des Modells der beruflichen Gratifikationskrise auf ein Ungleichgewicht zwi-schen beruflicher Verausgabung und entsprechender Belohnung (Siegrist et al., 2004). Um die Wirkung von beruflichem Stress auf die berufliche Leistungsfähigkeit von Frauen und Männern zu untersuchen, wurde ein allgemeines lineares Modell gerechnet, um die Wech-selwirkung der beiden unabhängigen Variablen Geschlecht und das Vorliegen einer Gratifi-kationskrise auf die abhängige Variable berufliche Leistungsfähigkeit schätzen zu können (Interaktion erster Ordnung). In einem zweiten Schritt wurden in weiteren linearen Modellen die Einflüsse verschiedener Moderatorvariablen wie z. B. das Bildungsniveau kontrolliert, um eine mögliche zusätzliche Einflussnahme von persönlichen oder umweltbedingten Fak-toren auf die Stresswirkung bei Männern und Frauen zu ergründen (Interaktion zweiter Ord-nung).

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Ergebnisse Untersucht wurden 714 Frauen und 666 Männer. Das mittlere Alter der Befragten betrug 45,3 (SD = 7,7) Jahre, der Mittelwert der beruflichen Leistungsfähigkeit lag bei 38,8 (SD = 7,5) Punkten. Die Ergebnisse zeigen, dass Männer (15,3 %) etwas häufiger von einer Gratifikationskrise betroffen sind als Frauen (10,5 %) und das diese eine stärkere Belastung für Männer als für Frauen darstellt. Durch das Auftreten einer Gratifikationskrise reduziert sich die berufliche Leistungsfähigkeit bei Männern um 8,3 Punkte, bei Frauen lediglich um 5,9 Punkte (ERI * Geschlecht: b = 2,391; p = 0,038).

Die Analysen der Interaktionen zweiter Ordnung zeigen jedoch, dass dieser Effekt durch verschiedene Faktoren wie das Bildungsniveau zusätzlich moderiert wird. Die Wirkung einer beruflichen Gratifikationskrise bei Frauen und Männern mit einem höheren Bildungsniveau ist ähnlich. Bei einem geringeren Bildungsniveau zeigen sich diesbezüglich jedoch Unter-schiede zwischen den Geschlechtern. Hier reduziert sich die berufliche Leistungsfähigkeit bei Männern um 8,4 Punkte, bei Frauen lediglich um 3,9 Punkte (ERI * Geschlecht * Bil-dungsniveau: b = 5,223; p = 0,022).

Schlussfolgerung In Anlehnung an das transaktionale Stressmodell von Lazarus wirkt sich beruflicher Stress nur dann negativ auf Gesundheit bzw. berufliche Leistungsfähigkeit aus, wenn diese Belas-tung von der betroffenen Person auch als bedrohlich wahrgenommen und bewertet wird (Lazarus, Folkman, 1984). Die subjektive Bedeutung der Arbeit und somit auch die Bedro-hung durch beruflichen Stress werden in diesem Zusammenhang möglicherweise dadurch reduziert, dass Belastungen aus anderen Bereichen wie der Familie eine stärkere Bedeu-tung gewinnen. Die zusätzliche Untersuchung verschiedener Moderatorvariablen wie dem Bildungsniveau, stützt die Vermutung, dass geschlechtsspezifische Wirkungen beruflicher Gratifikationskrisen zu einem gewissen Teil durch verschiedene Lebens- und Arbeitsbedin-gungen der Frauen und Männer bedingt sind.

Literatur Bethge, M., Radoschewski, F.M., Müller-Fahrnow, W. (2009): Work stress and work ability:

cross-sectional findings from the German Sociomedical Panel of Employees (SPE). Dis-abil Rehabil, 31. 1692-1699.

Ilmarinen, J. (2009): Work ability - a comprehensive concept for occupational health re-search and prevention. Scand J Work Environ Health, 35. 1-5.

Jahn, I. (2005): Die Berücksichtigung der Geschlechterperspektive. Neue Chancen für Qua-litätsverbesserungen in Epidemiologie und Gesundheitsforschung. Bundesgesundheits-blatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz, 48. 287-295.

Lazarus, R.S., Folkman, S. (1984): Stress, Appraisal and Coping. New York, McGraw Hill. Siegrist, J., Starke, D., Chandola, T., Godin, I., Marmot, M., Niedhammer, I., Peter, R.

(2004): The measurement of effort-reward imbalance at work: European comparisons. Soc Sci Med, 58. 1483-1499.

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Strukturen, Arbeitsbedingungen und Belastungen von Psychologinnen und Psychologen in der medizinischen Rehabilitation

Küch, D., Mai, B., Pimmer, V., Theissing, J., Schmucker, D. Arbeitskreis Klinische Psychologie in der Rehabilitation,

Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V., Berlin

Hintergrund Berufliche Belastungen werden zunehmend als Mitverursacher somatischer und psychoso-matischer Krankheiten gesehen (Ulich, 2008). Globale sozioökonomische Veränderungen (Massenarbeitslosigkeit, prekäre Arbeitsverhältnisse, Strukturwandel, Aufgabenintensivie-rung) bewirken bevölkerungsmedizinisch hochrelevante individuelle Verunsicherungen und Problemlagen (Siegrist, 2002; Schumann, Grefe, 2009). Das betrifft auch die Arbeit von Psychologen/innen in der medizinischen Rehabilitation (Arbeitsverdichtung, Tarifverschlech-terung, Befristung von Arbeitsverträgen etc.). In der vorliegenden Untersuchung werden Ar-beitsbedingungen und Belastungserleben von Psychologen/innen in der medizinischen Re-habilitation thematisiert.

Methode Im Sommer 2009 führte der Arbeitskreis Klinische Psychologie in der Rehabilitation zeit-gleich zwei schriftliche Befragungen durch. 1.070 Einrichtungen der somatischen und psy-chosomatischen Rehabilitation in Deutschland wurden zu strukturellen Bedingungen der Rehabilitationspsychologie befragt (z. B. Stellenschlüssel, Abteilungsstrukturen). Gleichzei-tig wurden Belastungs- und Unterstützungserleben dort tätiger Psychologen erhoben, u. a. mit dem Fragebogen zur Erfassung beruflicher Gratifikationskrisen - ERI (Siegrist et al., 2004), ergänzt um potentiell modifizierende Items (Arbeitgeber-Support, private Belastun-gen). Die Auswertung der strukturellen und der individuellen Angaben erfolgte zwecks Ano-nymisierung getrennt voneinander.

Ergebnisse Im Rahmen der strukturellen Befragung antworteten 34 % der angeschriebenen Reha-Einrichtungen (n =3 66). 96,4 % bieten stationäre, 58,5 % ambulante und teilstationäre Re-habilitation an. 70 % der Reha-Einrichtungen haben eine eigene psychologische Abteilung, von denen 30 % von Psychologen/innen selbst geleitet werden, mit einem breiten trägerab-hängigen Range von 8 % (Hauptbeleger Rentenversicherung) bis 50 % (Hauptbeleger Krankenkassen). 44 % der Psychologen haben die psychotherapeutische Approbation. Der Stellenschlüssel liegt im Schnitt bei 1:107 für Reha-Einrichtungen mit somatischer Indikation (Range von 1:60 - 1:280).

Im Rahmen der Belastungsbefragung antworteten 923 Beschäftigte (Frauenanteil 69 %) mit durchschnittlich 9 Jahren Berufserfahrung. Bei 56,7 % liegt eine Stellenbeschreibung vor, 73,6 % erhalten Supervision (inkl. Psychosomatik), 88,7 % erhalten Unterstützung zur Fort-bildung (Freistellung, finanziell). 38,9 % berichten besondere private Belastungen (Frauen-anteil tendenziell erhöht). 10 % der Befragten haben ein erhöhtes Risiko einer Gratifikati-onskrise, 5,1 % eine überhöhte Verausgabungsneigung. 9,8 % erleben ihren Arbeitsplatz als gefährdet. Das Risiko einer Gratifikationskrise steigt signifikant mit zunehmendem Lebensal-

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ter (tendenziell stärker für Männer) und mit dem Fehlen einer Stellenbeschreibung. Eine hö-here Wochenarbeitszeit korreliert mit dem Risiko einer Gratifikationskrise in Kombination mit Alter, Berufserfahrung und privaten Belastungen.

Diskussion und Ausblick Die Befragungsergebnisse weisen auf heterogene und teils noch sehr problematische Struk-turen für Psychologen/innen vor allem in der somatischen Rehabilitation hin. Beispielsweise sind die Stellenschlüssel niedrig geblieben trotz veränderter Bedarfe und berufsgruppen-spezifische Eigenständigkeit und Hierarchisierung noch nicht regelhaft. Allerdings sind trotz zunehmender Anforderungen berufsgruppenspezifische Gratifikationskrisen von Rehabilita-tionspsychologen vergleichsweise moderat ausgeprägt. Eine relativ häufig erlebte Arbeits-platzsicherheit wie auch - ggf. ausbildungsimmanente - Kompetenzen könnten Schutzfakto-ren darstellen. Berufsgruppen- und sektorenübergreifende Erhebungen sollten folgen.

Literatur Siegrist, J. (2002): Effort-reward imbalance at work and health. In: Perrewe, P.L., Ganster,

P.C. (Hrsg.): Historical and current perspectives on stress and health. Amsterdam: JAI Elsevier. 261-291.

Siegrist, J., Starke, D., Chandola, T., Godin, I., Marmot, M., Niedhammer, I., Peter, R. (2004): The measurement of effort-reward imbalance at work: European comparisons. Social Sciences & Medicine, 58. 1483-1499.

Schumann, H., Grefe, C. (2008): Der globale Countdown: Finanzcrash, Wirtschaftskollaps, Klimawandel. Wege aus der Weltkrise. Kiepenheuer und Witsch, Köln.

Ulich, E. (2008): Psychische Belastungen am Arbeitsplatz. In: Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP). Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz in Deutschland. Bericht zur psychologischen Lage der Nation. Berlin.

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Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen

Diagnostik und Behandlungsevaluation bei pathologischem Glücksspielen

Premper, V. (1), Perty, J. (2) (1) AHG Klinik Schweriner See, Lübstorf, (2) Allgemeine Hospitalgesellschaft AG, Bielefeld

Hintergrund Eine fundierte auf das Störungsbild bezogene Diagnostik ist notwendig zur klaren Bestim-mung des Krankheitsbildes sowie zur Behandlungsplanung und Behandlungsevaluation. Ei-ne klar definierte Eingangs-, Verlaufs- und Abschlussdiagnostik sowie die Durchführung von Nachuntersuchungen stellen darüber hinaus wesentliche Elemente der Qualitätssicherung von Behandlungs- und Rehabilitationsverläufen dar. Aus diesem Grund haben sich die Klini-ken der AHG, in denen pathologische Glücksspieler, jährlich mehr als 700, stationär behan-delt werden, eine umfassende störungsspezifische Diagnostik und Behandlungsevaluation eingeführt. Das diagnostische Vorgehen umfasst einen speziell entwickelten Anamnesebo-gen zum pathologischen Glücksspielen, den Kurzfragebogen zum Glücksspielverhalten (KFG, Petry, Baulig, 1996), den Schweriner Fragebogen zum Glücksspielen (SFG, Premper et al., 2007) sowie einen speziell entwickelten Katamnesefragebogen. Diese einheitliche Diagnostik und Behandlungsevaluation wird praktiziert seit dem 01.07.2009. Sie wird er-gänzt werden durch eine gemeinsame multizentrische 1-Jahreskatamnese aller Patienten, die zwischen 10/2009 und 9/2010 ihre Behandlung beenden.

Methode In einer Pilotstudie wurden die eingesetzten Untersuchungsinstrumente erprobt und evalu-iert. Untersucht wurden 101 Patienten der AHG Klinik Schweriner See. Zur Überprüfung der Zuweisungsdiagnose wurde der KFG eingesetzt. Parameter des bisherigen Krankheitsver-laufs wurden mit dem speziell entwickelten Anamnesefragebogen erhoben. Die aktuelle In-volviertheit in das Glücksspielen wurde mit dem SFG zu drei Messzeitpunkten (prä, post und 6-Monats-Follow-up) erhoben. Der Abstinenzstatus und Parameter des weiteren Störungs-verlaufes wurden mittels eines speziell entwickelten Katamnesefragebogens im 6-Monats-Follow-up erhoben.

Ergebnisse Das Alter bei Beginn des Glücksspielens lag im Mittel bei 25 Jahren, die aktive Zeit des Glücksspielens betrug im Mittel 14,5 Jahren. Gemessen mit dem KFG lag bei 24 % eine fortgeschrittene, bei 67 % eine mittelgradige und bei 8 % eine beginnende Glücksspielprob-lematik vor. Bei 1 % (n = 1) konnte die Diagnose mittels des KFG nicht bestätigt werden. Gemessen mit dem SFG hatten 16,7 % zu Beginn der Behandlung eine hohe Involviertheit in das Glücksspielen, eine mittelgradige lag bei 66,7 % vor, eine geringe bei 16,7 %. Zu Be-handlungsende wies kein Patient mehr eine starke Involviertheit in das Glücksspielen auf, 25 % eine mittelgradige und 75 % noch eine geringe. Zum Katamnesezeitpunkt (6-Monats-

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Follow-up) zeigten 67,1 % eine geringe Involviertheit, 26,3 % eine mittelgradige und 6,6 % nun wieder eine starke Involviertheit. Durchgängig spielfreie Glücksspieler wiesen dabei ei-ne signifikant geringere Involviertheit in das Glücksspielen auf, als rückfällige. In der Katam-neseuntersuchung wurde eine Rücklaufquote von 78,2 % erreicht. Bewertet nach DGSS IV-Kriterium waren 46,5 % durchgehend glücksspielfrei, abstinent nach Rückfall waren 17,8 % und rückfällig waren 35,6 %. Damit ergibt sich eine katamnestische Erfolgsquote von 64,4 % (Premper, Schulz, 2007). Patienten, die im Katamnesezeitraum das Glücksspielen wieder aufgenommen hatten, konnten im Mittel die Spieltage, die pro Tag mit Glücksspielen ver-brachte Zeit und die erlittenen Verluste signifikant gegenüber dem Zeitraum vor Behand-lungsbeginn reduzieren (Premper, 2008).

Diskussion Es konnte gezeigt werden, dass die eingesetzten Instrumente zur Diagnostik und Behand-lungsevaluation geeignet sind. Mittels des KFG konnten die Zuweisungsdiagnosen überprüft und bestätigt werden. Der SFG hat sich als geeignet zur Veränderungsmessung erwiesen. Die Involviertheit in das Glücksspielen war zu Behandlungsende gegenüber dem Aufnah-mezeitpunkt deutlich zurückgegangen. Zum Katamnesezeitpunkt zeigte sich ein leichter An-stieg. Patienten, die durchgängig abstinent geblieben waren, zeigten eine deutlich geringere Involviertheit als rückfällige. Anamnesebogen und Katamnesebogen erfassen relevante Pa-rameter des Krankheitsverlaufes, die neben dem Abstinenzstatus zusätzlich zur Behand-lungsevaluation herangezogen werden können. Zusammenfassend kann festgestellt wer-den, dass vor dem Hintergrund der Befunde der Pilotuntersuchung die eingeführten dia-gnostischen Instrumente gut geeignet sind, Krankheits- und Behandlungsverläufe zu erfas-sen und zuverlässige Daten für die Behandlungsevaluation zu liefern.

Literatur Petry, J., Baulig, H. (1996): Kurzfragebogen zum Glücksspielverhalten (KFG). Göttingen:

Hogrefe. Premper, V. (2008): Ergebnisqualität in der Behandlung von pathologischen Glücksspielern.

In: Qualitäten der Suchtbehandlung. Geesthacht: Neuland. 393-400. Premper, V., Schulz, W. (2007): Behandlungserfolg und prospektiver Krankheitsverlauf bei

pathologischen Glücksspielern in Abhängigkeit von Komorbidität und Spielkarriere. Suchttherapie, 8. 108-114.

Premper, V., Sobottka, B., Fischer, T. (2007): Der Schweriner Fragebogen zum Glücksspie-len. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 28. 244-249.

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RMK-Screening Sucht - Ergebnisse aus dem Praxistest im Antragsverfahren der Deutschen Rentenversicherung

Spyra, K., Köhn, S. Lehrstuhl für Versorgungssystemforschung und Qualitätssicherung in der Rehabilitation,

Charité - Universitätsmedizin Berlin

Hintergrund und Zielstellung Bei der Zuweisungssteuerung von Rehabilitanden in geeignete Einrichtungen stehen Reha-Träger wie die Deutsche Rentenversicherung vor zunehmenden Herausforderungen: So ist das Versorgungsangebot in den Reha-Einrichtungen immer komplexer und differenzierter geworden. Gleichzeitig werden Instrumente benötigt, die den Behandlungsbedarf von Reha-Antragstellern in verschiedenen reha-relevanten Bereichen valide messen. Instrumente für den Einsatz im klinischen Bereich sind dabei eine Voraussetzung für Screening-Instrumente, die eine Vorselektion von Personen erlauben, um zu entscheiden, ob ein (bzw. welches) diagnostisches Verfahren im Anschluss angezeigt ist (Löffler et al., 2009). Scree-nings können dazu beitragen, bereits im Zuweisungsverfahren Rehabilitanden mit besonde-ren Problemlagen zu identifizieren und auf dieser Basis gezielter in geeignete Einrichtungen einzuweisen. Dies gilt auch für den Bereich der stationären Alkoholentwöhnung.

Ein Zugang für die differenzielle und gestufte diagnostische Bedarfsmessung wurde erst-mals mit dem Konzept der "Rehabilitanden-Management-Kategorien" (RMK) entwickelt (Spyra et al., 2008): Hier wurde u. a. für die stationäre Alkoholentwöhnung* ein Assessment für den Einsatz in Reha-Kliniken entwickelt, das substanzbezogene, psychische sowie so-ziale Beeinträchtigungen misst. Auf Basis des Klinik-Assessments konnten vier Fallgruppen statistisch abgeleitet und klinisch konsentiert werden, die sich in ihrem reha-relevanten Be-handlungsbedarf signifikant voneinander unterscheiden (Möllmann, Spyra, 2009). Konseku-tiv wurde auf Basis der Klinik-Version des RMK-Assessments ein RMK-Screening entwi-ckelt**. Dieses sollte bereits im Zuweisungsverfahren eine Vorabschätzung der Zuordnung eines Antragstellers zu einer Bedarfsgruppe erlauben. Für die Entwicklung der Testversion des Screenings (insgesamt 21 Items) wurden mittels Diskriminanzanalysen für jede der RMK-Subdimensionen (Substanzbezogene Beeinträchtigung, Psychische Symptomatik, Persönliche Ressourcen, Arbeitsbezogenes Erleben und Verhalten, Soziale Unterstützung) diejenigen Items aus dem Klinik-Assessment extrahiert, die den stärksten bedarfsdifferen-zierenden Charakter aufwiesen (Spyra et al., 2009).

Im Praxiseinsatz sollte die psychometrische Güte der Testversion des Screenings, dessen Akzeptanz bei Reha-Antragstellern sowie die Eignung zur Abbildung der RMK-Beein-trächtigungsdimensionen überprüft werden. * Das Projekt wird seit 2007 von folgenden Unternehmen (Kliniken) gefördert: AHG Allgemeine Hospitalge-

sellschaft AG (Kliniken Daun-Am Rosenberg, Kliniken Daun-Thommener Höhe, Fachklinik Wilhelmsheim, Fachklinik Tönisstein), AKG Dr. S. Zwick GmbH und Co. KG (Fachklinik Fredeburg, Fachklinik Furth im Wald), Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V. (buss; LWL-Rehabiliationszentrum Ostwestfa-len - Bernhard-Salzmann-Klinik, Fachklinik St. Marienstift-Dammer Berge), Paracelsus-Kliniken-Deutsch-land GmbH (Paracelsus Berghofklinik), salus klinik Lindow, Haus Saaletal GmbH (Saaletalklinik), Klinik E-schenburg KG (Klinik Eschenburg).

** Das Projekt wird 2008/09 von der Deutschen Rentenversicherung Bund und Westfalen gefördert.

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Methodik Das RMK-Screening wurde von Februar bis Juli 2009 an Antragsteller der Deutschen Ren-tenversicherung Bund und Westfalen mit einer bewilligten stationären Alkoholentwöh-nungsmaßnahme versandt. Für eine Stichprobe von 242 alkoholabhängigen Antragstellern wurde anhand einer Itemanalyse die testtheoretische Güte des RMK-Screenings hinsichtlich Response-Raten, Boden- und Deckeneffekten sowie Item-Trennschärfe und interner Kon-sistenz überprüft. Die Konstruktvalidität bezüglich der Abbildung der 5 Subdimensionen des RMK-Modells wurde faktorenanalytisch ermittelt.

Ergebnisse Bei drei der fünf abzubildenden Bedarfsdimensionen ergab die testtheoretische Überprüfung einen Modifikationsbedarf: (1) In der substanzbezogenen Dimension erwiesen sich im Pra-xistest die 3 Items des AASE (Alkohokolabstinenz-Selbstwirksamkeitsfragebogen) aufgrund hoher Auslassungsraten und ausgeprägter Deckeneffekte als ungeeignet. Alkoholabhängige scheinen vor Beginn der Entwöhnung ihre Versuchungsbereitschaft subjektiv nicht valide einschätzen zu können. Die AASE-Items wurden daraufhin durch Items des AUDIT (Alkohol Use Disorder Identification Test) ersetzt. (2) Mit der Testversion des Screenings konnten die Subdimensionen Psychische Symptomatik und Persönliche Ressourcen nicht erwartungs-gemäß getrennt werden. Zur umfassenden Messung der psychischen Symptomatik wurde daraufhin der SCL-9 vollständig aufgenommen, auf Items aus weiteren Skalen wurde dafür verzichtet.

Die modifizierte Version des RMK-Screenings Sucht beinhaltet 24 Items, mit denen sich die theoretisch angenommene Dimensionsstruktur anhand des Datensatzes aus der Entwick-lungsstichprobe gut abbilden lässt.

Fazit und Ausblick Der erste Praxiseinsatz des RMK-Screenings zeigt, dass alkoholabhängige Reha-Antrag-steller grundsätzlich bereit sind, einen weiteren Fragebogen auszufüllen. Die psychometri-sche Qualität des Instruments wurde durch Modifikation der Testversion verbessert. In ei-nem ab 2010 von der Deutschen Rentenversicherung Bund geförderten Projekt sollen so-wohl das modifizierte RMK-Screening als auch das RMK-Klinik-Assessment eingesetzt wer-den. Aus den Ergebnissen werden Informationen über die Qualität des modifizierten RMK-Screenings und die personenbezogene Kompatibilität der beiden Instrumente bezüglich der Fallgruppierung erwartet.

Literatur Löffler, S., Wolf, H.-D., Neuderth, S., Vogel, H. (2009): Screening-Verfahren in der medizini-

schen Rehabilitation. In: Hillert, A., Müller-Fahrnow, W., Radoschewski, F.M. (Hrsg.): Me-dizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation. Grundlagen und klinische Praxis. Deutscher Ärzteverlag. Köln. 133-140.

Möllmann, C., Spyra, K. (2009): Rehabilitanden-Management-Kategorien in der Sucht-Rehabilitation. Sucht aktuell 01/2009. 26-31.

Spyra, K., Möllmann, C., Blume, C., Böttcher, J. (2009). Entwicklung eines Screening-Ass-essments für die Zuweisungssteuerung in der Suchtrehabilitation. DRV-Schriften, Bd. 83. 438-439.

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Spyra, K., Müller-Fahrnow, W., Blume, C., Böttcher, J., Erhart, M., Streibelt, M. (2008): Re-habilitanden-Management-Kategorien (RMKs) und die Option einer finanziellen Vergü-tung im Sinne von Rehabilitanden-Management-Pauschalen (RMPs). Praxis Klinische Verhaltensmedizin, 80. 108-129.

Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMK) in der stationären Behandlung alkoholabhängiger Patienten

- Ergebnisse des Implementationstests 2009

Köhn, S. (1), Lindenmeyer, J. (2), Missel, P. (3), Zemlin, U. (4), Spyra, K. (1) Lehrstuhl für Versorgungssystemforschung und Qualitätssicherung in der Rehabilitation,

Charité - Universitätsmedizin Berlin, (2) salus klinik Lindow, (3) AHG Kliniken Daun Am Rosenberg, (4) AHG Klinik Wilhelmsheim

Hintergrund Eine entscheidende Voraussetzung für die Etablierung neuer Instrumente in der Versor-gungspraxis stellt ihre Akzeptanz seitens der verschiedenen Akteure im rehabilitativen Ge-schehen dar. Dies betrifft sowohl Leistungsträger als auch Leistungserbringer und nicht zu-letzt die Rehabilitanden. Eine bewährte Form der Akzeptanzermittlung ist der Implementati-onstest im Praxiseinsatz. Er wurde gewählt, um die an der Charité - Universitätsmedizin Berlin in enger Kooperation mit klinischen Experten entwickelten Instrumente für eine be-darfsbezogene Patientenklassifikation für die stationäre Alkoholentwöhnung zu überprüfen. Das Konzept der Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMK) zielt darauf ab, unter-schiedliche Bedarfslagen von Rehabilitanden innerhalb einer Indikationsgruppe zu Beginn einer Rehabilitation zu erfassen. Es soll u. a. dazu beitragen, die bedarfsgerechte Steuerung rehabilitativer Leistungen in den Kliniken zu optimieren und das Leistungsgeschehen trans-parenter zu gestalten (Spyra et al., 2008). Für die stationäre Entwöhnungsbehandlung alko-holabhängiger Patienten wurde im Rahmen früherer Projektarbeiten* ein RMK-Assessment für den Einsatz in Reha-Kliniken entwickelt. Es integriert etablierte Messinstrumente und ist zur Differenzierung von Bedarfsgruppen in der stationären Alkoholentwöhnung geeignet (Möllmann, Spyra, 2009a; Möllmann, Spyra, 2009b). Mittels Latenter Klassenanalyse (Ha-genaars, McCutcheon, 2002) konnten auf Basis des RMK-Assessments vier Bedarfsgrup-pen statistisch abgeleitet werden, die signifikante Unterschiede in ihren Beeinträchtigungs-profilen aufweisen und sich in der substanzbezogenen, der psychischen und sozialen Beein-trächtigung unterscheiden. Für den klinischen Einsatz wurde eine Software entwickelt, die einen Rehabilitanden anhand seiner Assessment-Messwerte eindeutig einer Bedarfsgrup-

* Das Projekt wird seit 2007 von folgenden Unternehmen (Kliniken) gefördert: AHG Allgemeine Hospitalge-

sellschaft AG (Kliniken Daun-Am Rosenberg, Kliniken Daun-Thommener Höhe, Fachklinik Wilhelmsheim, Fachklinik Tönisstein), AKG Dr. S. Zwick GmbH und Co. KG (Fachklinik Fredeburg, Fachklinik Furth im Wald), Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V. (buss; LWL-Rehabiliationszentrum Ostwestfa-len - Bernhard-Salzmann-Klinik, Fachklinik St. Marienstift-Dammer Berge), Paracelsus-Kliniken-Deutschland GmbH (Paracelsus Berghofklinik), salus klinik Lindow, Haus Saaletal GmbH (Saaletalklinik), Klinik Eschen-burg KG (Klinik Eschenburg).

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pierung zuordnet und eine anwenderfreundliche Auswertungsinformation zu den individuel-len Einzelmesswerten für das klinische Personal zur Verfügung stellt.

Zielstellung Ziel der RMK-Implementation war die Erprobung der Einbindung der assessment-basierten Bedarfsgruppierung und RMK-Auswertungsinformation in den klinischen Alltag und die Rek-rutierung einer größeren Stichprobe, um die bisher vorliegenden Ergebnisse zu validieren sowie klinik- und subgruppenspezifische Analysen durchzuführen.

Methodik Von Mai bis September 2009 wurden das RMK-Sucht-Assessment und die RMK–Software in 12 Suchtfachkliniken implementiert. Die RMK-Diagnostik wurde mit alkoholabhängigen Rehabilitanden durchgeführt und die Bedarfsgruppierung zeitnah zur Aufnahme PC-gestützt in den Kliniken ermittelt. Nach Abschluss der Datenerhebung erfolgte in den Studienkliniken eine kombinierte qualitative und standardisierte Anwenderbefragung.

Ergebnisse 1. Das RMK-Assessment wurde bei n = 1.396 alkoholabhängigen Rehabilitanden einge-

setzt, wobei für 94 % eine Bedarfsgruppierung anhand vollständiger Datensätze möglich war (n = 1.307, davon 26,2 % Frauen). Die Verteilung der Bedarfsgruppen entspricht an-nährend der Verteilung aus der ersten Studienphase (2007/08) und bestätigt damit die stichprobenunabhängige Reproduzierbarkeit der Ergebnisse.

2. Die Auswertung der Leitfaden gestützten Interviews in den Studienkliniken ließ eine hohe Akzeptanz des RMK-Assessments sowohl bei den Rehabilitanden als auch beim thera-peutischen Personal erkennen. Assessment und Software konnten problemlos in die be-stehenden Klinik-Routinen integriert werden und wurden von den Anwendern als prakti-kabel bewertet. Insbesondere die synoptische RMK-Ergebnisdarstellung, differenziert nach substanzbezogener, psychischer und sozialer Dimension, wurde als geeigneter Baustein der Eingangsdiagnostik sowie als Hilfsmittel zur Exploration von therapierele-vanten Beeinträchtigungsbereichen beschrieben. Das therapeutische Personal gab an, dass das RMK-Ergebnis überwiegend mit dem klinischen Eindruck vom Patienten über-einstimmt; Abweichungen wurden bei klinisch sehr auffälligen Patienten gefunden. An-zahl und Charakteristik der RMK-Bedarfsgruppen sind aus klinischer Sicht plausibel und geeignet, klinikspezifische Patientenstrukturen abzubilden.

Fazit und Ausblick Der RMK-Implementationstest belegt die Praktikabilität und den Nutzen der RMK-Instru-mente für den Einsatz in der stationären Alkoholentwöhnung. Sie sind geeignet, um eine standardisierte und damit auch zwischen Kliniken vergleichbare Eingangsdiagnostik in der stationären Alkoholentwöhnung zu etablieren. Die Ergebnisse der RMK-Diagnostik liefern eine relevante Entscheidungsgrundlage für die Allokation von Leistungen zu einem frühen Zeitpunkt der Rehabilitation, was insbesondere vor dem Hintergrund zunehmend begrenzter Ressourcen interessant ist. Die nächste Aufgabe im Rahmen der RMK-Entwicklung besteht in der expertenbasierten Bewertung und Konsentierung der bereits vorliegenden empiri-schen Ergebnisse zur Ableitung von therapeutischen Anforderungen für die RMK-Bedarfs-gruppen.

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Literatur Hagenaars, J.A., McCutcheon, A.L. (2002): Applied Latent Class Analysis. Camebridge Uni-

versity Press. Möllmann, C., Spyra, K. (2009a): Rehabilitanden-Management-Kategorien in der Sucht-

Rehabilitation. SuchtAktuell 1. 26-31. Möllmann, C., Spyra, K. (2009b): Assessmentbasierte Ableitung von Rehabilitanden-

Management-Kategorien für die Suchtrehabilitation. DRV-Schriften, Bd. 83. 449-450. Spyra, K., Müller-Fahrnow, W., Blume, C., Böttcher, J., Erhart, M., Streibelt, M. (2008): Re-

habilitanden-Management-Kategorien (RMKs) und die Option einer finanziellen Vergü-tung im Sinne von Rehabilitanden-Management-Pauschalen (RMPs). Praxis Klinische Verhaltensmedizin, 80. 108-129.

Schnittstellenmanagement und Vernetzung durch "Reha-Fallbegleitung bei Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängigen mit

erwerbsbezogenen Problemen"

Kainz, B. (1), Glattacker, M. (1), Wenzel, D. (4), Schröder, A. (4), Kulick, B. (3), Jäckel, W.H. (1,2)

(1) Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, (2) Hochrhein-Institut und RehaKlinikum Bad Säckingen, (3) Deutsche Rentenversicherung

Rheinland-Pfalz, (4) Arbeitseinheit Klinische Psychologie, Universität Koblenz-Landau

Hintergrund Die Effektivität stationärer Suchtrehabilitation ist seit vielen Jahren nachgewiesen (Missel, 2009; Süß, 2004), dennoch wird ein hoher Prozentsatz der Patienten innerhalb der ersten sechs Monate nach Beendigung der stationären Rehabilitation rückfällig. Die Rückfallwahr-scheinlichkeit ist in den ersten vier Wochen nach Behandlungsende am höchsten: 50 % aller Rückfälle ereignen sich in diesem Zeitraum (Fischer et al., 2007). Ebenfalls hoch ist mit 15 % die Rate der Patienten, die die Rehabilitation nicht planmäßig beenden und mit bis zu 24 % die Rate der Patienten, die eine bewilligte Maßnahme nicht antreten (Köhler et. al, 2007). Ca. 30 % der Patienten in einer stationären Rehabilitation sind "Wiederholer", d. h. sie haben schon eine oder mehrere vorhergehende Entwöhnungsbehandlungen in An-spruch genommen (Missel, 2009). Die berufliche Wiedereingliederung erhöht sich nach sta-tionärer Entwöhnungsbehandlung nur geringfügig und ist mit ca. 50 % bei Alkoholabhängi-gen und ca. 30 % bei Drogenabhängigen verbesserungsbedürftig (Missel, 2009).

Indikativ für die Risikogruppe der "Wiederholer" und "Nichtantreter" hat die Deutsche Ren-tenversicherung Rheinland-Pfalz das Modellprojekt "Reha-Fallbegleitung bei Alkohol-, Medi-kamenten- und Drogenabhängigen mit erwerbsbezogenen Problemen" initiiert. Vorrangiges Ziel nach SGB IX besteht darin, die rehabilitativen Strukturen an den Belangen der Abhän-gigkeitserkrankten auszurichten, das Schnittstellenmanagement zu intensivieren und die Nachhaltigkeit der Maßnahme im Hinblick auf den Erhalt der Abstinenz und die berufliche Wiedereingliederung zu verbessern. Die Projektteilnehmer werden ab dem Zeitpunkt der Reha-Bewilligung bis sechs Monate nach Abschluss der stationären Rehabilitation von ei-

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nem Reha-Fallbegleiter begleitet. Vorgesehen sind bis zu 20 persönliche oder telefonische Kontakte zwischen Reha-Fallbegleiter, Patient und Netzwerkpartnern.

Methode Das Modellprojekt wird mithilfe eines kombinierten quantitativen und qualitativen Studiende-signs evaluiert. Der hier fokussierte quantitative Teil stützt sich auf umfangreiche Dokumen-tationsinstrumente und die Befragung von 150 Teilnehmern zu fünf Messzeitpunkten.

Zentrale Fragestellungen der wissenschaftlichen Begleitung sind neben dem mittel- und langfristigen Outcome der Reha-Fallbegleitung die angestrebte Verbesserung der Vernet-zung. Es wird der "Patientenfluss" von Beginn der Reha-Fallbegleitung bis zur Jahreska-tamnese analysiert und beschrieben welche Prozesse im Verlauf der Reha-Fallbegleitung umgesetzt wurden. Weitere Schwerpunkte sind die Akzeptanz der Reha-Fallbegleitung aus Sicht der beteiligten Gruppen und die Identifizierung von Faktoren, die für einen erfolgrei-chen Verlauf der Reha-Fallbegleitung relevant sind.

Im vorliegenden Beitrag sollen folgende Fragen beantwortet werden:

- Welche Zielgruppen werden durch das Angebot erreicht?

- Wie viele Teilnehmer können durch die Reha-Fallbegleitung im Hilfesystem gehalten werden?

- Wie viele Kontakte finden im Rahmen der Reha-Fallbegleitung statt?

Wie viele Teilnehmer können beruflich wiedereingegliedert werden?

Ergebnisse Von den 458 Versicherten, die die Einschlusskriterien für eine Reha-Fallbegleitung erfüllen, haben 290 (60 %) eine Vereinbarung "Reha-Fallbegleitung" geschlossen, davon sind 95 % "Wiederholer" (58 % drogenabhängig, 42 % alkoholabhängig). 89 % der Teilnehmer sind Männer, Durchschnittsalter 36 Jahre. Von den Studienteilnehmern (n = 153) haben 75 % die Rehabilitation regulär beendet, 24 % abgebrochen und 9 % wurden verlegt. Von den Abbre-chern nahmen 57 % weiterhin an der Reha-Fallbegleitung teil und konnten dadurch im Hilfe-system gehalten werden. Der Schwerpunkt der Prozessbegleitung liegt konzeptgemäß auf dem Zeitraum nach der Rehabilitation. Dementsprechend fanden bei den Teilnehmern und Netzwerkpartnern in den ersten drei Monaten nach Abschluss der Reha die meisten Kontak-te statt, und zwar durchschnittlich 10 Kontakte mit insgesamt 197 Minuten. Von den 79 Pati-enten, die die Reha-Fallbegleitung bislang abgeschlossen haben, konnten 39 % in ein Aus-bildungs- oder Arbeitsverhältnis (re)integriert werden. Die Aufgabe des Reha-Fallbegleiters bestand in der gemeinsamen Erarbeitung einer Strategie zur beruflichen Reintegration (61 %), in Bilanzgesprächen zur Arbeitssituation (47 %), in der Kontaktaufnahme mit dem Arbeitgeber bis hin zu Arbeitsplatzbesuchen (8 %).

Diskussion Das Modellprojekt wird von den Versicherten, die zu einer rehabilitativ schwer erreichbaren Hochrisikogruppe gehören, gut angenommen und akzeptiert. Die Anzahl der stattgefunde-nen Kontakte lässt darauf schließen, dass es einen hohen Bedarf für eine Reha-Fallbe-gleitung im Suchtbereich gibt. Erfolgversprechende Ergebnisse hinsichtlich beruflicher Per-spektivenentwicklung sind erkennbar.

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Literatur Fischer, M., Missel, P., Nowak, M., Roeb-Rienas, W., Schiller, A., Schwehm, H. (2007): Er-

gebnisqualität der stationären medizinischen Rehabilitation von Drogenabhängigen (Dro-genkatamnese): Abstinenz und Rückfall in der Halbjahres- und Jahreskatamnese. Sucht Aktuell 2007, 2. 37-46.

Köhler, J., Grünbeck, P., Soyka, M. (2007): Entwöhnungstherapie bei Alkoholabhängigkeit – Inanspruchnahme, Dauer und sozialmedizinischer Verlauf. Aktuelle Ergebnisse und Per-spektiven aus der Sicht des Rentenversicherungsträgers. Der Nervenarzt, 78. 536-546.

Missel, P. (2009): Zum Zusammenhang von Behandlungsdauer und Ergebnisqualität in der stationären Rehabilitation Abhängigkeitskranker. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 83/2009. 54-66.

Süß, H.M. (2004): Zur differentiellen Wirksamkeit von psychosozialen Behandlungsmaß-nahmen bei Alkoholabhängigen. Ein methodenkritischer Vergleich von systematischen Li-teraturübersichten und Metaanalysen. Abhängigkeiten 2004, 3. 1-19.

Mit dem Joystick gegen das Suchtgedächtnis - Zur langfristigen Effektivität eines PC-gestützten

Rückfallpräventionstrainings bei Alkoholabhängigkeit

Lindenmeyer, J. (1), Hesse, C. (1), Pawelczak, S. (1), Becker, E. (2), Rinck, M. (2) (1) salus klinik Lindow, (2) Universität Nijmegen, Niederlande

Theoretischer Hintergrund und Fragestellung In der neuropsychologischen Rückfallforschung finden sich immer mehr Hinweise auf die überdauernde Existenz eines sog. Suchtgedächtnisses, das mit einer situativen Einschrän-kung der rationalen Selbstkontrolle durch automatisierte Informationsprozesse (sog. implicit cognitions) einhergeht. In einem Forschungsprojekt der salus klinik Lindow und der Universi-tät Nijmegen (Niederlande) konnte nachgewiesen werden, dass Suchtgedächtniseffekte bei Alkoholabhängigen mit HiIfe eines PC-gestütztes Trainings günstig beeinflusst werden kön-nen. Geprüft werden soll, inwieweit das Trainingsprogramm nachhaltige Effekte auf das Rückfallgeschehen im 1-Jahres-Katameseszeitraum zeigt.

Probanden 224 Alkoholabhängige in einer 3-monatigen stationären Entwöhnungsbehandlung (salus kli-nik Lindow): 76 % Männer und 24 % Frauen, mittleres Alter 45 Jahre, mittlere Dauer der Abhängigkeit 12,8 Jahre.

Procedere Die Probanden wurden zufällig auf 4 Gruppen verteilt: Direktes Neuropsychologisches Kon-trolltraining (NKT), Indirektes Neuropsychologisches Kontrolltraining (NKT), unspezifisches Computertraining (Kontrollgruppe) und kein Training (Warteliste). Die Computertrainings umfassten jeweils 4 Sitzungen à 15 Minuten mit jeweils 200 Trainingsdurchgängen. Die Probanden haben die Aufgabe, Bilder von alkoholischen Getränken auf dem Bildschirm mit

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Hilfe eines Joysticks möglichst schnell wegzudrücken und nicht-alkoholische Getränke mög-lichst rasch zu sich heranziehen. Bei allen Patienten erfolgte eine 1-Jahres-Katamnese.

Ergebnisse In der 1-Jahres-Katamnese zeigte sich ein signifikanter Trainingseffekt: Die 2 Trainings-gruppen wiesen gegenüber den 2 Kontrollgruppen signifikant weniger Rückfälle entspre-chend DGSS4 auf. Außerdem war es den Trainingsgruppen signifikant eher möglich, Rück-fälle kurzfristig wieder zu stoppen.

Schlussfolgerung und Ausblick Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass rückfallrelevante Informationsverarbeitungstenden-zen bei Alkoholabhängigen durch ein einfaches, PC-gestütztes Training im Rahmen einer Entwöhnungsbehandlung nachhaltig günstig beeinflusst werden können. Die spezifischen Wirkmechanismen und Indikationskriterien werden gegenwärtig in weiteren Studien unter-sucht.

Zum Forschungsprojekt Ergebnisqualität einer web-basierten Tele-Nachsorge nach stationärer medizinischer

Rehabilitation Alkoholabhängiger

Missel, P. (1), Schneider, R. (2), Bergemann, N. (1) (1) AHG Kliniken Daun, (2) salus Klinik Friedrichsdorf

Hintergrund Die Effektivität der stationären Suchtrehabilitation wird im Fachverband Sucht e.V. durch aussagekräftige, klinikübergreifende katamnestische Erhebungen untersucht (Missel et al., 2009). Je nach Berechnungsform liegen die katamnestischen Erfolgsquoten aus abstinent und abstinent nach Rückfall lebenden Patienten zwischen 75,9 % (DGSS 1: planmäßig ent-lassene Antworter) und 42,0 % (DGSS 4: gesamter Entlassjahrgang).

Von den Katamneseantwortern besuchten nur 39,1 % regelmäßig eine Selbsthilfegruppe und nur 37,0 % nahmen regelmäßig eine Nachsorge in einer Suchtberatungsstelle wahr. Hinsichtlich des Eintritts des ersten Rückfalls nach Behandlungsende ereigneten sich 32,0 % der Rückfälle bereits im ersten Monat nach Beendigung der stationären Rehabilitati-on, drei Monate nach Abschluss der Behandlung hatten sich bereits 58,7 % der Rückfälle des gesamten Katamnesezeitraumes von einem Jahr ereignet, in den ersten sechs poststa-tionären Monaten 80,4 % der Rückfälle. Dies verdeutlicht die weiterhin bestehende Schnitt-stellenproblematik bei der Rehabilitation Abhängigkeitskranker und die Notwendigkeit inten-sivierter und ggf. innovativer ambulanter Weiterbehandlungsmaßnahmen (Missel et al., 2009).

Trends in der Konzeption von Nachsorgeangeboten wie in der Psychotherapieforschung der letzten Jahre sind die Suche nach gleichermaßen ökonomischen wie ökologisch validen In-terventionsformen.

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Die erfolgreiche Implementierung von Konzepten zur Tele-Nachsorge nach stationärer psy-chosomatischer Rehabilitation mittels Chat- und E-Mail-Brücke bzw. web-basierter Nach-sorge zeigen Wolf et al. (2008) und Ebert et al. (2008).

Für den Bereich der medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker existieren ver-gleichbare Forschungsansätze (unter Computer vermittelter Kommunikation) im Bereich der Tele-Nachsorge bisher nicht.

Zielsetzung Auf diesem Hintergrund sind zentrale Forschungsziele des vorliegenden Projektes:

- eine wohnortunabhängige Unterstützung bei den komplexen poststationären Anpas-sungsprozessen, insbesondere bei der Erhaltung einer abstinenten Lebensweise

- eine Orientierung an funktionellen Verhaltenszielen, insbesondere zur Rückfallprävention - ein patientenzentriertes Management der Schnittstellenproblematik durch gleitenden Ü-

bergang in ein erfolgreiches Selbstmanagement - eine Motivierung zur Inanspruchnahme wohnortnaher externer mittelfristiger Nachsorge-

maßnahmen - eine soziale Unterstützung durch Generierung eines virtuellen soziales Netzes unter Ein-

bezug ehemaliger Mitpatienten und - eine Dokumentation des poststationären Verlaufes in Abhängigkeit von den applizierten

Interventionen.

Methodik Im Anschluss an eine stationäre Rehabilitation bei Alkoholabhängigkeit nehmen die Patien-ten einmal wöchentlich für die Dauer von sechs Monaten an therapeutisch begleiteten Chatgruppen teil.

Hypothese ist, dass sich mit web-basierter Tele-Nachsorge die Nachhaltigkeit und Versteti-gung der Rehabilitationsergebnisse (katamnestische Erfolgsquote, berufliche (Re-)Inte-gration, Haltequote während der Nachsorge und Bereitschaft zur Weiterbehandlung) stei-gern lässt. Es handelt sich um eine prospektive, randomisierte Längsschnittstudie mit einer Experimentalgruppe (Tele-Nachsorge) und einer Kontrollgruppe (routinemäßiger monatli-cher Telefonkontakt für einen Zeitraum von sechs Monaten zu einem therapeutischen Mitar-beiter der Klinik zur Motivationsförderung für eine Teilnahme an externen Nachsorgeange-boten); für Patienten der Experimentalgruppe Teilnahme an therapeutisch begleiteter Chat-gruppe für 26 Interventionswochen.

Datenbasis sind u. a. standardisierte Basisdokumentation und Katamnestik (6-Monats-Katamnese, also 1-Jahres-Katamnese poststationär) sowie standardisierte psychometrische Fragebögen (SCL-90-R, BDI, AVEM) sowie die differentielle Programmevaluation. Die Stichprobengröße soll n = 200 jeweils für Experimental- und Kontrollgruppe betragen.

Ergebnisse Das Studiendesign des Forschungsprojektes soll differenziert dargestellt werden. Die Inter-net-basierte Plattform für die Chatgruppe wird ebenso wie das Manual für die Chatgruppe exemplarisch vorgestellt. Die Ergebnisse einer Patientenbefragung (n = 20) nach probewei-ser Vorabdurchführung der Chatgruppe werden präsentiert.

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Fazit und Ausblick Bei nachgewiesener Wirksamkeit kann Tele-Nachsorge in der Rehabilitationsnachsorge bei abhängigkeitskranken Patienten weiter evaluiert und ggf. regelhaft eingesetzt werden. Schneider (2008) unterstreicht, dass es im Bereich der Rehabilitation nicht auf kurzfristige Erfolge ankomme, sondern diese auf Nachhaltigkeit der Ergebnisse abziele. Das For-schungsprojekt soll auf möglichst effiziente Weise alkoholabhängige Rehabilitanden poststa-tionär bei der Verfolgung ihrer Therapieziele im Alltag unterstützen, ihr Selbstmanagement im Transferprozess fördern und sie zur Teilnahme an mittel- bis langfristigen Weiterbehand-lungsmaßnahmen motivieren.

Literatur Ebert, D., Tarnowski, T., Berking, M., Sieland, B. (2008): Vernetzung von Psychotherapie

und Alltag: Ein web-basiertes Nachsorgekonzept zur Förderung von stationären Thera-pieerfolgen. In: Bauer, S., Kordy, H.: E-Menthal-Health. Neue Medien in der psychosozia-len Versorgung. Heidelberg: Springer.

Missel, P., Schneider, B., Bachmeier, R., Funke, W., Garbe, D., Herder, F., Kersting, S., Medenwaldt, J., Verstege, R., Weissinger, V., Wüst, G. (2009): Effektivität der stationären Suchtrehabilitation - FVS-Katamnese des Entlassjahrgangs 2006 von Fachkliniken für Al-kohol- und Medikamentenabhängige. Sucht aktuell, 16/1. 5-16.

Schneider, R. (2008): Zur Einschätzung des Behandlungserfolgs durch Katamnesen - Erhe-bungsmethodik, Ausschöpfungsrate, Darstellung. Sucht aktuell, 15/1. 25-30.

Wolf, M., Zimmer, B., Dogs, P. (2008): Chat- und E-Mail-Brücke: Nachsorge nach stationä-rer Psychotherapie. In: Bauer, S., Kordy, H. (Hrsg.): E-Menthal-Health. Neue Medien in der psychosozialen Versorgung. Heidelberg: Springer.

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Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen (Poster)

Schnelleinweisung nach dem "Magdeburger Weg" - Erster Erfahrungsbericht mit den neuen Zugangswegen

Forschner, L. medinet AG Alte Ölmühle, Magdeburg

Hintergrund Wie in dem Bericht "Alkoholbezogene Krankheitslast und Sterblichkeit in Sachsen-Anhalt" des Ministeriums für Gesundheit und Soziales von Sachsen-Anhalt von 2008 beschrieben, war die Quote von Krankenhausfällen und die Sterblichkeit aufgrund von Alkohol bzw. Alko-holfolgeerkrankungen in den letzten Jahren (Untersuchungszeitraum 2000-2006) besonders in Sachsen-Anhalt aber auch den neuen Bundesländern, deutlich höher als im Bundes-durchschnitt. Ebenso lag die alkoholbedingte Frühberentung in Sachsen-Anhalt deutlich hö-her als im Bundesdurchschnitt. Nach sehr guten Erfahrungen mit einer Direktverlegung aus dem Akutkrankenhaus ohne Sozialbericht in Sachsen (Weber et al., 2006) wurden 2006 im Rahmen des Modellprojektes "Magdeburger Weg" zwischen der Deutschen Rentenversi-cherung Mitteldeutschland und der ARGE sowie den Fachkliniken und den zuweisenden Psychiatrischen Akuthäusern zwei neue Zugangswege in der Entwöhnungsbehandlung de-finiert:

1. Weg "ARGE": Aufforderung des Hilfebedürftigen, analog § 125 SGB III, sich einer ärztli-chen Begutachtung zu unterziehen. Bei bestätigter Indikation wird durch die ARGE ge-meinsam mit dem Betroffenen eine Zielvereinbarung getroffen und ein Antrag auf Reha-bilitation mit den ärztlichen Unterlagen ohne Sozialbericht gestellt.

2. Weg "Nahtlos": Betroffene/r befindet sich zur Entgiftung im KH und kann für eine Ent-wöhnungsbehandlung motiviert werden. Antrag auf Schnelleinweisung durch Klinikärz-tin/-arzt bei der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland und Direktverlegung in Rehabilitation.

Folgende Ziele sollen durch das Modellprojektes erreicht werden:

- Suchtmittelabhängige arbeitslose Menschen sehr frühzeitig für eine Entwöhnungsbe-handlung gewinnen,

- Vorzeitigem krankheitsbedingten Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entgegenwirken,

- Vermittlungshemmnisse beseitigen.

Vorgehen Schulung der Mitarbeiter der ARGE, Ausdehnung des Gutachterdienstes, Einrichtung einer Vorbereitungsgruppe in der Klinik, Definition der Abläufe. Mit den Akuthäusern wurde eine Direktverlegung entsprechender Patienten nach Beantragung per Schnelleinweisung ver-einbart.

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In der Fachklinik Alte Ölmühle wurden ab 1. Januar 2007 die ersten Patienten über diese neuen Zuweisungswege aufgenommen. Der Untersuchungszeitraum geht vom 1. Janu-ar 2007 bis 31. Dezember 2008. Die 2007 aufgenommenen Patienten wurden in der 1-Jahres-Katamnese untersucht und mit den Daten aus der entsprechenden Untersuchung des Fachverbandes Sucht (FVS) von 2006 (Missel et al., 2009) verglichen. Außerdem kön-nen wir die Entlassungsform der 2007 und 2008 aufgenommenen Patienten darstellen. Beim Vergleich der Merkmale der 2007 aufgenommenen Patienten - als Quelle dient die Basisdokumentation der Klinik und als Vergleich die Angaben der Basisdokumentation 2007 (BADO, 2007) des FVS (Fachverband Sucht, 2007) - zeigen sich wesentliche Unterschiede.

Bezüglich des Alters der Patienten gibt es keine signifikanten Unterschiede innerhalb der einzelnen Untergruppen und im Vergleich zur BADO 2007 FVS. Die Geschlechtsverteilung zeigte mit etwa 90 % Männer und etwa 10 % Frauen keine signifikanten Unterschiede in den einzelnen Gruppen innerhalb der Magdeburger Patienten, allerdings deutliche Abweichung gegenüber der BADO 2007 FVS, in der die Geschlechtsverteilung mit 28,4 % weiblichen und 71,6 % männlichen Patienten angegeben wird.

Wesentliche Unterschiede ergaben sich bezüglich Familienstand, Partnerbeziehung und Erwerbssituation. Dabei gibt es deutliche Unterschiede einerseits innerhalb der einzelnen Gruppen der Klinik und auch gegenüber der BADO FVS.

Patienten der Fachklinik Alte Ölmühle sind deutlich häufiger geschieden, alleinstehend bzw. ohne feste Beziehung als der Durchschnitt in der Bado FVS 2007. Dabei erreichen die über den Weg "Nahtlos" aufgenommenen Patienten und die Gruppe der übrigen Patienten sehr ähnliche Werte. Hier weicht die Gruppe "ARGE" nochmals deutlich ab.

Die Befürchtung, dass die auf diesen neuen Zugangswegen aufgenommenen Patienten vermehrt vorzeitig die Behandlung abbrechen würden, bestätigte sich nur für die auf dem Weg "ARGE" aufgenommenen Patienten. Dabei zeigen sich keine signifikanten Unterschie-de zwischen den "nahtlos" aufgenommenen Patienten, den übrigen Patienten der Klinik Alte Ölmühle und den Angaben aus der BADO FVS 2007. Die über den Weg "ARGE" aufge-nommenen Patienten beenden seltener die Therapie regulär. Aber immerhin noch mehr als die Hälfte dieser Patienten wurden regulär entlassen: 2007 53 % und 2008 66,1 %.

Alle Patienten der Fachklinik Alte Ölmühle werden im Rahmen der 1-Jahres-Katamnese an-geschrieben und gebeten, den bezüglich der BADO FVS bekannten Fragebogen zu beant-worten. Wir berechneten die Abstinenzquoten entsprechend dem DGSS1 und DGSS4 Standard.

Die Ergebnisse für die "ARGE"-Patienten zeigen eine deutliche Abweichung von den Ergebnissen der anderen Gruppen, die sich nicht signifikant unterscheiden. Die nahtlos aus dem Akutkrankenhaus aufgenommenen Patienten, die per Schnelleinweisung ohne Sozialbericht in die Rehabilitation kommen, zeigen gleiche Ergebnisse in der 1-Jahres-Katamnese und bei der Auswertung der Entlassungsform. Die 1-Jahres-Katamnese für "ARGE"-Patienten fällt dagegen enttäuschend aus. Allerdings bei sehr geringen Fallzahlen. Im Vergleich mit den Daten des FVS (Missel et al., 2009) fällt eine geringere Rücklaufquote, bei DGSS1 ein etwas höherer und bei DGSS4 ein niedriger Wert auf.

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Fazit Ziel 1: Arbeitslose Abhängige können frühzeitiger für eine Therapie gewonnen werden. Zur

Beurteilung der Nachhaltigkeit sind weitere katamnestische Untersuchungen not-wendig.

Ziel 2: Durch Zuführung in eine Rehabilitation konnten Diagnostik, Krankheitsinformation und Förderung der Abstinenzmotivation sowie medizinische Behandlung durchge-führt und so einer weiteren Chronifizierung der Suchterkrankung und der Folge-schäden entgegen gewirkt werden.

Ziel 3: Eine nahtlose Vermittlung aus Entzugsbehandlung in eine Therapie ist bei entspre-chend motivierten Patienten sinnvoll. Eine zusätzliche Motivationsarbeit ist nicht notwendig.

Literatur Missel, P., Schneider, B., Bachmeier, R., Funke, W., Garbe, D., Herder, F., Kersting, S.,

Medenwaldt, J., Verstege, R., Weissinger, V., Wüst, G. (2009): Effektivität der stationären Suchtrehabilitation - FVS-Katamnese des Entlassungsjahrganges 2006 von Fachkliniken für Alkohol- und Medikamentenabhängige. Sucht aktuell, 1/16. 5-16.

Fachverband Sucht e.V. (Hrsg.) (2007): Basisdokumentation 2007 - Ausgewählte Daten zur Entwöhnungsbehandlung im Fachverband Sucht e.V. Reihe: Qualitätsförderung in der Entwöhnungsbehandlung, Band 15.

Weber, M., Hegner, M., Retzlaff, R. (2006): Neue Zugangswege zur medizinischen Rehabili-tation - Entwöhnungsbehandlung - Antragstellung ohne Suchtberatungsstelle und ohne Sozialbericht. Sucht aktuell, 2. 28-32.

Evaluation des Projektes JUST (Jugendsuchttherapie) - Einer stationären Suchtrehabilitation für Jugendliche

mit integrierter Versorgung nach SGB IX

Nützel, J., Volmer-Berthele, N., Benz, R., Schraivogel, F., Schepker, R. Projekt JUST (Jugendsuchttherapie), Ravensburg

Projektbeschreibung Das Projekt JUST (Jugend-Sucht-Therapie) mit Standort in Ravensburg, gestartet im No-vember 2007, ist eine stationäre Suchtrehabilitation für 14- bis 18-jährige Jugendliche mit schwerwiegenden Suchtproblemen. Aufgenommen werden maximal 16 Jungen und Mäd-chen nach erfolgreicher Entzugsbehandlung - in der Regel auf den Jugenddrogenentzugs-stationen "clean.kick" am ZfP Südwürttemberg in Ravensburg-Weissenau oder "JADE" am Klinikum Weissenhof in Weinsberg.

JUST bietet ein hochstrukturiertes vollstationäres Angebot mit einer Regelversorgungszeit von neun Monaten und eine sich optional anschließende therapeutische Jugendwohnge-meinschaft (TJWG) für ausgeprägt erziehungsbedürftige und abhängigkeitskranke junge Menschen mit Jugendhilfe-, medizinischem Behandlungs- und suchtrehabilitativem Förder-bedarf (incl. psychotische Störungen, Bewährungsauflagen oder §§ 35 / 36 BtMG).

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JUST bündelt als Gemeinschaftsunternehmen der Zieglerschen Anstalten Suchtkrankenhilfe gGmbH, der Martinhaus Kleintobel gGmbH und des ZfP Südwürttemberg die fachlichen Kompetenzen von Suchtkrankenhilfe, Jugendhilfe und Jugendpsychiatrie und gewährleistet so eine multiprofessionelle integrierte Versorgung nach SGB IX inclusive Mischfinanzierung (Fegert et al., 2009). JUST ist in Baden-Württemberg einmalig und hat Projektcharakter. Die erste Projektphase läuft bis Ende 2009, eine zweite Projektphase bis Ende 2012. Die Evalu-ation begleitet ein interdisziplinär besetzter Beirat unter Beteiligung der Leistungsträger. Mit-te 2009 wurde ein vom Kommunalverband Jugend und Soziales (KVJS) Baden-Württemberg geförderter, umfänglicher Zwischenbericht vorgelegt, in dem die Rehabilitation von 37 Jugendlichen evaluiert werden konnte.

Inanspruchnahmepopulation Alle in das Projekt aufgenommenen Jugendlichen (38 % w, 62 % m, Altersmedian 17,5 Jah-re) wiesen eine Abhängigkeitserkrankung von psychotropen Substanzen (ICD 10: F1x.2) als Hauptdiagnose auf, davon 21,2 % eine Alkoholabhängigkeit (F10.2), 32,4 % eine Cannabis-abhängigkeit (F12.2), bei 45,9 % bestand ein abhängiger Konsum verschiedener psychotro-per Substanzen (F19.2). Bei 97,2 % der Jugendlichen bestand mindestens eine komorbide jugendpsychiatrische Störung, insgesamt 72,9 % wiesen eine Störung des Sozialverhaltens alleine oder kombiniert mit einer ADHS bzw. einer affektiven Störung auf, fünf Jugendliche hatten bereits eine Persönlichkeitsstörung entwickelt (13,5 %), zwei Jugendliche litten unter einer schizophrenen Psychose. Bislang wurden in JUST zwei Jugendliche nach § 35 BtMG aufgenommen, 60,9 % aller männlichen Jugendlichen erfüllten mit der Rehabilitation in JUST einen Teil ihrer Bewährungsauflagen.

Vorläufige Ergebnisse Die durchschnittliche Verweildauer aller Jugendlichen betrug 158,0 Tage (SD = 101,9 Ta-ge), elf der zum Untersuchungszeitpunkt entlassenen 27 Jugendlichen absolvierten ihre Re-habilitation über neun Monate (Haltequote 40,7 %). Hinsichtlich des Abstinenzzieles zeigten sich die Katamnesen sechs Monate nach Entlassung aufgrund kleiner Fallzahlen als nicht repräsentativ, bilden jedoch eine positive Tendenz hinsichtlich des abhängigen Konsums von Alkohol und Cannabis ab.

Effekte in den wesentlichen Rehabilitationszielen wurden mit den Instrumenten "Pädagogi-sche Zielerreichung (PädZi)" (Lutz et al., 2006) gemeinsam mit den Jugendlichen und "JUST-Stern" (eigens für das Projekt entwickelt) (Nützel et al., 2009) gemessen. In Abhän-gigkeit von der Verweildauer im Projekt zeigen sich in nahezu allen Kompetenzbereichen weitgehend stetige Zuwächse. Die Instrumente sind gut geeignet, die Zielerreichung der in-tegrierten Versorgung abzubilden. Das Instrument "PädZi" wird darüber hinaus zur Fallsteu-erung eingesetzt und findet bei den Jugendlichen in JUST große Akzeptanz. Hilfeplange-spräche mit den zuständigen Jugendämtern können nach den bisherigen Erfahrungen und durch den Nutzen dieser Evaluationsinstrumente für die Praxis fokussierter geführt werden, Effekte durch den Aufenthalt in JUST sind unmittelbar nachweisbar.

Die Erfolge hinsichtlich erreichter Schulabschlüsse und Wiederaufnehmen einer geregelten Tätigkeit sind überzeugend. Wenig Aussagen sind bisher bezüglich einer erfolgreichen Ein-gliederung ins Erwerbsleben möglich. Aufschluss wird der Katamnesezeitraum bis Ende Projektphase 2 (2012) geben.

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Im März 2010 werden Daten nach Abschluss der ersten Projektphase vorgelegt.

Literatur: Fegert, J., Schepker, R. (2009): Alle oder keiner? Zur Bedarfslage und den Zuständigkeiten

für jugendliche Suchtkranke im Sozialrecht. Das Jugendamt. 60-67. Lutz, K., Keller, F., Fegert, J.M., Bartelworth, C., Stiller, K. (2006): Individuelle Erfassung

pädagogischer Ziele und standardisierte Erhebung psychosozialer Belastungen von Ju-gendlichen in pädagogischen Einrichtungen. EREV-Schriftenreihe: Wirkungen in den Er-ziehungshilfen, 47 (3). 76-92.

Nützel, J., Volmer-Berthele, N., Schepker, R. (2009): JUST-Stern. Überprüfung des Kon-struktes und der Operationalisierung anhand der Auswertung von Jugendhilfeplan-Protokollen. In: Nützel, J., Volmer-Berthele, N., Schumacher, M., Benz, R., Hämmer-le, G., Schraivogel, F., Schmid, P., Schepker, R.: Zwischenbericht an den KVJS. Ra-vensburg: Eigendruck. 44-46.

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Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen

Überprüfung motorisch-koordinativer Leistungen im Kontext rehabilitativer Maßnahmen: Eine Untersuchung zur Movement ABC-2

Kastner, J. (1), Mayer, H. (2), Walther, A. (2), Petermann, F. (1) (1) Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Universität Bremen,

(2) Klinik Hochried, Murnau am Staffelsee

Hintergrund Die Beurteilung des Gesundheitszustandes von Patienten zu Beginn einer Rehabilitations-maßnahme sollte möglichst objektiv erfolgen; klinische Beobachtungen halten diesem Krite-rium oftmals nicht stand. Standardisierte Testverfahren bieten eine Möglichkeit, den physi-schen bzw. psychischen Zustand der Rehabilitanden objektiv zu erfassen. Quantitative Messergebnisse bilden zusätzlich eine Basis um den interdisziplinären Austausch behan-delnder Therapeuten zu optimieren und die Dokumentation von Behandlungseffekten zu verbessern, weshalb Testverfahren einen wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung in der medizinischen Rehabilitation liefern (Briefang, Schuntermann, 2000). Eine Vielzahl der Stö-rungen des Kindes- und Jugendalters gehen mit komorbiden Störungen der Fein- und Grobmotorik einher und beeinträchtigen die Betroffenen insbesondere bei der Bewältigung schulischer Anforderungen. Insbesondere Adipositas und ADHS werden häufig von motori-schen Störungen begleitet (Graf et al., 2007; Piek, Pitcher, 2004). Die Leitlinien der Deut-schen Gesellschaft für pädiatrische Rehabilitation und Prävention weisen deshalb darauf hin, dass der diagnostische Prozess routinemäßig eine Überprüfung der motorischen Basis-kompetenzen erfassen sollte. In der Vergangenheit standen überwiegend Messverfahren mit stark veralteten Normen zur Verfügung, um die motorisch-koordinative Leistungsfähig-keit zu überprüfen; es erscheint deshalb fragwürdig, ob diese den aktuellen Leistungsstand der Kinder in Anbetracht veränderter Lebensbedingungen noch zeitgemäß widerspiegeln (Petermann, Macha, 2005). Im Mai 2008 wurde diese Lücke mit Erscheinen der Movement Assessment Battery for Children-2 (M-ABC-2) geschlossen (Petermann, 2009). Das Verfah-ren findet aktuell bereits häufige Anwendung in niedergelassenen Ergo- und Physiothera-piepraxen sowie Sozialpädiatrischen Zentren.

Ziel dieser Studie war es, zu untersuchen, ob die M-ABC-2 im Rahmen der stationären Re-habilitation ein geeignetes Diagnostikum darstellt, um komorbide Einschränkungen des mo-torisch-koordinativen Funktionsniveaus zuverlässig und ökonomisch abzubilden.

Methodik Mittels eines zweifaktoriellen Designs wurde untersucht, inwieweit sich die M-ABC-2 Leis-tungsprofile zweier Rehabilitandengruppen von denen gesunder Kontrollgruppen unter-scheiden. Diesbezüglich wurden die Testergebnisse 84 adipöser Jugendlicher (Diagnose nach ICD-10 E66; 66.8; 66.9; BMI>97. Perzentile) im Alter von 11;0 bis 16;11 Jahren (M=14.05; SD=1.29) sowie von 30 ADHS-Kindern (Durchschnittsalter 8.4 Jahre; SD=1.63;

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Diagnose nach ICD F90.0) mit nach Alter und Geschlecht parallelisierten Kontrollgruppe verglichen. Die testdiagnostische Untersuchung aller Patienten fand zu Beginn der Rehabili-tationsmaßnahme in der Klinik Hochried (Murnau) statt. Bei der deutschen Adaptation der M-ABC-2, welche auf der englischsprachigen Originalversion von Henderson, Sudgen und Barnett (2007) basiert, handelt es sich um ein Testverfahren zur Erfassung der motorischen Leistungsfähigkeit im Kindes- und Jugendalter, das für den weit gefassten Altersbereich von 3;0 bis 16;11 Jahren eingesetzt werden kann. Die Durchführungsdauer beträgt in etwa 20 bis 30 Minuten. Angepasst an den jeweiligen Entwicklungsstand der Kinder stehen insge-samt drei Testbatterien zur Verfügung, um mittels acht verschiedener Aufgabentypen die Leistungsfähigkeit in den Bereichen der Handgeschicklichkeit, Ballfertigkeiten sowie der sta-tischen und dynamischen Balance abzubilden. Die Gesamtleistung des Kindes kann aus den acht Untertestleistungen errechnet werden. Um die Leistung mit der Normstichprobe vergleichen zu können, werden Standardwerte (M=10; SD=3) angegeben.

Ergebnisse Insgesamt können sowohl für die adipösen Jugendlichen als auch für die ADHS-Kinder sig-nifikante Gruppenunterschiede nachgewiesen werden. Adipöse Jugendliche erzielen im Vergleich mit der Kontrollgruppe signifikant schlechtere Testergebnisse (Handgeschicklich-keit: p=.000, d=.67; Ballfertigkeiten: p=.003, d=.41; Balance p=.000; d=.59; Gesamtwert p=.000, d=.76). Ähnliches gilt für die Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitäts-störung; insgesamt können insbesondere für den Vergleich der Skalen Ballfertigkeiten (p=.000, d=1.14) und Balance (p=.000; d=1.07) sowie den Gesamtwert (p=.000; d=1.20) große Effekte (d>.8= nachgewiesen werden. Die Einzelfallbetrachtung aller Testergebnisse zeigt, dass 33 Prozent der Jugendlichen der Adipositasgruppe motorisch-koordinative Defi-zite aufweisen, die als therapiebedürftig einzustufen sind (Gesamttestwert M-ABC-2 > Standwert von 5); dieses gilt immerhin für 27 Prozent der ADHS-Gruppe.

Abb. 1: Motorisch-koordinative Leistungen in der M-ABC-2: Leistungsprofile von Adipositas- und ADHS-

Gruppe.

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Diskussion und Schlussfolgerungen Die Betrachtung beider Testprofile lässt darauf schließen, dass sowohl Adipositas als auch ADHS mit verminderter motorisch-koordinativer Leistungsfähigkeit einhergehen. Ca. ein Drittel der Rehabilitanden beider klinischer Subgruppen weist therapiebedürftige Defizite auf; motorisch-koordinative Schwächen können für beide Störungsbilder mittels M-ABC-2 abgebildet werden. Mit dem vorgestellten Testverfahren steht ein neues Instrument zur Ver-fügung, um eine spielerische, zeitökonomische, leicht durchführbare und auswertbare a-namnestische Erhebung der motorisch-koordinativen Leistungsfähigkeit vorzunehmen. Rou-tinemäßig kann zu Beginn einer Rehabilitationsmaßnahme im Kontext verschiedener Stö-rungsbilder überprüft werden, ob weiterführende Diagnostiken im Bereich der Motorik not-wendig sind, ohne die Kinder übermäßig zu belasten.

Literatur Biefang, S., Schuntermann, M.F. (2000): Diagnostik und Assessment in der Rehabilitation.

In: Bengel, J., Koch, U. (Hrsg.): Grundlagen der Rehabilitationswissenschaften. Themen, Strategien und Methoden der Rehabilitationsforschung. Berlin: Springer. 103-120.

Graf, C., Jouck, S., Koch, B., Staudenmaier, K., von Schlenk, D., Predel, H.-G., Tokarski, W., Dordel, S. (2007): Motorische Defizite - Wie schwer wiegen sie? Monatsschrift Kin-derheilkunde; 155. 631-637.

Petermann, F. (Hrsg.) (2009): Movement Assessment Battery for Children-2 (M-ABC-2) (2.überarb., erw. Aufl.). Frankfurt: Pearson Assessment.

Petermann, F., Macha, T. (2005): Entwicklungsdiagnostik. Kindheit und Entwicklung, 14. 131-139.

Piek, J.P., Pitcher, M. (2004): Processing deficits in children with movement and attention problems. In: Dewey, D., Tupper, D. (Eds.): Developmental motor disorder: A neuropsy-chological perspective. New York: Guilford. 313-327.

Psychische Auffälligkeiten, Stressverarbeitung und Selbststeuerung bei Kindern und Jugendlichen in der stationären Rehabilitation

Fellmann, K. (1), Hermann, T. (2), Perner, M. (2), Hampel, P. (1,3) (1) Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Universität Bremen,

(2) Hochgebirgsklinik Mittelberg, (3) Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit, Fachhochschule Kiel

Hintergrund Umfangreiche Erhebungen in der Hochgebirgsklinik Mittelberg über die Jahre 2003 bis 2007 haben ergeben, dass die Häufigkeiten internalisierender Störungen über den Studienverlauf zunahmen (Fuhrmann, Hermann, 2008). Im Jahr 2007 wiesen 62 % der Patienten auffällige Angstwerte und 25 % auffällige Depressionswerte auf. Es ist anzunehmen, dass diese be-gleitenden psychischen Auffälligkeiten den Rehabilitationserfolg von chronisch körperlich kranken Kindern und Jugendlichen gefährden. Stressbewältigungskompetenzen haben sich ebenfalls als wesentliche Ressource in der psychischen Entwicklung von chronisch körper-

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lich kranken Kindern und Jugendlichen erwiesen. Schließlich hat sich im Erwachsenenbe-reich gezeigt, dass mangelnde volitionale Kompetenzen dazu führen können, dass in der Rehabilitation erlernte Verhaltensweisen im Alltag nicht umgesetzt werden.

Es sollte untersucht werden, ob sich die emotionalen und Verhaltensauffälligkeiten sowie die Stressverarbeitung in Abhängigkeit von der Schwerpunktindikationen unterscheiden. Außer-dem sollten erste Befunde zur psychometrischen Güte eines neuen Verfahrens zur Erfas-sung der Selbststeuerung gewonnen werden. Langfristiges Ziel ist es, ein neues Patienten-schulungsprogramm zu entwickeln und zu evaluieren, dass zusätzlich zu bestehenden Mo-dulen zur Förderung der Stressbewältigung und sozialen Kompetenz noch ein Modul zur Förderung volitionaler Kompetenzen integriert.

Methodik Die Studie bezog 124 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 11 und 19 Jahren ein, die an einer stationären Rehabilitation in der Hochgebirgsklinik Mittelberg teilnahmen. Die Stichprobe wurde nach folgenden Erstdiagnosen unterteilt: internalisierende Störungen (n = 17), externalisierende Störungen (n = 22), Adipositas (n = 71) und Atemwegserkran-kungen (n = 14). Hierbei ist zu bedenken, dass auch die Patienten mit chronisch körperli-chen Erkrankungen komorbid psychische Auffälligkeiten aufwiesen. Das Stressgeschehen wurde mit dem Stressverarbeitungsfragebogen für Kinder und Jugendliche (SVF-KJ; Ham-pel et al., 2001) und die psychischen Auffälligkeiten mit dem Screening psychischer Störun-gen im Jugendalter (SPS-J; Hampel, Petermann, 2005) erfasst. Bereiche der Selbstregulati-on (Selbstmotivierung und Selbstberuhigung), Selbstkontrolle (Planungsfähigkeit) und Wil-lensbahnung (Absichten umsetzen und Konzentrationsfähigkeit) wurden mit einer modifizier-ten Fassung des Selbststeuerungs-Inventars (SSI; Kuhl, Fuhrmann, 2004) über 20 Items erhoben. Zur Beantwortung der inhaltlichen Fragestellungen wurden einfaktorielle Varianz-analysen berechnet.

Reliabilitäts-, Faktoren- und Korrelationsanalysen sprechen dafür, dass vier Subtests des SSI (Selbstberuhigung, Planungsfähigkeit, Absichten umsetzen und Konzentrationsfähig-keit) gute interne Konsistenzen und eine diskriminante Validität aufweisen. Die Abgrenzung der Selbstmotivierung von der Selbstberuhigung und Planungsfähigkeit gelang jedoch nicht.

Ergebnisse Die Varianzanalysen ergaben, dass sich die Kinder und Jugendlichen mit der Erstdiagnose "Externalisierende Störungen" über die Bereiche von den anderen Indikationen unterschie-den. So wiesen sie signifikant höhere Ärgerkontroll- und Selbstwertprobleme als die Patien-ten mit Adipositas (p=.013) und Atemwegserkrankungen (p=.015), aber geringere Ausprä-gungen in der Situationskontrolle (Adipositas: p=.006, Atemwegserkrankungen: p=.024) so-wie positive Selbstinstruktionen (Adipositas: p=.009, Atemwegserkrankungen: p=.020) auf. Die Patienten mit internalisierenden Störungen hatten höhere Werte in der Ängstlich-keit/Depressivität als die Patienten mit Adipositas (p=.003) und Atemwegserkrankungen (p=.015). Im SSI war die Konzentrationsfähigkeit der Kinder und Jugendlichen mit internali-sierenden Störungen tendenziell schlechter als bei den Patienten mit Atemwegserkrankun-gen.

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Diskussion und Schlussfolgerungen Die Befunde legen nahe, dass insbesondere Kinder und Jugendliche mit der Erstdiagnose "Externalisierende Störungen" eine Risikogruppe darstellen, deren Stressbewältigung geför-dert werden sollte. Im Rahmen der Diskussion sollen erste Befunde zu unserem neuen Training zur Förderung der Stressbewältigung, Volition und sozialen Kompetenz mit acht Sitzungsterminen vorgestellt werden, das Elemente insbesondere des Anti-Stress-Trainings für Kinder (Hampel, Petermann, 2003) und des Willenstrainings für Erwachsene (Forstmei-er, Rüddel, 2002) umfasst.

Literatur Forstmeier, S., Rüddel, H. (2002): So werde ich willensstark! Manual der Gruppentherapie

zur Förderung volitionaler Kompetenzen. Bad Kreuznach: Matthias Ess. Fuhrmann, B., Hermann, T. (2008): Zusammenhang zwischen psychischen Auffälligkeiten

bzw. Intelligenz und Schwerpunktindikationen bei der Rehabilitation von Kindern und Ju-gendlichen. DRV-Schriften, Bd. 77. 529-530.

Hampel, P., Petermann, F. (2003): Anti-Stress-Training für Kinder (2. Aufl.). Weinheim: BeltzPVU.

Hampel, P., Petermann, F. (2005): Screening psychischer Störungen im Jugendalter (SPS-J): Deutsche Adaptation des Reynolds Adolescent Adjustment Screening Inventory (RAASI). Bern: Huber.

Hampel, P., Petermann, F., Dickow, B. (2001): Stressverarbeitungsfragebogen von Janke und Erdmann angepasst für Kinder und Jugendliche (SVF-KJ). Göttingen: Hogrefe.

Kuhl, J., Fuhrmann, A. (2004): Selbststeuerungs-Inventar: SSI-K3 (Kurzversion). Universität Osnabrück. Unveröffentlichtes Manuskript.

Indikationsspezifische Lebensqualität chronisch kranker Jugendlicher im Selbst- und Elternurteil: Veränderungen durch eine Reha-Maßnahme

Stachow, R. (1), Kiera, S. (2),Tiedjen, U. (1), Petermann, F. (2) (1) Fachklinik Sylt für Kinder und Jugendliche der Deutschen Rentenversicherung Nord,

Westerland, (2) Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Universität Bremen

Hintergrund Studien zeigen, dass die Lebensqualität chronisch kranker Jugendlicher häufig schlechter ist als die gesunder Gleichaltrige, wobei sich die einzelnen Krankheitsbilder wiederum kaum unterscheiden (Sawyer et al., 2004). Da die Jugendlichen in der Reha-Maßnahme für alle Diagnosegruppen effiziente und evaluierte Programme erhalten, wird überprüft, wie sich die Selbst- und Fremdeinschätzung der krankheitsbezogenen Lebensqualität durch den Reha-Aufenthalt verändert. Es wird ebenfalls geprüft, ob es einen Zusammenhang zwischen der eigenen Einschätzung der Lebensqualität und Veränderungen im Krankheitsmanagement gibt.

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Methode Die Jugendlichen nahmen an einer vier- bis sechswöchigen Rehabilitation in der Fachklinik Sylt (FKS) teil. Die Daten der indikationsbezogenen Lebensqualität und des Krankheitsma-nagements wurden kurz nach ihrer Anreise und zwei Wochen nach Beendigung ihres Reha-Aufenthaltes mit dem KINDL-R (Ravens-Sieberer, Bullinger, 2000) und dem Fragebogen zum Krankheitsmanagement (Petermann et al., 2009) erhoben. Die Eltern erhielten den Fragenbogen zur Lebensqualität vor Beginn des Reha-Aufenthaltes und ebenfalls zwei Wo-chen nach Beendigung der Rehabilitation. Für die Jugendlichen stand zum ersten Befra-gungszeitpunkt ein Ansprechpartner für Fragen zur Verfügung.

Ergebnisse Die Angaben der Eltern und Jugendlichen zur indikationsspezifischen Lebensqualität korre-lieren signifikant positiv bei allen Diagnosegruppen zu den einzelnen Messzeitpunkten (s. Tab. 1).

Diagnose 1. Messzeitpunkt 2. Messzeitpunkt Adipositas rp = .433; p<.001 rp = .559; p<.001 Atemwegserkrankungen rp = .625 p<.001 rp = .604; p<.001 Diabetes rp = .656; p<.001 rp = .335; p=.017 Hauterkrankungen rp = .665; p<.001 rp = .572; p<.001

Tab. 1: Korrelationen des Selbst- und Elternurteils zur indikationsbezogenen Lebensqualität (Pearson-Korrelation (rp)).

Im Selbsturteil geben die männlichen und weiblichen Jugendlichen mit Adipositas, Atem-wegserkrankungen und Diabetes signifikante Verbesserungen der diagnosespezifischen Lebensqualität nach der Rehabilitation an (Adipositas: männlich: F=9.599; df=1; p=.003; weiblich: F=30.581; df=1; p<.001; Atemwegserkrankungen: männlich: F=13.524; df=1; p<.001; weiblich: F=11.250; df=1; p=.001; Diabetes: männlich: F=9.591; df=1; p=.003; weib-lich: F=27.878; df=1; p<.001).

Die Eltern beurteilen die Veränderungen ebenfalls signifikant positiv (Adipositas: männlich: F=36.741; df=1; p<.001; weiblich: F=39.019; df=1; p<.001; Atemwegserkrankungen: männ-lich: F=22.073; df=1; p<.001; weiblich: F=4.302; df=1; p=.041; Diabetes: männlich: F=4.924; df=1; p=.032; weiblich: F=17.535; df=1; p<.001).

Die männlichen Jugendlichen mit Hauterkrankungen (F=2.886; df=1; p=.093) und deren El-tern (F=.956; df=1; p=.331) geben keine signifikanten Verbesserungen an. Ebenso die El-tern der an Neurodermitis oder Psoriasis erkrankten Mädchen (F=.014; df=1; p=.907), wobei diese die Veränderungen im Selbsturteil als signifikant verbessert beurteilen (F=28.069; df=1; p<.001).

Die signifikanten Verbesserungen im Krankheitsmanagement werden in Tabelle 2 abgebil-det.

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Diagnose Jungen Mädchen Adipositas F = 20.703; df=1; p<.001 F = 39.335; df=1; p<.001 Atemwegserkrankungen F = 10.869; df=1; p=.001 F = 15.699; df=1; p<.001 Diabetes F = .273; df=1; p=.604 F = 26.213; df=1; p<.001 Hauterkrankungen F = 9.193; df=1; p=.003 F = 22.211; df=1; p<.001

Tab. 2: Ergebnisse der diagnosespezifischen Varianzanalysen mit Messwiederholung (Geschlecht X Zeit).

Korrelationen zwischen den Veränderungen im Krankheitsmanagement und in den Selbst-angaben zur Lebensqualität sind, bis auf die Gruppe der Diabetiker mit einem mittleren Ef-fekt, nicht signifikant (Adipositas: rp=.032; p=.788; Atemwegserkrankungen: rp=.152; p=.210; Diabetes: rp=.346; p=.025; Hauterkrankungen rp =.081; p=.532).

Diskussion und Ausblick Bis auf die männlichen Jugendlichen mit Hauterkrankungen gaben alle Jugendlichen an, dass sich die krankheitsbezogene Lebensqualität durch die Rehabilitation deutlich verbes-sert hat. Der positive Effekt einer Rehabilitation auf die Lebensqualität wird auch von Ra-vens-Sieberer et al. (2005) beschrieben. Das positive Urteil der Jugendlichen wird meist auch von den Eltern unterstützt. Es wird deutlich, dass die Eltern die indikationsbezogene Lebensqualität ihrer Kinder in hoher Übereinstimmung mit diesen beurteilen können. Dies steht in Diskrepanz zu anderen Beurteileruntersuchungen, bei denen die Eltern- und Ju-gendlichenbeurteilungen weniger stark übereinstimmen (Redegeld, 2004). Die Ergebnisse zum Krankheitsmanagement zeigen, dass die Jugendlichen während ihres Reha-Aufent-haltes den Umgang mit ihrer chronischen Erkrankung unter intensiver Anleitung trainieren und eine subjektive Verbesserung berichten. Allerdings scheinen der Umgang mit der Er-krankung und die indikationsspezifische Lebensqualität nicht in direktem Zusammenhang zu stehen, sondern auch von anderen Faktoren beeinflusst zu sein.

Literatur Petermann, F., Stachow, R., Tiedjen, U., Karpinski, N. (2009): Entwicklung eines Kurz-

Fragebogens zum Krankheitsmanagement chronisch kranker Jugendlicher. Die Rehabili-tation, 48. 228-237.

Ravens-Sieberer, U., Bullinger, M. (2000): KINDL-R. Fragebogen zur Erfassung der ge-sundheitsbezogenen Lebensqualität bei Kindern und Jugendlichen. Revidierte Form. Hamburg: unveröffentlichtes Manual.

Ravens-Sieberer, U., Redegeld, M., Bauer, C.P., Mayer, H., Stachow, R., Kiosz, D., van Egmond-Fröhlich, B., Rempis, R., Kraft, D., Bullinger, M. (2005): Lebensqualität chro-nisch kranker Kinder und Jugendlicher in der Rehabilitation. Zeitschrift für Medizinische Psychologie, 14. 5-12.

Redegeld, M. (2004): Lebensqualität chronisch kranker Kinder und Jugendlicher. Eltern- vs. Kinderperspektive. Hamburg: Dr. Kovac.

Sawyer, M.G., Reynolds, K.E., Couper, J.J., French, D.J., Kennedy, D., Martin, J., Stau-gas, R., Ziaian, T., Baghurst, P.A. (2004): Health-related quality of life of children and adolescents with chronic illness - a two year prospective study. Quality of Life Research, 13. 1309-1319.

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Zufriedenheitsmessung in der Kinder-Jugend-Rehabilitation: Darstellung und erste Ergebnisse eines Fragebogens zur

Erfassung der Patientenzufriedenheit

Gustke, M. (1), Kosiol, D. (1), Farin, E. (1), Widera, T. (2), Polak, U. (3) (1) Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg,

(2) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin, (3) AOK-Bundesverband, Berlin

Hintergrund Für Kinder und Jugendliche sowie deren Angehörige existieren im deutschsprachigen Raum nur wenige standardisierte Instrumente zur Erfassung der Patientenzufriedenheit im Kontext von Rehabilitationsmaßnahmen. Aus diesem Grunde liegen bislang nur wenige Untersu-chungen zur Patientenzufriedenheit in der Kinder- und Jugend-Rehabilitation vor (z. B. Schowalter et al., 2005; Stapel et al., 2005).

Im Projekt "Sicherung der Ergebnisqualität in der stationären medizinischen Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen" (EQ KiJu)* (initiiert und gefördert durch die Deutsche Ren-tenversicherung und die Gesetzliche Krankenversicherung) wird derzeit ein Instrumentarium zur Erfassung der Ergebnisqualität in der Kinder-Jugend-Rehabilitation erprobt. In diesem Kontext wurden Fragebögen zur Erfassung der Patienten- bzw. Elternzufriedenheit in der Konzeptionsphase des Projektes neu entwickelt. In der vorliegenden Studie, die als Pretest vor einer größeren Datenerhebung durchgeführt wurde, wird der Fragebogen für Patienten auf Verständlichkeit und psychometrische Eigenschaften überprüft.

Methodik und Stichprobe n = 69 Einrichtungen der Kinder- und Jugend-Rehabilitation wurden zur gegenwärtigen Pra-xis der Erfassung der Patientenzufriedenheit befragt und um Zusendung von routinemäßig eingesetzten Fragebögen gebeten. Die Merkmale der eingegangenen Fragebögen flossen in die Entwicklung ein. Darüber hinaus wurde ein bereits vorliegendes Instrument (Meixner, 2004) berücksichtigt. Der entwickelte Fragebogen wurde im Rahmen eines Expertenwork-shops diskutiert und daraufhin in kognitiven Interviews mit n = 6 Kindern und Jugendlichen erprobt. An einem anschließenden quantitativen Pretest nahmen n = 30 Patienten aus drei Rehabilitationseinrichtungen teil. Die Patienten waren in der Mehrzahl weiblich (53,3 %), das Durchschnittsalter betrug 14,1 Jahre (Range 9-17). Die Patienten gehörten den Diagnose-gruppen Adipositas, Asthma bronchiale, Neurodermitis oder ADHS an. Es wurde als Boden- oder Deckeneffekt gewertet, wenn über 50 % der antwortenden Personen die niedrigste bzw. höchste Antwortkategorie wählten.

Ergebnisse Bei Durchführung der kognitiven Interviews traten keine gravierenden Verständnisprobleme bezüglich der Bearbeitung des Fragebogens auf. Das beim quantitativen Pretest eingesetzte Instrumentarium umfasst 26 Items. Nach drei soziodemographischen Fragen beziehen sich

* Wir danken den Einrichtungen, die an der Durchführung der Datenerhebung teilgenommen haben: Kinder-

Reha-Klinik "Am Nicolausholz" (Bad Kösen), Kinder-Rehazentrum Usedom (Kölpinsee), Charlottenhall Re-habilitations- und Vorsorgeklinik für Kinder und Jugendliche (Bad Salzungen).

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acht Items auf verschiedene Zufriedenheitsbereiche (Unterbringung, Spiel- und Freizeitmög-lichkeiten, Essen etc.). Im Anschluss daran wird mit acht Items die Zufriedenheit mit einzel-nen Therapien und Behandlungen erfragt. Drei weitere Items thematisieren die allgemeine Zufriedenheit mit der Rehabilitationsmaßnahme. Bei allen genannten Fragen dient eine fünfstufige Likertskala (1 - "sehr gut" = hohe Zufriedenheit bis 5 - "sehr schlecht" = geringe Zufriedenheit) als Antwortformat. Weiter umfasst der Fragebogen zwei dichotome Fragen zu erhaltenen Verhaltensempfehlungen und in der Rehabilitation geschlossenen Freundschaf-ten sowie zwei Fragen im Freitextformat.

Die Mittelwerte der Items im fünfstufigen Antwortformat bewegen sich zwischen 1,47 (Zu-friedenheit mit psychologischer Therapie, n = 15) und 2,86 (Zufriedenheit mit Schule wäh-rend der Rehabilitation, n = 29). Die Antworten der Patienten verteilen sich bei fast allen Fragen ohne Boden- und Deckeneffekte über den Antwortbereich. Lediglich bei einem Item (Frage nach der Zufriedenheit mit psychologischer Therapie) liegt ein Bodeneffekt vor. Bei der Mehrzahl aller Fragen traten keine fehlenden Werte auf, der maximale Anteil fehlender Werte betrug 10,0 %.

Diskussion und Ausblick Die vorgestellten Daten zeigen, dass es sich bei dem entwickelten Fragebogen um ein prak-tikables Instrument zur standardisierten Erfassung der Patientenzufriedenheit im Kontext medizinischer Rehabilitationsmaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen handelt. Entgegen üblicher Befunde zu Tendenzen positiver Beurteilungen im Rahmen von Patientenzufrie-denheitsmessungen zeigen sich beim hier untersuchten Instrument nur geringe Bodeneffek-te (im Sinne sehr hoher Zufriedenheit). Die geringe Zahl fehlender Werte verdeutlicht die Verständlichkeit der formulierten Fragen. Im Rahmen des Pretests wurde wegen des ver-hältnismäßig kleinen Stichprobenumfangs auf eine Berechnung von Skalen verzichtet. Dies erfolgt bei Vorliegen eines größeren Datensatzes nach der Datenerhebung in der Hauptstu-die des Projektes im Januar 2010.

Literatur Meixner, K. (2004): Externe Qualitätssicherung in Mutter-Kind- und Mütter-Einrichtungen.

Dissertation Wirtschafts- und Verhaltenswissenschaftliche Fakultät, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

Schowalter, M., Friedl-Huber, A., Wolf, H.-D., Vogel, H. (2005): Stationäre Rehabilitation chronisch kranker Jugendlicher - Anforderungen an die Rehabilitationsmaßnahme und deren Evaluation aus Sicht der Jugendlichen, ihrer Eltern und behandelnden Ärzte. Pra-xis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 68. 12-18.

Stapel, M., Zielke, M., Hoff-Emden, H. (2005): Qualitätsbeurteilungen stationärer medizini-scher Rehabilitationsmaßnahmen durch Kinder und Jugendliche. Praxis Klinische Verhal-tensmedizin und Rehabilitation, 68. 24-29.

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Zur Wirksamkeit eines Trainings zur Behandlung von Konzentrationsstörungen bei Vorschulkindern im ambulanten Setting

und in der stationären Rehabilitation

Günther, S. Kinder-Reha-Klinik "Am Nicolausholz" Bad Kösen, Praxis für Gesundheits- und Sozialtherapie Leipzig

Hintergrund Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen sind eins der drei Leitsymptome einer ADHS, gehören neben expansiven Verhaltensauffälligkeiten zu den häufigsten Störungen im Kindes- und Jugendalter und können bei den unterschiedlichsten Krankheits- bzw. Stö-rungsbildern sowie Fehlentwicklungsformen auftreten. Aufmerksamkeits- und Konzentrati-onsleistungen spielen eine entscheidende Rolle für schulisches Lernen. Diesen Leistungen kommt besonders am Anfang der Schullaufbahn eine große Bedeutung zu, da Minderleis-tungen in der Konzentration und der Aufmerksamkeit häufig in der Folgezeit kumulative Lerndefizite und schlechte schulische Leistungen nach sich ziehen. Sekundär können sie zusätzliche Verhaltensauffälligkeiten bei diesen Kindern bedingen (Kahl et al., 2007).

Döpfner (1999) forderte im Hinblick auf eine stetige Verbesserung therapeutischer Angebo-te, dass sich Therapiebetreibende die Frage nach der Wirksamkeit ihrer Behandlungsme-thode gefallen lassen müssen. Die Studie soll einen Beitrag zur Beantwortung der Frage leisten, wie effektiv das kognitiv-behaviorale Konzentrationstrainings-Programm (KTP) für Vorschulkinder (Ettrich, 1998) in Verbindung mit den "Kapitän-Nemo-Geschichten" (Peter-mann, 2009) und einer kindadaptierten Form der PMR (Speck, 2005) in der Behandlung von Konzentrationsstörungen unterschiedlicher Genese sowie deren Begleitsymptomen in un-terschiedlichen Behandlungssettings ist.

Methodik An der klinischen Studie nahmen 41 konzentrationsauffällige Vorschulkinder (Diagnosen nach ICD-10: F07.9, F90.0/F90.1, F91, F93, F94.1, F98.8) im Alter von 4,6 bis 7,3 Jahren (M=6,0) teil. Von den teilnehmenden Kindern wurden 10 Kinder (6 Jungen, 4 Mädchen) im ambulanten und 31 Kinder (19 Jungen, 12 Mädchen) im stationären Setting trainiert. Die Durchführung des Trainings als 20wöchiges ambulantes Therapieangebot fand in der Praxis für Gesundheits- und Sozialtherapie in Leipzig statt. Das vierwöchige, tägliche Training im stationären Setting wurde in der Kinder-Reha-Klinik "Am Nicolausholz" in Bad Kösen durch-geführt.

Unmittelbar vor Beginn und nach Beendigung des Trainings wurden Tests zur Erfassung der Intelligenz- und Konzentrationsleistung (K-ABC, KHV-VK, MFF 20) sowie Fragebogenver-fahren (VBV-EL 3-6, CBCL/4-18) zur Erfassung der individuellen Störungs- und Verhaltens-symptomatik durchgeführt (Prä-Post-Messung).

Ergebnisse Durch das Training wurde in der Gesamtstichprobe eine signifikante Steigerung der Auf-merksamkeitsfunktionen (KHV-VK Fehler p<0.001, d=0.941; MFF 20 Fehler p<0.001, d=0.904) und bei der Ausnutzung intellektueller Leistungsvoraussetzungen (p<0.001,

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d=0.636) erreicht. Weiterhin wurden Verhaltensauffälligkeiten abgebaut und die psychosozi-ale Anpassungsfähigkeit der Kinder deutlich verbessert (CBCL/4-18 Gesamt-T-Wert p<0.001, d=0.498).

Beim Vergleich der beiden Teilstichproben ambulant und stationär trainierter Kinder im t-Test ergaben sich für die Prä-Testung bei keinem Parameter signifikante Unterschiede. Im ambulanten und stationären Setting gestalteten sich die Veränderungen hinsichtlich kogniti-ver Leistungsfähigkeit und Konzentrationsfähigkeit für beide Behandlungsformen ähnlich wie in der Gesamtstichprobe. Wobei die ambulant trainierten Kinder größere Trainingseffekte im Erwerb eines reflexiv-kognitiven Arbeitsstils (MFF 20 Fehler p=0.014) erzielten.

Zwischen den ambulant und stationär trainierten Kindern unterschieden sich jedoch die Ver-änderungen in der Verhaltensbeurteilung durch die Eltern. Die stationär behandelten Kinder zeigten im VBV-EL 3-6 auch eine bedeutsame Veränderung auf der Dimension oppositio-nell-agressives Verhalten (p=0.003). Im CBCL/4-18 erreichten die stationär trainierten Kin-der auf allen drei übergeordneten Skalen (Internalisierend p=0.003, Externalisierend p=0.046 und Gesamt-T-Wert p<.001) bedeutsame Abnahmen im t-Wert. Weiterhin erzielten sie auch auf den Syndromskalen Aufmerksamkeitsstörung (p=0.001), Soziale Probleme (p=0.049) und Aggressives Verhalten (p=0.005) bedeutsame Verbesserungen nach dem Training.

Diskussion Aufgrund der Untersuchungsergebnisse kann das Training als ein wichtiger Baustein in der frühzeitigen multimodalen Behandlung von Konzentrationsstörungen angesehen werden. Weiterhin wird die psychosoziale Anpassungsfähigkeit der Kinder deutlich verbessert und die Anwendbarkeit von kognitiven Techniken, wie das Selbstinstruktionstraining, im Vor-schulalter belegt.

Dabei scheint ein ambulantes Training die kognitive Impulsivität und ein stationäres Training stärker das Verhalten zu beeinflussen. Weiterhin wurden im stationären Setting vermehrt Kinder aus den sogenannten bildungsfernen Schichten und mit erhöhten Risikofaktoren für eine gesunde Entwicklung angesprochen. Um den Bedürfnissen dieser Patienten noch bes-ser gerecht zu werden, sollte zukünftig das Konzentrationstraining mit einer Eltern-Kind-Intervention kombiniert werden.

Literatur Döpfner, M. (1999): Ergebnisse der Therapieforschung zur Verhaltenstherapie mit Kindern

und Jugendlichen. In: Borg-Laufs, M. (Hrsg.): Lehrbuch der Verhaltenstherapie mit Kin-dern und Jugendlichen. DGVT Verlag Tübingen.

Ettrich, C. (1998): Konzentrationstrainings-Programm für Kinder [Bd. I. Vorschulalter] Göt-tingen: Vandenhoeck und Ruprecht.

Kahl, K.G., Puls, J.H., Schmid, G. (2007): Praxishandbuch ADHS - Diagnostik und Therapie für alle Alterstufen. Georg Thieme Verlag Stuttgart.

Petermann, U. (2009): Die Kapitän-Nemo-Geschichten - Geschichten gegen Angst und Stress. 13. Aufl., Freiburg: Herder Spektrum.

Speck, V. (2005): Progressive Muskelentspannung für Kinder. Hogrefe Verlag Göttingen.

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Evaluation von Stepping Stones Triple P: Ergebnisse der Stepping-Stones-SPZ-Multicenterstudie

Schaadt, A.-K. (1), Hampel, O. (1), Hasmann, S.E. (1), Petermann, F. (2), Holl, R. (3), Hasmann, R. (1) für die German Stepping Stones Study Group

(1) Sozialpädiatrisches Zentrum der Marienhausklinik Kohlhof, Neunkirchen/Saar, (2) Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Universität Bremen,

(3) Institut für Epidemiologie, Universität Ulm

Hintergrund Stepping Stones Triple P (Sanders et al., 2003) ist ein effektives verhaltenstherapeutisch orientiertes Elterntraining, welches sowohl präventiv als auch als ein Therapiemodul bei Verhaltensauffälligkeiten oder Erziehungsproblemen sowie zur Förderung der Entwicklung in Familien mit behinderten Kindern eingesetzt werden kann. Es baut auf dem Positive Pa-renting Program (Triple P) auf und richtet sich gezielt an Eltern von behinderten Kindern.

Im Rahmen einer Multicenterstudie in Deutschland unter verschiedenen Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ) und weiterer Versorgungseinrichtungen wurde Stepping Stones Triple P, das in Australien als Einzeltraining bereits erfolgreich evaluiert wurde, als Elterngruppentraining mit drei bis sieben Familien pro Schulung eingeführt und auf seine Wirksamkeit im deut-schen Kulturraum überprüft.

Methodik Stichprobe:

Studienteilnehmer sind Eltern von Kindern und Jugendlichen, welche wegen Behinderungen oder Entwicklungsstörungen und komorbiden Verhaltensauffälligkeiten an dem Sozialpädiat-rischen Zentrum und kooperierenden Versorgungseinrichtungen zur Behandlung vorgestellt werden.

- Alter 1 bis 17 Jahre

- n = 114

- 70 % Jungen

Häufige Behinderungen waren:

- 75 % geistige Behinderungen

- 50 % Störungen der motorischen Entwicklung, davon 18 Patienten mit Cerebralparesen oder Myopathien als Beispiel für höhergradige motorische Behinderungen

- 18 Patienten mit zumeist symptomatischen Epilepsien

- 17 Patienten mit Autismus-Spektrum-Störungen

Messzeitpunkte:

Die Datenerhebung erfolgte zu drei Messzeitpunkten: vor Trainingsbeginn (T1), unmittelbar (T2) und sechs Monate nach Trainingsende (T3).

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Messinstrumente Über Fragebögen wurden Erziehungsverhalten (EFB-K, Hampel et al., 2010a), elterliche Be-lastungen (DASS 21, Hampel et al. 2010a) und die Verhaltensproblematik des Kindes (DBC, vgl. Hampel et al., 2010a) erfasst. Psychosoziale Belastungen der Eltern wurden auf Basis der Multiaxialen Klassifikation (Hampel et al., 2010a), die elterliche Mitarbeit am Training anhand einer sechsstufigen Ratingskala mit den Kriterien Anwesenheit, Mitarbeit und Hausaufgabenbearbeitung ermittelt. Als Qualitätssicherungsinstrument wurde der Fragebo-gen zur Beurteilung der Behandlung (FBB, Mattejat, Remschmidt, 1998) verwendet.

Ergebnisse Der EFB-K zeigt im Prä-Post-Vergleich von T1 zu T2 eine signifikante Reduktion (p < .001, d = .67) von dysfunktionalem elterlichem Erziehungsverhalten, das auch nach Trainingsen-de bestehen bleibt. Im DASS 21 zeigt sich eine signifikante Reduktion von psychischen Be-lastungen der Eltern beim Vergleich T1 zu T2 (p < .001; d = .38) und T1 zu T3 (p < .05; d = .32). Die Skalen des DBC illustrieren einen signifikanten Rückgang kindlicher Verhaltens-probleme von T1 nach T2 (p < .001; d = .23), welcher auch nach Trainingsende bestehen bleibt (siehe Abb. 1).

Um die Effekte der Einflussvariablen zu ermitteln, wurde die Gesamtstichprobe in folgende Gruppen eingeteilt: fehlende vs. vorhandene psychosoziale Belastungen und gute vs. ein-geschränkte Therapiemitarbeit. Exemplarisch werden in Abbildung 1 (Abb. 1) die Effekte der Einflussvariable psychosoziale Belastung dargestellt. Es zeigt sich, dass ungünstige psy-chosoziale Belastungen den Therapieerfolg wesentlich reduzieren. Die Analyse der Mitar-beitseffekte ergibt eine komplexe Befundkonstellation, die ausführlich in Leipzig diskutiert werden wird.

Die FBB-Daten zeigen im Mittel eine sehr gute Prozess- und eine gute Ergebnisqualität, wobei wenige Ausreißer in Abb. 1 belegen, dass nicht allen Familien zufriedenstellend ge-holfen werden kann.

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T1 T2 T3 p-Wert* Effektstärke

Skalen Gruppe N MW SD N MW SD N MW SD T1-T2 T1-T3 d_T1-T2 d_T1-T3

Gesamt** 114 3,15 0,76 114 2,64 0,72 74 2,68 0,73 <.001 <.001 0,67 0,62

1*** 47 3,1 0,7 47 2,4 0,8 47 2,7 0,8 .0012 .0012 0,98 0,66

EFB-K Gesamt

2*** 24 2,9 0,8 24 2,5 0,6 24 2,5 0,7 .057 .042 0,55 0,55

Gesamt** 114 34,51 22,32 114 26,00 19,16 77 27,32 19,34 <.001 .0328 0,38 0,32

1*** 46 33,5 22,3 46 22,2 14,7 46 25,3 16,2 .0012 .024 0,51 0,37

DASS Gesamt

2*** 27 37,1 25,7 27 29,6 21,2 27 27,9 24,1 .096 .069 0,29 0,36

Gesamt** 110 51,08 23,32 110 45,65 23,74 73 42,83 22,48 <.001 .0282 0,23 0,35

1*** 47 52,6 24,9 47 44,4 22,3 47 41,4 23,4 .0012 .0012 0,33 0,45

DBC Gesamt

2*** 23 52,2 24,5 23 48,5 26,0 23 46,4 21,2 .663 .411 0,15 0,24* p-Werte nach Bonferroni-Korrektur für drei Studienzielfragestellungen ** Hampel et al. (2010b) ; *** Hampel et al. (2010a)

Median, Interquartilbereich und Ausreißer der Elternurteile im Qualitätssicherungs-Fragebogens zur Beurtei-lung der Behandlung (FBB; Mattejat,Remschmidt, 1998) für die Qualitäts-Gesamtskala und die Subskalen (Prozess- und Ergebnisqualität) zum Messzeitpunkt T2 (Bewertung entsprechend Normierung: 0-0,5 schlecht, 0,5-1,5 unzureichend, 1,5-2,5 mäßig, 2,5-3,5 gut, 3,5-4,0 sehr gut)

E. Familienbeziehung

E. Selbst

E. Beziehung zum Pat

E. Patient

ErfolgVerlauf

Gesamt

5

4

3

2

1

0 6068

7

56

60

7

60

38

756

60

567

56

Abb. 1: Vergleich der Elterngruppe ohne vs. mit psychosozialen Belastungen (1 = ohne psychosoziale Be-lastungen; 2 = mit psychosozialen Belastungen; signifikante Veränderungen sind fett gesetzt; Kor-rektur nach Bonferroni)

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547

Literatur Hampel, O.A., Schaadt, A.-K., Hasmann, S.E., Petermann, F., Holl, R., Hasmann, R.

(2010a): Effekte des Stepping Stones Elterngruppentrainings für Familien mit behinderten Kindern. Kindheit und Entwicklung. 19/1. 1-12.

Hampel, O.A., Schaadt, A.-K., Hasmann, S.E., Petermann, F., Holl, R., Hasmann, R. (2010b): Evaluation von Stepping Stones Triple P: Zwischenergebnisse der Stepping-Stones-SPZ-Multicenterstudie. Klinische Pädiatrie. Im Druck.

Mattejat, F., Remschmidt, H. (1998): Fragebogen zur Beurteilung der Behandlung - FBB. Göttingen: Hogrefe.

Sanders, M.R., Mazzucchelli, T.G., Studman, L.J. (2003): Practioner's manual for standard Stepping Stones Triple P. Brisbane, Australia: Triple P International.

Zubrick, S.R., Ward, K.A., Silburn S.R., Lawrence, D., Williams, A.A., Blair, E., Robertson, D., Sanders, M.R. (2005): Prevention of Child Behavior Problems Through Universal Im-plementation of a Group Behavioral Family Intervention. Prevention Science, 6. 287-304.

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Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen (Poster)

Die Constraint-induced movement therapy bei Kindern mit armbetonter Hemiparese im Vergleich zur bimanuellen Therapie

- Was ist wirksam(er)?

Deppe, W., Thümmler, K., Fleischer, J., Berger, C., Pelz, S. Rehabilitationszentrum für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene,

Klinik Bavaria Kreischa

Fragestellung Die Wirksamkeit der CIMT bei Kindern und Jugendlichen mit angeborenen oder erworbenen Hemiparesen wurde in mehreren Untersuchungen belegt (Taub et al., 2004; Eliasson et al., 2005; Charles et al., 2006). Jedoch ist unklar, ob die Wirksamkeit auf der Restriktion des nicht betroffenen Arms, der Therapieintensität oder dem strukturierten Therapieaufbau be-ruht.

Um die Bedeutung der Restriktion zu klären, haben wir ein gleich intensives, strukturiertes bimanuelles Therapieprogramm entwickelt und vergleichen die Wirksamkeit mit dem von uns entwickelten kid-CIMT-Programm. Kann bei Kindern mit armbetonter Hemiparese die Funktion des betroffenen Armes durch die CIMT im Vergleich zu einem bimanuellen Thera-pieprogramm gleicher Intensität effektiver verbessert werden?

Methode Es handelt sich um eine prospektive, randomisierte, kontrollierte Interventionsstudie.

Assessmentinstrumente: - Melbourne Assessment of Unilateral Upper Limb Function

- Assisting Hand Assessment (AHA)

- Subskalen des Quality of Upper Extremity Skills Test (QUEST)

- Pediatric Evaluation of Disability Inventory (PEDI)

- Subtests zur Überprüfung der Taktil-Kinästhetischen Wahrnehmung (TAKIWA)

Nach Elternaufklärung und Testung in Woche 1 erfolgt die randomisierte Zuteilung zur kid-CIMT- oder zur bimanuellen Behandlungsgruppe. Die Patienten beider Gruppen erhalten vier Wochen lang ein stufenweise aufgebautes und individuell angepasstes Therapiepro-gramm mit einer Intensität von 4 x 60 min täglich an 5 Wochentagen. In der CIMT-Gruppe wird die Therapie unilateral durchgeführt. In der bimanuellen Behandlungsgruppe steht das Erlernen alltagsnaher Strategien für den betroffenen Arm zur Bewältigung bimanueller Tä-tigkeiten im Vordergrund.

In Woche 6 erfolgt eine erneute Testung.

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Ergebnisse In einer Zwischenauswertung haben wir die ersten n = 28 Pat. betrachtet, 14 Pat. davon wa-ren in der CIMT-Gruppe und 14 Pat. in der bimanuellen Gruppe. Für die Zwischenauswer-tung wurden nur Melbourne-Assessment und AHA als Messparameter herangezogen. Beide Gruppen unterschieden sich zu Therapiebeginn nicht im Alter und in den AHA-Scores. Im Melbourne-Score wies die bimanuelle Gruppe leicht bessere Werte auf.

In beiden Gruppen zeigen sich eindeutige Verbesserungen in AHA und Melbourne-Assess-ment. Für das Melbourne-Assessment der Funktionen von paretischem Arm und Hand sind jedoch die Veränderungen in der CIMT-behandelten Gruppe mit 10,6 vs. 4,2 Punkten deut-lich höher (p = 0,05). Die Bewertung der bilateralen Funktionalität mit dem AHA zeigt hinge-gen keinen Unterschied zwischen den beiden Gruppen im Therapieerfolg (+3,5 Punkte in der CIMT-Gruppe vs. 4,7 Punkte in der bimanuellen Gruppe (n. s.).

Schlussfolgerungen Unsere Zwischenauswertung zeigt für beide Behandlungsmethoden Verbesserungen, die sich jedoch unterscheiden, je nachdem ob isolierte Funktionen des betroffenen Arms bzw. der Hand gemessen werden (Melbourne-Assessment) oder der Einsatz im spontanen bima-nuellen Gebrauch (AHA).

Damit deutet sich an, dass die Arm-Hand-Restriktion ein wesentlicher Wirkfaktor für das Neuerlernen motorischer Funktionen und Fähigkeiten im Rahmen der CIMT bei Kindern ist, jedoch im alltagsnahen bimanuellen Einsatz der hemiparetischen Hand diese Fähigkeiten nicht stärker als nach einem gleich intensiven bimanuellen Training zur Geltung kommen.

Es bleibt abzuwarten, ob diese Ergebnisse sich mit der angestrebten größeren Stichprobe (n = 45-50) bestätigen.

Literatur Charles, J.R., Wolf, S.L., Schneider, J.A., Gordon, A.M. (2006): Dev Med Child Neurol, 48/8.

635-642. Eliasson, A.C., Krumlinde-Sundholm, L., Shaw, K., Wang, C. (2005): Dev Med Child Neurol

47/4. 266-275. Taub, E., Ramey, S.L., DeLuca, S., Echols, K. (2004): Pediatrics, 113/2. 305-312.

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Familienorientierte Nachsorge bei Kindern mit erworbenen Hirnschädigungen - Eine qualitative Studie zur

familiären Bewältigungsarbeit

Böhm, A., Bethge, M., Spyra, K. Abteilung für Versorgungssystemforschung und Grundlagen der Qualitätssicherung in der

Rehabilitation, Charité - Universitätsmedizin Berlin

Hintergrund und Zielstellung Wissenschaftliche Untersuchungen der letzten Jahre belegen, dass die Rehabilitation von Menschen mit erworbenen Hirnschäden wirksam ist und gute funktionelle Verbesserungen herbeiführen kann. Studien zur Evidenz neurologischer Rehabilitation zeigen jedoch auf, dass diese Effekte nachlassen, wenn keine adäquate Nachsorge stattfindet (Fries, Ludwig, 2007). Daraus resultiert die Notwendigkeit, dass bereits in der Rehabilitationseinrichtung die häusliche Versorgung in Zusammenarbeit mit den Familien vorbereitet werden muss, um einen nahtlosen Übergang zu gewährleisten.

Nach der Entlassung eines Kindes mit erworbener Hirnschädigung aus der stationären Re-habilitation müssen die Familien oftmals ihren Alltag neu arrangieren, die Aufgaben und Ressourcen in Bezug auf die Pflege, Betreuung und ambulante Weiterversorgung des Kin-des verteilen sowie neue Herausforderungen und Schwierigkeiten bewältigen (Corbin, Strauss, 2004). Die Untersuchung sollte klären, wie die neuen Anforderungen von betroffe-nen Familien bewältigt werden, welche Ressourcen ihnen zur Verfügung stehen bzw. in An-spruch genommen werden und welchen Unterstützungsbedarf sie haben.

Studiendesign und Methode Es wurde eine qualitative Studie durchgeführt. Sie berücksichtigte fünf Familien, deren Kin-der (1-6 Jahre) zur stationären Rehabilitation in der HELIOS Klinik Hohenstücken in Bran-denburg a. d. Havel waren. Es handelte sich um die erste neurologische Rehabilitations-maßnahme nach einem die Hirnschädigung verursachenden Unfall (Schädelhirntrauma) oder ursächlichen Erkrankung (Hirninfarkt, Enzephalitis). Die Eltern wurden in leitfadenge-stützten Interviews zwei Monate nach der Entlassung zu den Themenkomplexen: Zeit nach dem Unfall/der Erkrankung, Entwicklung des Kindes und familiären Lebens, familiäre All-tagsbewältigung, Unterstützung durch Familie, Freunde und professionelle Helfer wäh-rend/nach der stationären Rehabilitation u. a. befragt. Die Erhebung und Analyse der Inter-views erfolgte mit dem methodischen Ansatz der Grounded Therory (Glaser, Strauss, 1967).

Ergebnisse Die Ergebnisse dieser Studie zeigen auf, dass die Neubalancierung des Familienalltags eine zentrale Anforderung der familiären Bewältigungsarbeit darstellt. Vor allem die krankheits- und alltagsbezogenen Arbeitstypen (Beruf, Haushalt, Kindererziehung, Paarbeziehung u. a.) müssen in ein Gleichgewicht gebracht werden, um eine elterliche Überlastung zu verhindern (Corbin, Strauss, 2004). In den Falldarstellungen und deren Vergleich wurden Kontextfakto-ren (Ressourcen) und Handlungsstrategien der Familien herausgearbeitet, die sich förder-lich auf die Herstellung eines Gleichgewichts im Familienalltag auswirken. Dazu zählen Wis-sen bezüglich professioneller Hilfen, elterliche Arbeitsteilung, gegenseitige emotionale Un-

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terstützung der Partner, Wahrnehmung und Befriedigung der eigenen Bedürfnisse und der des Partners, Inanspruchnahme familiärer und professioneller Unterstützungsangebote so-wie zeitliche und finanzielle Ressourcen.

Bei zwei Familien wurde eine Dysbalance zwischen den Arbeitstypen festgestellt, die auf unzureichende Informationen über Hilfeangebote, mangelnde soziale Unterstützung, elterli-che Unsicherheit sowie fehlende finanzielle und zeitliche Ressourcen zurückzuführen war. Als Folgen äußerten die Eltern gesundheitliche Beeinträchtigungen aufgrund der Überlas-tung sowie soziale Isolation durch fehlende Zeit für Netzwerkkontakte.

Schlussfolgerungen Die Vorbereitung der nachgehenden Maßnahmen in der Rehabilitationsklinik darf sich nicht nur auf die medizinisch-therapeutische Weiterversorgung des Kindes konzentrieren, son-dern muss den familiären Bewältigungskontext mit einbeziehen. Im Rahmen einer Eltern-gruppe könnte die familiäre Bewältigungsarbeit als zentrales Thema aufgegriffen, der Aus-tausch und die Vernetzung von betroffenen Angehörigen ermöglicht sowie Informationen zu Hilfeangeboten (Beratungsstellen, familienentlastenden Diensten u. a.) vermittelt werden. Hierzu sollten Schulungsmanuale für den Einsatz in Rehabilitationskliniken entwickelt wer-den. Ein entsprechender Projektantrag wurde bei der Deutschen Rentenversicherung einge-reicht.

Literatur Corbin, J., Strauss, A. (2004): Weiterleben lernen. Verlauf und Bewältigung von chronischer

Krankheit (2. Aufl.). Bern: Verlag Hans Huber. Fries, W., Ludwig, L. (Hrsg.) (2007): Rehabilitation und Nachsorge nach Schädelhirnverlet-

zung. Möglichkeit und Wirklichkeit. Bad Honnef: Hippocampus Verlag. Glaser, B., Strauss, A. (1967): The discovery of grounded theory: strategies for qualitative

research. New York: de Gruyter.

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Reha-Pflege

Langzeitergebnisse einer randomisierten, kontrollierten Parallelgruppenstudie zur Sekundärprävention von Rückenschmerzen

bei Pflegekräften

Ewert, T. Klinik und Poliklinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation,

Klinikum der Universität München

Hintergrund Pflegekräfte haben mit einer Jahresprävalenz von 40-50 % gegenüber der Normalbevölke-rung ein erhöhtes Risiko an Rückenschmerzen zu erkranken. Als wichtige Risikofaktoren für diese Berufsgruppe gelten: Anzahl der Rückenschmerzepisoden in der Vorgeschichte, He-ben und Tragen, knappe Personalbesetzung, psychische Belastungen und Arbeitsunzufrie-denheit (Hignett, 1996). Angesichts der allgemein hohen Prävalenz und des überwiegend unproblematischen Verlaufes von Rückenschmerzepisoden (Wahlgren et al., 1997), scheint die Primärpävention nicht dringend erforderlich. Hingegen ist die Notwendigkeit von sekun-därpräventiven Maßnahmen zur Vermeidung der Chronifizierung von Rückenschmerzen all-gemein anerkannt, jedoch ist deren Wirksamkeit nur unzureichend untersucht, da es bisher an randomisierten klinischen Studien auf diesem Gebiet mangelt (Linton, Tulder, 2001). Hinsichtlich der Prävention könnte eine befriedigende Evidenz bislang für Sportprogramme gezeigt werden.

Fragestellung Ziel dieses Projektes war es daher, zwei Präventionsprogramme gegen Rückenschmerzen bei Pflegekräften hinsichtlich ihrer Effektivität zu vergleichen. Die getestete Hypothese war, dass ein multimodales Programm einem reinen Sportprogramm überlegen ist.

Methodik Da für Schmerzphänomene eine multifaktorielle Verursachung angenommen wird und es im Bereich präventiver Maßnahmen gegen Rückenbeschwerden bisher keinen Goldstandard gibt, wurde zunächst ein multimodales Präventionsprogramm entwickelt und vollständig ma-nualisiert. Neben sporttherapeutischen wurden ergotherapeutische, physiotherapeutische und psychologische Interventionen durchgeführt. Als Vergleichsintervention wurde ein effek-tives, unimodales Sport- und Trainingsprogramm (in Anlehnung an Klaber-Moffett et al., 1999) gewählt. Die Datenerhebung umfasste neben einem Prä- und Postassessment zur Erfassung der Wirksamkeit beider Präventionsprogramme ein 3- und 12-Monats-follow-up, um die Langzeitwirkung zu ermitteln. Als primärer Studienendpunkt wurde a priori die Skala Beeinträchtigung durch den Schmerz (MPI-D) gewählt, sekundäre Endpunke waren Schmerz und die beiden Summenskalen des SF-36. Die Hypothesen wurden über lineare hierarchische Modelle getestet. Bei dem gewählten Studientyp handelt es sich um eine mo-nozentrische, randomisierte, kontrollierte Parallelgruppenstudie.

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Ergebnisse Insgesamt wurden 235 Probanden für die Studie rekrutiert. Einschlusskriterien waren: Min-destens eine Rückenschmerzepisode in den letzten 24 Monaten, kein operativer Eingriff in den letzten 6 Monaten und keine aktuelle Behandlung aufgrund von Rückenschmerzen so wie mindestens 3 Jahre vor der Altersruhestandsgrenze. 183 Probanden wurden in die Stu-die eingeschlossen, von diesen konnten 169 gemäß des gewählten intent-to-treat Ansatzes in die Auswertung eingehen. Beide Gruppen unterschieden sich zu Beginn der Intervention in keinem der gemessenen Parameter. Sowohl für die primären als auch die sekundären Studienendpunkte, konnte kein statistisch bedeutsamer Unterschied zwischen den Gruppen zu irgendeinem Zeitpunkt festgestellt werden. Die Veränderungen über die Zeit waren statis-tisch hingegen hoch signifikant. Die Effektstärken in beiden Programmen variierten nach 12 Monaten zwischen 0.58 und 0.47 in der Beeinträchtigung durch Schmerzen. Insgesamt zeigten sich bei allen erhobenen Messparametern geringe bis mittlere Effekte.

Diskussion und Schlussfolgerungen Das Rückenschmerz-Intensiv-Präventionsprogramm für den Pflegeberuf (RIPP) basiert auf einem multimodalen Ansatz. Obwohl es offensichtlich mehr Risikofaktoren adressiert, ist das Programm einem reinen Sportprogramm nicht überlegen. Dieser Befund kann zum einen auf die Stichprobe zurückzuführen sein. Die teilnehmenden Pflegekräfte zeichnen sich durch eine gering ausgeprägte Beeinträchtigung aus, so dass eine mögliche Erklärung wäre, dass die Adressierung von multiplen Risikofaktoren nur bei entsprechenden Subgruppen sinnvoll sein kann. Andererseits konnte durch Analysen gezeigt werden, dass der Wirkmechanismus für eine Verbesserung, in beiden Programmen derselbe ist und über Coping-Mechanismen erklärt werden kann (Wessels et al., 2007). Dieses bestätigt frühere Befunde, die bei Sport-programmen keinen entscheidenden Zusammenhang zwischen physiologischen Parame-tern wie z. B. Muskelkraft und der Reduktion von Symptomen aufzeigen konnten.

Literatur Hignett, S. (1996): Work-related back pain in nurses. Journal of advanced Nursing, 23.

1238-1246. Klaber-Moffett, J., Torgerson, D., Bell-Syer, S.E.M., Jackson, D., Llewellyn-Phillips, H., Far-

rin, A., Barber, J. (1999): Randomised controlled trial of exercise for low back pain: clini-cal outcomes, costs and preferences. Britisch Medical Journal, 319. 279-283.

Linton, S.J., Van Tulder, M.W. (2001): Preventive interventions for back and neck pain prob-lems: What is the Evidence? Spine, 26. 778-787.

Wahlgren, D.R., Atkinson, J.H., Epping-Jordan, J.E., Williams, R.A., Pruitt, S.D., Klapow, J.C., Patterson, T.L., Grant, I., Webster, J.S., Slater, M.A. (1997): One-year follow- up of first onset low back pain. Pain, 73. 213-321.

Wessels, T., Ewert, T., Limm, H., Rackwitz, B., Stucki, G. (2007): Change factors explaining reductions of "interference" in a multidisciplinary and an exercise prevention program for low back pain. Clinical Journal of Pain, 23. 629-634.

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Zur Notwendigkeit der Vernetzung rehabilitativer und ambulanter medizinisch-pflegerisch-therapeutischer Versorgung bei komplexen

gesundheitsbedingten Teilhabestörungen am Beispiel des Schlaganfalls

Schubert, M., Becker, C., Behrens, J., Fleischer, S., Selinger, Y., Weber, A., Zimmermann, M.

Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Hintergrund Rehabilitationsleistungen leisten einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung gesundheitsbe-dingter Teilhabestörungen infolge (chronischer) Krankheit oder Behinderung. Der Rehabilita-tionsprozess geht dabei insbesondere bei komplexen Krankheits- bzw. Störungsbildern deutlich über institutionalisierte Rehabilitationsleistungen nach einem Akturereignis hinaus (BAR, 2005). Dies tangiert zum einen die Nachsorge durch Rehabilitationsträger (SGB VI), zum anderen auch die Nachsorge durch weitere Therapien und Behandlungen im Rahmen des SGB V und SGB XI (Fries, 2007).

Vor diesem Hintergrund werden am Beispiel des Schlaganfalls Langzeitkrankheits- und Re-habilitationsverläufe aus unterschiedlichen Akteursperspektiven heraus mit dem Ziel unter-sucht, Prädiktoren für einen erfolgreichen Rehabilitationsprozess nach Schlaganfall heraus-zuarbeiten. Der vorliegende Beitrag zeichnet die Komplexität der Gesundheitsversorgung in längsschnittlicher Perspektive nach und formuliert schlussfolgernd eine Optimierungsmög-lichkeit.

Methodik Die Ergebnisse stützen sich auf Routinedaten der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Hierfür wurde aus der Reha-Statistik-Datenbasis (RSD, Berichtszeitraum 1998-2005) eine Versichertenstichprobe extrahiert, die eine medizinische oder berufliche Rehabilitation oder eine Erwerbsminderungsrente wegen Schlaganfall (ICD-10: I60-I64) erhalten hat und in Sachsen-Anhalt, Thüringen, Schleswig-Holstein oder Baden-Württemberg wohnte. In der Substichprobe der Jahre 2001 bis 2003 betraf dies 12.240 Personen. Zusätzlich wurden 1.000 Personen mit mindestens einer Reha-Leistung der DRV wegen Schlaganfalls in 2005 für eine schriftliche und telefonische Befragung ausgewählt, so dass ein Kombi-Datensatz aus Routine- und Befragungsdaten zur Auswertung zur Verfügung stand.

Darüber hinaus wurden qualitative Tiefeninterviews mit Schlaganfallbetroffenen durchge-führt (n = 16), die insbesondere die subjektive Wahrnehmung und Beurteilung der Versor-gung fokussierten.

Ergebnisse Die Analyse des Leistungsgeschehens der DRV zeigt, dass fast alle Personen (97 %) min-destens eine medizinische Rehabilitation absolvierten, mehr als ein Viertel (27 %) von die-sen sogar drei und mehr Ereignisse dieser Art aufwiesen. 23 % der Betroffenen erhielten mindestens eine berufliche Rehabilitationsleistung, wobei auch hier bei einem Viertel der Personen (24 %) drei und mehr Ereignisse verzeichnet waren. Mehr als die Hälfte der Per-sonen erhielt infolge des Schlaganfalls eine Erwerbsminderungsrente (56 %). Die kombinier-te Analyse der drei Leistungsarten macht deutlich, dass diese oftmals in Kombination er-

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bracht werden und dass auch medizinische Rehabilitationsleistungen zumeist in Kombinati-on mit beruflicher Rehabilitations- oder Rentenleistung wegen Erwerbsminderung einher-geht. Durch die Kombination mit Befragungsdaten wird deutlich, dass in der ambulanten Nachsorge eine heterogene Inanspruchnahme zu verzeichnen ist. So erreicht - trotz nach-gewiesener Evidenz - nur eine Minderheit eine ambulante Therapiefortsetzung, deren Inten-sität beispielsweise nach Krankenkassenzugehörigkeit deutlich variiert. Ein Drittel der Be-troffenen (32 %) ist knapp fünf Jahre nach dem Schlaganfallereignis in Voll- oder Teilzeit be-rufstätig. Aus subjektiver Betroffenensicht sind die Strukturen und Ansprechpartner im Ge-sundheitssystem im Rahmen der Nachsorge wenig transparent. Oft werden auch Schwierig-keiten im Vorfeld der Leistungsgewährung bei allen Trägern der Gesundheitsversorgung be-richtet, wobei soziale Netzwerke und Ressourcen für eine Therapiefortsetzung einen we-sentlichen Einfluss zu haben scheinen.

Diskussion Die Ergebnisse lassen sich zu fünf Thesen zusammenfassen:

1. Komplexe gesundheitsbedingte Teilhabestörungen, wie infolge eines Schlaganfalls be-dingen komplexe Leistungsprozesse, die über Leistungen spezialisierter Institutionen hinausgehen.

2. Eine bedarfsgerechte "Nachsorge" geht über die Grenzen einer - mehr oder weniger strukturierten - Nachbetreuung einzelner Leistungserbringer im Rehabilitationsprozess deutlich hinaus.

3. Längerfristige Therapien sind erfolgversprechend, aber nur bei einer Minderheit der Be-troffenen zu finden.

4. Das ausdifferenzierte Gesundheitssystem mit diversifiziert angelegten Leistungsträgern und -erbringern produziert Schnittstellen, die auf individueller Ebene Betroffener nicht selten zu Versorgungs(ab)brüchen führen.

5. Aus subjektiver Betroffenensicht sind die Strukturen und Ansprechpartner wenig trans-parent, Betroffene sind ihrer Eigeninitiative und der ihrer Angehörigen überlassen, was insgesamt zu einem fragmentierten Versorgungsprozess beiträgt.

Schlussfolgerung Zur Steuerung des Rehabilitationsprozesses über institutionalisierte Rehabilitationsangebote hinaus scheint gerade für Menschen mit komplexen Erkrankungs- oder Behinderungsbildern eine kontinuierliche, systematische Fallbegleitung notwendig. Dieses Angebot ist im Sinne der Betroffenen und deren Angehörigen träger- und schnittstellenübergreifend, koordinie-rend, bedarfsgerecht, partizipativ und individuell (z. B. durch trägerunabhängige Beratungs-stellen unter Einbindung der Selbsthilfe) auszurichten (Löcherbach, 2009; Schmid et al., 2007). Das kann zur Verstetigung und weiteren Verbesserung des Rehabilitationserfolgs beitragen.

Literatur Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) (2005): Rehabilitation und Teilhabe:

Wegweiser für Ärzte und andere Fachkräfte der Rehabilitation. Köln: Deutscher Arzte-Verlag.

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Fries, W. (2007): Rehabilitation und Nachsorge nach Schädelhirnverletzung: Möglichkeit und Wirklichkeit. Bad Honnef: Hippocampus.

Löcherbach, P. (2009): Standards und Fachlichkeit im Case Management. Landsberg: Eco-nomica Verlag

Schmid, E., Weatherly, J.N., Meyer-Lutterloh, K., Seiler, R., Lägel, R. (2007): Patientencoa-ching, Gesundheitscoaching, Case Management: Methoden im Gesundheitsmanagement von morgen. Berlin: Mwv.

Verantwortungsethische Betrachtungen der Rehabilitation Pflegebedürftiger

Behrens, J., Zimmermann, M., Selinger, Y., Schubert, M., Fleischer, S., Weber, A., Becker, C., Saal, S.

Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Hintergrund, Fragestellung und Methode Formeln wie "Rehabilitation vor Pflege" werden mitunter so interpretiert, als gäbe es bei ein-getretener Pflegebedürftigkeit nichts mehr zu rehabilitieren. Jedoch lässt sich Rehabilitation auch als wirksamer Ansatz zur weitgehenden Erhaltung und Förderung der Selbstständig-keit sowie zur Vermeidung oder zum Hinauszögern des Voranschreitens der Pflegebedürf-tigkeit (Markle-Reid et al., 2006: 382; Walter, Patzelt, 2009) beschreiben. Dieser Ansatz wird in Deutschland noch nicht lange diskutiert.

Welches ist der Ort der Rehabilitation im Gesetz und im Leben? Diese Frage wird anhand der Regelungen in den Sozialgesetzbüchern IX und XI sowie anhand von Verlaufsanalysen zu Pflegebedürftigkeit nach Schlaganfall aus dem Teilprojekt C5 des DFG-SFB 580 erörtert.

Ergebnisse Pflegebedürftigkeit ist nicht zwingend mit Krankheit gleichzusetzen und sie wird keineswegs immer durch eine Krankheit verursacht. Aber das Verhindern oder Hinauszögern von Pfle-gebedürftigkeit sowie die Verminderung der Abhängigkeit bei bestehender Pflegebedürftig-keit stellen grundsätzliche Herausforderungen für Rehabilitation dar. Pflegebedürftige i. S. des SGB XI können sich als "behindert" im Sinne des SGB IX verstehen. Die Herausforde-rung besteht nun nicht nur und nicht vor allem darin, dass Rehabilitation Pflegebedürftigkeit verhüten und aufschieben soll, sondern auch in der pflegerisch-rehabilitativen (oft verkürzt als "aktivierend" bezeichneten) Unterstützung von Teilhabe bei vorliegender und nicht mehr gänzlich rückführbarer Pflegebedürftigkeit.

Dabei müssen Pflegefachpersonen die Verantwortung - verantwortungsethisch i. S. Max Webers - für die evidenten Wirkungen ihrer rehabilitativ-aktivierenden Pflegehandlungen übernehmen und dürfen sich nicht auf die Durchführungsverantwortung für einzelne Verrich-tungen beschränken (Behrens, Langer, 2006; Schaeffer et al., 2008).

Professionell Pflegende arbeiten in historisch sehr unterschiedlich gewachsenen institutio-nellen, rechtlichen und finanziellen Kontexten des Gesundheits- und Sozialsystems (z. B. Krankenhaus, Rehabilitationsklinik, Pflegeheim, Einrichtungen für Menschen mit Behinde-

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rung, ambulante Rehabilitation und Pflegedienste), deren Schnittstellen und rechtlichen Ab-grenzungen nicht nur für Pflegebedürftige und Patienten, die die verschiedenen Einrichtun-gen nacheinander durchlaufen, sondern auch für pflegende und therapierende Praktiker schwer verständlich sind. Überall muss professionelle Pflege von Gesetzes wegen zwin-gend "aktivierend" an der Ermöglichung von Teilhabe orientiert sein, unabhängig ob es sich um Pflege nach SGB IX, SGB V oder SGB XI handelt, und sie muss nach § 1 SGB IX Ver-antwortung für die Evidence ihrer Wirkungen übernehmen. Das SGB IX wirkt bezüglich der Teilhabeleistungen in sieben Sozialleistungszweige hinein. Alle Leistungen müssen sich am Ziel eines evident wirksamen Beitrages zur Teilhabe messen lassen.

Angesichts rechtlicher Regelungen, denen zufolge die Pflegeversicherungen kein Rehabili-tationsträger sind und Pflege nicht "rehabilitiert", sondern Teilhabe durch "Aktivierung" för-dert, scheint dies in ein Begriffs- und Institutionen-Labyrinth zu führen.

Aber so abstrakt die Begriffe "rehabilitativ" und "aktivierend" klingen, so selbstverständlich und konkret wird die rehabilitative Bedeutung der Pflege in den verschiedenen Settings, so-bald man von der Person eines Pflegebedürftigen, z. B. nach Schlaganfall, ausgeht. Unver-kennbar ist, dass rehabilitative Pflege bei allen Trägern und in den verschiedenen Bereichen des Sozialgesetzbuchs - insb. SGB V, IX und XI - in gleicher Weise geboten ist. Die rehabili-tativen Maßnahmen der Pflege mögen sich erweitern und verändern, Einrichtungen, Ab-rechnungsregeln, SGB-Bereiche wechseln, der pflegebedürftige Rehabilitand bleibt dieselbe Person.

Fazit und Ausblick Für die Gesundheitsberufe, besonders in Pflege und Rehabilitation, stellt die unter pflege-wissenschaftlicher Beteiligung von der Weltgesundheitsorganisation entwickelte und im Jah-re 2001 verabschiedete "ICF - Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinde-rung und Gesundheit" eine wichtige Grundlage und eine gemeinsame Sprache der Pflege mit den anderen rehabilitativen Professionen und der Gesetzgebung dar.

Dies bedingt Koordinationsbedarfe im multidisziplinären rehabilitativ arbeitenden Team. Un-abhängig vom institutionellen Kontext der Pflege kann diese nur in einem multiprofessionel-len Team im Rahmen eines kooperativen Ansatzes erfolgreich sein.

Literatur Behrens, J., Langer, G. (2006): Evidence Based Nursing and Caring. Bern: Huber. Markle-Reid, M., Weir, R., Browne, G., Roberts, J., Gafni, A., Henderson, S. (2006): Health

promotion for frail older home clients. Journal of Advanced Nursing, 54/3. 381-395. Schaeffer, D., Behrens, J. (2008): Optimierung und Evidenzbasierung pflegerischen Han-

delns. Weinheim: Juventa. Walter, U., Patzelt, C. (2009): Gesundheitsförderung und Prävention. Ziele und Strategien

unter besonderer Berücksichtigung der Pflege. Padua 4 (4). 6-12.

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Kooperation im Reha-Team: Führung, Partizipation und Betriebsklima

Ehrhardt, H., Steger, A.-K., Körner, M. Abteilungen für Medizinische Psychologie & Medizinische Soziologie,

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Hintergrund Zur Umsetzung der Partizipativen Entscheidungsfindung in der Behandler-Patient-Inter-aktion ist im Sinne einer internen Patientenorientierung (Körner, 2009) die partizipative Ent-scheidungsgestaltung im Reha-Team und zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern förder-lich. Diese Erkenntnis sowie der von Rehabilitationsmitarbeitern geäußerte Schulungsbedarf im Bereich Partizipation und Kommunikation im Team (Körner, 2006; Matschewsky et al., 2006) flossen in das Projekt "PEFiT" ein, in dessen Rahmen ein Trainingsprogramm für Führungskräfte zur Partizipativen Entscheidungsfindung in der medizinischen Rehabilitation entwickelt wurde. Zur Erfassung von Trainingseffekten zielt die Studie auf die Messung des "Ist-Zustands" auf Seiten der Mitarbeiter hinsichtlich der Führungskultur und dem Betriebs-klima unter besonderer Berücksichtigung der Mitarbeiterbeteiligung ab.

Methodik und Studiendesign In einer Querschnittserhebung wurden n = 660 Mitarbeiter behandlungsrelevanter Berufs-gruppen aus 17 Rehabilitationskliniken unterschiedlicher Indikationsbereiche in Baden-Württemberg zum Thema Interne Partizipation befragt. Zum Einsatz kamen u. a. selbst ent-wickelte Skalen zum Führungsverhalten und zur Partizipation bei Entscheidungen sowie standardisierte Skalen zum Betriebsklima und Führungsstil (MiZu Reha, Farin et al., 2002).

Ergebnisse Es nahmen n = 267 Mitarbeiter (Geschlecht w=60.7 %, m=33.3 %) aus folgenden Berufs-gruppen an der Erhebung teil: je 16.9 % ärztlicher Bereich und Physiotherapeuten (inkl. Bal-neotherapeuten und Masseure), 17.2 % Pflege, 24.3 % psychosozialer Therapiebereich, je 3.7 % Pädagogischer Bereich und Ökotrophologie sowie 6.7 % aus weiteren Berufsgruppen. 10.5 % machten keine Angabe zu dieser Frage. 20.6 % der Befragten gaben an, Führungs-verantwortung zu tragen.

Auf die Frage nach dem überwiegenden Führungsverhalten ihres direkten Vorgesetzten in Entscheidungssituationen geben 34.1 % der Mitarbeiter einen "konsultativ/beratenden" und 16.1 % einen "informierenden" Stil an (vgl. Führungskontinuum nach Tannenbaum, Schmidt zit. in Stähle, 1999). Dem gegenüber steht eine subjektive Aussage der Führungskräfte (Teilstichprobe n = 57), die ihre Mitarbeiter mit M=5.26 (SD=.92, Skala 1=trifft überhaupt nicht zu bis 6=trifft voll und ganz zu) an Entscheidungen, die ihr Arbeitsgebiet betreffen beteiligen und deren Meinungen und Vorschläge berücksichtigen. Insgesamt liegt die Vor-gesetztenbeurteilung (M=6.06, SD=2.19) wie auch das Betriebsklima (M=6.06, SD=2.19) im mittleren, eher positiven Bereich (zehnstufige Skala, höhere Werte bedeuten bessere Be-wertung). Nach einzelnen Kliniken ausgewertet ergibt sich eine große Spannbreite:

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- Vorgesetztenbeurteilung: von eher negativer bis deutlich positiver Beurteilung (Min M=4.13, SD=1.85 bis Max M=7.81, SD=1.91).

- Betriebsklima: von recht negativem bis zu einem deutlich positiven Betriebsklima (Min M=3.01, SD=1.77 bis Max M=8.07, SD=1.80).

Direkt nach der Entscheidungsbeteiligung in ihrem Arbeitsbereich befragt, äußern die Mitar-beiter weitgehend Zufriedenheit (tatsächliche Beteiligung: M=3.85, SD=.99, Skala 1=nicht beteiligt bis 5=sehr beteilig; gewünschte Beteiligung: M=1.95, SD=1.27, Skala 1=unver-ändert beteiligt bis 5=sehr viel mehr beteiligt). Den größten Wunsch einer höheren Beteili-gung äußern die Mitarbeiter hinsichtlich der Entscheidungen, die sich auf die Verbesserung von Abläufen (M=2.71, SD=1.33) und solcher, die sich auf die interdisziplinäre Zusammen-arbeit in der Klinik beziehen (M=2.57, SD=1.34).

Diskussion Obwohl Führungskräfte ihren Führungsstil in Entscheidungssituationen deutlich partizipati-ver einschätzen, als dieser von Mitarbeitern wahrgenommen wird, sind letztere mit der inter-nen Partizipation weitgehend zufrieden. Potentzial für das Training bietet der Wunsch nach mehr Beteiligung bei der Interdisziplinären Zusammenarbeit sowie die Angleichung der Selbst- und Fremdwahrnehmung der Führungskräfte.

Die Auswertung ergab zudem einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Führungs-verhalten und dem Betriebsklima. Insgesamt zeigt sich, dass manche Kliniken einen größe-ren Verbesserungsbedarf aufweisen, andere bereits gut aufgestellt sind. Für das Training ist es wichtig, diese Spannbreite zu kennen. Ansetzen wird das Training vor allem am Vorge-setztenverhalten, über dessen Vorbild- und Multiplikatorenfunktion sowohl die Patientenori-entierung der Mitarbeiter als auch das interne Dienstleistungsklima positiv beeinflusst wer-den kann (vgl. Egold et al., 2009).

Schlussfolgerungen, Umsetzung und Ausblick Welche Faktoren die klinikspezifischen Unterschiede beim Betriebsklima und Führungsver-halten mediieren und moderieren, ist noch genauer zu prüfen. Zudem wird die Evaluation des Trainingsprogramms zeigen, in welchem Maß sich durch das Training in den Kliniken Veränderungen hinsichtlich des Betriebsklimas, des Führungsverhaltens und der internen Partizipation ergeben werden und welche Auswirkungen dies auf die Mitarbeiterzufrieden-heit haben wird.

Literatur Egold, N.W., van Dick, R., Zapf, D. (2009): Personale und organisationale Prädiktoren von

Kundenorientierung und Kundenzufriedenheit. Eine Untersuchung im therapeutischen Dienstleistungsbereich. In: Zeitschrift für Personalpsychologie, Jg. 8, H. 4. 180-190.

Farin, E., Meixner, K., Follert, P., Jäckel, W.H., Jacob, A. (2002): MiZu-Reha Fragebogen zur Mitarbeiterzufriedenheit in Rehabilitationskliniken. Entwicklung des MiZu-Reha-Fragebogens und Anwendung in der Qualitätssicherung. Rehabilitation, Jg. 41, H. 4. 258-267.

Körner, M. (2006): Teamanalyse und Teamentwicklung in der medizinischen Rehabilitation. Regensburg: Roderer-Verlag.

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Körner, M. (2009): Ein Modell der partizipativen Entscheidungsfindung in der medizinischen Rehabilitation. Die Rehabilitation, 48, 3. 160-165.

Matschewsky, S., Schmidt, A., Doering, T.-J., Steuernagel, B., Niederstadt, C.-J., Hübner, M.-S. (2006): Reha-Mitarbeiterschulung zur Partizipativen Entscheidungsfindung (PEF) in der stationären Rehabilitation. Heidelberg: 4. Deutscher Kongress zum Thema Shared Decision Making. 57-58.

Stähle, W., Conrad, P., Sydow, J. (1999): Management. Eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive. 8. Aufl. München: Vahlen.

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Reha-Pflege (Poster)

Inhalte und Umfang aktivierend-therapeutischer Pflegeinterventionen (KTL) bei stationären DRV-Patienten in der medizinischen Rehabilitation

Schmidt, R., Schupp, W. Fachklinik Herzogenaurach

Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) veröffentlichte 2007 in der 5. Auflage die Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL). Diese Klassifikation dient der Abbil-dung, Bewertung und Sicherung der Qualität in der medizinischen Rehabilitation und wird seit 1995 ständig überarbeitet und auf Praxistauglichkeit überprüft. Die fachliche Betreuung der KTL erfolgt durch den Bereich 0430 Reha-Qualitätssicherung, Epidemiologie und Statis-tik der DRV Bund. Das Leistungsverzeichnis der KTL besteht aus 11 Kapiteln. Erstmals ist seit 2007 mit dem Kapitel H Reha-Pflege die Rehabilitationspflege dokumentiert und bein-haltet pflegerische Leistungen, die zur Erreichung von Rehabilitationszielen im Sinne der DRV Bund erforderlich sind. Grundpflegerische Interventionen sind nicht berücksichtigt. Die KTL bezieht sich auf aktivierend-therapeutische Pflegeinterventionen zur Anleitung und Un-terstützung bei Alltagsfähigkeiten, Förderung von Ressourcen sowie Eigenverantwortung und Selbständigkeit. Als Qualitätsmerkmale von therapeutischen Leistungen sind Zeitdauer, Behandlungsfrequenz, Einzelbehandlung oder bei Gruppentherapien deren maximale Teil-nehmerzahl definiert. Im Kapitel H sind 19 aktivierend-therapeutische Pflegeinterventionen definiert (Abb. 1).

Je Pflegeintervention sind Indikation und Therapieziel formuliert. Als weiteres Qualitäts-merkmal ist jedem KTL-Code die durchführende Berufsgruppe zugeteilt. Auch anderen Be-rufsgruppen zugesprochene KTL-Codes können durch den Pflegedienst als sonstig geeig-nete Berufsgruppe erbracht werden. Beispielhaft kann die Verabreichung von parenteraler Ernährung, Sondenkost und Trinknahrung genannt werden.

In der Fachklinik Herzogenaurach wurden zwischen 01.11.2008 und 31.10.2009 986 DRV-Patienten stationär rehabilitiert. Davon 631 Patienten in der Orthopädie (64 %), 295 Patien-ten in der Neurologie (30 %) und 60 Patienten in der Inneren Medizin/Kardiologie (6 %). 858 (87 %) Patienten erhielten aktivierend-therapeutische Pflegeinterventionen nach KTL. Diese Patientengruppe erhielt insgesamt 15.156 pflegerische KTL-Leistungen, im Mittel 17,6 je Pa-tient. Abb. 2 zeigt die am häufigsten angewandten Pflegeinterventionen.

Die KTL H099 ist hier näher bezeichnet als Anleitungen zur Sturzprävention, Insulininjektion, Gewichtskontrolle, Medikamenteneinnahme, Anleitungen zum Anziehen von Medizinischen Thromboseprophylaxestrümpfen und als Pflegevisite. Pflegevisite ist dabei definiert als ziel-gerichteter, terminierter Patientenkontakt, z. B. zur Besprechung der Nachsorgeplanung.

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H01 Anleitung zur Körperpflege H02 Anleitung zum Ankleiden H03 Patientenpflege im Überwachungszimmer H04 Sauerstoffinsuffluation H05 Anleitung zur Sauerstoff-Langzeittherapie H06 Anleitung zur Beatmungstherapie H07 Pflegerische Leistung bei psychischen Störungen H08 Stationsablauf- und alltagsstrukturierte Gruppe H09 Individuelle pflegerische Anleitung H10 Individuelle pflegerische Anleitung bei neurologischen Funktionsstörungen H11 Anleitung zur Verminderung von Beeinträchtigungen der Körperfunktionen H12 Anleitung zum Umgang mit Inkontinenz H13 Sauberkeitstraining bei Kindern und Jugendlichen H14 Anleitung, Beratung und Unterstützung zum Umgang mit einem Stoma H15 Externe Dermatotherapie H16 Transdermale Anwendungen, Anleitung, Hilfestellung, Durchführung H17 Wundmanagement H18 Applikation von Spezialverbänden H19 Anleitung zur passiven Bewegungstherapie

Abb. 1: DRV Bund: 19 aktivierend-therapeutische Pflegeinterventionen

Häufigkeit KTL aus dem Kapitel H Reha-Pflege 6.548 H099 sonstig näher bezeichnete individuelle pflegerische Anleitung 1.915 H091 Anleitung zur Blutdruckkontrolle 724 H102 Anleitung: kognitives Training 486 H020 Anleitung zum Ankleiden 453 H170 Wundmanagement 404 H095 Anleitung zur Blutzuckerkontrolle 220 H010 Anleitung zur Körperpflege 165 H109 sonstig näher bezeichnete pflegerische Anleitung bei neurologischen Funktionsstörun-

gen (hier: Anleitung zum Tranfer)

Abb. 2: DRV Bund: Häufig angewandte aktivierend-therapeutische Pflegeinterventionen (KTL)

Diskussion Die Aufnahme von aktivierend-therapeutischen Pflegeinterventionen in die Klassifikation therapeutischer Leistungen ist zu begrüßen und zeigt Wertschätzung und Anerkennung für die Bedeutung der Pflege innerhalb der Rehabilitation. Die am häufigsten dokumentierte KTL H099 sonstig näher bezeichnete pflegerische Anleitung zeigt jedoch die noch nicht aus-reichend operationalisierten Leistungen. KTL-Codes anderer Berufsgruppen, die auch durch sonstig geeignete Berufsgruppen erbracht werden können, werden durch den Pflegedienst nicht oder nur in geringem Umfang bei DRV-Patienten erbracht. Insgesamt zeigt sich, dass bei aktiverend-therapeutischen Pflegeinterventionen für DRV-Patienten die Anleitung zur selbständigen Lebensführung und zur Erhebung einfacher Gesundheitsparameter eher im Vordergrund steht als die Förderung funktioneller Ressourcen.

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Literatur Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.) (2007): Klassifikation therapeutischer Leistun-

gen in der medizinischen Rehabilitation (KTL). 5. Aufl., Berlin.

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Andere Indikationsbereiche (Poster)

Anhaltende Verbesserung der Asthmakontrolle und der Lebensqualität ein Vierteljahr nach pneumologischer Rehabilitation

Schultz, K. (1), Djahangiri, N. (1), Wittmann, M. (1), Lingner, H. (2) (1) Klinik Bad Reichenhall, (2) Medizinische Hochschule Hannover

Hintergrund Seit 2006 wird in den maßgeblichen Asthmaleitlinien zunehmend die bisherige Einteilung nach Schweregraden zu Gunsten des neuen Konzeptes der Asthmakontrolle verlassen (GI-NA Report, 2006; Bundesärztekammer (BÄK) et al., 2009). Abhängig von den sechs Krite-rien (1) Symptome tagsüber, (2) Symptome nachts, (3) Bedarf an Reliever-DA, (4) Ein-schränkungen von Aktivitäten, (5) Lungenfunktion und (6) Vorliegen einer Exazerbation wird das Asthma in die Kategorien "kontrolliert", "partiell kontrolliert" und "nicht kontrolliert" einge-teilt. Diese Zuordnung ist nicht nur die Grundlage der medikamentösen Therapie, sondern gibt auch das Therapieziel vor: Das Erreichen einer ausreichenden Asthmakontrolle. Wie weit und wie anhaltend kann dieses Ziel durch pneumologische Rehabilitation erreicht wer-den? Valide Daten hierzu fehlen bislang. Daher wurde im Fachbereich Pneumologie der Kli-nik Bad Reichenhall eine prospektive Katamnesestudie zur Langzeiteffektivität der stationä-ren pneumologischen Rehabilitation gestartet.

Methode Vom 01.05. bis 30.09.2009 wurden alle neu aufgenommenen Asthmapatienten um Studien-teilnahme gebeten (Kompletterhebung). Messzeitpunkte sind Reha-Beginn (T0), Reha-Ende (T1) sowie drei, sechs und zwölf Monate nach Entlassung (T2, T3, T4). Eine erste Zwi-schenauswertung erfolgte Anfang Juli 2009. Von den 436 bis zu diesem Zeitpunkt behandel-ten pneumologischen Reha-Patienten lag bei 101 ein gesichertes Asthma bronchiale vor (23,2 %). Hiervon willigten 91 Patienten (90,1 %) in die Studienteilnahme ein. 44 % der Pa-tienten waren weiblich, das Durchschnittsalter betrug 50 J. (27-81), bei 68,1 % der Patienten lag ein GINA-Schweregrad 3-4 (mittelschweres bis schweres persistierendes Asthma) vor. Bis Ende Oktober 2009 hatten 71 Patienten die postalisch versandten T2-Fragebögen (drei Monate nach Entlassung) beantwortet.

Primärer Outcome-Parameter ist der Grad der Asthmakontrolle, welcher mit Hilfe des "Asthmakontrolltests (ACT)", einem evaluierten Fragebogentest, erfasst wird (Nathan et al., 2004). Bei vollständiger Asthmakontrolle können hierbei maximal 25 Punkte erreicht wer-den, 20 - 24 Punkte entsprechen einer ausreichenden Asthmakontrolle, Werte ≤ 19 liegen außerhalb des Zielbereichs (nicht kontrolliertes Asthma).

Sekundäre Outcome-Parameter sind u. a. FeNO (NO-Wert in der Ausatemluft; Korreliert gut mit der eosinophilen endobronchialen Entzündung), 6-Minuten-Gehstrecke (6-MWD; Stan-dardisierte Test der körperlichen Leistungsfähigkeit) und krankheitsbezogene Lebensqualität (St. George's Respiratory Questionnaire, SGRQ).

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Ergebnisse Mittelwerte x⎯ ±Standardabweichung und Signifikanzangaben beziehen sich auf den Ver-gleich mit T0.

Primärer Outcome-Parameter Asthmakontrolle

ACT-Score T0: x⎯ = 15,2 ±5; T1: x⎯ = 20,3 ±4,2; p<0.001 ; T2: x⎯ = 18,8 ±4,7 ; p<0.001.

Vor Reha erreichen 1,6 % der Patienten die maximale Punktzahl von 25, d. h. es lag ein vollständig kontrolliertes Asthma vor; nach der Reha waren es 16,9 % und drei Monate nach Entlassung noch 11,3 %. Die entsprechenden Zahlen für Patienten mit ausreichender Asth-makontrolle (20-24 Punkte) lauteten vor Reha 23,4 %, nach Reha 49,2 % und nach drei Monaten 39,4 %, bzw. für Patienten mit einem nicht kontrollierten Asthma (≤19) 75,0 %, 33,9 % bzw. 49,3 %.

Sekundäre Outcome-Parameter Lebensqualität (SGRQ -Gesamtscore)

T0: x⎯ = 39,6±17,1; T1: x⎯ = 28,5±16,2; p<0.001; T2: x⎯ = 30,5 ± 18,5; p<0.001.

Eine "klinisch relevante Verbesserung" um >4 Punkte (Jones, 2002) gegenüber dem Aus-gangswert (T0) erreichten 84,9 % der Patienten zum Zeitpunkt T1 und noch 79,2 % der Pa-tienten nach einem Vierteljahr (T2).

6-MWD: T0: x⎯ = 491,1±96,2m; T1: x⎯ = 540,2±98,7m.; p<0.001

FeNO: T0: x⎯ = 35,6±43ppb; T1: x⎯ = 23,5±20,3ppb; p=0.003

Diskussion Der Grad der Asthmakontrolle verbesserte sich nach Reha statistisch hochsignifikant und vor allem klinisch relevant. Während der mittlere ACT-Score zu Beginn der Reha mit 15,2 einem nicht kontrollierten Asthma entsprach, kennzeichnete der Mittelwert von 20,3 bei Ent-lassung ein ausreichend kontrolliertes Asthma. Entsprechend erhöhte sich der Anteil von Patienten mit vollständiger bzw. ausreichender Asthmakontrolle (ACT ≥ 20) von 25 % auf 66,2 % und war auch noch nach einem Vierteljahr mit 50,7 % höher als zu Reha-Beginn. Zusätzlich konnte eine deutliche und ebenfalls anhaltende Verbesserung der krankheitsbe-zogenen Lebensqualität dokumentiert werden. Eine Verringerung des SGRQ-Gesamtscores um 4 Punkte gilt als "klinisch relevante Verbesserung" (Jones, 2002), dies erreichten 84,9 % der Patienten zum Zeitpunkt T1 und noch 79,2 % der Patienten nach einem Vierteljahr (T2). Direkt nach der Reha betrug die Verbesserung im Schnitt 11,1 Punkte und auch noch nach einem Vierteljahr blieb eine durchschnittliche Verbesserung um 9,1 Punkte erhalten.

Literatur Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemein-

schaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) (2009): Natio-nale VersorgungsLeitlinie Asthma. (2. Aufl.). URL: http://www.versorgungsleitlinien.de/ themen/asthma.

GINA Report (2006): Global Strategy for Asthma Management and Prevention. URL: www.ginasthma.org (Published November 2006).

Nathan, R.A., Sorkness, C.A., Kosinski, M., Schatz, M., Li, J.T., Marcus, P., Murray, J.J, Pendergraft, T.B. (2004): Development of the asthma control test: a survey for assessing asthma control. J Allergy Clin Immunol, 113 (1). 59-65.

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Jones, P.W. (2002): Interpreting thresholds for a clinically significant change in health status in asthma and COPD. Eur Respir J,19. 398-404.

Wie verändert sich die gesundheitliche Lage von vorsorge- und rehabilitationsbedürftigen Müttern einer Wartegruppe

innerhalb von sechs Monaten?

Otto, F. Forschungsverbund Prävention und Rehabilitation für Mütter und Kinder,

Medizinische Hochschule Hannover

Hintergrund Die Effektivität stationärer Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen für Mütter bzw. Mütter und Kinder wurde mehrfach nachgewiesen (Collatz et al., 1996; Meixner et al., 2001). Wie sich die gesundheitliche Lage von Müttern mittelfristig verändert, die bei bestehendem Be-darf keine stationäre Maßnahme in Anspruch nehmen, ist jedoch nicht bekannt. Im Rahmen eines Qualitätssicherungsprojektes wurde mit einer Teilstichprobe ein Prä-prä-post-Design realisiert, in dem Mütter erstmals sechs Wochen vor einer Maßnahme befragt sowie zu Be-ginn, am Ende und sechs Monate nach der Maßnahme (Arnhold-Kerri et al., 2003). In dieser Zeit veränderte sich das Befinden nicht signifikant.

Mit der vorliegenden Arbeit werden Ergebnisse einer prospektiven Interventions-Kontroll-Studie mit Follow-up-Design vorgestellt. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie sich die gesund-heitlichen Beschwerden und die psychosozialen Belastungen innerhalb von sechs Monaten bei Frauen verändern, die eine bewilligte Mutter-Kind-Maßnahme noch nicht angetreten ha-ben (Wartegruppe). Die Vergleichsgruppe bilden Mütter, die im gleichen Zeitraum eine Mut-ter-Kind-Maßnahme absolviert haben.

Methodik Die Evaluation erfolgt im quasi-experimentellen Design anhand einer Stichprobe von n = 428 Müttern, die im Kontext der Beantragung einer Mutter-Kind-Maßnahme eine Bera-tungsstelle der Caritas oder Diakonie aufsuchten. Die Befragung fand von Oktober 2005 bis Februar 2006 in 63 Beratungsstellen in Hessen, Niedersachen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen statt. Die Mütter wurden zu Beginn der Beratung (T1) und sechs Monate danach (T2) mittels Fragebogen befragt. Zum Zeitpunkt T2 hatten 353 Mütter (82,5 %) eine Mutter-Kind-Maßnahme absolviert (Interventionsgruppe). 75 Mütter (17,5 %) hatten eine bewilligte Maßnahme noch nicht angetreten (Wartegruppe).

Die Outcome-Variablen orientieren sich an den Bewilligungskriterien für Vorsorge- und Re-habilitationsmaßnahmen für Mütter und Väter (MDS, 2001). Dies sind gesundheitliche Be-schwerden (z. B. Nervosität), somatische und psychische Erkrankungen, psychosoziale Kontextfaktoren (z. B. Partnerschaftsprobleme) sowie Einschränkungen der Aktivitäten und der Partizipation, bezogen auf die familiäre und berufliche Situation der Mütter.

Die Befindlichkeitsstörungen, Erkrankungen und Kontextfaktoren werden zu T1 und T2 über likert-skalierte Itembatterien erfasst, wobei jeweils mittlere bis sehr starke Beschwerden ein-

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bezogen werden (indirekte Veränderungsmessung). Nach sechs Monaten wird außerdem nach Veränderungen des Gesundheitsverhaltens gefragt (direkte Veränderungsmessung).

Ergebnisse Zum Zeitpunkt der Antragstellung unterschieden sich die Teilstichproben hinsichtlich sozio-demografischer Daten, gesundheitlicher Beschwerden und psychosozialer Belastungen nicht. Nach sechs Monaten hatten die gesundheitlichen Beschwerden in der Wartegruppe in allen Items (bis auf Atemwegsbeschwerden) zugenommen (z. B. Burnout von 69,4 auf 72,6 %). Der Anstieg war hinsichtlich Beschwerden der Haut und des Bewegungsapparats signifikant (p <= 0,05). Ebenso nahmen in der Wartegruppe Befindlichkeitsstörungen zu (z. B. Gereiztheit von 83,6 % auf 89,6 %). Auch der Anteil der Mütter, die unter psychosozia-len Belastungen litten, stieg in der Wartegruppe an (z. B. Partnerschaftsprobleme von 46,3 % auf 50,7 %). Im Vergleich dazu ging der Anteil der mittel bis sehr stark belasteten Mütter in der Interventionsgruppe in allen Dimensionen und fast allen Einzelitems (bis auf Gewalterfahrung) hochsignifikant zurück. Ein Vergleich der Summenscores, die jeweils zu T1 und T2 aus den Erkrankungen, Befindlichkeitsstörungen und psychosozialen Belastun-gen gebildet wurden, ergab, dass die Veränderungen als klinisch signifikant anzusehen sind. Die Effektstärken betrugen in der Interventionsgruppe 0,96 (Erkrankungen), 0,98 (Be-findlichkeitsstörungen) und 0,4 (psychosoziale Belastungen). In der Wartegruppe ergaben sich Effektstärken von -0,14 (Erkrankungen) und -0,17 (Befindlichkeitsstörungen und psy-chosoziale Belastungen).

Mütter beider Teilstichproben gaben an, in der Zwischenzeit Veränderungen ihrer Lebenssi-tuation angestrebt zu haben. Der Erfolg dieser Bemühungen wird jedoch deutlich unter-schiedlich bewertet. Insbesondere werden Veränderungen in der Beziehung zum Kind und zum Partner sowie in der Gestaltung der Freizeit von Müttern der Wartegruppe signifikant schlechter bewertet als von Müttern der Interventionsgruppe. Auch Maßnahmen zur Stress-reduktion und Gesundheitsförderung konnten die Frauen nach der Intervention wesentlich besser umsetzen als Mütter, die noch keine stationäre Maßnahme erhalten hatten.

Diskussion Die Ergebnisse der Interventions-Kontroll-Studie legen den Schluss nahe, dass das Aus-bleiben einer stationären Intervention bei bestehendem Bedarf bei der Mehrzahl der Frauen zu einer Verschlechterung der gesundheitlichen Beschwerden und der psychosozialen Be-lastungen führt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Beschwerden nicht nur vorü-bergehender Natur sind und trotz eigener Bemühungen der Mütter sich in der Mehrzahl der Fälle nicht spontan bessern. Gleichzeitig kann man schließen, dass die Verbesserung der gesundheitlichen Lage und die Befähigung zur Veränderung der Lebenssituation (Empo-werment) der behandelten Mütter auf die stationäre Maßnahme zurück zu führen ist.

Zur Methodik der Studie ist anzumerken, dass die Umstände, die zum (verzögerten) Antritt der Maßnahme geführt haben, im Einzelfall nicht bekannt sind. Aus Befragungen der Bera-terinnen ist bekannt, dass häufig familiäre oder berufliche Gründe (Vertretung im Haushalt, Kinderbetreuung, Arbeitsplatz) eine Rolle spielen, oder es wird eine Schwerpunktkur zu ei-nem festgelegten Termin angestrebt. Eine Randomisierung, die zum Nachweis der Effektivi-tät medizinischer Maßnahmen als Gold-Standard gilt, ist jedoch methodologisch, ethisch und juristisch kaum umsetzbar (Gerdes et al., 2003).

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Literatur Arnhold-Kerri, S., Sperlich, S., Collatz, J. (2003): Krankheitsprofile und Therapieeffekte von

Patientinnen in Mutter-Kind-Einrichtungen. Die Rehabilitation, 42. 290-299. Collatz, J., Borchert, H., Brandt, A., Titze, I. (1996): Effektivität, Bedarf und Inanspruchnah-

me von medizinischen und psychosozialen Versorgungseinrichtungen für Frauen und Mütter mit Kindern. Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Stuttgart, Berlin, Köln: Kohlhammer.

Gerdes, N., Zwingmann, C., Jäckel, W.H. (2003): The System of Rehabilitation in Germany. In: Jäckel, W.H., Bengel, J., Herdt, J. (Hrsg.): Research in Rehabilitation. Stuttgart, New York: Schattauer. 3-19.

Medizinischer Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) (2001): Begutach-tungsrichtlinien Vorsorge und Rehabilitation. Essen.

Meixner, K., Glattacker, M., Gerdes, N., Herwig, J., Bengel, J., Jäckel, W.H. (2001): Behand-lungseffekte in Mutter-Kind-Einrichtungen - Ergebnisse des externen Qualitätsmanage-ments. Die Rehabilitation, 40. 280-288.

Unter welchen Bedingungen lässt sich ein psychodiagnostischer Stufenplan in medizinischen Rehabilitationskliniken implementieren?

Jahed, J. (1), Vogel, B. (1), Kalweit, C. (1), Härter, M. (2), Bengel, J. (1), Baumeister, H. (1) (1) Institut für Psychologie, Universität Freiburg, (2) Institut und Poliklinik für Medizinische

Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Hintergrund Jeder fünfte Patient in der medizinischen Rehabilitation erfüllt die Kriterien einer aktuellen psychischen Störung (Härter et al., 2007). Komorbide psychische Störungen sind bei körper-lich erkrankten Patienten mit erhöhten Morbiditäts- und Mortalitätsraten, erhöhten Versor-gungskosten und einer geringeren Lebensqualität assoziiert (Barth et al., 2004; Baumeister, Härter, 2005; Baumeister et al., 2005). Weniger als 50 % aller komorbiden psychischen Stö-rungen werden in der medizinischen Rehabilitation erkannt (Härter et al., 2004). Durch die Implementierung eines psychodiagnostischen Stufenplans soll die Diagnostik und Versor-gung von psychisch belasteten Patienten in der medizinischen Rehabilitation optimiert wer-den.

Fragestellung Lässt sich ein psychodiagnostischer Stufenplan in medizinischen Rehabilitationskliniken ein-führen? Welche Faktoren beeinflussen den Prozess der Implementierung?

Methodik In zehn medizinischen Rehabilitationskliniken aus den Indikationsbereichen Orthopädie, Kardiologie und Onkologie wurde ein psychodiagnostischer Stufenplan eingeführt. Die not-wendigen Kompetenzen für die Implementierung wurden im Rahmen von Fortbildungen vermittelt. Der psychodiagnostische Stufenplan umfasst die Durchführung eines routinemä-ßigen Eingangscreenings mit dem PHQ-9 bzw. der HADS-D, eine vertiefte Diagnostik psy-

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chisch belasteter Patienten, die Indikationsstellung sowie die Dokumentation psychischer Belastungen und Störungen und Behandlungsempfehlungen im ärztlichen Entlassungsbe-richt.

Nach Abschluss der Implementierungsphase erfolgte die Evaluation der Implementierung. Hierzu wurden Ärzte und Psychologen (n = 30) mittels Interviewleitfaden befragt. Im Rah-men einer qualitativen Auswertung wurden die aufgezeichneten Interviews durch formu-lierende Interpretation zu Inhaltsparaphrasen (Nentwig-Gesemann, 2006) zusammengefasst und mit Hilfe des Computerprogramm Atlas.ti (Muhr, 1997) kategorisiert.

Ergebnisse In vier der zehn Kliniken ist die Implementierung des psychodiagnostischen Stufenplans in allen Schritten gelungen. Bei weiteren sechs Kliniken ist die Umsetzung nur teilweise gelun-gen. Gründe hierfür waren Probleme bei der Einführung des Screeners, der Überweisung von screening-positiven Patienten zu psychologischen Einzelgesprächen und bei der Durch-führung der vertieften Psychodiagnostik.

Faktoren auf der Ebene der Mitarbeiter, wie z. B. eine hohe Motivation und psycho-diagnostische Kompetenz, der Organisation, wie z. B. personelle und zeitliche Ressourcen, und der Patienten, wie z. B. jüngeres Alter, beeinflussen den Prozess der Implementierung positiv.

Schlussfolgerung Der unterschiedliche Grad der Umsetzung des psychodiagnostischen Stufenplans in den jeweiligen Kliniken macht deutlich, dass insbesondere die Mitarbeitermotivation, die Res-sourcen sowie eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zentral für eine erfolgreiche Imple-mentierung sind und diese Faktoren explizit gefördert werden sollten.

Literatur Barth, J., Schumacher, M., Herrmann-Lingen, C. (2004): Depression as a risk factor for mor-

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571

Autorenindex

Abberger, B. 115, 418 Ahnert, J. 90 Al Hasan, A. 138 Alles, T. 283 Allgayer, H. 445, 461 Arling, V. 141, 144,

290, 292 Arnhold-Kerri, S. 72 Bader, U. 105 Bähr, S. 110 Bailer, H. 497, 498 Banzer, W. 446 Barghaan, D. 96 Baron, S. 150 Barrera, A. 215 Bartel, S. 175, 185,

368 Bartelt, S. 277 Barth, D. 439 Basler, H.-D. 317 Bauer, C.-P. 29 Bauknecht, M. 92,

197 Baumeister, H. 115,

206, 418, 421, 568 Baumgarten, E. 46 Beblo, A. 297 Becher, L.F. 506 Beck, L. 348, 370,

375 Becker, C. 181, 187,

554, 556 Becker, E. 524 Becker, N. 489, 495 Beckmann, U. 43 Begerow, B. 285, 294 Behrens, J. 177, 181,

187, 389, 554, 556 Bendig, S. 247 Bengel, J. 115, 118,

120, 206, 363, 418, 568

Benninghoven, D. 429

Benoit, D. 477 Benz, R. 530 Berg, G. 427 Bergemann, N. 525 Berger, C. 548 Bernardy, K. 470, 485 Bernhörster, M. 446 Best, M. 123 Bestmann, A. 281

Bethge, M. 185, 193, 261, 368, 510, 512, 550

Beyer, C. 333 Biester, I. 448, 452 Binkofski, F. 402 Bischoff, C. 477 Bitzer, E.M. 88, 465,

500 Blau J.-R. 355 Bochmann, C. 310 Böcker, M. 116, 134 Böhm, A. 550 Böhmen, S. 409 Bönisch, A. 263 Bönisch, R. 416 Brähler, E. 116 Brandes, I. 249, 257 Brandis, S. 441 Braun, B. 92, 197 Bräutigam, U. 413 Breitbach, J. 506 Bremer, F.J. 416 Bretschneider, K. 177 Breuning, M. 210 Brinkel, T. 163 Brockmann, J. 335 Brüggemann, S. 88,

361, 373, 378 Brüser, J 430 Brzoska, P. 319 Buchmann, A. 310 Buchmann, J. 55 Bücker, S. 461 Bürger, A. 419 Bürger, W. 266 Busch, D. 330 Buschmann-

Steinhage, R. 199 Cicholas, B. 171 Cieza, A. 151, 163,

215 Claros-Salinas, D.

394 Crispin, A. 461 Deck, R. 214, 350 Deppe, W. 548 Dercks, M. 405 Dettmers, C. 400, 402 Dias, A. 101 Dibbelt, S. 211, 231,

233 Diehl, S. 477 Dirmaier, J. 96

Djahangiri, N. 564 Döbler, A. 457 Dorn, M. 263 Dörning, H. 88, 465,

500 Dreyhaupt, J. 99 Dudeck, A. 211, 231,

233 Ehlebracht-König, I.

136, 263, 348, 370 Ehrhardt, H. 235, 237,

239, 558 Enderle, A. 208, 271 Enderle, G. 208, 271 Epple, N. 264 Erbstößer, S. 201,

287 Ernst, G. 165, 459 Escorpizo, R. 163 Ewert, T. 151, 157,

552 Exner, A.-K. 448, 452 Faller, H. 103, 136,

252, 255, 381 Farin, E. 39, 108,

129, 220, 222, 229, 540

Fellmann, K. 535 Feuchtner, S. 244 Finger, M. 163 Fischer, D. 107, 138,

139 Fischer, H. 455 Fischer, J. 94, 110,

153 Fischer, T. 472 Flach, T. 283, 285,

294 Fleischer, J. 548 Fleischer, S. 181,

187, 554, 556 Forcher, R. 74 Forkmann, T. 116,

134 Forschner, L. 528 Franke, G.H. 59 Freidel, K. 86 Frey, C. 118, 120,

363 Froböse, I. 160 Fuerst, A.M. 324 Gärtner, U. 448, 452 Gauggel, S. 116, 134 Gebauer, D. 169

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572

Gebauer, E. 322 Gehrke, J. 312 Gerlich, C. 37, 64,

275 Glaesmer, H. 116 Gläßel, A. 151, 163 Glattacker, M. 39,

129, 211, 224, 226, 231, 233, 522

Glatz, J. 432 Glück, D. 155 Gmünder, H.P. 163 Göbber, J. 479 Gohlke, H. 415 Göke, B. 461 Golkaramnay, V. 171 Gollwitzer, P. 244 Gorzelniak, L. 101 Gottfried, T. 347 Gräf, T. 344 Gramm, L. 108, 129,

220 Grande, G. 25, 70 Greb, A. 155 Grebe, B. 352 Greitemann, B. 183,

211, 231, 233, 508 Greitemann, G. 388,

394 Grulke, N. 497, 498 Grünbeck, P. 66 Gruner, A. 481 Gülich, M. 361 Günther, L. 342 Günther, S. 542 Gustke, M. 39, 233,

540 Gutenbrunner, C. 136 Hämer, D. 277 Hammoser, C. 269 Hampel, O. 544 Hampel, P. 344, 535 Härtel, U. 347 Härter, M. 206, 468,

568 Hartig, L. 371 Hartschuh, U. 300 Hasmann, R. 544 Hasmann, S.E. 544 Hassa, T. 402 Heide, M. 37, 64 Heinz, B. 450 Hellwig-Siegeris, F.

277 Hemmersbach, A.

259

Hentschke, C. 383 Herbold, D. 261 Heringer, O. 446 Hermann, T. 535 Herrmann, G. 389 Herrmann, J.M. 504 Hesse, C. 524 Hessel, A. 123 Heuer, J. 322 Heuft, G. 508 Heyduck, K. 224, 226 Hinrichs, J. 508 Hintze, C. 138, 139 Hoberg, E. 424 Hofmann, J. 55 Holderied, A. 269 Holl, R. 544 Holme, M. 317 Hölzel, L. 468 Honemeyer, S 259 Horsch, A. 101 Huber, D. 424 Huber, G. 386 Huber, M. 419 Hübner, P. 459 Hufer, C. 155 Hüppe, A. 409 Huse, E. 497, 498 Hutter, N. 421 Jäckel, W.H. 39, 166,

211, 231, 233, 361, 522

Jacobi, C. 261 Jacobi, E. 208, 271,

319 Jäger, E. 446 Jäger, S. 59 Jahed, J. 206, 568 Jelitte, M. 103 Jolivet, B. 455 Jöllenbeck, T. 352 Jörres, R. 101 Jürgensen, R. 112,

125 Kähnert, H. 448, 452 Kainat, C. 371 Kainz, B. 522 Kaiser, U. 273 Kaluscha, R. 99, 208,

271, 319 Kalusche, E.-M. 448,

452 Kalweit, C. 568 Kamke, W. 419 Karoff, M. 34, 183,

419, 424

Karrasch, S. 101 Kasten, Y. 512 Kastner, J. 533 Käufling-Flesch, C.

427 Kaul, T. 279 Kedzia, S. 322 Kerkhoff, G. 495 Kerschgens, C. 441 Keßler, U. 190, 487 Kettner, C. 413 Khusnullina, A. 400 Kiera, S. 537 Kindervater, A. 146 Kirchberger, I. 151 Kirchhof, R. 136 Kirschneck, M. 151 Kittel, J. 424 Kleon, S. 290, 292 Kley, N. 125 Klosterhalfen, S. 489,

495 Klosterhuis, H. 27 Kluge, K. 348, 370 Knisel, W. 255 Kobelt, A. 479 Koch, U. 96, 437 Kohl, C.F.R. 83 Kohlmeyer, M. 411 Köhn, S. 518, 520 Kohte, W. 308 Koller, B. 448, 452 Köllner, V. 427, 470,

485, 489, 495 König, H.-H. 342, 439 Konnopka, A. 342 Köpke, K.-H. 302 Kordy, H. 437 Körner, M. 83, 235,

237, 239 Kosiol, D. 39, 108,

129, 220, 540 Kossow, K. 437 Kreutz, R. 419 Kristof, O. 464, 500 Kriston, L. 468 Kriz, D. 62, 77, 147 Kröhne, U. 120 Krohn-Grimberghe, B.

251, 344 Krüger, S. 277 Krüger-Wauschkuhn,

T. 214 Küch, D. 514 Kulick, B. 166, 522 Küst, J. 388

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Ladstätter, A. 422 Lamprecht, J. 375 Lange, M. 123, 251 Lassahn, C. 127, 185,

368 Lawall, C. 41, 338 Leibbrand, B. 448,

452 Leuchte, S. 107, 138,

139, 371 Lewerenz, M. 304 Liepert, J. 244 Linden, M. 150, 190,

434, 487, 502 Lindenmeyer, J. 520,

524 Lindow, B. 46, 53 Lingner, H. 564 Lippke, S. 384 Löffler, S. 90 Lorenz, C. 465, 500 Lorenz, S. 389 Lucius-Hoene, G. 210 Lukasczik, M. 37, 64,

275 Lungwitz, A. 446 Mahnke, C. 306 Mai, B. 514 Mantel, F. 344 Marfels, B. 279 Marquardt, M. 244 Marr, A. 413 Mattukat, K. 348, 370,

375 Mau, W. 348, 370,

375 Mäurer, M. 383 Mayer, H. 533 Mayer-Berger, W.

411, 413 Meder, M. 129, 222,

229 Meffert, C. 224, 226 Mehrholz, J. 406 Meier, R.K. 131, 365 Meisel, H.J. 342 Meixensberger, J.

342 Memmesheimer, M.

125 Meng, K. 55, 252, 381 Menzel, F. 279 Menzel-Begemann, A.

259 Mestel, R. 61 Meyer, N. 131, 365

Meyer, T. 80, 217, 409

Miksch, F. 153 Missel, P. 520, 525 Mittag, O. 166, 361,

409, 457 Moebus, S. 413 Mohnberg, I. 392 Muche, R. 99 Müller, E. 118, 120,

166, 361, 363 Müller, G. 264, 481 Müller, J. 90 Müller, M. 347 Müller, R. 92, 197 Müller-Holthusen, T.

430 Muschalla, B. 150,

190, 432, 434, 502 Musekamp, G. 37, 64,

136 Mussgay, L. 125, 491,

493 Muthny, F.A. 241,

243, 416, 436, 443 Nagel, A. 405 Nagel, J.M. 461 Naumann, B. 53 Nebe, K. 336 Nedelko, V. 402 Neuderth, S. 37, 64,

275 Neuhaus, D. 352 Nickisch, N. 394 Niedling, A. 41, 338 Niehaus, M. 279 Niehues, C. 183, 448,

452 Nienaber, J. 55 Nolte, A. 277 Nolte, S. 136 Norra, C. 116 Nosper, M. 483 Nowossadeck, E.

175, 422 Nübling, R. 62, 77,

147 Nützel, J. 530 Ochs, L. 394 Oettingen, G. 244 Ohnesorge, W. 416 Olbrich, D 297 Opitz, U 166 Osborne, R. 136 Oster, J. 264, 481 Otto, F. 72, 566

Owen, W.R. 445 Parhofer, K. 461 Paridon, C.M. 310 Pawelczak, S. 524 Pelz, S. 548 Penka, G. 169 Perner, M. 535 Persson, H. 277 Perty, J. 516 Petermann, F. 123,

251, 479, 533, 537, 544

Peters, A. 355 Pfeifer, K. 31, 55,

172, 373, 383, 450 Pfeiffer, W. 479 Phillipe, J. 485 Pieper, C. 413 Pimmer, V. 514 Pohl, M. 406 Pohontsch, N. 214,

217 Polak, U. 39, 540 Pollmann, H. 457 Poulet, R. 506 Premper, V. 516 Prinz, E. 118, 120,

363 Radoschewski, F.M.

193, 392, 510, 512 Ramm, D. 247 Raschke, F. 110, 153 Raspe, H. 214, 409,

457 Rauch, B. 415 Razum, O 57 Redaèlli, M. 411 Reese, C. 468 Reibis, R. 419 Reichel, C. 463 Rennert, D. 49 Reutin, B. 57 Richter, M. 241, 243 Richter, S. 214 Richter, T. 371 Riedel-Heller, S.G.

342, 439 Rieger, J. 62, 77, 147 Rinck, M. 524 Ritter, J. 297 Röckelein, E. 269 Rodewald, J. 269 Rohm, E. 373 Romppel, M. 70 Rosemeyer, D. 455 Roßband, H. 252

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574

Roth, M. 400 Rothmeier, C. 402 Rüddel, H. 35, 112,

125, 491, 493 Rudolph, I. 450 Rudolph, M. 506 Rundel, M. 83 Saal, S. 389, 556 Sabariego, C. 215 Saidie, J. 146 Sannemüller, K 139 Schaadt, A.-K. 544 Schaefer, V. 210 Schäfer, C. 155 Schäfer, M. 195 Schaller, A. 160 Schauß, S. 125 Schellhammer, E. 504 Schellmann, C. 144,

290, 292 Schepker, R. 530 Schiele, R. 415 Schlatterer, M. 504 Schlößer, A. 470 Schmid-Ott, G. 241,

243 Schmidt, C. 283, 285,

294 Schmidt, H. 348 Schmidt, J. 62, 77,

147, 169 Schmidt, R. 561 Schmidt, S. 177 Schmied, W. 427 Schmucker, D. 514 Schnabel, M. 94 Schneider, J. 314 Schneider, R. 525 Schneider, S. 415 Schneider, U. 125 Schnurr, A. 115, 418 Schoenfeld, A. 402 Schott, T. 57 Schraivogel, F. 530 Schramm, S. 409 Schröck, R. 436, 443 Schröder, A 522 Schröter, C. 396 Schubert, M. 177,

181, 187, 389, 554, 556

Schubmann, R. 430 Schuhler, P. 472 Schüle, C. 112 Schuler, M. 64, 136

Schulte, T. 103, 436, 443

Schultz, K. 101, 564 Schulz, H. 96, 437 Schumacher, A. 464 Schupp, W. 172, 561 Schüring, S. 183 Schwarze, M. 136 Schwarzer, R. 384 Schweidtmann, W.

416 Schwesig, R. 107,

138, 139 Schwitalla, B. 411 Seehaus, F. 107 Seekatz, B. 252, 381,

430 Seiwerth, B. 411 Selinger, Y. 187, 554,

556 Senges, J. 415 Sewöster, D. 378 Seyd, W. 146 Sibold, M. 166 Simic, D. 411 Simmel, S. 179 Slesina, W. 49 Sobottka, B. 472 Sohr, G. 317 Spieser, A. 361 Spijkers, W. 141, 144,

290, 292 Springer, K.-D. 51 Sprinz, A. 405 Spyra, K. 175, 518,

520, 550 Stachow, R. 537 Stamm-Balderjahn, S.

422 Stark, R. 461 Starrost, K. 388, 402 Steffanowski, A. 62,

77, 147 Steger, A.-K. 235,

237, 239 Steib, S. 172 Stemmler, M. 416 Stengler, K. 342 Stier-Jarmer, M. 215 Storch, M. 297 Streibelt, M. 51, 127,

185, 204, 368 Streit, J. 463 Ströbl, V. 255 Stucki, G. 151, 163 Tallner, A. 383

Tappeiner, W. 187 Tauscher, A. 306 Terber, S. 485 Theissing, J. 514 Thiel, C. 446 Thren, K. 185, 368 Thümmler, K. 548 Tiedjen, U. 537 Tlach, L. 344 Toepler, E. 74 Trenner, M. 416 Tripp, J. 436, 443 Trowitzsch, L. 261 Uhlmann, A. 361 Ulrich, P. 340 Untersinger, I. 485 Vieten, M. 400 Vogel, B. 206, 568 Vogel, H. 37, 64, 90,

252, 430 Vogelgesang, M. 472 Vogler, J. 171 Vogt, J. 506 Vogt, L. 446 Völler, H. 419 Vollmers, B. 146 Volmer-Berthele, N.

530 Volz-Sidiropoulou, E.

134 von Eiff, W. 183 von Hoerschelmann,

N. 424 von Wahlert, J. 61 von Wietersheim, J.

264, 481 Voß, K.-D. 41 Walk, H.-H. 315 Walther, A. 533 Wäntig, J. 80 Waschbisch, A. 383 Watzke, B. 437 Webendörfer, S. 477 Weber, A. 181, 187,

554, 556 Weber, U. 181 Wegscheider, K. 419 Wehking, E. 315 Welsch, K. 489, 495 Welti, F. 247, 306,

326, 335 Wente, G. 300 Wenzel, D. 522 Werner, O. 74 Widera, T. 39, 66,

540

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575

Wienholz, S. 439 Wiese, C.H.R. 365 Wiese, C.W. 131 Willig, M. 329 Winkelmann, A. 151 Winkler, M. 479 Wirtz, M. 115, 116,

118, 120, 363, 418 Witsch, E. 290, 292 Witt, A. 371 Wittmann, M. 101,

564

Worringen, U. 252, 381

Wunderlich, B. 249, 257

Wunsch, S. 463 Wust, S. 107 Yilmaz-Aslan, Y. 57 Yokota, A. 327 Zamora, R. 55 Zander, J. 43 Zemlin, U. 520 Ziegelmann, J.P. 384

Zieger, M. 342, 439 Zielke, M. 464, 465,

500 Zimmer, B. 437 Zimmer, M. 169 Zimmermann, M. 181,

187, 554, 556 Zollmann, P. 199, 201 Zwingmann, C. 312

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Verzeichnis der Erstautoren

Abberger, Birgit, Abteilung für Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie, Institut für Psychologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 79085 Freiburg

Ahnert, Jutta, Dr., Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 97070 Würzburg

Alles, Torsten, Dr., Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH an der Deutschen Sporthochschule Köln, 50933 Köln

Allgayer, Hubert, Prof., Reha-Klinik Ob der Tauber der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg, 97980 Bad Mergentheim

Arling, Viktoria, Dr., Institut für Psychologie, RWTH Aachen, 52066 Aachen Bader, Ulrike, Dr., Orthopädische Klinik Tegernsee, 83584 Tegernsee Bähr, Sonja, Institut für Rehaforschung, 26548 Norderney Bailer, Harald, Dr., Zentrum für Verhaltensmedizin, Luisenklinik, 78073 Bad Dürrheim Barghaan, Dina, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum

Hamburg-Eppendorf, 20246 Hamburg Bartel, Susanne, Lehrstuhl für Versorgungssystemforschung und Grundlagen der Qualitäts-

sicherung in der Rehabilitation, Charité - Universitätsmedizin Berlin, 10017 Berlin Barth, Denise, Selbst. Abteilung Sozialmedizin, Universität Leipzig, 04103 Leipzig Bauer, Carl-Peter, Prof., Fachklinik Gaißach der Deutschen Rentenversicherung Bayern

Süd, 83674 Gaißach Bauknecht, Maren, Dr., Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen, 28209 Bremen Baumeister, Harald, Dr., Abteilung für Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie,

Institut für Psychologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 79085 Freiburg Baumgarten, Eckehard, Dr., Bereich Reha-Qualitätssicherung, Epidemiologie und Statistik,

Deutsche Rentenversicherung Bund, 10704 Berlin Becher, Lukas. F., Dr., Abteilung für Psychosomatik, Mittelrhein-Klinik Bad Salzig, 56154

Boppard Beck, Larissa, Dr., Institut für Rehabilitationsmedizin, Medizinische Fakultät der Martin-

Luther-Universität Halle-Wittenberg, 06097 Halle Begerow, Bettina, Dr., Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation an der

Deutschen Sporthochschule Köln, 50933 Köln Behrens, Johann, Prof., Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaften an der

Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität, 06097 Halle Benninghoven, Dieter, PD Dr., Mühlenbergklinik, 23714 Bad Malente-Gremsmühlen Bestmann, Anja, Dr., Forschungsdatenzentrum, Deutsche Rentenversicherung Bund,

10704 Berlin Bethge, Matthias, Lehrstuhl für Versorgungssystemforschung und Grundlagen der Quali-

tätssicherung in der Rehabilitation, Charité - Universitätsmedizin Berlin, 10017 Berlin Beyer, Christoph, LVR-Integrationsamt, Landschaftsverband Rheinland, 50679 Köln Bitzer, Eva Maria, Prof., Pädagogische Hochschule Freiburg, 79117 Freiburg Böhm, Anja, Lehrstuhl für Versorgungssystemforschung und Grundlagen der Qualitäts-

sicherung in der Rehabilitation, Charité - Universitätsmedizin Berlin, 10017 Berlin Bönisch, Rainer, Abteilung für Medizinische Psychologie, Klinik Eichholz, 59556 Lippstadt

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577

Bönisch, Angelika, Reha-Zentrum Bad Eilsen der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, 31707 Bad Eilsen

Brandes, Iris, Dr., Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystem-forschung, Medizinische Hochschule Hannover, 30625 Hannover

Brüggemann, Silke, Dr., Bereich Reha-Wissenschaften, Deutsche Rentenversicherung Bund, 10704 Berlin

Bürger, Wolfgang, Dr., fbg - Forschung und Beratung im Gesundheitswesen, 76133 Karlsruhe

Busch, Dörte, Prof., Hochschule für Wirtschaft und Recht, 10315 Berlin Buschmann-Steinhage, Rolf, Dr., Bereich Reha-Wissenschaften, Deutsche Rentenver-

sicherung Bund, 10704 Berlin Claros-Salinas, Dolores, Dr., Kliniken Schmieder Konstanz, 78464 Konstanz Deck, Ruth, Dr., Institut für Sozialmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein

(Campus Lübeck), 23538 Lübeck Deppe, Wolfgang, Dr., Klinik Bavaria Zscheckwitz, Rehabilitationszentrum für Kinder und

Jugendliche und junge Erwachsene, 01731 Kreischa Dettmers, Christian, Prof., Kliniken Schmieder Konstanz, 78464 Konstanz Dibbelt, Susanne, Dr., Institut für Rehabilitationsforschung an der Klinik Münsterland der

Deutschen Rentenversicherung Westfalen, 49214 Bad Rothenfelde Döbler, Andrea, Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum

Freiburg, 79106 Freiburg Dörning, Hans, Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung,

30159 Hannover Dudeck, Antje, Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum

Freiburg 79106 Freiburg Ehrhardt, Heike, Medizinische Fakultät, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 79104 Frei-

burg Enderle, Annette, Dr., Forschungsinstitut für Rehabilitationsmedizin an der Universität Ulm,

89081 Ulm Epple, Nicola, Buchtal-Klinik, 72461 Alberstadt-Tailfingen Erbstößer, Sabine, Bereich Reha-Qualitätssicherung, Epidemiologie und Statistik,

Deutsche Rentenversicherung Bund, 10704 Berlin Ernst, Gundula, Dr., Medizinische Psychologie, Medizinische Hochschule Hannover, 30625

Hannover Ewert, Thomas, Dr., Klinik und Poliklinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation der

Ludwig-Maxilmilans-Universität München, 81377 München Farin, Erik, PD Dr., Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum

Freiburg, 79106 Freiburg Fellmann, Kira, 28199 Bremen Feuchtner, Sabine, Kliniken Schmieder Allensbach, 78476 Allensbach Flach, Thorsten, Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation an der

Deutschen Sporthochschule Köln, 50933 Köln Fleischer, Steffen, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaften an der Medizinischen

Fakultät der Martin-Luther-Universität, 06097 Halle

Page 579: 19. Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquiumforschung.deutsche-rentenversicherung.de/ForschPortalWeb/ressource?key=... · 3 Vorwort Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen

578

Forkmann, Thomas, Dr., Institut für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Medizinische Fakultät, Universitätsklinikum Aachen, 52074 Aachen

Forschner, Lukas, Dr., medinet AG Rehaklinik Alte Ölmühle, 39114 Magdeburg Freidel, Klaus, Dr., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz, 55232

Alzey Frey, Christian, Abteilung Forschungsmethoden, Institut für Psychologie, Pädagogische

Hochschule Freiburg, 79117 Freiburg Fuerst, Anna-Miria, Dr., Bucerius Law School, 21129 Hamburg Gläßel, Andrea, Schweizer Paraplegiker Forschung, 6207 Nottwil, Schweiz Glattacker, Manuela, Dr., Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitäts-

klinikum Freiburg, 79106 Freiburg Golkaramnay, Valiollah, Klinik Alpenblick, Waldburg-Zeil Kliniken GmbH & Co. KG, 88316

Isny im Allgäu Gorzelniak, Lukas Stefan, Institut für Medizinische Statistik und Epidemiologie, Klinikum

rechts der Isar der TU München, 81675 München Gramm, Lukas, Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum

Freiburg, 79106 Freiburg Grande, Gesine, Prof., Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften, Hochschule für

Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig, 04251 Leipzig Greitemann, Georg, Kliniken Schmieder Konstanz, 78464 Konstanz Grulke, Norbert, Prof., Luisenklinik - Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität

Heidelberg, 78073 Bad Dürrheim Gruner, Andrea, 88436 Eberhardzell Günther, Sven, Dr., Kinder-Reha-Klinik "Am Nicolausholz", 06628 Bad Kösen Gustke, Matthias, Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum

Freiburg, 79106 Freiburg Hampel, Petra, Prof., Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit, Fachhochschule Kiel,

24149 Kiel Hartschuh, Ulrich, Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg, 70347 Stuttgart Heide, Maria, Arbeitsbereich Rehabilitationswissenschaften, Institut für Psychotherapie und

medizinische Psychologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 97070 Würzburg Heyduck, Katja, Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum

Freiburg, 79106 Freiburg Hinrichs, Jens, Universitätsklinikum Münster, 48149 Münster Höder, Jürgen, Dr., Klinikum Bad Bramstedt, 24576 Bad Bramstedt Huber, Gerhard, Prof., Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Heidelberg,

69120 Heidelberg Huber, Daniela, Institut für Rehabilitationsforschung, Klinik Königsfeld der Deutschen

Rentenversicherung Westfalen, 58256 Ennepetal Jäger, Susanne, Hochschule Magdeburg-Stendal (FH), 39576 Stendal Jahed, Jeanette, Abteilung für Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie, Institut für

Psychologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 79085 Freiburg Jelitte, Matthias, Arbeitsbereich Rehabilitationswissenschaften, Institut für Psychotherapie

und medizinische Psychologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 97070 Würzburg

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579

Jolivet, Bénédicte, Dr., Klinik Rosenberg der Deutschen Rentenversicherung Westfalen, 33014 Bad Driburg

Jöllenbeck, Thomas, PD Dr., Institut für Biomechanik, Klinik Lindenplatz, 59505 Bad Sassendorf

Kähnert, Heike, Dr., IfR, Norderney, Abteilung Bad Salzuflen, Salzetalklinik, 32105 Bad Salzuflen

Kainz, Birgit, Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Frei-burg, 79106 Freiburg

Kaiser, Udo, Dr., Hochgebirgsklinik Davos-Wolfgang, 7265 Davos-Wolfgang, Schweiz Kaluscha, Rainer, Dr., Forschungsinstitut für Rehabilitationsmedizin an der Universität Ulm,

88410 Bad Wurzach Karoff, Marthin, Prof., Klinik Königsfeld der Deutschen Rentenversicherung Westfalen,

58256 Ennepetal Kasten, Yvonne, Lehrstuhl für Versorgungssystemforschung und Grundlagen der Qualitäts-

sicherung in der Rehabilitation, Charité - Universitätsmedizin Berlin, 10017 Berlin Kastner, Julia, Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Universität Bremen,

28359 Bremen Käufling-Flesch, Christine, Mediclin Bliestal Kliniken, 66440 Blieskastel Kedzia, Sarah, Abteilung Sozialmedizin, Institut für Rehabilitationsforschung Norderney,

48125 Münster Kerschgens, Christa, Dr., Vivantes Rehabilitation GmbH, 12157 Berlin Keßler, Ulrich, Abteilung Verhaltenstherapie und Psychosomatik, Reha-Zentrum Seehof,

14513 Teltow Kettner, Claudia, Klinik Roderbirken der Deutschen Rentenversicherung Rheinland, 42799

Leichlingen Kirschneck, Michaela, Institut für Gesundheits- und Rehabilitationswissenschaften der

Ludwig-Maximilians-Universität München, 81377 München Kleon, Sandra, Institut für Psychologie, RWTH Aachen, 52066 Aachen Klosterhalfen, Stefanie, Mediclin Bliestal Kliniken, 66440 Blieskastel Klosterhuis, Here, Dr., Bereich Reha-Qualitätssicherung, Epidemiologie und Statistik,

Deutsche Rentenversicherung Bund, 10704 Berlin Köhn, Stefanie, Lehrstuhl für Versorgungssystemforschung und Grundlagen der Qualitäts-

sicherung in der Rehabilitation, Charité - Universitätsmedizin Berlin, 10017 Berlin Kohte, Wolfhard, Prof., Juristische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg,

06108 Halle Köllner, Volker, Prof., Bliestal-Kliniken, 66440 Blieskastel Köpke, Karl-Heinz, 22607 Hamburg Körner, Mirjam, Dr., Abteilung für Medizinische Soziologie, Medizinische Fakultät, Albert-

Ludwigs-Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 79085 Freiburg Kosiol, Desiree, Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum

Freiburg, 79106 Freiburg Kossow, Kai, Institut für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-

Eppendorf, 20246 Hamburg Kriz, David, Gesellschaft für Qualität im Gesundheitswesen, 76139 Karlsruhe

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580

Krüger-Wauschkuhn, Tobias, Institut für Sozialmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (Campus Lübeck), 23538 Lübeck

Küch, Dieter, Dr., 37085 Göttingen Lange, Meike, Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitatin der Universität Bremen,

28359 Bremen Lawall, Christof, GKV-Spitzenverband, 10117 Berlin Lewerenz, Mario, Dezernat 8011, Deutsche Rentenversicherung Bund, 10704 Berlin Linden, Michael, Prof., Rehabilitationszentrum Seehof der Deutschen Rentenversicherung

Bund, 14513 Teltow Lindenmeyer, Johannes, Dr., Salus Klinik Lindow, 16835 Lindow Lindow, Berthold, Bereich Reha-Qualitätssicherung, Epidemiologie und Statistik, Deutsche

Rentenversicherung Bund, 10704 Berlin Lippke, Sonia, Dr., Freie Universität Berlin, 14195 Berlin Lucius-Hoene, Gabriele, Prof. Dr., Abteilung für Rehabilitationspsychologie und Psycho-

therapie, Institut für Psychologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 79085 Freiburg Lukasczik, Matthias, Arbeitsbereich Rehabilitationswissenschaften, Institut für Psycho-

therapie und medizinische Psychologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 97070 Würzburg

Lungwitz, Anja, Abteilung Sportmedizin, Institut für Sportwissenschaften, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt, 60487 Frankfurt

Mattukat, Kerstin, Institut für Rehabilitationsmedizin, Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 06097 Halle

Mau, Wilfried, Prof., Institut für Rehabilitationsmedizin, Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 06112 Halle

Meder, Milena, Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, 79106 Freiburg

Meier, Rolf Kurt, Dr., Rehabilitationsklinik Prinzregent Luitpold und Kurmittelhaus der Mo-derne Bad Reichenhall, 83435 Bad Reichenhall

Meng, Karin, Dr., Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 97070 Würzburg

Menzel-Begemann, Anke, Dr., Johanniter-Ordenshäuser Bad Oeynhausen gGmbH, 32545 Bad Oeynhausen

Mestel, Robert, Dr., HELIOS Klinik Bad Grönenbach, 87730 Bad Grönenbach Meyer, Thorsten, Dr., Institut für Sozialmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein

(Campus Lübeck), 23538 Lübeck Missel, Peter, AHG-Klinik Daun - Am Rosenberg, 54550 Daun Mittag, Oskar, PD Dr., Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitäts-

klinikum Freiburg, 79106 Freiburg Müller, Rolf, Dr., Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen, 28209 Bremen Müller, Marion, Dr., Humanwissenschaftliches Zentrum der Ludwig-Maximilians-Universität

München, 82347 Bernried Müller, Evelyn, Abteilung Forschungsmethoden, Institut für Psychologie, Pädagogische

Hochschule Freiburg, 79117 Freiburg Muschalla, Beate, Dr., Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation, Rehabilita-

tionszentrum Seehof der Deutschen Rentenversicherung Bund, 14513 Teltow

Page 582: 19. Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquiumforschung.deutsche-rentenversicherung.de/ForschPortalWeb/ressource?key=... · 3 Vorwort Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen

581

Musekamp, Gunda, Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 97070 Würzburg

Mussgay, Lutz, Dr., Psychosomatische Fachklinik St. Franziska-Stift, 55543 Bad Kreuznach Nagel, Arne, Dr., Zentrum für Bewegungsanalyse und -therapie, 48317 Drensteinfurt-

Walstedde Nebe, Katja, PD Dr., Juristischer Bereich der Juristischen und Wirtschaftswissenschaftlichen

Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 06108 Halle Nedelko, Violetta, Kliniken Schmieder Konstanz, 78464 Konstanz Neuderth, Silke, Dr., Arbeitsbereich Rehabilitationswissenschaften, Institut für Psycho-

therapie und medizinische Psychologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 97070 Würzburg

Niehaus, Mathilde, Prof., Lehrstuhl für Arbeit und Berufliche Rehabilitation, Universität Köln, 50931 Köln

Nienaber, Jonas, Institut für Sportwissenschaft und Sport der Friedrich-Alexander-Uni-versität Erlangen-Nürnberg, 91058 Erlangen

Nolte, Achim, Dr., HELIOS Reha-Klinik, 21502 Geesthacht Nosper, Manfred, Dr., Medizinischer Dienst Rheinland-Pfalz, 55232 Alzey Nübling, Rüdiger, Dr., Gesellschaft für Qualität im Gesundheitswesen, 76139 Karlsruhe Nützel, Jakob, Dr., JUST - Jugendsuchttherapie, 88214 Ravensburg Olbrich, Dieter, Dr., Rehabilitationszentrum Bad Salzuflen der Deutschen Rentenversiche-

rung Bund, 32105 Bad Salzuflen Otto, Friederike, Abteilung Medizinische Soziologie, Medizinische Hochschule Hannover,

30625 Hannover Paridon, Christoph Matthias, Dr., Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen

Gesetzlichen Unfallversicherung, 01109 Dresden Peters, Achim, Dr., Abteilung Orthopädie, Schwarzwaldklinik 79189 Bad Krozingen Pfeifer, Klaus, Prof., Institut für Sportwissenschaft und Sport, Friedrich-Alexander-Univer-

sität Erlangen-Nürnberg, 91058 Erlangen Pfeiffer, Wolfgang, Dr., Rehazentrum Oberharz der Deutschen Rentenversicherung

Braunschweig-Hannover, 38678 Clausthal-Zellerfeld Pohl, Marcus, Dr., Abteilung Frührehabilitation, Klinik Bavaria Kreischa, 01731 Kreischa Pohontsch, Nadine Janis, Institut für Sozialmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-

Holstein (Campus Lübeck), 23538 Lübeck Premper, Volker, Dr., AHG Klinik Schweriner See, 19069 Lübstorf Radoschewski, Friedrich Michael, Prof., Lehrstuhl für Versorgungssystemforschung und

Grundlagen der Qualitätssicherung in der Rehabilitation, Charité - Universitätsmedizin Berlin, 10017 Berlin

Raschke, Friedhart, PD Dr., Institut für Rehabilitationsforschung, 26548 Norderney Rauch, Bernhard, Prof., ZAR Ludwigshafen, Klinikum Zentrum für ambulante Rehabilitation,

67063 Ludwigshafen Redaèlli, Marcus, Dr., Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Universität

Witten/Herdecke, 54884 Witten Reese, Christina, Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum

Freiburg, 79106 Freiburg

Page 583: 19. Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquiumforschung.deutsche-rentenversicherung.de/ForschPortalWeb/ressource?key=... · 3 Vorwort Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen

582

Reichel, Christoph, PD Dr., Reha Zentrum Bad Brückenau, Hartwald-Rehabilitationsklinik der Deutschen Rentenversicherung Bund, 97769 Bad Brückenau

Rennert, Dirk, Institut für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 06097 Halle

Richter, Matthias, Institut für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Münster, 48149 Münster

Richter, Thomas, rehaFLEX, Saline Rehabilitationsklinik Halle, 06108 Halle Röckelein, Elisabeth, Bereich Reha-Wissenschaften, Deutsche Rentenversicherung Bund,

Berlin Rohm, Esther, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 91058 Erlangen Romppel, Matthias, Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften, Hochschule für Technik,

Wirtschaft und Kultur Leipzig, 04251 Leipzig Rüddel, Heinz, Prof., St. Franziska Stift und FPP Universität Trier, 55543 Bad Kreuznach Rudolph, Ivonne, Institut für Sportwissenschaft, Otto-von-Guericke-Universität, 39104

Magdeburg Rundel, Manfred, Gesellschaft für Qualitätsentwicklung, 79117 Freiburg Saal, Susanne, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaften an der Medizinischen

Fakultät der Martin-Luther-Universität, 06097 Halle Sabariego, Carla, Rehabilitationswissenschaften, Ludwig-Maximilians-Universität München,

81377 München Schaadt, Anna-Katharina, Sozialpädiatrischen Zentrums der Marienhausklinik Kohlhof,

66539 Neunkirchen Schäfer, Maike, Universität Bielefeld, 33615 Bielefeld Schäfer, Christoph, Dr., H & S Neurologische Rehabilitationsklinik, 65520 Bad Camberg Schaller, Andrea, Dr., Kliniken Bad Neuenahr GmbH & Co. KG, 53474 Bad Neuenahr-

Ahrweiler Schauß, Sonja, Psychosomatische Fachklinik St. Franziska-Stift, 55543 Bad Kreuznach Schellmann, Christina, Institut für Psychologie, RWTH Aachen, 52066 Aachen Schlatterer, Martina, Reha-Klinik Glotterbad, 79286 Glottertal Schmidt, Ralf, Fachklinik Herzogenaurach, 91074 Herzogenaurach Schmidt, Joachim, Orthopädische Klinik Tegernsee, 83684 Tegernsee Schnabel, Meik, Lehrstuhl für Rehabilitationswissenschaften, Universität Witten/Herdecke,

58455 Witten Schneider, Jessica, Dr., MediClin Reha-Zentrum am Hahnberg, 34537 Bad Wildungen Schnurr, Anne, Abteilung für Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie, Institut für

Psychologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 79085 Freiburg Schröter, Carsten, Dr., Klinik Hoher Meissner, 37242 Bad Sooden-Allendorf Schubert, Michael, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaften an der

Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität, 06097 Halle Schüle, Christine, St. Franziska Stift, 55543 Bad Kreuznach Schuhler, Petra, Dr., AHG Klinik Münchwies, 66540 Neunkirchen Schultz, Konrad, Dr., Zentrum für Rehabilitation Pneumologie und Orthopädie, Klinik Bad

Reichenhall, 83435 Bad Reichenhall Schuster, Nadine, Reha-Kompetenzzentrum Bad Kreuznach/Bad Münster am Stein, 55543

Bad Kreuznach

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583

Schwesig, René, PD Dr., Dept. Sportwissenschaft, Institut für Medien, Kommunikation und Sport, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 06099 Halle

Seekatz, Bettina, Arbeitsbereich Rehabilitationswissenschaften, Institut für Psychotherapie und medizinische Psychologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 97070 Würzburg

Sibold, Manuela, Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, 79106 Freiburg

Simmel, Stefan, Dr., Abteilung BG-Rehabilitation, BG-Unfallklinik Murnau, 82418 Murnau Sohr, Gabriele, Dr., Reha-Zentrum Bad Pyrmont der Deutschen Rentenversicherung Bund,

Klinik Weser, 31812 Bad Pyrmont Spieser, Ariane, Uniklinik Freiburg, 79106 Freiburg Spyra, Karla, Dr., Lehrstuhl für Versorgungssystemforschung und Grundlagen der Qualitäts-

sicherung in der Rehabilitation, Charité - Universitätsmedizin Berlin, 10017 Berlin Stachow, Rainer, Dr., Fachklinik Sylt für Kinder und Jugendliche der Deutschen Rentenver-

sicherung Nord, 25980 Westerland Stamm-Balderjahn, Sabine, Dr., Lehrstuhl für Versorgungssystemforschung und Grund-

lagen der Qualitätssicherung in der Rehabilitation, Charité - Universitätsmedizin Berlin, 10017 Berlin

Steffanowski, Andrés, Dr., Lehrstuhl Psychologie II, Universität Mannheim, 68131 Mannheim

Steger, Anne-Kathrin, Medizinische Fakultät, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 79106 Freiburg

Steib, Simon, Institut für Sportwissenschaft und Sport, Friedrich-Alexander-Universität Er-langen-Nürnberg, 91058 Erlangen

Streibelt, Marco, Dr., Dezernat 8010, Deutsche Rentenversicherung Bund, 10704 Berlin Streit, Jürgen, Reha Zentrum Bad Brückenau, Hartwald-Rehabilitationsklinik der Deutschen

Rentenversicherung Bund, 97769 Bad Brückenau Ströbl, Veronika, Dr., Arbeitsbereich Rehabilitationswissenschaften, Institut für Psycho-

therapie und medizinische Psychologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 97070 Würzburg

Tallner, Alexander, Institut für Sportwissenschaft und Sport, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 91058 Erlangen

Toepler, Edwin, Prof., Fachbereich Sozialversicherung, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, 53773 Hennef

Tripp, Jürgen, Institut für Medizinische Psychologie, Universitätsklinik Münster, 48149 Münster

Ulrich, Peter, Dr., Justizzentrum, Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, 06112 Halle Völler, Heinz, Prof., Klinik am See, 15562 Rüdersdorf Vollmers, Burkhard, Dr., Institut für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, Universität Hamburg,

20146 Hamburg von Eiff, Wilfried, Prof., Institut für Krankenhausmanagement, Westfälische Wilhelms-

Universität Münster, 48149 Münster Vorsatz, Nadine, Dezernat 8010, Deutsche Rentenversicherung Bund, 10704 Berlin Voß, K.-Dieter, GKV-Spitzenverband, 10117 Berlin Walk, Hans-Heinrich, Dr., Klinik am Rosengarten, 32545 Bad Oeynhausen

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584

Webendörfer, Susanne, AHG Klinik für Psychosomatik Bad Dürkheim, 67098 Bad Dürk-heim

Weber, Andreas, Dr., FST - Forschungsstelle zur Rehabilitation von Menschen mit kommunikativer Behinderung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 06110 Halle

Welsch, Katja, Mediclin Bliestal Kliniken, 66440 Blieskastel Welti, Felix, Prof., Lehrstuhl für Sozialrecht und Verwaltungsrecht, Hochschule

Neubrandenburg, 17033 Neubrandenburg Widera, Teresia, Dr., Bereich Reha-Qualitätssicherung, Epidemiologie und Statistik,

Deutsche Rentenversicherung Bund, 10704 Berlin Willig, Manuela, Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg, 06108 Halle Yilmaz-Aslan, Yüce, Abteilung Epidemiologie und Internatioal, Fakultät für Gesundheits-

wissenschaften, Universität Bielefeld, 33501 Bielefeld Yokota, Antje, Dr., 04275 Leipzig Zander, Janett, Bereich Reha-Qualitätssicherung, Epidemiologie und Statistik, Deutsche

Rentenversicherung Bund, 10704 Berlin Zieger, Margrit, Medizinische Fakultät, Universität Leipzig, 04103 Leipzig Zielke, Manfred, Prof., Baltic-Bay-Institut, 24248 Mönkeberg Zollmann, Pia, Bereich Reha-Wissenschaften, Deutsche Rentenversicherung Bund, 10704

Berlin Zwingmann, Christian, PD Dr., Geschäftsbereich Gesundheit, Soziales & Familie, Prognos

AG, 40213 Düsseldorf