24. Rehabilitationswissenschaftliches...

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Herausgeber: Deutsche Rentenversicherung Bund Sonderausgabe der DRV DRV-Schriften Band 107 März 2015 24. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium Deutscher Kongress für Rehabilitationsforschung Psychische Störungen – Herausforderungen für Prävention und Rehabilitation vom 16. bis 18. März 2015 in Augsburg

Transcript of 24. Rehabilitationswissenschaftliches...

Herausgeber:DeutscheRentenversicherungBund

Sonderausgabe der DRV

DRV-Schriften Band 107

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März 2015

24. RehabilitationswissenschaftlichesKolloquium

Deutscher Kongress für Rehabilitationsforschung

Psychische Störungen – Herausforderungenfür Prävention und Rehabilitation

vom 16. bis 18. März 2015 in Augsburg

Vorankündigung:

Das

25. Rehabilitationswissenschaftliche KolloquiumDeutscher Kongress für Rehabilitationsforschung

wird

vom 29. Februar bis 2. März 2016

in Aachen

Kongresszentrum Eurogress Aachen

stattfinden.

Veranstalter:Deutsche Rentenversicherung Bund

Deutsche Rentenversicherung Rheinlandin Zusammenarbeit mit

Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW)

Weitere Informationen:

Deutsche Rentenversicherung BundBereich Reha-Wissenschaften10704 Berlin

Tagungsort:

Eurogress AachenMonheimsallee 4852062 Aachen

Telefon: 030 865-39336Telefax: 030 865-28879E-Mail: [email protected]

24. Rehabilitationswissenschaftliches KolloquiumDeutscher Kongress für Rehabilitationsforschung

Psychische Störungen – Herausforderungen für Prävention und Rehabilitation

vom 16. bis 18. März 2015 in Augsburg

Deutsche Rentenversicherung BundDeutsche Rentenversicherung Schwaben

in Zusammenarbeit mit

Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW)

Wissenschaftliche Leitung

Dr. Rolf Buschmann-Steinhage, Dr. Hans-Günter Haaf,Deutsche Rentenversicherung Bund

Prof. Dr. Dr. Uwe Koch,Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW)

Programmkomitee

Prof. Dr. H.H. Bartsch (Freiburg), Prof. Dr. C.P. Bauer (Gaißach), Prof. Dr. Dr. J. Bengel (Frei-burg), Prof. Dr. W.F. Beyer (Bad Füssing), Prof. Dr. E.M. Bitzer (Freiburg), Dr. S. Brüggemann(Berlin), Dr. I. Ehlebracht-König (Bad Eilsen), Prof. Dr. Dr. H. Faller (Würzburg), Dr. D. Girbig(Stuttgart), Prof. Dr. G. Grande (Leipzig), Prof. Dr. B. Greitemann (Bad Rothenfelde), Dr. A.Günthner (Speyer), Prof. Dr. C. Gutenbrunner (Hannover), Prof. Dr. Dr. M. Härter (Hamburg),Prof. Dr. P. Hampel (Flensburg), Prof. Dr. M. Karoff (Ennepetal), Dr. R. J. Knickenberg (BadNeustadt), Prof. Dr. V. Köllner (Blieskastel), Prof. Dr. T. Kohlmann (Greifswald), Prof. Dr. W.Kohte (Halle), Prof. Dr. G. Krischak (Bad Buchau), Prof. Dr. M. Linden (Teltow), Prof. Dr. W. Mau(Halle), Prof. Dr. M. Morfeld (Stendal), Prof. Dr. R. Muche (Ulm), Prof. Dr. M. Niehaus (Köln),Prof. Dr. F. Petermann (Bremen), Prof. Dr. K. Pfeifer (Erlangen), Dr. H. Pollmann (Bad Neuen-ahr), Prof. Dr. M. Sailer (Magdeburg), Dr. W. Schupp (Herzogenaurach), Prof. Dr. B. Schwaab(Timmendorfer Strand), Prof. Dr. W. Spijkers (Aachen), Prof. Dr. H. Völler (Rüdersdorf), Prof. Dr.U. Walter (Hannover), Prof. Dr. J. Wasem (Essen), Prof. Dr. K. Wegscheider (Hamburg), Dr. S.Weinbrenner (Berlin), Prof. Dr. F. Welti (Kassel).

Kongresskomitee

Maja Höfemann, Astrid Rosendahl, Kerstin Seidel (Organisation)Daniela Sewöster, Stefanie Märtin (Wissenschaft),Deutsche Rentenversicherung Bund

Anja Neupert-Schreiner, Barbara Gläsel, Johann Ebenhöh, Monika Gutmann, Thomas Lacher, Monika Rivola, Angela Schantini, Ludwig Wiedemann (Organisation),Deutsche Rentenversicherung Schwaben

Tagungsband

Herausgeber: Deutsche Rentenversicherung Bund, Geschäftsbereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Kommunika-tion. Verantwortlich für den Gesamtinhalt: Hauptschriftleiter: Dr. Axel Reimann, Schriftleiter: Dr. Dirk von der Heide,Telefon: 030 86589178, Telefax: 030 86589425.

Die Zeitschrift DEUTSCHE RENTENVERSICHERUNG erscheint 4-mal jährlich und ist über die Deutsche Renten-versicherung Bund, Geschäftsbereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikation, – Vertrieb –, Postanschrift:10704 Berlin, E-Mail: [email protected], Telefon: 030 86524536, für 21,00 Euro (Ausland 28,00 Euro) inkl. Ver-sandkosten, jährlich zu beziehen, das Einzelheft 5,50 Euro (Ausland 7,00 Euro) inkl. Versandkosten. Das Abonnementkann nur bis zum 30. September für das folgende Jahr gekündigt werden.

Die mit Namen gekennzeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Deutschen RentenversicherungBund wieder. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernehmen wir keine Gewähr. Nachdruck ist unter Quel-lenangabe nur mit Genehmigung der Schriftleitung zulässig. Satz und Druck: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Berlin.

Die DRV-Schriften sind kostenfreie Sonderausgaben der Zeitschrift „Deutsche Rentenversicherung“.

ISBN 978-3-00-048796-5

Vorwort

Sehr geehrte Damen und Herren,liebe Kolleginnen und Kollegen,

zum 24. Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium in Augsburg begrüßen wir Sie herzlich.

Das Rehabilitationswissenschaftliche Kolloquium ist als Deutscher Kongress für Rehabilita-tionsforschung das wichtigste Forum für praxisrelevante Ergebnisse zur medizinischen undberuflichen Rehabilitation. Jährlich nehmen etwa 1.500 Expertinnen und Experten aus For-schung und Praxis, Medizin, Psychologie und Therapie, Gesundheitsmanagement, Verwal-tung und Politik teil. Das 24. Kolloquium 2015 veranstaltet die Deutsche RentenversicherungBund gemeinsam mit der Deutschen Rentenversicherung Schwaben und der DeutschenGesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW).

Experten sehen in psychischen Störungen die wichtigste Herausforderung für die Gesund-heitsversorgung des 21. Jahrhunderts. Die wachsende Bedeutung von psychischen Er-krankungen lässt sich sowohl an den Rehabilitations- und Berentungsstatistiken als auchan den Arbeitsunfähigkeitszeiten ablesen. Viele Rehabilitandinnen und Rehabilitanden mitsomatischen Erkrankungen leiden auch unter psychischen Belastungen und Störungen.

In Fachkreisen wird eine reale Zunahme psychischer Erkrankungen bezweifelt. Vielmehrwird auf eine Sensibilisierung in der Öffentlichkeit, verbesserte Diagnostik sowie zunehmendeEntstigmatisierung und veränderte Anforderungen an die psychische Belastbarkeit in derArbeitswelt verwiesen.

Psychische Störungen sind für die betroffenen Menschen häufig mit einer erheblich ein-geschränkten Lebensqualität verbunden. Oft ist ihre berufliche Leistungsfähigkeit deutlichbeeinträchtigt. Die psychosomatisch-psychotherapeutische Rehabilitation ist ein wichtigesGlied in der Behandlungskette. Nach den vorliegenden reha-wissenschaftlichen Ergebnissenhilft sie vielen Betroffenen wieder erwerbstätig zu sein und sichert so ihre weitere Teilhabeam Leben in der Gesellschaft.

Immer drängender wird dennoch die Frage, wie psychische Erkrankungen vermieden oder zu-mindest früher erkannt und behandelt werden können, um eine Chronifizierung zu vermeiden.

Der Tagungsband kann auf www.deutsche-rentenversicherung.de heruntergeladen werden.

Dr. Rolf Buschmann-Steinhage Dr. Hans-Günter Haaf Prof. Dr. Dr. Uwe Koch

3

Inhaltsübersicht

Plenarvorträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

DGRW-Update . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

Reha-System und Vernetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

Rückkehr zur Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

Rückkehr zur Arbeit (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

Assessmentinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

Assessmentinstrumente (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

Qualitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

Qualitätssicherung (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

Epidemiologie und Reha-Bedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

Epidemiologie und Reha-Bedarf (Poster). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

Reha-Nachsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

Reha-Nachsorge (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

Patientenschulung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

Patientenschulung (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

Reha-Team . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

Psychische Komorbidität in der Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

Psychische Komorbidität in der Rehabilitation (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

Rechtswissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

Bewegungstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

Bewegungstherapie (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242

Neurologische Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244

Neurologische Rehabilitation (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

Kardiologische Rehabilitation I – in Kooperation mit der DGPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259

Kardiologische Rehabilitation II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270

Kardiologische Rehabilitation (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

Onkologische Rehabilitation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

Onkologische Rehabilitation (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294

Pneumologische Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296

4

Rehabilitation bei psychischen Störungen I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

Rehabilitation bei psychischen Störungen II – in Kooperation mit der DGPPN . . . . . . . 319

Rehabilitation bei psychischen Störungen (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329

Prozessqualität in der psychosomatischen Rehabilitation – in Kooperation mit der DGPPR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336

Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347

Orthopädische Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357

Orthopädische Rehabilitation (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371

Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381

Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392

Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402

Gastroenterologische Rehabilitation – in Kooperation mit der GRVS . . . . . . . . . . . . . . 404

Autorenindex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415

Verzeichnis der Erstautoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419

5

Inhaltsverzeichnis

Plenarvorträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23Psychische Traumatisierung und chronischer Schmerz – neurobiologische Zusammenhänge und ihre Konsequenzen für die VersorgungEgle, U. T. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

DGRW-Update. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24DGRW-Update „Sozialmedizinische Leistungsbeurteilung“Horn, S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

Reha-System und Vernetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27Der Zugang in die Anschlussheilbehandlung aus ärztlicher Sicht: Eine Analyse von Informationsstand und OptimierungsbedarfGottschling-Lang, A., Egen, C., Sturm, C., Gutenbrunner, C. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

Angebote stationärer Rehabilitations- und Vorsorgemaßnahmen für pflegende Angehörige – Befragungsergebnisse aus dem Gutachten für das BMGHertle, D., Lüken, F., Trümner, A., Veit, C.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

Versorgungsunterschiede zwischen deutschen und ausländischen Rehabilitanden?Erbstößer, S., Zollmann, P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

Vernetztes MBOR-Konzept zwischen Bergwerkbetrieb und Reha-Klinik – medizinische und ökonomische Ergebnisse Müller, W.-D., Derlien, S., Knufinke, R., Kleinhans, W., Smolenski, U.C. . . . . . . . . . 33

„Um den mache ich mir Sorgen“ – Kooperationsprojekt Grundfos-Aukrug zur Erhaltung der Beruflichen Integration (GABI)Specht, T., Roese, I., Usdrowski, G., Breiholz, J., Feddersen, D., Mux, B., Glaser-Möller, N. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38Die Validität des SIMBO-C bei inneren Erkrankungen – Ergebnisse einer multizentrischen StudieStreibelt, M., Franke, W., Kiwus, U., Schittich, I., Reichel, C. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

Umsetzung der Strategie des Erwerbsbezugs in der DeutschenRentenversicherung Braunschweig-Hannover – eine RoutinedatenanalyseGerdau-Heitmann, C., Gutenbrunner, C., Miede, J., Schwarze, M. . . . . . . . . . . . . . . 40

Realisierung beruflich orientierter Leistungen in den medizinischen Rehabilitationseinrichtungen MitteldeutschlandsGolla, A., Saal, S., Mau, W. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

FieZ-Studie der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz: Gelingt die Förderung einer grundlegenden erwerbsbezogenen Orientierung in Rehabilitationskliniken? Bürger, W., Nübling, R., Kriz, D., Kretschmer, P., Masius, U., Zucker, A., Rudolph, F.M., Stirn, A.V., Siefken-Kaletka, H., Stapel, M., Weisenburger, R. . . . . . 44

6

Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation in der Orthopädie – Ergebnisse der Reha-QualitätssicherungLindow, B., Grünbeck, P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50Evaluation von MBOR in der stationären psychosomatischen RehabilitationMestel, R., Zimmerhackl, F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

Stationäre Entwöhnungsbehandlung für Menschen mit besonderen beruflichen Problemlagen (BBPL) – ein Bericht aus der Praxis Peters, A., Fischer, Th.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

Konzeption und Evaluation der beruflich orientierten Intervention „Perspektive Job“ für onkologische RehabilitandenKähnert, H., Exner, A.-K., Leibbrand, B.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

Hängt der Erfolg arbeitsbezogener Leistungen in der Rehabilitation neurologischer Erkrankungen von der Wiedereingliederungsprognose ab? Eine Re-Analyse von zwei kontrolliert randomisierten StudienStreibelt, M., Menzel-Begemann, A.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

Die MBO®-Kompakt-Neurowoche: Maßnahmenbewertung, Return to Work und berufliche Leistungsfähigkeit nach 6 bzw. 12 MonatenNeuderth, S., Lukasczik, M., Knörzer, J., Laterveer, H., Weilbach, F., Presl, M., Presl, M., Schuler, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60Instrumente und Verfahren zur Bedarfsermittlung bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben – Erhebung und SystematisierungsansätzePenstorf, C., Bade, S., Gleisberg, D., Jonßon, L., Lentz, R., Morfeld, M., Robinson, K., Schubert, M., Seel, H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

Änderung der subjektiven Prognose zur Reintegration während des RehaAssessments aus TeilnehmerperspektiveArling, V., Birringer, N., Spijkers, W.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

Sind Vollqualifizierungen wirklich besser als Teilqualifizierungen? Ergebnisse einer Propensity-Score-gematchten AnalyseBethge, M., Streibelt, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

Arbeit und Krankheit im Lebensverlauf – eine qualitative Verlaufsstudie zu berufsbiografischen Brüchen und beruflicher NeuorientierungBartel, S.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

Transparenz des Leistungsgeschehens?! – Ergebnisse der Erprobung der LBR-KlassifikationRadoschewski, F.M., Klosterhuis, H., Lay, W., Lindow, B., Mohnberg, I., Zander, J. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

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Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72Vergleich der Teilnehmer unterschiedlicher Leistungen zur Teilhabe am ArbeitslebenKaluscha, R., Schmid, L., Krischak, G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

Psychische Erkrankungen bei Leistungen zur Teilhabe am ArbeitslebenZander, J., Lindow, B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

Determinanten der Anerkennung als berufliche/r Rehabilitand/in der Bundesagentur für Arbeit zum Zweck der Wiedereingliederung in den ArbeitsmarktReims, N. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

Prognose von Integrationserfolg und Prüfung integrationsbezogener Effekte einer Förderung arbeitsbezogener Bewältigungsmuster in der beruflichen RehabilitationBaumann, R.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

Welche Relevanz hat die freiwillige Teilnahme von Rehabilitanden an einer wissen-schaftlichen Studie im Umschulungskontext?Arling, V., Spijkers, W. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

Rückkehr zur Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83Sind stufenweise Wiedereingliederungen nach medizinischer Rehabilitation erfolgreich? Ergebnisse einer prospektiven KohortenstudieBürger, W., Streibelt, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

Effekte stufenweiser Wiedereingliederung: Ergebnisse einer Propensity-Score-gematchten Analyse mit dem Scientific Use File der RentenversicherungBethge, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

Einfluss des sozialen Status auf die Rückkehr zur Arbeit bei Prostatakrebs-patienten nach onkologischer RehabilitationUllrich, A., Rath, H.M., Otto, U., Kerschgens, C., Raida, M., Hagen-Aukamp, C., Koch, U., Bergelt, C. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

Return to Work in der Onkologie aus Patientensicht nach einem JahrReuss-Borst, M., Nübling, R., Kaiser, U., Kaluscha, R., Krischak, G., Kriz, D., Müller, G., Martin, H., Renzland, J., Schmidt, J., Toepler, E. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

„Fit für Inklusion im Beruf“ – Gesundheitsförderung durch Bewegung bei der ArbeitBebenek, M., Kramer, C., von Stengel, S., Kemmler, W.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

Befristete Erwerbsminderungsrente und Rückkehr ins Erwerbsleben – Themen und Erwartungen von ErwerbsminderungsrentnerInnenZschucke, E., Hessel, A., Paech, J., Storm, V., Lippke, S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

Rückkehr zur Arbeit (Poster). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96Evaluierung der Arbeitsfähigkeit und der Freizeitaktivitäten nach einer Wirbelsäulen-OperationBosse, A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

Welche Bedeutung hat die klinikspezifische Empfehlungsquote zur stufenweisen Wiedereingliederung auf die Rückkehr der Rehabilitanden an den Arbeitsplatz?Schmid, L., Jankowiak, S., Kaluscha, R., Krischak, G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

Entwicklung eines Screeningverfahrens für die Beschwerdenvalidierungvon Erkrankungen mit depressiver SymptomatikWalter, F., Petermann, F., Kobelt, A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

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Assessmentinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100Psychische Belastung in der Rehabilitation – der Nutzen von Verfahrenaus der SCL-90-FamilieFranke, G.H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

RiRes – Patienten- und Therapeuteneinschätzung zu Risiken und Ressourcen für den Behandlungs(miss)erfolg in der psychosomatischen RehabilitationBrütt, A.L., Magaard, J., Niedrich, J., Schulz, H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

Die SCSC-Skala zur Erfassung der Stressbewältigungsstrategien Selbstpflege und VerausgabungsbereitschaftOtto, J., Linden, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

Scheidegger Reha-Ziel-Erfassungsbogen – verbessertes Reha-Ziel-Assessment und Screeningmethode zur Detektion und Analyse spezifischer Folgestörungen und Etablierung therapeutischer Behandlungskonzepte in der onkologischen RehabilitationHass, H.G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

Können Mitarbeiter oder Patienten voraussagen, ob sich die 6-Minuten-Gehstrecke bei einem Wiederholungs-6-Minuten-Gehtest relevant verbessert?Wingart, S., Lehbert, N., Sachse, C., Leithäuser, A., Wittmann, M., Jelusic, D., Schuler, M., Schultz, K. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

Assessmentinstrumente (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112Psychodiagnostik bei Menschen mit geistiger BehinderungJagla, M., Augustin, M., Baumeister, A., Franke, G.H.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

Zusammenhänge von objektiven, klinischen und patientennahen Assessmentszur Beurteilung der körperlichen FunktionsfähigkeitBuchholz, I., Szczotkowski, D., Schnalke, G., Jacobs, A., Kohlmann, T.. . . . . . . . . . 114

6-Minuten-Gehtest (6MGT) und Sit-to-Stand Test (STST) als Outcome-Parameter der Pneumologischen Rehabilitation bei COPDLehbert, N., Wingart, S., Sachse, C., Leithäuser, A., Jelusic, D., Wittmann, M., Schultz, K. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

Validierung eines neu entwickelten Fragebogens zur Erfassung der Patientenzufriedenheit im ambulanten Durchgangsarztverfahren der Deutschen UnfallversicherungSzczotkowski, D., Nolting, H., Brodowski, H., Haase, T., Kohlmann, T. . . . . . . . . . . 118

Mini-ICF-Work: Ein Fremdrating zur Erstellung von Fähigkeitsanforderungsprofilen an ArbeitsplätzenMuschalla, B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

Die prädiktive Validität des SIMBO-C bei psychischen ErkrankungenStreibelt, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

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Qualitätssicherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124Durchführung von Therapieleistungen – Anforderung und Realitätim Vergleich KTL 2007 und KTL 2015Mitschele, A., Kranzmann, A., Lindow, B., Schmid, L., Kaluscha, R. . . . . . . . . . . . . . 124

Ergebnisqualität, Patientenzufriedenheit und Prozessqualität – Resultate der Patientenbefragung 2013 im QS-Reha®-Verfahren der gesetzlichen KrankenversicherungKutschmann, M., Grothaus, F.J.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

Entwicklung und psychometrische Prüfung eines Erfolgsindexes aus der Rehabilitandenbefragung der Deutschen Rentenversicherung BundNowik, D., Zeisberger, M., Meyer, T. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

Effekte internen Qualitätsmanagements – Ergebnisse der „Reha-QM-Outcome-Studie“ des Qualitätsverbunds Gesundheit und der Deutschen Rentenversicherung Baden-WürttembergToepler, E., Kaluscha, R., Nübling, R., Kaiser, U., Renzland, J., Reuss-Borst, M., Müller, G., Martin, H., Krischak, G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

Checklisten zur Prüfung und Bewertung von Konzepten medizinischer Reha-EinrichtungenSchmale, R., Wagener, W., Huber, J., Theißen, U. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

Qualitätssicherung (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135Nebenwirkungen von ErgotherapieFlöge, B., Linden, M., Muschalla, B., Jöbges, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

Epidemiologie und Reha-Bedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138Welche Faktoren beeinflussen die Absicht zur Beantragung medizinischer Rehabilitation?Mohnberg, I., Spanier, K., Radoschewski, F.M., Bethge, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

Der Work Ability Index – Ein Indikator für Rehabilitationsbedarf?Bethge, M., Spanier, K., Neugebauer, T., Mohnberg, I., Radoschewski, F.M. . . . . . . 140

Sind administrative Daten geeignet, um Rehabilitationsbedarf zu erkennen?Spanier, K., Mohnberg, I., Radoschewski, F.M., Streibelt, M., Bethge, M.. . . . . . . . . 142

Exploration von Problemlagen in der orthopädischen Rehabilitationzur Optimierung der Zuweisungs- und BehandlungsadäquanzSchwarz, B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

Regionale Variationen bei AnschlussrehabilitationenRadoschewski, F.M., Lay, W., Mohnberg, I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

Reha abgelehnt und dann? Vergleichende Beobachtungsstudie zum weiteren gesundheits- und berufsbezogenen Verlauf der VersichertenDeck, R., Walther, A.L. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

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Epidemiologie und Reha-Bedarf (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151Wie verändern sich die allgemeinen und psychischen Beschwerden von Vätern im Verlauf einer stationären Vater-Kind-Maßnahme? Barre, F., Otto, F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

Ein motivationspsychologisches Modell der RehabilitationsantragstellungSpanier, K., Mohnberg, I., Radoschewski, F.M., Bethge, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

Möglichkeiten zur Ermittlung des Erwerbsstatus aus Routinedaten und Rehabilitan-denbefragung am Beispiel der „Reha-QM-Outcome-Studie Baden-Württemberg“Kaluscha, R., Nübling, R., Holstiege, J., Krischak, G., Müller, G., Martin, H., Renzland, J., Reuss-Borst, M., Kaiser, U., Toepler, E. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

Die Verknüpfung von Erhebungs- und Routinedaten – Nutzungspotenziale für die Analyse der Fragebogen-ResponseHolstiege, J., Jankowiak, S., Kaluscha, R., Krischak, G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

Zurück in die Zukunft: Aktuelle Ergebnisse einer qualitativen Befragung zu Bedarf, Akzeptanz und Implementierung internetbasierter Nachsorge Hennemann, S., Rudolph, F.M., Waldeck, E., Beutel, M.E., Zwerenz, R. . . . . . . . . . 159

Reha-Nachsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159Wirksamkeit der psychotherapeutischen Online-Nachsorge „GSA-Online“ für beruflich belastete Patienten verschiedener Indikationen der RehabilitationBecker, J., Beutel, M.E., Gerzymisch, K., Holme, M., Kiwus, U., Knickenberg, R.J., Spörl-Dönch, S., Zwerenz, R.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

Intensivierte medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitationsnachsorge: Langfristige Ergebnisse der randomisiert-kontrollierten Multicenter-StudieBriest, J., Bethge, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

Begleitende Sozialberatung während der stufenweisen Wiedereingliederung – Evaluation eines NachsorgeangebotesBommersbach, P., Becker, V., Krampen, G., Munz, H., Stock, S., Müller, D. . . . . . . 165

Passung der Nachsorgeempfehlungen zwischen Hausarzt und Rehabilitationsklinik sowie deren Effekt auf die NachsorgeaktivitätJankowiak, S., Ritter, S., Krischak, G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

www.nachderReha.de – Aufbau einer Homepage für Reha-Nachsorgeangebote auf Basis einer systematischen ÜbersichtParzanka, S., Himstedt, C., Deck, R. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

Reha-Nachsorge (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172Nutzung und Zufriedenheit mit der psychotherapeutischen Online-Nachsorge „GSA-Online“ für beruflich belastete Patienten und Schlussfolgerungenfür die ImplementierungZwerenz, R., Becker, J., Gerzymisch, K., Holme, M., Kiwus, U., Knickenberg, R.J., Spörl-Dönch, S., Beutel, M.E.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

TeNoR: Telefonische Nachsorge in der orthopädischen Rehabilitation – Entwicklung und Erprobung eines Konzeptes für MBOR-RehabilitandenFröhlich, S.M., Niemeyer, R., Greitemann, B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

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Patientenschulung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176Kurzfristige Effektivität einer Patientenschulung „Curriculum Brustkrebs“in der onkologischen RehabilitationRichard, M., Meng, K., Strahl, A., Niehues, C., Derra, C.,Schäfer, H., Worringen, U., Faller, H.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

Entwicklung generischer Selbstmanagement-Module als Ergänzung zum Gesund-heitstraining für Patienten in der RehabilitationSeekatz, B., Meng, K., Musekamp, G., Reusch, A., Zietz, B., Altstidl, R., Haug, G., Faller, H.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

Effektivität einer Patientenschulung zur Förderung von Selbstmanagement-kompetenzen bei Rehabilitanden mit HerzinsuffizienzMeng, K., Musekamp, G., Schuler, M., Seekatz, B., Glatz, J., Karger, G., Kiwus, U., Knoglinger, G., Schubmann, R., Westphal, R., Faller, H.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

Intervention zur Förderung der Selbstregulation bei chronischer Krankheit: Umsetzungsbezogene Ergebnisse einer formativen EvaluationHeyduck, K., Jakob, T., Glattacker, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

„Dann haben die untereinander teilweise die Probleme gelöst“ – Schulungsleitererfahrungen mit der Implementierung einer RückenschulePeters, S., Faller, H., Pfeifer, K., Meng, K. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

Patientenschulung (Poster). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187Die Bedeutung von Schulungsleiterdeterminanten für die Einführung standardisierter Patientenschulungen in die RoutineumsetzungMeng, K., Opeskin, J., Peters, S., Faller, H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

Gut informiert in die Reha? Welche Informationen haben Rehabilitandenvor der Reha gesucht, erhalten oder vermisst? Walther, A.L., Schreiber, D., Deck, R. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

Ein Wegweiser für Migranten in die medizinische Rehabilitation der Deutschen RentenversicherungReissmann, L.-M., Schwarz, B., Markin, K., Salman, R., Gutenbrunner, C. . . . . . . . 191

Reha-Team . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193Kurzintervention zur Verbesserung der interprofessionellen Teamarbeitin der Rehabilitation – eine ProzessevaluationKörner, M., Müller, C., Becker, S., Rundel, M., Zimmermann, L. . . . . . . . . . . . . . . . . 193

Optimierung der pflegerischen Patientenkontakte: Effekte eines Kommunikationstrainings für Pflegende in der Rehabilitation Dibbelt, S., Wulfert, E., Greitemann, B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

Materialien zur Reha-Zielarbeit aus medizinischen Reha-Einrichtungenin Deutschland – Strukturierung eines PraxisfeldesBredehorst, M., Dibbelt, S., Quaschning, K., Farin-Glattacker, E., Glattacker, M., Greitemann, B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

Organisationales Commitment und seine Bedeutung im Reha-ProzessKockert, S., Schott, T.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

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Erfahrungen von Medizinerinnen und Medizinern mit Migrationshintergrund in der stationären medizinischen Rehabilitation (EMMI-R)Artzt, M.-L., Stamer, M., Meyer, T. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

Formative Evaluation des Fortbildungscurriculums „Fachspezifische Beiträge zur sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung"Hoppe, A., Schwabe, M., Worringen, U.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202

Psychische Komorbidität in der Rehabilitation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205Psychische Belastungen zu Beginn und am Ende der Reha-Maßnahme in einer orthopädisch-rheumatologischen Rehabilitationsklinik:Vollerhebungen in den Jahren 2009 bis 2014Schlittenhardt, D., Gerdes, N., Hauptvogel, D., Knüttel, U., Schiel, A., Schniz, E., Wild, J. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

Resilienz und psychosoziale Belastungen bei Rehabilitanden der Orthopädie und Psychosomatik: Eine QuerschnittstudieKüch, D., Rank, C., Herbold, D., Jacobi, C., Franke, G.H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

Erfassung von Depressivität und Ängstlichkeit in der verhaltensmedizinisch orthopädischen Rehabilitation – eine Fragebogenvalidierung mithilfe des SKIDRoch, S., Küch, D., Meyer, J., Rabe, K., Besch, D., Worringen, U., Hampel, P. . . . . 209

„Dick und auch noch depressiv!?“ – Auswirkung von Depressivität auf den Rehabilitationserfolg in der stationären AdipositastherapieKleinknecht, C., Kleinert, J., Pollmann, H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

Behandlung arbeitsplatzbezogener Ängste im Rahmen einer dreiwöchigen stationären medizinischen Rehabilitation – Ergebnisse einer randomisierten kontrollierten TherapiestudieMuschalla, B., Fay, D., Ayhan, H., Jöbges, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

Gegenwärtige Praxis im Umgang mit komorbiden Suchtproblemen in der somatischen und psychosomatischen RehabilitationSchlöffel, M., Funke, W., Pollmann, H., Köhler, J., Mittag, O. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216

Psychische Komorbidität in der Rehabilitation (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219Psychische Begleitbeeinträchtigungen in der somatischen Rehabilitation – Wie werden sie therapeutisch berücksichtigt und welche Relevanz haben sie für die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung am Rehabilitationsende?Brünger, M., Schöpflin, M., Spyra, K. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

Rechtswissenschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222UN-Behindertenrechtskonvention und deutsches RehabilitationsrechtWelti, F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

Epilepsie und Arbeit – Herausforderungen und Fortschritte im RehabilitationsrechtKohte, W. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224

Stärkung des ehrenamtlichen Engagements der Schwerbehindertenvertretungen Düwell, F.J. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

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Budget für Arbeit – Übergang Schule-Beruf und WfbM-allgemeiner ArbeitsmarktNebe, K. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

Eingliederungshilfe für seelisch, körperlich und geistig behinderte Kinder und Jugendliche: Aktuelle Probleme eines alten ZuständigkeitsdilemmasSchimank, C. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229

Bewegungstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231Bewegungstherapeutische Versorgung in der medizinischen Rehabilitation der Rentenversicherung – Vergleich der Jahre 2007 und 2012Brüggemann, S., Sewöster, D. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

Implizite Einstellungen zur körperlichen Aktivität bei Rehabilitanden mit chronischen RückenschmerzenSchuler, M., Blümke, M., Meng, K., Faller, H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234

Effektivität einer Multikomponenten-Intervention auf die körperliche Freizeitaktivität bei chronischen Rückenschmerzpatienten: 6-Monats-Follow-up einer randomisierten kontrollierten StudieSchaller, A., Dejonghe, L., Kavelaars, B., Froböse, I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

Entwicklung einer Person-orientierten Bewegungstherapie in der medizinischen RehabilitationSudeck, G., Belizer, W., Bosch, R., Huber, G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238

Psycho- in der Physiotherapie? Machbarkeit psychosozialer Therapiebausteine zur Therapiemotivation und Körperwahrnehmung in der BewegungstherapieOtt, I., Hasenbring, M., Kellmann, M., Levenig, C., Mierswa, T., Kleinert, J. . . . . . . . 240

Bewegungstherapie (Poster). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242Teilnehmerstruktur und Akzeptanz einer Multikomponenten-Intervention zur nach-haltigen Förderung körperlicher Aktivität bei chronischen Rückenschmerzpatienten Schaller, A., Grieben, C., Froböse, I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242

Neurologische Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244Strukturen und Praxis der psychologischen Abteilungen in der neurologischen Rehabilitation nach SchlaganfallKampling, H., Reese, C., Mittag, O. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244

Folgen von Fatigue bei Multiple Sklerose- und Schlaganfall-Patienten – Teilhabeund Vorhersage des beruflichen Status durch subjektive vs. objektive Fatigue-ErhebungsweisenClaros-Salinas, D., Koch, E., Dettmers, C., Greitemann, G., Schönberger, M. . . . . . 247

Systematische Übersichtsarbeit zu Korrelaten und Determinanten der körperlichen Aktivität von Personen mit Multipler SkleroseStreber, R., Peters, S., Pfeifer, K.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

Pilotstudie: Volitionale Schulungsmaßnahmen fördern das Walkingbei Patienten mit Schlaganfall im Vergleich zur MS Ludwig, L., Kuderer, B., Dettmers, C.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

Sportmotive bei Personen mit Multipler SkleroseGeidl, W., Streber, R., Tallner, A., Pfeifer, K. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

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Neurologische Rehabilitation (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256Patienten mit Multipler Sklerose profitieren bei der Messung phasischer Alertness weniger vom Warnton als Patienten mit Schlaganfall – ein Schlüssel zum Verständnis der Fatigue?Calandriello, B., Schwarzer, S., Claros-Salinas, D., Gütler, R., Dettmers, C. . . . . . . 256

Kardiologische Rehabilitation I – in Kooperation mit der DGPR . . . . . . . . . . . . . . . 259Verändern Zielvereinbarungen das Gesundheitsverhalten von kardiologischen Patienten in der Phase-III-Rehabilitation? Ergebnisse der CARO-PRE-II-Studie Stamm-Balderjahn, S., Michel, A., Spyra, K. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259

Adhärenz zur Therapie bei intermittierendem Tai Chi-Training zur Verbesserung der Herz-Kreislaufgesundheit und der kognitiven LeistungsfähigkeitWeber, U., Wieczorrek, G.,Schlitt, A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

Psychische Komorbidität in der kardiologischen Rehabilitation –Ergebnisse der Reha-QualitätssicherungLindow, B., Naumann, B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262

Bewegungsangst bei chronischer Herzinsuffizienz – Ergebnisse zur Entwicklung eines MessinstrumentsSpaderna, H., Hellwig, S., Hennig, D., Anastasopoulou, P., Hey, S. . . . . . . . . . . . . . 265

Fernbetreuung zur Behandlung von Depression bei HerzpatientenSchulz, S.M., Braig, J. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

Veränderung des Rauchverhaltens von Frauen nach Herzinfarkt – Ergebnisse einer Follow-up-Studie mit Reha-PatientinnenHärtel, U., Symannek, C., Wex, R. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268

Kardiologische Rehabilitation II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270Multimodale Rehabilitation von Patienten mit Marfan-Syndrom Benninghoven, D., Schroeder, F., von Kodolitsch, Y., Hoberg, E. . . . . . . . . . . . . . . . 270

Randomisierte, kontrollierte Interventionsstudie zum Vergleich von kohlenhydratreduzierter mit leitliniengemäßer Ernährung in der Therapie des Typ-2-DiabetesKaroff, J., Kittel, J., Wagner, A.M., Karoff, M.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

Die prognostische Bedeutung des Übergewichts auf das langfristigeÜberleben und die Rezidiv-Risiken von Frauen nach Herzinfarkt –Ergebnisse einer Follow-up-StudieHärtel, U., Filipiak, B., Symannek, C., Bongarth, C. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273

Aussagekraft spiroergometrischer Parameter im Hinblick auf die berufliche Wiedereingliederung kardiovaskulär erkrankter PatientenVöller, H., Salzwedel, A., Reibis, R., Kaminski, S., Buhlert, H., Eichler, S., Wegscheider, K. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274

Auswirkungen eines 12-monatigen progressiven gerätegestützten Krafttrainings auf die Kraftfähigkeiten von Herzpatienten in der Rehabilitationsphase IIISerowy, A., Gollan, R., Mauch, E., Schmitz, S., Bjarnason-Wehrens, B. . . . . . . . . . 277

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Kardiologische Rehabilitation (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279Verändern sich Depressionserleben und Angststörungen von Patienten durch Verwendung eines Audience-Response-Systems währendder stationären kardiologischen Rehabilitation?Eichel, J., Weber, A. Schlitt, A.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

Akzeptanzanalyse für die Nutzung des Internetportals herzwegweiser.de durch Rehabilitanden und FachkreiseMichel, A., Wilke, K., Stamm-Balderjahn, S., Spyra, K. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

Onkologische Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283Rehabilitation bei onkologischen Erkrankungen: Strukturen und Praxis der psychologischen TätigkeitReese, C., Mittag, O. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

Krankheitsvorstellungen, Behandlungserwartungen und psychoonkologische Versorgung bei Frauen mit türkischem Migrationshintergrund in der RehabilitationYilmaz-Aslan, Y., Spallek, L., Gök, Y., Kolip, P., Spallek, J. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

Entspannungsverhalten von Rehabilitandinnen mit der Diagnose Brustkrebs – Ergebnisse der INOP-StudieExner, A.-K., Kähnert, H., Leibbrand, B.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

Nachhaltige Steigerung der körperlichen Aktivität bei Brustkrebspatientinnen ist möglich – 2 Jahres-Katamnese der KIRA-StudieReuss-Borst, M., Peters, E., Wentrock, S., Lemmerich, D., Baumann, F. . . . . . . . . 290

Zurück in den Beruf nach Krebs: Beratungsbedarf in der ambulanten psychosozialen Krebsberatung Faust, T., Giesler, J.M., Ernst, J., Kuhnt, S., Mehnert, A., Weis, J. . . . . . . . . . . . . . . 292

Onkologische Rehabilitation (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294Patientenkompetenz bei Patienten mit Mamma-, Kolon-/Rektum- oder Prostatakarzinom: Verändert sie sich in der onkologischen Rehabilitation?Giesler, J.M., Zeiss, T., Weis, J.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294

Pneumologische Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296Lungenfunktionsergebnisse der RIMTCOR-Studie – eine randomisierte real life-StudieSchultz, K., Jelusic, D., Wittmann, M., Huber, V., Krämer, B., Fuchs, S., Wingart, S., Lehbert, N., Stojanovic, D., Schuler, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296

Psychische Komorbidität bei COPD-Patienten: Welche Langzeiteffekte zeigen sich nach einer stationären pneumologischen Rehabilitation?Schwaighofer, B., Jelusic, D., Wittmann, M., Schuler, M., Schultz, K. . . . . . . . . . . . . 298

Unterstützung der Lebensstiländerung von COPD-Patienten durch ein PlanungskompetenztrainingArling, V., Kienast, K., Slavchova, V., Pütz, D., Hartenfels, S., Spijkers, W. . . . . . . . 299

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Effekt der pädagogisch-didaktischen Weiterentwicklung des Curriculums „Asthma bronchiale“ der Deutschen Rentenversicherung Bund auf die Verständlichkeit der Patientenschulung Bäuerle, K., Feicke, J., Spörhase, U., Scherer, W., Bitzer, E.M. . . . . . . . . . . . . . . . . 302

Davoser-Outcome-Studie (DOS) – Ergebnisse stationärer pneumologischer und dermatologischer Heilbehandlungen im Spiegel von drei NacherhebungenSchmidt, J., Nübling, R., Kriz, D., Kaiser, U. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304

Rehabilitation bei psychischen Störungen I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307Wie sieht eine patientengerechte Vorbereitung auf die stationäre psychosomatische Rehabilitation aus? – Ergebnisse einer qualitativen UntersuchungGerzymisch, K., Beutel, M.E., Schmädeke, S., Bischoff, C., Hagen, K., Knickenberg, R.J., Zwerenz, R. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

Ergebnisse zu simulierten Symptomen in der medizinisch-psychiatrischen RehabilitationSenft, B., Platz, T., Bernögger, S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308

Nebenwirkungen von Gruppenpsychotherapie in der psychosomatischen RehabilitationLinden, M., Fritz, K., Walter, M., Muschalla, B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310

Arbeitsunfähigkeit und psychische Belastung – eine Herausforderungfür die psychosomatische RehabilitationFrege, I., Vollmer, H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311

„Kombi-Reha 2-plus-4“: Erfahrungen mit einem neuen Modell der psychosomatischen Rehabilitation bei Erwerbstätigen mit besonderer beruflicher ProblemlageGrulke, N., Hub, J., Schäfer, A., Bailer, H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313

Psychische Beeinträchtigung und Empfehlung sowie Inanspruchnahme von Psychotherapie nach medizinischer Rehabilitation – weitere Ergebnisseder „Reha-QM-Outcome-Studie“ Nübling, R., Kaluscha, R., Krischak, G., Kriz, D., Müller, G., Martin, H., Renzland, J., Reuss-Borst, M., Schmidt, J., Kaiser, U., Toepler, E.. . . . . . . . . . . . . . 315

Rehabilitation bei psychischen Störungen II – in Kooperation mit der DGPPN . . 319Die sozialmedizinische Beschreibung von arbeitsfähigen und arbeitsunfähigen psychosomatischen Patienten im klinischen Urteil und standardisierten Mini-ICF-APP-Rating Linden, M., Muschalla, B., Poguntke, K. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319

Langfristige Erwerbsverläufe ausgewählter Erkrankungsbilder in der psycho-somatischen RehabilitationHolstiege, J., Kaluscha, R., Müller, G., Jankowiak, S., Krischak, G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321

Nachhaltige Teilhabe am Arbeitsleben dank Supported Employment –5-Jahres-Ergebnisse einer randomisiert-kontrollierten Untersuchung Hoffmann, H., Jäckel, D., Glauser, S., Mueser, K., Kupper, Z. . . . . . . . . . . . . . . . . . 323

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Medizinisch-berufliche Rehabilitation in Rehabilitationseinrichtungen für psychisch Kranke (RPK) in Deutschland: Analyse der Aufnahme- und Entlassungsdaten Stengler, K., Kauffeldt, S., Theißing, A., Bräuning-Edelmann, M., Becker, T. . . . . . . 325

Soziale Rehabilitation: Ergebnisqualität in der EingliederungshilfeSteinhart, I., Höptner, A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

Rehabilitation bei psychischen Störungen (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329Aggressionsphantasien bei VerbitterungszuständenLinden, M., Noack, I.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329

Anträge auf Psychosomatische Rehabilitation – Häufigkeit, Qualitätund BefürwortungsrateAhnert, J., Schuler, M., Legner, R., Berger, H., Vogel, H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330

Recht einfordern oder selbst aktiv werden? Eine experimentelle Untersuchung zur Akzeptanz von Persönlichkeitsstörungen am Arbeitsplatz bei WiedereingliederungMuschalla, B., Fay, D., Seeman, A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332

Sportliche Aktivität nach stationärer psychosomatischer Rehabilitation:„MoVo-Luise“Bailer, H., Grulke, N., Fuchs, R., Dietsche, C. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334

Prozessqualität in der psychosomatischen Rehabilitation – in Kooperation mit der DGPPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336

Routine-Assessment in der psychosomatischen Rehabilitation – Behandlungs-ergebnisse auf der Grundlage eines EDV-gestützten Routine-Assessment-SystemsNübling, R., Schmidt, J., Kriz, D., Kobelt, A., Bassler, M.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336

Wie valide ist die Diagnostik in der psychosomatischen Rehabilitation?Kaminski, A., Bassler, M., Pfeiffer, W., Kobelt, A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338

Wirksamkeit eines nichtrückgekoppelten Atemtrainings im Vergleichzu einer BiofeedbackbehandlungZimmermann, J., Richter, R., Bassler, M.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340

Berufsgruppenspezifische oder störungsspezifische Rehabilitation bei Beschäftigten in Pflegeberufen?Neu, R., Brendel, C., Köllner, V.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342

Kriteriumsbezogene Validierung von KTL-Qualitätspunkten in der psychosomatischen RehaPreuss, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344

Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347Daten der stationären Suchtrehabilitation 1993–2013: Bedeutung von Suchtmitteln, Lebensalter, Komorbiditäten für die Rehabilitation der ZukunftHinze-Selch, D., Weitzmann, P., Zentner, S., Voigt, W., Englert, I., Nebe, R. . . . . . . 347

Evaluation der stationären Behandlung bei Alkoholabhängigkeit – Ergebnisse von fünf Entlassungsjahrgängen 2007-2011Bachmeier, R. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348

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Prognostische Bedeutung der RMK-Bedarfsgruppen für die stationäre Entwöhnungsbehandlung Alkoholabhängiger – Aktuelle Ergebnisse der 1-Jahres-Katamnese Spyra, K., Egner, U., Fahrenkrog, S., Köhn, S., Lindenmeyer, J., Missel, P.. . . . . . . 351

Ergebnisqualität einer Web-basierten Tele-Nachsorge nach stationärer medizinischer Rehabilitation AlkoholabhängigerMissel, P., Arens, J., Kramer, D. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352

Mit dem Joystick gegen das Suchtgedächtnis: Ergebnisse der MulticenterstudieLindenmeyer, J., Rinck, M., Becker, E., Mühlig, S., Wiers, R. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354

„Entwöhnungsbehandlung und andere Formen der Postakutbehandlung“zur S3-Leitlinie alkoholbezogener StörungenMissel, P., Arens, J., Koch, A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355

Orthopädische Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357Standortbestimmung der verhaltensmedizinisch-orthopädischen Rehabilitation (VMO) – zwischen orthopädischer und psychosomatischer Rehabilitation?Krischak, G., Schurr, S., Jankowiak, S., Dannenmaier, J. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357

Wie relevant ist Komorbidität für den sozialmedizinischen 6-Monats-Verlauf nach stationärer Rehabilitation wegen muskuloskelettaler Erkrankungen und psychischen Störungen?Gutt, S., Parthier, K., Mau, W. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359

Verhaltensbezogene Bewegungstherapie zur Optimierung der verhaltensmedizinisch-orthopädischen Rehabilitation bei chronisch nichtspezifischem RückenschmerzSemrau, J., Hentschke, C., Geidl, W., Pfeifer, K. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361

Evaluation einer intensivierten Rehabilitation nach lumbalen Wirbelsäulenoperationen Schröter, J., Lechterbeck, M., Hartmann, F., Gercek, E. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363

Eingangsbelastungen und kurzfristige Reha-Effekte bei 1.802 Fibromyalgie-Patientinnen des Reha-Klinikums Bad SäckingenGerdes, N., Schlittenhardt, D., Farin-Glattacker, E. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366

Qualitätssicherung und Ergebnismessung in der ambulanten orthopädischen Rehabilitation nach Hüft- und Knie-TEP-VersorgungMüller, M., Toussaint, R., Kohlmann, T. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369

Orthopädische Rehabilitation (Poster). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371Der Zusammenhang von Kontrollüberzeugung und psychologischen Grundbedürfnissen bei RückenschmerzpatientenRaven, H., Schaller, A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371

Welche Bedeutung haben Gender, Alter, Hauptdiagnosegruppe und psychische Gesundheit für die Verlaufsprognose während und nach muskuloskelettaler Rehabilitation?Mattukat, K., Golla, A., Mau, W. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373

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Wünsche, Barrieren und Barrieremanagement von Rehabilitandenmit chronischem Rückenschmerz – eine qualitative AnalyseThomsen, S., Herbold, D., Wiezoreck, M., Geigner, B., Beddies, A., Worringen, U., Hampel, P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375

Zur Interpretation von Veränderungen der SchmerzstärkeHaase, I., Walz, J., Kladny, B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377

Schmerzverarbeitung bei Fibromyalgiesyndrom-Patienten im Vergleich zu GesundenKrohn-Grimberghe, B., Lange, M., de Vries, U., Petermann, F.. . . . . . . . . . . . . . . . . 379

Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381Remi-Pro: Eine standardisierte Methode zur Dokumentation des Remissionsverlaufs und zur Therapiezielfindung bei Kindern und Jugendlichen nach schweren erworbenen Hirnschädigungen Romein, E., Hessenauer, M., Kluger, G., Berweck, S., Staudt, M.. . . . . . . . . . . . . . . 381

Transition – Erwachsen werden mit einer chronischen Erkrankung am Beispiel der MukoviszidoseGebert, N., Bomba, F., Herrmann-Garitz, C., Thyen, U., Schmidt, S., Falkenberg, C. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382

Prädiktoren für den Nachsorgeerfolg bei Kindern und Jugendlichen mit Adipositas im Rahmen einer Telefonberatung: Eine qualitative StudiePankatz, M., Stachow, R., Tiedjen, U., Hampel, P., Hornig, W. . . . . . . . . . . . . . . . . . 385

Weg mit den Snacks, her mit dem Gemüse: Approach-Avoidance-Training (AAT)bei Kindern und Jugendlichen mit AdipositasWarschburger, P., Lieck, K., Morawietz, M., Rinck, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388

Was Eltern von der Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen erwartenBerghem, S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389

Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392Regionale Unterschiede bei der Inanspruchnahme von Rehabilitations-maßnahmen bei Kindern und JugendlichenJankowiak, S., Dannenmaier, J., Krischak, G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392

Die Wirkung sozialer Ungleichheiten auf Zugang und Inanspruchnahme stationärer Rehabilitationsmaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen in MitteldeutschlandFach, E.-M., Schumann, N., Günther, S., Richter, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394

Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen – Perspektive der AllgemeinmedizinerBerghem, S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396

Aspekte der psychischen Befindlichkeit bei Kindern und Jugendlichenmit Typ-1-Diabetes in der stationären RehabilitationPaape, F., Hermann, T. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398

Subjektives Behandlungskonzept und krankheitsbezogenes Selbstmanagement asthmakranker Jugendlicher in der Rehabilitation: Eine qualitative AnalyseHeyduck, K., Bengel, J., Glattacker, M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400

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Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen (Poster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402Förderliche und hinderliche Faktoren der Inanspruchnahme einer familienorientierten Rehabilitation bei krebskranken Kindern und ihren FamilienInhestern, L., Beierlein, V., Krauth, K., Schulte, Th., Berger, D., Koch, U., Bergelt, C.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402

Gastroenterologische Rehabilitation – in Kooperation mit der GRVS . . . . . . . . . . 404Rehabilitation bei Typ-2-Diabetes: Strukturen und Praxis der psychologischen TätigkeitReese, C., Mittag, O. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404

Wirksamkeit einer stationären Schulung für Patienten mit chronisch-entzündlichen DarmerkrankungenWeiland, R., Dreger, K., Gerlich, C., Tuschhoff, T., Mainos, D., Derra, C., Faller, H., Reusch, A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406

Stuhlregulierende Maßnahmen als Beispiel partizipativer Therapiefindung bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen aus der Perspektive des KlinikersSteimann, G.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408

Keine Verbesserung der Teilhabe am Arbeitsleben durch patientenorientiertes Empowerment – Hinweis auf rehabilitative Unterversorgung?Langbrandtner, J., Hüppe, A., Raspe, H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410

Einschränkungen der sozialen Teilhabe bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ohne und mit Reha-InanspruchnahmeHüppe, A., Steimann, G., Langbrandtner, J., Zeuner, C., Eisemann, N., Bokemeyer, B., Raspe, H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412

Autorenindex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415

Verzeichnis der Erstautoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419

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Plenarvorträge

Psychische Traumatisierung und chronischer Schmerz – neurobiologische Zusammenhänge und ihre Konsequenzen für die Versorgung

Egle, U. T.

Gengenbach

Für die meisten Betroffenen – leider jedoch auch immer noch für sehr viele Ärzte – istSchmerz ausschließlich ein Warnsignal für eine Gewebs- oder Nervenschädigung. Diesesauf den französischen Philosophen René Descartes zurückgehende Schmerzverständnisaus dem 17. Jahrhundert ist durch die neurobiologische Forschung der letzten 10 Jahre wis-senschaftlich nicht mehr haltbar – insbesondere wenn es um chronische Schmerzzuständegeht. Festgestellt wurde eine weitreichende Überlappung der für Schmerz und Stress zu-ständigen Hirnbereiche: Schmerz ist für das Gehirn nichts anderes als ein biologischerStressor! Diese neurobiologischen Zusammenhänge erklären auch, warum psychosozialeEinflussfaktoren das subjektive Schmerzerleben bei nozizeptiven Reizen erheblich modulie-ren können und warum negative Affekte ebenso wie kognitive Bewertungen auch ohne no-zizeptiven Input im Gehirn Schmerzen generieren können. Eine zentrale Rolle spielen dabeider vordere Gyrus cinguli (ACC) sowie Amygdala, Hippocampus und Bereiche des Präfron-talkortex. Die Wechselwirkungen in dieser „Schmerzmatrix“ entscheiden wesentlich überdas individuelle Schmerzerleben. Bereits in der Kindheit einwirkende psychische Traumata(körperliche Misshandlung, sexueller Missbrauch, Bindungsstörungen und Ausgrenzungs-erleben) erhöhen durch neurobiologische Prägungen („Narben“) die spätere Schmerz- undStressvulnerabilität im Erwachsenenalter. Anhaltende Belastungssituationen fungierendann als Auslöser für eine Reihe psychischer Erkrankungen (depressive und Angststörun-gen, posttraumatische Belastungsstörungen, somatoforme Störungen) sowie für zahlreichechronische Schmerzerkrankungen (z. B. unspezifischer Rückenschmerz, Fibromyalgie-Syndrom, chronischer Kopfschmerz, craniomandibuläre Dysfunktion).

Diese neurobiologischen Erkenntnisse liefern die Grundlagen für eine differenzierte Be-handlung chronischer Schmerzerkrankungen, während die gegenwärtig vorherrschendenunspezifischen Behandlungsstrategien – bei anästhesiologischen Schmerztherapeuten undHausärzten zunehmend häufiger Opiate, bei psychologischen Schmerztherapeuten fast nurSchmerzbewältigungstraining – zu einer hohen Zahl von AU-Tagen und Frühberentungenführen. Dem steht eine nach zugrunde liegenden neurobiologischen Mechanismen differen-zierende psychosomatische Schmerztherapie gegenüber. Reha-Ergebnisse bei n=400chronischen Schmerzpatienten einer psychosomatischen Fachklinik belegen: Bei mehr als50 % aller chronischen Schmerzpatienten führt an solchen Mechanismen orientierte psy-chosomatische Schmerztherapie zu einer erheblichen Besserung bzw. zum vollständigenVerschwinden der meist viele Jahre bestehenden Schmerzen.

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DGRW-Update

DGRW-Update „Sozialmedizinische Leistungsbeurteilung“

Horn, S.

Berlin

Die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung ist das Kernstück der Gutachten für die gesetz-liche Rentenversicherung. Die gesetzliche Grundlage dazu findet sich im SGB VI.

Die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung umfasst

‒ das qualitative Leistungsvermögen

‒ das quantitative Leistungsvermögen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinenArbeitsmarktes

‒ die Berücksichtigung therapeutischer Optionen einschließlich Rehabilitationsbedürftigkeit

‒ die Festlegung des Beginns einer Leistungsminderung und

‒ eine prognostische Aussage zur Dauer der Leistungsminderung mit Einschätzung derBesserungswahrscheinlichkeit.

Im § 43 SGB VI wird seit 2001 für das quantitative Leistungsvermögen eine 3-stufige Zeit-schiene (6 Stunden und mehr, 3 bis unter 6 Stunden und unter 3 Stunden) vorgegeben, oh-ne dass dafür ein exaktes Messinstrumentarium zur Verfügung steht. In die Beurteilungmüssen darüber hinaus für die üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ein-bezogen werden, die sehr offen definiert wurden. Die prognostischen Aussagen zu thera-peutischen Optionen, zur Dauer einer Leistungsminderung und der Wahrscheinlichkeit einerBesserung orientieren sich an der Häufigkeit der Verläufe und dem Maß für die Neigung derProzesse zu einem bestimmten Ergebnis. Sie sind abhängig von Kenntnissen, Erfahrungund Sozialisation der Gutachter, aber auch von auch Mitarbeit, Sozialisation und kulturellemHintergrund des Probanden Die fehlende Operationalisierung an mehreren Stationen derEntscheidungsfindung führt dazu, dass die Reliabilität sozialmedizinischer Leistungsbeur-teilungen häufig infrage gestellt wird.

2004 empfahl die SOMEKO (Kommission zur Weiterentwicklung der Sozialmedizin in dergesetzlichen Rentenversicherung) in ihrem Abschlussbericht

‒ die weitere Vereinheitlichung der Begrifflichkeiten

‒ Entwickeln von Leitlinien, Standards und Empfehlungen für eine Optimierung der sozial-medizinischen Sachaufklärung.

‒ Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement:

‒ fachlich (klinisch, sozialmedizinisch)

‒ ablauf- und teilweise auch aufbauorganisatorisch

‒ ökonomisch,

um bundesweit eine Gleichbehandlung aller Versicherten zu gewährleisten (VDR 2009).

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Die Vereinheitlichung der Begrifflichkeiten wurde in Form eines bundesweit gültigen sozial-medizinischen Glossars erreicht.

Um möglichst einheitliche, gut nachvollziehbare sozialmedizinische Leistungsbeurteilungenzu erhalten, implementierte die Deutsche Rentenversicherung in den letzten 10 Jahren dieLeitlinien zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit und zum Rehabilitationszugang. Sie sollendazu führen, dass Gutachten formal möglichst einheitlich gestaltet und die medizinischenErmittlungen zielgerichtet geführt werden. Inhaltlich werden die Grenzen der sozialmedizi-nischen Leistungsbeurteilung möglichst klar definiert durch sogenannte harte Eckdaten zumSchweregrad einer Störung, bei denen grundsätzlich von einem Leistungsvermögen vonmehr als 6 Stunden oder auch von einem Leistungsvermögen von weniger als 3 Stundenauszugehen ist. Für die weitere Differenzierung der Leistungsbeurteilung werden dann Fol-gen von Komorbiditäten einbezogen und die sogenannten weichen Daten wie Verlauf, The-rapie, Beobachtungen neben dem Untersuchungsgang und Berichte über die Alltags- undFreizeitgestaltung.

Im Rahmen der Qualitätssicherung wurde ein Peer-Review-Verfahren zur Qualitätssicherungder Begutachtung initiiert. Durch Anwendung einheitlicher Qualitätskriterien soll dieses Quali-tätssicherungskonzept eine trägerübergreifende systematische Betrachtung der Gutachten-qualität ermöglichen und zur weiteren Verbesserung der Leistungsbeurteilungen beitragen.

Forschungsprojekte wie das Projekt zur Erfassung der Einflussfaktoren auf die gutachterlicheLeistungsbeurteilung im Antragsverfahren auf Erwerbsminderungsrente („PEgL“; Bahmeret al. 2010) und die qualitative Studie zur Untersuchung von Entscheidungsheuristiken beiärztlichen Entscheidungen nach Aktenlage im Rentenantragsverfahren (Bartel et al. 2012)befassten sich mit den Wegen und Beeinflussungsfaktoren der gutachterlichen Entschei-dungsfindung.

Für die besonders schwer zu beurteilenden Folgen psychischer Störungen wurde das „Mini-ICF-Rating“ für psychische Störungen entwickelt, ein Kurzinstrument zur Beurteilung vonFähigkeitsstörungen bei psychischen Erkrankungen (Linden/Baron, 2005).

Die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung wird außerdem beeinflusst durch richterlicheund höchstrichterliche Entscheidungen der Landesozialgerichte und des Bundessozialge-richts. Dazu werden bei der Deutschen Rentenversicherung Bund seit mehr als 10 Jahrenregelmäßig alle LSG-Urteile ausgewertet und die Ergebnisse den Gutachtern mitgeteilt.

Die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung entwickelt sich fließend. Erste Maßnahmen zurOperationalisierung wurden ergriffen, um die Reliabilität zu erhöhen.

Literatur

Bahmer, J., Meisel, S., Hesse, B., Gebauer, E. (2010): Projekt zur Erfassung der Einfluss-faktoren auf die gutachterliche Leistungsbeurteilung (PEgL) – Chancen sozialmedizini-scher Begutachtung. Med Sach, 106 (6). 255-256.

Bartel, S., Ohlbrecht, H., Kardorff, E., Tegethoff, D. 2012: Qualitative Methoden in der Reha-bilitationsforschung. Eine Untersuchung von Entscheidungsheuristiken bei sozialmedizi-nischen Begutachtungen im Rentenantragsverfahren mittels der Think Aloud Methode.Dtsch med Wochenschr, 137 (13). DOI: 10.1055/s-0032-1323176.

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Deutsche Rentenversicherung (DRV) (2007): Abschlussbericht der Projektgruppe „Quali-tätssicherung der sozialmedizinischen Begutachtung“ (PGQSBEGUT). Berlin, DRV.

Linden, M., Baron, S. (2005): Das „Mini-ICF-Rating für psychische Störungen (MiniICF-P)“.Ein Kurzinstrument zur Beurteilung von Fähigkeitsstörungen bei psychischen Erkrankun-gen. Die Rehabilitation, 44. 144-151.

Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (2004): Abschlussbericht der Kommission zurWeiterentwicklung der Sozialmedizin in der gesetzlichen Rentenversicherung – SOMEKO.DRV-Schriften, Bd. 53.

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Reha-System und Vernetzung

Der Zugang in die Anschlussheilbehandlung aus ärztlicher Sicht:Eine Analyse von Informationsstand und Optimierungsbedarf

Gottschling-Lang, A., Egen, C., Sturm, C., Gutenbrunner, C.

Klinik für Rehabilitationsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover

Hintergrund

Die Anschlussrehabilitation (AHB) dient der Wiederherstellung der Funktions- und Erwerbs-fähigkeit nach akuten Erkrankungen, Unfällen und medizinischen Eingriffen (Ballüer et al.,2013). Sie muss vom Krankenhaus beantragt werden. Zugangskriterien können dem AHB-Indikationskatalog der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund, 2008) entnommenwerden.

Im Rahmen des von der DRV Bund geförderten Projektes „Wege in die Anschlussrehabili-tation – Analyse des Antrags- und Bewilligungsprozesses im Akutkrankenhaus“ wurden Ärz-te im Krankenhaus bezüglich ihres Informationsstandes über die AHB und deren Einleitungbefragt.

Methodik

Die Datenerhebung erfolgte anhand eines onlinegestützten, anonymen, teilstandardisiertenFragebogens in 3 Akutkrankenhäusern.

Neben Personenangaben (Alter, Geschlecht, Berufserfahrung) erfasste der Fragebogen inAnlehnung an den AHB-Indikationskatalog der DRV Bund folgende Themenkomplexe: Re-habilitationsindikationen und Optimierungsbedarfe im Rahmen der AHB-Einleitung (jeweilsoffene Fragen), Rehabilitationsziele, patientenseitige Rehabilitationsfähigkeit, Wunsch- undWahlrecht, Informationsbeschaffung bezüglich des AHB-Prozesses sowie strukturelle undorganisationsbezogene Aspekte der AHB (jeweils geschlossene Fragen). Überwiegend wa-ren bei den Fragen Mehrfachantworten möglich. Zur Vermeidung pauschalen Ankreuzenswurden zusätzlich falsche Antwortmöglichkeiten integriert. Neben der deskriptiven Auswer-tung war es somit möglich, ein Punktesystem zur Bewertung der Antworten zu erstellen: Je-de richtig benannte Antwortoption sowie jede richtigerweise nicht angekreuzte falsche Ant-wortoption wurde mit einem Pluspunkt bewertet, jede falsch benannte bzw. jede nicht ange-kreuzte richtige Antwortoption mit einem Minuspunkt. Ein höherer positiver Wert entsprichtsomit einem besseren Informationsstand zur AHB. Der Fragebogen wurde per E-Mail an253 Ärzte versandt.

Ergebnisse

An der Befragung beteiligten sich 81 Ärzte (Response: 32,0 %). 28,4 % (n=23) davon warenFrauen. Die Befragungsteilnehmer waren durchschnittlich 36,7 Jahre (SD 8,4) alt und wie-sen im Durchschnitt eine Berufserfahrung von 9,2 Jahren (SD 8,1) auf. Etwa die Hälfte derBefragungsteilnehmer (48,1 %) waren Assistenzärzte.

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Als wichtigste Ziele der AHB (Antwort „sehr wichtig“) wurden die Verbesserung der körper-lichen Leistungsfähigkeit (72,0 %; n=54) sowie die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeitfür das Erwerbsleben (62,7 %; n=47) genannt.

Lediglich 13,6 % (n=11) der Ärzte entnimmt die Information, bei welcher Indikation eine AHBangezeigt ist, dem Indikationskatalog der DRV. Der überwiegende Teil gewinnt entspre-chende Information aus der Berufserfahrung und den damit verbundenen Informationendurch Kollegen heraus (86,4 %; n=70).

Nur 14,7 % (n=11) der Befragten haben schon einmal an einem Fort- und Weiterbildungs-angebot zum Thema AHB teilgenommen. 76,0 % (n=57) gaben an, dass ein adäquatesFort- und Weiterbildungsangebot nicht existiere.

Hinsichtlich des generellen Informationsstandes zur AHB erreichten die Ärzte durchschnitt-lich 2,8 (SD 2,9) von möglichen +/− 6 Punkten zum Themenbereich Rehabilitationsfähigkeit,1,9 (SD 1,1) von +/− 3 Punkten zum Thema Wunsch- und Wahlrecht und zum zeitlichenAspekt des AHB-Beginns 0,5 (SD 1,3) von +/− 4 Punkten.

Im Rahmen der Freitextangaben wurde die im Arbeitsalltag fehlende Zeit für die Antragser-stellung (auch Befundberichterstellung) auf ärztlicher Seite als häufigstes Problem im Pro-zess der AHB-Einleitung identifiziert (20 Nennungen) sowie ein vereinfachter Prozess derAHB-Anmeldung (z. B. keine doppelte Erfassung von Patientendaten/Informationen, nicht-ärztliche AHB-Antragsverantwortliche) als Verbesserungsvorschläge genannt (12 Nennun-gen).

Diskussion

Krankenhausärzten ist die Bedeutung der AHB für die Wiederherstellung von Funktions-und Erwerbsfähigkeit insgesamt bewusst. Sie weisen jedoch einen objektiven Informations-bedarf zur AHB-Einleitung auf. Das existierende Fort- und Weiterbildungsangebot wird alsunzulänglich eingeschätzt. Der AHB-Indikationskatalog der DRV ist als Orientierungshilfe al-lerdings wenig bekannt. Ärzte verlassen sich überwiegend auf ihre Berufserfahrung.

Schlussfolgerung, Umsetzung und Ausblick

Es besteht offenbar ein Informationsdefizit bezüglich der AHB-Einleitung. Dieses könnte bei-spielsweise durch vermehrte Fort- und Weiterbildungsangebote kompensiert werden. Es istdenkbar, dass somit die Zuweisung in die AHB insgesamt verbessert werden könnte.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

Literatur

Ballüer, K., Rohland, D., Seger, W., Egen, C., Tecklenburg, A., Gutenbrunner, C. (2013): EinWeg aus dem Dickicht des Formulardschungels bei der Einleitung von Anschlussrehabi-litation bzw. Anschlussheilverfahren. Gesundheitswesen, 75. 848-852.

DRV Bund (Hrsg.) (2008): ABH. Anschlussrehabilitation. Informationsschrift für Kranken-häuser.14. Aufl. Berlin.

28

Angebote stationärer Rehabilitations- und Vorsorgemaßnahmen für pflegende Angehörige – Befragungsergebnisse aus dem Gutachten

für das BMG

Hertle, D., Lüken, F., Trümner, A., Veit, C.

BQS-Institut für Qualität und Patientensicherheit

Hintergrund

Mit der Verabschiedung des Pflegeneuausrichtungsgesetzes (PNG) wurden 2012 die Rah-menbedingung für die Teilnahme von pflegenden Angehörigen an medizinischen Rehabili-tations- und Vorsorgeleistungen verändert. So sind seitdem die „besonderen Belange pfle-gender Angehöriger“ (SGB V) bei der Beurteilung eines Antrags auf eine Maßnahme zuberücksichtigen. Zudem ermöglicht das PNG die Mitversorgung Pflegebedürftiger in denRehabilitationseinrichtungen.

Um festzustellen, welche Angebote in Rehabilitations- und Vorsorgeeinrichtungen inDeutschland mit spezifischer Ausrichtung auf die Gruppe der pflegenden Angehörigen exis-tieren und inwieweit die Einrichtungen auf die Änderungen durch das PNG reagiert haben,beauftragte das Bundesministerium für Gesundheit im Jahr 2013 das BQS-Institut mit einemFachgutachten.

Methodik

Zur Identifikation von spezifischen Angeboten für pflegende Angehörige wurde eine bundes-weite E-Mail-gestützte Befragung bei 1.167 Rehabilitationseinrichtungen durchgeführt.Ergänzt wurde die Erhebung durch 28 leitfadengestützte Interviews mit Experten aus Wis-senschaft (Pflege, Recht, Psychologie), Beratungspraxis, der Kostenträgerschaft sowieBetroffenen. Eine offene Internetrecherche lieferte weitere Hinweise auf spezifische Reha-bilitationsmaßnahmen.

Ergebnisse

Es wurden 31 Rehabilitationseinrichtungen gefunden, die spezifische Maßnahmen für dieZielgruppe der pflegenden Angehörigen anbieten. Maßnahmen fanden sich in den Indika-tionsbereichen Geriatrie, Psychosomatik, Orthopädie, Neurologie, Kardiologie sowie als Vor-sorgemaßnahmen des Müttergenesungswerkes und in Spezialkliniken für Demenzkranke.Konzeptionelle Standards existieren derzeit nicht. Die jeweiligen Konzepte werden von denEinrichtungen individuell erarbeitet und setzen unterschiedliche Schwerpunkte, die an dieSpezifika des Indikationsbereiches anknüpfen. 57 Reha-Einrichtungen wurden ermittelt, diedie Mitnahme von Pflegebedürftigen unterschiedlicher Pflegestufen ermöglichen. Die Ver-sorgung wird dabei entweder intern oder mithilfe externer Kooperationspartner gewährleistet.

Die Bereitstellung von stationären Reha- und Vorsorgeangeboten, die die Bedürfnisse pfle-gender Angehöriger konzeptionell berücksichtigen, ist nach Auskunft von Einrichtungen undExperten grundsätzlich gut machbar. Als problematisch werden jedoch hohe Zugangsbar-rieren und damit zusammenhängend eine unzureichende Inanspruchnahme angesehen.Einige Einrichtungen haben Angebote deshalb wieder eingestellt.

29

Diskussion

Die niedrige Zahl von Einrichtungen mit Angeboten für pflegende Angehörige im Zusam-menhang mit einer Rücklaufquote von nur 8,2 % bei der E-Mail-Befragung wirft die Frageauf, ob alle Einrichtungen mit entsprechenden Angeboten gefunden wurden. Auffällig war,dass ganz überwiegend Einrichtungen mit Angeboten, jedoch kaum Einrichtungen ohneAngebote geantwortet haben, sodass hier von einem Bias zugunsten der Einrichtungen mitAngeboten auszugehen ist. Durch die ergänzende Internetrecherche und die Expertenbe-fragung konnten zwar weitere Angebote identifiziert werden. Von diesen waren aber vielebereits aus der Befragung bekannt.

Schlussfolgerungen

Die Bereitstellung von zielgruppenspezifischen Reha-Maßnahmen für pflegende Angehöri-ge erscheint ohne großen Aufwand möglich, da sich viele der regelhaft vorhandenen Reha-bilitationselemente wie psychosoziale Betreuung, die Durchführung von Schulungsmaßnah-men sowie die kontextfaktoren- und ressourcenorientierte Vorgehensweise gut auf die Ziel-gruppe der pflegenden Angehörigen ausrichten lassen. Allerdings setzt die Implementierungsolcher Maßnahmen inkl. der Bereitstellung einer Mitversorgungsmöglichkeit des Pflegebe-dürftigen Planungssicherheit bei den Einrichtungen voraus und erfordert eine entsprechen-de Zahl an Zuweisungen. Die vom PNG geforderte „besondere Berücksichtigung“ bei derAntragstellung kann daher nur zum Tragen kommen, wenn die Hürden der Antragsstellungnicht zu hoch sind und wenn pflegende Angehörige und anbietende Einrichtungen entspre-chend von den Kostenträgern identifiziert werden, sodass eine passgenaue Zusteuerungmöglich wird.

Förderung: Bundesministerium für Gesundheit

Literatur

Hertle, D., Lüken, F., Trümner, A., Tewes, C., Rohjans, M., Veit, C. (2014): Vom Bedarf zurReha: Bestandsaufnahme zur medizinischen Rehabilitation für pflegende Angehörige.Ein Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit. Düsseldorf: BQS Ins-titut für Qualität und Patientensicherheit.

Versorgungsunterschiede zwischen deutschen und ausländischen Rehabilitanden?

Erbstößer, S., Zollmann, P.

Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund

Fast ein Fünftel der Bevölkerung in Deutschland hat einen Migrationshintergrund, etwas we-niger als die Hälfte davon mit einer anderen Staatsangehörigkeit (Statistisches Bundesamt,2014). Menschen mit Migrationshintergrund unterscheiden sich in gesundheitlicher Hinsichtvon Menschen ohne Migrationshintergrund. Sie sind z. B. häufiger von Arbeitsunfällen, Be-rufskrankheiten oder Erwerbsminderungsrenten betroffen (Robert Koch-Institut, 2008).

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Dennoch nehmen sie seltener eine Rehabilitation in Anspruch (Voigtländer et al., 2013), dieRehabilitation ist bei ihnen im Durchschnitt weniger erfolgreich (Mösko et al., 2008). DieseErgebnisse können nur zu einem Teil durch den Einfluss soziodemografischer und gesund-heitlicher Faktoren erklärt werden (Brzoska et. al., 2013; zu etwas anderen Ergebnissenkommen Kobelt et al., 2013).

Das Vorsorgungsgeschehen in der medizinischen Rehabilitation kann mit den Routinedatender Rentenversicherung abgebildet werden; diese ermöglichen bislang allerdings nur Aus-wertungen nach Staatsangehörigkeit.

Fragestellung

Unterscheiden sich Rehabilitanden unterschiedlicher Staatsangehörigkeiten hinsichtlich so-ziodemografischer Aspekte, der Reha-Versorgung oder der beruflichen Wiedereingliede-rung (Return to work)?

Methodik

Auf Basis der Routinedaten der Deutschen Rentenversicherung (RSD 2001 bis 2011) wur-den pflichtversicherte RehabilitandInnen mit einer medizinischen Rehabilitation im Jahr2009 ausgewählt. Die Staatsbürgerschaften wurden z. T. zusammengefasst: früheres Jugo-slawien, frühere Sowjetunion und Südeuropa.

Mithilfe von deskriptiven Auswertungen und multivariaten logistischen Regressionen(SPSS 22) wurden der Return to work (RTW) sowie die relevanten Einflussfaktoren ermit-telt. Zur Operationalisierung des RTW wurden unterschiedliche Konzepte herangezogen.

Ergebnisse

RehabilitandInnen des Jahres 2009 besitzen weit überwiegend die deutsche Staatsbürger-schaft (94 %), nur 6 % haben eine andere Staatsbürgerschaft. Der Ausländeranteil unterden aktiv Versicherten der Deutschen Rentenversicherung liegt dagegen mit 10 % etwashöher. Im Hinblick auf soziodemografische Merkmale unterscheiden sich die RehabilitandIn-nen zum Teil erheblich: Bei den türkischen Versicherten sind der Frauenanteil und der Al-tersdurchschnitt vergleichsweise geringer. Auch südeuropäische Rehabilitanden sind häufi-ger männlich, Rehabilitanden aus dem früheren Jugoslawien sind durchschnittlich älter.

Erhebliche Unterschiede zeigen sich auch für die Erwerbssituation: Versicherte mit einerausländischen Staatsangehörigkeit weisen häufig eine deutlich niedrigere Bildung auf undüben überwiegend niedrig qualifizierte Berufe aus. Im Jahr vor Reha-Beginn waren nur ca.30 % der Versicherten aus der Türkei bzw. der früheren Sowjetunion durchgängig beschäf-tigt, dagegen ca. die Hälfte der deutschen RehabilitandInnen. Ein hoher Anteil der Rehabi-litanden aus der Türkei und aus dem früheren Jugoslawien erhält Krankengeld (40 %), über40 % der Versicherten aus der früheren Sowjetunion beziehen Arbeitslosengeld II/Hartz IV.

Hinsichtlich der rehabilitativen Versorgung ergeben sich eher geringe Unterschiede: Türki-sche Versicherte nehmen häufiger eine medizinische Rehabilitation wegen psychischer Stö-rungen in Anspruch. Therapiedichte und -zusammensetzung sowie die Empfehlungen sindfür alle betrachteten Gruppen ähnlich.

31

Abbildung 1 stellt die berufliche Wiedereingliederung innerhalb der 2 Jahre nach dem Endeder Rehabilitation getrennt nach Staatsangehörigkeit dar. Sowohl der Anteil mit ver-sicherungspflichtiger Beschäftigung als auch die durchschnittliche Anzahl von Beitragsmo-naten unterscheidet sich je nach Staatsangehörigkeit teils erheblich: Für Versicherte mitdeutscher Staatsangehörigkeit liegt der Anteil mit versicherungspflichtiger Beschäftigungam höchsten (75 %). Dies trifft mit 19,1 Monaten auch für die Dauer der Beschäftigung zu.Dagegen nehmen Versicherte mit türkischer Staatsangehörigkeit oder aus der ehemaligenSowjetunion nur zu etwas mehr als der Hälfte wieder eine Beschäftigung auf. Bei türkischenRehabilitandInnen ist zudem auch die Dauer der Beschäftigung mit 16,5 Monaten amniedrigsten.

Anm.: 15.621 RehabilitandInnen mit anderer bzw. unklarer Staatsangehörigkeit

Abb. 1: Rehabilitanden mit mind. 1 Monat versicherungspflichtiger Beschäftigung im 2-Jahres-Verlaufnach Rehabilitation im Jahr 2009 nach Staatsangehörigkeit

Diese Unterschiede im Return to Work sind allerdings nicht auf die Staatsangehörigkeit zu-rückzuführen: Sie erweist sich in den multivariaten logistischen Regressionen nicht als si-gnifikanter und relevanter Einflussfaktor. Wesentliche Einflussfaktoren sind dagegen die Be-schäftigungssituation vor Rehabilitationsbeginn, die sozialmedizinische Einschätzung derLeistungsfähigkeit in der letzten beruflichen Tätigkeit, das Alter (gruppiert) sowie das Entgeltpro Tag mit versicherungspflichtiger Beschäftigung im Jahr 2008.

Diskussion

Die gravierenden Unterschiede in der beruflichen Wiedereingliederung zwischen Versicher-ten mit deutscher und ausländischer Staatsangehörigkeit sind, wie die Regressionen bele-gen, im Wesentlichen nicht auf die Staatsangehörigkeit zurückzuführen, sondern auf die un-terschiedliche Beschäftigungssituation vor der Rehabilitation. Gleichwohl ist die unterschied-

53%

75%

57%66%

70%

0%

20%

40%

60%

80%

100%

mind. 1 Monat beschäftigt

deutsch n=683.247F: 48%, Ø=49J.

türkisch n=12.252F: 37%, Ø=45J.

ehem. Jugosl. n=8.157F: 47%, Ø=50J.

ehem. SU n=2.659F: 48%, Ø=48J.

Südeuropa n=8.254F: 36%, Ø=49J.

ø19,1 ø16,5 ø 16,9 ø 17,3 ø 17,9 Monate mit

Beschäftigung

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liche Beschäftigungssituation sicherlich auch Ausdruck der je nach Staatsangehörigkeitunterschiedlichen Bildungschancen, beruflichen Tätigkeiten bzw. Sozialschicht. Insgesamtlässt sich ableiten, dass die Erhaltung eines noch bestehenden Arbeitsplatzes für jeden Ver-sicherten gleich welcher Nationalität von zentraler Bedeutung ist. Darüber hinaus stellt sichdie Frage, ob die relativ ähnliche Therapiedichte und -zusammensetzung zwingend als Indi-kator für eine gute Qualität der rehabilitativen Versorgung anzusehen ist.

Literatur

Brzoska, P., Voigtländer S., Spallek, J., Razum, O. (2013): Reha-Erfolg bei Migrant(inn)en:Herkunftsländer im Vergleich. In: Schott T., Razum O. (Hrsg.): Migration und medizini-sche Rehabilitation. Weinheim, Basel: Beltz Juventa Verlag.

Kobelt, A., Goebber, J., Pfeiffer, W., Petermann, F. (2013): Die sozioökonomische Schichtist wichtiger für das Behandlungsergebnis in der psychosomatischen Rehabilitation alsder Migrationshintergrund. In: Phys Med Rehab Kuror, 23. 353-357.

Mösko, M., Schneider, J., Koch, U., Schulz, H. (2008): Beeinflusst der türkische Migrations-hintergrund das Behandlungsergebnis? Ergebnisse einer prospektiven Versorgungsstu-die in der stationären Rehabilitation von Patienten mit psychischen/psychosomatischenStörungen. Psychother Psych Med Psych, 58 (3-4). 176-182.

Robert Koch-Institut (Hrsg.) (2008): Migration und Gesundheit. Berlin.Statistisches Bundesamt (2014): 15,3 Millionen Personen haben einen Migrationshinter-

grund. Pressemitteilung vom 3. Juni 2014 – 193/14.Voigtländer, S., Brzoska, P., Spallek, J., Exner, A.-K., Razum, O. (2013): Die Inanspruch-

nahme medizinischer Rehabilitation bei Menschen mit Migrationshintergrund. In: Schott T.,Razum O. (Hrsg.): Migration und medizinische Rehabilitation. Weinheim, Basel: Beltz Ju-venta Verlag.

Vernetztes MBOR-Konzept zwischen Bergwerkbetrieb und Reha-Klinik – medizinische und ökonomische Ergebnisse

Müller, W.-D. (1), Derlien, S. (2), Knufinke, R. (3), Kleinhans, W. (4), Smolenski, U.C. (2)

(1) m&i-Fachklinik Bad Liebenstein, (2) Institut für Physiotherapie, Universitätsklinikum Jena, (3) Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, Bochum,

(4) K+S KALI GmbH, Werk Werra

Hintergrund und Zweck der Untersuchung

Im Rahmen früherer Untersuchungen wurde in Zusammenarbeit mit Industriebetrieben undDRV Mitteldeutschland über ergebnisorientierte Optimierungsschritte ein Konzept zur Ver-zahnung zwischen medizinischer Rehabilitation und beruflicher Reintegration entwickeltund in der Praxis erfolgreich erprobt (Müller et al., 2005; Müller et al., 2006; Maier, 2010).Dieses erfolgreiche Konzept wurde in einer weiteren Studie unter den spezifischen Bedin-gungen eines Bergwerkunternehmens hinsichtlich seiner Wirksamkeit untersucht und imAnschluss erfolgreich implementiert (Müller et al., 2009; Müller et al., 2011).

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Das im Konzept angewandte arbeitsplatzbezogene Profilvergleichssystem IMBA wurde An-fang 2011 auf die elektronische Form MARIE umgestellt, sodass ein problemloser Online-Austausch von arbeitsplatzbezogenen Profildaten (Anforderungsprofile im Betrieb unter-stützt durch Fotodokumentation der Arbeitsplätze, Fähigkeitsprofildaten sowie Profilver-gleichsergebnisse der Klinik) erfolgen kann. Zusätzlich wurde das Reha-Team der Klinik imBetrieb vor Ort systematisch zu spezifischen Arbeitsplatzanforderungen im Bergwerkbetriebgeschult. Zweck der vorliegenden Arbeit war es, die medizinischen und ökonomischen Er-gebnisse des MBOR-Projektes in den Jahren 2010 bis 2012 zu untersuchen.

Methodik

Im Rahmen einer seit 01/2006 laufenden prospektiven Fallkontrollstudie wurden in der Zeitvon 01/2011 bis 12/2012 87 Mitarbeiter eines Bergwerkbetriebes mit gefährdeter Erwerbs-fähigkeit wegen rezidivierenden Rücken- bzw. Gelenkbeschwerden zu einer durchschnitt-lich 3-wöchigen stationären MBOR unter Trägerschaft der DRV Knappschaft-Bahn-See mitgestrafftem Antragsverfahren eingewiesen. Vor Beginn der Reha erfolgte seitens des Be-triebes die Übertragung des Arbeitsplatzanforderungsprofils nach IMBA via MARIE onlinean die Klinik. Zum Reha-Beginn wurde das Arbeitsplatzanforderungsprofil mit dem Patien-tenfähigkeitsprofil mittels EFL-Screening-Test und IMBA/MARIE verglichen und das Reha-Interventionsprogramm auf die spezifischen Anforderungen des arbeitsbezogenen Leis-tungsvermögens abgestimmt. Am Reha-Ende erfolgte im Rahmen einer Fallkonferenz unterBeteiligung des Betriebes (regelhaft Teilnahme des Leiters betriebliches Gesundheits- undEingliederungsmanagement) die nahtlose Wiedereingliederung von 65 Rehabilitanden inden Arbeitsprozess mit allen notwendigen Begleitmaßnahmen (z. B. Leistungen zur Teilha-be am Arbeitsleben, ambulante Therapie). Bei 11 Rehabilitanden waren die Leistungsreser-ven erschöpft, sodass anschließend eine Berentung erfolgte. Den Patienten wurden SF-36,EQ5D, FFbHR und WOMAC am Anfang (T1), am Ende (T2) der Reha-Maßnahme und6 Monate nach Entlassung (T3) vorgelegt.

Ergebnisse

Von den 76 im Erwerbsprozess verbliebenen Rehabilitanden wurden 65 Patienten einge-schlossen. Alle 65 Patienten wurden zum Zeitpunkt T3 nachbefragt, von denen 47 antwor-teten (72,3 %). Longitudinale Effekte wurden geprüft und mit den Stichproben aus früherenStudien verglichen. Seitens des Betriebes wurden in Zusammenarbeit mit dem Kostenträgerdie Arbeitsunfähigkeitszeiten (orthopädische Leiden betreffend) der eingeschlossenen Pa-tienten 1 Jahr vor und 1 Jahr nach der stationären Rehabilitationsbehandlung ermittelt.

Die Ergebnisse des Eingangsassessment zeigen einen komplexen Reha-Bedarf bei der ge-samten Stichprobe auf. Im SF-36 zeigten sich während des Reha-Verfahrens im Bereich derkörperlichen Skalen kleine bis mittlere Effektstärken; im Bereich der mentalen Skalen kleineEffekte. Die Verbesserungen konnten nach der stationären Phase im Bereich der körperli-chen Skalen weiter ausgebaut werden, sodass über den Gesamtbetrachtungszeitraum mitt-lere bis große Effektstärken nachweisbar waren. In den mentalen Skalen konnten die imReha-Verfahren erreichten Werte nicht gehalten werden, sodass sich über den Gesamtbe-trachtungszeitraum lediglich kleine Effekte zeigten.

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Bei Betrachtung des spezifischen Gesundheitszustandes konnten bei FFbHR während desReha-Verfahrens nur kleine Effektstärken erreicht werden, welche sich in der Nachbehand-lungsphase etwas verstärkten. Im WOMAC waren ebenfalls während des Heilverfahrens inden Items Schmerz, Steifigkeit und Funktion kleine Effektstärken zu verzeichnen, welchesich im Follow up verstärkten, sodass in allen 3 Items über den Gesamtbetrachtungszeit-raum mittlere Effektstärken erreicht worden sind.

Die Arbeitsunfähigkeitszeiten konnten im Jahr nach der stationären Rehabilitation im Ver-gleich zum Jahr davor um 40 % gesenkt werden.

Diskussion

Die bessere Vernetzung zwischen Betrieb und Klinik hat zu einem reibungsloseren Ablaufdes MBOR-Projektes geführt, da in allen Fällen zum Reha-Beginn alle Informationen zumjeweiligen Arbeitsplatzanforderungsprofil vorlagen. Im Vergleich zur letzten Stichprobenun-tersuchung 2011 konnte der Rücklauf der Patientennachbefragung zum Zeitpunkt T3 von50,9 % auf 72,3 % gesteigert werden. Die stationäre Rehabilitation zeigte messbare positiveund nachhaltige Effekte, welche zwar im Vergleich zur Voruntersuchung von 2011, insbe-sondere in den mentalen Skalen der generischen Instrumente sowie im spezifischen Ge-sundheitszustand etwas geringer ausfielen, aber dennoch zu einem deutlichen Rückgangder Arbeitsunfähigkeitszeiten der Rehabilitanden nach stattgehabter Rehabilitation führten.Die Fortschritte in der Vernetzung zwischen Klinik und Betrieb werden von allen Prozessbe-teiligten als außerordentlich positiv und hilfreich bewertet.

Schlussfolgerungen

Das im Zuge systematischer und assessmentgestützter Optimierungsschritte entwickelteReha-Konzept ist in Zusammenarbeit zwischen Reha-Klinik und Bergwerkbetrieb ein Routine-verfahren geworden. Die Nutzung der Assessmentergebnisse zur Reha-Steuerung und zumNachweis der Ergebnisqualität der stationären Rehabilitation sowie die Analyse der ökono-mischen Effekte haben sich sowohl für die Klinik, als auch für den Betrieb als äußerst vor-teilhaft erwiesen, sodass aus Sicht aller Prozessbeteiligten (Betrieb, Klinik und Kostenträ-ger) eine routinemäßige Fortsetzung des Verfahrens festgelegt wurde.

Literatur

Maier, V. (2010): Verzahnung zwischen medizinischer Rehabilitation und beruflicher Reinte-gration bei Beschäftigten der Automobilindustrie mit Rückenschmerzen. ErgebnisorientierteOptimierung der Rehabilitationskonzepte. Dissertation: Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Müller, W.-D., Bak, P., Maier, V., Lohsträter, A., Smolenski, U.C. (2005): ErgebnisorientierteOptimierung der Rehabilitationskonzepte bei berufstätigen Patienten mit rezidivierendenRückenschmerzen – eine kontrollierte klinische Studie. DRV-Schriften, Bd. 59. 258-259.

Müller, W.-D., Maier, V., Bak, P., Smolenski, U.C. (2006): Verzahnung zwischen medizini-scher Rehabilitation und beruflicher Reintegration bei Beschäftigten der Automobilindus-trie mit Rücken- und Gelenkschmerzen. Phys Med Rehab Kuror, 16. 149-154.

Müller, W.-D., Knufinke, R., Kleinhans, W., Smolenski, U.C., Bak, P. (2009): Verzahnungzwischen medizinischer Rehabilitation und beruflicher Reintegration bei Beschäftigteneines Bergwerkbetriebes mit Rückenschmerzen – Implementierung eines optimierten Re-hakonzeptes. DRV-Schriften, Bd. 83. 171-172.

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Müller, W.-D., Knufinke, R., Kleinhans, W., Smolenski, U.C., Bak, P. (2011): Verzahnungzwischen medizinischer Rehabilitation und beruflicher Reintegration bei Beschäftigten ei-nes Bergwerkbetriebes – medizinische und ökonomische Ergebnisse eines optimiertenRehabilitationskonzeptes. DRV-Schriften, Bd. 93. 201-203.

„Um den mache ich mir Sorgen“ – Kooperationsprojekt Grundfos-Aukrugzur Erhaltung der Beruflichen Integration (GABI)

Specht, T. (1), Roese, I. (2), Usdrowski, G. (1), Breiholz, J. (2), Feddersen, D. (1),Mux, B. (2), Glaser-Möller, N. (3)

(1) Fachklinik Aukrug der Deutschen Rentenversicherung Nord, Aukrug, (2) Grundfos Pumpenfabrik GmbH, Wahlstedt, (3) Deutsche Rentenversicherung Nord, Lübeck

Hintergrund

Die Firma Grundfos ist ein Maschinenbauunternehmen, das Spezialpumpen für den welt-weiten Markt produziert. Im Werk in Wahlstedt sind ca. 650 Mitarbeiter beschäftigt. Es be-steht ein hohes Interesse am Erhalt der beruflichen Integration insbesondere der älterenKompetenzträger bis zum Erreichen der Altersgrenze. Die Fachklinik Aukrug der DeutschenRentenversicherung (DRV) Nord hat mit den Abteilungen Psychosomatik, Innere Medizin,Orthopädie und Schlafmedizin fächerübergreifende Versorgungsstrukturen aufgebaut, umdem steigenden Bedarf an Reha-Angeboten für ältere Multimorbide zu begegnen. Ein be-sonderer Fokus liegt dabei auf der Verbindung von Körper- und Seelenmedizin („Sowohl-als-auch“).

Methodik

Mit dem von Firmenleitung, Betriebsrat und Klinik entwickelten Projekt GABI sollen die Mit-arbeiter erreicht werden, bei denen oder bei deren Führungskräften „Sorgen“ bestehen, obsie den beruflichen Anforderungen weiter gewachsen sein werden, ohne dass die Hinter-gründe dafür bereits klar sein müssen. Im Rahmen eines präventiven Ansatzes erfolgt eine1- bis 2-tägige interdisziplinäre somatische und psychosomatische Diagnostik in der Reha-Einrichtung einschließlich EFL-Testung (Evaluation der Funktionellen Leistungsfähigkeitnach Isernhagen), an deren Ende ein IMBA/MARIE-basierter, standardisierter Profilver-gleich zwischen beruflichen Anforderungen und individueller Leistungsfähigkeit steht, ver-bunden mit konkreten Empfehlungen zu möglichen Integrationssichernden Maßnahmen.Die Kosten der Untersuchung trägt das Unternehmen. Personenbezogene Informationenwurden dabei ausschließlich zwischen Klinik und Betriebsärztin ausgetauscht.

Ergebnisse

Über einen Zeitraum von 10 Monaten wurden 12 Mitarbeiter eingeschlossen, die Hälfte da-von war über 50 Jahre alt. Die Initiative dafür ging in 5 Fällen vom Vorgesetzten aus, in3 Fällen vom Betriebsrat, in zweien vom Steuerkreis Betriebliches Gesundheitsmanage-ment und in zweien vom Mitarbeiter selbst. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten vor Einschlusswaren sehr unterschiedlich gewesen. Sie lagen bei 8 Mitarbeitern unter 6 Wochen, beivieren darüber. Im Work-Ability-Index (WAI) lag die Arbeitsfähigkeit bei 6 Teilnehmern im

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„kritischen“ Bereich, bei fünfen im „mäßigen“ (1 Fall ohne WAI), was darauf hinweist, dassdie Sorge um den Erhalt des Arbeitsplatzes berechtigt war. Folgende Ergebnisse wurden imVerlauf von der Betriebsärztin mit einem Follow-up zwischen 2 und 8 Monaten erhoben: Alsrelevant für die berufliche Reintegration erschienen achtmal somatische und fünfmal psycho-somatische Aspekte, sechsmal psychosoziale Belastungen am Arbeitsplatz und dreimalsonstige psychosoziale Belastungen (Mehrfachnennung möglich). In allen Fällen erfolgtennach GABI konkrete Maßnahmen: dreimal Anpassungen am Arbeitsplatz, fünfmal be-triebsinterner Wechsel des Arbeitsplatzes, sechsmal ambulante Behandlung, zweimal Re-habilitation, viermal Unterstützung durch EAP und fünfmal „Sonstiges“ (Mehrfachnennungmöglich). Alle Teilnehmer sind weiter im Unternehmen tätig, kein Arbeitsverhältnis wurdebeendet. Der berufliche Verlauf in der Beurteilung durch die Betriebsärztin zeigt in 10 Fällen„stabile Tätigkeit im Betrieb“ und in je 4 Fällen „Erhalt der Arbeitsfähigkeit“ bzw. „Verbesse-rung der Arbeitsfähigkeit“ (Mehrfachnennung möglich). In keinem Fall kam es zu einer Ver-schlechterung der Arbeitsfähigkeit.

Diskussion

Als wesentlich für das Gelingen des Projektes erschienen das gemeinsame übergeordneteZiel aller Beteiligten und das im Verlauf entstandene Vertrauen der Mitarbeiter in den für-sorglichen und sinnhaften Charakter des Angebotes. Daneben zeigte sich, dass die Inte-gration des psychosomatischen Blickwinkels in die Projektkonzeption in vielen Fällenwesentlich zur Klärung der zugrunde liegenden Problematik beigetragen hat.

Schlussfolgerungen und Ausblick

Das weiterlaufende Projekt GABI zeigt praxisnah, wie der Weg von ersten (subjektiven) An-zeichen der Gefährdung über integrierte Diagnostik bis hin zu konkreten Maßnahmen gelin-gen kann. Aus Sicht der Arbeitsgruppe wesentlich sind dabei nicht ein hoher Ressourcen-einsatz, sondern eine sinnvolle Zusammenführung von Kompetenzen und ein gemeinsamesWollen. Die Erfahrungen mit GABI zeigen, dass eine enge Kooperation einer breit gefächer-ten Reha-Einrichtung mit einem Unternehmen aus der Region eindeutige Vorteile für die be-troffenen Mitarbeiter und die Kooperationspartner bringt.

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Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation I

Die Validität des SIMBO-C bei inneren Erkrankungen –Ergebnisse einer multizentrischen Studie

Streibelt, M. (1), Franke, W. (2), Kiwus, U. (3), Schittich, I. (4), Reichel, C. (5, 6)

(1) Abteilung Rehabilitation, Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin, (2) Reha-Zentrum Bad Kissingen, (3) Reha-Zentrum Bad Nauheim, (4) Reha-Zentrum Schömberg – Klinik

Schwarzwald, (5) Reha-Zentrum Bad Brückenau – Klinik Hartwald, (6) Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit/Public Health, Universität Bonn

Einleitung

Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitationsleistungen (MBOR) sind effektiv, wenn esdarum geht, Personen mit besonderen beruflichen Problemlagen (BBPL) wieder in das Er-werbsleben zu integrieren (Kittel, Karoff, 2008; Streibelt; Bethge 2014a). Kriterien der BBPLwerden insbesondere über sozialmedizinische Informationen wie Fehlzeiten oder Erwerbs-status sowie subjektive Angaben der Patienten abgebildet (DRV Bund, 2012). Mit demSIMBO-C existiert ein Screeninginstrument, welches solche Indikatoren in sich vereint undso eine Aussage über die Stärke der arbeitsbezogenen Probleme aufgrund der chronischenErkrankung macht (Streibelt, 2009).

Der SIMBO-C wurde an einer indikationsübergreifenden Stichprobe entwickelt und ist ins-besondere in der Orthopädie auf seine Validität getestet worden (Streibelt, Bethge, 2014b).Aus diesem Grund setzt ihn die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund in der Orthopä-die regelhaft zur Unterstützung der Steuerung in MBOR-Behandlungskonzepte ein.

Aus der Praxis stellte sich die Frage, ob der SIMBO-C auch bei inneren Erkrankungen valideberufsbezogene Probleme vorhersagen kann.

Methoden

Gemeinsam mit 12 Reha-Zentren der DRV Bund wurde eine multizentrische, prospektiveKohortenstudie durchgeführt. Eingeschlossen wurden Patienten mit inneren Erkrankungenim Alter von 18–65 Jahre. Ausgeschlossen wurden Patienten der Anschlussrehabilitation.Zusätzlich wurden Vergleichsstichproben aus der Orthopädie und der Psychosomatik re-krutiert. Die Patienten wurden zu Beginn der Rehabilitation (t1) und 3 Monate nach Ende (t2)schriftlich befragt. Neben dem SIMBO-C kamen der Work Ability Score (WAS), die SkalenKörperliche und Emotionale Rollenfunktion des SF-36, die Einschätzung des aktuellen Ge-sundheitszustandes und die Skala zur Subjektiven Prognose der Erwerbsfähigkeit (SPE)zum Einsatz. Zusätzlich wurden die Daten der ärztlichen Entlassungsberichte erhoben.

Die Konstruktvalidität wurde mittels Korrelationsanalysen, die Vorhersagegüte durch ROC-Kurven getestet. Als vorherzusagendes Outcome wurde eine dichotome Kombination ver-schiedener kritischer beruflicher Ereignisse verwendet (Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfähigkeit>5 Wochen, EM-Rentenantrag, LTA-Antrag, Teilnahme Stufenweise Wiedereingliederung,Streibelt, 2009).

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Ergebnisse

Von ursprünglich 2.200 rekrutierten Patienten konnten 2.134 Fragebögen zugeordnet undvon diesen wiederum (nach Prüfung der Ausschlusskriterien) 1.927 Datensätze zu t1 ver-wendet werden. 87 % davon antworteten auch in der Katamnese (n=1.673). Die vorliegen-den Ergebnisse konzentrieren sich auf die größten Indikationen Kardiologie (KHK, n=471),Stoffwechsel/Verdauung (ST/VD, n=417), Pneumologie (PN, n=252) und Onkologie (CA,n=183). Die Indikationsgruppen waren durchschnittlich 51 (ST/VD) bis 55 (KHK) Jahre alt.Der Anteil an Frauen variierte zwischen 34 % (KHK) und 70 % (CA).

Die Korrelationen zwischen dem SIMBO-Score und den anderen gemessenen Instrumentenlag im niedrigen bis moderaten Bereich. Einzig zum WAS wurden konstante Korrelationsko-effizienten um .50 ermittelt. Auffällig waren die geringen Zusammenhänge bei den CA-Pa-tienten (.08 bis .29, außer WAS: .47).

Die Vorhersagegüte für kritische berufliche Ereignisse nach Ende der Rehabilitation war da-gegen sehr gut. Es wurden AUC von .87 (KH) bis .89 (PN) ermittelt. Die optimalen Cutofflagen bei 20 (KHK, CA) bzw. 23 (PN, ST/VD) Punkten. Damit wurden Sensitivitäten von84–92 % erreicht. Allerdings waren die positiven Vorhersagewerte mit 58–84 % teilweisegeringer.

Bei Verwendung eines SIMBO-Cutoffs von 20 Punkten betrug die Prävalenz einer BBPL24 % (PN) bis 32 % (KHK) bzw. 51 % (CA). Die tatsächlichen Prävalenzen für kritische be-rufliche Ereignisse lagen etwa 10 Prozentpunkte darunter.

Diskussion

Der SIMBO-C hat bei inneren Erkrankungen eine moderate Konstruktvalidität. Insbesonderebei onkologischen Patienten können kaum substanzielle Zusammenhänge zu vergleichbarenInstrumenten ermittelt werden. Dagegen gelingt die Vorhersage kritischer beruflicher Ereignis-se sehr gut. Die bereits in der Orthopädie ermittelte Grenze von 20 Punkten wählt, wie im Falleeines Screeninginstruments auch gewünscht, eine Gruppe von Patienten aus, in der fast allePatienten mit späteren beruflichen Problemen enthalten sind. Allerdings ist diese Auswahlniedrigschwellig und geht auf Kosten eines eher mittelmäßigen positiven Vorhersagewertes.Auch die Prävalenzen verdeutlichen, dass mit diesem SIMBO-Cutoff mehr Personen ausge-wählt werden als letztlich „MBOR-bedürftig“ sind. Weitere Analysen müssen zeigen, ob sichdie positiven Ergebnisse auch auf Ebene einzelner Erkrankungen replizieren lassen.

Literatur

Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.) (2012): Anforderungsprofil zur Durchführungder Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) im Auftrag der DeutschenRentenversicherung. Berlin.

Kittel, J., Karoff, M. (2008): Lässt sich die Teilhabe am Arbeitsleben durch eine berufsorien-tierte kardiologische Rehabilitation verbessern? Ergebnisse einer randomisierten Kon-trollgruppenstudie. Die Rehabilitation, 47 (1). 14-22.

Streibelt, M. (2009): Validität und Reliabilität eines Screening-Instruments zur Erkennungbesonderer beruflicher Problemlagen bei chronischen Krankheiten (SIMBO-C). Die Re-habilitation, 48 (3). 135-144.

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Streibelt, M., Bethge, M. (2014a): Effects of intensified work-related multidisciplinary rehabi-litation on occupational participation: a randomized-controlled trial in patients with chronicmusculoskeletal disorders. Int J Rehabil Res., 37 (1). 61-66.

Streibelt, M., Bethge, M. (2014b): Prospective Cohort Analysis of the Predictive Validity of aScreening Instrument for Severe Restrictions of Work Ability in Patients with Musculo-skeletal Disorders. Am J Phys Med Rehabil. [Epub ahead of print]

Umsetzung der Strategie des Erwerbsbezugs in der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover –

eine Routinedatenanalyse

Gerdau-Heitmann, C. (1), Gutenbrunner, C. (1), Miede, J. (2), Schwarze, M. (1)

(1) Klinik für Rehabilitationsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, (2) Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, Laatzen

Hintergrund

Der demografische Wandel und die Zunahme chronischer Erkrankungen erfordern einestärker an die Anforderungen der Arbeitswelt ausgerichtete Rehabilitationsstrategie (Egneret al., 2011; Schwarze et al., 2014). Der Arbeits- und Berufsbezug sollte dabei den gesam-ten Rehabilitationsprozess prägen (Bethge, 2010). Die Deutsche RentenversicherungBraunschweig-Hannover (DRV BS-H) hat die Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilita-tion (MBOR) sowie ein anschließendes Fallmanagement (FM) eingeführt. Diese Strategiewird als Erwerbsbezug definiert. Ziel der Studie ist es zu klären, wie weit die Umsetzung derMBOR in den Rehabilitationskliniken bereits erfolgt ist und inwieweit die Umsetzung derneuen Strategie zu einer bedarfsorientierteren Versorgung geführt hat bzw. welchen Ein-fluss Subparameter dabei haben?

Methodik

Es wurden Versichertendaten berücksichtigt und die Umsetzung der MBOR anhand von the-rapeutischen Leistungen (KTL) bestimmt. Die Kategorisierung resultierte auf Grundlage desMBOR-Anforderungsprofil (Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV), 2012) und einer Ab-stimmung mit Vertreter/-innen der DRV BS-H. Die Definition der besonderen beruflichen Pro-blemlagen (BBPL) erfolgte nach Müller-Fahrnow und Radoschewski (2009). Es wurde ein ab-gestufter „Index des Erwerbsstatus“ (IDE) anhand versicherungspflichtiger Zeiten neu entwi-ckelt, der Ausprägungen zwischen 0 und 1 aufweist. Die Analysen wurden zunächstdeskriptiv stratifiziert nach Alter, Geschlecht und Indikation durchgeführt. Die Berechnung derRisikoschätzer (OR) erfolgte anhand einer logistischen Regression mit SAS® 9.3.

Ergebnisse

Die Stichprobe umfasste 5.883 Versicherte (46 % Frauen) (2008: 3.149 Datensätze; 2012:2.734). Eine randomisierte Ziehung war für die Indikationen Orthopädie und Psychosomatikmöglich. Bei den anderen Diagnosegruppen handelt es sich um eine Vollerhebung. DieJahrgänge 2008 und 2012 unterscheiden sich weder nach Alter (p-Wert >0,10) noch nachGeschlecht (p-Wert >0,23). In beiden Stichproben weisen über die Hälfte der Rehabilitand/

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-innen eine BBPL auf (2008 = 54,5 % und 2012 = 52,3 %). Im Jahr 2008 nahmen ca. 15 %der Versicherten mit BBPL auch MBOR-Maßnahmen in Anspruch. Im Jahr 2012 sind es et-wa 77 %. Nahezu 35 % erhielten im Jahr 2008 MBOR-Maßnahmen ohne dass eine BBPLvorliegt. Im Jahr 2012 steigt dieser Anteil auf ca. 40 % an. Im Jahr 2012 wurde bei etwa 20 %der untersuchten Rehabilitand/-innen ein Fallmanagement eingeleitet.

Die Durchführung einer MBOR senkt das Risiko eines verringerten Index des Erwerbsstatus(OR=0,81 KI-95 %: 0,71–0,93) (siehe auch Abb. 1). Das Vorliegen einer BBPL (OR=5,06 KI-95 %: 4,50–5,70) wirkt sich prognostisch negativ auf den Erwerbsstatus aus. Die Durchfüh-rung des Fallmanagements zeigt in dieser Stichprobe keinen positiven Effekt (OR=2,29 KI-95 %: 1,84–2,87).

Abb. 1: Verlauf der medianen Indizes bezogen auf beide Untersuchungszeiträume 2007 bis 2009 und2011 bis 2013

Schlussfolgerungen

Die Strategie des Erwerbsbezugs wurde erfolgreich in den Kliniken der DRV Braunschweig-Hannover eingeführt. MBOR-Leistungen werden 2012 im Vergleich zu 2008 verstärkt um-gesetzt. Eine Überprüfung hinsichtlich einer bedarfsgerechten Versorgung wird empfohlen.Das FM befindet sich derzeit in der Implementierungsphase, sodass die Ergebnisse weiteruntersucht werden sollten.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover

Literatur

Bethge, M. (2011): Erfolgsfaktoren medizinisch-beruflich orientierter orthopädischer Reha-bilitation. Die Rehabilitation, 50. 145-151.

2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013Median Index 1,00 0,88 0,86 1,00 0,91 0,96

0,75

0,80

0,85

0,90

0,95

1,00

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Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) (Hrsg.) (2012): Anforderungsprofil zur Durch-führung der Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) im Auftrag der Deut-schen Rentenversicherung. Stand August 2012. Berlin.

Egner, U., Schliehe, F., Streibelt, M. (2011): MBOR. Ein Prozessmodell in der medizinischenRehabilitation. Die Rehabilitation, 50. 143-144.

Müller-Fahrnow, W., Radoschewski, F.M. (2009): Grundlagen. In: Hillert, A., Müller-Fahr-now, W., Radoschewski, F.M. (Hrsg.): Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation.Grundlagen und klinische Praxis. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag. 1-14.

Schwarze, M., Ehlebracht-König, I., Kobelt, A., Rodewald, J., Gutenbrunner, C., Miede, J.(2014): Strategisches Konzept für ein berufliches Reintegrationsmanagement der Deut-schen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover. Gemeinsames Papier der Medizini-schen Hochschule Hannover und der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, Hannover, Nord Ost West Informationstechnik, KC Produktion trägereigenerDruck.

Realisierung beruflich orientierter Leistungen in den medizinischen Rehabilitationseinrichtungen Mitteldeutschlands

Golla, A. (1), Saal, S. (2), Mau, W. (1)

(1) Institut für Rehabilitationsmedizin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, (2) Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaften, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Hintergrund

Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) strebt die indikationsübergreifende und flächen-deckende Einführung beruflich orientierter Leistungen in die medizinische Rehabilitation an(DRV Bund, 2014). Zur Ausprägung der beruflichen Orientierung in den medizinischen Re-habilitationseinrichtungen gibt es bisher nur wenige Studien (Radoschewski et al., 2006;Gerlich et al., 2008; Streibelt, Brünger, 2014). Ziel der DRV Mitteldeutschland (MD) geför-derten Studie „Bestandsaufnahme, Systematisierung und Perspektiven der arbeitsplatzbe-zogenen Leistungen und der Medizinisch-Beruflich Orientierten Rehabilitation (MBOR) inmedizinischen Rehabilitationseinrichtungen Mitteldeutschlands“ (Förderzeitraum: 02/2013bis 03/2014) war es, aktuell vorgehaltene beruflich orientierte Leistungen in den DRV MDbelegten Einrichtungen zu erfassen und den MBOR-Umsetzungsgrad zu beschreiben. Er-gänzend wurden förderliche und hemmende Faktoren der MBOR-Implementierung ausSicht der Rehabilitationsmediziner identifiziert.

Methodik

Im September 2013 erfolgte dazu eine anonymisierte standardisierte schriftliche Befragungvon ärztlichen Leitern (n=137) aus DRV MD belegten medizinischen Rehabilitationseinrich-tungen (n=82) in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Angeschrieben wurde jeweilsder Chef- bzw. leitende Oberarzt in den Abteilungen Orthopädie (n=66), Kardiologie (n=22),Onkologie (n=16), Psychosomatik (n=19) und Neurologie (n=14). Der eingesetzte 6-seitigeFragebogen orientierte sich inhaltlich an den Kernpunkten des MBOR-Anforderungsprofils.

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In der Auswertung der Daten wurden die beruflich orientierten Leistungen in Anlehnung andas MBOR-Stufenmodell (DRV Bund, 2012) kriteriengestützt in die MBOR-Stufen A (2 Kri-terien), B (7 Kriterien) und C (8 Kriterien) klassifiziert. Begleitend erfolgten leitfadengestütztetelefonische Experteninterviews mit verantwortlichen Ärzten aus DRV MD federführend be-legten Einrichtungen (n=14).

Ergebnisse

Die Rücklaufquote der schriftlichen Befragung betrug 61 % (n=84; orthopädische Abteilun-gen 73 %, übrige Abteilungen: 47–56 %). Die durchschnittliche Abteilungsgröße lag bei 98± 57 Betten/Plätzen (Range: 20–280). 93 % der Abteilungen (n=78) gaben Leistungen an,die den formellen Kriterien des MBOR-Basisangebot entsprachen. Angebote im Sinne desMBOR-Kernangebots (Stufe B) wurden bei 42 % (n=36) vollständig vorgehalten und bei30 % (n=25) waren die Voraussetzungen für spezifische MBOR-Angebote (Stufe C) gege-ben. Am häufigsten erfüllten psychosomatische Abteilungen (67 %) die Kriterien derStufe B, gefolgt von onkologischen (44 %), orthopädischen (42 %), kardiologischen (36 %)und neurologischen Abteilungen (29 %). Zur vollständigen Erfüllung der Stufe-B-Kriterienfehlten am häufigsten berufsbezogene Gruppenangebote und/oder mindestens ein externerKooperationspartner (z. B. Betriebsarzt, Reha-Fachberatung oder Berufsförderungswerk).Als Ursachen berichteten hierzu Klinikleiter in den Experteninterviews, dass eine Implemen-tierung von Gruppenangebote durch die geringe Anzahl an geeigneten Rehabilitanden so-wie die Heterogenität der beruflichen Problemlagen erschwert wird. Als Barrieren externerKooperationen beschrieben die Interviewten häufig eine fehlende Motivation aufseiten derexternen Kooperationspartner (z. B. Arbeitgeber) sowie einen eingeschränkten Zugang(z. B. Verfügbarkeit/Zuständigkeitsbereiche der Reha-Fachberatung). Insgesamt bewerte-ten 17 % der Fachabteilungen ihr vorgehaltenes beruflich orientiertes Leistungsangebot alsausreichend, 42 % befanden sich bereits aktiv in der Planung weiterer berufsbezogenerLeistungen und 41 % sahen eine weitere Planung in Abhängigkeit einer Bereitstellung zu-sätzlicher Ressourcen.

Diskussion und Ausblick

Zusammenfassend legen die Ergebnisse nahe, dass erwerbsbezogene Belange der Reha-bilitanden einen festen Bestandteil in den regionalen Einrichtungskonzepten darstellen unddie Basis für eine flächendeckende MBOR-Versorgung gegeben ist. In den Fachabteilungenfehlt es häufig nur an einzelnen Maßnahmen bzw. Elementen zur Erbringung der formellenMBOR-Anforderungen (Stufe B). Die Unterschiede im Umsetzungsgrad zwischen den Indi-kationsbereichen sind vermutlich auch in variierenden indikationsspezifischen Bedarfen anberuflichen Leistungen begründet, wie auch die Experteninterviews vermuten lassen. EinMBOR-Konzept für alle Indikationsbereiche braucht demzufolge eine höhere Flexibilität, umden indikationsspezifischen Voraussetzungen und Bedarfen gerecht zu werden. Vor demHintergrund zu erwartender hoher BBPL-Anteile in der Region ist eine Ergänzung von Res-sourcen entsprechend dem tatsächlichen Mehraufwand zu diskutieren, um eine hohe Qua-lität der MBOR in Mitteldeutschland zu gewährleisten.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland

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Literatur

Deutsche Rentenversicherung Bund (2012): Anforderungsprofil zur Durchführung der Medi-zinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) im Auftrag der Deutschen Rentenver-sicherung. 3. Aufl. Berlin: DRV Bund.

Deutsche Rentenversicherung Bund (2014): Aktionsprogramm der Deutschen Rentenversi-cherung zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention. Vielfalt durch Rehabilitation.Berlin: DRV Bund.

Gerlich, C., Neuderth, S., Vogel, H. (2008): Systematische Sammlung und wissenschaftli-che Bewertung von Interventionsbausteinen zur gezielten Bearbeitung beruflicher Pro-blemlagen während der medizinischen Rehabilitation. Abschlussbericht. Würzburg: Uni-versität Würzburg.

Radoschewski, F.M., Müller-Fahrnow, W., Thode, N., Temser, I. (2006): PORTAL – Partizi-pations-Orientierte Rehabilitation zur Teilhabe am Arbeitsleben. Ergebnisse einer bun-desweiten Versorgungssystemanalyse für den von der Gesetzlichen Rentenversicherungverantworteten Bereich der medizinischen und beruflichen Rehabilitation. Abschlussbe-richt. Berlin: Charité – Universitätsmedizin Berlin.

Streibelt, M., Brünger, M. (2014): Wie viele arbeitsbezogene Leistungen bekommen Patien-ten mit besonderen beruflichen Problemlagen? Analyse einer repräsentativen indikations-übergreifenden Stichprobe von Rehabilitanden. Die Rehabilitation. Published ahead ofprint; DOI: 10.1055/s-0034-1375643.

FieZ-Studie der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz: Gelingt die Förderung einer grundlegenden erwerbsbezogenen Orientierung in

Rehabilitationskliniken?

Bürger, W. (1), Nübling, R. (2), Kriz, D. (2), Kretschmer, P. (3), Masius, U. (4), Zucker, A. (4), Rudolph, F.M. (5), Stirn, A.V. (6), Siefken-Kaletka, H. (7),

Stapel, M. (7), Weisenburger, R. (7)

(1) fbg – Forschung und Beratung im Gesundheitswesen, Karlsruhe, (2) GfQG – Gesellschaft für Qualität im Gesundheitswesen, Karlsruhe,

(3) Edith-Stein-Fachklinik, Bad Bergzabern, (4) Drei-Burgen-Klinik, Bad Münster am Stein, (5) Mittelrhein-Klinik, Bad Salzig, (6) St. Franziska-Stift, Bad Kreuznach,

(7) Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz, Speyer

Hintergrund

Die Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz fördert mit dem FieZ-Projekt (Förderungindividueller erwerbsbezogener Zielorientierung) die Entwicklung eines innovativen Inter-ventionsansatzes, der als berufsbezogenes Kernangebot für Rehabilitationskliniken indika-tionsübergreifend darauf abzielt, in den Kliniken eine grundlegende erwerbsbezogene Ori-entierung zu fördern (vgl. Bürger et al., 2012). Eine möglichst frühzeitige Orientierung ankonkreten erwerbsbezogenen Zielen (vgl. auch Gerlich et al., 2009; Hanna, 2009) soll einekognitive und motivationale Fokussierung sowohl des Rehabilitanden als auch des Rehabi-litationsteams auf die erwerbsbezogene Zielsetzung unterstützen. FieZ ist im Stufenmodell

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der MBOR am ehesten der Stufe A zuzuordnen (vgl. Streibelt, Buschmann-Steinhage, 2011;Egner et al., 2011), geht konzeptuell aber weit über die übliche Entwicklung von Einzelinter-ventionen mit beruflichem Schwerpunkt hinaus.

Das FieZ-Konzept wurde in der Umsetzung in 4 Modellkliniken erprobt. Die Erfahrungen beider Umsetzung in die Routineversorgung waren auch maßgeblich für die Weiterentwicklungdes Ansatzes. Um Effekte der Einführung von FieZ zu überprüfen, wurde in den 4 beteiligtenModellkliniken vor und nach der Implementierung eine Mitarbeiter- und Klinikleiterbefragungdurchgeführt, um aus dieser Perspektive Hinweise auf den Grad der Umsetzung der er-werbsbezogenen Orientierung der Klinik zu erhalten.

Im vorliegenden Beitrag werden abschließende Ergebnisse zur Frage vorgestellt, ob es imRahmen des FieZ-Projektes gelungen ist, eine stärkere erwerbsbezogene Fokussierung derRehabilitation zu etablieren.

Methodik

Mitte 2013 fand eine erste Mitarbeiterbefragung im Rahmen des Projektes statt, an der sich143 Mitarbeiter aus dem ärztlichen, psychologischen, dem pflegerischen und sozialthera-peutischen sowie anderen therapeutisch tätigen Funktionsbereichen beteiligten. In einerzweiten Befragung 1 Jahr danach konnten 127 Mitarbeiter erreicht werden. Die Beteili-gungsquote an den Befragungen lag in den Kliniken zwischen 30–65 %. In den beiden stan-dardisierten Befragungen wurden Mitarbeiter zur berufsbezogenen Ausrichtung der Klinikund ihrer Tätigkeit befragt, mittels direkter und indirekter Veränderungsmessung wurdenVeränderungen der berufsbezogenen Orientierung und der Arbeitszufriedenheit im Verlaufdes Projektes erfasst. Ergänzend wurde zeitgleich mit der zweiten Mitarbeiterbefragungeine Klinikleiterbefragung durchgeführt, in der der Stand der Umsetzung der im Rahmen desProjektes entwickelten Interventionsbausteine erfasst wurde.

Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigen in allen Modellkliniken Hinweise auf eine signifikante gesteigerteberufsbezogene Orientierung. Mitarbeitereinschätzungen und Klinikleiterbefragungen zumAusmaß der Umsetzung der erwerbsbezogenen Orientierung korrespondieren dabei weit-gehend.

Laut Mitarbeiter- und Klinikleiterbefragung werden im Verlauf der Implementierung des Kon-zeptes nicht alle FieZ-Einzelinterventionen in gleichem Umfang realisiert. Fallkonferenzenmit erwerbsbezogenem und sozialmedizinischem Fokus werden von 96 % der Mitarbeiterund allen Klinikleitern als regelhaft implementiert bewertet, während beispielsweise die Dis-kussion und Formulierung eines FieZ-orientierten Klinikleitbildes deutlich seltener (65 %) alsumgesetzt beschrieben wird. Auch der Vorschlag im FieZ-Konzept, in den E-Berichten Aus-sagen zu konkreten Wiedereingliederungsbarrieren und den therapeutischem Erfolg zumAbbau dieser Barrieren aufzunehmen, wurde kaum aufgegriffen.

Die Kliniken unterscheiden sich im Ausmaß der Umsetzung des FieZ-Ansatzes und den inden Mitarbeitereinschätzungen deutlich gewordenen Veränderungen vom Zeitraum vor Im-plementierung von FieZ 2013 zum zweiten Befragungszeitpunkt 1 Jahr danach.

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Abb.1: Mitarbeiterangaben zur Vermittlung der erwerbsbezogenen Schwerpunktsetzung der Behand-lung – Mittelwerte im Vergleich Prä-Post und Effektstärken nach Klinik

Während der Einführung von FieZ verändert sich die Mitarbeiterzufriedenheit in allen betei-ligten Modellkliniken leicht positiv; die in den Mitarbeitereinschätzungen beobachtbaren Ver-änderungen sind von kleiner bis mittlerer Effektstärke. Die Klinik mit der deutlichsten Verän-derung der erwerbsbezogenen Ausrichtung weist dabei den deutlichsten Zufriedenheitszu-wachs auf.

Über die Hälfte aller befragten Mitarbeiter geben an, in den letzten 12 Monaten mit Einfüh-rung des FieZ-Konzeptes deutlich mehr über das erwerbsbezogene Rehabilitationsver-ständnis diskutiert zu haben, in den entsprechend relevanten Berufsgruppen der Ärzte, Psy-chologen und Sozialarbeiter liegt die entsprechende Quote deutlich darüber.

Diskussion und Schlussfolgerung

Die Mitarbeiter- und Klinikleiterbefragungen deuten darauf hin, dass es im Rahmen der Im-plementierung von FieZ gelungen ist, in allen beteiligten Modellkliniken einen deutlich stär-keren Fokus auf die Erwerbsorientierung der Rehabilitation zu etablieren. Im Zuge der Dis-

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kussionen und Veränderungen ist die Mitarbeiterzufriedenheit tendenziell eher gestiegen.Auch die begleitenden Gruppendiskussionen und Rückmeldungen von Mitarbeitern deutenauf fruchtbare Entwicklungsprozesse hin. Die Implementierung des FieZ-Ansatzes in einerKlinik erfordert anspruchsvolle Konzeptdiskussionen sowie Prozess- und Verhaltensände-rungen bei den Beteiligten, kann sich aber im Sinne der Arbeit an einem zielbezogenen Op-timierungsprozess offenbar förderlich auf das Entwicklungs- und Veränderungsklima in ei-ner Rehabilitationseinrichtung auswirken.

Eine umfassende Evaluierung der patientenseitig erlebten Veränderungen und der Rehabi-litationsergebnisse im Zuge der Einführung von FieZ steht noch aus und sollte unter Betei-ligung einer größeren Zahl von Kliniken erfolgen. Die vorliegende Studie zeigt zunächst,dass eine Implementierung des FieZ-Ansatzes in Kliniken auch unter Alltags- und Routine-bedingungen gelingen kann.

Literatur

Bürger, W., Nübling, R., Kriz, D. (2012): Machbarkeitsstudie: Entwicklung und erste Erpro-bung eines innovativen Konzeptes zur Förderung von individuellen, erwerbsbezogenenZielorientierungen in der Medizinischen Rehabilitation. FieZ-Studie. UnveröffentlichterAbschlussbericht. Karlsruhe.

Egner, U., Schliehe, F., Streibelt, M. (2011): MBOR – Ein Prozessmodell in der Medizini-schen Rehabilitation. Die Rehabilitation, 50. 143-144.

Gerlich, C., Neuderth, S., Botterbusch, I. (2009): Einfluss von Shared-Decision-Making(SDM) auf die Motivation zur Bearbeitung beruflicher Problemlagen in der medizinischenRehabilitation. DRV-Schriften, Bd. 83. 64-65.

Hanna, R., Fiedler, R.G., Dietrich, H., Greitemann, B., Heuft, G. (2009): Zielanalyse und Ziel-operationalisierung (ZAZO): Evaluation eines Gruppentrainings zur Förderung beruflicherMotivation. Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie, 59. 1-10.

Streibelt, M., Buschmann-Steinhage, R. (2011): Ein Anforderungsprofil zur Durchführungder Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation aus der Perspektive der gesetzlichenRentenversicherung. Die Rehabilitation, 50. 160-167.

Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation in der Orthopädie – Ergebnisse der Reha-Qualitätssicherung

Lindow, B., Grünbeck, P.

Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund und Fragestellung

Mit dem Konzept „Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation“ (MBOR) hat die DeutscheRentenversicherung ein spezifisch auf Rehabilitanden mit besonderen beruflichen Problem-lagen abgestelltes Rehabilitationsangebot entwickelt (Manteuffel, 2013). Das Konzept siehtsowohl eine frühzeitige und trennscharfe Identifizierung der Zielgruppe als auch ein intensi-ves, an der individuellen Problemlage orientiertes Behandlungsprogramm vor (Streibelt,Buschmann-Steinhage, 2011): Therapieinhalte und -mengen sind in einem Anforderungspro-

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fil beschrieben (Deutsche Rentenversicherung Bund, 2012). Die Reha-Qualitätssicherungkonnte bisher die Zielgruppe unter allen Rehabilitanden nicht eindeutig abgrenzen. Mit derSchaffung spezifischer Fachabteilungen unter dem Fachabteilungsschlüssel 2397 konntenfür das Jahr 2012 erste Auswertungen vorgenommen werden. Es wird sowohl die Frage einerzielgenauen Rehabilitandenzuweisung als auch einer am spezifischen Konzept ausgerichte-ten Therapie untersucht. Zukünftig wird MBOR durch ein unter „besondere Behandlungsfor-men“ eingerichtetes Merkmal des RV-einheitlichen ärztlichen Entlassungsberichts erkennbarsein.

Methoden

Auf der Grundlage von Routinedaten der Deutschen Rentenversicherung, die für Auswer-tungen zur Rehabilitandenstruktur des Jahres 2012 aufbereitet wurden und umfangreichesoziodemografische und krankheitsbezogene Merkmale enthalten, werden empirische Aus-wertungen vorgestellt. Retrospektiv ergeben sich so Anhaltspunkte für eine bedarfsgerechteAbteilungsauswahl. Die Ergebnisse aller orthopädischen Rehabilitanden im Antragsverfah-ren (n=202.245) werden deskriptiv denen von MBOR-Rehabilitanden gegenübergestellt.Auswahlkriterium war die Durchführung der Rehabilitation in einer MBOR-Fachabteilung(n=488). Einrichtungsunterschiede lassen sich durch einen Vergleich von 4 MBOR-Abteilun-gen mit Fallzahlen zwischen n=35 bis n=163 darstellen.

Auf der anderen Seite wird die Umsetzung spezifischer Therapiekonzepte auf der Basiserstmaliger Auswertungen von Daten nach der Klassifikation therapeutischer Leistungen(KTL) überprüft. Hier können ausgewählte Leistungen, die die besondere Zielstellung in die-ser Gruppe unterstützen, interpretiert werden

Ergebnisse

Das Durchschnittsalter von MBOR-Rehabilitanden liegt mit 48,7 Jahren 2 Jahre unter demaller orthopädischen Rehabilitanden im Antragsverfahren (50,7 Jahre). Mit 40 % ist derFrauenanteil geringer (Vergleichsgruppe 54 %).Es finden sich in MBOR-Abteilungen mehr„Eiltfälle“ (28 % vs. 19 %). Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden in den MBOR-Abteilungen wesentlich häufiger vorgeschlagen (28 %, 15 % in der Vergleichsgruppe). DerAnteil der Rehabilitanden, der nach der Rehabilitation einen entsprechenden Antrag stellt,unterscheidet sich nicht so deutlich (17 %) von dem in der Vergleichsgruppe (14 %). Berufemit körperlichen Belastungen sind in MBOR-Abteilungen häufiger vertreten. So beträgt derAnteil der Angestellten 31 % und liegt in der Vergleichsgruppe bei 49 %. Der mit 29 % hoheAnteil an Rehabilitanden mit einer Arbeitsunfähigkeit von sechs und mehr Monaten im Jahrvor der Rehabilitation (16 % in der Vergleichsgruppe) spricht für eine gezielte Zuweisung.Die Unterschiede für Empfehlungen nach der Rehabilitation können als Ausdruck einergrößeren Krankheitsschwere interpretiert werden. So wird 25 % der MBOR-Rehabilitandeneine psychologische Behandlung empfohlen, in der Vergleichsgruppe lediglich 12 %. Diesozialmedizinische Beurteilung für ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allge-meinen Arbeitsmarkt ist mit 98 % bzw. 97 % in beiden Gruppen sehr hoch. Im Bezugsberufwerden dagegen nur 67 % der MBOR-Gruppe vollschichtig beurteilt, in der Vergleichsgrup-pe dagegen 81 %. Auf der Ebene der ausgewählten Einrichtungen variieren die Merkmale

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erheblich: Das Durchschnittsalter z. B. zwischen 47,3 und 53,2 Jahren, der Anteil der Lang-zeitarbeitsunfähigen zwischen 17 % und 25 %.

Für den Vergleich der therapeutischen Versorgung konnten Auswertungen von 454 MBOR-Rehabilitanden 201.738 orthopädischen Rehabilitanden gegenübergestellt werden. Nen-nenswerte Unterschiede zeigen sich bei den ergotherapeutischen Leistungen und denendes Sozialdienstes (Streibelt, Brünger, 2014). Hier findet sich in MBOR-Abteilungen eindeutlich höherer Anteil von Rehabilitanden, die Leistungen erhalten (Ergo: 93 %, 59 %, Soz:98 %, 75 %). Die Leistungsdauer pro Woche ist deutlich höher. Für Leistungen des Sozial-dienstes werden im Durchschnitt 1,4 Therapiestunden pro Woche verschlüsselt, in der Ver-gleichsgruppe sind es 0,4. Schulungen werden ebenfalls intensiver durchgeführt (4,2 h vs.3,4 h), wogegen physiotherapeutische Leistungen geringer ausfallen.

Diskussion

Erste Ergebnisse lassen Unterschiede zwischen orthopädischen Rehabilitanden und sol-chen in MBOR-Abteilungen sowohl bezüglich der Rehabilitandenmerkmale als auch der the-rapeutischen Versorgung erkennen. Soziodemografische Merkmale von Rehabilitandenweisen auf eine gezielte Abteilungsauswahl hin. Die KTL-Analysen zeigen deutliche Thera-pieschwerpunkte bei MBOR-Rehabilitanden und anderen orthopädischen. Eine berufsorien-tierte therapeutische Ausrichtung kann anhand detaillierter Auswertungen nachvollzogenwerden. Für das Entlassungsjahr 2013 sind wesentlich höhere Fallzahlen zu erwarten. DieErgebnisse hierzu werden Ende 2014 vorliegen. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Ergebnis-se auf der aktualisierten Grundlage bestätigen.

Einrichtungsunterschiede werfen die Frage nach standortspezifischen Konzepten auf. Auchder mögliche Einfluss der Abteilungsgröße oder Fallzahl auf die Leistungsgestaltung läßt sichdarstellen. Die Übertragbarkeit auf andere Indikationen ist ebenfalls eine aktuelle Frage.

Literatur

Deutsche Rentenversicherung Bund (2012): Anforderungsprofil zur Durchführung der Medi-zinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) im Auftrag der Deutschen Rentenver-sicherung. http://www.deutsche-rentenversicherung.de/cae/servlet/contentblob/20702 4/publicationFile/50641/mbor_datei.pdf.

Manteuffel, L. v. (2013): Medizinische Rehabilitation: Arbeitswelt wird zum Kernthema. DtschArztebl, 110 (46). A2196/B-1931/C-1876.

Streibelt, M., Brünger, M. (2014): Wie viele arbeitsbezogene Leistungen bekommen Patien-ten mit besonderen beruflichen Problemlagen? Analyse einer repräsentativen indikations-übergreifenden Stichprobe von Rehabilitanden. DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0034-1375643.

Streibelt, M., Buschmann-Steinhage, R. (2011): Ein Anforderungsprofil zur Durchführungder Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation aus der Perspektive der gesetzlichenRentenversicherung. Die Rehabilitation, 50. 160-167.

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Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation II

Evaluation von MBOR in der stationären psychosomatischen Rehabilitation

Mestel, R., Zimmerhackl, F.

HELIOS Klinik Bad Grönenbach

Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation ist eine zentrale Anforderung auch an psy-chosomatische Rehabilitationskliniken. Gefordert wird die Einführung eines MBOR-Scree-nings und die Begleit-Evaluation von MBOR-Maßnahmen.

Fragestellungen

1. Wie viel Bedarf besteht für berufsbezogene Angebote, für Diagnostik und Motivation be-zogen auf berufsbezogene Themen und „Prophylaxe“?

2. Wie stark verändert sich die subjektiv eingeschätzte Arbeitsfähigkeit im Vergleich vonBeginn zum Ende der Behandlung hin für verschiedene Untergruppen berufsbezogenerProbleme?

Methodik

552 Reha-Patienten einer psychosomatischen Klinik wurden 2014 zu den Fragestellungenuntersucht.

63,8 % waren Frauen, die DRV-Bund war bei 60,6 % Kostenträger, DRV-Land zu 15,9 %.69,3 % wurden in einer allgemeinen Reha-Station behandelt, die übrigen in einer Station fürstrukturelle Störungen (z. B. Borderline-Persönlichkeitstörung). 51 % hatten als Hauptdia-gnose eine affektive Störung, 11 % eine „neurotische Störung“ (F4 im ICD-10) und 16 %eine Persönlichkeitstörung. Die Patienten waren im Mittel 44,2 Jahre alt (SD: 12,3). Die be-rufliche Situation war nach SIBAR (Item 11; Bürger & Deck, 2009) für 49,2 % stark belas-tend, für 15,2 % etwas belastend, für 25 % teils/teils, für 7,9 % eher erfüllend und für 2,8 %sehr erfüllend. Für 38,2 % wären berufliche Therapieangebote sehr hilfreich (Item 12 desSIBAR), für 33,7 % etwas und für 28,1 % nicht hilfreich. Der SIBAR-Rohsummenwert lag bei6,4 (SD: 3,9), der WAI-Kurzform bei 23,9 (SD: 8,5).

Das Therapiekonzept der Klinik ist integrativ, wobei das Rahmenmodell psychodynamisch-humanistisch zu beschreiben ist. Ergänzend werden bei depressiven Patienten „EmotionaleKompetenz“-Gruppen (nach dem Konzept von Claude Steiner) und eine „Kognitive Depres-sions“-Gruppe (nach Hautzinger) und umfassende körperliche Aktivierungsmaßnahmen an-geboten. Die Behandlungsdauer betrug im Mittel 44,2 Tage (SD: 21,1). Im Mittel über allePatienten erhielten sie 7,45 Stunden (SD: 7,2) berufsbezogene Angebote nach den KTL-Vorgaben der DRV. Patienten, für die berufsbezogene Angebote nach dem Screening-Algorithmus von SIBAR (Bürger & Deck) indiziert waren, erhielten 9,8 Stunden entsprechen-de Angebote.

Verwendet wurde neben einer üblichen Basisdokumentation der SIBAR (Bürger, Deck,2009) und zur Erfassung der Arbeitsfähigkeit der Work Ability Index (WAI, Netzwerk, 2013),

50

welcher auch anhand einzelner WAI-Items eine Evaluation der berufsbezogenen stationä-ren Angebote zulässt. Emotionale Erschöpfung, das Kernkonstrukt von „Burnout“ wurde mitdem Maslach Burnout-Inventory (MBI; Enzmann, Kleiber, 1989) erfragt. Allen Patienten wur-den ausgewählte Open-Source-Skalen des HEALTH-49 (Rabung et al., 2009; Selbstwirk-samkeit, Wohlbefinden, Aktivität und Partizipation) vorgelegt.

Ergebnisse

Nach den SIBAR-Algorithmen bestand für 50,6 % der Patienten kein Bedarf an beruflichenAngeboten, für 15 % klarer Bedarf, da sowohl der SIBAR-Index auffällig war als auch derBeruf belastend erlebt und ein Hilfsangebot gewünscht wurde. Bei 23,4 % war „Diagnostikund Motivation“ bzgl. der Berufssituation angezeigt und bei 11 % wäre „Prophylaxe“ nachdem SIBAR nützlich.

Alle Ergebnisskalen verbesserten sich von prä zu post hochsignifikant (p<.0001). Die zent-rale Outcome-Skala, die änderungssensitiven Items des WAI-K (Nr. 1, 2, 6, 7), verändertensich von prä zu post mit mittlerer Effektstärke für die Gesamtgruppe (d= .54) in erwünschteRichtung. Für „emotionale Erschöpfung“ des MBI wurde eine Effektstärke von d=.92 gefun-den, für die HEALTH-49-Skalen „Wohlbefinden“ (d=1,2), „Partizipation/Teilhabe“ (d=.9) und„Selbstwirksamkeit“ (d=,75).

Für die SIBAR-Gruppe „Berufsangebote sind nützlich“ ergab sich ein großer Effekt auf demWAI von d=1,09 und vergleichbare Effektstärken auf den übrigen Skalen wie für die Gesamt-gruppe.

Jedoch konnte kein Zusammenhang zwischen der „Dosis“ der berufsbezogenen Angebotenach der DRV-Kategorisierung und dem prä-post-Differenzwert des WAI gefunden werden(r=.016; n.s.).

Diskussion

Die Befunde zeigen, dass verschiedene beruflich belastete Untergruppen alle von stationä-rer psychosomatischer Rehabilitation in aussagekräftigen Bereichen profitieren, man aller-dings kaum Kausalschlüsse von der Menge und Häufigkeit berufsbezogener Angebote aufden berufsbezogenen Therapieerfolg ziehen kann.

Literatur

Bürger, W., Deck, R. (2009): SIBAR – ein kurzes Screening-Instrument zur Messung desBedarfs an berufsbezogenen Behandlungsangeboten in der medizinischen Rehabilita-tion. Die Rehabilitation, 48. 211-221.

Enzmann, D., Kleiber, D. (1989): Helfer-Leiden. Stress und Burnout in helfenden Berufen.Heidelberg: Asanger.

Rabung, S., Harfst, T., Kawski, S., Koch, U., Wittchen, H.-U., Schulz, H. (2009): Psychome-trische Überprüfung einer verkürzten Version der „Hamburger Module zur Erfassung allge-meiner Aspekte psychosozialer Gesundheit für die therapeutische Praxis“ (HEALTH-49).Zeitschrift für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, 55: 162-179.

WAI-Netzwerk (2013): http://www.arbeitsfaehigkeit.uni-wuppertal.de/index.php?der-wai Zu-griff: 27.10.14.

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Stationäre Entwöhnungsbehandlung für Menschen mit besonderen beruflichen Problemlagen (BBPL) – ein Bericht aus der Praxis

Peters, A., Fischer, Th.

AHG Klinik Schweriner See, Lübstorf

Hintergrund und Stand der Literatur

In der stationären Entwöhnungsbehandlung steht mit dem Ziel der langfristigen Abstinenz-sicherung und dem Erhalt der psychischen Stabilität nicht zuletzt die Re-Integration in dasErwerbsleben im Fokus. Der Ausbau der Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation(MBOR) durch die Deutsche Rentenversicherung ist Ausdruck dieser Erkenntnis, welchesich im Bereich der Abhängigkeitserkrankung in der Entwicklung Evidenzbasierter Thera-piemodule (ETM) zeigte. In der stationären Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungenfindet sich eine Vielzahl von Patienten mit gesundheitsbedingten besonderen beruflichenProblemlagen (BBPL) (Egner et al., 2014), was den Bedarf berufsbezogener Maßnahmenunterstreicht. Ziel dieser Untersuchung ist es, die Möglichkeiten und Ergebnisse der Be-handlung von Patienten mit BBPL darzustellen.

Methodik

Die Stichprobe umfasst alle zwischen dem 01.01.2013 und 30.06.2014 entlassenen Patien-ten der Abteilungen für Abhängigkeitserkrankungen der AHG Klinik Schweriner See(n=930). Die Kriterien für BBPL (Streibelt, 2010) waren (a) Arbeitsunfähigkeit von über 3 Mo-naten oder (b) Arbeitslosigkeit oder (c) Leistungsfähigkeit in der letzten beruflichen Tätigkeitvon unter 6 Stunden. Mit Selbstbeurteilungsverfahren wurden die psychische Belastung(SCL-K-9; Klaghofer, Brähler, 2001) sowie die Arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebens-muster (AVEM; Schaarschmidt, Fischer, 2008) erhoben. Darüber hinaus werden ausge-wählte Patientenmerkmale, der Leistungserhalt anhand der KTL sowie ausgewählte Befun-de der Katamnese benannt. Patienten mit BBPL wurden Patienten ohne die genanntenMerkmale gegenübergestellt.

Ergebnisse

Patienten mit BBPL sind in der AHG Klinik Schweriner See erwartungsgemäß sehr häufig(n=699; 75,2 %). In Bezug auf die Hauptdiagnose finden sich keine Häufigkeitsunterschiede,BBPL-Patienten sind jedoch durch eine höhere psychische Komorbidität gekennzeichnet(Anteil Nebendiagnosen aus Kap. F der ICD-10: nBBPL=454; 64,9 % vs. nnon-BBPL=113;48,9 %). Patienten mit BBPL erleben sich bei Behandlungsbeginn entsprechend signifikant stär-ker psychisch belastet (SCL-prä: GSI T-Wert MBBPL=60; SDBBPL=14 vs. Mnon-BBPL=55;SDnon-BBPL=14), können im Behandlungsverlauf jedoch eine ebenso große Reduktionpsychischer Belastung erzielen (SCL-post: GSI T-Wert MBBPL=56; SDBBPL=15 vs. Mnon-BBPL=51; SDnon-BBPL=15). Im AVEM zeigt sich, dass Patienten mit BBPL durch eine si-gnifikant geringere Ausprägung in folgenden Bereichen gekennzeichnet sind: SubjektiveBedeutsamkeit von Arbeit, Resignationstendenz bei Misserfolg, Offensive Problembewälti-gung, Ausgeglichenheit, Erfolgserleben im Beruf und Lebenszufriedenheit. Bei Behand-lungsende findet sich eine Leistungsfähigkeit von unter 6 Stunden für die letzte beruflicheTätigkeit bei 28,9 % der BBPL-Patienten (ohne BBPL: 7,3 %), auf den allgemeinen Arbeits-

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markt bezogen sind es 10,6 % (ohne BBPL: 1,5 %). Schließlich erhalten BBPL-Patientennahezu doppelt so viele arbeitsbezogene Leistungen in Form soziotherapeutischer Gesprä-che, Bewerbertraining und Arbeitstherapie (erbrachte Leistungen in Stunden pro Reha:MBBPL=21,9; SDBBPL=31 vs. Mnon-BBPL=12,5; SDnon-BBPL=24,3). Ein Jahr nach Be-handlung geben 44,6 % der bei BBPL-Patienten eine Verbesserung ihrer beruflichen Leis-tungsfähigkeit an (ohne BBPL: 54,8 %). Die Kriterien für BBPL sind zum Katamnesezeit-punkt bei nur noch 49,4 % der bis dato nachbefragten Patienten erfüllt.

Diskussion und Schlussfolgerungen

Die Tatsache, dass der Anteil der Patienten mit BBPL in der stationären Entwöhnungsbe-handlung sehr hoch ist, stellt eine Herausforderung für die Praxis dar. Wie die hohe psychi-sche Belastung und die ungünstigen arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensmusternzeigen, scheint für eine gelungene berufliche Re-Integration eine Etablierung gesundheits-fördernder Arbeitsmuster notwendig zu sein. Denn es zeigt sich, dass Patienten mit BBPLdas Arbeitsleben als für sich weniger bedeutsam, möglicherweise frustrierend erleben undsich in ihrer Lebenszufriedenheit eingeschränkt sehen. Eine gelungene berufliche Re-Inte-gration scheint nur durch einen multi-modalen Behandlungsansatz aus psychotherapeuti-schen, sozialtherapeutischen und arbeitsplatzbezogenen Leistungen nachhaltig realisier-bar. Die Verbesserung von Leistungsfähigkeit und die deutliche Verringerung des Anteils anBBPL-Patienten im Jahr nach Behandlung können als erste Schritte einer Rückkehr ins Er-werbsleben durch intensive medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation gewertet wer-den.

Literatur

Egner, U., Vorsatz, N., Grünbeck, P. Klosterhuis, H., Streibelt, M. (2014): Die medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation in der Suchtrehabilitation – Status Quo und Entwick-lungsbedarf aus empirischer Perspektive. DRV-Schriften. Bd. 103. 482-484.

Klaghofer, R., Brähler, E. (2001): Konstruktion und teststatistische Prüfung einer Kurzformder SCL-90-R. Zeitschrift für Klinische Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie, 49/2.115-124.

Schaarschmidt, U., Fischer, A.W. (2008): Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmus-ter (AVEM). 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Frankfurt: Pearson.

Streibelt, M. (2010): Steuerung besonderer beruflicher Problemlagen als Voraussetzung ef-fektiv durchgeführter medizinischer Rehabilitationsleistungen. Praxis Klinische Verhal-tensmedizin und Rehabilitation, 86/1. 5-14.

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Konzeption und Evaluation der beruflich orientierten Intervention „Perspektive Job“ für onkologische Rehabilitanden

Kähnert, H. (1), Exner, A.-K. (1), Leibbrand, B. (2)

(1) Institut für Rehabilitationsforschung Norderney, Abteilung Bad Salzuflen,(2) Salzetalklinik, Bad Salzuflen

Hintergrund

Die Rehabilitation verfolgt u. a. das Ziel, die berufliche Funktionsfähigkeit wiederherzustellensowie eine vorzeitige Berentung zu verhindern. Daher sollten Medizinisch-beruflich orien-tierte Maßnahmen (MBOR) integrale Bestandteile einer Rehabilitation sein. Im Vergleich zurorthopädischen oder kardiologischen Rehabilitation existieren für die onkologische Rehabi-litation nur wenige Informationen zu Inhalten, Prozess-/Strukturqualität und Wirksamkeit vonMBOR-Maßnahmen (Bethge, 2010; Böttcher et al. 2013; Kittel & Karoff, 2008; Weiß et al.2014). Aufgrund dieser unzureichenden Datenlage hatte die Studie das Ziel, beruflich orien-tierte Therapiemaßnahmen (MBOR-Modul „Perspektive Job“) für die onkologische Rehabi-litation zu konzipieren sowie diese in die Routineversorgung zu implementieren. Der Ent-wicklungsprozess und das MBOR-Modul wurden mittels formativer Evaluation überprüft.

Methodisches Vorgehen

Die Entwicklung des MBOR-Moduls „Perspektive Job“ einschließlich der Prozessabläufe er-folgte im Reha-Team (Ärzte, Therapeuten, Mitarbeiter der Therapiesteuerung) und wurdedurch 8 Experten-Sitzungen begleitet, die von den Forschungsmitarbeitern moderiert sowievor- und nachbereitet wurden. Nach Abschluss der Entwicklungs- und einer Erprobungspha-se wurde das MBOR-Modul in die Routineversorgung implementiert. Für die Bewertung desGesamtprozesses und des MBOR-Moduls wurden mit Klinikmitarbeitern Experteninterviewsund mit den Rehabilitanden Gruppeninterviews geführt, deren Auswertungen jeweils überqualitative kategoriegeleitete Textanalysen (Mayring, 2010) erfolgte. Zudem wurde eine Be-wertung der beruflich orientierten Angebote aus Sicht der Rehabilitanden mittels Fragebogenzum Ende der Rehabilitation erfasst und zwar sowohl vor (Kontrollgruppe, n=115) als auchnach (Interventionsgruppe, n=130) Einführung von „Perspektive Job“. Befragungsteilnehmerwaren jeweils erwerbstätige Rehabilitanden (Brustkrebs, gynäkologische Tumoren, maligneSystemerkrankungen) mit beruflicher Problemlage.

Ergebnisse

Die Entwicklung von „Perspektive Job“ konnte nach 7 Monaten abgeschlossen werden. DasModul setzt sich aus berufsgruppenübergreifenden Therapien der Sozialberatung, Psycho-logie, Ernährungsberatung und Ergotherapie zusammen. Die Ergotherapie bietet zudemMBOR-Kernmaßnahmen für Büroarbeitsplätze und Reinigungskräfte und die Sport-/Physio-therapie arbeitsplatzbezogene Bewegungstherapien an. Die Auswertung der Experteninter-views verdeutlichte, dass trotz anfänglicher Bedenken der Mitarbeiter, die Entwicklung von„Perspektive Job“ im Reha-Team als positiv und zielführend bewertet wurde. Durch die ge-meinschaftliche Konzeption konnten Schnittmengen ermittelt, Synergieeffekte genutzt unddie abteilungsübergreifende Kommunikation gefördert werden. Die Patienteninterviewsnach Einführung des MBOR-Moduls machten deutlich, dass die meisten Therapieangebote

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als praxisnah eingestuft wurden. Insbesondere wurden die aktive Ansprache berufsbezoge-ner Themen und das Aufzeigen von Wegen für den beruflichen Wiedereinstieg positiv her-vorgehoben. Auch fällt die Beurteilung der beruflich orientierten Angebote nach Einführungvon „Perspektive Job“ von der Interventionsgruppe (IG) positiver aus als von der Kontroll-gruppe (KG). Auffällig ist, dass etwa 60% der KG aber nur 11% der IG angaben, währendder Rehabilitation keine beruflich orientierten Therapien erhalten zu haben (Chi2=55,3,p<0,001). Die Organisation der beruflich orientierten Therapien wurde von 84% der IG undvon 37% der KG mit „gut“ bis „sehr gut“ bewertet (Chi2=62,3, p<0,001). Zudem stellten 69%der IG gegenüber 38% der KG heraus, dass die eigenen Wünsche bei der weiterführendenberuflichen Planung mit berücksichtigt wurden (Chi2=30,1, p<0,001). Immerhin würden 62%der IG gegenüber 26% der KG diese Therapien weiterempfehlen (Chi2=57,8, p<0,001). Ab-schließend zogen 86% der IG aber nur 39% der KG eine positive Gesamtbilanz (Chi2=56,9,p<0,001).

Zusammenfassung und Ausblick

Die (Re-)Integration onkologischer Patienten in das Erwerbsleben stellt für die Rehabilitationeine besondere Herausforderung dar, denn hierfür ist eine gezielte Verzahnung von medizi-nischen und beruflich orientierten Maßnahmen notwendig. Dementsprechend wurde dasMBOR-Modul „Perspektive Job“ bedarfsorientiert mit dem Reha-Team entwickelt. Die inter-disziplinäre Konzeption von „Perspektive Job“ stieß bei allen Beteiligten auf große Zustim-mung und konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Nach Einführung des Moduls wurdendie MBOR-Therapien verstärkt von den Rehabilitanden als beruflich orientierte Angebotewahrgenommen und positiv bewertet. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der in-terdisziplinären Teamarbeit bei der Erarbeitung neuer Konzepte und Therapiemodule für diestationäre Rehabilitation. Im Rahmen einer Pilotstudie mit sequentiellem Interventions-/Kon-trollgruppen-Design werden zurzeit Daten zur Wirksamkeit von „Perspektive Job“ erhoben,um Aussagen zur nachhaltigen Verbesserung berufsbezogener Outcomes treffen zu können.

Förderung: Institut für Rehabilitationsforschung, Norderney

Literatur

Bethge, M. (2010): Patientenorientierung und Wirksamkeit einer multimodalen medizinisch-beruflich orientierten orthopädischen Rehabilitation. Pabst Science Publishers, Lenge-rich.

Böttcher, H.M., Steimann, M., Ullrich, M. Rotsch, M., Zurborn, R., Koch, U., Bergelt, C.(2013): Evaluation eines berufsbezogenen Konzepts im Rahmen der stationären onkolo-gischen Rehabilitation. Die Rehabilitation, 52. 329-336.

Kittel, J., Karoff, M. (2008): Lässt sich die Teilhabe am Arbeitsleben durch eine berufsorien-tierte kardiologische Rehabilitation verbessern? Ergebnisse einer randomisierten Kon-trollgruppenstudie. Die Rehabilitation, 47. 14-22.

Mayring, P. (2010): Qualitative Inhaltsanalyse. In: Mey, G., Mruck, K. (Hrsg.): HandbuchQualitative Forschung in der Psychologie. VS. 601-613.

Weiß, J., Kuhn, R., Wentrock, S., Matitz, J., Reuss-Borst, M. (2014): Lassen sich junge Tu-morpatienten beruflich integrieren? Ergebnisse eines Pilotprojektes zur Medizinisch-be-ruflichen Rehabilitation (MBOR). Versicherungsmedizin 65/4. 197-201.

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Hängt der Erfolg arbeitsbezogener Leistungen in der Rehabilitation neurologischer Erkrankungen von der Wiedereingliederungsprognose ab?

Eine Re-Analyse von zwei kontrolliert randomisierten Studien

Streibelt, M. (1), Menzel-Begemann, A. (2)

(1) Abteilung Rehabilitation, Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin,(2) Fachbereich Pflege & Gesundheit, Fachhochschule Münster

Einleitung

Insbesondere aus der Orthopädie ist bekannt, dass Medizinisch-beruflich orientierte Reha-bilitationsleistungen (MBOR, DRV Bund, 2012) bei Personen mit besonderen beruflichenProblemlagen (BBPL) dann besonders erfolgreich sind, wenn sie strukturiert auf die indivi-duellen Anforderungen am Arbeitsplatz fokussieren und diese in das Zentrum von Diagnos-tik und Therapie rücken (Streibelt, Bethge, 2014; Kittel, Karoff, 2008). Die bisherigen metho-disch hochwertigen Studien bei Patienten mit neurologischen Erkrankungen konnten bis-lang keinen überzeugenden Nachweis für diese These erbringen (Menzel-Begemann, 2012;2014). Unterschiedliche Hypothesen könnten diesen Befund erklären. Insbesondere ist bis-lang ungeklärt, wie die Zielgruppe für eine MBOR in der Neurologie aussieht. Bisherige Ana-lysen gehen davon aus, dass die im MBOR-Anforderungsprofil dokumentierten klassischenBBPL-Kriterien nur eingeschränkt gelten (Neuderth et al., 2014).

Der vorliegende Beitrag versucht diese Frage zu erhellen. Es wird angenommen, dass Sub-gruppen mit einer schlechteren Return-to-work(RTW)-Prognose in der Neurologie stärkervon einer MBOR-Intervention profitieren.

Methoden

Aus den beiden bisherigen randomisiert kontrollierten Studien in der Neurologie (BOMeN,BoReM-N) wurde eine gepoolte Stichprobe gebildet, die gemeinsame Daten zu den Erhe-bungszeitpunkten Beginn der Rehabilitation (t1) und 15 Monate nach Ende (t5) enthält. Alsprimärer Outcome wurden die Fehlzeiten im Follow-up sowie die gesundheitsbezogene Le-bensqualität, gemessen mit der Körperlichen und Psychischen Summenskala des SF-36,definiert. Sekundäre Outcomes wurden über Strategien der Krankheitsbewältigung und ar-beitsbezogene Einstellungen (Eigenkonstruktion) abgebildet.

Durch ein logistisches Prädiktionsmodell wurde die individuelle Wahrscheinlichkeit (0–100 %) ermittelt, zu t5 aktiv zu arbeiten. Über eine Interaktion dieses RTW-Prognosescoremit der Gruppenzuordnung erfolgte dann eine differentielle Effektprüfung der MBOR-Inter-ventionen in multiplen linearen Regressionsmodellen. Die metrischen Skalen wurden dazuz-transformiert. Bei signifikanter Interaktion erfolgte im Falle der primären Outcomes eineEffektschätzung der Überlegenheit der MBOR-Behandlung für unterschiedliche RTW-Pro-gnosen, indem der Score an verschiedenen Punkten zentriert wurde. Die Effektschätzerwurden in standardisierte Mittelwertdifferenzen (SMD) transformiert, indem der unstandar-disierte Regressionskoeffizient an der gepoolten Standardabweichung normiert wurde.

Ergebnisse

Die Analysestichprobe belief sich auf n=442. 216 Rehabilitanden ließen sich der Interven-tionsgruppe (IG) zuordnen, 226 der Kontrollgruppe (KG). Durchschnittlich waren die Patien-

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ten 48 Jahre alt; 6 von 10 waren männlich. Bei 83 % lag das Krankheitsereignis nicht längerals 6 Monate zurück; 77 % hatten einen Schlaganfall erlitten.

Für die Fehlzeiten und die Körperliche Gesundheit konnte keine Überlegenheit der MBORermittelt werden. Für die Psychische Gesundheit ergab sich eine signifikante Interaktion(b=−3,12; p=.003). Der signifikante Interaktionsterm zeigt, dass eine um eine Standardab-weichung erhöhte RTW-Prognose den Behandlungseffekt, d. h. den Gruppenunterschied,um 3 Punkte reduziert. Bis zu einer RTW-Prognose von 50 % wurde eine signifikante Über-legenheit der MBOR-Interventionen in Bezug auf die Psychische Summenskala nachgewie-sen. Die Effektstärken stiegen mit geringer werdender RTW-Prognose der betrachtetenStichprobe an. Sie lagen bei 25 % und niedriger im mittleren bis hohen Bereich (SMD >.50),bis 50 % im kleinen Bereich.

Für die Skalen „Krankheitsbewältigung“ und „Arbeit als Ressource“ wurden ebenfalls signi-fikante Interaktionsterme identifiziert. Analog zur Psychischen Summenskala ergaben sichauch hier bei niedriger RTW-Prognose Diskrepanzen in den Outcomes zugunsten der IG,wobei die Effektstärken bei unter 40 % im mittleren bis hohen Bereich lagen.

Diskussion

Patienten scheinen in der neurologischen Rehabilitation um so eher von komplexen MBOR-Interventionen zu profitieren, je kritischer ihre RTW-Prognose ist. Allerdings muss dieser Be-fund aktuell auf die psychische Gesundheit reduziert werden. Damit werden bisherige Er-kenntnisse aus anderen Indikationsbereichen bestätigt, die eine differentielle Wirkung derMBOR nahelegen. Die Verwendung der klassischen BBPL-Kriterien ist auf dieser Basisauch in der Neurologie zu empfehlen.

Literatur

Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.) (2012): Anforderungsprofil zur Durchführungder Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) im Auftrag der DeutschenRentenversicherung. Berlin.

Kittel, J., Karoff, M. (2008): Lässt sich die Teilhabe am Arbeitsleben durch eine berufsorien-tierte kardiologische Rehabilitation verbessern? Ergebnisse einer randomisierten Kon-trollgruppenstudie. Die Rehabilitation, 47 (1). 14-22.

Menzel-Begemann, A. (2012): Berufliche Orientierung in der medizinischen Neurorehabili-tation. Problemstellung – Intervention – Ergebnisse. Weinheim: Beltz Juventa.

Menzel-Begemann, A. (2014): Beruflich orientiertes Reha-Modul für die Neurologie(BoReM-N) – Ergebnisse zum Katamnesezeitpunkt 12 Monate nach Reha. DRV-Schrif-ten, Bd. 103. 45-47.

Streibelt, M., Bethge, M. (2014): Effects of intensified work-related multidisciplinary rehabili-tation on occupational participation: a randomized-controlled trial in patients with chronicmusculoskeletal disorders. Int J Rehabil Res., 37 (1). 61-66.

Neuderth, S., Lukasczik, M., Schuler, M., Laterveer, H., Weilbach, F., Presl, M., Presl, M.,Knörzer, J. (2014): Eignen sich etablierte Kriterien zur Bestimmung einer besonderen be-ruflichen Problemlage für die Zuweisung neurologischer Rehabilitanden in die Medizi-nisch-beruflich orientierte Rehabilitation? DRV-Schriften Bd. 103. 57-59.

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Die MBO®-Kompakt-Neurowoche: Maßnahmenbewertung, Return to Workund berufliche Leistungsfähigkeit nach 6 bzw. 12 Monaten

Neuderth, S. (1), Lukasczik, M. (1), Knörzer, J. (2), Laterveer, H. (2), Weilbach, F. (2), Presl, M. (2), Presl, M. (2), Schuler, M. (1)

(1) Abteilung für Medizinische Psychologie, Medizinische Soziologie und Rehabilitations-wissenschaften, Universität Würzburg, (2) Klinik Bavaria, Bad Kissingen

Hintergrund

Die MBO® Kompakt-Neurowoche in der Klinik Bavaria in Bad Kissingen zielt darauf ab, neu-rologischen Rehabilitanden mit Diskrepanzen zwischen beruflichen Anforderungen und ak-tueller Leistungsfähigkeit die Rückkehr in den Beruf erleichtern. Das 7-tägige berufsorien-tierte Behandlungskonzept wird im Anschluss an die reguläre neurologische Rehabilitationdurchgeführt und umfasst psychosoziale und kognitive Behandlungsbausteine sowie Trai-ningsangebote zur besseren Bewältigung körperlicher Arbeitsplatzanforderungen (Lukas-czik et al., 2012; Presl et al., 2012). Mittels formativer Evaluation wurden (1) Unterschiedezwischen Maßnahmenteilnehmern und Nicht-Teilnehmern, (2) die sozialmedizinische Si-tuation der Teilnehmer 6 und 12 Monate nach der Maßnahme und (3) die Beurteilung derMaßnahme durch die Teilnehmer untersucht.

Methode

Es wurden über 25 Monate Fragebogendaten zu 4 Messzeitpunkten erhoben und ausge-wertet: T0 = Screening auf besondere berufliche Problemlage (BBPL) zu Beginn der regu-lären Reha, T1 = Maßnahmenbeginn, T2 = Maßnahmenende, T3 = 6-Monats-Katamnese,T4 = 12-Monats-Katamnese.

Ergebnisse

Von 244 Maßnahmenteilnehmern (75 % Männer, Durchschnittsalter 48 Jahre, meist Schlag-anfall) waren 7 % vor Reha-Beginn arbeitslos, 78 % waren Vollzeit beschäftigt, 66 % warenim Jahr vor der Reha krankgeschrieben (AU-Dauer M = 12 Tage, Mdn = 9 Tage). 44 % se-hen zu Maßnahmenbeginn ihre berufliche Leistungsfähigkeit deutlich eingeschränkt, 16 %überlegen, einen Rentenantrag zu stellen, 21 % weisen depressive Symptome auf (PHQ-2).Im Vergleich zu den Nicht-Teilnehmern (n=202, nur T0-Daten vorliegend) weisen Maßnah-menteilnehmer signifikant eine höhere berufsbezogene Behandlungsmotivation (r=0,27)und eine bessere subjektive Erwerbsprognose auf (r=0,23), sind seltener arbeitslos(r=0,18), haben seltener Abitur (5 % vs. 12 %) und sind häufiger Arbeiter (74 % vs. 59 %).Von der Maßnahme erwarten die Teilnehmer primär eine Verbesserung der körperlichenund beruflichen Leistungsfähigkeit sowie eine Vorbereitung auf die Rückkehr in das Arbeits-leben. Am meisten wird befürchtet, im Beruf das geforderte Arbeitstempo nicht einhalten zukönnen, schnell zu ermüden, Konzentrationsschwierigkeiten zu haben und die eigene Leis-tungsfähigkeit falsch einzuschätzen.

Zu T3 (T4) liegen Daten von n=191 (180) Maßnahmenteilnehmern vor. Hiervon schätzensich 24 % (16 %) als voll leistungsfähig, 37 % (47 %) als leicht eingeschränkt leistungsfähigund 26 % (18 %) als erheblich eingeschränkt ein. 13 % (18 %) geben an, nicht erwerbsfähig

58

zu sein. 65 % (67 %) gehen einer Vollzeitbeschäftigung nach, 9 % (7 %) sind arbeitslos, 6 %(5 %) haben einen Rentenantrag gestellt, 24 % (29 %) denken über Rentenantragstellungnach. Die mittlere AU-Dauer beträgt M=9 (10) Wochen (Mdn=4 (4)). 57 % der zu T4 berufs-tätigen Teilnehmer berichten von erhöhter Ermüdbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten(47 %) und Problemen mit dem Arbeitstempo (44 %). 39 % sind besorgt, ob ihre Fähigkeitenfür den Beruf noch ausreichen. Diese beruflichen Schwierigkeiten können von den Studien-teilnehmern bereits bei Maßnahmenende (T2) gut vorhergesagt werden.

Mit der Maßnahme sind 76 % (78 %) der Teilnehmer ziemlich/sehr zufrieden. Als besondershilfreich werden Angebote zur Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, des Ge-dächtnisses und zur Testung der Arbeitsfähigkeit bewertet. Über 80 % geben an, durch dieMaßnahme besser auf die Rückkehr an den Arbeitsplatz vorbereitet worden zu sein undbesser mit beruflichen Belastungen umgehen zu können. Optimierungspotential wird in ei-nem umfassenderen Angebot zum Erarbeiten beruflicher Alternativen und zum Umgang mitpsychosozialen Problemen gesehen.

Diskussion

In die MBO® Kompakt-Neurowoche werden Rehabilitanden mit beruflicher Problemlageund guter berufsbezogener Behandlungsmotivation aufgenommen. Die Stichprobe ist mitdenen anderer Studien vergleichbar (Menzel-Begemann, 2012). Die Gesamtmaßnahme so-wie einzelne Elemente werden als hilfreich für die Rückkehr an den Arbeitsplatz und die Be-wältigung von Arbeitsplatzproblemen angesehen. Basierend auf den Evaluationsdaten wur-den die psychologischen Behandlungsmodule mittlerweile weiter ausgebaut. Die meistenRehabilitanden konnten wieder in ihren Beruf zurückkehren, über 60 % geben nach 12 Mo-naten keine nennenswerten Leistungseinschränkungen an. Dauerhafte Probleme mit Er-müdbarkeit, Konzentration und Arbeitstempo weisen jedoch darauf hin, dass Nachsorge-angebote wie individuelle Fallbegleitung oder auch Intervalltherapie hilfreich wären (vgl.Schupp, 2011).

Förderung: Klinik Bavaria Bad Kissingen

Literatur

Lukasczik, M., Löffler, S., Schuler, M., Weilbach, F., Laterveer, H., Knörzer, J., Presl, M.,Neuderth, S. (2012): Intensivierte beruflich orientierte medizinische Rehabilitation beineurologischen Erkrankungen: Formative Evaluation der MBO® Kompakt-Neurowoche.DRV-Schriften, Bd. 98. 172-173.

Menzel-Begemann, A. (2012): Berufliche Orientierung in der Medizinischen Neurorehabili-tation. Problemstellung, Intervention, Ergebnisse. Weinheim: Beltz/Juventa.

Presl, M., Weilbach, F., Knörzer, J., Laterveeer, H., Presl, A., Hipler, C., Kiesel, J. (2012):MBO®-Kompakt Neurologie in den Kliniken Bavaria Bad Kissingen, Freyung undKreischa. In: Löffler, S., Gerlich, C., Lukasczik, M., Wolf, H.D., Vogel, H., Neuderth, S.:Praxishandbuch Arbeits- und berufsbezogene Orientierung in der medizinischen Rehabili-tation. 3. Aufl. 300-307.

Schupp, W. (2011): DGRW-Update: Neurologie – Von empirischen Strategien hin zu evi-denzbasierten Interventionen. Die Rehabilitation, 50. 354-362.

59

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben I

Instrumente und Verfahren zur Bedarfsermittlung bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben – Erhebung und Systematisierungsansätze

Penstorf, C. (1), Bade, S. (2), Gleisberg, D. (2), Jonßon, L. (2), Lentz, R. (3), Morfeld, M. (2), Robinson, K. (3), Schubert, M. (1), Seel, H. (1)

(1) Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, Frankfurt, (2) Hochschule Magdeburg-Stendal,

(3) Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke, Berlin

Hintergrund und Fragestellung

Anforderungen an die Ermittlung und Feststellung von Teilhabebedarf stehen aktuell imKontext der Schaffung eines Bundesteilhabegesetzes in der fachlichen Diskussion. Dabeiwerden verschiedene übergreifende Kriterien diskutiert, die an ein Bedarfsfeststellungsver-fahren anzulegen sind und so mit zur Bedarfsermittlung eingesetzten Instrumenten/Ver-fahren korrespondieren. Wie ein Bedarf ermittelt wird, liegt dabei in der Hand der für die Be-darfsermittlung zuständigen Akteure. Um jedoch überhaupt eine Übersicht zu bei LTA ein-gesetzten Instrumente/Verfahren zu erlangen, wurde eine Studie durchgeführt, welcheFragen zu den aktuellen Bedarfsermittlungsprozessen und deren Optimierungsmöglichkei-ten in leistungsträger- und leistungserbringerübergreifender Perspektive nachging (Schu-bert et al., 2014a). Der Beitrag präsentiert Ergebnisse zur Fragestellung: Welche Verfahrenzur Bedarfsermittlung werden von den verschiedenen Akteuren im Verlauf des Rehabilita-tionsprozesses im Bereich LTA eingesetzt?

Methodik

Es wurden alle Leistungsträger (DRV, BA, DGUV, SVLFG, Sozialhilfe, Versorgungsverwal-tung, Integrationsämter) sowie zentrale Leistungserbringer (BFW, BBW, BTZ, RPK, IFD,Phase-II-Einrichtungen, WfbM) von LTA mittels Fragebogen mit geschlossenen, halboffe-nen und offenen Fragentypus befragt. Die Rücklaufquote bei Leistungsträgern (n=68) und-erbringern (n=190) lag bei je knapp 30 %. Die Studie wurde gefördert vom BMAS.

Ergebnisse

Prozesse und Vorgehen bei der Bedarfsermittlung stehen im Kontext einer wesentlichenHeterogenität des Gesamtfeldes der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die sich u. a.durch eine Vielfältigkeit der Personengruppen und individuellen Bedarfslagen sowie dermöglichen Leistungsträger (LT) und Leistungserbringer (LE) charakterisiert. Ferner sind beider Bedarfsermittlung unterschiedliche Ziele der institutionellen Akteure und Zeitpunkte imRehabilitationsprozess zu berücksichtigen.

Mit über 1.100 Einzelnennungen und daraus ermittelten 429 Verfahren/Instrumenten wirddeutlich, wie diversifiziert Bedarfsermittlung sowohl bei Leistungsträgern und -erbringerndurchgeführt wird.

60

Die benannten Instrumente/Verfahren wurden anhand von Strukturmerkmalen und Zielrich-tung zu 8 Kategorien verdichtet (diagnostische Verfahren, Assessments, Maßnahmen, Pro-filing, Konzepte, Planung/Dokumentation, Trainings sowie Diagnostik Dritter). Viele Verfah-ren können dem Bereich diagnostischer Instrumente/Verfahren zugeordnet werden, wobeiLE (74 %) diese deutlich häufiger nutzen als LT (41 %). Dafür nutzen LT häufiger Maßnah-men (13 %), Konzepte (14 %), Instrumente zur Planung oder Dokumentation (13 %) sowiedie Diagnostik Dritter (9 %) zur Bedarfsermittlung.

Als häufigste Verfahren, die im Rahmen der Bedarfsermittlung eingesetzt werden, benen-nen LT das Reha-Management der DGUV, MELBA, HAMET und 4PM/DELTA. Darüberhinaus werden ärztliche Untersuchungen und FCE-Verfahren häufig angegeben. Bei LEwerden ebenfalls MELBA und HAMET besonders häufig benannt, des Weiteren Aufmerk-samkeits- und Intelligenztests wie d2 und I-S-T 2000, der Selbstbeurteilungsbogen SCL-90sowie AVEM.

In der Initiierungsphase, die insbesondere durch Prozesse mit dem Ziel der Leistungs-bemessung durch die LT gekennzeichnet ist, lassen sich 5 Ansätze unterscheiden: Einzel-instrumente bzw. -verfahren (z. B. Screenings, Gutachten), Erhebungsverfahren bei LT(Assessments/Profiling) und im Auftrag von LT bei LE (z. B. EFL), Maßnahmen bei LE (z. B.DIA-AM) und Prozessverfahren der LT (4PM, Reha-Management). In der Durchführungs- so-wie der Abschlussphase von LTA finden sich bei LE insbesondere Einzelinstrumente (z. B.HAMET, d2/d2-R) und Erhebungsverfahren (z. B. Assessment, MELBA, AVEM). Erhebungsver-fahren der Bedarfsermittlung können in allen Phasen wiederum Einzelinstrumente enthalten.

Eine Reihe der Verfahren werden zur Kommunikation nach außen eingesetzt. Durch Nut-zung verschiedener Bedarfsermittlungsverfahren mit ihren z. T. unterschiedlichen Begriffs-gefügen wird eine notwendige akteursübergreifende Kommunikation bei und zwischen LTund LE erschwert.

Diskussion und Schlussfolgerungen

Die systematische Erhebung bestätigt den Praxiseindruck einer wesentlichen Varianz beimInstrumenten-/Verfahrenseinsatz, der zu einem heterogenen, diversifizierten Einsatz von In-strumenten und Verfahren zur Bedarfsermittlung führt. Es ergeben sich insbesondere An-satzpunkte für konvergenzorientierte Weiterentwicklungen von Prozessen der Bedarfser-mittlung. Die strukturierte Erhebung aktueller Ansätze der Bedarfsermittlung ist dabei An-satzpunkt für eine Entwicklung übergreifender Grundlagen (Schubert et al., 2014b) und fürUmsetzungsüberlegungen zu Anforderungen an Bedarfsermittlungsprozesse.

Literatur

Schubert, M., Penstorf, C., Seel, H., Morfeld, M., Bade, S., Gleisberg, D., Jonßon, L., Lentz, R.,Robinson, K. (2014a): Prüfung von aktuellem Stand und Potential der Bedarfsermittlungvon Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben unter Berücksichtigung der ICF. Abschluss-bericht. www.bar-frankfurt.de

Schubert, M., Bade, S., Gleisberg, D., Jonßon, L., Lentz, R., Morfeld, M., Penstorf, C., Ro-binson, K., Seel, H. (2014b): Optimierungspotenziale und Entwicklungsperspektiven derBedarfsermittlung bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. DRV-Schriften, Bd. 103.93-95.

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Änderung der subjektiven Prognose zur Reintegration während des RehaAssessments aus Teilnehmerperspektive

Arling, V., Birringer, N., Spijkers, W.

RWTH Aachen

Hintergrund

Berufliche Rehabilitation zielt auf die Wiederherstellung bzw. signifikante Verbesserung derBeschäftigungsfähigkeit von Behinderten bzw. von Behinderung bedrohten Menschen, umdiesen (weiterhin) eine Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen (vgl. Ellger-Rüttgardtet al., S. 10, 2009). In diesem Sinne gilt es, mit Beginn des Rehabilitationsprozesses Fähig-keiten und Bedarfe der Betroffenen gezielt festzustellen. Eine solche bedarfsgerechte Dia-gnostik findet im Rahmen des sog. RehaAssessements© (Reha-AC) statt. Hier wird vonsei-ten eines Berufsförderungswerkes die Eignung eines Rehabilitanden für eine Umschulungüberprüft bzw. der Rehabilitand hat die Möglichkeit sich in verschiedenen Berufsbereichenzu erproben.

In diesem Sinne fokussiert die vorliegende Studie auf die Fragestellung, inwiefern sich dieEinschätzung eines Rehabilitanden bezüglich seiner Wiedereingliederungschancen aufdem allgemeinen Arbeitsmarkt mit einer Überprüfung und Erprobung seiner Fähigkeitenverändert. Unterschieden wird zusätzlich inwiefern sich Unterschiede zwischen einer 3- undeiner 10-tägigen Erprobung feststellen lassen.

Methode und Stichprobe

An der Studie nahmen insgesamt 10 Frauen und 42 Männer mit einem Durchschnittsaltervon 36,6 Jahren (SD = 7,5) teil. 43 Personen absolvierten ein 10-tägiges Assessment, 9 eine3-tägige Kurzmaßnahme. Zusätzlich zum standardisierten Vorgehen im RehaAssessmentwurden die Teilnehmer zu Beginn und am Ende der Maßnahme gebeten, eine Selbstein-schätzung bezüglich ihrer subjektiven Reintegrationsprognose auf einer Skala von 0– 100 %anzugeben (SPR; Hagemeyer et al., 2013). Darüber hinaus wurden sie nach ihrer beruf-lichen Selbstwirksamkeitserwartung (BSW, Abele et al., 2000) und proaktiven Copingstrate-gien (PCI, Schwarzer et al., 2000) gefragt.

Ergebnisse

Für die Teilnehmer des 10-tägigen Reha-AC lässt sich über die Maßnahme hinweg eine si-gnifikante Verbesserung der Einschätzung der subjektiven Reintegrationsprognose feststel-len (MWprä = 66,63 %; SD = 23,22 %; MWpost = 73,63 %; SD = 23,91 %; t[39] = −2,25, p =0,03, d = 0.72). Für die 3-tägige Kurzmaßnahme bildet sich eine Tendenz dahin gehend ab,dass sich die Prognose verschlechtert [MWprä = 77,22 %, SD = 18,89 %; MWpost = 67,78 %,SD = 27,74 %; t[8] = 2,13, p = 0,07, d = 1.5).

Bezüglich der beruflichen Selbstwirksamkeit lässt sich für die Teilnehmer des 10-tägigenReha-AC eine signifikante Verbesserung der Einschätzung über die Maßnahme hinwegfeststellen (t[36] = −2,44, p = 0,02, d = −0.96). Für die Teilnehmer der 3-tägigen Maßnahmelässt sich keine signifikante Veränderung feststellen.

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Zur Ermittlung der Relevanz von beruflicher Selbstwirksamkeit und proaktiven Copingstra-tegien für die subjektive Reintegrationsprognose wurden für das 10-tägige Reha-AC (Be-ginn und Ende) lineare Regressionsanalysen berechnet (Methode: schrittweise Selektion).Zu Beginn der Maßnahme wird 36,9 % der Gesamtvarianz in der subjektiven Prognosedurch proaktive Copingstrategien aufgeklärt. Berufliche Selbstwirksamkeit spielt zu Beginndes Reha-AC keine Rolle. Am Ende des Reha-AC wird die BSW hingegen relevant und klärtgemeinsam mit den proaktiven Copingstrategien 59,30 % Varianz bezüglich der Prognoseauf (vgl. Tab. 1).

Tab. 1: Lineare Regressionsanalysen mit PCI und BSW zur Vorhersage der subjektiven Reintegra-tionsprognose

Diskussion

Ausschließlich für das 10-tägige Reha-AC zeichnen sich positive Veränderungen hinsicht-lich der Einschätzung der subjektiven Reintegrationsprognose bzw. der beruflichen Selbst-wirksamkeit ab.

Die Regressionsanalysen zeigen, dass über das Reha-AC hinweg unterschiedliche Aspektedie Reintegrationsprognose beeinflussen. Diese Ergebnisse lassen sich dahin gehend inter-pretieren, dass zu Beginn des Reha-AC aufgrund der (noch) unsicheren beruflichen Situa-tion der Betroffenen vor allem allgemeine zukunftsbezogene Bewältigungsdispositionen vonRelevanz sind. Konkretisiert sich hingegen in der Maßnahme die berufliche Zielsetzung, ge-winnt die berufliche Selbstwirksamkeitserwartung an unmittelbarer Bedeutung.

Das systematische Erfassen und Berücksichtigen teilnehmerspezifischer Einstellungenüber den Reha-AC-Verlauf hinweg ist in diesem Sinne bedeutsam für die Absicherung desAssessmenterfolges.

Literatur

Abele, A., Stief, M., Andrä, M. (2000): Zur ökonomischen Erfassung beruflicher Selbstwirk-samkeitserwartungen – Neukonstruktion einer BSW-Skala. Zeitschrift für Arbeits- und Or-ganisationspsychologie, 44. 145-151.

Ellger-Rüttgardt, S., Karbe, H., Niehaus, M., Rauch, A., Riedel, H.-P., Schian, H.-M.,Schmidt, C., Schott, T., Schröder, H., Spijkers, W., Wittwer, U. (2009): Stellungnahme derwissenschaftlichen Fachgruppe RehaFutur zur Zukunft der beruflichen Rehabilitation inDeutschland. Deutsche Akademie für Rehabilitation e.V. Bonn.

Einflussvariablen Standard - fehler p (95% - KI) R 2

Bootstrap für Koeffizienten 1

Verzerrung Standard- fehler p

Subjektive Reintegrationsprognose zu Beginn der Maßnahme * PCI 0.22 0.05 < .001 0.12 - 0.32 0.37 0,14 2,50 0.001 Subjektive Reintegrationsprognose zu Ende der Maßnahme ** BSW 0.43 0.09 < .001 0.25 - 0.61 0.48 - 0.01 0.08 < .001 PCI 0.14 0.04 0.004 0.05 - 0.23 0.59 0.001 0.04 0.004 * Durbin - Watson: 2.07, Toleranz = 1, VIF = 1 ** Durbin - Watson = 2.31, Toleranz = 0,89, VIF = 1,13

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Hagemeyer, A., Arling, V., Frost, M., Kleon, S., Schellmann, C., Spijkers, W. (2013): Subjek-tive Prognose der Reintegration bei Rehabilitanden. DRV-Schriften, Bd. 101. 293-294.

Schwarzer, R., Greenglass, E., Taubert, S. (2000): PCI – Fragebogen zu allgemeiner undproaktiver Stressbewältigung – Deutsche Testversion 1 (2000) des Proactive Coping In-ventory. http://userpage.fu-berlin.de/~health/pcigerman1.htm. Abruf: 23.10.2014.

Sind Vollqualifizierungen wirklich besser als Teilqualifizierungen? Ergebnisse einer Propensity-Score-gematchten Analyse

Bethge, M. (1), Streibelt, M. (2)

(1) Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck,(2) Deutsche Rentenversicherung Bund

Hintergrund

Umschulungen zum Erwerb einer völlig neuen beruflichen Qualifikation bilden noch immerden Großteil berufsbildender Qualifizierungsleistungen. Seit einigen Jahren werden jedochauch kürzere Teilqualifizierungen angeboten (Deutsche Rentenversicherung, 2012). Diesebieten aufbauend auf den individuellen Vorerfahrungen berufliche Spezialisierungen an, umdie Teilnehmer zielgenau und schnell ins Erwerbsleben zu reintegrieren. Ungeklärt ist, obsich die Reintegrationsergebnisse von Voll- und Teilqualifizierungen unterscheiden.

Methodik

Die Analysen wurden auf Basis des Scientific Use File „Abgeschlossene Rehabilitation imVersicherungsverlauf 2002-2009“ des Forschungsdatenzentrums der Rentenversicherung(FDZ-RV – SUFRSDLV09B) realisiert. Eingeschlossen wurden Personen im Alter von 18–59 Jahren, die im 1. Halbjahr 2005 eine Voll- oder Teilqualifizierung angetreten hatten. Teil-nehmer von Voll- und Teilqualifizierungen wurden mittels Propensity Score gematcht (Guo,Fraser, 2010). Zur Berechnung des Propensity Scores wurden 23 Variablen ausgewählt.Davon erfassten 7 soziodemografische Merkmale (einschließlich Bildung und Berufsgrup-pe). Mit 16 Variablen wurden das zwischen 2001 und 2004 dokumentierte Entgelt und dieBezugsdauer von Transferleistungen (Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II sowie sonstigeLeistungen, v. a. Krankengeld und Übergangsgeld) abgebildet. Als Zielkriterien wurden daszwischen 2005 und 2009 dokumentierte versicherungspflichtige Entgelt, die Dauer vonTransferleistungen sowie Zugangsraten in Erwerbsminderungsrente geprüft.

Ergebnisse

Die mittels Propensity Score gematchte Stichprobe umfasste 1.028 Personen (Teilqualifizie-rung: n=514; Vollqualifizierung: n=514). Das Sample war hinsichtlich aller berücksichtigenAusgangsvariablen balanciert (mittleres Alter: 43,5 Jahre; 31,8 % Frauen; 57 % arbeitslos).67 % hatten muskuloskeletale Erkrankungen, 14,1 % waren psychisch erkrankt.

Im 4. und 5. Jahr nach Beginn der berufsbildenden Rehabilitationsleistung waren hinsicht-lich des erreichten Entgeltes aus versicherungspflichtiger Beschäftigung und der Dauer vonTransferleistungen keine Unterschiede zwischen Teilnehmern von Teil- und Vollqualifizie-

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rungen beobachtbar (Abb. 1). Auch das Risiko eines Erwerbsminderungsrentenzugangswar für beide Teilnehmergruppen vergleichbar (Teilqualifizierung: 7 %; Vollqualifizierung:8,4 %).

Das für 2005 bis 2009 kumulierte, durch versicherungspflichtige Beschäftigung erzielte Ent-gelt war für Teilnehmer einer Teilqualifizierung jedoch 9.294 EUR (95 % KI: 3.656 EUR bis14.932 EUR) höher. Unterschiede zeigten sich auch bei der kumulierten Dauer von Trans-ferleistungen. Teilnehmer von Teilqualifizierungen bezogen über den gesamten Zeitraumlänger Arbeitslosengeld (Teil- vs. Vollqualifizierung: 24 Tage; 95 % KI: 3 Tage bis 45 Tage)und Arbeitslosengeld II (Teil- vs. Vollqualifizierung: 103 Tage; 95 % KI: 39 Tage bis 166 Ta-ge), Teilnehmer von Vollqualifizierungen länger sonstige Leistungen (Teil- vs. Vollqualifizie-rung: −310 Tage; 95 % KI: −345 Tage bis −274 Tage). Insgesamt waren Teilnehmer vonVollqualifizierungen deutlich länger auf Transferleistungen angewiesen.

Abb. 1: Jährliches Entgelt aus versicherungspflichtiger Beschäftigung

Diskussion

Obwohl die langfristigen jährlichen Vergleiche keine Unterschiede zwischen Teil- und Voll-qualifizierungen zeigen, ist die Teilnahme an Vollqualifizierungen im Vergleich zur Teilnah-me an Teilqualifizierungen mit negativen kumulativen Effekten assoziiert. Dies ist v. a. durchden 1 Jahr längeren Ausschluss vom Arbeitsmarkt während einer Vollqualifizierung erklär-bar. Langfristig scheint sich der längere Bezug von Transferleistungen jedoch nicht durchhöhere Entgelte und verbesserte Beschäftigungschancen auszuzahlen. Möglicherweise istein längerer Nachbeobachtungszeitraum notwendig, um einen solchen Vorteil zu zeigen.

0

2.000

4.000

6.000

8.000

10.000

12.000

2004 2005 2006 2007 2008 2009

Jähr

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Vollqualifizierung Teilqualifizierung

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Eine abschließende vergleichende Bewertung bedarf weiterer subjektiver Angaben von Teil-nehmern, um bislang nicht berücksichtigte Unterschiede, die sich auf den Erfolg auswirken,im Propensity Score abbilden zu können (Sears et al., 2014). Die Etablierung einer großenversorgungsepidemiologischen Kohorte mit Teilnehmern von Leistungen zur Teilhabe amArbeitsleben dürfte vor diesem Hintergrund eine der wichtigsten rehabilitationswissen-schaftlichen Herausforderungen der kommenden Jahre sein.

Schlussfolgerungen

Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse ist die derzeit noch deutlich häufigere Bewilligungvon Vollqualifizierungen kritisch zu reflektieren.

Literatur

Deutsche Rentenversicherung (2012): Reha-Bericht Update 2012. Die medizinische undberufliche Rehabilitation der Rentenversicherung im Licht der Statistik. Berlin, DeutscheRentenversicherung Bund.

Guo, S., Fraser, M. W. (2010): Propensity score analysis: statistical methods and applica-tions. Los Angeles, Sage Publications.

Sears, J.M., Rolle, L.R., Schulman, B.A., Wickizer, T.M. (2014): Vocational RehabilitationProgram Evaluation: Comparison Group Challenges and the Role of UnmeasuredReturn-to-Work Expectations. J Occup Rehabil, doi:10.1007/s10926-014-9509-6.

Arbeit und Krankheit im Lebensverlauf – eine qualitative Verlaufsstudiezu berufsbiografischen Brüchen und beruflicher Neuorientierung

Bartel, S.

Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke e. V., Berlin

Hintergrund

Sowohl gesellschaftspolitisch, als auch für die Biographie und die Existenzsicherung desEinzelnen, ist die Teilhabe am Arbeitsleben in einer modernen Arbeitsgesellschaft von zen-traler Bedeutung. Erwerbsarbeit ermöglicht neben einer Existenzsicherung den Zugang zuanderen gesellschaftlichen Bereichen, vermittelt soziale Anerkennung und Wertschätzungsowie das Gefühl, gebraucht zu werden. Für Personen, die aufgrund ihrer Erkrankung in ih-rem ursprünglichen Beruf nicht mehr arbeiten können, stellt diese neue Situation einen gro-ßen Einschnitt im Leben dar und erfordert seitens der Betroffenen und Angehörigen enormeBewältigungsarbeit (Corbin, Strauss, 2004).

In diesem Zusammenhang spielen die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben eine her-ausragende Rolle; die berufliche Rehabilitation wird – zur Sicherung sozialer und beruflicherTeilhabe – immer bedeutsamer (BMAS, 2013). Leistungen zur Teilhabe am Arbeitslebenmüssen immer die gesamte Lebenssituation berücksichtigen (Kardorff, Ohlbrecht, 2013), ei-ne Anforderung, die innerhalb des arbeitsteilig organisierten Hilfesystems nicht immer ge-lingt (Schubert et al., 2013).

66

Fragestellungen und Design der Studie

Die vorliegende Studie richtet ihren Blick auf die gesamte Lebenssituation der Betroffenenund geht der Frage nach, wie der Prozess einer durch die Erkrankung „erzwungenen“ be-ruflichen Neuorientierung erlebt und gestaltet wird und vor welchen Dimensionen sich dieserProzess vollzieht. Ziel der Analyse ist die Herausarbeitung von Strukturen der Wechselwir-kung zwischen der Erkrankung, der damit verbundenen Bewältigungsarbeit und dem Selbst-erleben in der beruflichen Neuorientierung.

Die Studie ist als qualitative Untersuchung angelegt, gerahmt und geleitet durch den For-schungsstil der Grounded Theory (Glaser, Strauss, 2010); ein ganzheitliches, d. h. alle Pha-sen des Forschungsprozesses (u. a. konzeptioneller Rahmen, Fallauswahl, Auswertung, Er-gebnisdarstellung) einschließendes Verfahren. Es wurden 10 Personen, die aufgrund einerErkrankung eine berufsbiografische Veränderung erlebten, zu 2 Zeitpunkten leifadengestütztinterviewt, um den Verlaufscharakter des komplexen Veränderungsprozesses zu erfassen.

Ergebnisse

Der Prozess beruflicher Neuorientierung ist durch 3 übergeordnete Konzepte bestimmt:Dimensionen von Arbeit, Bruch der Berufsbiografie sowie Rekonstruktion und Neuentwurf.

Die „Richtung“ und Intensität des Neuorientierungsprozesses und entsprechend eingesetz-te Strategien unterliegen einem komplexen Gefüge unterschiedlicher Faktoren. Diese sindangesiedelt auf individueller Ebene (z. B. Alter, soziale Unterstützung), im Bereich externerKontextbedingungen (Arbeitsplatzbedingungen, Arbeitsmarkt) sowie bestimmt durch denCharakter der Erkrankung und dessen Verlauf. Dieses Bedingungsgefüge ist dynamisch,d. h. veränderte Rahmenbedingungen (z. B. Verschlechterung der Erkrankung oder be-grenzter beruflicher Gestaltungsspielraum) führen zu veränderten Relevanzen bestimmterAspekte für die/den Einzelnen.

Ausblick

Die bisherigen Erkenntnisse verweisen auf ein vielschichtiges Spektrum beruflicher Teilha-be. Der Verlaufscharakter beruflicher Neuorientierung kann als nichtlinear beschrieben wer-den und erfordert einen besonderen Bedarf flexibel aufeinander abgestimmter multimodalerUnterstützungsangebote sowie eine biografische Fallberatung (Dern, Hanses, 2001). Diesemuss auf individuelle Bedeutungskontexte von Arbeit und Gesundheit sowie (berufs)biogra-fische Erfahrungswerte der Menschen aufbauen und dabei die jeweiligen Krankheitsver-laufskurven berücksichtigen.

Literatur

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) (2013): Teilhabebericht der Bundesre-gierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen. Teilhabe – Beein-trächtigung – Behinderung. Bonn: BMAS.

Dern, W., Hanses, A. (2001): Berufsfindung und Biografie – Biografische Diagnostik als Zu-gang zu den Sinnhorizonten und Ressourcen der Menschen in der beruflichen Rehabili-tation. Rehabilitation 40(5). 289-303.

Glaser, B.G., Strauss, A.L. (2010): Grounded Theory. Strategien qualitativer Forschung(3. unv. Aufl.). Bern: Verlag Hans Huber.

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Kardorff, E. v., Ohlbrecht, H. (2013): Erwerbsarbeit für psychisch kranke Menschen im ge-sellschaftlichen Wandel. In: Mecklenburg, H., Storck, J. (Hrsg.): Handbuch berufliche In-tegration und Rehabilitation. Bonn: Psychiatrie-Verlag. 18-29.

Schubert, M., Parthier, K., Kupka, P., Krüger, U., Holke, J., Fuchs, P. (2013): Menschen mitpsychischen Störungen im SGB II. (IAB-Forschungsbericht, 12/2013), Nürnberg: IAB.

Transparenz des Leistungsgeschehens?! – Ergebnisse der Erprobung der LBR-Klassifikation

Radoschewski, F.M. (1), Klosterhuis, H. (2), Lay, W. (1), Lindow, B. (2), Mohnberg, I. (1), Zander, J. (2)

(1) Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Charité – Universi-tätsmedizin Berlin, (2) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Ausgangssituation

In Ergänzung und Ausbau des Qualitätssicherungsprogramms der Deutschen Rentenversi-cherung für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) wurde in den zurückliegendenJahren, unter Einbezug zahlreicher Bildungsträger, in einem mehrstufigen Auswahl-, Ergän-zungs-, Differenzierungs- und Testverfahren die Pilotversion einer Leistungsklassifikationfür die berufliche Rehabilitation (LBR) entwickelt (Radoschewski et al., 2012). Mit der LBRsollen die den LTA-Prozess strukturierenden Leistungen erhoben, im Rahmen der Qualitäts-sicherung ausgewertet und die Transparenz des Leistungsgeschehens innerhalb der Bil-dungsleistungen erhöht werden (Lindow et al., 2011). Darauf aufbauende Rückmeldungenan die Bildungseinrichtungen unterstützen das interne Qualitätsmanagement.

Mit ihrer nach Kompetenzbereichen aufgebauten Gliederung und der Definition von Quali-tätsmerkmalen der für die Rehabilitanden erbrachten Leistungen wurden in der LBR dieaktuellen Entwicklungen in der beruflichen Rehabilitation (Kompetenzorientierung Individu-alisierung, Integrationsorientierung) aufgegriffen. Die Pilotversion umfasst in 13 Kapiteln628 Einzelleistungen, wobei mit 481 Einzelleistungen die 5 Kapitel der Leistungen zur Ent-wicklung der Fachkompetenz mit der vielfältigen Differenzierung nach Berufen und Tätig-keitsbereichen die umfangreichsten sind.

Im letzten Quartal 2013 wurde ein Pilotprojekt mit der nunmehr rehabilitandenbezogenenDokumentation der für sie erbrachten Leistungen begonnen. An der von Februar bis AnfangOktober 2014 durchgeführten Dokumentationsphase waren letztlich 29 Bildungseinrichtun-gen, darunter 17 Berufsförderungswerke beteiligt. Der Dokumentationszeitraum wurde auf8 Monate begrenzt.

Erste Ergebnisse und Analysen der Leistungsdokumentationen

Von den Bildungseinrichtungen wurden für ca. 1.000 RehabilitandInnen mehr als 37.000Einzelleistungen dokumentiert. Lediglich 0,4 % der dokumentierten Leistungen konnten dieBildungseinrichtungen keinem angemessenen LBR-Code zuordnen. Die Dokumentationenbetreffen zu 58 % 3 Bildungsmaßnahmen, am häufigsten Aus- und Weiterbildungsmaßnah-men (41 %), gefolgt von Integrationsmaßnahmen (11 %) und Qualifizierungen (6 %). Reha-

68

bilitationsvorbereitungslehrgänge stellen 16 %, Eignungsabklärungen und Arbeitserpro-bung je 10 % sowie Leistungen des Beruflichen Trainings in Beruflichen Trainingszentren(BTZ) 6 % der Maßnahmen. Zur Gewährleistung der Vergleichbarkeit werden mit der LBRneben dem 4-stelligen Leistungscode auch die Dauer, die Anzahl der Leistungen und die Artder Leistungserbringung dokumentiert.

Am häufigsten wurden mit ca. 14.000 Leistungen zur Entwicklung der Fachkompetenz do-kumentiert (Kapitel D–H), gefolgt von jeweils mehr als 6.000 qualifizierungsvorbereitendenund -unterstützenden Bildungsleistungen (Kapitel C) und Leistungen im Bereich Kompe-tenzdiagnostik, Assessment und Förderplanung (Kapitel A), das Kapitel bei dem auch na-hezu alle in der LBR zur Verfügung stehenden Codes genutzt wurden.

Die einzelnen Maßnahmearten zeichnen sich durch zweifellos typische Leistungsstrukturenaus, wie Tab. 1 aufzeigt.

Tab. 1: Anteile der Leistungen nach Kapiteln in den verschiedenen Maßnahmearten

Kapitel A

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Anteil der Leistungen – Spalten-%

A Kompetenzdiagnostik, Assessment, För-derplanung 71,1 65,8 8,2 14,9 4,8 6,7 22,0

B Leistungen zur beruflichen Orientierung und Berufserkundung 18,1 21,3 4,7 9,6 1,8 0,8 5,5

C Qualifizierungsvorbereitende, -unterstützende Bildungsleistungen 0,3 0,0 64,2 15,3 2,2 2,8 7,5

D

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I: Umschulung mit anerkanntem Be-rufsabschluss 0,3 - 0,1 0,7 25,5 49,4 0,0

E II: Fortbildung mit geregeltem Ab-schluss - - - 0,2 0,2 0,4 -

F III: Zusatz-, Anpassungsqualifizie-rung mit Zertifikat - - 0,1 0,1 44,5 3,4 0,2

G IV: Individuelle Förderung in der Qualifizierung (ohne Zertifikat) - 0,1 5,4 1,5 4,7 10,3 1,6

H Berufspraktisches Training - - - 3,6 0,4 1,1 20,2 K Leistungen zu den Schlüsselkompetenzen 4,3 7,2 8,3 12,7 4,3 7,7 16,7

L Leistungen zur Gesundheitskompetenz und fachtherapeutische Leistungen 2,9 2,4 7,1 11,4 5,3 9,1 8,5

M Leistungen zur Integrationskompetenz 0,4 1,5 0,8 23,0 5,9 6,8 11,0

N Leistungen bei besonderen Funktionsein-schränkungen 2,2 0,4 0,3 0,1 0,1 0,3 1,9

P Weitere Leistungen zur beruflichen Reha-bilitation 0,5 1,4 0,7 6,8 0,3 1,2 4,9

69

So dominieren bei Arbeitserprobungen und Eignungsabklärungen die Leistungen aus Kapi-tel A: Kompetenzdiagnostik, Assessments und Förderplanung, bei Rehabilitationsvorberei-tungslehrgängen hingegen qualifizierungsvorbereitende und -unterstützende Bildungsleis-tungen (Kapitel C).

Ein großer Anteil der Leistungen wird individuell, für den einzelnen Rehabilitanden erbracht.Dies betrifft erwartungsgemäß in hohem Maße Eignungsabklärungen, Arbeitserprobungen,Integrationsmaßnahmen und Berufliche Trainings. Bei Reha-Vorbereitungslehrgängen,Qualifizierungen und insbesondere Aus-/Weiterbildungen hat der Einsatz besonderer didak-tischer Methoden (z. B. Projektlernen) einen besonderen Stellenwert.

Tab. 2: Art der Leistungserbringung nach Maßnahmearten

Zwischen den Leistungserbringern bestehen deutliche Unterschiede hinsichtlich der Struk-tur der von ihnen realisierten Maßnahmearten und der eingesetzten Leistungsarten. Der fürdie einzelnen RehabilitandInnen aufgebrachte Umfang und zeitliche Leistungseinsatz vari-iert erheblich. So liegt beispielsweise die Zeitdauer eines Bewerbungstrainings in der glei-chen Bildungseinrichtung für einzelne Rehabilitanden zwischen 20 und 300 Minuten mitz. T. wiederholter Leistungserbringung.

Diskussion und Ausblick

Während im Rahmen der Qualitätssicherung bislang lediglich relativ grob nach Maßnahme-arten und ihrer Gesamtdauer unterschieden und analysiert werden kann, wird mit dem Ein-satz der Leistungsklassifikation ein differenziertes, transparentes Bild der Leistungserbrin-gung sichtbar. Das betrifft nicht zuletzt auch die Umsetzung der mit dem Reha-Modell an-gestrebten Ziele der Individualisierung und Integrationsorientierung.

Die Ergebnisse der Pilot-Studie werden für die Überarbeitung und Präzisierung der LBR ge-nutzt.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

Maßnahmeart Ein-zeln

Gruppengröße Projektlernen - Grup-pengröße Selbst-

lernen 2 - 8 9 - 15 16 - 25 >25 2 - 8 9 - 15 16 - 25

Zeilen-% Eignungsab-klärung 44,8 % 32,9 % 21,9 % 0,4 % - - - -

Arbeitserpro-bung 52,4 % 14,5 % 28,9 % 3,7 % 0,1 % - 0,3 % 0,1 % -

Reha-Vorbereitung 14,4 % 5,3 % 7,7 % 40,4 % 2,0 % 1,0 % 19,5 % 0,8 % 8,8 %

Qualifizierung 15,5 % 14,5 % 20,4 % 12,3 % 1,3 % 7,3 % 6,1 % 21,7 % 1,0 % Aus-/Weiterbildung 40,8 % 17,7 % 22,8 % 13,6 % 2,0 % 1,8 % 0,6 % 0,1 % 0,5 %

Integration 49,6 % 22,5 % 25,0 % 1,9 % 0,0 % 0,7 % - - 0,3 % Berufliches Training 63,2 % 23,4 % 8,4 % 2,3 % 0,3 % 0,6 % 0,0 % - 1,7 %

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Literatur

Lindow, B., Radoschewski, F.M., Lay, W., Mohnberg, I., Zander, J. (2011): Qualitätssiche-rung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben – bewährte Instrumente und neue Fra-gestellungen. RVaktuell, 58. 166-172.

Radoschewski, F.M., Klosterhuis, H., Lay, W., Lindow, B., Mohnberg, I., Zander, J. (2012):Leistungsklassifikation in der beruflichen Rehabilitation. DRV-Schriften, Bd. 98. 237-239.

Zander, J., Lay, W., Mohnberg, I. (2012): Was sagen die Anwender zu einer neuen Leis-tungsklassifikation für die berufliche Rehabilitation? DRV-Schriften, Bd. 98. 239-241.

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Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben II

Vergleich der Teilnehmer unterschiedlicher Leistungenzur Teilhabe am Arbeitsleben

Kaluscha, R. (1), Schmid, L. (1), Krischak, G. (1, 2)

(1) Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, (2) Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Federseeklinik, Bad Buchau

Hintergrund

Das zentrale Ziel bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) der Rentenversicherungstellt die berufliche (Wieder-)Eingliederung der Teilnehmer dar. Allerdings existiert ein breitesSpektrum an LTA-Maßnahmen, sodass sich die Frage stellt, welcher Maßnahmentyp für wel-che Rehabilitandengruppe am erfolgversprechendsten ist („Welche Maßnahme für wen?“)und welche Parameter für die Prognose relevant sind (Streibelt, Egner, 2013). Dieser Fragewird in einem gemeinsamen Projekt der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg(DRV-BW), der Berufsförderungswerke (BFW) Schömberg und München und dem Institut fürRehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm nachgegangen.

Methodik

Als erster Schritt wurden retrospektiv vorhandene Routinedaten zu im BFW Schömbergdurchgeführten LTA-Maßnahmen der DRV-BW aus dem Zeitraum 2004 bis 2012 ausgewer-tet. Sowohl BFW als auch DRV-BW übermittelten ihre Daten ohne personenidentifizierendeAngaben separat an das Institut, wo sie über ein Pseudonym datenschutzgerecht zusam-mengeführt werden konnten (n=4.120). Da die unterschiedlichen Maßnahmen in den BFW-Daten feiner differenziert waren als in der Rehabilitationsstatistikdatenbasis (RSD) der DRV-BW, wurde erstere zur Identifikation der durchgeführten Maßnahmen bei den Auswertungenzugrunde gelegt.

Anhand der RSD-Daten wurden Alters- und Geschlechtsverteilung, der Erwerbsstatus, diegewichtete Beitragszahlung, Tage mit sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung und dasEinkommen daraus sowie Kosten (einschließlich Übergangsgeld) und Dauer der Maßnah-men analysiert.

Ergebnisse

Die Wiedereingliederungsquoten variieren ebenso wie Dauer und Kosten deutlich zwischenden verschiedenen LTA-Maßnahmen. Auch bei den Teilnehmerkreisen zeigen sich auffälligeUnterschiede: So sind etwa Teilnehmer an Vollausbildungen im Durchschnitt 8 Jahre jüngerals bei Integrationsmaßnahmen (36,5 vs. 44,7 Jahre) und häufiger Männer (92 % vs. 79 %).

Für 225 Teilnehmer an Vollausbildungen konnte die Entwicklung des sozialversicherungs-pflichtigen Einkommens jeweils 2 Jahre vor und nach der Maßnahme beobachtet werden.Abbildung 1 zeigt exemplarisch für diese Gruppe die Entwicklung des durchschnittlichenjährlichen sozialversicherungspflichtigen Einkommens in Abhängigkeit davon, ob die Maß-nahme erfolgreich abgeschlossen oder abgebrochen wurde.

72

Diskussion

Beim Teilnehmerkreis fällt zunächst ein hoher Männeranteil auf. Dies dürfte darauf zurück-zuführen sein, dass es sich bei der untersuchten Stichprobe um Versicherte der ehemaligenArbeiterrentenversicherung überwiegend aus dem gewerblich-technischen Bereich handelt,während Versicherte mit typischen Frauenberufen zumeist in der früheren Angestelltenver-sicherung verblieben.

Bei der Einkommensentwicklung zeigt sich im Jahr vor der Maßnahme ein deutlicher Ein-bruch. Hier dürften bereits Probleme im Erwerbsleben aufgetreten sein und daher eine me-dizinische Rehabilitation oder vorbereitende Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (z. B.Assessments zur Berufsfindung) ablaufen. In den beiden Jahren danach ist die Einkom-mensentwicklung für erfolgreiche Absolventen (n=146) deutlich positiver als für Abbrecher(n=47) oder Teilnehmer ohne Angaben zum Abschluss (n=32). Häufig gelingt ersteren zudiesem Zeitpunkt sogar, das Einkommen 2 Jahre vor der Maßnahme zu übertreffen. Inso-fern bildet eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildungsmaßnahme die Grundlage für dengelungenen Wiedereinstieg in das Erwerbsleben.

Abb. 1: Entwicklung des durchschnittlichen jährlichen sozialversicherungspflichtigen Einkommens derTeilnehmer an einer Vollausbildung nach Abschluss

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg

Literatur

Streibelt, M., Egner, U. (2013): Eine systematische Übersichtsarbeit zu den Einflussfaktorenauf die berufliche Wiedereingliederung nach beruflichen Bildungsleistungen. Die Rehabi-litation, 52 (02). 111-118.

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2 Jahredavor

1 Jahrdavor

1 Jahrdanach

2 Jahredanach

k.A.(N=32)

Abbrecher(N=47)

Absolventen(N=146)

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Psychische Erkrankungen bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

Zander, J., Lindow, B.

Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund und Fragestellung

Die Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) hat gerade für Personen mit psychischen Erkrankungeneine große Bedeutung (APK, 2004). Grund hierfür ist der positive Einfluss der Erwerbsfähig-keit auf die Betroffenen, nämlich u. a. die Möglichkeit, persönliche Erfolge und Sicherheitdurch Bewältigung der äußeren Anforderungen zu erreichen und somit einer Chronifizierungentgegenzuwirken (Brieger et al., 2006). Psychische und Verhaltensstörungen haben mehrAuswirkungen als somatische Erkrankungen auf Aktivitäten und eine mögliche Teilhabe derBetroffenen (DRV, 2014). Deshalb bedürfen Menschen mit psychischen Erkrankungen häu-fig konzeptionell besonderer LTA-Leistungen. Zur Leistungserbringung steht ein differen-ziertes System von Einrichtungen zur Verfügung. So gibt es neben den Berufsbildungs- undBerufsförderungswerken, Werkstätten für behinderte Menschen, Rehabilitationseinrichtun-gen für psychisch Kranke (RPK) sowie Berufliche Trainingszentren (BTZ). Letztgenanntesind speziell für psychisch behinderte Menschen konzipiert worden und führen im Wesent-lichen Qualifizierungs- und Trainingsmaßnahmen durch, in geringem Umfang auch Arbeits-erprobung, Berufsfindung und in Einzelfällen auch Ausbildungen. Der Anteil der Rehabilitan-den mit psychischen Erkrankungen (ohne Abhängigkeitserkrankungen), der in den letzten8 Jahren (2006 bis 2013) eine berufliche Rehabilitation von der Deutsche Rentenversiche-rung erhalten hat, liegt relativ konstant bei 12–13 %.

In den letzten 10 Jahren hat die Rentenversicherung Instrumente und Verfahren zur Quali-tätssicherung (QS) für die berufliche Rehabilitation entwickelt (Lindow et al., 2011). Die Er-gebnisse zu den Qualitätsindikatoren werden von der Rentenversicherung an die berufli-chen Bildungseinrichtungen und Rentenversicherungsträger zurückgemeldet. So gibt esbisher QS-Berichte zur Teilnehmerbefragung nach beruflicher Bildung, den Sozialmedizini-schen Status nach beruflicher Bildung und zum Abschluss der beruflichen Bildungsleistun-gen (Zander et al., 2013). Wie stellen sich die Ergebnisse aus der Reha-Qualitätssicherungfür die psychisch erkrankten Rehabilitanden im Vergleich zu allen Rehabilitanden dar?

Methodik

In die deskriptiven Auswertungen werden die RV-Teilnehmer mit der 1. Diagnose aus demKapitel V – Psychische und Verhaltensstörungen (ICD-10-GM) einbezogen, die an der Teil-nehmerbefragung (Abschlusszeitraum 01.07.2012 bis 30.06.1013, n=1.322) teilgenommenhaben und im Bericht zum Sozialmedizinischen Status (SMS, Abschlusszeitraum01.01.2010 bis 31.12.2010, n=5.345) erfasst sind. Zusätzlich werden beim Sozialmedizini-schen Status alle Teilnehmer betrachtet, die ihre LTA in BTZ durchgeführt haben. Teilneh-merbefragung: Die Absolventen einer Bildungsleistung werden ein halbes Jahr nach Ab-schluss befragt, nach 6 Wochen erfolgt eine 1-malige Erinnerung. Der eingesetzte BerlinerFragebogen dient der Erfassung der Zufriedenheit und der Reha-Ergebnisse. Er ist für Re-habilitanden konzipiert, die eine Bildungsleistung abgeschlossen haben. Er umfasst 9 The-menbereiche, die sich in 31 Fragen und 98 Items gliedern. Dem SMS liegen Daten aus der

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Routinestatistik der Rentenversicherung zugrunde. Es wird zu 3 Messzeitpunkten (6., 12.,24. Monat nach Beendigung der Bildungsleistung) untersucht, ob eine Wiedereingliederungder Rehabilitanden in das Erwerbsleben erfolgt ist. Erstmals wird der SMS für alle Rehabili-tanden, die ihre LTA in BTZ erhalten haben, ausgewertet. In der Vergleichsgruppe findensich alle Rehabilitanden mit einer beruflichen Bildungsleistung.

Ergebnisse

Bezüglich ausgewählter Merkmale zu den Teilnehmern ist festzuhalten, dass die Rehabili-tanden mit psychischen Störungen (n=5.345) mit 43,4 Jahren geringfügig jünger sind als dieder Vergleichsgruppe (alle Rehabilitanden, n=29.460, 43,7 Jahre). Der Frauenanteil bei denRehabilitanden mit psychischer Erkrankung liegt mit 55 % weitaus höher als in der Ver-gleichsgruppe (38 %). Die psychisch erkrankten RV-Rehabilitanden sind zu 37 % arbeitslos,in der Vergleichsgruppe sind es 34 %. Dreiviertel der Rehabilitanden in der Vergleichsgrup-pe haben ihre LTA mit Erfolg abgeschlossen, die psychisch erkrankten Rehabilitanden zu70 %. Bei der Betrachtung der Ergebnisse zum Sozialmedizinischen Status (im 24. Monat)ist festzuhalten, dass die Wiedereingliederung psychisch Beeinträchtigter in das Erwerbsle-ben mit 44% um 9 Prozentpunkte niedriger liegt als in der Vergleichsgruppe. Bei den psy-chisch Erkrankten ist auffällig, dass bei ihnen häufiger EM-Renten nach einer LTA bewilligtwerden (20 %) als in der Vergleichsgruppe (11 %). Die Ergebnisse der BTZ-Rehabilitandenfallen noch ungünstiger aus: Hier liegt die Wiedereingliederung bei 34 % und der EM-Ren-tenzugang bei 24 %. Hinsichtlich der Teilnehmerbefragung sind die psychisch Erkranktenmit der ganzheitlichen individuellen Förderung (2,3), der Integrationsvorbereitung (3,2) undder Bedeutung der Reha für die Arbeitsstelle (2,1) genauso zufrieden wie alle Rehabilitan-den, leicht kritischer sind sie hinsichtlich der Strukturqualität (2,5 vs. 2,4) und dem allgemei-nen Kompetenzgewinn (2,9 vs. 2,7).

Schlussfolgerungen und Ausblick

Die Ergebnisse der Reha-Qualitätssicherung wurden erstmals für die Gruppe der psychischerkrankten RV-Rehabilitanden ausgewertet. Die Teilnehmermerkmale, wie Alter oder Ar-beitslosigkeit, unterscheiden sich nicht gravierend zur Vergleichsgruppe, jedoch ist der hoheFrauenanteil der psychisch Erkrankten deutlich höher. Anhand der Auswertungen wird deut-lich, dass sowohl die Integration in das Erwerbsleben als auch der Anteil der psychisch er-krankten Rehabilitanden mit einem erfolgreichen Abschluss niedriger ist. Zudem ist dieseGruppe der Rehabilitanden leicht kritischer in der Rehabilitandenzufriedenheit. Um nicht nurInformationen zur Ergebnisqualität zu erhalten, werden die Rehabilitanden aus den BTZ zu-künftig auch in die Teilnehmerbefragung der RV einbezogen. Hierzu erfolgte eine Prüfungdes Fragebogens durch die entsprechende Bundesarbeitsgemeinschaft. Der Geltungsbe-reich der Leistungsklassifikation für die berufliche Rehabilitation bezieht sich ebenfalls aufdie konzeptionellen Leistungen für die psychisch Erkrankten. An der Entwicklung und Pilo-tierung der Leistungsklassifikation waren auch die BTZ beteiligt.

Literatur

Aktion Psychisch Kranke e. V. (2004): Individuelle Wege ins Arbeitsleben. Abschlussberichtzum Projekt „Bestandsaufnahme zur Rehabilitation psychisch Kranker". URL: http://www.apk-ev.de/publikationen/0013_Individuelle%20Wege_gesamt.pdf.

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Brieger, P., Watzke, S., Galvao, A., Hühne, M., Gawlik, B. (2006): Wie wirkt berufliche Re-habilitation und Integration psychisch kranker Menschen? Ergebnisse einer kontrolliertenStudie. Bonn, Psychiatrie Verlag GmbH. 11-12.

Deutsche Rentenversicherung (2014): Positionspapier der Deutschen Rentenversicherungzur Bedeutung psychischer Erkrankungen in der Rehabilitation und bei Erwerbsminde-rung. URL: http://www.deutsche-rentenversicherung.de/cae/servlet/contentblob/339288/publicationFile /64601/pospap_psych_Erkrankung.pdf.

Lindow, B., Radoschewski, M., Lay, W., Mohnberg, I., Zander, J. (2011): Qualitätssicherungvon Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben – bewährte Instrumente und neue Frage-stellungen. RVaktuell, 58, 5/6. 166-172.

Zander, J., Kehl, P., Rister-Mende, S., Lindow, B. (2013): Reha-Träger fragen – Rehabilitan-den antworten: teilnehmerzentrierte Qualitätsbewertung in der beruflichen Rehabilitationvon DRV und DGUV. DRV-Schriften, Bd. 101. 298-300.

Determinanten der Anerkennung als berufliche/r Rehabilitand/inder Bundesagentur für Arbeit zum Zweck der Wiedereingliederung

in den Arbeitsmarkt

Reims, N.

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Nürnberg

Hintergrund, Motivation und Forschungsstand

Die berufliche Rehabilitation behinderter Menschen ist ein sozialpolitisches Instrument zurFörderung sozialer Teilhabe durch Integration in den Arbeitsmarkt. Die Bundesagentur fürArbeit (BA) ist einer der größten Träger beruflicher Rehabilitation. Neben jungen Menschenohne Erstausbildung, werden auch Personen gefördert, die zwar bereits Erwerbserfahrungaufweisen, aber weniger als 15 Jahre sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren. Letz-tere Personengruppe, die im vorliegenden Beitrag fokussiert wird, kann ihre bisherige Tätig-keit entweder gar nicht mehr oder nicht mehr in dergleichen Form ausüben und strebt des-halb Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) an. Um diese Leistungen zu erhalten,muss zunächst ein Antrag auf LTA gestellt werden.

Hinsichtlich des Zugangs zu besonderen Leistungen der beruflichen Rehabilitation und dendamit zusammenhängenden Selektionsprozessen bei der Anerkennung als beruflicher Re-habilitand liegen bis dato nur sehr wenige, meist qualitative Forschungsergebnisse vor(Ekert, Schubert et al., 2007). Auf Basis einer umfassenden quantitativen Datengrundlageuntersucht der vorliegende Beitrag nun erstmals die Anerkennungsprozesse bei der Bean-tragung von LTA für die Personengruppe der beruflichen Rehabilitand(inn)en in Wiederein-gliederung in finanzieller Zuständigkeit der BA. Es soll analysiert werden, welche Personeneine Bewilligung als beruflicher Rehabilitand erhalten und von welchen Charakteristika undBedingungen dies abhängig ist. In einem weiteren Schritt sollen die weiteren Erwerbsbio-grafien von anerkannten und nichtanerkannten Antragstellern vergleichend betrachtet wer-den.

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Daten und Methodik

Die Analyse der Anerkennungsprozesse findet im Rahmen des Projektes „Evaluation vonLeistungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben“ (LTA) statt, das durch dasBundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert ist. Das LTA-Projekt stellt das An-schlussprojekt zur Basisstudie „Reha-Prozessdatenpanel“ dar (Dony et al., 2012) und ist alsMischung zwischen qualitativer Befragung beruflicher Rehabilitanden und quantitativer Ana-lysen eigens erschlossener Prozessdaten der BA konzipiert.

Der Anerkennungsprozess auf Förderung im Rahmen beruflicher Rehabilitation wird mithilfevon Prozessdaten der BA quantitativ analysiert. Die Daten umfassen alle Personen, die seitMitte 2006 einen Antrag auf LTA in Zuständigkeit der BA gestellt haben. Die Analysen be-schränken sich dabei lediglich auf Personen, die zwischen 2007 und 2013 einen Antrag aufLTA gestellt haben und eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt anstreben (etwa150.000 Rehabilitationsfälle). Zu dieser Personengruppe liegen detaillierte Informationenüber die Erwerbs-, Leistungs- und Maßnahmebiografie vor, während und nach der berufli-chen Rehabilitation vor. Neben persönlichen Charakteristika, wie dem Geschlecht, dem Al-ter, dem Behinderungsstatus etc. finden sich auch regionalspezifische Informationen zumWohnort und dem Arbeitsmarkttypus am Wohnort (Hirschenauer, Springer, 2014).

Etwa 20 Prozent der Antragsteller/innen auf LTA in der Wiedereingliederung wird dabei ab-gelehnt. Mithilfe von logistischen Regressionen werden diese Anerkennungen bzw. Ableh-nungen in Abhängigkeit von persönlichen Merkmalen und strukturbedingten Merkmalen desWohnorts der Antragsteller differenziert, um mögliche Selektionen bei der Antragsbewilli-gung herauszuarbeiten.

Ergebnisse

Die Resultate zeigen, dass Anträge auf LTA bei Männern erfolgreicher verlaufen als beiFrauen. Sehr junge Personen und Personen ohne Hauptschulabschluss werden am wahr-scheinlichsten erfolgreich anerkannt. Personen, die einen offiziell anerkannten Schwerbe-hindertenstatus (oder eine Gleichstellung) aufweisen, erhalten ebenfalls häufiger einen po-sitiven Bescheid.

Des Weiteren finden sich Gruppenunterschiede für Personen mit unterschiedlich langer Ar-beitslosigkeits-, Maßnahme- und Erwerbserfahrung und für Personen mit unterschiedlichhohen Krankheitszeiten. Die Anerkennung als berufliche/r Rehabilitand/in der BA wird außer-dem von der Arbeitsmarktstruktur am Wohnort determiniert, aber auch durch den Erwerbs-status bei Antragstellung.

Diskussion und Ausblick

Es finden sich verschiedene Gruppenunterschiede zwischen erfolgreichen und nichterfolg-reichen Antragstellern auf LTA. Es bleibt nun zu klären, wie sich die weiteren Erwerbsbio-grafien dieser beiden Personengruppen entwickeln und voneinander unterscheiden.

Förderung: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)

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Literatur

Dony, E., Gruber, S., Alaa, J., Rauch, A., Schmelzer, P., Schneider, A., Titze, N., Thomsen, U.,Zapfel, S., Zimmermann, R. (2012): Basisstudie zur Evaluation von Leistungen zur Teil-habe behinderter Menschen am Arbeitsleben * Basisstudie „Reha-Prozessdatenpanel“.Zusammenfassender Bericht (Teil A). In: Evaluation von Leistungen zur Teilhabe behin-derter Menschen am Arbeitsleben. Berlin.

Ekert, S., Frank, W., Gericke, T., Matthes, S., Sommer, J. (2012): Implementationsstudie 1zur Evaluation von Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben. Zu-sammenfassender Bericht (Teil B). In: Evaluation von Leistungen zur Teilhabe behinder-ter Menschen am Arbeitsleben. Berlin.

Hirschenauer, F., Springer, A. (2014: Vergleichstypen 2014. Aktualisierung der SGB-III-Ty-pisierung. In: IAB-Forschungsbericht. 48.

Schubert, M., Behrens, J., Hauger, M., Hippmann, C., Hobler, D., Höhne, A., Schneider, E.,Zimmermann, M. (2007): Struktur- und Prozessänderungen in der beruflichen Rehabilita-tion nach der Einführung des SGB II: eine qualitative Implementationsstudie. In: Dornette, J.,Rauch, A. (Hrsg.): Berufliche Rehabilitation im Kontext des SGB II. Nürnberg. 7-83.

Prognose von Integrationserfolg und Prüfung integrationsbezogener Effekte einer Förderung arbeitsbezogener Bewältigungsmuster

in der beruflichen Rehabilitation

Baumann, R.

Lehrstuhl für Arbeit und berufliche Rehabilitation, Universität zu Köln

Hintergrund und Fragestellung

Nach der AVEM-Typologie (Fragebogen von Schaarschmidt und Fischer, 2008) können4 arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster unterschieden werden: G „Gesund“,S „Schonung“, A „Überengagiert“, B „Burnout“. A- und B-Muster gelten als Gesundheitsrisi-komuster und G- und S-Muster als Nichtrisikomuster. Grundgedanke der vorliegenden vomiqpr durchgeführten Studie war, dass eine geringe Bedeutsamkeit der Arbeit (S-Typ) und ho-hes Anforderungs- und geringes Ressourcenerleben (B-Typ) die Integrationschancen min-dern. Ein hohes Arbeitsengagement gepaart mit einer guten Erholungsfähigkeit (G-Typ)schien dagegen geeignet, gute Integrationschancen zu gewährleisten, während ein exzes-sives Arbeitsengagement (A-Typ) aufgrund der hohen Motivation einen integrationsförderli-chen, aufgrund der eigenen Ressourcenberaubung aber auch einen integrationshemmen-den Aspekt zu haben schien (Baumann, 2007). Untersucht werden sollten die Effekte einerpassgenauen Förderung für A-, B- und S-Muster auf den Integrationserfolg. Dazu sollteauch überprüft werden, ob sich die Integrationschancen ohne spezifische Intervention jenach AVEM-Muster unterscheiden. In früheren Analysen konnte gezeigt werden, dass diearbeitsbezogene Belastbarkeit je nach AVEM-Muster variiert und bei Personen mit B-Musterdurch die in der Studie entwickelten Interventionen verbessert werden kann (Baumannet al., 2012).

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Methodik

Die Daten wurden von 2009 bis 2013 in den Berufsförderungswerken Hamburg und Köln er-hoben, aus denen je 3 Kohorten betrachtet wurden. Zum Start (T0) wurden alle Personengebeten, an einer Fragebogenuntersuchung teilzunehmen. Personen der Kontrollgruppebekamen nach jeder Fragebogenerhebung ihr AVEM-Ergebnis mit Interpretationshinweisenausgehändigt und das Angebot, sich bei Fragen an einen Projektmitarbeiter wenden zu kön-nen. Personen der Interventionsgruppe erhielten nach der ersten und zweiten Fragebogen-erhebung das AVEM-Ergebnis und ein Feedbackgespräch. A- und B-Muster erhielten außer-dem eine AVEM-Muster-spezifische Gruppenintervention, S-Muster ein Coachingangebotund G-Muster kein weiteres Angebot. Ein Jahr (T5) nach Qualifizierungsende wurde bei Per-sonen mit regulärem Maßnahmeabschluss der Erwerbsstatus erhoben. Zunächst wurde inder Kontrollgruppe die prognostische Relevanz des AVEM-Musters für den Erwerbstatusüberprüft. Danach wurden jeweils die gleichen Muster in Kontroll- und Interventionsgruppeanhand von Chi²-Tests bezüglich der Integrationshäufigkeit miteinander verglichen. BeimVergleich wurden in der Interventionsgruppe A- und B-Muster einbezogen, die mindestensan 4 (von max. 10) Gruppenmodulen teilgenommen haben. S-Muster sollte an mindestenseinem Coachinggespräch teilnehmen.

Ergebnisse

In der Gesamtstichprobe (n=1.064) befinden sich zu T0 19,7 % G-Muster, 20,8 % S-Muster,22,5 % A-Muster und 37,0 % B-Muster. Die Rücklaufquote zu T5 beträgt 37,3 %. Von denPersonen, zu denen zu T5 eine Angabe vorlag, gaben 61,5 % an, erwerbstätig zu sein. In derKontrollgruppe (n=500) ergeben sich keine auf dem 5-%-Niveau signifikanten musterspezi-fischen Unterschiede bezüglich der Erwerbsquoten. G-Muster: 60,7 %; S-Muster: 67,3 %;A-Muster: 67,3 %; B-Muster: 60,3 % (Ӽ²=1,177; df=3; p=0,758). Signifikante Prädiktoren fürErwerbstätigkeit zu T5 sind dagegen die subjektive Gesundheit zu T0 und der Bildungsträger(Baumann, 2014a). Weitere Untersuchungen zeigen (allerdings nur bei Betrachtung der Ge-samtstichprobe), dass im Falle von Erwerbstätigkeit zu T5, Personen mit T0-Risikomuster(n=135) im Vergleich mit T0-Nichtrisikomustern (n=107), zu T5 signifikant häufiger eine unsi-chere Erwerbsprognose äußern (30,4 % vs. 17,8 %; Ӽ²=5,093; df=1; p=0,024). Beim Ver-gleich zwischen Interventions- und Kontrollgruppe bei gleichem AVEM-Muster ergeben sichkeine signifikanten Integrationsunterschiede. So waren z. B. B-Muster der Interventionsgrup-pe zu T5 nicht häufiger erwerbstätig als B-Muster der Kontrollgruppe (Interventionsgruppe56,8 % (21/37) vs. Kontrollgruppe 60,3 % (47/78). Bei A- und S-Mustern sind die Fallzahlenin der Interventionsgruppe jedoch sehr klein (S-Muster: n=25, A-Muster: n=15, siehe auchBaumann, 2014b), sodass auf eine Ergebnisdarstellung verzichtet wird.

Diskussion

Nach den Studienergebnissen haben AVEM-Muster bei 2-jährigen Qualifizierungen keineprognostische Relevanz für den zeitnahen Integrationserfolg. Darüber hinaus konnten die imProjekt durchgeführten Interventionen nicht die Chancen für die zeitnahe Integration verbes-sern. Die geringen Fallzahlen in der Interventionsgruppe schwächen jedoch die Aussagekraftdieses Ergebnisses. Auffällig sind die Befunde zur Relevanz der subjektiven Gesundheit zuQualifizierungsbeginn für den Integrationserfolg 3 Jahre nach Qualifizierungsbeginn und zur

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möglichen Relevanz eines AVEM-Risikomusters zu Qualifizierungsbeginn für die dauerhafteWiedereingliederung. Hier ergeben sich neue Forschungsansätze.

Förderung: Bundesministerium für Arbeit und Soziales

Literatur

Baumann, R. (2007): Das IMBA-basierte Verfahren ASKOR zur Erfassung von Schlüssel-qualifikationen in der Praxis der beruflichen Rehabilitation – Entwicklung und empirischeUntersuchung des Verfahrens. iqpr-Forschungsbericht, 1. 45-66.

Baumann, R., Begerow, B., Frohnweiler, A., Kochowski, G., Mbombi, A., Pechtold, S., Ref-felmann, T., Wiegers, P. (2012): Wirksamkeit eines psychologischen Gruppenprogrammsin der beruflichen Rehabilitation für Rehabilitanden mit hohem Erleben von Erschöpfungund Resignation. DRV-Schriften, Bd. 98. 245-246.

Baumann, R. (2014a): Der Beitrag des AVEM zur Vorhersage von Gesundheitsentwicklungund Wiedereingliederung bei Bildungsleistungen in der beruflichen Rehabilitation. Disser-tation. Hamburg: Verlag Dr. Kovac.

Baumann, R. (2014b): Förderung arbeitsbezogener Bewältigungsmuster zur Verbesserungdes Integrationserfolgs bei Rehabilitandinnen und Rehabilitanden. Projektabschlussbe-richt Teil A. Köln: iqpr-Forschungsbericht.

Schaarschmidt, U., Fischer, A. (2008): Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmus-ter – Manual. London: Pearson.

Welche Relevanz hat die freiwillige Teilnahme von Rehabilitanden an einer wissenschaftlichen Studie im Umschulungskontext?

Arling, V., Spijkers, W.

RWTH Aachen

Hintergrund

Nach SGB IX (§ 4 Abs. 3 und 4; vgl. Ellger-Rüttgart et al., 2009, S. 14) gilt es im Kontext derberuflichen Rehabilitation den Betroffenen bezüglich Teilhabe am Arbeitsleben und am Le-ben in der Gesellschaft gemäß seinen Neigungen und Fähigkeiten angemessen zu fördern.In der Literatur werden im Sinne einer zielorientierten Gestaltung eines Rehabilitationspro-zesses neben demografischen auch kognitive (z. B. Kreuzpointer, 2009) und Persönlich-keitsvariablen (z. B. Slesina et al., 2010) als relevante Einflussgrößen diskutiert. So wurdemit der vorliegenden Studie untersucht, inwiefern Persönlichkeits- und MotivationsaspekteEinfluss auf den Rehabilitationserfolg nehmen.

Aufgrund der Beobachtung, dass der Umstand einer (freiwilligen) Teilnahme an einer wissen-schaftlichen Studie als solcher von Interesse für ein Studienergebnis sein kann, liegt der Fo-kus der nachfolgenden Darstellung auf der Analyse von freiwilliger Studienteilnahme bzw.Nicht-Teilnahme, unter Berücksichtigung demografischer Routinedaten (Gaul et al., 2006).

Methode

Im Rahmen des Projekts „Prozessprofiling & Prozessmonitoring“ (Kooperation von 19 BFWund dem Institut für Psychologie der RWTH Aachen; 2009 bis 2012; vgl. Arling et al. 2012),

80

waren die Teilnehmer angehalten, zusätzlich einen Selbsteinschätzungsbogen (Persönlich-keits- und Motivationsaspekte) zu beantworten. Insgesamt beteiligten sich aus 15 Berufsförde-rungswerken von 773 Umschüler 605 an der Studie. 168 Personen beteiligten sich nicht. Teil-nahme wie Nicht-Teilnahme verteilt sich unsystematisch über alle 15 Berufsförderungswerke.

Ergebnisse

In Zusammenhang mit der freiwilligen Teilnahme an der zusätzlichen Bearbeitung derFragebogenbatterien berechneten sich signifikante Unterschiede zu Gunsten der Frauen(χ2 [1] = 4,73; p≤0,05), des Realschulabschluss (vs. kein Abschluss; χ2 [5] = 15,92; p≤0,01),zugunsten eines niedrigeren Behinderungsgrades und zugunsten einer kürzeren Arbeitslo-sigkeit vor Umschulungsbeginn (t [122,807] = 2,17; p ≤ 0,05). Darüber hinaus brachen frei-willige Studienteilnehmer die Maßnahme signifikant weniger ab als diejenigen, die die Teil-nahme verweigerten (χ2 [1] = 41,71; p ≤ 0,001).

Eine Prognoseanalyse wurde unter Einbezug von 49 (20,59 %) Teilnehmern, die nicht teil-nahmen und 189 (79,41 %), die teilnahmen unter Berücksichtigung der mittels univariaterRegressionen identifizierter Variablen (vgl. Tab. 1) durchgeführt.

Anm.: Die Bootstrap-Ergebnisse beziehen sich auf 1000 Bootstrap-Stichproben.

Tab. 1: Modelle zur Vorhersage des Teilnahmeverhaltens mittels unterschiedlicher Variablen (univa-riate logistische Regressionen)

Im Modell verblieben zwei Variablen (vgl. Tab. 2). Es berechnet sich eine Varianzaufklärungvon 19,3 % (Nagelkerkes R2 = 0,193; χ2 [2] = 31,226; p≤0,001). Mittels des Hosmer-Leme-

show-Test konnte die Anpassungsgüte des Modells belegt werden (χ2 [7] = 8,690; p=0,276).Es wird eine Sensitivität des Modells von 32,7 % (keine Teilnahme) bei einer Spezifität von

Einflussvariablen Standard-fehler p OR (95%-KI) R2

Bootrap für Koeffizienten

Verzerrung Standard-fehler p

Maßnahme-abschluß (N=773) 1,168 0,186 0,000 3,215 2,233 – 4,630 0,075 0,007 0,186 0,001

Geschlecht (N=752) 0,446 0,206 0,031 1,562 1,043 – 2,341 0,010 0,007 0,214 0,028

Behinderungsgrad (GdB; N=388) -0,026 0,004 0,000 0,975 0,967 – 0,983 0,158 0,000 0,004 0,001

Arbeitslosigkeit (Monate; N=481) -0,023 0,010 0,019 0,977 0,958 – 0,006 0,018 0,000 0,011 0,025

Einflussvariablen Standard-fehler p OR (95%-KI) R2

Bootrap für Koeffizienten

Verzerrung Standard-fehler p

Maßnahme-abschluß 0,620 0,368 0,092 1,859 0,905 – 3,822

0,193 -0,009 0,388 0,098

Behinderungsgrad (GdB) -0,027 0,006 0,000 0,973 0,963 – 0,984 -0,001 0,006 0,001

Anm.: Die Bootstrap-Ergebnisse beziehen sich auf 1000 Bootstrap-Stichproben.

Tab. 2: Modell zur Vorhersage des Teilnahmeverhaltens mittels „Umschulungserfolg“ und „Behinde-rungsgrad“ (multivariate logistische Regressionen; Methode: schrittweise; N = 238)

81

96,8 % (Teilnahme) erreicht (Youden-Index = 0,295). Das Modell weist einen positiven prä-diktiven Wert (PPW) von 72,6 % und einen negativen prädiktiven Wert (NPW) von 84,7 %auf. Unabhängig von der Prävalenzrate berechneten sich ein PPW von 72,6 % und ein NPWvon 27,2 %.

Diskussion

Die Ergebnisse weisen daraufhin, dass im Kontext einer freiwilligen Studienteilnahme teil-nehmerspezifische Aspekte wie (späterer) Umschulungserfolg und Behinderungsgrad inso-fern von Relevanz sind, als dass der gesündere und insgesamt erfolgreichere Teilnehmereher bereit ist an einer entsprechenden Untersuchung mitzuwirken.

Den Bootstrap-Ergebnissen sind geringe Verzerrungen und konstante Standardfehler zuentnehmen, was für das zugrunde liegende Modell spricht. Auf eine eher beschränkte Aus-sagekraft deuten die prävalenzunabhängigen Werte und der Youden-Index hin.

Zusammenfassend lassen sich diese Ergebnisse als Hinweis darauf werten, dass bei einerfreiwilligen Studienteilnahme, im Gegensatz zu einer Vollerhebung im Kontext von Routine-daten, die Teilnahmebereitschaft als solche schon als potentieller Risiko- bzw. positiver Pro-gnosefaktor mit einzukalkulieren ist.

Literatur

Arling, V., Frost, M., Hagemeyer, A.-L., Kleon, S., Schellmann, C., Spijkers, W. (Hrsg.)(2012): Abschlussbericht zum Projekt Prozessprofiling und Prozessmonitoring. Aachen:Printclub.

Ellger-Rüttgardt, S., Karbe, H., Niehaus, M., Rauch, A., Riedel, H.-P., Schian, H.-M.,Schmidt, C., Schott, T., Schröder, H., Spijkers, W., Wittwer, U. (2009): Stellungnahme derwissenschaftlichen Fachgruppe RehaFutur zur Zukunft der beruflichen Rehabilitation inDeutschland. Deutsche Akademie für Rehabilitation e.V. Bonn.

Gaul, C., Schmidt, T., Helm, J. Hoyer, H., Haerting, J. (2006): Motivation und Barrieren fürdie Teilnahme an klinischen Studien. Medizinische Klinik, 101. 873-879.

Kreuzpointer, L. (2009): Vorhersage des Umschulungserfolgs durch die Berufseignungs-diagnostik. Die Rehabilitation, 48. 103-110.

Slesina, W., Rennert, D., Patzelt, C. (2010): Prognosemodell zur beruflichen Wiedereinglie-derung von Rehabilitanden nach beruflichen Bildungsmaßnahmen. Die Rehabilitation,49. 237-247.

82

Rückkehr zur Arbeit

Sind stufenweise Wiedereingliederungen nach medizinischer Rehabilitation erfolgreich? Ergebnisse einer prospektiven Kohortenstudie

Bürger, W. (1), Streibelt, M. (2)

(1) fbg – Forschung und Beratung im Gesundheitswesen, Karlsruhe,(2) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund

Stufenweise Wiedereingliederungen (STW) sind ein etabliertes Instrument, um arbeitsunfä-hige Versicherte nach längerer Erkrankung schrittweise wieder an die volle Arbeitsbelastungheranzuführen. Seit 2004 werden STW im Anschluss an eine medizinische Rehabilitationauch in Trägerschaft der Gesetzlichen Rentenversicherung (STW-GRV) durchgeführt. Trotzder starken Verbreitung ist die Evidenzlage zu STW gering (Wasilewski et al., 1995; Bürger2004). Erste Erkenntnisse über STW-GRV konnten im Rahmen einer retrospektiv angeleg-ten Studie gewonnen werden (Bürger et al., 2011; Bürger, Streibelt, 2011).

Seitdem fand eine deutliche Zunahme von STW in Trägerschaft der GRV statt. Vor diesemHintergrund und aufgrund der methodischen Einschränkungen der Vorgängerstudie wurdeeine umfassende prospektive Langzeitstudie initiiert, um Informationen über Wirksamkeit,Kosteneffektivität und differentielle Effekte für STW-GRV zu erhalten. Der vorliegende Bei-trag stellt erste Ergebnisse dieser Studie vor.

Fragestellung

Weisen STW-Teilnehmer günstigere Wiedereingliederungsverläufe, geringere Berentungs-quoten und günstigere Fehlzeitenverläufe im Vergleich mit Rehabilitanden ohne STW auf?

Methodik

Im Sommer 2012 wurden 40.262 berufstätige Versicherte der DRV Bund und Rheinland-Pfalz (Alter max. 60 Jahre) vor Beginn der Rehabilitation zu ihrem gesundheitlichen, beruf-lichen und sozialmedizinischen Status befragt. Ergänzend wurden Versicherungskontoda-ten für den Zeitraum von 2 Jahren vor dem Rehabilitationsjahr erhoben. 15 Monate nach Re-habilitationsende erfolgte eine katamnestische Befragung und die Verknüpfung mit Entlas-sungsberichtsdaten. Für die Effektschätzungen wurden ausschließlich Versicherte mitVorliegen der formalen Voraussetzungen für eine STW (arbeitsunfähig, aber vollschichtigbelastbar aus der Rehabilitation entlassen) berücksichtigt. Mithilfe von Propensity-Score-Verfahren (Bacher, 2002) erfolgte eine Parallelisierung hinsichtlich aller Variablen, die einenUnterschied von p<0,10 für die Gruppenzuordnung aufwiesen.

Ergebnisse

Die Beteiligungsquote der Eingangsbefragung lag bei 47 % (n=18.973). Von 15.727 kata-mnestisch angeschriebenen Versicherten antworteten 12.566 (Rücklaufquote: 80 %). Aufder Basis aller 4.961 Versicherten, die die formalen STW-Voraussetzungen erfüllten (39 %),

83

wurde mittels statistischer Parallelisierung (47 Variablen) eine Stichprobe von 1.585 STW-Teilnehmern und 1.585 KG-Versicherten zusammengestellt, die hinsichtlich ihres gesund-heitlichen, beruflichen und sozialmedizinischen Status, ihres Beitragsstatus 2 Jahre vor Re-habilitation und zentraler Risikofaktoren für eine erfolgreiche Wiedereingliederung (SIBAR,vgl. Bürger, Deck, 2009; RI-EMR, vgl. Bethge et al., 2011) vergleichbar sind. Unter den1.585 STW-Teilnehmern befanden sich 452 Versicherte, die eine STW in Trägerschaft derGesetzlichen Krankenversicherung (STW-GKV) durchführten.

STW-Teilnehmer wiesen gegenüber der KG günstigere Wiedereingliederungsverläufe,günstigere Rentenentwicklungen und günstigere Fehlzeitenentwicklungen auf. 84 % derSTW-Teilnehmern befanden sich zum Katamnesezeitpunkt in sozialversicherungspflichtigerTätigkeit, in der KG lag die Quote bei 62 % (p<.01). Der Anteil der Versicherten, die bis zumBefragungszeitpunkt der Katamnese nicht wieder an den Arbeitsplatz zurückgekehrt waren,lag in der STW-Gruppe bei 4 % gegenüber 36 % in der Kontrollgruppe (p<.01). STW-Teil-nehmer kehrten inkl. der Dauer der STW im Mittel 22 Tage später an ihren Arbeitsplatz zu-rück als Versicherte der KG (56 Tage vs. 34 Tage, p<.01). Anträge auf Erwerbsminderungs-rente waren mit 8 % in der STW-Gruppe deutlich seltener im Vergleich zur KG (21 %,p<.01). Die Fehlzeiten reduzierten sich bei STW-Teilnehmern von 19 Wochen im Jahr vorder Rehabilitation auf 7 Wochen zum Jahr nach der Rehabilitation signifikant deutlicher ge-genüber der KG (20 Wochen auf 11 Wochen). STW-DRV schnitten hinsichtlich der Fehlzei-tenentwicklung günstiger ab als STW-GKV (−14 Wochen vs. −10 Wochen, p<.01). Auch pro-gnostische Indikatoren für den weiteren Verbleib im Erwerbsleben (SIBAR) veränderten sichin der STW-Gruppe signifikant günstiger (p<.01) im Vergleich mit der KG.

Diskussion und Schlussfolgerung

Den vorliegenden Daten zufolge sind STW hinsichtlich der grundlegenden Zielstellung eineffektives Instrument. Aufgrund der großen repräsentativen Stichprobe und den umfassen-den Parallelisierungen auf der Basis der Daten vor Beginn der Rehabilitation erscheinen dieErgebnisse verlässlich. Die STW-Teilnahme erhöht die Chance der beruflichen Wiederein-gliederung und senkt die Fehlzeiten sowie den EM-Rentenzugang nach der Rehabilitation.Weitere Analysen sind insbesondere zur Frage der Kosten und zu differentiellen Effektennotwendig, um die Kosteneffektivität des Instruments abzuschätzen und geeignete und we-niger geeignete Zielgruppen für STW zu identifizieren.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

Literatur

Bacher, J. (2002): Statistisches Matching: Anwendungsmöglichkeiten, Verfahren und ihrepraktische Umsetzung in SPSS. ZA-Informationen, 51. Jg. 38-66.

Bethge, M., Egner, U., Streibelt, M., Radoschewski, F.M., Spyra, K. (2011): Risikoindex Er-werbsminderungsrente (RI-EMR). Eine prozessdatenbasierte Fall-Kontroll-Studie mit8.500 Männern und 8.405 Frauen. Bundesgesundheitsblatt, 54. 1221-1228.

Bürger, W. (2004): Stufenweise Wiedereingliederung nach orthopädischer Rehabilitation –Teilnehmer, Durchführung, Wirksamkeit und Optimierungsbedarf. Die Rehabilitation, 43.152-161.

84

Bürger, W., Deck, R. (2009): SIBAR – ein kurzes Screening-Instrument zur Messung desBedarfs an berufsbezogenen Behandlungsangeboten in der medizinischen Rehabilita-tion. Die Rehabilitation, 48. 211-221.

Bürger, W., Streibelt, M. (2011): Wer profitiert von Stufenweiser Wiedereingliederung in Trä-gerschaft der gesetzlichen Rentenversicherung? Die Rehabilitation, 50. 178-185.

Bürger, W., Glaser-Möller, N., Kulick, B., Pallenberg, C., Stapel, M., (2011): Stufenweise Wie-dereingliederung zulasten der gesetzlichen Rentenversicherung – Ergebnisse umfassen-der Routinedatenanalysen und Teilnehmerbefragungen. Die Rehabilitation, 50. 74-85.

Wasilewski, R., Oertel, M., Faßmann, H. (1995): Maßnahmen zur Stufenweisen Wiederein-gliederung in den Arbeitsprozess. in: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.).Forschungsbericht 249: Bonn.

Effekte stufenweiser Wiedereingliederung: Ergebnisse einer Propensity- Score-gematchten Analyse mit dem Scientific Use File der

Rentenversicherung

Bethge, M.

Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck

Hintergrund

Während die Effekte stufenweiser Wiedereingliederung (STW) auf die Rückkehr an den Arbeits-platz und den nachhaltigen Verbleib im Erwerbsleben bei Personen mit chronischen Rücken-schmerzen konsistent positiv sind (Hoefsmit et al., 2012), sind sie für andere Indikationen wider-sprüchlich, teils sogar negativ (Noordik et al., 2013). Retrospektive Analysen zu der in Deutsch-land realisierten STW in Trägerschaft der gesetzlichen Rentenversicherung konnten Effekte aufdie berufliche Teilhabe bis zu 1 Jahr nach Beendigung der STW zeigen (Bürger et al., 2011; Bür-ger, Streibelt, 2011). Allerdings fehlen bislang längerfristige Nachbeobachtungen zu erwerbs-minderungsbedingten Rentenzugängen und versicherungspflichtiger Beschäftigung.

Methodik

Die Analysen wurden auf Basis des Scientific Use File „Abgeschlossene Rehabilitation im Ver-sicherungsverlauf 2002-2009“ des Forschungsdatenzentrums der Rentenversicherung (FDZ-RV – SUFRSDLV09B) realisiert. Eingeschlossen wurden Personen im Alter von 18–60 Jahren,die im 1. Halbjahr 2007 eine orthopädische, kardiologische, onkologische oder psychosomati-sche Rehabilitation erhielten und die formalen Voraussetzungen einer STW erfüllten. Rehabili-tanden mit und ohne STW wurden mittels Propensity Score gematcht (Guo, Fraser, 2010). ZurBerechnung des Propensity Scores wurden 16 Variablen ausgewählt. Drei Merkmale repräsen-tierten soziodemografische Merkmale. Acht Variablen bildeten das in den Jahren 2005 und2006 erzielte Entgelt aus versicherungspflichtiger Beschäftigung und die Bezugsdauer vonTransferleistungen (Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II sowie sonstige Leistungen, v. a.Krankengeld und Übergangsgeld) ab. Fünf Variablen bezogen sich auf die abgeschlossenemedizinische Rehabilitation. Als Zielkriterien wurden die Zugangsraten in Erwerbsminderungs-rente, das bis 2009 dokumentierte versicherungspflichtige Entgelt sowie die Dauer von Trans-ferleistungen geprüft.

85

Ergebnisse

Die mittels Propensity Score gematchte Stichprobe umfasste 1.875 Rehabilitanden mit STWund 1.875 Rehabilitanden ohne STW. Das Sample war hinsichtlich aller berücksichtigtenAusgangsvariablen balanciert (mittleres Alter: 44,7 Jahre; 49,8 % Frauen). 65,4 % waren inden 12 Monaten vor der Rehabilitation mindestens 3 Monate arbeitsunfähig. 17,7 % absol-vierten die Rehabilitation nach vorangegangener Aufforderung durch die Krankenkasse.64,2 % hatten muskuloskeletale, 9,2 % kardiovaskuläre, 20,9 % psychische und 5,7 % on-kologische Erkrankungen.

Das Risiko eines erwerbsminderungsbedingten Rentenzugangs war für Rehabilitanden mitSTW um rund 40 % reduziert (8,6 % vs. 5,4 %; HR = 0,62; 95 % KI: 0,49 bis 0,80). Subgrup-penanalysen zeigten, dass der Effekt auf einen verminderten Erwerbsminderungsrentenzu-gang bei einer vorangegangenen Aufforderung zur Rehabilitation durch die Krankenkasse be-sonders deutlich war. Bei einer solchen Aufforderung reduzierte die Durchführung einer STWdas Risiko eines Erwerbsminderungsrentenzugangs um knapp 70 % (12,2 % vs. 4,3 %; HR =0,34; 95 % KI: 0,18 bis 0,62). Der Effekt auf erwerbsminderungsbedingte Rentenzugänge wur-de zudem durch die Rehabilitationsdiagnose moderiert. Effekte zeigten sich nach muskulo-skeletaler (HR = 0,55; 95 % KI: 0,39 bis 0,79) und psychosomatischer (HR = 0,65; 95 % KI:0,43 bis 0,99), nicht aber nach kardiologischer Rehabilitation (HR = 0,98; 95 % KI: 0,48 bis2,00).

Das zwischen 2007 und 2009 erzielte kumulierte Entgelt aus versicherungspflichtiger Be-schäftigung war für Teilnehmer einer STW um 12.920 EUR höher (95 % KI: 10.054 EUR bis15.786 EUR) (Abb. 1). Die kumulierte Dauer von Transferleistungen war deutlich verringert.

Anm.: STW = stufenweise Wiedereingliederung

Abb. 1: Jährliches Entgelt aus versicherungspflichtiger Beschäftigung

0

5.000

10.000

15.000

20.000

25.000

30.000

35.000

2005 2006 2007 2008 2009

Jähr

liche

s En

tgel

t in

Euro

keine STW STW

86

Diskussion

Die STW zeigt langfristige Effekte im Sinne verminderter Erwerbsminderungsrentenzugän-ge und vermehrter versicherungspflichtiger Beschäftigung. Die Datenanalyse auf Basis desFDZ-RV – SUFRSDLV09B erlaubt mittels Propensity Score gematchter Analysen die lang-fristige Bewertung von Rehabilitationseffekten, allerdings ist die Zahl möglicher Variablen fürein solches Matching begrenzt.

Schlussfolgerungen

Insbesondere nach einer Rehabilitationsaufforderung durch die Krankenkasse sowie beimuskuloskeletalen und psychosomatischen Erkrankungen sollte eine STW bei noch arbeits-unfähigen Rehabilitanden geprüft werden.

Literatur

Bürger, W., Glaser-Möller, N., Kulick, B., Pallenberg, C., Stapel, M. (2011): StufenweiseWiedereingliederung zulasten der gesetzlichen Rentenversicherung: Ergebnisse umfas-sender Routinedatenanalysen und Teilnehmerbefragungen. Rehabilitation, 50. 74-85.

Bürger, W., Streibelt, M. (2011): Wer profitiert von Stufenweiser Wiedereingliederung in Trä-gerschaft der gesetzlichen Rentenversicherung? Rehabilitation, 50. 178-185.

Guo, S., Fraser, M.W. (2010): Propensity score analysis: statistical methods and applica-tions. Los Angeles, Sage Publications.

Hoefsmit, N., Houkes, I., Nijhuis, F.J. (2012): Intervention characteristics that facilitate return towork after sickness absence: a systematic literature review. J Occup Rehabil, 22. 462-477.

Noordik, E., van der Klink, J.J., Geskus, R.B., de Boer, M.R., van Dijk, F.J., Nieuwenhuijsen, K.(2013): Effectiveness of an exposure-based return-to-work program for workers on sickleave due to common mental disorders: a cluster-randomized controlled trial. Scand JWork Environ Health, 39. 144-154.

Einfluss des sozialen Status auf die Rückkehr zur Arbeit bei Prostatakrebspatienten nach onkologischer Rehabilitation

Ullrich, A. (1), Rath, H.M. (1), Otto, U. (2), Kerschgens, C. (3), Raida, M. (4), Hagen-Aukamp, C. (5), Koch, U. (1), Bergelt, C. (1)

(1) Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, (2) Klinik Quellental, Bad Wildungen, (3) Vivantes Rehabilitation, Berlin,(4) HELIOS-Klinik Bergisch-Land, Wuppertal, (5) Niederrhein-Klinik, Korschenbroich

Hintergrund

Internationale Studien weisen auf die Bedeutung sozialer Ungleichheit bei der Rückkehr zurArbeit nach einer Krebserkrankung hin. So beeinflussen sozioökonomische Kriterien wie Bil-dungsstatus, körperliche Arbeitsbelastung und Einkommen die Wiedereingliederungsprogno-se (Taskila-Brandt et al., 2009; van Muijen et al., 2013). In Deutschland können etwa 80 % deronkologischen Patienten wieder in den Beruf eingegliedert werden (Mehnert, Koch, 2012;

87

Böttcher et al., 2013). Inwieweit der soziale Status Einfluss auf die Rückkehrrate und weiterearbeitsbezogene Outcomes hat, wurde bisher nicht systematisch analysiert.

Methoden

Im Rahmen einer Multicenterstudie wurden erwerbstätige Prostatakrebspatienten zu Beginn(T1), am Ende (T2) und 12 Monate nach Abschluss der Rehabilitation (T3) befragt. Zu T3lagen vollständige Daten von 711 Patienten (85 %) vor. Die Rückkehr zur Arbeit sowie derZeitpunkt wurden zu T3 erhoben. Zur Erfassung weiterer berufsbezogener Outcomes wur-den das Screeninginstrument für Arbeit und Beruf (SIBAR), die Fragebögen zur Erfassungberuflicher Gratifikationskrisen (ERI) und arbeitsbezogener Verhaltens- und Erlebensmus-ter (AVEM) sowie studienspezifische Items herangezogen. Der soziale Status wurde an-hand der Indikatoren Bildungsstatus, berufliche Position und Einkommen zu T1 gebildet(Winkler, Stolzenberg, 2009; Unterschicht 20 %, Mittelschicht 53 %, Oberschicht 27 %). DieAnalysen erfolgten nonparametrisch, anhand von Varianzanalysen mit und ohne Messwie-derholung sowie mittels binärer logistischer Regressionen (sozialer Status als Hauptprädik-tor, Confounder: Alter, UICC-Tumorstadium, Komorbidität).

Ergebnisse

Bei Rehabilitationsantritt betrug das Durchschnittsalter 57 Jahre. Die Patienten warendurchschnittlich 2,8 Monate zuvor und überwiegend mit den Tumorstadien I oder II (80 %)diagnostiziert worden. 12 Monate nach Rehabilitationsende (T3) sind insgesamt 618 Pa-tienten (87 %) mit einer medianen Dauer von 8 Wochen zur Arbeit zurückgekehrt. Patientender Unterschicht haben eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit, 1 Jahr nach Abschlussder Rehabilitation nicht zu arbeiten (OR=2,2). Darüber hinaus erweist sich die Zugehörigkeitzur Unter- (OR=3,5) oder Mittelschicht (OR=2,6) als signifikanter Prädiktor für eine späte be-rufliche Rückkehr (>8 Wochen). Eine stufenweise Wiedereingliederung nach Abschluss derRehabilitation erhalten signifikant mehr Patienten der Unter- und Mittelschicht. Bezüglichder Entwicklung der beruflichen Leistungsfähigkeit (SIBAR, T1–T3) sowie Rentenbegehren,AU-Zeiten > 5 Wochen und Bewertung der Arbeitssituation zu T3 weisen Patienten mit nied-rigerem sozialem Status signifikant ungünstigere Ergebnisse auf. Arbeitszeitreduzierungenaufgrund der Erkrankung werden statusübergreifend selten berichtet. Gruppenunterschiedeim Umgang mit beruflichen Belastungen (AVEM, T1–T3) erweisen sich als marginal und kli-nisch nicht relevant. Patienten berichten eine sinkende Verausgabungsbereitschaft im Beruf(ERI, T1–T3), dies zeigt sich jedoch unabhängig vom sozialen Status.

Diskussion

Ein Jahr nach Rehabilitationsende ist ein substanzieller Anteil der Prostatakrebspatientenzur Arbeit zurückgekehrt. Hier zeigt sich der Erfolg der onkologischen Rehabilitation, Pa-tienten durch ein multimodales Behandlungskonzept bei der beruflichen Reintegration zuunterstützen. Gleichzeitig unterstreichen die Ergebnisse, dass Voraussetzungen und Moda-litäten der beruflichen Rückkehr durch die soziale Lage der Patienten beeinflusst werden.Vor diesem Hintergrund sollte der soziale Status bei der Entwicklung von beruflichen Bera-tungsangeboten, MBOR und weiteren Maßnahmen, die Patienten auf die Rückkehr zurArbeit vorbereiten, berücksichtigt werden.

Förderung: Arbeitsgemeinschaft für Krebsbekämpfung in Nordrhein-Westfalen

88

Literatur

Böttcher H.M., Steimann M., Ullrich A., Rotsch M., Zurborn K.-H., Koch U., Bergelt C. (2013):Evaluation eines berufsbezogenen Konzepts im Rahmen der stationären onkologischenRehabilitation. Die Rehabilitation, 52. 329-336.

Mehnert, A., Koch, U. (2012): Predictors of employment among cancer survivors after me-dical rehabilitation – a prospective study. Scand J Work Environ Health, 39. 76-87.

Taskila-Brandt, T., Martikainen, R., Virtanen, S.V., Pukkala, E., Hietanen, P., Lindbohm,M.L. (2009): The impact of education and occupation on the employment status of cancersurvivors. Eur J Cancer, 40. 2488-2493.

van Muijen P., Weevers N.L., Snels I.A., Duijts S.F., Bruinvels D.J., Schellart A.J., van derBeek A.J. (2013): Predictors of return to work and employment in cancer survivors: a sys-tematic review. Eur J Cancer Care, 22. 114-160.

Winkler, J., Stolzenberg, H. (2009): Adjustierung des Sozialen-Schicht-Index für die Anwendungim Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) 2003/2006. Wismar: Hochschule Wismar.

Return to Work in der Onkologie aus Patientensicht nach einem Jahr

Reuss-Borst, M. (1), Nübling, R. (2), Kaiser, U. (3), Kaluscha, R. (4), Krischak, G. (4), Kriz, D. (2), Müller, G. (5), Martin, H. (6), Renzland, J. (7), Schmidt, J. (2), Toepler, E. (8)

(1) Reha-Zentren der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg, (2) GfQG, Karlsruhe, (3) Hochgebirgsklinik Davos, (4) Institut für Rehabilitationsmedizinische

Forschung an der Universität Ulm, (5) Schlossklinik Bad Buchau, (6) Deutsche Renten-versicherung Baden-Württemberg, (7) Kur- und Klinikverwaltung Bad Rappenau,

(8) Hochschule Bonn-Rhein-Sieg

Einleitung

Die Rückkehr ins Erwerbsleben (Return to Work, RTW) wird für onkologische Rehabilitan-den zunehmend zum zentralen Behandlungsziel, wodurch auch die Bereitstellung spezifi-scher berufsorientierter Maßnahmen an Bedeutung gewinnt (z. B. Mehnert, Koch, 2012).Die Überprüfung der Behandlungsergebnisse solcher Maßnahmen stellt einen wichtigenBaustein des Qualitätsmanagements der Rehabilitationseinrichtungen dar. Im Rahmen der„Reha-QM-Outcome-Studie“ des Qualitätsverbundes Gesundheit und der Deutschen Ren-tenversicherung Baden-Württemberg (Nübling et al., 2014) wurde daher ein besonderes Au-genmerk auf das Outcome und die RTW-Quote der onkologischen Patienten, auch im Ver-gleich zu anderen Hauptindikationen, gelegt.

Methoden

Im Rahmen dieser Studie wurden insgesamt n=7.616 Versicherte der DRV Baden-Württem-berg etwa 1 Jahr nach ihrer stationären Rehabilitation um Mitwirkung an der Erhebung gebe-ten. Von insgesamt n=4.162 Studienteilnehmern waren n=2.947 zum Zeitpunkt des Rehabili-tationsantrags erwerbstätig gewesen. Diese Substichprobe wird im Folgenden betrachtet.36,1 % der Teilnehmer waren weiblich, das Durchschnittsalter betrug M=52,6 Jahre (SD=8,1).65,5 % gaben als ihren höchsten Schulabschluss den Hauptschulabschluss an, eine abge-schlossene Berufsausbildung hatten 82,3 %. Unter den Hauptindikationen waren rheumatolo-

89

gische/orthopädische Diagnosen mit 45,0 % am häufigsten vertreten, onkologische Patientenmachten 12,6 % der Stichprobe aus. Die Krankheitsdauer betrug bei 29 % der Teilnehmer we-niger als 1 Jahr, bei 41 % 1–5 Jahre und dauerte bei 30 % schon länger als 6 Jahre an. EineRehabilitation dauerte im Schnitt M = 3,57 Wochen (SD=1,5). Patientenseitig wurde ein Ka-tamnesefragebogen eingesetzt, der neben RSD-Daten der DRV BW sowie Qualitätskennzah-len der Klinken die Datengrundlage bildete (vgl. ebd.). Die Teilnehmer waren aufgefordert, so-wohl retrospektive Einschätzungen zum Zeitpunkt der Aufnahme als auch zum aktuellen Zeit-punkt der Befragung 1 Jahr nach der Reha zu geben.

Ergebnisse

Die gesundheitliche Belastung zum Zeitpunkt der Aufnahme wurde von 92.2 % der Teilnehmer(n=2.816) auf einer 4-stufigen Skala als „extrem stark“ oder „stark“ angegeben, eine berufliche Be-lastung von 74,3 % der Teilnehmer (n=2.707). Die RTW-Quote nach der Reha lag in der Gesamt-gruppe (n=2.484) zwischen 75–82 % (Zeitpunkt- vs. Zeitverlaufsquote; vgl. Streibelt, Egner,2012), bei den onkologischen Patienten zwischen 66–75 %. Zu den Prädiktoren für die RTW-Quo-te der onkologischen Patienten gehören Alter und Krankschreibtungstage vor der Reha (R2 ~ .45).

Der subjektive Nutzen der Reha wurde von insgesamt 71,2 % als „deutlicher“ oder „großerNutzen“ eingeschätzt, in der onkologischen Teilstichprobe sogar von 81,2 %.

Schlussfolgerung

Die Ergebnisse zeigen zunächst, dass die erfasste Stichprobe der Rehabilitanden gesundheit-lich und beruflich stark belastet ist. Die RTW-Quoten liegen sowohl in der Gesamtgruppe alsauch bei den onkologischen Patienten höher als im Vorfeld erwartet. Insbesondere von denonkologischen Patienten wurde der Nutzen der stationären Rehabilitation als sehr hoch ein-geschätzt, was sich, wie in der Gesamtgruppe, auch in der subjektiven Leistungsbeurteilungwiderspiegelt. Die Ergebnisse unterstreichen insgesamt die Effektivität der medizinischenReha, insbesondere im Hinblick auf das Ziel der weiteren Partizipation im Erwerbsleben.

Abb. 1: RTW-Zeitverlaufsquoten nach Indikationsgruppen

70,3

74,5

82,0

84,4

84,8

85,1

87,5

0,0 20,0 40,0 60,0 80,0 100,0

Neurologie (n=158)

Onkologie (n=263)

Psyche (n=289)

Atemwege/Haut (n=138)

Kardiologie (n=302)

Orthopädie (n=1212)

Magen-Darm/Stoffw(n=144)

90

Abb. 2: Anteile der Indikationsgruppen, die den Nutzen der Reha als deutlich/groß beurteilten

Literatur

Mehnert, A., Koch, U. (2012): Soziodemografische, medizinisch-funktionelle, psychosozia-le, rehabilitations- und arbeitsbezogene Merkmale von Krebspatienten mit und ohne An-trag auf Berentung im Verlauf der onkologischen Rehabilitation. DRV-Schriften, Bd. 92.412-413.

Nübling, R., Kaiser, U., Kaluscha, R., Krischak, G., Kriz, D., Müller, G., Martin, H., Renzland, J.,Reuss-Borst, M., Schmidt, J., Toepler, E. (2014): Ergebnisqualität medizinischer Rehabi-litation – Katamnestische Ergebnisse der „Reha-QM-Outcome-Studie“ des Qualitätsver-bundes Gesundheit und der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg. DRV-Schriften, Bd. 103. 188-190.

Streibelt, M., Egner, U. (2012): Eine Meta-Analyse zum Einfluss von Stichprobe, Messme-thode und Messzeitpunkt auf die berufliche Wiedereingliederung nach beruflichen Bil-dungsleistungen. Die Rehabilitation, 51. 398-404.

„Fit für Inklusion im Beruf“ – Gesundheitsförderungdurch Bewegung bei der Arbeit

Bebenek, M. (1), Kramer, C. (2), von Stengel, S. (1), Kemmler, W. (1)

(1) Institut für Medizinische Physik, Friedrich-Alexander Universität, Erlangen-Nürnberg, (2) Behinderten und Rehabilitations-Sportverband Bayern e. V., München

Hintergrund

Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung haben schlechtere Zugangschancenzu Gesundheitsangeboten und zeigen ein erhöhtes Risiko für Erkrankungen des Muskel-

59,0

61,1

65,3

68,6

73,5

76,3

81,2

0,0 20,0 40,0 60,0 80,0 100,0

Neurologie (n=173)

Magen-Darm/Stoffw(n=154)

Psyche (n=317)

Orthopädie (n=1328)

Kardiologie (n=333)

Atemwege/Haut(n=148)

Onkologie (n=293)

91

Skelett- und Herzkreislauf-Systems (US Department of Health & Human Services, 2002).Ziel die Studie „Fit für Inklusion im Beruf“ ist die Wirksamkeitsüberprüfung spezifischer Ar-beitsplatzprogramme aus dem Handlungsfeld „Bewegung“. Die Maßnahmen richten sichspeziell an die Beschäftigten mit einer geistigen oder psychischen Behinderung.

Methodik

Die Untersuchung ist eine randomisiert-kontrollierte Studie mit 3 Studienarmen: Rücken-Trainingsgruppe (R-TG, n=22), Herz-Kreislauf-Trainingsgruppe (HK-TG, n=22) vs. Kontroll-gruppe (KG, n=21). Die Teilnehmer der beiden Trainingsgruppen absolvierten für 6 Monate,2 spezifische Trainingseinheiten (Bebenek et al., 2014) pro Woche für jeweils 30 Minuten. DieProgramme wurden am Arbeitsplatz in den Pausenzeiten angeboten. Erfasst wurden u. a. diestatische Maximalkraft der Bauch- und Rückenmuskulatur (BackCheck, Dr. Wolff GmbH,Arnsberg Deutschland), die ausdauerspezifische Leistungsfähigkeit (Ergobike, Fa. Daum-Electronic, Fürth Deutschland) sowie die körperlichen Einschränkungen durch Beschwerdenan der Lendenwirbelsäulenregion (mod. Oswestry-Index) (Fairbank, Pynsent, 2000).

Ergebnisse

Nach 6 Monaten konnte die R-TG die Maximalkraft der Rückenmuskulatur um +64,3±106,4 % (p=0,001) (HK-TG: +1,8±41,7 %, KG: −0,6±33,2 %) und Rumpfbeugemuskulaturum +39,2±40,1 % (p<0,001) (HK-TG: +9,3±61,2 %, KG: +12,4±27,6 %) steigern. Zwischender R-TG und der KG zeigen sich nachweisliche Gruppenunterschiede (Rückenkraft:64,9 %, p=0,01; Bauchkraft: 26,8, p=0,02).

Die ausdauerspezifische Leistung verbesserte sich in der HK-TG um +17,7±26,6 %(p<0,001). Korrespondierend erhöhte sich der Parameter „TUL“ um +25,6±37,8 %(p<0,001). Zur R-TG zeigt sich hierbei ein hochsignifikanter Gruppenunterschied von22,5 % (p=0,01).

Für den Oswestry-Index zeigen sich, bei basal durchschnittlich minimaler Einschränkunginnerhalb der 3 Gruppen, keine signifikanten Veränderungen (R-TG: 3,3±6,4 %, HK-TG:4,8±9,6 %, KG: 12,5±13,8 %).

Diskussion

Die vorgestellten Arbeitsplatzprogramme verbessern einschlägig ausgewählte Parameterder körperlichen Fitness. Die Leistungszuwächse der Rücken- und Bauchkraft deuten aufein enormes Optimierungspotential der arbeitsbegleitenden Maßnahmen im Handlungsfeld„Bewegung“ hin. Berücksichtigt man die geringe Aussteiger- (<10 %) und gute Bindungsrate(>70 %) beider Programme, scheint die zielgruppenspezifische Ausrichtung und Anpassungder Inhalte der Belegschaft mit geistiger und psychischer Behinderung zu entsprechen.

Förderung: Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen

Literatur

US Department of Health & Human Services (2002): Report of the Surgeon General’s con-ference on health disparities and mental retardation. Closing the gap. Washington, DC:US Public Health Service.

92

Bebenek, M. et al. (2014): Arbeitsplatzprogramm „Rückenzirkel“. Ein Modellprojekt zur Ver-besserung der Rückengesundheit. 45. Deutscher Sportärzte Kongress. Frankfurt 2014.Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin 63 (7/8). 205.

Fairbank, J.C.T., Pynsent, P.B. (2000): The Oswestry Disability Index. Spine, 25/22.2940-2953.

Befristete Erwerbsminderungsrente und Rückkehr ins Erwerbsleben – Themen und Erwartungen von ErwerbsminderungsrentnerInnen

Zschucke, E. (1), Hessel, A. (2), Paech, J. (1), Storm, V. (1), Lippke, S. (1)

(1) Jacobs Center on Lifelong Learning and Institutional Development, Jacobs University Bremen, (2) Deutsche Rentenversicherung Oldenburg-Bremen, Bremen

Hintergrund, Stand der Literatur und Zweck der Untersuchung

Der Anteil psychischer Erkrankungen ist bei den Zugängen zur Erwerbsminderungsrente(EM-Rente) seit den 90er-Jahren stark angestiegen (2011: 41 %). Studien zeigen, dass dasberufliche Umfeld von EM-RentnerInnen oft von Arbeitslosigkeit, prekärer Beschäftigung,geringer Autonomie und hohen Arbeitsanforderungen bei zugleich geringer Gratifikationgeprägt war (Mika, 2013), was psychischen Stress begünstigt. Zugleich stellen psychischeBelastungen und Erkrankungen ein Hindernis zur Rückkehr ins Erwerbsleben dar (O’Neilet al., 2010).

Andere Untersuchungen konnten hingegen zeigen, dass psychische Belastung per se nichtausschlaggebend für die Motivation zur Wiedereingliederung ist (Kobelt et al., 2009).

Insbesondere bei Personen mit psychischen oder psychosomatischen Erkrankungen ist esfür die Rückkehr ins Erwerbsleben zentral, subjektive Motive und Barrieren adäquat zuadressieren. Berufsfördernde Maßnahmen haben sich dabei in Studien bereits als hilfreicherwiesen (Hoefsmit et al., 2012; Bürger et al., 2011). Gleichzeitig liegen trotz zahlreicherAngebote wenige Erkenntnisse über subjektive Pläne, Erwartungen und Erfahrungen vonEMI-RentnerInnen mit und ohne psychische Erkrankungen vor.

Methodik und Studiendesign

Im Mai 2014 kontaktierte die Deutsche Rentenversicherung Oldenburg-Bremen alle ihre4.221 befristeten EM-RentnerInnen mit der Bitte um Studienteilnahme. Diejenigen, die indie Teilnahme einwilligten (n=577), wurden mittels eines strukturierten Leitfadeninterviewstelefonisch von MitarbeiterInnen der Jacobs University Bremen befragt.

Neben psychischen und körperlichen Beschwerden, Lebensqualität und soziodemografi-schen Daten wurden auch bisherige Arbeitsbedingungen und zukünftige Arbeitsmotivationerfragt. Zusätzlich wurden subjektive Erfahrungen mit medizinischen und berufsbezogenenReha-Maßnahmen sowie Wünsche, Ziele, Ressourcen und subjektive Barrieren bei derRückkehr ins Erwerbsleben erhoben.

93

Ergebnisse

Die in die Auswertung einbezogenen Personen (n=438; 54 % Frauen) hatten ein Durch-schnittsalter von 50,2 Jahren und bezogen im Schnitt seit 40 Monaten EM-Rente.

Als häufigste Erkrankungen wurden Skelett-/Muskel-/Gelenks-/Bindegewebserkrankungengenannt (67 %), dicht gefolgt von psychischen Erkrankungen (62,3 %). Auffallend war diehohe Komorbidität: 80 % der Befragten berichteten, unter zwei oder mehr Erkrankungen zuleiden. Bei einem Drittel der Befragten war die psychische Erkrankung ausschlaggebend fürdie Bewilligung der EM-Rente.

Zusätzlich zu allen anderen Erkrankungen spielte Übergewicht in der Untersuchungsgruppeeine bedeutsame Rolle: 66 % der Befragten waren übergewichtig, 40 % sogar adipös.

Die Lebenszufriedenheit der befragten EM-RentnerInnen war bei 63 % der Befragten deut-lich eingeschränkt. EM-RentnerInnen, die unter psychischen Erkrankungen litten, gaben da-bei eine signifikant geringere Lebenszufriedenheit an als EM-RentnerInnen ohne psychi-sche Erkrankungen (Chi2 = 28.8, df=3, p˂.001).

Der Anteil der Befragten, der vor der Rentenbewilligung an einer medizinischen Rehabili-tation teilgenommen hatte, war bei aus psychischen Gründen berenteten Personen deutlichniedriger als bei körperlich Erkrankten (49 % vs. 68 %). Von der medizinischen Rehabilita-tion profitierten die Befragten v. a. im Hinblick auf den Umgang mit ihrer Erkrankung (57 %),weniger in Bezug auf seelische Symptome (39 %) oder Arbeitsfähigkeit (11 %). Ungeachtetdessen hatten 57 % die feste Absicht zur Rückkehr ins Erwerbsleben oder schon konkreteVorbereitungen getroffen, wobei sich psychisch Erkrankte nicht von körperlich Erkranktenunterschieden.

Diskussion

Unsere Daten zeigen, dass EM-RentnerInnen mit psychischen Erkrankungen ihre Lebens-qualität geringer einschätzen als die Vergleichsgruppe ohne psychische Erkrankungen.Auch nehmen sie weniger an medizinischen Reha-Maßnahmen teil. Wie bereits in früherenStudien gezeigt wurde (z. B. Kobelt, 2008), gibt es jedoch keine Unterschiede hinsichtlichder Rückkehrmotivation ins Erwerbsleben und der subjektiv eingeschätzten Wichtigkeit dereigenen Berufstätigkeit. Damit bestätigen unsere Ergebnisse frühere Erhebungen, gebenaber darüber hinaus Aufschluss über psychologische Faktoren wie Lebenszufriedenheit undRückkehrpläne ins Erwerbsleben. Das starke Übergewicht ist ein Faktor, der sich zusätzlichauf Lebensstil und Gesundheit auswirkt.

Schlussfolgerungen, Umsetzung und Ausblick

Auf Grundlage der Wünsche, Erfahrungen und Pläne von EM-RentnerInnen lassen sichwichtige Empfehlungen für Angebote zu deren Wiedereingliederung ins Erwerbsleben ab-leiten.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Oldenburg-Bremen

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Literatur

Bürger, W., Glaser-Möller, N. Kulick, B. Pallenberg, C., Stapel, M. (2011): Stufenweise Wie-dereingliederung zulasten der gesetzlichen Rentenversicherung – Ergebnisse umfassen-der Routinedatenanalysen und Teilnehmerbefragungen. Die Rehabilitation, 50. 74-85.

Hoefsmit, N., Houkes, I., Nijhuis, F.J.N. (2012): Intervention characteristics that facilitate re-turn to work after sickness absence: a systematic literature review. J Occup Rehabil, 22.462-477.

Kobelt, A., Grosch, E., Hesse, B., Gebauer, E., Gutenbrunner, C. (2009): Wollen psychischerkrankte Versicherte, die eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bezie-hen, wieder ins Erwerbsleben eingegliedert werden? Psychosom Med Psychol, 59 (7).273-280.

Mika, T. (2013): Risiken für eine Erwerbsminderung bei unterschiedlichen Berufsgruppen.Bundesgesundheitsblatt, 56. 391-398.

O’Neil, A., Sanderson, K., Oldenburg, B. (2010): Depression as a predictor of work resump-tion following myocardial infarction (MI): a review of recent research evidence. Health andQuality of Life Outcomes, 8 (95). 1-11.

95

Rückkehr zur Arbeit (Poster)

Evaluierung der Arbeitsfähigkeit und der Freizeitaktivitätennach einer Wirbelsäulen-Operation

Bosse, A.

Orthopädie-Zentrum Bad Füssing

Hintergrund

Rückenschmerzen zählen zu den häufigsten Beschwerdebildern des menschlichen Bewe-gungssystems. Viele Arbeitsunfähigkeitstage und Arbeitsausfallzeiten verursachen enormeKosten für das Gesundheitssystem. Bereits 2003 nahmen die durch Rückenbeschwerdenentstandenen Arbeitsunfähigkeitskosten mit 65 Mrd. Euro 21,4 % des Gesundheitshaus-halts ein (Wollweber, 2009). Bei Arbeitnehmern über 50 Jahren sind Beschwerden am Mus-kel-Skelett-System die häufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit und der häufigste Frühbe-rentungsgrund bei Männern (Baum, 2009). Ob bei Rückenbeschwerden eine Operationoder eine konservative Behandlung angebracht ist, sollte im Vorfeld genau analysiert wer-den (Hellum et al., 2012).

Im Hinblick auf die Arbeitsfähigkeit bzw. Sport und Freizeit nach einer Erst-Operation an derLendenwirbelsäule wurde im Orthopädie-Zentrum Bad Füssing (OZBF) in Zusammenarbeitmit 4 weiteren orthopädischen Rehabilitationskliniken eine Untersuchung mit stationärenAHB-Patienten durchgeführt.

Hypothese

Die Arbeitsfähigkeit und das Sport-/Freizeitverhalten werden durch einen operativen Eingriffan der Wirbelsäule nicht eingeschränkt.

Methodik

Die 84 freiwilligen Studienteilnehmer (48,2 Jahre) wurden am Ende der stationären An-schlussheilbehandlung sowie 6 (t2) und 12 Monate (t3) nach Entlassung zu ihrer Arbeitsfä-higkeit (WAI, SPE-Skala), zum Sport- und Freizeitverhalten (selbst formulierter Fragebogen)sowie zum Gesundheitszustand (SF-12, ODI) befragt. Eingeschlossen wurden folgendeOP-Verfahren an der Lendenwirbelsäule: Nukleotomie (n=31), Interlaminäre Fensterung(n =21), Bandscheiben-Prothese (n=9), Spondylodese/Fusion/Cage (n=23).

Für die Teilnehmerrekrutierung konnten zusätzlich zum OZBF 4 orthopädische Rehabilitati-onskliniken als Kooperationspartner gewonnen werden.

Ergebnisse

Die durch Rückenbeschwerden verursachten Arbeitsunfähigkeitstage haben sich 6 bzw. 12Monate post AHB im Vergleich zur präoperativen Zeit höchst signifikant reduziert (p=0,000).Vor der OP waren die Teilnehmer durchschnittlich „10 bis 24 Tage“ arbeitsunfähig, zu t2 undt3 „höchstens 9 Tage“.

96

Bei 23,8 % (t2) bzw. 29,8 % (t3) der Teilnehmer ergab sich eine Änderung der beruflichenSituation. Die „innerbetriebliche Umsetzung“ wurde mit 50,0 % (t2) bzw. 56,5 % (t3) am häu-figsten genannt. Die größten Einschränkungen bei der Berufsausübung wurden durch„Schmerzen“ (t2: n=41, t3: n=39) verursacht, gefolgt von „eingeschränkter Beweglichkeit“(t2: n=38, t3: n=37) „mangelnder Kraft“ (t2: n=25, t3: n=16) und „Angst vor neuerlichen Be-schwerden“ (t2: n=21, t3: n=22).

60 % der Teilnehmer wollten zu ihrem Sport zurückkehren oder eventuell zu einer wenigeranspruchsvollen Sportart wechseln (insgesamt 55 %). Der Sportumfang pro Woche beliefsich zu allen 3 Zeitpunkten auf durchschnittlich „1 bis 2 Stunden“. Nach der OP gaben38,1 % „keine Veränderung“ des Sportverhaltens an, 32,1 % (t2) bzw. 22,6 % (t3) eine „Re-duzierung von Umfang und/oder Intensität“. Die meisten Einschränkungen entstandendurch mangelnde Beweglichkeit (t2: n=40; t3: n=34), Angst (t2: n=27 bzw. t3: n=23) undSchmerzen (t2: n=25 bzw. t3: n=19).

75 % der Probanden wollten nach der Operation wieder ihren früheren Hobbys nachgehenoder auch ein weniger anspruchsvolles Hobby ausüben (40 %). Die „eingeschränkte Be-weglichkeit“ war zu t2 und t3 mit jeweils 42 Nennungen der häufigste Grund für eine Ein-schränkung der Freizeitaktivitäten.

Die körperliche Summenskala des SF-12 zeigte zwischen t1 und t2 (p=0,000) sowiezwischen t1 und t3 (p=0,000) eine höchst signifikante Verbesserung.

Die Werte der psychischen Summenskala wurden zu t2 signifikant schlechter (p=0,039),verbesserten sich aber bis zu t3 wieder.

Der prozentuale Behinderungsgrad (Oswestry Disability Index) reduzierte sich von 43,0 %(t2) auf 41,5 % (t3).

Schlussfolgerung

Die vorliegende Studie zeigte für die Kriterien Arbeitsfähigkeit sowie Sport- und Freizeitver-halten insgesamt eine positive Entwicklung nach einem operativen Eingriff an der Lenden-wirbelsäule in einem Zeitraum bis 12 Monate nach der stationären Anschlussheilbehand-lung. Für Aussagen über die längerfristige Entwicklung wären Untersuchungen mit noch län-gerem Nachbeobachtungszeitraum wünschenswert.

Förderer: Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd

Literatur

Baum, D.S. (2009): Versorgungsstrategien von Wirbelfrakturen des thorakolumbalen Über-gangs – Grenzen der alleinigen dorsalen Stabilisierung. Medizinische Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen.

Hellum, C., Johnsen, L.G., Gjertsen, Ö., Berg, L., Neckelmann, G., Grundnes, O., Rossvoll, I.,Skouen, J.S., Brox, J.I., Storheim, K. (2012): Predictors of outcome after surgery with discprothesis and rehabilitation in patients with chronic low back pain and degenerative disc:2-year follow-up. Eur Spine J, 21. 681-690.

Wollweber, N. (2009): Individueller Umgang mit dem Problem Arbeitsunfähigkeit bei ambu-lanten Patienten. Medizinische Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

97

Welche Bedeutung hat die klinikspezifische Empfehlungsquotezur stufenweisen Wiedereingliederung auf die Rückkehr

der Rehabilitanden an den Arbeitsplatz?

Schmid, L. (1), Jankowiak, S. (1), Kaluscha, R. (1), Krischak, G. (1, 2)

(1) Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau, (2) Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Federseeklinik, Bad Buchau

Einleitung

Eine stufenweise Wiedereingliederung wird häufig bereits während der medizinischen Re-habilitation mit der Angabe einer entsprechenden Nachsorgeempfehlung im Entlassungsbe-richt eingeleitet. In einer zuvor durchgeführten Untersuchung konnte gezeigt werden, dasssich die Empfehlungsquoten bei vergleichbarer Patientenklientel zwischen den Einrichtun-gen teils deutlich unterscheiden. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass Ein-richtungen in der Aussprache einer Empfehlung unterschiedliche Kriterien heranziehen(Schmid et al., 2014).

Vor diesem Hintergrund soll im Rahmen der vorliegenden Untersuchung der Frage nachge-gangen werden, inwieweit sich die unterschiedlichen Kriterien zur Aussprache einer Emp-fehlung in den Einrichtungen auf die erfolgreiche Rückkehr der Rehabilitanden an den Ar-beitsplatz auswirken.

Methodik

Grundlage dieser Untersuchung bildet eine anonymisierte Version der Rehabilitationsstatis-tikdatenbasis (RSD) der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV-BW).Diese enthält alle Rehabilitationsleistungen der DRV-BW im Zeitraum von 2005 bis 2012.

In diese Untersuchung wurden ausschließlich erwerbstätige Rehabilitanden im Alter von18–64 Jahren mit einer Erkrankung der ICD-Diagnosegruppe M „Bewegungsapparat undBindegewebe“ eingeschlossen. Um aussagekräftige Ergebnisse zu gewährleisten, wurdenzudem nur Einrichtungen berücksichtigt, die im Untersuchungszeitraum mindestens 1.000Rehabilitanden der DRV-BW behandelten.

Zur Analyse der Auswirkung der Empfehlungsquote auf die Rückkehr an den Arbeitsplatzwurde eine logistische Regression mit der Zielgröße „zurückgekehrt“ vs. „nicht zurückkehrt“berechnet. Als „zurückgekehrt“ wurden all diejenigen gewertet, die im 12. Monat nach Re-habilitationsende sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren. Als Maß für die Höhe derEmpfehlungsquote einer Einrichtung wurden die klinikbezogenen Schätzer aus einer zuvorberechneten Regressionsanalyse zur Vorhersage der Aussprache einer Empfehlung heran-gezogen (Schmid et al., 2014). Diese bilden ein um Patientenmerkmale adjustiertes Maß fürdie Höhe der Empfehlungsquote. Die Kliniken wurden anhand ihrer Schätzer in 3 Gruppeneingeteilt (<1. Quartil = niedrig; 1.–3. Quartil = mittel; >3.Quartil = hoch).

Ergebnisse

In der vorliegenden Untersuchung konnten die Daten von 110.244 Rehabilitanden aus38 Rehabilitationseinrichtungen berücksichtigt werden. In der Stichprobe befanden sich mit68,04 % (n=75.008) deutlich mehr Männer als Frauen. Das Durchschnittsalter der Rehabili-

98

tanden lag bei 49,7 Jahren. Im 12. Monat nach der medizinischen Rehabilitation waren77,71 % (n=85.666) der Rehabilitanden wieder an den Arbeitsplatz zurückgekehrt. Die Kli-niken mit niedriger Empfehlungsquote (10 Kliniken mit 36.789 Rehabilitanden) sprachendurchschnittlich 3,3 % ihrer Rehabilitanden eine entsprechende Empfehlung aus, währendin der mittleren Klinikgruppe (18 Kliniken mit 64.260 Rehabilitanden) bei 5,3 % der Rehabi-litanden eine stufenweise Wiedereingliederung angeregt wurde. In der Klinikgruppe mit ho-her Empfehlungsquote (10 Kliniken mit 9.195 Rehabilitanden) betraf dies durchschnittlich12,7 % der Rehabilitanden.

Unter Einschluss von Patientenmerkmalen und der auf Basis der adjustierten Empfehlungs-quote festgelegten Gruppenzugehörigkeit der Kliniken wurden Regressionsanalysen zurVorhersage der Rückkehr an den Arbeitsplatz durchgeführt. Hier zeigten sich keine Effekteder Gruppenzugehörigkeit auf die Zielgröße (Modellgüte: c=0,773). Weitere, im Rahmenvon Sensitivitätsanalysen durchgeführte Regressionen ergaben ebenfalls keine klaren Ef-fekte der Empfehlungsquote auf die Rückkehr an den Arbeitsplatz.

Diskussion

In den Regressionsanalysen konnte kein Effekt der um Patientenmerkmale adjustierten Hö-he der Empfehlungsquote auf die erfolgreiche Rückkehr der Rehabilitanden an den Arbeits-platz nachgewiesen werden. Eine höhere Empfehlungsquote und damit ein höherer Anteilan Rehabilitanden, die eine stufenweise Wiedereingliederung absolvieren, geht folglichnicht mit einer entsprechend verbesserten Rückkehr an den Arbeitsplatz einher.

Mögliche Erklärungen für dieses Ergebnis wären Ungleichverteilungen bei nicht in den Rou-tinedaten abgebildeten, aber relevanten Patientenmerkmalen oder die Durchführung einerstufenweisen Wiedereingliederung auch bei solchen Rehabilitanden, die womöglich nichtvon dieser Maßnahme profitieren.

Literatur

Schmid, L., Kaluscha, R., Groß, M., Krischak, G. (2014): Anregungen zur stufenweisen Wieder-eingliederung und zu Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben? Welche Unterschiede exis-tieren dabei zwischen den Rehabilitationseinrichtungen? DRV-Schriften, Bd. 103. 95-97.

99

Assessmentinstrumente

Entwicklung eines Screeningverfahrens für die Beschwerdenvalidierungvon Erkrankungen mit depressiver Symptomatik

Walter, F. (1), Petermann, F. (1), Kobelt, A. (1, 2)

(1) Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Universität Bremen, (2) Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, Laatzen

Hintergrund

Die Begutachtung von psychischen Störungen stellt eine Herausforderung dar, da es durchFehlerquellen zu Verzerrungen in der Beschwerdedarstellung kommen kann (Dohrenbuschet al., 2011). Bisherige Verfahren sind meist transparent, dadurch ist die Intention des Fra-gebogens für den Patienten durchschaubar. Es fehlen validierte Beschwerdenvalidierungs-tests (BVT) für die Patienten in der sozialmedizinischen Begutachtung, um etwaige negativeAntwortverzerrungen zu erfassen. Studien (Walter et al., 2013) zeigen, dass sich instruierteSimulanten (IS) in ihrem Antwortverhalten in Symptomfragebögen von Depressiven dahingehend signifikant unterscheiden, dass die IS zu Extremantworten und Übergeneralisierun-gen neigen, in ihrem Antwortprofil jedoch eine Varianz zeigen. Die Ergebnisse lieferten Er-kenntnisse für die Entwicklung eines BVT.

Methodik

Für die Erfassung von negativen Antwortverzerrungen liegt kein Goldstandard vor, daherwurde sich für Konstruktion (K) und Validierung (V), für ein Analogstudiendesign entschie-den. Gesunde Teilnehmer (Depression: K: n=60; V=100; Schmerz: K: n=50; V=90) solltenauf der Grundlage eines Szenarios eine Depression oder Schmerzstörung im BVT vortäu-schen. Ihr Aufgabenverständnis wurde durch 2 Fragebögen kontrolliert. Zudem füllten eineKontrollgruppe (K: n=78; V: n=89), depressive Patienten (KS: n=58; VS=162) sowieSchmerzpatienten (KS: N=34; VS=46) nach ihren derzeitigen psychischen Befinden die Fra-gebogen aus. Die Rekrutierung fand mittels Pressemitteilungen (gesunde Teilnehmer) so-wie in psychiatrischen Kliniken und in Rehabilitationskliniken (Patienten) statt. Die Depres-sivität wurde anhand des BDI-II (Hautzinger et al., 2009) erhoben. Ausgeschlossen wurdendepressive Patienten mit einem Summenwert unter 20, gesunde Teilnehmer mit einemSummenwert über 19 sowie Schmerzpatienten mit einem Summenwert unter 14.

Ergebnisse

Mithilfe von paarweisen Bonferroni-post-hoc-Analysen in der Konstruktionsstichprobe konn-ten signifikante Unterschiede von 53 der 76 Items zwischen den Gruppen IS, Patienten bzw.gesunde Kontrollgruppe gezeigt werden. Durch eine anschließende ROC-Analyse wurde einCut-Off-Wert von 105 für die depressiven Patienten bestimmt. In der Validierungsstichprobewurden bei dieser Gruppe 76 % korrekt als Teilnehmer mit negativen Antwortverzerrungenerkannt, wobei 95 % korrekt als Teilnehmer ohne negative Antwortverzerrungen erkannt wur-den. Die ROC-Analyse für die Schmerzpatienten ergab einen Cut-Off-Wert von 77. In der Va-

100

lidierungsstichprobe wurden bei dieser Gruppe 87 % korrekt als Teilnehmer mit negativenAntwortverzerrungen erkannt, wobei 93 % korrekt als Teilnehmer ohne negative Antwortver-zerrungen erkannt wurden. Die Reliabilitätsanalyse ergab ein Cronbach’s alpha = .97.

Diskussion

Das entwickelte Screening weist eine gute Reliabilität sowie Sensitivität und Spezifität auf.Die Autoren zeigen auf, dass der Fragebogen Unterschiede in der Beschwerdedarstellungzwischen IS und Patienten messen kann und somit geeignet scheint, um negative Antwort-verzerrungen zu messen.

Ausblick

Gutachter bzw. Kliniker sind im diagnostischen Prozess für das Stellen einer Diagnose oderdie Einschätzung der Leistungsfähigkeit auf die Beschwerdedarstellung der Patienten ange-wiesen. Das Screening kann für das Messen etwaiger negativer Antwortverzerrungen ge-nutzt werden, um den Diagnostiker in seinem Entscheidungsprozess zu unterstützen. Zu-sätzliche Validierungsstudien mit einem Known-Group-Design sind nötig, um den Fragebo-gen in einer realitätsnäheren Stichprobe zu überprüfen.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover

Literatur

Dohrenbusch, R., Henningsen, P., Merten, T. (2011): Die Beurteilung von Aggravation undDissimulation in der Begutachtung psychischer und psychosomatischer Störungen. Ver-sicherungsmedizin, 63. 81-85.

Hautzinger, M., Keller, F., Kühner, C. (Hrsg.) (2009): Beck-Depressions-Inventar (BDI-II).Revision (2. Aufl.). Frankfurt: Pearson Assessment.

Walter, F., Petermann, F., Dietrich, D.E., Kobelt, A. (2013): Wie können Beschwerden imRahmen der medizinischen Rehabilitation validiert werden?. Physikalische Medizin, Re-habilitationsmedizin, Kurortmedizin, 23. 334-340.

Psychische Belastung in der Rehabilitation – der Nutzen von Verfahrenaus der SCL-90-Familie

Franke, G.H.

Hochschule Magdeburg-Stendal, Rehabilitationspsychologie

Hintergrund und Fragestellung

Die psychische Belastung ist ein Kernkonstrukt in Rehabilitation und Psychotherapie, dennin beiden Fällen ist es Aufgabe der (Rehabilitations-)Psychologie, sie zu erfassen (= messen),durch Interventionen zu reduzieren sowie diesen Effekt zu belegen (= evaluieren). Weltweitwird die psychische Belastung recht häufig mit Verfahren aus der Familie der Symptom-checklisten erfasst, deren Entwicklung auf eine 100-jährige Geschichte zurückblicken kann.Die Möglichkeiten und Grenzen im Einsatz von SCL-90®-S, BSCL-53 und BSI-18 in Reha-bilitation und Psychotherapie werden anhand aktueller Norm-, Vergleichs- und Patientenda-ten diskutiert.

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Ergebnisse

Im deutschsprachigen Raum begann der Einsatz von Verfahren aus der SCL-90-Familie zurErfassung der psychischen Belastung der vergangenen 7 Tage in der Mitte der 90er-Jahredes vergangenen Jahrhunderts. Die 90 Fragen umfassende Symptomcheckliste wird vor al-lem in psychosomatisch-psychotherapeutischer Rehabilitation eingesetzt. Im Einzelnenwerden die Skalen Aggressivität/Feindseligkeit (AGGR), Ängstlichkeit (ANGS), Depressivi-tät (DEPR), Paranoides Denken (PARA), Phobische Angst (PHOB), Psychotizismus(PSYC), Somatisierung (SOMA), Unsicherheit im Sozialkontakt (UNSI) und Zwanghaftigkeit(ZWAN) sowie 3 globale Kennwerte ausgewertet. Aktuelle, bevölkerungsrepräsentativeNorm- (N1=2.025) sowie Vergleichsdaten von Studierenden (N2=1.0161), einer nach demSchneeballprinzip erhobenen Zufallsstichprobe (N3=389), von stationären Psychotherapie-(P1=1.263) und orthopädischen Rehabilitationspatienten (P2=237) zeigen befriedigende,gute bis sehr gute Belege (Tab. 1). Normwerte liegen aus N1 (16–75 Jahre, Erhebung 2011bis 2012) sowie aus N2 vor. Inhaltliche stimmige Korrelationen mit korrespondierenden Ver-fahren sprechen für die Validität der SCL-90®-S (Franke, 2014).

Tab. 1: Cronbachs und Test-Retest-Reliabilität r(tt) der Skalen der SCL-90®-S bei N1 (N=2.025, bevöl-kerungsrepräsentative Eichstichprobe), N2 (N=1.061, studentische Normstichprobe), N3 (N=389,Schneeball), P1 (N=1.263, Psychotherapieklienten) sowie P2 (N=237, Orthopädiepatienten).

Die Notwendigkeit der Erhebung weiterer rehabilitationspsychologischer Konstrukte, ausGründen der Qualitätssicherung, führt zum Einsatz der 53 umfassenden Kurzversion(BSCL-53 oder auch BSI), mit den gleichen, verkürzten 9 Skalen und globalen Kennwerten.Die BSCL-53 wird bei Rehabilitationspatienten und oft bei chronisch niereninsuffizienten so-wie -transplantierten Patienten eingesetzt; aktuelle Norm- und Vergleichsdaten werden dis-kutiert (Franke, 2015).

In jüngster Zeit steigt das Interesse am Einsatz des nur 3 Skalen (SOMA, DEPR, ANGS)umfassenden BSI-18 (Franke et al., 2010, 2011; Spitzer et al., 2011) in Rehabilitation undPsychotherapie.

Skala N1 N2 N2-1 N3 P1 P2

N=2.025 N=1.061 N=76 N=398 N=1.263 N=237

r(tt)

AGGR ,78 ,76 ,79 ,77 ,76 ,76

ANGS ,88 ,86 ,74 ,86 ,87 ,91

DEPR ,91 ,90 ,82 ,89 ,89 ,92

PARA ,82 ,76 ,86 ,82 ,81 ,85

PHOB ,78 ,81 ,86 ,86 ,87 ,82

PSYC ,85 ,81 ,79 ,81 ,80 ,85

SOMA ,85 ,82 ,78 ,85 ,86 ,89

UNSI ,87 ,83 ,87 ,86 ,88 ,90

ZWAN ,88 ,85 ,83 ,88 ,88 ,91

GSI ,98 ,97 ,88 ,98 ,97 ,98

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Diskussion und Schlussfolgerungen

Neben den üblichen Messfehlergrenzen findet sich die bekannte Problematik der Replika-tion der 9 SCL-90-Skalen auch bei der BSCL-53, deutlich weniger aber beim BSI-18; wasdort auf die geringe Skalenanzahl zurückgeführt werden kann. Verfahren aus der Familieder Symptomchecklisten sind populär und werden weltweit in einem breiten Spektrum klini-scher Forschung und Anwendung als Screening- und Outcome-Instrumente genutzt. Für dieIndividualdiagnostik eignet sich, aufgrund der Informationsvielfalt sowie der guten Reliabili-tätswerte, besonders die SCL-90®-S. Für Screening-Untersuchungen kann sowohl aufBSCL-53 (BSI) als auch auf BSI-18 zurückgegriffen werden.

Literatur

Franke, G.H. (2014): SCL-90®-S. Symptom-Checklist-90®-Standard – Manual. Göttingen:Hogrefe.

Franke, G.H. (2015): BSCL-53®-S. Brief Symptom-Checklist – Standard – Deutsches Ma-nual. Göttingen: Hogrefe, in Vorbereitung.

Franke, G.H., Ankerhold, A., Haase, M., Jäger, S., Tögel, C., Ulrich, C., Frommer, J. (2011):Der Einsatz des Brief Symptom Inventory 18 (BSI-18) bei Psychotherapiepatienten. Psy-chosomatik, Psychotherapie, medizinische Psychologie, 61, 82-86.

Franke, G.H., Jäger, S., Morfeld, M., Salewski, C., Reimer, J., Rensing, A., Witzke, O.,Türk, T. (2010): Eignet sich das BSI-18 zur Erfassung der psychischen Belastung von nie-rentransplantierten Patienten? Zeitschrift für Medizinische Psychologie, 19, 30-37.

Spitzer, C., Hammer, S., Löwe, B., Grabe, H., Barnow, S., Rose, M., Wingenfeld, K., Frey-berger, H., Franke, G.H. (2011): Die Kurzform des Brief Symptom Inventory (BSI-18): Ers-te Befunde zu den psychometrischen Kennwerten der deutschen Version. FortschritteNeurologie Psychiatrie, 79. 517-523.

RiRes – Patienten- und Therapeuteneinschätzung zu Risiken und Ressourcen für den Behandlungs(miss)erfolg in der psychosomatischen Rehabilitation

Brütt, A.L., Magaard, J., Niedrich, J., Schulz, H.

Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Hintergrund

Bisher profitieren nicht alle Patienten gleichermaßen von der stationären psychosomati-schen Rehabilitation. Wird die Reduktion der Symptomatik als Kriterium herangezogen, kön-nen krankheitsbedingte Variablen wie der Schweregrad der Erkrankung und Beeinträchti-gung, aber auch die Motivation und Arbeitsunfähigkeitszeiten den Erfolg der Behandlungvorhersagen (Lange et al., 2012). Mit der Orientierung an der ICF rücken vermehrt Rehabi-litationsziele und damit Erfolgskriterien in Bezug auf Aktivitäten und Teilhabe in den Vorder-grund, zudem wird die Bedeutung der umwelt- und personbezogenen Faktoren, die einenBehandlungserfolg erschweren oder fördern, hervorgehoben. Vor diesem Hintergrund soll-

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ten in unserem Projekt Kontextfaktoren genauer untersucht und ihr Zusammenhang mit teil-habeorientierten Rehabilitationsoutcomes geprüft werden. In der ersten Projektphase wurdeeine Risiko- und Ressourcenliste (RiRes) entwickelt, die Fragen zum sozialen- und Arbeits-umfeld, zur beruflichen Perspektive, zum Umgang mit der Erkrankung und zu Erwartungenan die Behandlung sowie persönliche Angaben umfasst. Ziel der 2. Projektphase war es, diePatientenversion und die Therapeutenversion der RiRes hinsichtlich ihrer prognostischenValidität zu überprüfen.

Methodik

Dazu wurden n=712 Patienten sowie ihre Therapeuten mit den entsprechenden RiRes-Ver-sionen (Patientenversion (RiRes-P): 20 Items, Therapeutenversion (RiRes-T): 10 Items)zu Behandlungsbeginn befragt. Zudem wurden Daten zur psychosozialen Gesundheit(HEALTH-49; Rabung et al., 2009) und zu Beeinträchtigungen in Aktivitäten und Teilhabe(ICF-PsychA&P; Brütt et al., 2014) zu 3 Messzeitpunkten (Behandlungsbeginn, Behand-lungsende, 6-Monats-Follow-up) erhoben. Zur Vorhersage wurden lineare Regressionenberechnet, außerdem wurden Cut-off-Werte mittels ROC-Analysen bestimmt.

Ergebnisse

Mit den 20 Items der Patientenversion der RiRes können 36 %bzw. 39 %, mit der Therapeu-tenversion 13 % der Varianz im ICF-PsychA&P-Gesamtwert zum Follow-up erklärt werden.Außerdem wurden 3 Möglichkeiten zur Auswertung der Patientenversion der RiRes sowiezur Definition von Cut-off-Werten als Grundlage für therapeutische Empfehlungen abge-leitet. Wird ein Summenscore (Range: 0 bis 60) aus den 20 Items der RiRes-P gebildet,so werden 66 % der Patienten mit einem ungünstigen ICF-PsychA&P-Follow-up-Wertbei einem Cut-Off-Wert von 24 identifiziert (Sensitivität), jedoch sind auch „falsch Positive“(1-Spezifität) zu erwarten. Dies spiegelt sich auch in dem berechneten Youden-Index von0,33 wider.

Diskussion

In diesem Projekt entstanden die Patienten- und die Therapeutenversion der RiRes, die Fra-gen zu umweltbezogenen (soziales- und Arbeitsumfeld, beruflichen Perspektive) sowie per-sonbezogenen Faktoren (Umgang mit der Erkrankung, Erwartungen an die Behandlung,persönliche Angaben) enthalten. Mit der RiRes-P können die Beeinträchtigungen der Akti-vitäten und der Teilhabe sechs Monate nach Behandlungsende mit einer Varianzaufklärungvon bis zu 39 Prozent vorhergesagt werden. Anhand der identifizierten Cut-off-Werte kannzudem das Risiko für einen Patienten mit späterem ungünstigerem Verlauf gezielter einge-ordnet werden.

Ausblick

Auf Basis dieser RiRes-Versionen könnten Behandlungsempfehlungen ausgesprochen undInterventionen zugewiesen oder gegebenenfalls speziell für diese Gruppen entwickelt wer-den, um auch denjenigen Patienten, die bisher nicht nachhaltig von der psychosomatischenRehabilitation profitierten, eine möglicherweise effektivere Behandlung anbieten zu können.

Förderung: Verein zur Förderung der Rehabilitationsforschung in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein e. V. (vffr)

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Literatur

Brütt, A.L., Schulz, H., Andreas, S. (2014): Replikation der psychometrischen Gütekriteriendes ICF-PsychA&P. Die Rehabilitation. doi: 10.1055/s-0034-1384600.

Lange, M., Franke, W., Petermann, F. (2012): Wer profitiert nicht von der psychosomati-schen Rehabilitation? Die Rehabilitation; 51. 392-397.

Rabung, S., Harfst, T., Kawski, S., Koch, U., Wittchen, H.U., Schulz, H. (2009): Psychometri-sche Überprüfung einer verkürzten Version der „Hamburger Module zur Erfassung allge-meiner Aspekte psychosozialer Gesundheit für die therapeutische Praxis“ (HEALTH-49).Zeitschrift für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, 55. 162-179.

Die SCSC-Skala zur Erfassung der Stressbewältigungsstrategien Selbstpflege und Verausgabungsbereitschaft

Otto, J. (1), Linden, M. (1, 2)

(1) Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, (2) Abteilung für psychische und psychosomatische Erkrankungen am Reha-

Zentrum Seehof der Deutsche Rentenversicherung Bund, Teltow/Berlin

Hintergrund

Psychosomatische Rehabilitanden berichten häufig über verminderte Belastbarkeit undÜberforderungserleben aufgrund von Stress, was sich meist nicht auf außergewöhnliche,sondern eher lebensübliche Ereignisse bezieht. Dies kann als Ausdruck einer reduziertenStressbewältigungsfähigkeit verstanden werden und ein wichtiges Therapieziel darstellen.

Je nach Patientenhaltung, und -erwartung, aber auch vorhandener Ressourcen sind thera-peutisch differente Schwerpunkte zu setzen. Im Hinblick auf die zu erlernenden Strategienlässt sich zwischen Selbstpflege bzw. Regenerationsorientierung, sowie Verausgabungsbe-reitschaft im Sinne einer „Resilienzorientierung“ unterscheiden. Beide lassen sich den stö-rungsübergreifenden Ansatz der Salutotherapie zuordnen (Linden, Weig, 2009).

Zur Messung der Einstellung und Anwendung beider Strategien wurde die SCSC-Skala ent-wickelt, welche die oben genannten Dimensionen Selbstpflege („Self-Care“) und Selbst-herausforderung („Self-Challenge“) beinhaltet. Der erste Aspekt beinhaltet, inwieweit dieBefragten bei Belastungen Schon- und Genussverhaltensweisen als wichtig erachten und the-rapeutisch mithilfe von Aufmerksamkeitslenkung/Ablenkung, Aufbau angenehmer Aktivitäten,Genussfähigkeit, Spiritualität oder der Verbesserung des ersten Eindrucks bearbeitet wer-den kann (Linden, Weig, 2009). Eine Alternative ist die Förderung der Verausgabungsbe-reitschaft, d. h. der Widerstandsfähigkeit, Hardiness oder Distresstoleranz (Zvolensky et al,2011; Kobasa, 1979), welche der zweiten Dimension zuzuordnen ist. Konkret wird hingegendas Ausmaß der Einstellung bei Belastungen und negativer subjektiver Befindlichkeit an ei-ner konsequenten Zielerreichung zu arbeiten und handlungsfähig zu bleiben, erfasst.

Anders als mit dem Fragebogen zu Arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensmuter(AVEM, Schaarschmidt, Fischer, 1996/2003) werden mit diesem Instrument gezielt Einstel-lungen und Strategien zur aktiven Selbstpflege und Selbstherausforderung im Umgang mit

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allgemeinen (und nicht berufsbezogenen) Belastungen gemessen. In der Selbstpflegedi-mension finden sich darüber hinaus genussorientierte Verhaltensweisen, was über die Di-mension „Resignationstendenz“ im AVEM hinausgeht. Darüber hinaus erlaubt die Kürze desInstruments eine zeitökonomischere Durchführung.

Es werden erste Daten berichtet, mit Schwerpunkt von itembezogenen deskriptiven Kenn-werten und psychometrischen Gütekritierien.

Methodik

Aus einem größeren Itempool wurde im Rahmen von Vorerhebungen an 58 Patienten undmittels statistischer Item- und Faktorenanalysen eine Skala mit 2-mal 10 Items entwickelt.(Otto, Linden, 2014). Das Rating erfolgt 5-stufig von 1 = „stimme gar nicht zu“ bis 5 = „stimmevoll und ganz zu“. In die vorliegende Untersuchung wurden 342 Patienten einbezogen(67,5 % Frauen, Altersmittel 49,8 Jahre), welche die SCSC-Skala und die SCL-90 im Rah-men der Routinediagnostik einer psychosomatischen Reha-Klinik beantworteten.

Ergebnisse

Es fand sich für die Patientengruppe eine mittlere Ausprägung von 3,35 (Range: 1–5,SD=0.79) für Regenerationsorientierung/Selbstpflege und 3.43 (Range: 1–5, SD=0.69) fürVerausgabungsbereitschaft/Selbstherausforderung. Die Mittelwerte der Einzelitems derSkala Regenerationsorientierung schwankten von 2.55 bis 4.37 und für Verausgabungsbe-reitschaft von 2.96 bis 3.82. Cronbachs Alpha als Reliabilitätsschätzer zeigte sehr gute Wer-te von 0.85 für Regenerationsorientierung und 0.82 für Verausgabungsbereitschaft. Es fan-den sich signifikante negative Zusammenhänge von Regenerationsorientierung mit allenSkalen der SCL-90, sowie signifikante negative Zusammenhänge von Verausgabungsbe-reitschaft mit „Unsicherheit im Sozialkontakt“, „phobischer Angst“ und „Psychotizismus“ undein signifikant negativer Zusammenhang mit der Intensität der Antworten in der SCL-90. Ge-schlecht oder Alter der Befragten hatten keinen Einfluss auf das Antwortverhalten.

Diskussion und Schlussfolgerungen

Die vorliegenden Daten zeigen, dass das Instrument Regenerationsorientierung und Ver-ausgabungsbereitschaft differentiell und reliabel zu messen erlaubt. Der Fragebogen hatsich im klinischen Einsatz als hilfreich erwiesen, um im Therapieplanungsprozess entspre-chende Schwerpunkte zu setzen.

Weitere Untersuchungen werden den Zusammenhang dieser Stressbewältigungsorientie-rungen mit unterschiedlicher Psychopathologie und im Verlauf gezielter therapeutischer In-terventionen, sowie im Hinblick auf die Veränderbarkeit untersuchen müssen.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

Literatur

Kobasa, S. (1979): Stressful Life Events, Personality, and Health: An Inquiry Into Hardiness.Journal of Personality and Social Psychology, 37/1. 1-11.

Linden M, Weig W (Hrsg.): Salutotherapie. Deutscher Ärzteverlag, Köln 2009.

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Otto, J., Linden, M. (2014): Die DIRE-Skala (Umgang mit Distress durch Resilienz- und Re-generationsorientierung). Posterpräsentation auf dem Kongress der Deutschen Gesell-schaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde, Berlin.

Schaarschmidt, U., Fischer, A. (1996/2003): AVEM – Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Er-lebensmuster. Handanweisung. Frankfurt: Swets & Zeitlinger. Computerform: Mödling b.Wien: Schuhfried.

Zvolensky, M.J., Leyro, T.M., Bernstein, A., Vujanovic, A.A. (2011): Historical Perspektives,Theory, and Measurement of Distress Tolerance. In Distress Tolerance: Theory, Re-search and Clinical Applications. The Guilford Press. New York, London. 3-27.

Scheidegger Reha-Ziel-Erfassungsbogen – verbessertes Reha-Ziel-Assessment und Screeningmethode zur Detektion und Analyse spezifischer

Folgestörungen und Etablierung therapeutischer Behandlungskonzeptein der onkologischen Rehabilitation

Hass, H.G.

Paracelsus-Klinik Scheidegg

Hintergrund

Die Erfassung von individuellen Reha-Zielen ist seit Jahren zentraler Bestandteil im Reha-bilitationsprozess (Vogel et al., 1994). Ziele sind neben einer mit dem Rehabilitanden abge-stimmten Therapie auch die praktische Umsetzung der ICF. Des Weiteren soll durch eineFestlegung von Zielen deren Erreichbarkeit bzw. der Erfolg der Therapie objektiviert und derRehabilitand besser zur langfristigen Mitarbeit motiviert werden (Locke, Latham, 2002). Al-lerdings erscheinen standardisierte Ziel-Assessment-Instrumente häufig zu allgemein undnur bedingt auf spezifische Patientengruppen übertragbar.

Durch neue Operationsmethoden und onkologische Medikamente zeigt sich gerade in deronkologischen Rehabilitation ein deutlicher Wandel von Therapie-bedingten Folgestörungen(Lymphödeme, Polyneuropathie, Hauttoxizität, Verdauungsstörungen etc.). Diese neuenTherapieformen können daher die individuellen Reha-Ziele onkologischer Patienten beein-flussen. Des Weiteren – so die Hypothese – kann durch eine Erfassung von typischen, stan-dardisierten Reha-Zielen zukünftig die Rehabilitation und das therapeutische Angebot bes-ser auf die Bedürfnisse der Rehabilitanden abgestimmt sowie eine quantitative Veränderungvon Therapie-bedingten Folgestörungen für die Versorgungsforschung besser erfasst wer-den.

Methoden

In aktuellen, mit der Universität Würzburg durchgeführten retrospektiven Studien wurde dasVorkommen von Therapie-induzierten Folgestörungen in den 3 onkologischen Schwer-punktbereichen der Klinik (Brustkrebs, gynäkologische und gastrointestinale Onkologie)evaluiert (Hass et al., 2013; Zabieglinski et al., 2013) und anhand der Daten ein seit Jahrenetabliertes Reha-Ziel-Assessment (Mehnert, Koch, 2006) v. a. um spezifische, somatischeReha-Ziele (z. B. Arthralgien, PNP, Schlaf- und Ernährungsstörungen) erweitert. Der neu

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konzipierte Ziel-Assessmentbogen umfasst nun 23 spezifische Reha-Ziele (vormals 19) in 4Unterkategorien (somatische, psychische, informative und berufsorientierte Ziele). Der Ziel-Erfassungsbogen wurde in einer Pilotphase bei 500 Patienten eingesetzt, als Kontrolle dien-te ein Vergleich mit 100 Patienten, welche zu Reha-Beginn mit dem etablierten Ziel-Assess-ment befragt wurden.

Ergebnis

Gegenüber dem etablierten Assessment wurden mithilfe des neuen Ziel-Erfassungsbogenssignifikant mehr Ziele (v. a. im somatischen Bereich) angegeben (7,1 Ziele vs. 5,8 Ziele;p=0,02). Demgegenüber nahm die zusätzlich mögliche Angabe von freien, individuellenTherapiezielen signifikant ab (12 % vs. 4,2 %; p=0.008).

Somatische Ziele wurden von allen Patienten angegeben, gefolgt von Zielen aus der Kate-gorie „Informative Ziele“ (80,1 %), „Psychische Ziele“ (66,8 %) und „berufs-orientierte Ziele“(53,1 %). Das am häufigsten angegebene Reha-Ziel war „Steigerung der (körperlichen)Kraft“ mit 86,9 %. Als zweithäufigstes Ziel wurde das neu aufgenommene Ziel „Verbesse-rung von Gelenkbeschwerden“ in 60,8 % angegeben, gefolgt von „Linderung von Schlafstö-rungen“ (36,9 %). Weitere, via. Therapie-bedingte somatische Reha-Ziele s. Abbildung.

Abb. 1: Häufige somatische Reha-Ziele in der onkologischen Rehabilitation

Generell bildeten die von den Patienten angegebenen Reha-Ziele sehr deutlich die in denretrospektiven Studien quantitativ erfassten, Therapie-bedingten Folgestörungen (z. B. Vor-kommen von Lymphödemen und PNP) ab. Des Weiteren konnten so den evaluierten Pa-tienten die schon etablierten Therapie-Konzepte und Behandlungspfade besser angebotenwerden (z. B. Scheidegger Schmerz-, Adipositas-Konzept)

86,9

60,8

36,9 32,623,9

17,4 15,2 13

0

20

40

60

80

100

Kraft/L

eistun

g

Arthral

gien

Schlaf

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PNP

Schmerz

en

Klimak

terium LÖ

Verdau

ung

108

Zusammenfassung

Mit dem neu konzipierten Reha-Zielbogen lassen sich spezifischer Reha-Ziele, welche einehohe Korrelation mit den zugrunde liegenden, Therapie-bedingten Folgestörungen auf-weisen, erfassen. Anhand der so zu Beginn erhobenen Daten sollen die schon etabliertenBehandlungspfade verbessert sowie neue Therapieangebote (z. B. zum Thema „Schlafstö-rungen“) etabliert werden. Des Weiteren eignet sich der Bogen – n. M. der Autoren – zurEvaluation typischer, Therapie-bedingter Folgestörungen im Rahmen der Versorgungsfor-schung.

Literatur

Vogel, H., Tuschhoff, T., Zillessen, E. (1994): Die Definition von Reha-Zielen als Herausfor-derung an die Qualitätssicherung. Deutsche Rentenversicherung 49 (11). 751-765.

Locke, E.A., Latham, G.P. (2002): Building a practically useful theory of goal setting and taskmotivation. A 35-year odyssey. Am Psychol. 57/9. 705-17.

Hass, H.G., Kunzmann, V., Rinas, N. (2013): Somatische Folgestörungen und Rehabilita-tionsbedarf bei Patientinnen mit Ovarialkarzinom – Unicenter-Erfahrungen bei 165 Pa-tientinnen im Rahmen einer retrospektiven Studie. GMS Onkol Rehabil Sozialmed 2:Doc03 (20130926).

Zabieglinski, T., Kunzmann, V., Hass, H.G. (2013): Influence of tumorbiology and subclas-sification of breast cancer for posttherapeutic impairment and rehabilitation. 13th St. Gal-len Breast Cancer Conference 2013, Abstract P255.

Mehnert, A., Müller, D., Lehmann, C., Koch, U. (2006): Die deutsche Version des NCCN Dis-tress-Thermometers. Empirische Prüfung eines Screening-Instruments zur Erfassungpsychosozialer Belastung bei Krebspatienten. Z Psychiatr Psychol Psychother 54 (3),2006. 213–223.

Können Mitarbeiter oder Patienten voraussagen, ob sich die 6-Minuten-Gehstrecke bei einem Wiederholungs-6-Minuten-Gehtest

relevant verbessert?

Wingart, S. (1), Lehbert, N. (1), Sachse, C. (1), Leithäuser, A. (1), Wittmann, M. (1),Jelusic, D. (1), Schuler, M. (2), Schultz, K. (1)

(1) Klinik Bad Reichenhall, Zentrum für Rehabilitation, Pneumologie und Orthopädie, Fachbereich Pneumologie, (2) Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie, Abteilung

für Medizinische Psychologie und Psychotherapie, Medizinische Soziologieund Rehabilitationswissenschaften, Universität Würzburg

Hintergrund

Der 6-Minuten-Gehtest (6MGT) ist eine zentrale diagnostische Maßnahme der pneumologi-schen Rehabilitation. Ein Wiederholungs-6-Minuten-Gehtest (W-6MGT) zu Beginn und En-de einer Intervention wird in der Literatur zunehmend gefordert, um Ergebnisverfälschungendurch Lerneffekte zu minimieren (Hernandes et al., 2011; Chandra et al., 2012), würde je-doch einen erheblichen personellen Mehraufwand bedeuten. Als relevant werden Unter-

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schiede von ≥10 % Differenz zwischen beiden Gehtests angesehen (Puhan et al., 2008). Imeigenen Patientengut an 502 COPD-Patienten (Wingart et al., 2014) zeigte sich bei derDurchführung von einem oder zwei 6MGT kein Unterschied in der mittleren Verbesserung ()der 6-Minuten-Gehstrecke (6MGS) am Ende der Reha ( jeweils 1. Test: T0 T1 = 81,7 m, jeweils bester von 2 Tests: T0 T1 = 81,3 m). Zu T0 war der W-6MGT jedoch bei 16,1 %der Patienten relevant (um ≥10 %) besser als der erste (zu T1 in 10,8 %). Dies kann im Ein-zelfall wichtig sein. In dieser Studie wird nun geprüft, ob erfahrene 6MGT-Mitarbeiter oderdie Patienten voraussagen können, ob ein W-6MGT relevant besser sein wird.

Methode

Zu Beginn (T0) und Ende (T1) der Reha erfolgten bei 273 konsekutiven COPD-Patienten jezwei 6MGT im Abstand von 1 Stunde. Nach dem jeweils 1. Gehtest erfolgte eine standardi-sierte Befragung anhand einer 5-stufigen Antwortskala („Glauben Sie, dass der zweite Testmindestens 10 % besser sein wird?“). Neben der Darstellung der Antworthäufigkeit wurdenSensitivität, Spezifität, negativer und positiver Vorhersagewert berechnet.

Ergebnisse

In Abb. 1 ist die Antworthäufigkeit auf die Frage nach einer 10%igen Verbesserung beimW-6MGT bei den Patienten, mit tatsächlich ≥10-%-Verbesserung zu T0 und T1 dargestellt.48 von 273 Patienten (17,6 %) erzielten bei T0 im zweiten 6MGT eine relevante Verbesse-rung. Bei T0 beträgt die Sensitivität 56 % (Mitarbeiter) bzw. 50 % (Patient). Die Spezifität isthingegen mit 72 % (Mitarbeiter) und 81 % (Patient) deutlich höher. Bei T1 erzielten 25 Pa-tienten (9,2 %) beim zweiten 6MGT eine relevante Verbesserung. Hier liegt die Sensitivitätbei den Mitarbeitern mit 85 % deutlich höher, bei den Patienten mit 44 % niedriger als bei T0.Die Spezifität verschlechtert sich bei T1 auf 52 % (Mitarbeiter) und 79 % (Patient) (Tab. 1).

Tab. 1: Sensitivität, Spezifität, negativer und positiver Vorhersagewert bei T0 und T1

T0 T1

Mitarbeiter Patient Mitarbeiter Patient

Sensitivität 56,1 % 50,0 % 85,0 % 43,8 %

Spezifität 71,9 % 81,2 % 51,6 % 79,2 %

negativer Vorhersagewert 87,0 % 88,7 % 96,4 % 93,1 %

positiver Vorhersagewert 32,9 % 35,6 % 18,3 % 17,9 %

110

Abb. 1: Antworthäufigkeiten bezüglich einer relevanten Verbesserung beim W-6MGT bei Patienten mitmind. 10-%-Verbesserung bei T0 und T1

Diskussion

48 (T0) bzw. 25 (T1) von 273 Pat. (17,6 %/9,2 %) erzielten im zweiten 6MGT eine relevanteVerbesserung. Daher erscheint ein routinemäßiger zweiter 6MGT in der Routine und zurQualitätssicherung entbehrlich, kann jedoch im Einzelfall therapeutische Konsequenzen(z. B. Trainingssteuerung) haben. Im Einzelfall wäre daher ein Algorithmus zur Voraussageeiner relevanten Verbesserung im zweiten 6MGT hilfreich, der diese Patienten voraussagt.Die Voraussage einer Verbesserung durch Mitarbeiter oder Patient ist hierzu offensichtlichnicht geeignet, wobei zu T1 der Mitarbeiter eine Verbesserung gut voraussagen kann. DerVerzicht auf einen zweiten 6MGT ist dann sinnvoll, wenn Patienten eine Verschlechterungbeim zweiten Test voraussagen.

Literatur

Chandra, D., Wise, R.A., Kulkarni, H.S., Benzo, R.P., Criner, G., Make, B., Slivka, W.A., Ries,A.L., Reilly, J.J., Martinez, F.J., Sciurba, F.C., NETT Research Group (2012): Optimizing the6-min walk test as a measure of exercise capacity in COPD. Chest. Dec; 142/6. 1545-52.

Hernandes, N.A., Wouters, E.F., Meijer, K., Annegarn, J., Pitta, F., Spruit, M.A. (2011): Repro-ducibility of 6-minute walking test in patients with COPD. Eur Respir J. Aug; 38/2. 261-267.

Puhan, M.A., Mador, M.J., Held, U., Goldstein, R., Guyatt, G.H., Schünemann, H.J. (2008):Interpretation of treatment changes in 6-minute walk distance in patients with COPD. EurResp J, 32: 637-643.

Wingart, S., Lehbert, N., Krämer, B., Huber, V., Fuchs, S., Wittmann, M., Jelusic, D., Schuler, M.,Schultz, K. (2014): Is a double 6-minute walk test required as part of the routine assessmentof pulmonary rehabilitation in COPD patients? ERS International Congress 2014. Munich.

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Assessmentinstrumente (Poster)

Psychodiagnostik bei Menschen mit geistiger Behinderung

Jagla, M. (1, 2), Augustin, M. (2), Baumeister, A. (2), Franke, G.H. (2)

(1) AWO Fachkrankenhaus Jerichow, (2) Fachbereich Angewandte Humanwissenschaften, Hochschule Magdeburg-Stendal, Stendal

Hintergrund

Die Prävalenz psychischer Störungen liegt in der Allgemeinbevölkerung bei ca. 22 % undkann bei Menschen mit einer geistigen Behinderung auf bis zu 60 % ansteigen (Schanze,2014). Die Diagnostik mit Selbstbeurteilungsinstrumenten ist aufgrund der Intelligenzminde-rung zumeist nicht möglich; psychische Störungen werden fast ausschließlich über Verhal-tensbeobachtung und Fremdbeurteilung diagnostiziert (Schanze, 2014).

Im deutschsprachigen Bereich liegen bislang keine Selbstbeurteilungsinstrumente vor, diekörperliche und psychische Symptome bzw. Störungen bei Menschen mit einer geistigenBehinderung erfassen. Um adäquate Interventionen ableiten zu können, ist die Diagnostikder psychischen Störung, auch auf Selbstbeurteilungsebene, unabdingbar (Cayne, Hatton,1998). Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Modifikation der Symptom-Checklist-90®-Stan-dard (SCL-90®-S; Franke, 2014), um diese als Selbstbeurteilungsinstrument für Menschenmit einer geistigen Behinderung einsetzbar zu machen.

Methode

Die SCL-90®-S (Franke, 2014) besteht aus 90 Items, die sich den 9 Skalen Aggressivität/Feindseligkeit, Ängstlichkeit, Depressivität, Paranoides Denken, Phobische Angst, Psycho-tizismus, Somatisierung, Unsicherheit im Sozialkontakt und Zwanghaftigkeit sowie 3 globa-len Kennwerten zuordnen lassen, und besitzt gute psychometrische Eigenschaften. Um dieSCL-90®-S für Menschen mit einer geistigen Behinderung zu modifizieren, wurden die Ein-leitung des Verfahrens sowie die Items der Skalen Depressivität, Somatisierung, Paranoi-des Denken und Psychotizismus sprachlich überarbeitet und in leichte Sprache „übersetzt",unterstützend wurden Piktogramme genutzt. Das 5-stufig likertskalierte Antwortformat wur-de auf ein 3-stufiges geändert und ebenfalls mit Piktogrammen unterlegt.

Neben der Originalversion der SCL-90®-S und der modifizierten Version wurde in der vorlie-genden Studie der IQ mithilfe des Wechsler Intelligenztests für Erwachsene (WIE; Aster etal., 2006) erhoben.

Die Praktikabilitätsprüfung wurde mit 11 Patienten im Alter von 34 Jahren (SD=12; 64 %männlich; IQ=60) für die Skala Depressivität, mit 23 Patienten im Alter von 30 Jahren (SD=8;54 % männlich; IQ=50) für die Skala Somatisierung und mit 11 Patienten im Alter von43 Jahren (SD=13; 52 % männlich; IQ=49) für die Skalen Paranoides Denken und Psycho-tizismus, die jetzt eine gemeinsame Skala bilden, durchgeführt.

112

Hierbei wurde neben dem Antwortverhalten selbst vor allem der Unterstützungsbedarf, derwährend der Bearbeitung der Items notwendig war, erhoben. In einem Nachgespräch mitden Probanden wurden weitere Vorschläge für eine Erleichterung der Darbietung erfasst.

Ergebnisse

Die Prüfung der Praktikabilität zeigte insgesamt eine gute Akzeptanz der modifizierten Ska-len der SCL-90®-S. Die Patienten benötigten beim Bearbeiten nur wenig Hilfe, bei einigenItems waren weiterführende Erklärungen notwendig. Insgesamt waren bei einigen Itemsleichte Schwächen in der Darbietung mittels leichter Sprache und mithilfe der Piktogrammeerkennbar.

Diskussion

Die Praktikabilitätsstudie zeigte, dass die Selbstbeurteilung psychischer Symptome beiMenschen mit einer geistigen Behinderung gut möglich ist. Die modifizierten Skalen Depres-sivität, Somatisierung sowie Paranoides Denken/Psychotizismus zeigten leichte Schwä-chen in der Darbietung einiger Items. Verbesserungsvorschläge wurden im Nachhinein mitden Patienten erarbeitet und umgesetzt; eine erneute Prüfung wird durchgeführt.

Mit der Modifikation der 4 Skalen der SCL-90®-S wurde ein erster Schritt getan, um für Men-schen mit einer geistigen Behinderung ein Screeningverfahren zur Selbstbeurteilung körper-licher und psychischer Symptome zur Verfügung zu stellen. Die Modifikation der weiterenSkalen sowie die psychometrische Prüfung des überarbeiteten Verfahrens werden dienächsten Arbeitsschritte sein.

Literatur

Aster, v. M., Neubauer, A, Horn, R. (2006): Wechsler Intelligenztest für Erwachsene (WIE).Frankefurt: Harcourt Test Services.

Caine, A., Hatton, C. (1998): Working with people with mental health problems. In: Emer-son, E., Dickson, K., Gone, R., Hatton, C., Bromley, J., Cayne, A. (Eds.): Clinical psycho-logy and people with intellectual disabilities. Chichester, West Sussex: John Wiley & SonsLtd. 210-230.

Franke, G.H. (2014): SCL-90®-S – Symptom-Checklist-90®-Standard. Göttingen: Hogrefe.Schanze, C. (2014): Intelligenzminderung und psychische Störung – Grundlagen, Epidemio-

logie, Erklärungsansätze. In: Schanze, C. (Hrsg.): Psychiatrische Diagnostik und Thera-pie bei Menschen mit Intelligenzminderung. Stuttgart: Schattauer. 21-29.

113

Zusammenhänge von objektiven, klinischen und patientennahen Assessments zur Beurteilung der körperlichen Funktionsfähigkeit

Buchholz, I. (1), Szczotkowski, D. (1), Schnalke, G. (2), Jacobs, A. (2), Kohlmann, T. (1)

(1) Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, (2) Bundesverband für EFL e. V.

Hintergrund

Der Erhalt der beruflichen Leistungsfähigkeit sowie die Wiedereingliederung in das Erwerbs-leben sind zwei wesentliche Ziele von Rehabilitation. Zur Erfassung der funktionellen Leis-tungsfähigkeit stehen verschiedene messmethodische Ansätze zur Verfügung. Neben derErhebung der körperlichen Funktionskapazität aus Arzt- und Patientensicht gibt es mittler-weile eine Reihe von tätigkeitsnahen funktionellen Assessments zur objektiven Beurteilungder erwerbsbezogenen Leistungsfähigkeit. Von diesen ist die Evaluation der funktionellenLeistungsfähigkeit (EFL) nach Isernhagen eines der in Deutschland am häufigsten einge-setzten Verfahren (Frank et al., 2011). Während die verschiedenen Messansätze einzeln fürsich mehr oder weniger gut untersucht worden sind, gibt es bislang kaum Evidenz dazu, wiesie untereinander korrespondieren (van Abbema et al., 2011). Die vorliegende Arbeit über-prüft, in welchem Zusammenhang Einschätzungen der funktionellen Leistungsfähigkeitdurch den Patienten, den Arzt und EFL stehen.

Methodik

Den vorgestellten Analysen liegen die Baselinedaten einer multizentrischen prospektivenKohortenstudie zugrunde. Die Teilnehmer bilden einen natürlichen Querschnitt von Patien-ten mit muskuloskelettalen Erkrankungen, die während des Studienzeitraums einen EFL-Test oder ein EFL-Screening in einer von 12 kooperierenden Reha-Einrichtungen erhielten.Verschiedene subjektive und objektive Indikatoren der funktionellen Leistungsfähigkeit unddes Gesundheitszustandes wurden bei 300 Patienten mittels standardisierter etablierter undin der Reha-Forschung häufig verwendeter Erhebungsinstrumente (Patient/subjektiv: SF-36,FFbH, PACT, objektiv: EFL, Arzteinschätzung zum Grad der funktionellen Funktionsfähig-keit (0–10) vor und nach EFL) erfasst. Um zu überprüfen wie diese miteinander korrespon-dieren wurden Korrelationskoeffizienten nach Pearson berechnet. Aus dem EFL-Screeningwurde der schon in vorherigen Arbeiten als „Leittest“ dienende und in der vorliegendenStichprobe für 95% der Studienteilnehmer arbeitsplatzrelevante Subtest „Heben Boden-zu-Taillenhöhe“ (max. Hebegewicht) gewählt.

Ergebnisse

Die überwiegend männlichen (83,5 %) und ganztags erwerbstätigen (60 %) Patienten wa-ren im Mittel 47 ± 11 (Range: 18–68) Jahre alt. Etwa 2/3 waren Arbeiter. Während die Pa-tientenangaben moderat bis stark untereinander (r=.331 bis .811, Tab. 1) korrelierten, zeig-ten sich zwischen dem max. Hebegewicht von „Boden-zu-Taillenhöhe“ und den anderen be-trachteten Größen nur schwache bis mäßige Zusammenhänge. Dabei konnten die größtenKorrelationen mit dem PACT (r=.566) und dem FFbH (r=.462) beobachtet werden. Eher ge-ringe Zusammenhänge ergaben sich mit den Skalen des SF-36 (ROLPH: r=.291, PFI:r=.222), keine oder nur schwache mit dem Arzturteil (r=.082 vor EFL, r=.240 nach EFL). Das

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Arzturteil korrespondierte vor dem EFL mit keinem der erhobenen Assessments (r<.100),zeigte nach Hinzunahme der durch EFL gewonnen Informationen jedoch leicht größere Zu-sammenhänge mit den anderen betrachteten Größen.

Anm.: PACT = Performance Assessment and Capacity Testing, (Indexwert vor dem EFL); FFbH =Funktionsfragebogen Hannover; PFI = Körperliche Funktionsfähigkeit; ROLPH = KörperlicheRollenfunktion; EFL= max. Hebegewicht Subtest „Boden-zu-Taillenhöhe“

Tab. 1: Ergebnisse der Korrelationsanalysen (Korrelationskoeffizient r nach Pearson)

Diskussion

Die höchstens moderaten Korrelationen mit dem max. Hebegewicht von „Boden-zu-Taillen-höhe“ lassen vermuten, dass durch EFL zusätzliche Informationen bereitgestellt werdenkönnen, die nur z. T. durch Selbsteinschätzungen der Funktionskapazität (PACT, FFbH)durch den Patienten abgebildet werden können. In Bezug auf das Arzturteil scheinen diedurch EFL gewonnenen Informationen nur ein Baustein im Rahmen der individuellen Beur-teilung der arbeitsplatzbezogenen Leistungsfähigkeit zu sein. Weiterführende Längsschnitt-analysen sollen zeigen, welche prognostische Wertigkeit den unterschiedlichen Informati-onsquellen im Hinblick auf die Rückkehr ins Erwerbsleben sowie eine integrative Leistungs-beurteilung zukommen.

Förderung: Bundesverband für EFL e. V., Verein zur Förderung der Rehabilitationsfor-schung in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein e. V. (vffr)

Literatur

Frank, M., Hallak, G., Stahl, C., Wölke, G., Ekkernkamp, A. (2011): Evaluation der funktio-nellen Leistungsfähigkeit nach Isernhagen. Assessmentverfahren in der berufsgenossen-schaftlichen Rehabilitation. Trauma Berufskrankh, 13. 18-22.

van Abbema, R., Lakke, S.E., Reneman, M.F., van der Schans, C.P., van Haastert, C.J.M.,Geertzen, J.H.B., Wittink, H. (2011): Factors associated with functional capacity test re-sults in patients with non-specific chronic low back pain: a systematic review. J Occup Re-habil, 21 (4). 455-473.

EFL Arztvor Arztnach PACT FFbH SF-36PFI SF-36ROLPH

EFL .082 .240 .566 .462 .222 .291

Arztvor .082 .735 .004 -.007 .077 .073

Arztnach .240 .735 .170 .069 .126 .093

PACT .566 .004 .170 .570 .359 .395

FFbH .462 -.007 .069 .570 .636 .548

SF-36PFI .222 .077 .126 .359 .636 .618

SF-36ROLPH .291 .073 .093 .395 .548 .618

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6-Minuten-Gehtest (6MGT) und Sit-to-Stand Test (STST) als Outcome-Parameter der Pneumologischen Rehabilitation bei COPD

Lehbert, N., Wingart, S., Sachse, C., Leithäuser, A., Jelusic, D., Wittmann, M., Schultz, K.

Klinik Bad Reichenhall, Zentrum für Rehabilitation, Pneumologie und Orthopädieder DRV Bayern Süd

Hintergrund

Ein wichtiger Test der körperlichen Leistungsfähigkeit im Rahmen der pneumologischen Re-habilitation ist der 6-Minuten-Gehtest.

Da für seine Durchführung im ambulanten Bereich häufig die räumlichen Voraussetzungenfehlen, könnte der einfachere Sit-to-Stand Test eine Alternative darstellen (Ozalevli et al.,2007; Puhan et al., 2013).

Untersucht wurde, ob und wie stark sich die Leistung in beiden Tests durch die pneumolo-gische Rehabilitation verändert und inwiefern die Ergebnisse miteinander korrelieren.

Methode

Bei 132 konsekutiven COPD-Patienten der GOLD-Schweregrade 2–4 (Aufnahme 02-06/2014, Ø Alter: 57,5 Jahre, m=64,4 %, Ø FEV1 48,9 % pred.) wurde zusätzlich zum 6-Minu-ten-Gehtest zu Beginn (T0) und am Ende (T1) der Reha der Sit-to-Stand Test durchgeführt.Mit dem Test wird erfasst wie oft ein Patient in einer Minute von einem 48 cm hohen Stuhlaufstehen kann. Zur Analyse von Veränderungen über die Zeit wurden T-Tests mit abhän-gigen Stichproben durchgeführt. Zum Vergleich der beiden Tests wurden Pearson-Korrela-tionen durchgeführt.

Ergebnisse

Über 80 % der Patienten konnten beide Tests zu T0 und T1 absolvieren. Gründe für Nicht-durchführung waren zumeist orthopädischer Art oder Infekte.

Im 6-Minuten-Gehtest erzielten 94,4 %, im Sit-to-Stand Test 82,1 % der Patienten eine Ver-besserung ( >0). Die Veränderung der Leistungsfähigkeit ist in Tab. 1 dargestellt.

Anm.: SRM (Standardized Response Mean) = Effektstärke (0,2–0,5 schwacher Effekt, 0,5–0,8 mittle-rer Effekt, >0,8 starker Effekt)

Tab. 1: Veränderung der Leistungsfähigkeit

Der Sit-to-Stand Test und der 6-Minuten-Gehtest korrelieren sowohl zu T0 (r=0,61*) alsauch zu T1 (r=0,64*) miteinander. Für die Veränderung (T1-T0) zeigt sich jedoch keinlinearer Zusammenhang (r=0,18) (vgl. Abb. 1).

T0 (MW ± SD) T1 (MW ± SD) (MW ± SD) SRM p6MGT 452,5 ± 105,9 534,8 ±103,9 78,7 ± 53,4 1,48 < 0,001*STST 24,9 ± 6,9 28,7 ± 7,4 3,7 ± 4,1 0,91 < 0,001*

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Abb.1: Korrelation von 6MGT und STST (zu T0, T1) sowie der Differenzen (T1-T0)

Diskussion

Aufgrund der vorliegenden Daten erscheinen beide Tests gut änderungssensitiv, mit einemleichten Vorteil für den 6-Minuten-Gehtest. Der Sit-to-Stand Test war einfach und komplika-tionslos zu erheben. Die hohe Korrelation der Testergebnisse spricht für eine ähnliche Aus-sagekraft bezüglich der Leistungsfähigkeit wie die des 6-Minuten-Gehtests. Obwohl die ver-schiedenen Parameter der Leistungsfähigkeit in unterschiedlicher Ausprägung von den2 Tests erfasst werden, wird der Sit-to Stand Test als Alternative für den 6-Minuten-Gehtestangesehen (Ozalevli et al., 2007).

Fazit

Der Sit-to-Stand Test kann im ambulanten Bereich unkompliziert als Alternative zum 6-Mi-nuten-Gehtest durchgeführt werden und Hinweise auf die Leistungsfähigkeit der Patientengeben. Zudem könnte dadurch eine Verlaufskontrolle nach Reha im ambulanten Bereichmöglich werden, da hier der 6MGT in der Regel nicht durchgeführt werden kann. Im Rahmender stationären Rehabilitation ist durch die Kenntnis beider Tests eine gezieltere Trainings-steuerung denkbar.

Literatur

Ozalevli, S., Ozden, A., Itil, O., Akkoclu, A. (2007): Comparison of the Sit-to-Stand Test with6 min walk test in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Respiratory Medi-cine, 101. 286-293.

Puhan, M.A., Siebeling, L., Zoller, M., Muggensturm, P., Ter Riet, G. (2013): Simple functionalperformance tests and mortality in COPD. European Respiratory Journal, 42. 956-963.

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Validierung eines neu entwickelten Fragebogens zur Erfassungder Patientenzufriedenheit im ambulanten Durchgangsarztverfahren

der Deutschen Unfallversicherung

Szczotkowski, D. (1), Nolting, H. (2), Brodowski, H. (1), Haase, T. (3), Kohlmann, T. (1)

(1) Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, (2) Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, Berlin, (3) Durchgangsarzt, Berlin

Hintergrund

Bei der Neustrukturierung des Heilverfahrens der Deutschen Gesetzlichen Unfallversiche-rung (DGUV) richtet sich ein Augenmerk auf die Neuordnung des Durchgangsarztverfah-rens (D-Arzt-Verfahren). Die Qualitätssicherung im ambulanten D-Arzt-Verfahren nimmt da-bei einen besonderen Stellenwert ein. Gegenstand der vorliegenden Studie war die Entwick-lung und Validierung eines Fragebogens zur Messung der Patientenzufriedenheit imambulanten D-Arzt-Verfahren.

Material und Methoden

Die Studie umfasst 3 Phasen. In Phase I wurde der Item-Pool zusammengestellt. Zunächstwurde hierfür mithilfe einer Literaturrecherche nach geeigneten, bereits existierenden Inst-rumenten zur Erhebung der Patientenzufriedenheit gesucht. Weiterhin wurden leitfadenge-stützte Patienteninterviews durchgeführt. Darüber hinaus fanden Einschätzungen eines pro-jektbegleitenden Expertenpanels, bestehend aus D-Ärzten und Verwaltungsspezialisten derDGUV, Berücksichtigung. In Phase II wurde die Pilotversion des Fragebogens mit 59 Itemsanhand einer Stichprobe von 112 ambulant behandelten und als wieder arbeitsfähig gemel-deten Patienten erprobt und anschließend auf 38 Items reduziert. Im Rahmen einer Imple-mentierung im Landesverband Nordost der DGUV wurde die Endversion des Fragebogensin Phase III unter Praxisbedingungen getestet und ihre psychometrischen Eigenschaftenüberprüft. Die folgenden Ergebnisse beziehen sich auf Phase III.

Ergebnisse

Über 6 Unfallversicherungsträger wurden 1.799 Versicherte angeschrieben, von denen1.106 Personen einen gültigen Fragebogen zurücksandten (Rücklaufquote: 61,5 %). Durcheine explorative Hauptkomponentenanalyse wurde eine übergeordnete vierdimensionaleFaktorstruktur sichtbar: Die Zufriedenheit mit A) der Behandlung durch den D-Arzt(15 Items), B) dem Praxispersonal, der Praxisorganisation und der Praxisinfrastruktur(10 Items), C) der Steuerung des Heilverfahrens (5 Items) sowie D) mit der Zusammenarbeitmit anderen Ärzten und Physiotherapeuten (8 Items). Innerhalb der vierdimensionalen Fak-torstruktur wurden weitere zehn Subskalen identifiziert. Die Anteile fehlender Werte auf derEbene der Subskalen betrugen nicht mehr als 3 %, wenn bei der Berechnung der Skalen-werte eine fehlende Antwort erlaubt wird. Kein fehlender Wert wurde bei der nur aus 2 Itemsbestehenden Subskala „Überweisungen“ mit einem Anteil von 13 % Missings zugelassen.Bei 7 der insgesamt 10 Subskalen traten keine relevanten Deckeneffekte auf (<50 %). ImBereich der „Koordination und Organisation des Heilverfahrens“ wurden jedoch selten Pro-bleme genannt, weshalb dieser durch sehr hohe Deckeneffekte gekennzeichnet ist. Die fürdie Subskalen berechneten Reliabilitätskoeffizienten (Cronbachs Alpha) erreichten mit einer

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Ausnahme (Subskala „Koordination und Organisation des Heilverfahrens“) moderate bissehr gute Werte. Die Korrelation der Subskalen mit dem Global-Item „Wie zufrieden sind Siemit der Behandlung insgesamt?“ ergab Koeffizienten zwischen 0,32 und 0,75.

Diskussion

Der Rücklauf, die Vollständigkeit der Daten und die statistische Analyse zeigen, dass mitvorliegendem Fragebogen ein Messinstrument vorliegt, das psychometrische Gütekriterienerfüllt und sich für den praktischen Einsatz im ambulanten D-Arzt-Verfahren eignet. DieStärke des Fragebogens liegt in der Berücksichtigung unfallversorgungsspezifischer Aspek-te wie Überweisungen und der Zusammenarbeit mit weiterbehandelnden Spezialisten.Gleichzeitig zeigte sich, dass schwere Koordinations- und Organisationsprobleme bei derSteuerung des Heilverfahrens – wie Doppeluntersuchungen, Zeitverluste durch schlecht ge-plante Behandlungen und nicht vorliegende medizinische Befunde bei einem Arztbesuch –eher seltene Ereignisse sind.

Schlussfolgerung

Der in dieser Studie neu entwickelte und getestete Fragebogen stellt ein geeignetes Instru-ment zur Messung der Patientenzufriedenheit im ambulanten D-Arzt-Verfahren dar. Er er-laubt Vergleiche zwischen den Leistungserbringern und leistet somit einen wichtigen Beitraginnerhalb der Qualitätssicherung der DGUV.

Förderung: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung

Mini-ICF-Work: Ein Fremdrating zur Erstellung von Fähigkeitsanforderungsprofilen an Arbeitsplätzen

Muschalla, B. (1, 2)

(1) Arbeits- und Organisationspsychologie Universität Potsdam, (2) Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité – Universitätsmedizin Berlin

Hintergrund

Bei der sozialmedizinischen Begutachtung geht es vor allem bei Fragen der Arbeitsfähigkeitund Erwerbsfähigkeit um die Einschätzung, ob jemand krankheitsbedingt in einer Tätigkeitoder einem Beruf noch verantwortbar eingesetzt werden kann. Dabei gilt nicht, dass Arbeitkrank (ge)macht (hat), sondern dass mangelnder Person-Environment-Fit, d. h. unpassendeArbeitsplatzanforderungen bei Menschen mit psychischen Erkrankungen zu Problemen undArbeitsunfähigkeit führen kann.

Für die Arbeitsfähigkeitsbeurteilung ist im Sinne des ICF-Modells (WHO, 2001) auf der einenSeite das Fähigkeitsniveau des Patienten relevant, auf der anderen Seite aber auch eine ge-naue Vorstellung über den Kontext, d. h. die Anforderungen, die eine Tätigkeit an den Arbei-tenden stellt. Bislang liegen ICF-basierte Selbst- und Fremdratinginstrumente zur Einschät-zung von Fähigkeits- und Partizipationsstatus der Person vor (Buchholz, Brütt, 2013). Prakti-kable Instrumente zur Beschreibung des Fähigkeitsanforderungsniveaus der Arbeitstätigkeitkönnen für die sozialmedizinische Beurteilungspraxis eine wichtige Ergänzung darstellen.

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Methode

Angelehnt an das Fähigkeitsrating Mini-ICF-APP (Linden et al., 2009) welches die Beein-trächtigungsschwere der Person beschreibt, wurde das Mini-ICF-Work entwickelt. Das Mini-ICF-Work ist ein analoges fähigkeitsorientiertes Rating für die Beschreibung des Arbeits-An-forderungs-Kontextes. Das Rating wurde bei 166 Rehabilitations-Patienten erstmals er-probt. Die Einschätzung der Anforderungen geschah auf Grundlage der Patientenantwortenim halbstrukturierten Interview. Mittels Interviewer- und Beobachter-Beurteilungen wurde ei-ne erste Reliabilitätsprüfung vorgenommen. Mittels Freitextantworten aus dem qualitativenInterview wurden die Kategorien inhaltlich validiert.

Ergebnis

Das Mini-ICF-Work-Rating kann als ein Beurteilungsleitfaden verstanden werden, mit demauf einen konkreten Arbeitskontext bezogen beurteilt werden kann, in welchem Maße eineTätigkeit die verschiedenen Fähigkeiten erfordert.

Die Einschätzung der Anforderungen ist auf 2 Beurteilungsskalen vorzunehmen:

1) Für die qualitative Beurteilungsskala wurde entsprechend den medizinethischen Grund-sätzen das Gebot der Nichtschädigung bzw. Gefahrenvermeidung gewählt (Beauchamp,Childress 2008). Die Ratingstufen wurden entsprechend diesem Kriterium definiert. DieFrage ist: Was könnte bei der Tätigkeit an Schaden passieren, wenn der Tätigkeitsaus-übende die Fähigkeit nicht oder nur eingeschränkt hat.

2) Die quantitative Beurteilungsskala beschreibt das zeitliche Ausmaß, in dem die Fähigkeitbei der Tätigkeit gefordert wird.

Die Einschätzung der Anforderungen erfolgte auf den folgenden Fähigkeitsdimensionen.Die Interrater-Reliabilitäten (qualitativ, quantitativ) sind in Klammern angegeben.

1) Fähigkeit zur Anpassung an Regeln und Routinen (r=.542, r=.685)

2) Fähigkeit zur Planung und Strukturierung von Aufgaben (r=.678, r=.712)

3) Flexibilität (r=.740, r=.534)

4) Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit (r=.761, r=.755)

5) Durchhaltefähigkeit (r=.795, r=.806)

6) Kontaktfähigkeit (r=.859, r=.906)

7) Gruppenfähigkeit (r=.733, r=.786)

8) Selbstbehauptungsfähigkeit (r=.786, r=.715)

9) Verkehrsfähigkeit (r=.656, r=.668)

10) Fähigkeit zur Anwendung fachlicher Kompetenzen (r=.814, r=.706)

Mit dem Mini-ICF-Work-Rating kann zunächst das Tätigkeits-Anforderungs-Profil einge-schätzt werden. Danach erfolgt (bspw. mit dem Mini-ICF-APP) die Beurteilung des Patien-ten hinsichtlich der Beeinträchtigungen, die sich ergeben würden, wenn der Patient unterdiesem Anforderungsprofil arbeiten sollte.

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Diskussion

Das Mini-ICF-Work-Rating ermöglicht eine fähigkeitsorientierte strukturierte Erfassung derArbeitsanforderungen. Differenzierte Kenntnis und Beschreibung der Arbeitsanforderungenist für die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung unerlässlich. Sie spielt auch eine Rollebei der Empfehlung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, oder Maßnahmen zumBetrieblichen Eingliederungsmanagement.

Das Mini-ICF-Work-Rating soll in weiteren Untersuchungen in verschiedenen betrieblichenund sozialmedizinischen Settings erprobt und mithilfe etablierter arbeitspsychologischer Ar-beitsanalyseverfahren (Dunckel, 1999) weiter validiert werden.

Literatur

Beauchamp, T.L., Childress, J.F. (2008): Principles of Biomedical Ethics. 6. Aufl., Oxford:Oxford University Press.

Buchholz, A., Brütt, A.L. (2013): Assessment zur Operationalisierung der ICF im Kontext vonpsychischen Störungen – Ein systematisches Review. DRV-Schriften, Bd. 101. 96-97.

Dunckel, H. (Hrsg.) (1999): Handbuch psychologischer Arbeitsanalyseverfahren. Zürich: vdfHochschulverlag AG.

Linden, M., Baron, S., Muschalla, B. (2009): Mini-ICF-Rating für psychische Störungen(Mini-ICF-APP). Ein Kurzinstrument zur Beurteilung von Fähigkeits- bzw. Kapazitäts-störungen bei psychischen Störungen. Göttingen: Hans Huber. (Neuauflage im Druck).

WHO (2001): International Classification of Functioning, Disability and Health: ICF. Geneva:World Health Organization.

Die prädiktive Validität des SIMBO-C bei psychischen Erkrankungen

Streibelt, M.

Abteilung Rehabilitation, Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Einleitung

Medizinisch beruflich orientierte Rehabilitationsleistungen (MBOR) sind erfolgreich, um Pa-tienten mit besonderen beruflichen Problemlagen (BBPL) wieder in das Arbeitsleben zu re-integrieren (Kittel, Karoff, 2008; Streibelt, Bethge 2014a). Zur Identifikation von BBPL-Pa-tienten wurden Screeninginstrumente entwickelt. Die Deutsche Rentenversicherung Bundhat aufgrund der guten Ergebnisse in umfassenden Validierungsstudien in der orthopädi-schen Rehabilitation den SIMBO-C in die Antragsunterlagen integriert (Streibelt, 2009; Strei-belt, Bethge, 2014b). Er wird in der Orthopädie bereits regelhaft zur Unterstützung der Steue-rung in MBOR-Behandlungskonzepte eingesetzt.

Offen ist, ob der SIMBO-C auch bei psychischen Erkrankungen valide berufsbezogene Pro-bleme vorhersagen kann.

Methoden

Die verwendeten Daten entstammen 2 Studien zur Validität des SIMBO-C (Studie „BadGottleuba“ 2009, Studie „DRV Bund“ 2014). Das Studiendesign war identisch. Die Patienten

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(Alter: 18–65 Jahre) wurden zu Reha-Beginn und 3 Monate nach Ende der Rehabilitationschriftlich befragt. Neben dem SIMBO-C kamen der Work Ability Score (WAS), die SkalenKörperliche und Emotionale Rollenfunktion des SF-36, die Einschätzung des aktuellen Ge-sundheitszustandes und die Skala zur Subjektiven Prognose der Erwerbsfähigkeit (SPE)zum Einsatz. Zusätzlich wurden die Daten der ärztlichen Entlassungsberichte erhoben.

Als primäres Outcome wurde eine dichotome Kombination folgender kritischer beruflicherEreignisse im Follow-up verwendet (Streibelt 2009): keine aktive Erwerbstätigkeit (nojob),Arbeitsunfähigkeit >5 Wochen (au), LTA-Antrag bzw. Stufenweise Wiedereingliederung(leist), EM-Rentenantrag (rente). Der Test der prädiktiven Güte erfolgte durch ROC-Analy-sen und die Kalkulation von AUC-Kriterien. Mittels Optimierung des Youden-Index erfolgtedie Festlegung des optimalen Cutoff und damit eine Schätzung der Prävalenz sowie der Vor-hersage des primären Outcomes in einem logistischen Regressionsmodell.

Ergebnisse

127 der eingeschlossenen Patienten stammen aus dem Gesundheitspark Bad Gottleuba,136 aus dem Reha-Zentrum Bad Kissingen. Durchschnittlich waren die Patienten 48 Jahrealt; 68 % waren weiblich. 27 % litten unter einer rezidivierenden depressiven Störung (ICD-10:F33), 23,6 % unter einer depressiven Episode (F32) und 21,7 % unter einer Belastungs- undAnpassungsstörung (F43).

47,1 % aller Patienten wiesen im Follow-up ein kritisches berufliches Ereignis auf. Das häu-figste Ereignis stellte fehlende aktive Erwerbstätigkeit dar (43,1 %), gefolgt von längerenFehlzeiten (35 %), der Inanspruchnahme von weiteren Leistungen der Rentenversicherung(26,6 %) und einem EM-Rentenantrag (8,4 %).

Das kombinierte Kriterium wurde sehr gut durch den SIMBO-C vorhergesagt (AUC = .88,.84–.92). Die Vorhersage der Einzelkriterien fiel geringer aus (nojob: AUC = .84, .79–.88; au:AUC = .78, .73–.83; leist: AUC = .72, .66–.78; rente: AUC = .68, .62–.73).

Der optimale Cutoff für die Vorhersage des kombinierten Kriteriums lag bei 27 Punkten(Youden-Index J = 0,67). 83,1 % der Patienten konnten richtig vorhergesagt werden (Sen-sitivität: 86,7 %; Spezifität: 79,8 %). Der positive Vorhersagewert lag bei 79 %. Die BBPL-Prävalenz unter Verwendung des Cutoff wurde in der Stichprobe mit 50,2 % angegeben. BeiExistenz einer BBPL gemäß dieser Definition war die Chance eines kritischen beruflichenEreignisses im Follow-up 26-fach erhöht (OR = 25,9, 12,9–51,8; Nagelkerke R2 = .35).

Diskussion

Kritische berufliche Ereignisse nach der Rehabilitation treten bei psychischen Erkrankungenin mehr als der Hälfte der Fälle auf. Die Vorhersage dieser Ereignisse gelingt durch denSIMBO-C sehr gut. Der identifizierte Schwellenwert liegt mit 27 Punkten leicht über den Er-kenntnissen aus der Orthopädie. 87 % der Rehabilitanden mit späteren beruflichen Proble-men werden damit korrekt vorhergesagt. Umgedreht weisen auch knapp 80 % der durchden SIMBO-C identifizierten BBPL-Patienten 3 Monate nach der Rehabilitation beruflicheProbleme auf. Damit ist der SIMBO-C diesen Analysen zufolge bei psychischen Erkrankun-gen als Screeninginstrument sowohl im klinischen Setting wie auch bei Reha-Trägern zurSteuerung von MBOR-Patienten in entsprechende Behandlungskonzepte geeignet.

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Literatur

Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.) (2012): Anforderungsprofil zur Durchführungder Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) im Auftrag der DeutschenRentenversicherung. Berlin.

Kittel, J., Karoff, M. (2008): Lässt sich die Teilhabe am Arbeitsleben durch eine berufsorien-tierte kardiologische Rehabilitation verbessern? Ergebnisse einer randomisierten Kon-trollgruppenstudie. Die Rehabilitation, 47 (1). 14-22.

Streibelt, M. (2009): Validität und Reliabilität eines Screening-Instruments zur Erkennungbesonderer beruflicher Problemlagen bei chronischen Krankheiten (SIMBO-C). Die Re-habilitation, 48 (3). 135-144.

Streibelt, M., Bethge, M. (2014a): Effects of intensified work-related multidisciplinary reha-bilitation on occupational participation: a randomized-controlled trial in patients withchronic musculoskeletal disorders. Int J Rehabil Res., 37 (1). 61-66.

Streibelt, M., Bethge, M. (2014b): Prospective Cohort Analysis of the Predictive Validity of aScreening Instrument for Severe Restrictions of Work Ability in Patients with Musculo-skeletal Disorders. Am J Phys Med Rehabil. [Epub ahead of print]

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Qualitätssicherung

Durchführung von Therapieleistungen – Anforderung und Realitätim Vergleich KTL 2007 und KTL 2015

Mitschele, A. (1), Kranzmann, A. (1), Lindow, B. (1), Schmid, L. (2), Kaluscha, R. (2)

(1) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin, (2) Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau

Hintergrund und Fragestellung

Seit 1997 ist die Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL) für die medizinische Reha-bilitation der Rentenversicherung ein bewährtes Instrument, durchgeführte therapeutischeLeistungen in den Reha-Einrichtungen zu dokumentieren (DRV, 2007). Die KTL-Dokumen-tation ist Bestandteil der Reha-Entlassungsberichte und hat das Ziel, die therapeutischenProzesse möglichst vollständig abzubilden (Zander et al., 2009). Die sachgerechte Erbrin-gung einer therapeutischen Leistung setzt die Erfüllung bestimmter Mindeststandards, diefür jede Leistung in Form spezifischer Qualitätsmerkmale definiert sind, voraus. Diese Min-deststandards beinhalten u. a. Parameter wie Mindestdauer und Wiederholungsfrequenz.Die KTL gilt gleichermaßen für alle Bereiche der medizinischen Rehabilitation. Sie ist sowohlin der stationären als auch der ambulanten Rehabilitation anzuwenden. Sie bildet die Basisder Leistungserfassung in der Rehabilitation von Erwachsenen als auch in der Kinder- undJugendlichen-Rehabilitation.

Die Einführung neuer Konzepte oder Änderung von Rahmenbedingungen der Rehabilitationmachen regelmäßige Anpassungen der KTL erforderlich. Aus diesem Grund wurde die KTL2007 von der DRV Bund gemeinsam mit dem Institut für Rehabilitationsmedizinische For-schung an der Universität Ulm im Rahmen des Projekts „Aktualisierung der Klassifikationtherapeutischer Leistungen (KTL)“ vollständig überarbeitet. Bestandteil des Projektes wareine bei allen von der DRV belegten Reha-Einrichtungen sowie Fach- und Berufsverbändendurchgeführte Anwenderbefragung. Insgesamt konnten 1.868 Anregungen zur Weiterent-wicklung der KTL gesammelt werden. Die Befragung erfolgte von November 2013 bis Ja-nuar 2014. Der Einsatz der überarbeiteten KTL-Version (KTL, 2015) ist für Anfang 2015 miteiner Übergangsfrist bis zum 31.12.2015 geplant.

In diesem Zusammenhang wurde der Frage nachgegangen, ob Veränderungen des Codier-verhaltens in der Anwendungszeit der KTL 2007 Anpassungen der Mindestanforderungenvon Dauer und Wiederholungsfrequenz erforderlich machen.

Methodik

In einer deskriptiv-statistischen Analyse wurde geprüft, wie sich in der Vergangenheit die Doku-mentationspraxis (KTL, 2007, 5. Aufl.) bezüglich der Mindestdauern und Frequenzen verhält.

Dazu wurden alle in den Routinedaten der Deutschen Rentenversicherung (RSD 2005 bis2012, RYD 2012, RYD 2013) vorliegenden KTL-Daten, der in den Jahren 2008 bis 2013 abge-schlossenen Rehabilitationen, untersucht. Pro Jahr liegen Daten aus durchschnittlich 680.000

124

Entlassungsberichten mit 17,3 Millionen KTL-Codes vor. In den Auswertungen wurden jeweilsfür ein Entlassungsjahr die KTL-Codierungen ermittelt, welche die Mindestdauer zu mindes-tens 20 % unterschritten. Von diesen wurden KTL-Codes, die über alle 6 Jahren auffällig warenund in einer ausreichend großen Anzahl von Entlassungsberichten dokumentiert wurden(n >4.000), daraufhin untersucht, wie sich die dokumentierten Leistungsdauern verteilen.

Zusätzlich wurde untersucht, ob bei KTL-Codes, die im Rahmen der Anwenderbefragunghäufig im Zusammenhang mit Änderungswünschen zu Dauer und/oder Frequenz genanntwurden, auch in der Dokumentation deutliche Abweichungen von der geforderten Mindest-dauer oder der Wiederholungsfrequenz auftreten.

Ergebnisse

In der Anwenderbefragung haben 360 Einsender Rückmeldungen zu den einzelnen Codes,den Kapiteln, den Dokumentationshinweisen oder zur Weiterentwicklung allgemein abgege-ben. Die eingegangenen Vorschläge wurden zunächst sofern möglich einem Kapitel zuge-ordnet. Anschließend wurden entsprechend dem thematischen Schwerpunkt der Vorschlä-ge Kategorien gebildet. Ein Vorschlag konnte jeweils nur einer Kategorie zugeordnet wer-den. Insgesamt wurden 68 Kategorien gebildet, davon lag die Kategorie Flexibilisierung vonDauer und, oder Frequenz mit 19 Rückmeldungen anzahlmäßig auf dem 13. Rang. Von den19 Rückmeldungen bezogen sich 11 Antworten, auf ein konkretes Kapitel der KTL 2007.Genannt wurden die Kapitel Physiotherapie (B), Information, Motivation, Schulung (C), Er-gotherapie, Arbeitstherapie und andere funktionelle Therapie (E) sowie Psychotherapie (G).

Die Auswertung der in der Vergangenheit dokumentierten KTL-Codes zeigt, dass eine min-destens 20%ige Unterschreitung der Mindestdauer in allen Kapiteln der KTL 2007 außer inden Kapiteln Rekreationstherapie (L) und Ernährung (M) vorkam. Werden nur Codes, die inmindestens 4.000 Entlassungsberichten pro Jahr dokumentiert wurden, betrachtet, zeigtsich bei nahezu allen Kapiteln eine solche Unterschreitung in mindestens 5 der 6 untersuch-ten Jahren.

Abweichungen von den Vorgaben zu Dauer und Frequenz wurden auch in Richtung Über-schreitung beobachtet, insbesondere im Kapitel C zur Leistungseinheit „C11- Lehrküchepraktisch". Der Code „C114 – Lehrküche bei Reduktionskost“ wurde im Jahr 2013 insgesamt39.412-mal mit unterschiedlichen Dauern und Frequenzen dokumentiert. Die Mindestdauervon 60 Minuten wurde zu 80 % überschritten, bei 65 % der dokumentierten Leistungen lagdie Dauer sogar bei mindestens 120 Minuten. Die geforderte Frequenz von 2-mal pro Rehawurde dagegen bei 70 % der Rehabilitanden unterschritten.

Auch in der Anwenderbefragung bezogen sich von insgesamt 10 Verbesserungsvorschlä-gen zu der Leistungseinheit „C11 – Lehrküche praktisch“ 9 auf eine Veränderung der Dauerund/oder der Frequenz.

Schlussfolgerungen und Ausblick

Die Ergebnisse zeigen, dass die Dokumentationspraxis bei einigen KTL-Codes deutlich vonden Anforderungen an Dauer und Frequenz abweicht. Auch wenn eine Veränderung derKTL-Qualitätsmerkmale nicht allein auf Basis statistischer Analysen erfolgen darf, gebendiese doch Hinweise auf Handlungsbedarf. Zusätzlich sind in jedem Fall inhaltliche Fragen

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einer angemessenen rehabilitativen Versorgung und der strukturellen Anforderungen derRentenversicherung zu berücksichtigen.

Anwendererfahrungen und Auswertungen zum Dokumentationsverhalten wurden im Projekt„Aktualisierung der Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL)“ genutzt, um die Anga-ben zu den Mindestanforderungen für einzelne KTL-Codes zu optimieren. Die Umsetzungkann mit den bereits eingeführten Auswertungsroutinen überprüft werden.

Literatur

Deutsche Rentenversicherung (Hrsg.) (2007): KTL – Klassifikation therapeutischer Leitun-gen in der medizinischen Rehabilitation. (5. Aufl.).

Deutsche Rentenversicherung (Hrsg.) (2014): Strukturqualität von Reha-Einrichtungen –Anforderungen der Deutschen Rentenversicherung. (2. Aufl.). 13-15.

Zander, J., Beckmann, U., Sommhammer, B., Klosterhuis, H. (2009): Therapeutische Ver-sorgung in der medizinischen Rehabilitation – mehr Transparenz mit der Klassifikationtherapeutischer Leistungen. RVaktuell, 56, 5/6. 186-194.

Ergebnisqualität, Patientenzufriedenheit und Prozessqualität – Resultateder Patientenbefragung 2013 im QS-Reha®-Verfahren

der gesetzlichen Krankenversicherung

Kutschmann, M., Grothaus, F.J.

BQS Institut für Qualität & Patientensicherheit GmbH, Düsseldorf

Hintergrund

Medizinische Rehabilitationseinrichtungen sind dazu verpflichtet, sich an einem bundesweiteinheitlichen Verfahren der externen Qualitätssicherung zu beteiligen. In den von den ge-setzlichen Krankenkassen hauptbelegten Rehabilitationseinrichtungen wird das QS-Reha®-Verfahren durchgeführt, in dessen Rahmen im Jahr 2013 die patientenseitig erhobeneErgebnis- und Prozessqualität sowie die Patientenzufriedenheit überprüft wurden. Jede teil-nehmende Einrichtung erhielt einen Ergebnisbericht, aus dem hervorgeht, in welchen Berei-chen sich die Versorgungsqualität bereits auf einem vergleichsweise hohen Niveau befindetbzw. wo noch Handlungsbedarf besteht. Außerdem wurden risikoadjustierte Ergebnissedargestellt, die faire indikationsspezifische Einrichtungsvergleiche ermöglichen.

Methodik

Die Ergebnis- und Prozessqualität sowie die Patientenzufriedenheit wurden in 309 stationä-ren Einrichtungen aus den Indikationsbereichen Dermatologie (n=3, 1 %), Gastroenterolo-gie, Nephrologie und Stoffwechselerkrankungen (n=16, 5 %), Kardiologie (n=62, 20 %),Muskuloskeletale Erkrankungen (n=123, 40 %), Neurologie (n=66, 21 %), Onkologie (n=5,2 %), Pneumologie (n=15, 5 %) und Psychische/psychosomatische Erkrankungen (n=19,6 %) erhoben. Dazu wurden von den Patienten zu Rehabilitationsbeginn sowie 6 Wochennach Rehabilitationsende entsprechende Fragebögen ausgefüllt. Zur Erfassung patienten-bezogener Basisdaten von Drop-Outs sowie der für die Risikoadjustierung notwendigenkonfundierenden Variablen war arztseitig ein Fragebogen zu bearbeiten.

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Je Einrichtung und Indikationsbereich umfasste die Patientenbefragung bis zu 150 von Juli2013 bis Mai 2014 konsekutiv aufgenommene Patienten. Alle Teilnehmer mit einer Fallzahlvon mindestens 50 auswertbaren Fragebögen erhielten einen Bericht mit einrichtungsver-gleichenden Ergebnisdarstellungen. Bei Einrichtungen/Fachabteilungen mit einer kleinerenFallzahl enthielten die Berichte nur einrichtungsindividuelle Ergebnisse.

Da die Resultate der Ergebnisqualität und Patientenzufriedenheit nicht nur von der Qualitätder Versorgung in den einzelnen Einrichtungen, sondern auch von patientenbezogenen Ri-sikofaktoren abhängen, wurde zum einen eine auf linearen Regressionsmodellen beruhen-de, risikoadjustierte Datenauswertung durchgeführt. Zum anderen sind zusätzlich auchnichtrisikoadjustierte Ergebnisse von Interesse, da sie das Qualitätsniveau ohne Relativie-rung abbilden. Hinsichtlich der Ergebnisqualität wurden nichtadjustierte Effektstärken be-rechnet, so dass sich die Größe des Unterschieds zwischen Rehabilitationsbeginn undNachbefragung beurteilen lässt. Für die Patientenzufriedenheit und die Prozessqualität wur-den die nichtadjustierten Durchschnittswerte der jeweiligen Unterdimensionen dargestellt.

Ergebnisse

Bei den Unterdimensionen der Ergebnisqualität liegt der Anteil der Einrichtungen/Fachab-teilungen, deren risikoadjustierte Resultate signifikant unter dem Durchschnitt aller Einrich-tungen des gleichen Indikationsbereichs liegen, zwischen 0 % und 22 %. Bei den Unterdi-mensionen der Patientenzufriedenheit liegen maximal 43 % der Einrichtungen mit ihrem ri-sikoadjustierten Ergebnis unterhalb des Durchschnitts.

In den somatischen Indikationsbereichen sind hinsichtlich der Ergebnisqualität die kleinstenGesamteffektstärken (−0,03 bis 0,05) in der Qualitätsunterdimension „Soziale Integration“zu beobachten. Die größten Gesamteffektstärken (0,46 bis 0,59) finden sich in der Qualitäts-unterdimension „Somatische Gesundheit“. Bei den psychischen/psychosomatischen Er-krankungen liegen sie zwischen 0,64 und 0,98.

Alle Gesamtmittelwerte der Qualitätsunterdimensionen der Patientenzufriedenheit sind grö-ßer als 7 (Skala von 0–10). Die Ausnahme bilden hier nur die „Freizeitmöglichkeiten“ mitWerten zwischen 5,6 und 6,8.

Bei der Prozessqualität wurde die Qualitätsunterdimension „Therapie und Pflege“ (bzw.„Therapieablauf“ bei den psychischen/psychosomatischen Erkrankungen) insgesamt ambesten bewertet. Hier sind in allen Indikationsbereichen die Gesamterfüllungsgrade größerals 90 %.

Diskussion

Durch die indikationsspezifischen fairen Einrichtungsvergleiche wird die Qualität der Leis-tungserbringung transparent gemacht und objektiv bewertet. Dies soll zu einer kontinuierli-chen Weiterentwicklung der Versorgungsqualität in medizinischen Rehabilitationseinrich-tungen beitragen.

Ausblick

Der nächste Durchlauf des QS-Reha®-Verfahrens beginnt im Mai 2015. Dann kann u. a.analysiert werden, inwieweit sich die Versorgungsqualität in den von den gesetzlichen Kran-kenkassen hauptbelegten Rehabilitationseinrichtungen verändert hat.

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Entwicklung und psychometrische Prüfung eines Erfolgsindexes aus der Rehabilitandenbefragung der Deutschen Rentenversicherung Bund

Nowik, D., Zeisberger, M., Meyer, T.

Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin & Gesundheitssystemforschung; Medizinische Hochschule Hannover

Hintergrund

Im Rahmen des von der Deutschen Rentenversicherung Bund finanzierten Projekts„MeeR – Merkmale einer erfolgreichen Rehabilitationseinrichtung“ (Meyer et al., 2013) wur-de auf Basis der Rehabilitandenbefragung ein Fall-Mix-adjustiertes Ranking von orthopä-dischen und kardiologischen Rehabilitationseinrichtungen in Bezug auf den mittleren Reha-Erfolg erstellt und die jeweils erfolgreichsten und am wenigsten erfolgreichen Einrichtungenmiteinander qualitativ kontrastiert. Ziel dieses Beitrags ist es, die Entwicklung und psycho-metrische Prüfung des hierzu verwendeten Erfolgsindexes darzustellen.

Methodik

Datengrundlage war eine Stichprobe von 30.299 Rehabilitanden/innen aus 86 kardiologi-schen und 112.895 Rehabilitanden/innen aus 273 orthopädischen Rehabilitationseinrich-tungen. Die Analyse basierte auf den Routinedaten und Daten aus der Rehabilitandenbefra-gung mit dem modifizierten Rehabilitandenfragebogen der DRV Bund. Relevante Be-schwerden bzw. deren Veränderung wurden identifiziert und theoriegeleitet in inhaltlichabgrenzbaren Dimensionen zusammengeführt. Anschließend wurden diese Dimensionengewichtet in einem Index zusammengeführt. Die psychometrische Prüfung umfasste dieFaktorenstruktur (Hauptfaktorenanalyse mit Oblimin-Rotation), Reliabilität (Cronbach's α)und konvergente Validität. Letztere wurde anhand der ärztlichen Einschätzung des Verlaufsder Erstdiagnose überprüft. Dazu wurde die Effektstärke zwischen der Gruppe, die sich ärzt-lich eingeschätzt verbessert hat und der Gruppe ohne Verbesserung bzw. mit Verschlech-terung berechnet.

Ergebnisse

Sowohl für die Orthopädie, als auch die Kardiologie wurden 5 Indikatoren identifiziert – „So-matische Beschwerden“, „Alltagsaktivitäten“, „Psychisches Befinden“, „Berufliche Teilhabe“und „Gesundheit allgemein“. Nur der Indikator „Somatische Beschwerden“ unterscheidetsich inhaltlich zwischen den Indikationsbereichen. „Berufliche Teilhabe“ wurde mit dem Fak-tor 3 gewichtet, „Somatische Beschwerden“ und „Alltagsaktivitäten“ gingen mit doppelterGewichtung ein.

Die Faktorenanalyse stützte in beiden Bereichen klar die Zusammenfassung der Indikatorenzu einem Index. In der Orthopädie lag der Eigenwert des ersten Faktors bei 3,64. DieserFaktor klärte 72,7 % der Varianz auf. Es lag kein weiterer Eigenwert >1 vor. Auch der Scree-plot sprach für die Einfaktorenlösung. Die Ergebnisse im Bereich Kardiologie waren nahezuidentisch. Der Eigenwert des ersten Faktors betrug 3,44 mit 68,8 % Varianzaufklärung undauch der Screeplot verwies auf eine Einfaktorenlösung.

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Die Reliabilität lag in der Orthopädie mit einem Cronbach's α von 0,904 (95 % KI 0,903-0,905)im sehr guten Bereich. In der Kardiologie zeigte sich eine vergleichbar hohe Reliabilität(α = 0,885; 95 % KI 0,883-0,888).

Die ärztliche Einschätzung des Verlaufs der Erstdiagnose korrespondierte mit der Einschät-zung durch den Erfolgsindex. In der Orthopädie fanden sich substanzielle Unterschiede imErfolg zwischen Rehabilitanden/-innen mit gebesserter Erstdiagnose einerseits und ver-schlechterter oder gleichgebliebener Erstdiagnose andererseits (Indikation Knie-Hüft-TEP:d=0,62; Indikation Chronische Rückenschmerzen: d=0,83). In der Kardiologie fanden sichdiese Unterschiede auch in erwarteter Richtung, jedoch geringer ausgeprägt (d=0,21).

Diskussion

Für den entwickelten Erfolgsindex sprechen ein theoriegeleitetes, an der ICF orientiertesVorgehen sowie positive psychometrische Ergebnisse. Einschränkend ist zu beachten, dassaufgrund der gemeinsamen Methodenvarianz durch die direkte Veränderungsmessung voneinem Bias in Richtung einer 1-faktoriellen Lösung auszugehen ist.

Schlussfolgerungen

Ein solcher Erfolgsindex kann sicherlich nicht alle Nuancen von Rehabilitationserfolg abbil-den, für viele Fragestellungen ist eine Verdichtung zu einer einzigen Kennzahl jedoch sinn-voll und notwendig. So wird es ermöglicht, die Perspektive der Rehabilitanden/-innen überreine Zufriedenheit oder eine globale Einschätzung hinausgehend zu erfassen und auf ver-schiedene Arten (z. B. Einrichtungsvergleiche; vgl. Zeisberger et al., 2013) zu berücksichti-gen. Auch Struktur-, Prozess- und/oder Kostendaten können über einen entsprechenden In-dex in Bezug zum Erfolg gesetzt werden.

Literatur

Meyer, T., Brandes, I., Zeisberger, M., Stamer, M. (2013): Merkmale einer erfolgreichenReha-Einrichtung – Hintergrund und Vorgehen im Projekt MeeR. In Arbeitskreis KlinischePsychologie in der Rehabilitation BDP (Hrsg.): (Selbst-)Konzepte bei veränderten Le-bensbedingungen, Deutscher Psychologen Verlag GmbH, Berlin. 66-79.

Zeisberger, M., Nowik, D., Stamer, M., Brandes, I., Meyer, T. (2013): Einrichtungsunter-schiede im Rehabilitationserfolg und personenbezogene Prognosefaktoren aus denQualitätssicherungsdaten der Deutschen Rentenversicherung. DRV-Schriften, Bd. 101.173-185.

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Effekte internen Qualitätsmanagements – Ergebnisse der „Reha-QM-Outcome-Studie“ des Qualitätsverbunds Gesundheit und

der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg

Toepler, E. (1), Kaluscha, R. (2), Nübling, R. (3), Kaiser, U. (4), Renzland, J. (5), Reuss-Borst, M. (6), Müller, G. (7), Martin, H. (8), Krischak, G. (2)

(1) Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, (2) Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, (3) GfQG, Karlsruhe, (4) Hochgebirgsklinik Davos, (5) Zentrum für

Prävention und Rehabilitation Bad Rappenau, (6) Reha-Zentren der Deutschen Renten-versicherung Baden-Württemberg, (7) Schlossklinik Bad Buchau, (8) Deutsche Rentenver-

sicherung Baden-Württemberg

Hintergrund

Internes Qualitätsmanagement (QM) wurde spätestens 2007 mit dem Gesetz zur Stärkungdes Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung zu einem wesentlichen Bestand-teil der stationären medizinischen Rehabilitation (Petri, Stähler, 2008). Seit dem Auslaufender Übergangsfrist am 01.10.2012 verfügen alle durch einen gesetzlichen Rehabilitations-träger belegten stationären Einrichtungen über ein, den Anforderungen der Bundesarbeits-gemeinschaft für Rehabilitation entsprechendes, zertifiziertes QM-System.

Vor dem Hintergrund der nicht unerheblichen personellen und finanziellen Ressourcen, diedie Einführung und der dauerhafte Betrieb eines rehaspezifischen QM-Systems erfordert,stellt sich die Frage nach dem Nutzen und der Wirksamkeit des internen Qualitätsmanage-ments in der Reha und es wird insgesamt eine stärkere theoretische Fundierung gefordert(Farin, Jäckel, 2011). Auf dem Rehawissenschaftlichen Kolloqium 2011 wurde das Erforder-nis einer Begleitforschung zum § 20 des SGB IX, § 20 Abs. 2a als gesetzlicher QM-Grund-lage diskutiert (Petri, Toepler, 2011).

Im Rahmen der vom Qualitätsverbund Gesundheit Baden-Württemberg und der DeutschenRentenversicherung Baden-Württemberg initiierten Reha-QM-Outcome-Studie können u. a.die Effekte des internen Qualitätsmanagements untersucht werden. Die Verbundkliniken ha-ben in den Jahren 2005 bis 2006 das QM-System QMS-Reha® (Herausgebende StelleDeutsche Rentenversicherung Bund) eingeführt und wenden es seitdem in der Routine an.Zum Konzept des Verbundes gehört das Benchmarking wesentlicher Qualitätsparameterund das Von-einander-Lernen durch gegenseitige Audits und weitere Unterstützungsleis-tungen (Toepler et al., 2010).

Methodik

Das Untersuchungsdesign der Studie umfasst 3 methodische Stränge, die hier in Bezug aufdie Teilthematik des QM skizziert werden. Einen Strang stellen die QS- und QM-Daten derVerbundkliniken dar (u. a. Personalqualifikation, Belegung, Patientenzufriedenheit, Mitar-beiterzufriedenheit).

Den zweiten Strang bildet eine katamnestische Befragung der Rehabilitanden (n=4.162)aus den Verbundkliniken 1 Jahr nach der Reha zur Ermittlung des Behandlungserfolges(vgl. Nübling et al., 2014.).

130

Als dritten Strang stellte die Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg aus ihrerRehabilitationsstatistikdatenbasis (RSD) anonymisierte Angaben zu 500.000 Rehabilitan-den mit einem Zeitfenster von 8 bzw. 11 Jahren zur Verfügung, sodass eine vergleichendeAnalyse der Zeitpunkte vor der QM-Einführung 2005 und nach der QM-Einführung 2011durchgeführt werden konnte. Durch die Bildung von 4 Teilstichproben konnten die zeitlichenVeränderungen des in Beitragstagen und Beitragshöhe gemessenen Reha-Outcomes mitNichtverbundkliniken verglichen werden. Dabei erfolgte eine Adjustierung der Daten im Hin-blick auf Alter, Geschlecht, Indikation sowie Beitragshöhe vor Rehabilitation.

In diesem Beitrag wird auf die Auswertung der QM-relevanten Zusammenhänge zwischenden Patientenangaben und den QS-Daten eingegangen.

Ergebnisse

Die Auswertung ergibt für den Behandlungserfolg und die Patientenzufriedenheit nach12 Monaten eine deutliche Verknüpfung mit QM-relevanten Klinikmerkmalen. Kliniken, diein diesen Parametern eine überdurchschnittliche Position einnehmen, weisen z. B. ein bes-seres Ergebnis im Peer-Review-Verfahren oder eine geringere Beschwerdequote auf.

Die Auswertung hinsichtlich der Effekte auf die Beitragszahlungen liefert einen deutlichenHinweis auf die Zunahme der Effektivität der stationären medizinischen Rehabilitation. Wieaus Abb. 1 hervorgeht, haben sich die Beitragszahlungen der Rehabilitanden der DRV Ba-den-Württemberg, die 2011 an einer Reha-Maßnahme teilgenommen haben, gegenüber2005 deutlich verbessert. Bezogen auf die Effektivität des systematischen Qualitätsma-nagements im Verbund zeigen sich erkennbare Hinweise auf einen möglichen Zusammen-hang. Zwischen den Verbundkliniken und den Nichtverbundkliniken ergibt sich im Jahr 2011hinsichtlich der gewichteten Beitragszahlungen im Jahr nach Rehabilitation ein kleiner Un-terschied, der im Jahr 2005 noch nicht vorhanden war. Der Unterschied zwischen den Ver-bundkliniken und den Nichtverbundkliniken weist – bei adjustierten Stichproben – ein mittle-res Signifikanzniveau auf.

Abb. 1: Veränderung der gewichteten Beitragszahlungen im Zeit- und Einrichtungsvergleich

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Diskussion

Bezogen auf die eingangs gestellte Frage nach dem Nutzen von internem QM in der Reha-bilitation, erscheinen die identifizierten Vorhersagemerkmale für Behandlungserfolg und Pa-tientenzufriedenheit interessant. Das in den Verbundkliniken eingesetzte Verfahren setzt imVergleich zu anderen zugelassenen QM-Verfahren den Schwerpunkt auf die differenzierteProzessorientierung auf. Alle identifizierten Merkmale finden sich in den Qualitätselementenund der Prozesslandkarte des QMS-Reha®: Die Patientenzufriedenheit findet sich im Qua-litätselement Patientenorientierung und in einem Set von patientenorientierten Prozessen.Dem Peer Review entsprechen die Prozesse Planung und Überprüfung des Reha-Prozes-ses sowie Entlassung und Entlassbrief. Die Beschwerdequote stellt eine wesentliche Pro-zesskennzahl der QM-Prozesse dar.

Die Untersuchung hinsichtlich der Entwicklung der Beitragszahlungen stellt einen Einstiegin die Zusammenhangsanalyse zwischen Klinikmerkmalen und ökonomischem Reha-Out-come dar. Diese Hinweise auf einen Einfluss systematischen Qualitätsmanagements ma-chen neugierig, bedürfen aber weiterer Untersuchungen.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg, Qualitätsverbund Gesund-heit Baden-Württemberg

Literatur

Farin, E., Jäckel, W.H. (2011): Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der medizi-nischen Rehabilitation. Bundesgesundheitsbl, 4. 174-186.

Nübling, R., Kaiser, U., Kaluscha, R., Krischak, R., Kriz, D., Müller, G., Martin, H., Renzland,J., Reuss-Borst, M., Schmidt, J., Toepler, E. (2014): Ergebnisqualität medizinischer Re-habilitation – Katamnestische Ergebnisse der „Reha-QM-Outcome-Studie“ des Qualitäts-verbundes Gesundheit und der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg.DRV-Schriften, Bd. 103. 188-190.

Petri, B., Stähler,T. (2008): Qualitätsmanagement und Zertifizierungsverfahren. Präventionund Rehabilitation, 20, 4. 179-183.

Petri, B., Toepler, E. (2011): Reha-Qualität auf neuer Nachweisstufe – Umsetzung und Kon-sequenzen der Zertifizierung nach § 20. DRV-Schriften, Bd. 93. 117-120.

Toepler, E., Forscher, R., Werner, O. (2010): Qualitätsverbesserung durch Zusammenar-beit. DRV-Schriften, Bd. 88. 74-77.

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Checklisten zur Prüfung und Bewertung von Konzepten medizinischerReha-Einrichtungen

Schmale, R. (1), Wagener, W. (1), Huber, J. (2), Theißen, U. (2)

(1) Deutsche Rentenversicherung Bayern-Süd, (2) Deutsche Rentenversicherung Rheinland

Einführung

Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) stellt den am Programm zur Qualitätssicherungder medizinischen Rehabilitation in der Rentenversicherung (Reha-QS-Programm) teilneh-menden Einrichtungen routinemäßig einrichtungsbezogene Berichte zur Verfügung.

Das Reha-QS-Programm umfasst derzeit 6 Instrumente für vergleichende Analysen derStruktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. Ein Eckpunkt für die Belegung einer Einrichtung istein schriftliches, strukturiertes und umfassendes Reha-Konzept nach dem Rahmenkonzeptder Deutschen Rentenversicherung. Die Anforderung gilt für stationäre als auch ambulanteReha-Einrichtungen sowie für MBOR- und Präventionsangebote. Die Prüfung und Bewer-tung dieses strukturnahen Prozessmerkmals erfolgt durch eine Ärztin oder einen Arzt.

Die Deutsche Rentenversicherung Rheinland und die Deutsche Rentenversicherung Bay-ern Süd haben gemeinsam Checklisten für eine formalisierte Prüfung und Bewertung dieserKonzepte entwickelt. Dadurch wird eine strukturierte und transparente Leistungs- und Qua-litätsbewertung durch die Kostenträger ermöglicht, für die ein RV-einheitliches Instrumentbisher nicht zur Verfügung steht. In die Checklisten kann neben dem Bewertungsergebniseine freitextliche ärztliche Stellungnahme aufgenommen werden, um Aspekte zu erläutern,die über die Bewertung nicht hinreichend abgebildet sind. Anwendungsbereich für dieChecklisten sind Konzepte sowohl eigener wie auch federgeführter Reha-Einrichtungen so-wie solcher, die erstmalig ein Konzept einreichen.

Das Ergebnis der Konzeptbewertung fließt als ein Kriterium in ein mehrdimensionales Be-wertungsinstrument zur Gesamtbeurteilung von Reha-Einrichtungen ein. Dieses Instrumentwurde auf dem 23. Reha-Kolloquium vorgestellt.

Ziele und Nutzen

Die Checkliste unterstützt eine strukturierte und standardisierte Prüfung und Bewertung for-maler und inhaltlicher Anforderungen an Konzepte von Reha-Einrichtungen. Mit dieser Formlassen sich Optimierungserfordernisse einfach identifizieren und nachvollziehbar dokumen-tieren, bei deutlich geringerem Aufwand gegenüber der konventionellen Konzeptprüfung.Transparenz und Vergleichbarkeit der Bewertung von Reha-Konzepten werden gefördert.Belegungsrelevante Merkmale gemäß den Anforderungen an die Strukturqualität von Kon-zepten führen als „K. o.“-Kriterium zur Klassifizierung „Anforderungen nicht erfüllt“. Bei nichterfüllten Anforderungskriterien kann auf dieser Basis mit der Einrichtung in einen Dialog ein-getreten werden. Bisher nicht belegte Einrichtungen können begründet und nachvollziehbarzur Konzeptüberarbeitung aufgefordert werden.

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Durch den Einsatz von Checklisten kann die konzeptionelle Qualität gesteigert werden. DieIndividualität einrichtungsspezifischer Reha-Konzepte soll ausdrücklich erhalten bleiben,um Raum für weitere Entwicklungen der Rehabilitation zu lassen.

Struktur und Inhalt der Checklisten

Für die formalisierte Bewertung von Konzepten wurden in den Checklisten bis zu 31 Itemsdefiniert, die alle erwarteten, relevanten Merkmale für eine effektive Durchführung der Re-habilitation beinhalten. Diese sind, entsprechend ihrer Bedeutung, von Faktor 2 für Merkma-le geringerer Bedeutung bis Faktor 8 für Merkmale elementarer Bedeutung gewichtet. DerErfüllungsgrad für jedes Item wird mit einer Punktzahl bewertet. Definiert sind 4 Kategorien:10 Punkte für „Anforderungen voll erfüllt“, 7 Punkte für „ leichte Mängel“, 4 Punkte für „deut-liche Mängel“ und 0 Punkte für „Anforderungen nicht erfüllt“. Bei Vergabe von 4 oder 0 Punk-ten ist eine freitextliche Begründung für diese Beurteilung obligatorisch. Die für jedes Itemvergebene Punktzahl (Erfüllungsgrad) wird mit der jeweiligen Gewichtung für das Merkmalmultipliziert, wobei die Einzelergebnisse zu einem Gesamtergebnis addiert werden. BeiAlleinstellungsmerkmalen einer Einrichtung und/oder modellhaften Aspekten des Konzeptskönnen Zusatzpunkte vergeben werden. Die Konzeptbewertung mündet in ein Gesamt-ergebnis, dass den Erfüllungsgrad über alle definierten Anforderungen darstellt.

Literatur

Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.) (2014): Strukturqualität von Reha-Einrichtun-gen – Anforderungen der Deutschen Rentenversicherung, (2. überarbeitete u. erweiterteAufl., Juli. 31.

Huber, J. (2014): Mehrdimensionales Instrument der Deutschen RentenversicherungRheinland zur Bewertung der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität von medizinischenRehabilitationseinrichtungen. DRV-Schriften, Bd. 103. 173-174.

Klosterhuis, H. (2010): Reha-Qualitätssicherung in der Rentenversicherung – eine kritischeBestandsaufnahme. RVaktuell 8. 260-268.

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Qualitätssicherung (Poster)

Nebenwirkungen von Ergotherapie

Flöge, B. (1, 2), Linden, M. (1, 2), Muschalla, B. (1, 3), Jöbges, M. (4)

(1) Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité – Universitäts-medizin Berlin, (2) Abteilung für psychische und psychosomatische Erkrankungen am

Reha-Zentrum Seehof der Deutschen Rentenversicherung Bund, Teltow,(3) Abteilung für Arbeits- und Organisationspsychologie, Universität Potsdam,

(4) Abteilung für Neurologie, Brandenburgklinik, Bernau

Hintergrund

Die Ergotherapie ist eine Standardbehandlung in nahezu alle Rehabilitationskliniken. Dietherapeutischen Ziele der Ergotherapie sind mit salutotherapeutischer Zielsetzung (Linden,Weig, 2013) die Förderung von allgemein gesundem und damit auch krankheitskompen-satorischem Verhalten, die Unterstützung der Krankheitsbewältigung, die Mitwirkung an derLeistungssteigerung wie auch an der Leistungsbeurteilung.

Ergotherapie wird in aller Regel als problemlose Therapie angesehen, d. h. es erfolgt in derRegel keine medizinisch individuell begründete Zuweisung, sondern alle Patienten einer be-stimmten Station oder Einrichtung werden in die Ergotherapie aufgenommen. Dies ist u. a. da-mit begründet, dass die Ergotherapie als eine Methode mit geringen Risiken angesehen wird.

In der Psychotherapieforschung gibt es aber seit langem Hinweise, dass Gruppentherapienan sich, unabhängig vom Inhalt, negative Begleitwirkungen haben können. Neben der Inter-aktion von Patient und Therapeut kommt es in Gruppentherapien immer auch zu Interaktio-nen zwischen Patienten, d. h. es kann zu Konflikten kommen, dysfunktionalem Lernen, Be-drängnisgefühlen durch die Raumsituation usw.

In der vorliegenden Studie wurde untersucht, wie Patienten sich in einer Ergotherapiegrup-pe fühlen und welche Negativerlebnisse sie haben.

Methode

Patienten der kardiologischen, orthopädischen und neurologischen Abteilung einer Rehabi-litationsklinik (n = 45) wurden in eine Ergotherapiegruppe aufgenommen, wenn sie über ar-beitsplatzbezogenen Stress klagten, mit dem Ziel einer Förderung allgemeiner rekreativerAktivitäten als Beitrag zur Stressbewältigung. Die Patienten füllten die UE-G-Checkliste (Un-erwünschte Ereignisse in Gruppen) aus, die 47 Items vorgibt, gruppiert nach potentiell be-lastungsauslösenden Faktoren wie die Gruppengröße oder der Raum, die Therapieinhalte,die Mitpatienten, das Therapeutenverhalten, individuelle gruppenbezogene Vorstellungen,und Nachfolgewirkungen.

Ergebnisse

88,9 % der Patienten berichten über mindestens eine unerwünschte Begleitwirkung derErgotherapie, d. h. in 68,9 % der Fälle durch die Gruppengröße/-raum, 71,1 % durch den In-

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halt, 42,2 % durch die Gruppenmitglieder, 20 % der Therapeutin, 51,1 % Gruppenfolgenund 40 % hinsichtlich des Globalerlebens. 28,9 % der Patienten bezeichnen derartige Wir-kungen als „stark bis extrem belastend“. Abbildung 1 gibt eine Übersicht über die einzelnenunerwünschten Begleitwirkungen und die Häufigkeit der davon betroffenen Patienten. Vonbesonderer Bedeutung sind die Induktion eines Hoffnungslosigkeitserlebens beispielsweisederart, dass Therapie nicht wirkt oder man sieht, dass man kränker ist als zuvor gedacht unddie Induktion eines Insuffizienzerlebens derart, dass man in der Gruppe unter Druck kommtoder untergeht.

Abb. 1: Belastungserleben in der Ergotherapie (% der Patienten)

136

Diskussion

Die Daten zeigen, dass auch Ergotherapiegruppen nicht ohne negative Begleitwirkungensind. Die Rate der beklagten Negativwirkungen ist im Vergleich zu anderen Therapeutikadurchaus hoch und in ihrer Art auch von Relevanz. Das Thema hat bislang in der medizini-schen Rehabilitation, die sehr stark auf Gruppentherapien aufbaut, und speziell in der Ergo-therapie kaum Beachtung gefunden.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

Literatur

Linden, M., Weig, W. (Hrsg.) (2009): Salutotherapie. Deutscher Ärzteverlag. Köln.Linden, M., Strauß, B. (Hrsg.) (2013): Risiken und Nebenwirkungen von Psychotherapie.

MWV: Berlin.

137

Epidemiologie und Reha-Bedarf

Welche Faktoren beeinflussen die Absicht zur Beantragungmedizinischer Rehabilitation?

Mohnberg, I. (1), Spanier, K. (2), Radoschewski, F.M. (1), Bethge, M. (2)

(1) Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Charité – Universi-tätsmedizin Berlin, (2) Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck

Hintergrund

Im System der Rentenversicherung gilt der Grundsatz „Rehabilitation vor Rente“. Die aktu-elle Statistik zeigt, dass mehr als die Hälfte der vorzeitigen Rentenzugänge wegen vermin-derter Erwerbsfähigkeit keine medizinischen Rehabilitationsleistungen in Anspruch genom-men hat (DRV, 2013). Ein erhebliches Potential zum Erhalt der Erwerbsfähigkeit durch Re-habilitation bleibt somit ungenutzt. Die Inanspruchnahme einer Rehabilitationsmaßnahmesetzt eine Antragstellung durch den Versicherten selbst voraus, bedarf also einer bewusstenEntscheidung. Frühere Studien zeigen, dass die Absicht einer Rehabilitationsantragstellungmit subjektiv schlechter Gesundheit, frühere Rehabilitationserfahrung, Unterstützung durchHausärzte und Familie sowie positiven Ergebniserwartungen assoziiert ist (Zimmermannet al., 1999). Zudem wird vermutet, dass weitere Faktoren die Antragsabsicht beeinflussenund sich die Bedeutung dieser Faktoren für Subgruppen unterscheidet.

Methodik

Im Rahmen des „Dritten Sozialmedizinischen Panels für Erwerbspersonen“ wurde eine nachGeschlecht stratifizierte Stichprobe von 10.000 aktiv Versicherten der Deutschen Renten-versicherung Bund gezogen. Eingeschlossen wurden 40- bis 54-jährige Personen mit Kran-kengeldbezug im Jahr 2012, die zwischen 2009 und 2012 keine rehabilitativen Leistungenbeantragt hatten. Die Absicht eine medizinische Rehabilitation zu beantragen wurde mit2 Fragen erfasst und der Mittelwert anschließend dichotomisiert (hohe vs. geringe Antrags-absicht). Als mögliche Determinanten einer Antragsabsicht wurden verhaltens- und arbeits-platzbezogene Risikofaktoren, Häufigkeit der Inanspruchnahme ambulant ärztlicher Versor-gung, gesundheitsbezogene Lebensqualität und subjektive Arbeitsfähigkeit erfasst. Zusätz-liche Analysen prüften die moderierende Bedeutung von Geschlecht, Alter und Bildung fürden Zusammenhang der untersuchten Merkmale mit der Antragsabsicht.

Ergebnisse

Es wurden 3.165 Versicherte mit einem durchschnittlichen im Alter von 47,9 Jahren(SD=4,1) in die Analysen einbezogen. Etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmer warenFrauen (n=1.682). Annähernd 80 % wiesen einen geringen bis mittleren Bildungsstatus auf.Knapp ein Fünftel (n=557) hatte ein hohe Antragsabsicht.

Die Analysen identifizierten eine Reihe relevanter Einflussgrößen für eine beabsichtigte An-tragstellung. Am deutlichsten waren die Zusammenhänge mit schlechter subjektiver Arbeits-fähigkeit (OR = 5,2; 95 % KI: 3,9 bis 6,9), schlechter Erwerbsfähigkeitsprognose (OR = 3,7;

138

95 % KI: 3,0 bis 4,5), einer beabsichtigen Rentenantragstellung (OR = 4,0; 95 % KI: 3,0 bis5,3) und häufigen Allgemeinarztkontakten (OR = 2,8; 95 % KI: 2,3 bis 3,4).

Weder Bildung noch Alter moderierten die Zusammenhänge rehabilitationsrelevanter Be-darfsmerkmale mit einer beabsichtigten Antragstellung. Moderiert wurden die Zusammen-hänge allerdings vom Geschlecht. Für Männer war der Zusammenhang zwischen Bedarfs-merkmalen und Antragsabsicht deutlicher ausgeprägt als für Frauen. So waren die Odds ei-ner Antragsintention für gesundheitlich stärker beeinträchtigte Männer 1,7-mal höher (95 %KI: 1,2 bis 2,6) als für vergleichbare Frauen. Männer mit schlechter subjektiver Arbeitsfähig-keit hatten eine doppelt so hohe Chance (95 % KI: 1,1 bis 3,6) für eine intendierte Antrag-stellung als vergleichbare Frauen. Die unterschiedlich starke Bedeutung rehabilitationsrele-vanter Merkmale für eine beabsichtigte Antragstellung ist vor allem auf die höhere Antrags-absicht bei weniger stark beeinträchtigen Frauen zurückzuführen.

Diskussion

Die Analysen zeigen, dass subjektive Einschränkungen der Gesundheit und Arbeitsfähigkeitsowie die Häufigkeit der Inanspruchnahme ambulant ärztlicher Versorgung die Intention zurAntragstellung beeinflussen. Bei Männern ist die Absicht einer Antragstellung deutlich stär-ker mit dem Gesundheitszustand, dem Ausmaß der Arbeitsfähigkeit und dem Umfang am-bulant ärztlicher Versorgung assoziiert als bei Frauen.

Schlussfolgerungen

Informationen zu den Möglichkeiten medizinischer Rehabilitation könnten einen stärkerenFokus auf rehabilitationsrelevante Bedarfsmerkmale setzen. Ein leicht zu bearbeitendes Be-darfsscreening könnte die Selbsteinschätzung von Rehabilitationsbedarf unterstützen, umUnter- und Überversorgung zu verringern (Bethge et al., 2012).

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

Literatur

Bethge, M., Radoschewski, F.M., Gutenbrunner, C. (2012): The Work Ability Index as ascreening tool to identify the need for rehabilitation: longitudinal findings from the SecondGerman Sociomedical Panel of Employees. J Rehabil Med, 44. 980-987.

Deutsche Rentenversicherung (2013): Rentenzugang 2012. DRV-Schriften, Bd. 193. Zimmermann, M., Glaser-Möller, N., Deck, R., Raspe, H. (1999): Subjektive Rehabilitations-

bedürftigkeit, Antragsintension und Antragsstellung auf medizinische Rehabilitation – Er-gebnisse einer Befragung von LVA-Versicherten. Die Rehabilitation, 38; Suppl. 2. 122-127.

139

Der Work Ability Index – Ein Indikator für Rehabilitationsbedarf?

Bethge, M. (1), Spanier, K. (1), Neugebauer, T. (2), Mohnberg, I. (3), Radoschewski, F.M. (3)

(1) Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck, (2) Zentrumfür Qualität und Management im Gesundheitswesen, Einrichtung der Ärztekammer Nieder-

sachsen, Hannover, (3) Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissen-schaft, Charité – Universitätsmedizin Berlin

Hintergrund

Eine stärkere Einbindung von Betriebsärzten in den Rehabilitationsprozess, wie sie imSGB IX und den gemeinsamen Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabi-litation angeregt wird, ist auf eine gemeinsame Sprache bei der Identifizierung von Rehabi-litationsbedarf angewiesen. Ein in diesem Zusammenhang denkbares Instrument ist der inder Arbeitsmedizin gut etablierte Work Ability Index (WAI) (Ilmarinen, 2009). Dieses in Finn-land entwickelte Screening erfasst auf 7 Dimensionen (7 bis 49 Punkte), inwiefern sich einePerson unter Berücksichtigung ihres Gesundheitszustandes in der Lage sieht, die Arbeits-platzanforderungen bewältigen zu können. Geprüft wurde, ob der WAI mit rehabilitations-relevanten Außenkriterien assoziiert ist.

Methodik

Die Daten wurden während der Ersterhebung des „Dritten Sozialmedizinischen Panels fürErwerbspersonen“ erhoben. Die Stichprobe berücksichtigte 40- bis 54-jährige Versicherteder Deutschen Rentenversicherung Bund mit Krankengeldbezug in 2012. Die subjektive Ar-beitsfähigkeit wurde mit dem WAI erfasst, zudem wurden verhaltensbezogene und berufli-che Risikofaktoren, ärztliche Inanspruchnahme und intendierte Rehabilitations- und Renten-anträge erhoben. Relative Risiken (RR) wurden berechnet, um Zusammenhänge zwischendem kategorisiertem WAI (7 bis 36 vs. 37 bis 49 Punkte) und den verschiedenen Außenkri-terien zu quantifizieren. Die Fähigkeit des kontinuierlichen Scores zwischen Personen miteiner Rehabilitations- oder Rentenantragsabsicht und Personen ohne eine solche Antrags-absicht zu unterscheiden, wurde mittels einer Receiver-Operating-Characteristic-Kurve(ROC-Kurve) geprüft. Die Fläche unter dieser Kurve (Area under the curve, AUC) repräsen-tiert die Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällig gezogene Person mit einer Antragsabsicht ei-nen ungünstigeren Wert hat als eine zufällig gezogene Person ohne Antragsabsicht. Werte≥0,75 gelten als akzeptabel (Roelen et al., 2014). Diese Analysen wurden für die einzelnenDimensionen des WAI wiederholt. Auf dieser Grundlage wurde eine auf 2 Items gekürzteVersion hergeleitet, die vergleichbare Eigenschaften wie der Gesamtwert hat.

Ergebnisse

Für die Analysen wurden Daten von 2.814 Teilnehmern berücksichtigt (mittleres Alter:47,9 Jahre; 53,4 % Frauen). 60,1 % berichteten geringe Arbeitsfähigkeit (7 bis 36 Punkte).Geringe Arbeitsfähigkeit stand stärker mit beruflichen Risikofaktoren (v. a. geringe relatio-nale Gerechtigkeit, berufliche Gratifikationskrisen) als mit verhaltensbezogenen Risikofak-toren (v. a. Übergewicht) in Zusammenhang. Kumulierte berufliche Risikofaktoren wurden

140

bei geringer Arbeitsfähigkeit 2,4-mal häufiger berichtet, kumulierte verhaltensbezogeneRisikofaktoren 1,4-mal häufiger.

Geringe Arbeitsfähigkeit war zudem mit häufigen Arztkontakten, Krankenhausaufenthalten,früheren beantragten und durchgeführten Rehabilitationen sowie anerkannter Schwerbehin-derung assoziiert. Die Risiken für intendierte Rehabilitations- und Rentenanträge waren fürPersonen mit geringen Werten auf dem WAI 4- bis 6-fach erhöht. Die relativen Risiken wa-ren in nach Alter und Geschlecht stratifizierten Analysen homogen. Die in den ROC-Analy-sen kalkulierte AUC von 0,78 (95 % KI: 0,76 bis 0,80) bestätigte die gute diskriminierendeFähigkeit des kontinuierlichen Gesamtwertes. Auf Ebene der einzelnen Dimensionen warendie Werte der AUC für die erste Dimension (Arbeitsfähigkeit im Vergleich zur besten je er-reichten Arbeitsfähigkeit; AUC = 0,74; 95 % KI: 0,72 bis 0,77) und die vierte Dimension (Ein-schränkungen der Arbeitsfähigkeit; AUC = 0,73; 95 % KI: 0,71 bis 0,76) am günstigsten. Ei-ne auf diese beiden Items verkürzte Version diskriminierte ebenfalls akzeptabel zwischenPersonen mit und ohne Antragsabsicht (AUC = 0,76; 95 % KI: 0,74 bis 0,78).

Diskussion

Eingeschränkte subjektive Arbeitsfähigkeit ist mit beruflichen und verhaltensbezogenen Ri-sikofaktoren, intensiver Inanspruchnahme ambulant ärztlicher Versorgung und beabsichtig-ten Rehabilitations- und Rentenanträgen assoziiert. Der WAI ist offensichtlich geeignet, umrehabilitationsrelevante Einschränkungen zu identifizieren und könnte genutzt werden, umRehabilitationsbedarf im Rahmen betriebsärztlicher Untersuchungen zu erkennen.

Schlussfolgerungen

Kontrollierte Studien sollten prüfen, ob ein zusätzliches betriebsärztliches Screening nachRehabilitationsbedarf im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements und ggf.die Einleitung von medizinischer Rehabilitation zu günstigeren Ergebnissen führen als her-kömmliche betriebliche Eingliederungsstrategien (Lambeek et al., 2010).

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

Literatur

Ilmarinen, J. (2009): Work ability – a comprehensive concept for occupational health re-search and prevention. Scand J Work Environ Health, 35. 1-5.

Lambeek, L.C., van Mechelen, W., Knol, D.L., Loisel, P., Anema, J.R. (2010): Randomisedcontrolled trial of integrated care to reduce disability from chronic low back pain in workingand private life. Bmj, 340. c1035.

Roelen, C.A., van Rhenen, W., Groothoff, J.W., van der Klink, J.J., Twisk, J.W., Heymans,M.W. (2014): Work ability as prognostic risk marker of disability pension: single-item workability score versus multi-item work ability index. Scand J Work Environ Health, 40. 428-431.

141

Sind administrative Daten geeignet, um Rehabilitationsbedarf zu erkennen?

Spanier, K. (1), Mohnberg, I. (2), Radoschewski, F.M. (2), Streibelt, M. (3), Bethge, M. (1)

(1) Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck, (2) Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft,

Charité – Universitätsmedizin Berlin, (3) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund

Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sind Antragsleistungen. Oft werden Rehabili-tationsanträge trotz erheblicher Einschränkungen jedoch zu spät oder gar nicht gestellt(Deutsche Rentenversicherung, 2013). Eine Möglichkeit zur frühzeitigen Identifikation vonmöglicherweise vorhandenem Rehabilitationsbedarf dieser Personen kann in der Nutzungbereits beim Träger vorhandener administrativer Daten liegen. Die Eignung dieser Daten zurfrühzeitigen Vorhersage von Erwerbsminderungsrentenzugängen konnte unlängst in einerFall-Kontroll-Studie gezeigt werden (Bethge et al., 2011). Um aus administrativen Daten da-rüber hinaus Rehabilitationsbedarf abzuleiten, müssen diese ausreichend mit rehabilitati-onsrelevanten Bedarfsmerkmalen, wie Rentenantragsintention, ausreichender Inanspruch-nahme ambulant ärztlicher Versorgung und subjektiver Arbeitsfähigkeit, assoziiert sein. Ge-prüft wurden die Zusammenhänge des aus administrativen Daten gebildeten RisikoindexErwerbsminderungsrente (RI-EMR) mit Rentenantragsintentionen und weiteren gesund-heits- und erwerbsbezogenen Merkmalen.

Methodik

10.000 Versicherte der Deutschen Rentenversicherung Bund wurden 2013 im Zuge derErstbefragung des „Dritten Sozialmedizinischen Panels für Erwerbspersonen – Rehabilitati-on und Teilhabe (SPE-III)“ mittels Fragebogen befragt. Die Stichprobe berücksichtige Ver-sicherte der Jahrgänge 1959 bis 1973, die im Jahr vor der Erstbefragung zwar Krankengeldbezogen, im vorangegangen 4-Jahres-Zeitraum aber keine Rehabilitationsleistungen bean-tragt oder erhalten hatten. Die Fragebogendaten wurden bei Zustimmung der Befragten mitadministrativen Daten aus den Versichertenkonten verknüpft. Mit diesen Daten wurde derRI-EMR berechnet. Dazu wurden Informationen über das versicherungspflichtige Entgelt,die Bezugsdauer von Krankengeld, Arbeitslosengeld I und II, die Versicherungsdauer undden Bildungsstatus genutzt. Der Indexwert beschreibt die individuelle Wahrscheinlichkeit ei-nes Erwerbsminderungsrentenzugangs binnen der nächsten 5 Jahre. Für die Analysen wur-de der RI-EMR geschlechtsspezifisch so in 2 Risikogruppen kategorisiert (hohes vs. niedri-ges Risiko), dass die Vorhersage von beabsichtigten Rentenantragstellungen optimiert wur-de (Youden, 1950). Alle durchgeführten Analysen erfolgten deshalb nach Geschlechtgetrennt.

Ergebnisse

1.261 Männer und 1.465 Frauen wurden in die Analysen eingeschlossen. Das Durch-schnittsalter der Männer lag bei 47,9 Jahren (SD=4,0), das der Frauen bei 47,8 (SD=4,1).Ungefähr der Hälfte der Teilnehmenden wurde ein hohes Risiko auf dem RI-EMR zugeord-net. Die Odds für eine Rentenantragsintention waren bei hohen Risikoindexwerten für Män-ner 3,4-fach (95 % KI: 2,2 bis 5,2) und Frauen 4,8-fach (95 % KI: 2,8 bis 8,4) erhöht.

142

Männer mit hohem RI-EMR gaben im Durchschnitt 28,7 mehr Tage mit Beeinträchtigungen(95 % KI: 22,3 bis 35,4) und eine deutlich herabgesetzte subjektive Arbeitsfähigkeit(−4,3 Punkte auf dem Work Ability Index; 95 % KI: −5,2 bis −3,3) an, als Männer mit niedri-gen Werten. Personen mit niedrigen Risikoindexwerten gaben weiterhin deutlich höhereWerte auf den Skalen der Short-Form 36 an. So lag der Durchschnittswert der Skalen „Kör-perliche Rolle“ und „Emotionale Rolle“ bei Männern mit niedrigen Werten des RI-EMR bei73,2 (SD=37,6) bzw. 73,8 (SD=38,8) bei Männern mit hohen Risikoindexwerten bei lediglich54,2 (SD=43,3) bzw. 59,8 (SD=44,5).Ähnliche Assoziationen und Differenzen zeigten sichauch für Frauen. Hohe Werte auf dem RI-EMR waren zudem sowohl bei Männern als auchFrauen mit häufigeren Arztkontakten assoziiert.

Diskussion

Der RI-EMR zeigte deutliche Assoziationen mit den untersuchten bedarfsrelevanten Merk-malen. Administrative Daten beinhalten wichtige Informationen, um den Rehabilitationsbe-darf bereits belasteter Personen zu bewerten. Diese Daten sind beim Träger für alle Versi-cherten verfügbar und äußerst zuverlässig. So wäre eine Nutzung administrativer Datenzum einen denkbar, um aktiv auf in ihrer Erwerbsfähigkeit eingeschränkte Versicherte zuzu-gehen und über medizinische Rehabilitationsleistungen zu informieren. Zum anderen könn-ten entsprechend aufbereitete administrative Daten die sozialmedizinische Begutachtungim Falle einer Antragstellung durch zusätzliche Informationen unterstützen.

Schlussfolgerung

Die Assoziationen des RI-EMR mit den untersuchten Merkmalen legen die Nutzbarkeit ad-ministrativer Daten zur Identifikation von Rehabilitationsbedarf nahe.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

Literatur

Bethge, M., Egner, U., Streibelt, M., Radoschewski, F.M., Spyra, K. (2011): Risikoindex Er-werbsminderungsrente (RI-EMR): Eine prozessdatenbasierte Fall-Kontroll-Studie mit8.500 Männern und 8.405 Frauen. Bundesgesundheitsblatt, 54. 1221-1228.

Deutsche Rentenversicherung (2013): Rentenzugang 2012. DRV-Schriften, Bd. 193. Youden, W.J. (1950): Index for rating diagnostic tests. Cancer, 3. 32-35.

143

Exploration von Problemlagen in der orthopädischen Rehabilitationzur Optimierung der Zuweisungs- und Behandlungsadäquanz

Schwarz, B.

Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck

Hintergrund

Innerhalb der orthopädischen Rehabilitation der Deutschen Rentenversicherung (DRV) ha-ben sich in den vergangenen Jahren neben der klassischen, die verhaltensmedizinisch unddie Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation (kurz: OR, VMO und MBOR) etabliert(Löffler et al., 2011; Schwarz et al., 2008). Ziel der Studie war es, die Problemlagen, die eineOR, VMO sowie MBOR indizieren, weiter zu schärfen und klar voneinander abzugrenzen.Typische Kennzeichen und Fälle sollten herausgearbeitet sowie mögliche Sub- und Misch-typen identifiziert werden, um so zur weiteren Optimierung der Zuweisungs- und Behand-lungsadäquanz beizutragen.

Methodik

Zur tiefergehenden Exploration der Problemlagen wurde ein qualitatives Studiendesign ge-wählt (Flick, 2007). Durchgeführt wurden 24 problemzentrierte Interviews mit je 8 OR-,VMO- und MBOR-PatientInnen aus 2 Kliniken, jeweils eine Fokusgruppe mit den Reha-Teams dieser Kliniken sowie eine Fokusgruppe mit PrüfärztInnen und ExpertInnen einesRentenversicherungsträgers. Die Auswertung erfolgte computergestützt (MAXQDA) mittelsinhaltlich-strukturierender qualitativer Inhaltsanalyse, systematisch kontrastierender Fallver-gleiche sowie einer Datentriangulation und wurde kommunikativ validiert (Steinke, 1999).Als Strukturierungs- und Vergleichsraster wurde in Erhebung (Leitfäden) und Auswertung(Codebäume) das biopsychosoziale Modell funktionaler Gesundheit der ICF (DIMDI, 2005)herangezogen: Die Charakteristika der Problemlagen wurden über alle Perspektiven hinwegentlang der Modellkonzepte „Körperfunktionen und -strukturen“ (Schädigungen), „Aktivitätenund Teilhabe“ (Beeinträchtigungen) sowie „umwelt- und personenbezogene Kontextfakto-ren“ (Ressourcen und Barrieren) exploriert.

Ergebnisse

Die Auswertung ergab eine Ausdifferenzierung der MBOR- sowie der VMO-Problemlage injeweils 3 Subgruppen (MBOR funktional, MBOR psychsosozial, MBOR funktional + psycho-sozial, VMO somatoform, VMO Stress, VMO Schmerz + Stress) sowie keine weitere Aus-differenzierung der OR-Problemlage. Zentrale Differenzkriterien waren das Vorliegen einerpsychischen Komorbidität, einer besonderen beruflichen Problemlage (hohe Arbeitsunfä-higkeitszeiten, negative subjektive Erwerbsprognose), privater und/oder beruflicher Belas-tungen sowie der Grad der subjektiven Schmerzwahrnehmung und -beeinträchtigung. Fürjede identifizierte (Sub-)Problemlage wurde eine (entlang des biopsychosozialen Modellsstrukturierte) typisierte Problemlagebeschreibung mit Indikations-/Differenzkriterien, einerKurzbeschreibung, Behandlungsempfehlungen und Fallbeispielen angefertigt. Zudem wur-den Steuerungspfade zur Unterstützung der bedarfsadäquaten Zuweisung und Behandlungsowie eine Sammlung von Diagnostikinstrumenten und ein Fragenkatalog für die Therapie-planung erstellt.

144

Diskussion

Die Studie beschreibt erstmals detailliert die unterschiedlichen Problemlagen, die eine OR,VMO bzw. MBOR indizieren, identifiziert Subgruppen sowie Mischtypen und schafft es so,die bislang abstrakt gebliebenen Zielgruppen der 3 Behandlungskonzepte zu schärfen undklarer voneinander abzugrenzen. Die Ergebnisse und die auf ihrer Basis entwickelten Pro-dukte können auf Träger- wie Klinikseite die differenzierte Zuweisung und Behandlung wei-terführend unterstützen und damit einen wichtigen Beitrag zur bedarfsadäquaten rehabilita-tiven Versorgung leisten.

Ausblick

Die Replizierbarkeit der hier für eine begrenzte Anzahl an Fällen identifizierten Problemla-gen könnte künftig an einer größeren Stichprobe überprüft werden. Zudem wäre zu unter-suchen, ob eine konsequent problemlageorientierte Behandlung tatsächlich zu einer besse-ren Wirksamkeit führt.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

Literatur

Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), WHO-Koope-rationszentrum für das System Internationaler Klassifikationen (Hrsg.) (2005): Internatio-nale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit. Genf: WHO.

Flick, U. (2007): Qualitative Sozialforschung: Eine Einführung (6. Aufl.). Reinbek: Rowohlt.Löffler, S., Gerlich, C., Lukaszcik, M., Vogel, H., Wolf, H.-D., Neuderth, S. (2011): Praxis-

handbuch: Arbeits- und berufsbezogene Orientierung in der medizinischen Rehabilitation(3. Aufl.). Berlin: Deutsche Rentenversicherung Bund.

Schwarz, S., Mangels, M., Sohr, G. (2008): Patienten mit vs. ohne psychische Störung inder orthopädischen Rehabilitation. Der Schmerz, 22. 67-74.

Steinke, I. (1999): Kriterien qualitativer Forschung. Ansätze zur Bewertung qualitativ empi-rischer Sozialforschung. Weinheim, München: Juventa.

Regionale Variationen bei Anschlussrehabilitationen

Radoschewski, F.M., Lay, W., Mohnberg, I.

Charité – Universitätsmedizin Berlin

Ausgangssituation und Fragestellung

Anschlussrehabilitationen (AR/AHB) können nach der Akutversorgung von Patienten fürausgewählte, definierte Indikationen (DRV, 2013a) durchgeführt werden. Dazu gehörenauch AR wegen Neubildungen, die nach § 31 SGB VI auch von Personen außerhalb desErwerbsalters wahrgenommen werden können. Der Anteil der AR an medizinischen Reha-bilitationsleistungen erreichte 2012 34 % (DRV, 2013b). Der Anstieg der AR-Fallzahlen ent-fällt bei Männern zu 41 %, bei Frauen zu 45 % auf degenerativ-rheumatische Krankheitenund Zustände nach Operationen und Unfallfolgen an den Bewegungsorganen sowie zu44 % (29 % nach § 15; 15 % nach § 31) bzw. 47 % (33 % nach § 15; 15 % nach § 31)aufonkologische Krankheiten.

145

Formal resultieren die AR-Trends aus dem Zusammenspiel zweier Komponenten, der Ent-wicklung der Häufigkeit der akuten Krankenhausversorgung und der Häufigkeit der Ein-steuerung aus der Akutversorgung einschließlich der Inanspruchnahme/Nutzung von AR.Dies führt zu der Fragestellung, in welchem Ausmaß diese Komponenten die Häufigkeitszu-nahme beeinflussen und ob und inwieweit sie auch regionale Unterschiede der AR-Häufig-keit bewirken.

Datenbasis/Methodik

Für die Analysen wurde der aus der Längsschnitt-RSD generierte Datensatz „SUF Abge-schlossene Rehabilitation im Versicherungsverlauf 2002-2009“ genutzt, den das Forschungs-datenzentrum der Deutschen Rentenversicherung bereitstellt (FDZ-RV), sowie ein vom För-derer um einige Variablen ergänzter Datensatz. Zur Beantwortung der Fragestellungen wur-den die alters- und geschlechtspezifischen standardisierten Häufigkeiten der AR nachBundesländern berechnet und mit den Häufigkeitsentwicklungen der Akutversorgung vergli-chen, die im Rahmen der GBE des Bundes verfügbar sind (Krankenhausdaten stehen nur re-gionalisiert nach Bundesländern zur Verfügung.). Die Analysen sind Bestandteil des von derDeutschen Rentenversicherung Bund geförderten Projekts zur Epidemiologie von AR.

Ergebnisse

Im Folgenden werden die Ergebnisse beispielhaft für degenerativ-rheumatische Krank-heiten, Zustände nach Operationen und Unfallfolgen an den Bewegungsorganen insgesamtdargestellt.

Die standardisierte Häufigkeit der AR ist zwar generell und in allen Bundesländern angestie-gen, es zeigen sich aber erhebliche regionale Unterschiede. So wurde im Jahr 2009 bei denMännern in Bayern gegenüber Berlin die 2,4-fache Häufigkeit und bei den Frauen im Saar-land gegenüber Hamburg die 1,7-fache Häufigkeit erreicht.

Anm.: Als Standard wurde der Endbestand der Aktiv Versicherten des Jahres 2001 verwendet.

Tab. 1: Entwicklung der altersstandardisierten Häufigkeiten der AR wegen degenerativ-rheumatischerKrankheiten, Zuständen nach Operationen und Unfallfolgen an den Bewegungsorganen nachGeschlecht und ausgewählten Bundesländern

GeschlechtKennzahl

Ende der AR - Jahr

Häufigkeit / 10.000 Aktiv Versicherte

Rang 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

M

Häufigkeit 19,7 20,5 21,6 23,8 24,2 26,6 28,5 31,8

Standard. Häufigkeit 19,7 20,3 21,1 23 23,2 25,2 26,8 29,6

Fallzahl 39.490 41.445 43.068 47.165 48.605 53.530 57.425 63.810

W

Häufigkeit 18,4 18,9 21,4 23,7 22,7 26,5 28,9 31,4

Standard. Häufigkeit 18,4 18,7 20,8 22,7 21,6 24,9 26,7 28,5

Fallzahl 33.078 34.028 37.995 42.038 41.938 49.638 54.590 59.478

MBayern 1 27,0 28,4 27,6 31,0 31,5 35,0 37,6 40,7

Berlin 16 11,2 11 14,3 14,5 11,9 14,1 16,6 16,7

WSaarland 1 22,1 31,1 25,0 23,8 30,4 29,5 39,9 37,7

Hamburg 16 11,1 11,6 14 14,1 15,1 20,5 21,9 21,5

146

Die Unterschiede sind offensichtlich systematischer Natur, da sie sich nicht nur auf ein Ka-lenderjahr beschränken, sondern den gesamten Zeitraum betreffen. Ein weiteres Indiz dafürist die hohe Korrelation zwischen den Häufigkeitsrangfolgen der Männer und der Frauen derBundesländer.

Auch hinsichtlich der Anteile der AR an den akuten Krankenhausfällen bestehen deutlicheregionale Unterschiede bei beiden Geschlechtern. Vergleicht man die Anstiege der AR-Häu-figkeit und der Anteile der AR an den Krankenhausfällen, so zeigt sich, dass bei den Män-nern sowohl in Bayern als auch in Berlin beide Häufigkeiten in gleichem Ausmaß auf etwadas 1,5-Fache angestiegen sind. Bei den Frauen im Saarland sind beide Häufigkeiten aufca. das 1,7-Fache gestiegen, bei jenen in Hamburg haben sie sich annähernd verdoppelt.

Tab. 2: Zahl der AR, geschätzte Zahl der akuten Krankenhausfälle (KF) aktiv Versicherter und Anteilder AR an den KF wegen degenerativ-rheumatischer Krankheiten, Zuständen nach Operatio-nen und Unfallfolgen an den Bewegungsorganen

Die bundeslandspezifischen Verteilungen der relativen AR-Häufigkeit und der AR-Anteile anden Krankenhausfällen korrelieren zudem hoch miteinander (Korrelationskoeffizienten:Männer = 0,854; Frauen = 0,814).

Ähnlich große regionale Unterschiede, wenngleich bei modifizierten Häufigkeitstrends, wei-sen auch die Untergruppen dieser Indikationsgruppe auf. Während die Anteile der AR beisteigenden Krankenhausfällen wegen Coxarthrosen eher sinken, steigen sie bei Gonarthro-sen stark an (vgl. Storz-Pfennig, 2014). Die Häufigkeitsentwicklungen bei Bandscheiben-schäden sind bei großer regionaler Varianz hingegen relativ recht stabil, Bei sonstigen MSKhingegen steigen die Fallzahlen der Akutversorgung und bei auch hier großen regionalenUnterschieden die AR-Anteile sogar noch stärker.

2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

M

AR 39.490 41.445 43.068 47.165 48.605 53.530 57.425 63.810

KF 289.036 284.030 268.162 266.989 271.978 284.570 295.948 308.025

Anteil AR 13,7 % 14,6 % 16,1 % 17,7 % 17,9 % 18,8 % 19,4 % 20,7 %

F

AR 33.078 34.028 37.995 42.038 41.938 49.638 54.590 59.478

KF 246.153 249.659 241.828 246.878 256.785 270.422 284.140 297.776

Anteil AR 13,4 % 13,6 % 15,7 % 17,0 % 16,3 % 18,4 % 19,2 % 20,0 %

Bundesländer mit den höchsten und geringsten Anteilen

MBaden-Württemberg 19,5 % 19,7 % 21,2 % 21,6 % 23,8 % 25,1 % 25,7 % 28,7 %

NRW 8,0 % 9,4 % 11,1 % 12,2 % 11,6 % 12,4 % 13,7 % 14,0 %

FSaarland 16,9 % 25,0 % 21,0 % 20,6 % 26,3 % 26,3 % 32,5 % 28,8 %

NRW 9,0 % 9,6 % 11,6 % 12,6 % 11,8 % 13,5 % 14,4 % 14,0 %

Vergleichswerte der Bundesländer aus Tabelle 1

MBayern 16,4 % 17,4 % 18,7 % 22,1 % 22,4 % 23,7 % 24,4 % 25,3 %

Berlin 11,5 % 11,3 % 15,7 % 16,0 % 13,0 % 15,1 % 17,7 % 17,3 %

FSaarland 16,9 % 25,0 % 21,0 % 20,6 % 26,3 % 26,3 % 32,5 % 28,8 %

Hamburg 9,1 % 9,6 % 11,4 % 12,6 % 13,3 % 17,4 % 18,2 % 18,5 %

147

Diskussion

Aus den Ergebnissen kann unseres Erachtens geschlossen werden, dass die Häufigkeits-anstiege der Akutversorgung zwar weitgehend den Anstieg der AR-Häufigkeit bewirken,aber unterschiedliche und im Zeitverlauf relativ stabile regionale Einsteuerungs- und Inan-spruchnahmemuster gleichermaßen Ursache der regionalen Varianz der AR-Häufigkeitensind. Inwieweit vor allem die von der Akutversorgung beeinflussten Einsteuerungs- und In-anspruchnahmemuster oder auch unterschiedliche Bewilligungsverfahren der Rentenversi-cherungen maßgeblich sind, lässt sich anhand der Datenlage nicht entscheiden.

Literatur

Deutsche Rentenversicherung (2013a): AHB-Indikationskatalog. http://www.deutsche-renten-versicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/3_Fachbereiche/01_sozialmedizin_forschung/down-loads/ sozmed/ahb_indikationskatalog.html. Zugriff: 01.09.2013.

Deutsche Rentenversicherung Bund (2013b): Reha-Bericht 2013 – Die medizinische undberufliche Rehabilitation der Rentenversicherung im Licht der Statistik. 29.

FDZ-RV (2013): http://forschung.deutsche-rentenversicherung.de/FdzPortalWeb/. Zugriff:21.10.2013.

Radoschewski, F.M., Lay, W., Mohnberg, I. (2013): Die mehrfache Inanspruchnahme medi-zinischer Rehabilitation – Ergebnisse einer Längsschnittanalyse. DRV-Schriften, Bd. 101.176-178.

Storz-Pfennig, P. (2014): Deutschland: Geografische Variationen in der Gesundheitsversor-gung, http://www.oecd.org/berlin/publikationen/Deutschland-Geografische-Variationen-in-der-Gesundheitsversorgung.pdf. Zugriff: 13.10.0214.

Reha abgelehnt und dann? Vergleichende Beobachtungsstudie zum weiteren gesundheits- und berufsbezogenen Verlauf der Versicherten

Deck, R., Walther, A.L.

Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck

Hintergrund

Jährlich werden etwa ein Drittel der bei der Rentenversicherung gestellten Anträge aus ver-schiedenen Gründen abgelehnt. Hansmeier et al. (2002) haben in ihrer Studie gezeigt, dassdie Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen vor einer Reha-Antragstellung erhöht ist,sich berufliche und arbeitsplatzbezogene Situation ungünstiger darstellt. Darüber hinausverknüpfen viele Reha-Antragsteller mit der Rehabilitation große Hoffnungen und verspürenim Fall einer Bewilligung große Erleichterung (Pohontsch et al., 2010). Vor diesem Hinter-grund ist davon auszugehen, dass es sich bei der Gruppe der Reha-Antragsteller um einebesonders vulnerable Gruppe bezüglich der Chronifizierung der Erkrankung und der Ent-wicklung gesundheitlicher und beruflicher Problemlagen handelt.

Bislang liegen keine Untersuchungen darüber vor, welche Auswirkungen ein abgelehnterReha-Antrag auf den weiteren gesundheitlichen und berufsbezogenen Verlauf der Reha-Antragsteller hat. Vor diesem Hintergrund wurde eine Beobachtungsstudie durchgeführt, die

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Aufschlüsse darüber ermöglicht, ob die Ablehnung eines Reha-Antrags durch selbstbe-schaffte Gesundheitsangebote und ambulante Therapien kompensiert werden kann bzw. obsich diese Versicherten gesundheitsbezogen und beruflich zu Risikofällen entwickeln.

Methodik

In einer Längsschnittstudie mit 3 Messzeitpunkten (T0 unmittelbar nach der Antragstellung,T1 vier und T2 zehn Monate nach der Antragstellung) wurden im Erhebungszeitraum alleAntragsteller der DRV Nord angeschrieben, die Antrag auf medizinische Rehabilitation ge-stellt hatten. Es wurden Männer und Frauen der Indikationen Orthopädie und Psychosomatikim Alter von 18–65 Jahren eingeschlossen. Die Probanden wurden mit einem standardisier-ten Fragebogen schriftlich befragt, die primären Zielgrößen der Studie sind körperliche undpsychische Beeinträchtigung (FFbH, BSI) und die subjektive Prognose der Erwerbstätigkeit(SPE). Sekundäre Zielgrößen sind weitere gesundheitsbezogene Beeinträchtigungen sowieberufliche Risiken. Außerdem wurde die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen er-fragt.

Ergebnisse

Die Bereitschaft, sich an der Studie zu beteiligen lag bei 55 %. Zum 2. Messzeitpunkt betrugdie Rücklaufquote 71 %. Parallel zu diesem Messzeitpunkt wurde indikationsspezifisch aufder Basis der Rehabilitanden mit abgelehntem Antrag ein Matching mit den Rehabilitanden,deren Antrag bewilligt wurde, durchgeführt. Matchingkriterien waren Alter, Geschlecht undSchulbildung der Antragsteller. Dies führte zu einer Gesamtfallzahl von n=690. Diese wur-den zum 3. Messzeitpunkt angeschrieben, die Rücklaufquote lag bei 71 %. Die finale Stich-probe zum 3. Messzeitpunkt umfasste n= 396 Probanden, 223 mit bewilligtem und 173 mitabgelehntem Antrag.

Am häufigsten wurde der Antrag aufgrund der fehlenden Notwendigkeit abgelehnt. Bei derAntragsentscheidung ist von Bedeutung, wer den Antrag empfohlen oder den Befundberichterstellt hat. Versicherte, die mit dem Befundbericht eines Allgemeinmediziners/Hausarzteseinen Antrag stellen, erhalten öfter einen Ablehnungsbescheid (p=0.012), als Personen, dieeinen Befundbericht vom Facharzt oder einem Krankenhausarzt vorweisen. Bei allen primä-ren und sekundären Zielgrößen sehen wir mit Ausnahme der Funktionsbehinderungen imAlltag (p<0,05) keine Unterschiede in den gesundheitlichen Belastungen bei Antragstellung.Es zeigen sich auch keine Unterschiede hinsichtlich der Inanspruchnahme ärztlicher undnichtärztlicher Leistungen im Jahr vor Reha-Antragstellung.

Mit Blick auf die verschiedenen Skalen zur subjektiven Gesundheit ergibt sich für die Versi-cherten, die eine Reha durchgeführt haben, in einem primären und 2 sekundären Zielgrößenein signifikanter Vorteil (Interaktionseffekt Zeit*Gruppe, p<0,01 bzw. p<0,05). Versicherteohne Reha bleiben in allen Outcomes 4 Monate nach Antragstellung weitgehend stabil oderverbessern sich leicht. Vier Monate nach der Reha-Antragstellung unterscheiden sich dieVersicherten mit und ohne Reha in der Inanspruchnahme von ärztlichen und nichtärztlichenLeistungen mit einer Ausnahme (Ergotherapie) nicht. Bei den genutzten Behandlungsmaß-nahmen sind 4 Monate nach Antragstellung allerdings signifikante Unterschiede zwischenVersicherten mit und ohne Reha festzustellen.

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Zehn Monate nach Reha-Antragstellung sehen wir für beide Versichertengruppen weitereVerbesserungen in allen primären und sekundären Outcomes. Signifikante Vorteile für dieGruppe mit Reha zeigen sich für 2 sekundäre Outcomegrößen (Interaktionseffekt Zeit*Grup-pe, p<0,01 bzw. p<0,05). Bei allen primären Outcomes sind für den Zeitverlauf von Antrag-stellung bis 10 Monate danach für beide Gruppen ähnliche Effektgrößen festzustellen. Auch10 Monate nach Antragstellung unterscheiden sich Versicherte mit und ohne Reha hinsicht-lich ihrer Inanspruchnahme von Ärzten und Therapeuten nicht. Bei den genutzten Therapienfällt auf, dass sich der Umfang der meisten genutzten Angebote bei Versicherten mit Rehanach dem Reha-Aufenthalt deutlich erhöht und zur 10-Monatskatamnese in den meistenFällen genauso deutlich wieder absinkt.

Schlussfolgerung und Ausblick

Die Versicherten unterscheiden sich bei Antragstellung in ihren subjektiven gesundheitsbe-zogenen und beruflichen Belastungen nicht. Die Entscheidung für oder gegen eine Antrags-bewilligung lässt sich aus diesen Parametern nicht ableiten. Die Vermutung, dass bei Ver-sicherten, deren Antrag abgelehnt wurde, mit einem ungünstigen gesundheitlichen oder be-ruflichen Verlauf gerechnet werden muss, ließ sich in unserer Studie nicht bestätigen. DasGegenteil ist der Fall. Auch eine verstärkte Inanspruchnahme alternativer Gesundheitsleis-tungen konnte in der Studie nicht festgestellt werden. Auf welche Faktoren sich diese posi-tiven Entwicklungen zurückführen lassen, können wir auf der Basis der vorliegenden Studienicht beantworten. Diese Fragen sollten ergänzend im Rahmen eines qualitativen Studien-abschnitts untersucht werden, entsprechende persönliche Interviews konnten aber auf-grund mangelnder Teilnahmebereitschaft nicht verwirklicht werden.

Förderung: Verein zur Förderung der Rehabilitationsforschung in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein e. V. (vffr)

Literatur

Hansmeier, T., Ehrhard, M., Albrecht, M., Schmid, S., Brennecke, R., Müller-Fahrnow, W.(2002): Rehabilitation der Rentenversicherung als Element der sozialen Sicherung. Berlin:Abschlussbericht http://www.bbs.charite.de/projekte/fs_proj/ts_a/a4/BBS_A4_Abschlussbericht.pdf.

Pohontsch, N., Raspe, H., Welti, F., Meyer, T. (2011): Die Bedeutung des Wunsch- undWahlrechts des § 9 SGB IX für die medizinische Rehabilitation aus Sicht der Rehabilitan-den. Die Rehabilitation, 50. 244-250.

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Epidemiologie und Reha-Bedarf (Poster)

Wie verändern sich die allgemeinen und psychischen Beschwerden von Vätern im Verlauf einer stationären Vater-Kind-Maßnahme?

Barre, F., Otto, F.

Medizinische Soziologie, Medizinische Hochschule Hannover

Hintergrund

Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen für Mütter und Väter bzw. Mütter/Väter und ihreKinder (§§ 24 und 41 SGB V) gehören zum Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenver-sicherung. Sie haben das Ziel, die Gesundheit der Versicherten zu verbessern, Risikofakto-ren zu reduzieren und Aktivitäten und Teilhabe zu erhalten oder wieder herzustellen. Wäh-rend die Behandlungseffekte der teilnehmenden Mütter mehrfach untersucht wurden (Noe-res, Otto, 2013; Barre, Otto, 2014), liegen bisher keine Studien über die Veränderunggesundheitlicher Parameter der teilnehmenden Väter vor. Ziel der Studie ist es diese Lückezu schließen.

Methode

In einer Multicenterstudie (11 Kliniken) wurden konsekutiv 242 Väter zu Beginn (T1) und amEnde (T2) einer stationären Vater-Kind-Maßnahme schriftlich befragt. Die gesundheitlichenRisikofaktoren und psychosozialen Belastungen der Väter wurden über Itemlisten erfragt.Allgemeine gesundheitliche Beschwerden wie bspw. Nervosität, Kurzatmigkeit oder Kreuz-schmerzen wurden mittels Beschwerdenliste B-L (von Zerssen, 1976) erfasst. Die Auswer-tung erfolgt über Kategorien der Summenskala (Prä-Post-Vergleich mittels Wilcoxon-Test).Die psychische Gesamtbelastung wurde über den Global Severity Index (GSI) der Kurzformder Symptom-Check-List (Klaghofer, Brähler, 2001) ermittelt, zu dem geschlechts- und al-tersspezifische Normwerte vorliegen. Die klinische Bedeutsamkeit von Veränderungen derpsychischen Gesamtbelastung wurde über den Reliable Change Index (Jacobson, Truax,1991) berechnet.

Ergebnisse

Die Väter waren zwischen 26 und 60 Jahre alt (M=42,7, SD=6,2). 76,1 % lebten in einerPartnerschaft, 90,6 % waren erwerbstätig, überwiegend in Vollzeit. Die univariate Varianz-analyse ergab keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Risikofaktoren und belas-tenden Kontextfaktoren zwischen Vätern verschiedener Altersgruppen, verschiedenerSchul- und Berufsabschlüsse und Erwerbsstati.

Die kategoriale Auswertung der Gesamtskala der Beschwerdenliste ergab, dass zu Beginnder Maßnahme 40,5 % als „wahrscheinlich gesund“ gelten konnten, 20,8 % der Väter waren„fraglich abnorm“ und weitere 38,6 % „sicher abnorm“ belastet. Am Ende der Maßnahme be-trug der Anteil der „wahrscheinlich gesunden“ Teilnehmer 76,4 %. 15,2 % waren „fraglichabnorm“ und 8,9 % „sicher abnorm“ belastet. Der Unterschied ist statistisch höchst signifi-kant (Z=−8,886; p<.000).

151

Die psychische Gesamtbelastung, gemessen als GSI-Wert, betrug zu Beginn der Maßnah-me 1,10 (SD=0,70) und am Ende der Maßnahme 0,54 (SD=0,53). Die Veränderung ist sta-tistisch höchst signifikant (t=14,23; df=239; p=.000). Auf Grundlage des alters- und ge-schlechtsspezifischen Normwerts (für Männer im mittleren Lebensalter: M=0,33, SD=0,46)wurde ein Cut-off-Wert von 0,64 für die Untersuchungsstichprobe errechnet. Zu Beginn derMaßnahme überschritten 71,3 % der Väter diesen Wert, waren also als „krank“ einzustufen,am Ende der Maßnahme waren es 20,5 %. 66 Väter waren zu Beginn und am Ende „ge-sund“, 3 Väter wechselten vom „gesunden“ in den „kranken“ Bereich, 70 waren und blieben„krank“ und 100 wechselten vom kranken in den „gesunden“ Bereich. Für diese Väter wurdeüber den Reliable Change Index geprüft, ob die Veränderung als klinisch bedeutsam einzu-schätzen war. Bei 80 Teilnehmern war dies der Fall.

Schlussfolgerung und Ausblick

Die erste Befragung einer größeren Zahl von Vätern, die an einer Vater-Kind-Maßnahmeteilgenommen haben, hat gezeigt, dass die Väter neben allgemeinen somatischen Be-schwerden auch in erheblichem Maß von psychischen Belastungen betroffen sind, die imVerlauf der stationären Behandlung deutlich reduziert werden konnten. Weitere Untersu-chen sollen zeigen, welche Zusammenhänge zwischen allgemeinen und psychischen Be-schwerden und väterspezifischen Lebenslagen bestehen und ob die gesundheitlichen Ef-fekte über einen längeren Zeitraum erhalten bleiben. Des Weiteren ist zu untersuchen, obgleichartige Lebenslagen von Müttern und Vätern zu vergleichbaren gesundheitlichen Be-lastungen führen.

Förderung: Träger von 25 Mutter-/Vater-Kind-Kliniken

Literatur

Barre, F., Otto, F. (2014): Adipositasbehandlung und Sportverhalten nach einer Mutter-Kind-Maßnahme. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 93. 80-91.

Jacobson, N.S., Truax, P. (1991): Clinical significance: A statistical approach to definingmeaningful change in psychotherapy research. Journal of Consulting and Clinical Psy-chology, 59 (1). 12-19.

Klaghofer, R., Brähler, E. (2001): Konstruktion und teststatistische Prüfung einer Kurzformder SCL-90-R. Zeitschrift für Klinische Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie, 49.115-124.

Noeres, D., Otto, F. (2014): Mütter mit chronischen Rückenschmerzen: Nachhaltigkeit derBehandlung in Mutter-Kind-Kliniken. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilita-tion, 93. 65-79.

Zerssen, D. von (1976): B-L Beschwerdenliste. Göttingen: Hogrefe.

152

Ein motivationspsychologisches Modell der Rehabilitationsantragstellung

Spanier, K. (1), Mohnberg, I. (2), Radoschewski, F.M. (2), Bethge, M. (1)

(1) Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck, (2) Institut fürMedizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft,

Charité – Universitätsmedizin Berlin

Hintergrund

Trotz bestehender Einschränkungen werden medizinische Rehabilitationen oft zu spät oderüberhaupt nicht beantragt (Deutsche Rentenversicherung, 2013). In Schwarzers sozial-ko-gnitivem Prozessmodells des Gesundheitsverhaltens setzt gesundheitsrelevantes Handelnsowohl Intentionsbildung als auch konkrete Handlungsplanung voraus. Dabei wird dieHandlungsabsicht (Intention) durch Ergebniserwartungen, Selbstwirksamkeitserwartungenund weitere externen Ressourcen, wie z. B. soziale Unterstützung, determiniert (Schwarzeret al., 2011). Ziel der Studie war es zu prüfen, ob sich Intention und Planung einer Rehabi-litationsantragstellung entsprechend der Annahmen des Prozessmodells erklären lassen.

Methodik

Im Zuge der Erstbefragung des „Dritten Sozialmedizinischen Panels für Erwerbspersonen“wurden 10.000 Versicherte der Deutschen Rentenversicherung Bund mittels Fragebogen be-fragt. Es wurden insgesamt 8 Skalen in Anlehnung an Schwarzers Prozessmodell entworfen:Ergebniserwartungen (3 Skalen), familiäre und ärztliche Unterstützung (2 Skalen), Selbstwirk-samkeit, Intention und Handlungsplanung (jeweils 1 Skala). Die faktorielle Validität des moti-vationspsychologischen Fragebogens wurde mittels konfirmatorischer Faktorenanalyse(KFA) untersucht. Das motivationspsychologische Modell wurde pfadanalytisch entwickelt(Byrne, 2010). KFA und Pfadmodelle wurden akzeptiert, wenn die folgenden Forderungen anden Modell-Fit erfüllt waren: CFI >0,95, NFI >0,95, RMSEA <0,08. In Moderatoranalysen wur-de die Homogenität des Pfadmodells für verschiedene Subgruppenanalysen geprüft.

Ergebnisse

Insgesamt 2.911 Personen wurden in die Analysen eingeschlossen. Das Durchschnittsalterlag bei 47,9 Jahren (SD=4,1). 53 % der Teilnehmenden waren weiblich. Die antizipierte8-Faktorenstruktur des motivationspsychologischen Modells konnte bestätigt werden (CFI =0,972; NFI = 0,967; RMSEA = 0,046).

Das pfadanalytisch entwickelte Modell der Rehabilitationsantragstellung hatte eine hervor-ragende Anpassung (CFI = 0,998; NFI = 0,998; RMSEA = 0,025). Die Intention zur Antrag-stellung wurde direkt durch negative familienbezogene Ergebniserwartungen, familiäre undärztliche Unterstützung sowie durch Selbstwirksamkeitserwartungen erklärt (Abb. 1). Fami-liäre und ärztliche Unterstützung wirkten über die Selbstwirksamkeit auch indirekt auf die In-tention einer Antragstellung. Handlungsplanung wurde direkt durch die Intention sowie di-rekt und indirekt durch familiäre und ärztliche Unterstützung erklärt. Die Modellanpassungwar für unter 50-jährige und 50-jährige und ältere Personen sowie Männer und Frauen ver-gleichbar. Personen mit geringer Bildung schätzten die Bedeutung der ärztlichen Unterstüt-zung höher ein. Bei Personen mit schlechter subjektiver Arbeitsfähigkeit waren beinahe allePfadkoeffizienten im Modell höher als bei Personen mit guter subjektiver Arbeitsfähigkeit.

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Abb. 1: Motivationspsychologisches Modell der Rehabilitationsantragstellung

Diskussion

Das Prozessmodell des Gesundheitsverhaltens lässt sich mit einigen Modifizierungen auchauf die Planung einer Rehabilitationsantragstellung anwenden. Für die Intentionsbildungscheinen Ergebniserwartungen an die Rehabilitation kaum von Bedeutung zu sein. Wich-tigste Determinanten sind die wahrgenommene familiäre und ärztliche Unterstützung, diesowohl auf Selbstwirksamkeitserwartungen und Antragsintention als auch die konkrete Pla-nung einer Antragstellung wirken.

Schlussfolgerungen

Das hier vorgestellte motivationspsychologische Modell der Rehabilitationsantragstellungträgt zum Verständnis der Wirkbeziehungen einzelner intentionsbildender Faktoren bei undunterstreicht die Bedeutung ärztlicher und familiärer Unterstützung für die Beantragung me-dizinischer Rehabilitation.

Literatur

Byrne, B.B. (2010): Structural Equation Modeling with AMOS: basic concepts, applications,and programming (2nd Edition). New York: Routledge.

Deutsche Rentenversicherung (2013): Rentenzugang 2012, Bd. 193. Deutsche Rentenver-sicherung Bund, Berlin.

Schwarzer, R., Lippke, S., Luszczynska, A. (2011): Mechanisms of health behaviour changein persons with chronic illness or disability: the Health Action Process Approach (HAPA).Rehabil Psychol, 56. 161-170.

Familienbezogene, negative

Ergebniserwartung Intention Handlungsplanung

Selbstwirksamkeit

Familiäre Unterstützung

Ärztliche Unterstützung

0,31

0,63

0,09 0,15 0,24 0,33

-0,05

0,24

0,08

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Möglichkeiten zur Ermittlung des Erwerbsstatus aus Routinedaten und Rehabilitandenbefragung am Beispiel der

„Reha-QM-Outcome-Studie Baden-Württemberg“

Kaluscha, R. (1), Nübling, R. (2), Holstiege, J. (1), Krischak, G. (1), Müller, G. (3), Martin, H. (4), Renzland, J. (5), Reuss-Borst, M. (6), Kaiser, U. (7), Toepler, E. (8)

(1) Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, (2) GfQG, Karlsruhe, (3) Schlossklinik Bad Buchau, (4) Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg, (5) Kur- und Klinikverwaltung Bad Rappenau, (6) Reha-Zentren Baden-Württemberg, (7) Hochgebirgsklinik Davos, (8) Hochschule Bonn-Rhein-Sieg

Hintergrund

Ein wichtiges Ziel der medizinischen Rehabilitation der Rentenversicherung war schon im-mer die berufliche (Wieder-)Eingliederung der Rehabilitanden. Daher ist die Ermittlung desErwerbsstatus ein zentrales Element für die Bewertung des Rehabilitationsergebnisses. Fürdie konkrete Umsetzung bestehen jedoch mehrere Möglichkeiten: Betrachtung von Einkom-men, Beschäftigungsdauer oder -art, Stichtags- oder Zeitraumbetrachtung, kurz-, mittel-oder langfristige Erhebung, Befragung der Rehabilitanden oder Nutzung von Daten der So-zialversicherung etc. In diesem Beitrag werden mögliche Herangehensweisen am Beispielder „Reha-QM-Outcome-Studie“ des „Qualitätsverbundes Gesundheit“ und der DeutschenRentenversicherung Baden-Württemberg (Kaluscha et al., 2014) beleuchtet.

Methodik

In der Studie wurden Angaben zum Erwerbsstatus sowohl bei einer Rehabilitandenbefra-gung ein Jahr nach der Rehabilitationsmaßnahme als auch in Form von Routinedaten derRentenversicherung Baden-Württemberg erhoben. Über ein Pseudonym konnten Fragebo-gen und die Routinedaten aus der Rehabilitationsstatistikdatenbasis (RSD) datenschutzge-recht für 3.745 Rehabilitanden verknüpft werden, von denen 2.979 im Fragebogen Angabenzum Erwerbsstatus nach der Rehabilitation machten. In den Routinedaten waren zudemmonatsweise Angaben zur Beitragsart bzw. Anrechnungszeiten verfügbar. Fallen in einemMonat mehrere Sachverhalte zusammen, gibt es Prioritätsregeln, welche Beitragsart kodiertwird. Ferner enthält die RSD kalenderjährlich die Anzahl der Tage mit sozialversicherungs-pflichtiger Beschäftigung sowie das daraus erzielte Einkommen. Hier ist zu beachten, dassabhängig vom Zeitpunkt der Rehabilitationsmaßnahme innerhalb des Jahres zwischen11 (Maßnahme im Januar) und 1 Monat (Maßnahme im Dezember) zwischen dem Ende derMaßnahme und dem Beobachtungszeitraum liegen können.

Aus den monatlichen Angaben zur Beitragsart wurde ein gewichteter Index gebildet, dervom Wert 0 bei Einkommenslosigkeit bzw. reinem Bezug von Sozialleistungen über ¼ fürgeringfügige Beschäftigung bzw. ½ bei Beschäftigung in der Gleitzone bis 1 für ein reguläresBeschäftigungsverhältnis reicht, und dieser über das Jahr nach Rehabilitation gemittelt.

Ergebnisse

Die drei in den Routinedaten enthaltenen Zielgrößen korrelieren hoch miteinander, wobei dieKorrelation zwischen Index und Beschäftigungstagen mit 0,96 am höchsten und die zwischenIndex bzw. Beschäftigungstagen und Einkommen mit 0,83 bzw. 0,86 etwas geringer ist.

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Diskussion

Auch zwischen der zeitpunktbezogenen Selbstangabe und den zeitraumbasierten Maßenaus den Routinedaten ergeben sich plausible Zusammenhänge (Tab. 1). So weisen etwadie Vollzeit-Erwerbstätigen erwartungsgemäß das höchste Einkommen auf. Im Detail gibtes aber interessante Unterschiede: so haben z. B. Teilzeitbeschäftigte nicht nur wenigerEinkommen als Vollzeit-Erwerbstätige, sondern auch weniger Beschäftigungstage – letzte-res war a priori nicht zu erwarten.

Tab. 1: Erwerbsstatus 12 Monate nach Rehabilitation laut Selbstangabe vs. Mittelwerte des gewichte-ten Beschäftigungsindexes in den 12 Monaten nach Rehabilitation sowie der Beschäftigungs-tage und des Einkommens im Kalenderjahr nach Rehabilitation

Interessant sind auch die geringen Werte der „in Ausbildung“ befindlichen Personen. Diesdeutet darauf hin, dass es sich nicht um betriebliche Ausbildungen, sondern um Maßnah-men der Rentenversicherung bzw. Arbeitsagentur handelt, während derer Sozialleitungenbezogen werden.

So kann ein Vergleich unterschiedlicher Operationalisierungen des Erwerbsstatus nicht nurim Rahmen von Sensitivitätsanalysen zur Prüfung der Robustheit von Ergebnissen genutztwerden, sondern auch interessante Zusatzinformationen liefern.

Literatur

Kaluscha, R., Nübling, R., Toepler, E., Kaiser, U., Müller, G., Martin, H., Renzland, J.,Reuss-Borst, M., Kriz, D., Schmidt, J., Krischak, G. (2014): Zusammenhänge zwischenPatientenselbsteinschätzung und Sozialversicherungsbeiträgen ein Jahr nach Rehabilita-tion: Ergebnisse aus der „Reha-QM-Outcome-Studie“ des Qualitätsverbundes Gesundheitund der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg. DRV-Schriften, Bd. 103.191-193.

Erwerbsstatus N = Gew. Index Beschäft.tage EinkommenVollzeit berufstätig 1.513 0,839 308,0 32.905 €Teilzeit berufstätig 373 0,699 247,2 12.554 €in Ausbildung 31 0,161 30,9 2.519 €arbeitslos 384 0,135 36,7 2.375 €Zeitrente 79 0,057 7,5 521 €dauerhaft berentet 451 0,081 16,9 1.240 €Hausfrau/mann 148 0,091 26,9 1.240 €

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Die Verknüpfung von Erhebungs- und Routinedaten –Nutzungspotenziale für die Analyse der Fragebogen-Response

Holstiege, J. (1), Jankowiak, S. (1), Kaluscha, R. (1), Krischak, G. (1,2)

(1) Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau, (2) Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Federseeklinik, Bad Buchau

Hintergrund

Fragebogengestützte Datenerhebungen leiden im Regelfall darunter, dass nicht alle Perso-nen zu einer Studienteilnahme bereit sind und in der Folge keine Vollerhebung erreicht wird.Da sich Antworter häufig hinsichtlich studienrelevanter Eigenschaften systematisch vonNichtantwortern unterscheiden, birgt dies die Gefahr, dass die gewonnenen Ergebnissedurch Selektionseffekte in der Studienpopulation verzerrt werden. Im Idealfall sollte daspotenzielle Risiko von Verzerrungen untersucht werden. Allerdings müssen hierfür meistaufwändige Nachbefragungen der Nichtantworter durchgeführt werden, um zumindest füreinen Teil dieser Personengruppe Daten zu studienrelevanten Merkmalen zu erheben.

Im Gegensatz dazu konnten im Rahmen einer Studie zur verstärkten Einbindung von Haus-ärzten in die Rehabilitationsnachsorge, Befragungsdaten von Rehabilitanden mit Routine-daten der DRV-BW anonymisiert verknüpft werden. Da diese als Vollerhebung vorlagen,standen unabhängig von der Fragebogen-Response u. a. soziodemographische Informa-tionen sowie Informationen zum sozialmedizinischen Verlauf zur Verfügung. Dies ermög-lichte die umfassende Untersuchung systematischer Unterschiede zwischen Antworternund Nichtantwortern.

Methodik

Die Gegenüberstellung von Antwortern und Nichtantwortern erfolgte sowohl zu soziodemo-graphische Variablen (u. a. Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit) als auch zu Reha-bilitationsdiagnosen und Kennzahlen zur Teilhabe am Erwerbsleben vor Rehabilitation (u. a.Beschäftigungsmonate und Arbeitsunfähigkeitszeiten). Gruppenunterschiede wurden an-hand des CHI²- und des Wilcoxon-Rangsummentests auf statistische Signifikanz geprüft.Darauf aufbauend wurde der gemeinsame Einfluss von ungleich verteilten Merkmalen aufdie Fragebogen-Response, d. h. die Rücksendung eines ausgefüllten Fragebogens („Ja“ vs.„Nein"), mittels logistischer Regressionsanalyse modelliert. Alle Analysen wurden mitSAS 9.3 durchgeführt.

Ergebnisse

Insgesamt sendeten 1.768 (53 %) von 3.342 angeschriebenen Rehabilitanden einen ausge-füllten Fragebogen zurück. Nichtantworter waren im Vergleich zu Antwortern etwas jünger(Ø-Alter: 49,2 vs. 51,2 Jahre; p<0.01) und wiesen höhere Anteile an Personen mit ausländi-scher Staatsangehörigkeit (17 % vs. 9 %; p<0.01) und Arbeitsunfähigkeitszeiten (87 % vs.82 %; p<0.01) sowie eine geringere Anzahl an Monaten mit sozialversicherungspflichtigerBeschäftigung im Vorjahr der Rehabilitation (Ø-Anzahl: 10,1 vs. 9,7; p<0.01) auf.

Im Rahmen der logistischen Regressionsanalyse zur Vorhersage der Fragebogen-Respon-se verblieben die Arbeitsunfähigkeitszeiten, die Staatsangehörigkeit und das Alter als sta-

157

tistisch signifikante Prädiktoren im Modell. Mit einem Odds Ratio (OR) von 0,51 (95 %-KI:0,41–0,64) wiesen nichtdeutsche eine deutlich verringerte Antwortbereitschaft im Vergleichzu deutschen Rehabilitanden auf. Die Wahrscheinlichkeit der Fragebogenrücksendungstieg mit dem Alter an (OR: 1,03, 95 %-KI: 1,02–1,04). Im Vergleich zu Rehabilitanden ohneArbeitsunfähigkeitszeiten wiesen jene mit bis unter 3 Monaten Arbeitsunfähigkeit eine um21 % reduzierte Wahrscheinlichkeit der Fragebogen-Response auf (OR: 0,79, 95 %-KI:0,63–0,94). Die Antwortbereitschaft reduzierte sich weiter, wenn längere Arbeitsunfähigkeits-perioden vorlagen (3 bis <6 Monate: 0,56, 95 %-KI: 0,43-0,72; ≥6 Monate: 0,54, 95 %-KI:0,42–0,71).

Diskussion

Die hier durchgeführten Auswertungen zur Stichprobenselektivität auf Basis der Routineda-ten gehen, aufgrund der Datenvollständigkeit für Antworter und Nichtantworter sowie desbreiten Informationsspektrums, weit über die in einem Großteil anderer Studien vorliegen-den Möglichkeiten hinaus.

Die Identifizierung von Risikofaktoren für die Fragebogen-Nonresponse ermöglicht die Re-präsentativität der Ergebnisse der Hauptstudie auf Basis belastbarer Zahlen einzuordnen.Eine reduzierte Antwortbereitschaft fand sich sowohl bei Ausländern und Angehörigen un-terer Altersgruppen als auch bei Rehabilitanden, die entsprechend höherer Arbeitsunfähig-keitszeiten relativ starke Einschränkungen der beruflichen Teilhabe vor Rehabilitation auf-weisen.

Es besteht Grund zur Annahme, dass ähnliche Einschränkungen der externen Validitätdurch mangelnde Response in relevanten Gruppen auch in anderen fragebogengestütztenErhebungen in der Rehabilitationsforschung vorliegen. Gesonderte Vorgehensweisen fürdie Erhöhung des Fragebogenrücklaufs in Subgruppen, beispielsweise die Versendungmehrsprachiger Fragebögen, das zielgerichtete setzen ökonomischer Anreize oder die Zie-hung quotierter Stichproben, sind denkbar.

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Reha-Nachsorge

Zurück in die Zukunft: Aktuelle Ergebnisse einer qualitativen Befragung zu Bedarf, Akzeptanz und Implementierung internetbasierter Nachsorge

Hennemann, S. (1), Rudolph, F.M. (2), Waldeck, E. (3), Beutel, M.E. (1), Zwerenz, R. (1)

(1) Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitäts-medizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, (2) Mittelrhein-Klinik Bad Salzig, Fachklinik für Psychosomatische und Onkologische Rehabilitation, (3) Edelsteinklinik,

Fachklinik für Kinder- und Jugendrehabilitation

Hintergrund und Ziele

Die Digitalisierung der Gesellschaft zeigt sich zunehmend auch in einem wachsenden An-gebot wirksamer internetbasierter Gesundheitsinterventionen, sog. IGI (Webb et al., 2010).In der stationären medizinischen Rehabilitation wurden in den letzten Jahren internetge-stützte Angebote vor allem für die Nachsorge entwickelt, um Versorgungslücken zu über-brücken und auf ökonomische und flexible Weise Nachhaltigkeit zu sichern (Lin et al., 2013).Angesichts des Spannungsfelds aus technischer Entwicklung und komplexer Umsetzung inder Rehabilitation ergeben sich jedoch wichtige Fragen nach dem individuellen Bedarf undder Akzeptanz dieser Angebote, insbesondere um deren Erfolg zu sichern (Waller, Gilbody,2009). Bei den meist post-hoc erhobenen Angaben zur Akzeptanz entsprechender Interven-tionen fehlen differenzierte qualitative Analysen, um die Wirkweise und praktische Umset-zung internetbasierter Nachsorge umfassender zu erklären. Ziel der Studie ist es daher, inqualitativen Interviews zu untersuchen, welche Erfahrungen, Einstellungen und welchen Be-darf an internetbasierter Nachsorge Mitarbeiter und Rehabilitanden aufweisen und möglicheModeratoren zu explorieren.

Methodik und Stichprobe

Im Rahmen einer explorativen Querschnittserhebung wurden in zwei Rehabilitationsklinikender DRV Rheinland-Pfalz mit verschiedenen Indikationsbereichen (Kinder- und Jugend-rehabilitation sowie onkologische bzw. psychosomatische Rehabilitation) n= 17 Mitarbeiter(im Mittel 7,14 Jahre Berufserfahrung in der Klinik, SD=6,83) aus verschiedenen Berufs-gruppen (z. B. aus dem therapeutischen-, pflegerischen- oder Verwaltungsbereich) in zweiFokusgruppen befragt. Die Interviews wurden im Anschluss transkribiert und nach relevan-ten Zitaten durchsucht. Die Auswertung erfolgte sowohl deduktiv (Vorgabe der Kategorienanhand des Interviewleitfadens) wie auch induktiv (Spezifizierungen in Form von Unterkate-gorien, denen Textstellen zugeordnet wurden).

Ergebnisse

Internet und Rehabilitation: Mitarbeiter geben an, das Internet vor allem zur Behandler- undInfosuche zu nutzen. Die gesundheitsbezogene Internetsuche und Meinungsbildung (z. B.via Internetpräsenz der Einrichtung) der Rehabilitanden wird kritisch bewertet. Kenntnis-stand und subjektive Konzepte zur gesundheitsbezogenen Internetnutzung: Hiermit werdenüberwiegend therapieähnliche videogestützte Kontaktformen assoziiert, weniger niedrig-

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schwellige Angebote, welche die tatsächliche Mehrheit der existierenden Anwendungenausmacht. Die Mehrheit berichtet geringe bis keine Nutzungserfahrung mit IGI, 3 Mitarbeiterhatten bereits IGI im professionellen Kontext genutzt, was sich positiv auf deren Akzeptanzauswirkt. Bedarf, Akzeptanz und Implementierung: Mitarbeiter benennen vor allem Skepsisgegenüber dem therapeutischen Kontakt via Internet und dem Datenschutz, kritisieren ge-ringere Steuerungsmöglichkeiten, befürchten den Rückzug der Rehabilitanden ins Virtuelle.Vorteilhaft gegenüber bisherigen Konzepten oder Medien sehen sie die Anwendung als„Brückenfunktion“, z. B. als Vorbereitung auf die Reha-Maßnahme, Informationsplattform zuUnterstützungsangeboten oder Vereinfachung der Verlaufskontrolle. Weitere Ideen betref-fen vor allem motivationale und edukative Anwendungszwecke. Bezüglich der Umsetzungwerden die technische Infrastruktur, eine schwierige Vereinbarkeit mit den Arbeitszeiten unddie Frage der Verortung im System diskutiert. Mitarbeiter schätzen die Akzeptanz und Nut-zung internetbasierter Nachsorge für erwachsene Rehabilitanden als eingeschränkt (Zu-gangsschwierigkeiten durch höheres Alter, geringere Computerkompetenz), für jugendlicheRehabilitanden als optimistisch ein. Hier wird auch ein Bedarf an unterstützenden internet-basierten Angeboten für Eltern festgestellt.

Diskussion und Ausblick

Zusammenfassend zeigte sich eine heterogene Akzeptanz des Mediums Internet zur Ge-sundheitsförderung, mit kritischer Einschätzung des Kontakts über das Internet und Vortei-len hinsichtlich Flexibilität und Ökonomie. Bedarf an internetbasierter Nachsorge wird über-wiegend aus dem ärztlich-psychotherapeutischem Bereich angemeldet und wird vor alleman eigenem Arbeitsaufwand und der Beziehungsqualität gemessen. Ein Gefälle in der ein-geschätzten Akzeptanz bei Rehabilitanden zwischen den beiden Altersbereichen wurdedeutlich. Aus den Ergebnissen lässt sich auch ableiten, dass durch Aufklärung und Schu-lung im Umgang mit neuen Medien zu Gesundheitszwecken für Mitarbeiter möglicherweiseAkzeptanz und damit auch den Erfolg internetbasierter Nachsorge gesteigert werden kann.Diesen Ergebnissen sollen im Weiteren die Aussagen von Rehabilitanden-Interviews ge-genübergestellt werden, bevor mit einer Fragebogenerhebung bei Mitarbeitern und Rehabi-litanden Indikatoren des Bedarfs und der Akzeptanz an einer größeren Stichprobe unter-sucht werden.

Förderung: Illa und Werner Zarnekow Stiftung für Rehabilitation

Literatur

Lin, J., Ebert, D.D., Lehr, D., Berking, M., Baumeister, H. (2013): Internetbasierte kognitiv-behaviorale Behandlungsansätze: State of the Art und Einsatzmöglichkeiten in der Reha-bilitation. Rehabilitation, 52. 155-163.

Waller, R., Gilbody, S. (2009): Barriers to the uptake of computerized cognitive behaviouraltherapy: a systematic review of the quantitative and qualitative evidence. Psychol Med,39. 705-712.

Webb, T. L., Joseph, J., Yardley, L., Michie, S. (2010): Using the internet to promote healthbehavior change: a systematic review and meta-analysis of the impact of theoretical ba-sis, use of behavior change techniques, and mode of delivery on efficacy. J Med InternetRes, 12. e4.

160

Wirksamkeit der psychotherapeutischen Online-Nachsorge „GSA-Online“ für beruflich belastete Patienten verschiedener Indikationen der Rehabilitation

Becker, J. (1), Beutel, M.E. (1), Gerzymisch, K. (1), Holme, M. (2), Kiwus, U. (3), Knickenberg, R.J. (4), Spörl-Dönch, S. (5), Zwerenz, R. (1)

(1) Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie,Universitätsmedizin, der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, (2) Reha-Zentrum

Bad Pyrmont, Klinik Weser, (3) Reha-Zentrum Bad Nauheim, Klinik Wetterau,(4) Psychosomatische Klinik Bad Neustadt/Saale der Rhön-Klinikum AG,

(5) Klinik Haus Franken GmbH, Bad Neustadt/Saale

Hintergrund

Belastende Berufsmerkmale wirken sich negativ auf die psychische und somatische Ge-sundheit aus. Vor diesem Hintergrund sind Interventionen mit beruflichem Fokus entwickeltworden. Diese haben sich in der stationären Rehabilitation als wirksam erwiesen (Streibelt,Buschmann-Steinhage, 2011). Die erreichten Effekte bedürfen jedoch einer Nachsorgebe-handlung, um verstetigt zu werden (Deck et al., 2012). Sibold et al. (2011) haben die Pro-bleme von Nachsorgebehandlungen, wozu insbesondere die Erreichbarkeit gehört, deutlichgemacht. Internetbasierte Interventionen bieten sich als praktikable, ökonomische und nied-rigschwellige Nachsorgemöglichkeit an. Deren Wirksamkeit ist bisher nur in einzelnen Stu-dien nachgewiesen worden (Ebert et al., 2013).

Methode/Studiendesign

In einer multizentrischen, randomisiert-kontrollierten Studie (Zwerenz et al., 2013) sind indi-kationsübergreifend (Kardiologie, Orthopädie, Psychosomatik) konsekutiv Patienten in dieInterventions- (IG) oder die Kontrollgruppe (KG) randomisiert worden. Während der statio-nären Rehabilitation haben beide Gruppen das Gruppentraining Stressbewältigung am Ar-beitsplatz („GSA“) absolviert. Im Anschluss an die Entlassung aus der Rehabilitation hat dieIG die psychotherapeutische Online-Nachsorge „GSA-Online“ erhalten. Die KG dagegenhat Zugang zu im Internet frei zugänglichen Informationen zu Gesundheitsthemen gehabt.Die Datenerhebung hat zu Beginn und zum Ende der Rehabilitation, zum Ende der Inter-vention und zur Katamnese (ein Jahr nach Entlassung) mit standardisierten Verfahren (u. a.SIBAR, SPE, AVEM, PHQ, SF-12) stattgefunden.

Ergebnisse

Die Online-Nachsorge ist von den Patienten gut angenommen worden. 75 % der n=632 Stu-dienteilnehmer haben sich auf der Studienwebsite mindestens einmal eingeloggt. Bezüglichder Hauptzielgröße, dem sozialmedizinischen Risikoindex des SIBAR, unterscheiden sichdie Studiengruppen zur Katamnese nicht signifikant (F(1,606) = 2,44, p=.12). Bei der sub-jektiven Prognose der Erwerbstätigkeit (SPE) hingegen zeigt sich zum gleichen Zeitpunktein Unterschied (F(1,606) = 4,80, p=.03, ω²=.004). Hinsichtlich der beruflichen Bewälti-gungsmuster profitiert die IG im Vergleich zur KG auf den Skalen Innere Ruhe (F(1, 606) =7,12, p=.008, ω²=.006) und Lebenszufriedenheit (F(1, 606) = 4,21, p=.04, ω²=.003) zur Ka-tamnese signifikant. Auch bei Kennwerten psychischer Beeinträchtigung wie Depression &Stress (PHQ; F(1,604) = 7,80 p=.005, ω²=.006 & F(1,601) = 10,28, p=.001, ω²=.008) und

161

Ängstlichkeit (GAD-7; F(1,605) = 16,29, p<.001, ω²=.015) weist die IG sowohl zum Ende derIntervention als auch in der Katamnese eine signifikant geringere Belastung auf. Für die psy-chische Gesundheit (SF-12; F(1,593) = 4,67, p=.03, ω²=.004) und die Somatisierung (PHQ;F(1,603) = 5,22, p=.02, ω²=.004) gilt dies nur zur Katamnese.

Diskussion

Die Online-Nachsorge „GSA-Online“ weist eine hohe Akzeptanz auf. Darüber hinaus hat siesowohl auf berufliche wie auch auf psychische Kennwerte einen positiven Einfluss. Die Wahldes sozialmedizinischen Risikoindex des SIBAR als Hauptzielgröße hat sich als nicht sinn-voll erwiesen, da er nicht als Veränderungsmaß konzipiert worden ist. Darüber hinaus warendie Skalenwerte sehr gering. Somit ist die Streuung eingeschränkt und Effekte sind geringer.

Schlussfolgerung/Umsetzung/Ausblick

„GSA-Online“ stellt für die untersuchten Indikationen eine praktikable und wirksame Nach-sorgemaßnahme zur Unterstützung von Patienten bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz dar.Die Intervention stabilisiert und verbessert die Behandlungsergebnisse. Sie senkt das Risikoeiner Frühberentung und verbessert dauerhaft die psychischen Beschwerden. Sowohl dieexakten Kosten der Intervention an sich, als auch die Relation aus Kosten und Nutzen imVergleich zu anderen Nachsorgemaßnahmen sollten in Zukunft weiter untersucht werden.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

Literatur

Deck, R., Schramm, S., Hüppe, A. (2012): Begleitete Eigeninitiative nach der Reha („neuesCredo“) – ein Erfolgsmodell? Die Rehabilitation, 51 (5). 316-325.

Ebert, D., Tarnowski, T., Gollwitzer, M., Sieland, B., Berking, M. (2013): A transdiagnosticinternet-based maintenance treatment enhances the stability of outcome after inpatientcognitive behavioral therapy: a randomized controlled trial. Psychotherapy and psychoso-matics, 82 (4). 246-256.

Sibold, M., Mittag, O., Kulick, B., Müller, E., Opitz, U., Jäckel, W.H. (2011): Prädiktoren derTeilnahme an einer Nachsorge nach ambulanter Rehabilitation bei erwerbstätigen Reha-bilitanden mit chronischen Rückenschmerzen. Die Rehabilitation, 50 (6). 363-371.

Streibelt, M., Buschmann-Steinhage, R. (2011): Ein Anforderungsprofil zur Durchführungder medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation aus der Perspektive der gesetzlichenRentenversicherung. Die Rehabilitation, 50 (3), 160-167.

Zwerenz, R., Gerzymisch, K., Edinger, J., Holme, M., Knickenberg, R.J., Sporl-Donch, S.,Kiwus, U., Beutel, M.E. (2013): Evaluation of an internet-based aftercare program to im-prove vocational reintegration after inpatient medical rehabilitation: study protocol for acluster-randomized controlled trial. Trials, 14 (1). 26.

162

Intensivierte medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitationsnachsorge: Langfristige Ergebnisse der randomisiert-kontrollierten Multicenter-Studie

Briest, J. (1), Bethge, M. (2)

(1) Klinik für Rehabilitationsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover,(2) Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität Lübeck

Hintergrund

Die Intensivierte medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitationsnachsorge (IMBORENA)wurde mit dem Ziel einer stärkeren Berücksichtigung der beruflichen Anforderungen in derNachsorge entwickelt. Sie ergänzt die herkömmliche Intensivierte Rehabilitationsnachsorge(IRENA) um die vier Module Arbeitsplatzbezogenes Training, berufsbezogene psycho-soziale Gruppen, Sozialberatung und Entspannungsverfahren. Diese spezifischen Angebo-te im Rahmen der Nachsorge haben einen Mindestumfang von 435 Minuten (Briest, Bethge,2013) und ersetzen einen Teil der herkömmlichen IRENA (24 Termine je 90 bis 120 Minu-ten). Ziel der von uns durchgeführten Studie war die Überprüfung der Wirksamkeit derIMBORENA im Vergleich zur herkömmlichen IRENA.

Methodik

Die Wirksamkeit der IMBORENA wurde in einer randomisiert kontrollierten Multicenter-Stu-die überprüft (DRKS-ID: DRKS00003360). Teilnehmer wurden in 11 ambulanten Rehabili-tationszentren rekrutiert. Die Interventionsgruppe erhielt die IMBORENA, die Kontrollgruppedie IRENA. Schriftliche Befragungen wurden am Beginn der Nachsorge (T1) und 12 Monatespäter (T3) durchgeführt. Eingeschlossen wurden erwerbstätige orthopädische Rehabilitan-den im Alter von 18–65 Jahren mit a) mindestens 3-monatiger Arbeitsunfähigkeit im Jahr vorBeginn der Rehabilitation oder b) aktueller Arbeitsunfähigkeit am Nachsorgebeginn oder c)ungünstiger subjektiver Erwerbsprognose.

Primäre Zielgröße war der Work Ability Index (WAI) (Ilmarinen, 2009). Sekundäre Zielgrö-ßen waren unter anderem die Skalen des SF-36 und die Arbeitsunfähigkeitsdauer. Aufgrundder auf Klinikebene stark variierenden Behandlungsgenauigkeit (Briest, Bethge, 2014)wurden neben den Intention-to-treat(ITT)-Analysen Auswertungen durchgeführt, in denenlediglich Kliniken mit adäquater Umsetzung des Programms berücksichtigt wurden (goodpractice, GP).

Ergebnisse

Etwa die Hälfte (55 %) der 307 Studienteilnehmer war weiblich (Durchschnittsalter 46,5 Jah-re; SD=10,2). Im Durchschnitt waren die Befragten vor ihrer Rehabilitation 9,4 Wochen ar-beitsunfähig (SD=4,7). 199 Personen (64,8 %) nahmen an der Befragung zu T3 teil.

Sowohl in der ITT-Analyse als auch in der GP-Analyse konnten auf keinem der Zielparametersignifikante Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen beobachtet werden. Währenddie Zwischengruppeneffekte zugunsten der IMBORENA in der ITT-Analyse marginal waren(SMD = 0,01 bis 0,11) [SMD = Standardisierte Mittelwertdifferenz] wurden in der GP-Analysegünstigere Effekte erreicht. Dies zeigte sich insbesondere auf der körperlichen Rollenfunk-tionsskala des SF-36 (SMD = 0,34; p=0,053) sowie dem WAI (SMD = 0,29; p=0,095).

163

Beide Gruppen verbesserten sich deutlich bezüglich ihrer Lebensqualität und Arbeitsfähig-keit. Dies zeigte sich besonders hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeitsfähigkeit (SES = 1,60;95 % KI: 1,37−1,85) [SES = Standardisierte Effektstärke] und der körperlichen Rollenfunk-tion (SES = 1,46; 95 % KI: 1,14−1,78). Die Teilnehmer berichteten zudem Verbesserungender Schmerzintensität (SES = 0,50; 95 % KI: 0,26−0,75), der Arbeitsfähigkeit (SES = 0,76;95 % KI: 0,52−0,99) und der körperlichen Funktionsfähigkeit (SES = 0,46; 95 % KI:0,27−0,64). Bei den erhobenen psychischen Parametern konnten hingegen nur geringeVeränderungen (SES = 0,05 bis 0,32) beobachtet werden.

Schlussfolgerungen

Eine Teilnahme an der IMBORENA führt nicht zu einem günstigeren Behandlungsergebnis.Bei einer adäquaten Umsetzung des Programms wurden zwar insgesamt höhere Effekte er-zielt, dennoch zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zugunsten der IMBORENA. Dadie reduzierte Stichprobe bei der GP-Analyse zu einer nicht ausreichenden Teststärke führ-te, lassen sich jedoch signifikante Effekte nicht mit Sicherheit ausschließen. Aufgrund einerfehlenden Kontrollgruppe ohne strukturierte Nachsorge kann – trotz hoher Intragruppen-effekte – nicht auf eine generelle Wirksamkeit der Nachsorge geschlossen werden. Aller-dings legt der beobachtbare Verlauf bei Rehabilitationsinanspruchnahme mit anschließen-der strukturierter Nachsorge deutlich günstigere langfristige Ergebnisse nahe, als sie in frü-heren Meta-Analysen zur Wirksamkeit medizinischer Rehabilitation gezeigt wurden (Hüppe,Raspe, 2005). Einen kontrollierten Nachweis für die Wirksamkeit strukturierter Nachsorge-programme halten wir vor dem Hintergrund alternativer Konzepte (z. B. Neues Credo, Decket al., 2012) dennoch für unerlässlich.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

Literatur

Briest, J., Bethge, M. (2013): Präferenzen für berufsorientierte Interventionen in der ortho-pädischen Rehabilitationsnachsorge: Ergebnisse einer Befragung in ambulanten Rehabi-litationseinrichtungen. Phys Rehab Kur Med, 23. 161-166.

Briest, J., Bethge, M. (2014): Intensivierte medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitations-nachsorge: Ergebnisse der randomisiert kontrollierten Multicenter-Studie. DRV-Schriften,Bd. 103. 260-262.

Deck, R., Schramm, S., Hüppe, A. (2012): Begleitete Eigeninitiative nach der Reha („neuesCredo“) – ein Erfolgsmodell? Die Rehabilitation, 51. 316-325.

Hüppe, A., Raspe, H. (2005): Zur Wirksamkeit von stationärer medizinischer Rehabilitationin Deutschland bei chronischen Rückenschmerzen: Aktualisierung und methodenkriti-sche Diskussion einer Literaturübersicht. Die Rehabilitation, 44. 24-33.

Ilmarinen, J. (2009): Work ability – a comprehensive concept for occupational health re-search and prevention. Scand J Work Environ Health, 35. 1-5.

164

Begleitende Sozialberatung während der stufenweisen Wiedereingliederung – Evaluation eines Nachsorgeangebotes

Bommersbach, P. (1), Becker, V. (1), Krampen, G. (2), Munz, H. (2), Stock, S. (3),Müller, D. (3)

(1) Eifelklinik Manderscheid, Klinik für Psychosomatische Rehabilitation,(2) Universität Trier, Fachbereich Klinische Psychologie und Wissenschaftsforschung,

(3) Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie, Uniklinik Köln

Hintergrund

Aus der seit Oktober 2007 eingeführten klinikinternen Beobachtung zur stufenweisen Wie-dereingliederung mit dem Angebot einer begleitenden Sozialberatung ist 2011 die vorliegen-de Studie hervorgegangen. Das Modell der intensivierten und begleitenden Sozialberatung(telefonische Nachsorge) während der stufenweisen Wiedereingliederung soll zu einer ver-besserten Wiedereingliederung der Patienten der Eifelklinik beitragen. Die Studie baut aufdie Ergebnisse aus aktuellen Studien zum Empfehlungsverhalten und zur Durchführung derstufenweisen Wiedereingliederung sowie zu ersten Erfahrungen mit begleitender Nachsorgeauf (Bürger, 2004, 2008, 2010). Neben der Hauptfragestellung, ob die begleitende Sozial-beratung in der stufenweise Wiedereingliederung zu höheren Wiedereingliederungsratenführt, werden Zusammenhänge zwischen Vorerkrankung, Arbeitsunfähigkeitszeiten, Ar-beitsplatz, bzw. Belastungen am Arbeitsplatz, Zukunftsvertrauen und dem Verlauf der stu-fenweisen Wiedereingliederung untersucht. Ein Ziel ist es, die Effekte der begleitenden So-zialberatung auf die Wiedereingliederungsquote gegenüber dem Regelverfahren ohneNachsorgeangebot zu prüfen.

Methoden

Die Erprobung des Nachsorgeangebotes wurde im Rahmen einer Kontrollstudie durch dasRehabilitationsforschungsnetzwerk Refonet der Deutschen Rentenversicherung Rheinlandgefördert und in der Eifelklinik Manderscheid, einer Fachklinik für Psychosomatik evaluiert.Die als begleitende Sozialberatung während der stufenweisen Wiedereingliederung ange-botene Nachsorge wurde als intensivierte Beratung während der stationären Behandlungund als telefonische Nachsorge nach Reha-Entlassung zur stufenweisen Wiedereingliede-rung in den bestehenden Arbeitsplatz angeboten. In die Studie wurden Patienten einbezo-gen, bei denen eine stufenweise Wiedereingliederung eingeleitet wurde. Die Wirkung derbegleitenden Sozialberatung wurde mit einem Kontrollgruppen-Design evaluiert. Die Eintei-lung der Studienteilnehmer in Interventions- und Kontrollgruppen erfolgte in monatlichemWechsel. Gesundheitsökonomische Daten wurden durch ein Krankheitskostentagebuch er-fasst.

Ergebnisse

Bisher können ausschließlich Ergebnisse auf der Grundlage der Gesprächsprotokolle zurtelefonischen Nachsorge ausgewertet werden. Die Telefonate wurden nach Gesprächsthe-men und Hinweisen zum Verlauf der stufenweisen Wiedereingliederung untersucht. Dabeiwurden fünf Verlaufstypen unterschieden und die ausgewerteten Fälle entsprechend in die-se Verlaufstypen eingruppiert. Von 351 rekrutierten Patienten erhielten die 181 Studienteil-

165

nehmer der Interventionsgruppe das Angebot einer begleitenden Sozialberatung. Schließ-lich konnten 156 Patienten tatsächlich zur telefonischen Nachsorge erreicht werden.

Die meisten Fälle (44 %) konnten dem Verlaufstyp „Schwieriger Verlauf der STW, Patientkommt zurecht“ zugeordnet werden. 33 % der Studienteilnehmer berichteten von „PositivenErfahrungen mit der STW und ihren Arbeitgebern“. Hier wurden keine Startschwierigkeitenberichtet. Bei 11 % der Studienteilnehmer wurden trotz erfolgreich abgeschlossener stufen-weiser Wiedereingliederung von „Negativen Erfahrungen mit der STW und ihren Arbeitge-bern“ berichtet. Bei 12 % der Studienteilnehmer wurde der Verlauf der STW als äußerstunsicher bzw. als gescheitert bezeichnet. Bei diesen Fällen wurde die STW aus gesundheit-lichen oder organisatorischen Gründen meist verzögert begonnen, unterbrochen, verscho-ben oder im Verlauf abgebrochen (konkrete Angaben zur Abbruchquote der Wiedereinglie-derung liegen erst nach Auswertung der Fragebogen und der Versicherungskonten vor).

In der Interventionsgruppe ergaben sich neben den vereinbarten Telefonkontakten noch zu-sätzlich 80 Telefonate durch Eigeninitiative der Studienteilnehmer. Aus der Kontrollgruppenahmen 35 Patienten (insgesamt 54 Telefonate) Telefonkontakt mit der Sozialberatung auf,obwohl in der Kontrollgruppe keine telefonische Nachsorge angeboten wurde. Insgesamtwurden 387 Telefonate zur Begleitung der stufenweisen Wiedereingliederung geführt.

Schlussfolgerungen und Ausblick

Der hohe Anteil von Telefonaten in Eigeninitiative der Patienten lässt auf einen deutlichenBedarf nach einem begleitenden Beratungsangebot zur stufenweisen Wiedereingliederungschließen. Die sensible Startphase in die STW war offensichtlich besonders störanfällig, so-dass häufig trotz intensiver Vorbereitung auf die Formalitäten in der Klinik dennoch Überfor-derung bzw. Verunsicherung mit der Bürokratie geäußert wurde. Das telefonische Nach-sorgeangebot konnte vermutlich durch die Erfahrungen aus der intensivierten Beratungwährend der Rehabilitation auch in der nachstationären Phase gut von den Patienten ange-nommen werden. Es liegt zunächst nahe, dass Patienten mit unsicheren Bindungsstilen inKonfliktsituationen eher mit Vermeidung und Rückzugsverhalten reagieren (Damke et al.,2006).

Die Untersuchung der Verläufe der stufenweisen Wiedereingliederung hat verdeutlicht, dasssich in den meisten Fällen Patienten mit zunehmender Dauer des Arbeitsversuchs offen-sichtlich stabilisieren. Ebenso wurde deutlich, dass die Begleitende Sozialberatung zur Klä-rung von formalen und arbeitsinhaltlichen Fragen rege in Anspruch genommen wurde undsicherlich zur Stabilisierung des Verlaufs der stufenweisen Wiedereingliederung beitragenkonnte.

Die Daten zur Beratungszufriedenheit, der Katamnese 6 und 12 Monate nach Entlassungaus der Rehabilitation, den berufsbiographischen und diagnostischen Zusammenhängen,werden mehr Aufschlüsse darüber geben, ob und wie das Angebot der begleitenden Sozial-beratung sich auf den Verlauf der STW auswirkt. Durch die Auswertung des Krankheits-kostentagebuchs werden zudem gesundheitsökonomische Daten mit einbezogen.

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Literatur

Bürger, W. (2004): Stufenweise Wiedereingliederung nach orthopädischer Rehabilitation –Teilnehmer, Durchführung, Wirksamkeit und Optimierungsbedarf. Die Rehabilitation, 43.152-161.

Bürger, W., Koch, U., Kluth, W. (2008): Stufenweise Wiedereingliederung zu Lasten der ge-setzlichen Rentenversicherung – Häufigkeit, Indikationsstellung, Einleitung, Durchfüh-rung, Bewertung und Ergebnisse, Abschlussbericht.

Bürger, W. (2010): Begleitende Nachsorge bei Stufenweiser Wiedereingliederung zu Lastender Rentenversicherung – Erste Erfahrungen über den inkrementellen Nutzen eines sol-chen Angebotes. DRV-Schriften, Bd. 88. 266-268.

Damke, B., Koechel, R., Krause, W., Lohmann, K. (2006): Bindung als Vulnerabilitätsfaktorfür psychische Erkrankung. DRV-Schriften, Bd. 64. 480-483.

Passung der Nachsorgeempfehlungen zwischen Hausarzt und Rehabilitationsklinik sowie deren Effekt auf die Nachsorgeaktivität

Jankowiak, S. (1), Ritter, S. (1), Krischak, G. (1, 2)

(1) Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau,(2) Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Federseeklinik, Bad Buchau

Hintergrund

Um den Rehabilitationserfolg dauerhaft zu festigen, ist eine adäquate Umsetzung der vonder Klinik empfohlenen Nachsorgemaßnahmen notwendig. Jedoch setzen lediglich 18,1 %der mit solchen Empfehlungen ausgestatteten Rehabilitanden diese mindestens einmal proWoche um (Köpke, 2005). Um die Umsetzung von Nachsorgeaktivitäten zu steigern, erprobtdie Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV-BW) mit dem Hausärztever-band Baden-Württemberg (HVBW) in einem Modellprojekt einen hausarztbasierten Ansatz.Dabei leistet der Hausarzt eine intensivierte Betreuung und dokumentiert seine Sicht in ei-nem Rückkehrgespräch sowie 12 Monate nach der Rehabilitationsmaßnahme. Im Zuge bis-heriger Analysen konnte kein Effekt des Modellprojekts auf die Nachsorgeaktivität festge-stellt werden (Jankowiak, 2012; Jankowiak, 2013). Es wird vermutet, dass die Kongruenzzwischen den Empfehlungen des Hausarztes und der Rehabilitationsklinik einen Einflussauf die Nachsorgeaktivität hat. Im Rahmen der vorliegenden Analysen wurde daher der Ef-fekt von Übereinstimmungen bzw. Differenzen zwischen Hausarzt- und Klinikempfehlungenauf die Nachsorgeaktivität untersucht.

Methodik

Die Angaben der Hausärzte aus dem Rückkehrgespräch wurden mit der Rehabilitations-Statistik-Datenbasis (RSD) der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg(DRV-BW) zusammengeführt und anonymisiert ausgewertet. Dabei konnten 1.016 Rehabi-litanden des Jahrgangs 2010 und 2011 eingeschlossen werden. Im Rahmen der Analysenwurden zunächst die Nachsorgeempfehlungen der Hausärzte mit den Empfehlungen derRehabilitationseinrichtungen verglichen, sodass Rückschlüsse auf die Passung der Nach-

167

sorgekonzepte möglich sind. Anschließend wurde die Inanspruchnahme von Nachsorge-leistungen der DRV-BW in Abhängigkeit von der Übereinstimmung zwischen Hausarzt- undKlinikempfehlungen betrachtet. Im Fokus standen die Nachsorgemaßnahmen „Rehabilita-tionssport“, „Funktionstraining“ und „Ambulantes Stabilisierungsprogramm“ (ASP).

Ergebnisse

Das durchschnittliche Alter der Stichprobe lag bei 51,1 Jahren (±8,7 Jahre). Unter den Re-habilitanden waren 64,3 % männlich und 61,8 % wiesen Krankheiten des Muskel-, Skelett-systems und des Bindegewebes auf. Die Empfehlungen des Hausarztes wichen geringfügigvon denen der Klinik ab. So wurde Funktionstraining und Rehabilitationssport häufiger alleindurch den Hausarzt und ASP häufiger allein durch die Klinik empfohlen (vgl. Abb. 1). Amhäufigsten wurde eine Empfehlung zum Funktionstraining übereinstimmend ausgespro-chen. Am seltensten wurden sowohl vom Hausarzt als auch von der Klinik Empfehlungenzur Teilnahme an ASP ausgesprochen.

Abb. 1: Häufigkeit der Übereinstimmung bzw. Differenzen zwischen Klinik- und Hausarztempfehlungbei verschiedenen Nachsorgeaktivitäten (n=1.016).

Von den untersuchten Rehabilitanden nahmen lediglich 122 (12 %) eine Nachsorgeleistungder DRV-BW in Anspruch. Unter ihnen setzten 77,1 % der Rehabilitanden ASP und 18,0 %Funktionstraining um. Bei Betrachtung der Nachsorgeaktivität in Abhängigkeit von derKongruenz zwischen Klinik- und Hausarztempfehlungen zeigte sich, dass eine Empfehlunghäufiger umgesetzt wurde, wenn diese allein seitens der Klinik ausgesprochen wurde(p<0,0001). Signifikant seltener war die Umsetzung von Nachsorgemaßnahmen, wenn bei-derseits keine bzw. nur seitens des Hausarztes Empfehlungen vorlagen.

19,0%

22,0%

3,9%

2,1%

2,9%

9,7%

0,9%

1,6%

0,9%

0,0%

5,0%

10,0%

15,0%

20,0%

25,0%

30,0%

Rehabilitationssport Funktionstraining ASP

Empfehlungdurch Hausarztund Klinik

… nur durchKlinik

… nur durchHausarzt

168

Diskussion

Der Hausarzt spricht insgesamt deutlich häufiger eine Empfehlung zum Rehabilitationssportund Funktionstraining aus, als die Rehabilitationsklinik, die häufiger ASP empfiehlt. Dieskönnte einerseits darauf zurückgeführt werden, dass Klinik- und Hausarztempfehlungen aufBasis unterschiedlicher Kriterien erfolgen. Andererseits kann dies auch damit begründetwerden, dass der Hausarzt im Fragebogen des Rückkehrgesprächs lediglich zwischen5 Maßnahmen wählen kann, wogegen der Rehabilitationsarzt im Entlassungsbericht dieWahl zwischen 17 Nachsorgemaßnahmen hat. Somit hat der Rehabilitationsarzt mehr Mög-lichkeiten, sich an den individuellen Problemlagen des Rehabilitanden zu orientieren bzw.eine spezielle Schwerpunktsetzung im Nachsorgeplan vorzunehmen. Ob sich die Nachsor-geempfehlungen in Abhängigkeit von Rehabilitandenmerkmalen bzw. Behandlungsergeb-nissen unterscheiden, muss noch geprüft werden. So ließen sich Kenntnisse über die Be-darfsgerechtigkeit der Empfehlungen gewinnen.

Die Analyseergebnisse weisen letztendlich darauf hin, dass die Umsetzung der Maßnah-men tendenziell häufiger erfolgt, wenn die Empfehlung von der Rehabilitationsklinik gege-ben wurde. Daher ist ein bedarfsgerechter Nachsorgeplan seitens der Rehabilitationsein-richtung von besonderer Bedeutung.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg

Literatur

Jankowiak, S., Kaluscha, R., Krischak, G. (2013): Nachsorgeempfehlungen und deren Um-setzung aus Sicht der Hausärzte. DRV-Schriften, Bd. 101. 61-63.

Jankowiak, S., Kaluscha, R., Krischak, G. (2014): Effekte einer intensivierten Einbindungdes Hausarztes in die Nachsorge auf die Nachsorgeaktivität. DRV-Schriften, Bd. 103.282-284.

Köpke, K.-H. (2005): Aufwerten, ausbauen und systematisieren – Eine Analyse von Situa-tion, Reformbedarf und innovativen Projekten zur Nachsorge in der Rehabilitation derRentenversicherung. Die Rehabilitation, 44. 344-352.

www.nachderReha.de – Aufbau einer Homepage für Reha-Nachsorgeangebote auf Basis einer systematischen Übersicht

Parzanka, S., Himstedt, C., Deck, R.

Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie der Universität Lübeck

Hintergrund

Der Stellenwert von Reha-Nachsorge steht außer Frage (Deck et al., 2004); die Anzahl jähr-lich durchgeführter Nachsorgeleistungen stieg in den vergangenen Jahren in Entsprechunghierzu um ca. 50.000 (DRV Bund, 2012). Das Versorgungsangebot der Reha-Nachsorge-maßnahmen ist heterogen und relativ unübersichtlich; sowohl was die Indikationen und In-halte als auch deren (bundesweite) Verfügbarkeit und Kostenregelung betrifft. Vor dem Hin-tergrund einer fehlenden systematischen und transparenten Übersicht wurde am Institut für

169

Sozialmedizin und Epidemiologie (ISE) der Universität zu Lübeck innerhalb eines von derDRV Bund geförderten Forschungsprojekts der Aufbau des webbasierten Zentrums Reha-Nachsorge realisiert, um die bedarfsgerechte Auswahl nachsorgender Strategien zu ermög-lichen.

Methodik

Die Umsetzung erfolgte auf Basis einer systematischen Übersicht: Neben der avisierten Voll-erhebung deutschlandweit verfügbarer Reha-Nachsorgeprogramme (Angebotsebene) er-folgte die Aufbereitung der themenrelevanten Literatur (Evidenzebene). Hierzu wurden fol-gende Such- und Recherchestrategien eingesetzt: a) Abfrage bibliographischer Datenbanken(Suchzeitraum ab 2000), b) Expertenkonsultationen sowie c) Handsuche und Referenzab-gleich. Anhand definierter Selektionskriterien, die auf Grundlage einer konsentierten Be-griffsbestimmung formuliert wurden, schloss sich der systematische Auswahlprozess an.Die methodische Bewertung der Evidenz erfolgte anhand standardisierter Checklisten, dieextrahierten Daten wurden in Evidenztabellen überführt und diese auf der Webpage onlinegestellt.

Die inkludierten Reha-Nachsorgeangebote wurden anhand eines nachsorgespezifischenQualitätsprofils beschrieben, welches auf 35 eigens hierfür konsentierten Bewertungskrite-rien beruht. Für den methodischen Ablauf der Konsensfindung wurde das RAND/UCLA-Ver-fahren (Fitch et al., 2001) adaptiert. Die Informationen zum Füllen der Beschreibungsprofilewurden nachfolgend in Computer-gestützten Telefoninterviews erhoben.

Die Homepage wurde im Content Management System (CMS) TYPO3 unter Einbindung re-lationaler Datenbanken realisiert und mit zwei getrennten Bereichen für die Usergruppen„Rehabilitanden/Angehörige“ vs. „Professionelle“ ausgestattet.

Ergebnisse

Ergebnis des Projekts ist das (derzeit noch unveröffentlichte) Webportal www.nach-derReha.de. Auf diesem können themenrelevante Informationen und Materialien sowie pro-jektspezifische Inhalte abgerufen werden. Herzstück ist der „Nachsorgefinder“, der die post-leitzahlengestützte Suche nach regional verfügbaren indikationsspezifischen Reha-Nach-sorgeangeboten erlaubt. Insgesamt werden bei jeder bedarfsorientierten Abfrage 2985(201 Vollprofile, 2.784 Kurzprofile) in der Datenbank gespeicherte Reha-Nachsorgeange-bote automatisch durchsucht (Angebotsebene); für den orthopädischen Indikationsbereichsind derzeit die meisten Programme (n=1.499) auffindbar.

Für die Ergebnissynthese hinsichtlich der aufgefundenen Evidenz (n=42 Evaluationsstu-dien) wurde im Userbereich für die Professionellen ein entsprechender Reiter in dieMenüführung integriert. Die meisten Studien (n=16) wurden für den kardiologischen Bereichaufgefunden, für die Pneumologie wurde eine Studie identifiziert. Ein Vergleich der Studienist wegen der inhaltlichen und methodischen Heterogenität nur sehr begrenzt möglich. Beiden meisten Studien handelt es sich um die Evaluation von Modellprojekten, die in derPraxis (noch) nicht etabliert sind; die Schnittmenge mit den in der Datenbank gesammeltenProgrammen ist dementsprechend gering.

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Schlussfolgerung

Unter Einbezug neuer Informationstechnologien werden mit dem webbasierten Portal struk-turierte Informationen zu Reha-Nachsorgeangeboten zur Verfügung gestellt; der Nachsor-gefinder ermöglicht verschiedenen Usergruppen bedarfsorientierte Abfragen.

Um über das Ziel einer aktuellen Bestandaufnahme hinaus langfristig zur Optimierung derVersorgung beitragen zu können, sollten weitere nutzerorientierte Anpassungen vorgenom-men und die Webpage einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Unabding-bar bleibt die kontinuierliche Pflege der integrierten Datenbank.

Literatur

Deck, R., Glaser-Möller, N., Mittag, O. (2004): Rehabilitation und Nachsorge. Lage: Jacobs.Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.): Reha-Bericht 2012. Die medizinische und be-

rufliche Rehabilitation der Rentenversicherung im Licht der Statistik. Fitch, K., Bernstein, S.J., Aguilar, M. (2001): The RAND/UCLA Appropriateness Method –

User's Manual. RAND. 1-109.

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Reha-Nachsorge (Poster)

Nutzung und Zufriedenheit mit der psychotherapeutischen Online-Nachsorge „GSA-Online“ für beruflich belastete Patienten und Schlussfolgerungen

für die Implementierung

Zwerenz, R. (1), Becker, J. (1), Gerzymisch, K. (1), Holme, M. (2), Kiwus, U. (3), Knickenberg, R.J. (4), Spörl-Dönch, S. (5), Beutel, M.E. (1)

(1) Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitäts-medizin, der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, (2) Reha-Zentrum Bad Pyrmont,

Klinik Weser, (3) Reha-Zentrum Bad Nauheim, Klinik Wetterau, (4) Psychosomatische Klinik Bad Neustadt/Saale der Rhön-Klinikum AG,

(5) Klinik Haus Franken GmbH, Bad Neustadt/Saale

Hintergrund und Fragestellung

Online-Interventionen gewinnen eine zunehmende Bedeutung in der Nachsorge von Reha-bilitanden (Kordy et al., 2011), die Befundlage zur Wirksamkeit ist jedoch noch nicht eindeu-tig. So konnte die Wirksamkeit einer psychotherapeutisch orientierten Online-Nachsorge fürpsychosomatische Rehabilitanden (Ebert et al., 2013) belegt werden, während sich eine On-line-Nachsorge für chronische Schmerzpatienten trotz hoher Akzeptanzwerte nicht als wirk-sam herausgestellt hat (Moessner et al., 2014). Mit „GSA-Online“ wurde eine Online-Nach-sorge für beruflich belastete Patienten entwickelt und in einer kontrolliert randomisiertenStudie (Zwerenz et al., 2013) evaluiert. In diesem Beitrag soll eine differenzierte Auswertungvon Nutzungs- und Zufriedenheitsdaten Aufschluss darüber geben, wie eine Online Nach-sorge in die Versorgungslandschaft implementiert werden kann.

Methodik

Zwischen Juli 2011 und August 2013 wurden n=664 beruflich belastete Patienten in die kon-trolliert randomisierte Studie eingeschlossen. Nach Teilnahme am stationären GSA-Trai-ning wurden Studienteilnehmer in die Interventions- (IG) oder Kontrollgruppe (KG) randomi-siert. Im Anschluss an den Klinikaufenthalt absolvierte die IG eine wöchentliche Schreibauf-gabe (Blog), die von einem Online-Therapeuten kommentiert wurde. Darüber hinauskonnten IG-Teilnehmer Materialien der stationären Schulung abrufen, ein Forum nutzen undPMR-Übungen anhören. Die KG hatte Zugang zu Informationsbroschüren zu gesundheits-relevanten Themen. Nutzungshäufigkeit und Zufriedenheit wurden zum Ende der Interven-tion erfragt. Darüber hinaus wurde die weitere Nutzung der Inhalte nach der aktiven Studi-enphase bis zur Katamnese erhoben. Zur Einschätzung der therapeutischen Beziehung undEvaluation des therapeutischen Prozesses wurde der HAQ (Bassler et al., 1995) eingesetzt.

Ergebnisse

In der Psychosomatik (79,5 %) und Orthopädie (87,9 %) nutzten Studienteilnehmer deutlichhäufiger die Online-Nachsorge als in der Kardiologie (67,9 %), indem sie sich nach der sta-tionären Rehabilitation häufiger mindestens einmal auf der Internetplattform einloggten

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(p<.001) und in der IG auch häufiger mindestens einen Blog geschrieben haben (Psy:88,9 %; Orth: 92,2 %; Kard: 76,0 %; p<.05).

Unter den IG-Teilnehmern fühlten sich indikationsübergreifend 64 % vom Online-Therapeu-ten ziemlich bis sehr gut verstanden und stuften im HAQ sowohl die Beziehungszufrieden-heit (M=4,42; SD=1,12) als auch die Erfolgszufriedenheit (M=4,06; SD=1,16) als hoch ein.Zum Ende der Nachsorge schätzten 46 % der IG- und 24 % der KG-Teilnehmer die Online-Nachsorge als ziemlich bis sehr hilfreich ein (p<.001). Die größte Nutzungshäufigkeit unddie höchste Zufriedenheit berichteten die Patienten der IG indikationsübergreifend für dieBlogs und die therapeutischen Kommentierungen. In der KG wurden die thematisch unter-schiedlichen Informationsmaterialien in vergleichbarem Ausmaß genutzt. Etwa ein Drittelder Patienten der IG hat nach Abschluss der Interventionsphase die Blogs, Arbeitsblätterund die anderen Materialien ausgedruckt/gespeichert. In der KG druckten/speicherten etwadie Hälfte der Patienten die ihnen zur Verfügung gestellten Materialien.

Diskussion

GSA-Online erreicht indikationsübergreifend eine hohe Akzeptanz unter Rehabilitanden derstationären medizinischen Rehabilitation. Der einzige Unterschied in der Nutzung durch diekardiologischen Patienten kann vermutlich dadurch erklärt werden, dass die Patienten derkardiologischen Klinik sich nicht, wie in den anderen Kliniken möglich, bereits während derstationären Behandlung auf der Internetplattform anmelden konnten. Von den verschiede-nen Programmbestandteilen wurden in der Interventionsgruppe v. a. die therapeutisch kom-mentierten Schreibaufgaben genutzt und als besonders hilfreich eingeschätzt. Darüber hin-aus konnte sowohl die patientenseitige als auch therapeutenseitige Beziehungsqualität alshoch bewertet werden. Dieses Ergebnis stützt die Befundlage anderer Internetinterventio-nen (Ebert et al., 2013).

Schlussfolgerung, Umsetzung und Ausblick

Psychotherapeutisch orientierte Online-Interventionen könnten Versorgungslücken im Be-reich der Nachsorge schließen. Eine enge Verzahnung mit der stationären Behandlungscheint dabei jedoch notwendig, um die Patienten frühzeitig sowohl mit dem Medium alsauch den Funktionalitäten der Online-Nachsorge vertraut zu machen.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

Literatur

Bassler, M., Potratz, B., Krauthauser, H. (1995): Der „Helping Alliance Questionnaire“ (HAQ)von Luborsky. Psychotherapeut, 40. 23-32.

Ebert, D.D., Hannig, W., Tarnowski, T., Sieland, B., Gotzky, B., Berking, M. (2013): Web-ba-sierte Rehabilitationsnachsorge nach stationarer psychosomatischer Therapie (W-RENA).Die Rehabilitation, 52. 164-172.

Kordy, H., Theis, F., Wolf, M. (2011): Moderne Informations- und Kommunikationstechnolo-gie in der Rehabilitation. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesund-heitsschutz, 54. 458-464.

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Moessner, M., Aufdermauer, N., Baier, C., Gobel, H., Kuhnt, O., Neubauer, E., Poesthorst, H.,Kordy, H. (2014): Wirksamkeit eines Internet-gestützten Nachsorgeangebots fur Patientenmit chronischen Ruckenschmerzen. Psychother Psychosom med Psychol, 64. 47-53.

Zwerenz, R., Gerzymisch, K., Edinger, J., Holme, M., Knickenberg, R.J., Spörl-Dönch, S.,Kiwus, U., Beutel, M.E. (2013): Evaluation of an internet-based aftercare program to im-prove vocational reintegration after inpatient medical rehabilitation: study protocol for acluster-randomized controlled trial. Trials, 14. 26.

TeNoR: Telefonische Nachsorge in der orthopädischen Rehabilitation – Entwicklung und Erprobung eines Konzeptes für MBOR-Rehabilitanden

Fröhlich, S.M. (1), Niemeyer, R. (1, 2), Greitemann, B. (1, 2)

(1) Institut für Rehabilitationsforschung, Abt. Bad Rothenfelde, Norderney,(2) Klinik Münsterland, Bad Rothenfelde

Hintergrund und Stand der Literatur, Zweck der Untersuchung

Für MBOR-Rehabilitanden mit orthopädischen Problemen sollte ein telefonisches Nachsor-geangebot modellhaft entwickelt und an 40 Rehabilitanden getestet werden. Das telefoni-sche Nachsorgeangebot soll auf die weiter bestehenden Probleme rund um die Erwerbsfä-hig- und -tätigkeit fokussieren und den Patienten weiter unterstützen (Deck, 2011; Hillertet al., 2009). Die Akzeptanz dieser neuen Intervention und der zeitliche Aufwand für dieNachsorge sollen bewertet werden.

Methodik, Studiendesign

Es handelt sich um eine Interventionsentwicklung und Machbarkeitsstudie mit 2 Messzeit-punkten: Ende (T1) und 2 Monate nach Ende der Rehabilitationsmaßnahme (T2).

Bewertungskriterien waren die Berufsbezogenheit, die Akzeptanz und der Aufwand derNachsorgegespräche sowie der Bedarf an zusätzlichen Nachsorgeangeboten.

Ergebnisse

Interventionsentwicklung:

In einer Expertenrunde aus Sozialberatungsdienst, ärztlicher Klinikleitung und Forschungs-projektleitung wurde die telefonische Intervention entwickelt:

‒ Dokumentierte Nachsorgeanrufe durch Sozialberatungsdienst 4 und 8 Wochen nachReha-Ende zur beruflichen Situation.

‒ Dokumentiertes Zielplanungsgespräch während Rehabilitationsmaßnahme zwischen So-zialberater und „seinem“ Rehabilitanden als Vorbereitung und Grundlage der Telefonate(je ein unterschriebenes Exemplar für Rehabilitand und Sozialberater).

‒ Bedarfsabhängige Vermittlung zu anderen Schnittstellen.

Stichprobe:

41 Personen haben im Erhebungszeitraum das MBOR-Programm erhalten, 26 willigten indie Studienteilnahme ein. 76,9 % waren männlich. Das Durchschnittsalter lag bei 46,9 Jah-

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ren. 23 Teilnehmer füllten den T1-Fragebogen aus und 15 davon den T2-Fragebogen. Eswurden insgesamt 41 telefonische Nachsorgespräche von 3 Sozialberatern durchgeführt.

Berufsbezogenheit der Nachsorgegespräche:

‒ Die telefonische Nachsorge wurde von den Sozialberatern durchgeführt.

‒ Die Sozialberater gaben an, dass im Durchschnitt 59 % der Gesprächszeit auf beruflicheThemen verwandt wurden.

‒ Die Rehabilitanden gaben an, dass berufliche Themen besprochen wurden.

Akzeptanz der Nachsorgegespräche:

‒ 68 % der potentiellen Teilnehmer willigten in die Studienteilnahme ein.

‒ Die Rehabilitanden gaben an, dass sie die telefonische Nachsorge durch die Sozialbe-rater weiterempfehlen würden.

‒ Überwiegend positive Bewertung der Telefonate (mit Attributen wie z. B.: freundlich,positiv, gut vorbereitet, unterstützend).

‒ Die Sozialberater schätzen, dass fast alle Rehabilitanden die Telefonate positiv fanden.

Aufwand der Nachsorgegespräche:

Die durchschnittliche Gesprächsdauer lag bei 17 Minuten.

Bedarf an zusätzlicher psychologischer und/oder medizinischer Nachsorge:

‒ Es gab aufseiten der Versicherten in den telefonischen Nachsorgegesprächen keinen Be-darf an zusätzlicher psychologischer und/oder medizinischer Nachsorge.

Diskussion

Es wurde ein Nachsorgekonzept entwickelt, bei dem die Sozialberater die MBOR-Rehabili-tanden zweimal innerhalb von 8 Wochen nach Ende der Rehabilitationsmaßnahme anrie-fen. Dieses Angebot wurde gut angenommen. Die Telefonate waren hauptsächlich berufs-bezogen und dauerten durchschnittlich 17 Minuten. Bedarf an zusätzlicher psychologischeroder medizinischer Nachsorge wurde in der Machbarkeitsstudie nicht geäußert.

Schlussfolgerungen, Umsetzungen und Ausblick

Zurzeit wird das telefonische Nachsorgekonzept für MBOR-Rehabilitanden in einem rando-misierten kontrollierten Design evaluiert. In diesem TeNoR2-Projekt bekommen die MBOR-Rehabilitanden der Interventionsgruppe 6 Anrufe in einem Jahr.

Förderung: Verein für Rehabilitationsforschung Norderney

Literatur

Deck, R., Schramm, S., Hüppe, A., Raspe, H. (2011): Ein neues Credo für Rehabilitations-kliniken – Ein möglicher Weg zur Steigerung der längerfristigen Effektivität der medizini-schen Rehabilitation. DRV-Schriften, Bd. 93. S. 41-43.

Hillert, A., Müller-Fahrnow, W., Radoschewski, F.M. (Hrsg.). (2009): Medizinisch-beruflichorientierte Rehabilitation: Grundlagen und Praxis. Köln: Dt. Ärzte-Verl.

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Patientenschulung

Kurzfristige Effektivität einer Patientenschulung „Curriculum Brustkrebs“in der onkologischen Rehabilitation

Richard, M. (1), Meng, K. (1), Strahl, A. (1), Niehues, C. (2, 5), Derra, C. (3),Schäfer, H. (4), Worringen, U. (5), Faller, H. (1)

(1) Abteilung für Medizinische Psychologie, Medizinische Soziologie und Rehabilitations-wissenschaften, Universität Würzburg, (2) ehem. Reha-Zentrum Ückeritz, Klinik Ostseeblick, Deutsche Rentenversicherung Bund, (3) Reha-Zentrum Bad Mergentheim, Klinik Taubertal,

Deutsche Rentenversicherung Bund, (4) Reha-Zentrum Todtmoos, Klinik Wehrawald, Deutschen Rentenversicherung Bund, (5) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund

Patientenschulungsprogramme sind zentraler Bestandteil der medizinischen Rehabilitationund deren Effektivität und Effizienz konnte in zahlreichen Studien nachgewiesen werden(Faller et al., 2011). Im Bereich der Onkologie lassen sich nach einer Bestandsaufnahmezur Praxis von Schulungsprogrammen im deutschen Rehabilitationssektor noch Entwick-lungspotentiale feststellen. Es liegen nur wenige manualisierte und für den stationären Be-reich konzipierte Programme vor. Insgesamt besteht ein Bedarf an Entwicklung, Manualisie-rung und Evaluation (Zentrum Patientenschulung, 2010).

Ziel eines Projekts ist daher, die Effektivität des Curriculum Tumorerkrankungen aus demGesundheitstrainingsprogramm der Deutschen Rentenversicherung Bund für Patientinnenmit Brustkrebs zu untersuchen. Dafür wurde das bestehende Curriculum für die IndikationBrustkrebs adaptiert, manualisiert und evaluiert (Faller et al., 2013; Strahl et al., 2013). Ak-tuell liegen die Ergebnisse zur kurzfristigen Wirksamkeit zum Ende der Rehabilitation vor,Ergebnisse zur 3-Monats-Katamnese sind Ende 2014 verfügbar.

Methoden

Die Evaluation erfolgt in einer unizentrischen, quasi-experimentellen Kontrollgruppenstudiemit 4 Messzeitpunkten (Reha-Beginn, Reha-Ende, 3- und 12-Monats-Katamnese). Zeitstich-proben mit konsekutivem Einschluss von Rehabilitandinnen mit Brustkrebs (ICD-10-GM:C50) werden zuerst der Kontrollgruppe (KG; usual care, d. h. nichtstandardisierte Schulung)und nach deren Abschluss der Interventionsgruppe (IG; Curriculum Brustkrebs) zugewie-sen. Als primäre Zielparameter werden die krankheitsbezogene Einstellung der Patientin-nen (Skala konstruktive Einstellungen, heiQ), intrusive Gedanken (IES-R) und Progredienz-angst (PA-F-KF) festgelegt. Sekundäre Zielparameter sind Selbstmanagementkompetenz,krankheitsspezifische gesundheitsbezogene Lebensqualität (EORTC QLQ-C30), Informa-tions- und Unterstützungsbedürfnis, sowie Schulungs- und Rehabilitationszufriedenheit. DieWirksamkeit des Curriculums im Vergleich zur Kontrollbedingung wird durch den Intergrup-penvergleich zu den Post-Messzeitpunkten mittels Kovarianzanalyse (ANCOVA) unter Kon-trolle von Baseline-Unterschieden geprüft.

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Die Stichprobe umfasst 436 Rehabilitandinnen. Das durchschnittliche Lebensalter ist 51 Jahre(SD=6,3). Rund 78 % leben in einer Partnerschaft. 75 % sind erwerbstätig, 6 % arbeitslosund 6 % berentet. Es handelt sich überwiegend um Angestellte. Etwa zwei Drittel sind Pa-tientinnen im medizinischen Heilverfahren, etwa ein Drittel in der Anschlussrehabilitation. Esliegen einzelne signifikanten Gruppenunterschiede (IG, KG) in den soziodemografischenDaten vor. Zu Reha-Ende haben 93 % der Teilnehmerinnen geantwortet.

Ergebnisse

Ein Vergleich der Studiengruppen zu Reha-Ende zeigt keine signifikanten Gruppenunter-schiede in den primären Zielparametern. In den sekundären Outcomes bestehen kleine, si-gnifikante Unterschiede zwischen IG und KG hinsichtlich der Schulungszufriedenheit. DieTeilnehmerinnen der IG sich zufriedener mit Gruppen- und Interaktionsaspekten, währenddie Teilnehmerinnen der KG die vermittelten Schulungsinhalte besser bewerten. Es liegenkeine signifikanten Gruppenunterschiede hinsichtlich Informations-/Unterstützungsbedürf-nis, Selbstmanagementkompetenz und Lebensqualität vor.

Schlussfolgerung und Ausblick

Zu Rehabilitationsende konnte keine signifikante Überlegenheit des Curriculum Brustkrebsim Vergleich zur Kontrollbedingung (usual care) nachgewiesen werden. Für beide Studien-gruppen liegen positive Verlaufseffekte in den primären und sekundären Zielparameternvor. Die Zufriedenheit mit der Schulung ist hoch, dabei zeigen sich heterogene Interven-tionseffekte. Eine abschließende Bewertung des Curriculums wird auf Basis der mittel- bislangfristigen Effekte erfolgen. Weiterhin werden noch Subgruppen-Analysen vorgenommen.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

Literatur

Faller, H., Reusch, A., Meng, K. (2011): DGRW-Update: Patientenschulung. Die Rehabilita-tion, 50. 284-291.

Faller, H., Strahl, A., Richard, M., Jelitte, M., Meng, K. in Zusammenarbeit mit Niehues, C.Derra, C., Schäfer, H.J. und dem therapeutischen Team des Reha-Zentrum Ückeritz, Kli-nik Ostseeblick (2013): Curriculum Brustkrebs aus dem Gesundheitstrainingsprogrammder Deutschen Rentenversicherung Bund – Manual. Verfügbar unter: http://www.psycho-therapie.uni-wuerzburg.de/forschung/projekte-koop_23.html.

Strahl, A., Meng, K., Richard, M., Jelitte, M., Niehues, C., Derra, C., Schäfer, H., Worringen, U.,Faller, H. (2013): Programmentwicklung und formative Evaluation einer Patientenschu-lung für Patientinnen mit Brustkrebs in der onkologischen Rehabilitation. DRV-Schriften,Bd. 101. 239-241.

Zentrum Patientenschulung (2010): Folgeprojekt Zentrum Patientenschulung. Abschlussbe-richt. URL: http://www.zentrum-patientenschulung.de/verein/berichte/Abschlussbericht_Zentrum_Patientenschulung_2010.pdf.

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Entwicklung generischer Selbstmanagement-Module als Ergänzung zum Gesundheitstraining für Patienten in der Rehabilitation

Seekatz, B. (1), Meng, K. (1), Musekamp, G. (1), Reusch, A. (1), Zietz, B. (2), Altstidl, R. (3), Haug, G. (3), Faller, H. (1)

(1) Universität Würzburg, Abteilung für Medizinische Psychologie, Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften, (2) Reha-Zentrum Mölln, Klinik Föhrenkamp,

(3) Reha-Zentrum Bayerisch Gmain, Klinik Hochstaufen

Einleitung

Die Effektivität und Effizienz indikationsspezifischer Patientenschulungen ist belegt (Falleret al., 2011). Patienten erhalten Wissen über die Erkrankung sowie Hinweise zu sinnvollenVerhaltensänderungen. Nicht immer bleibt für eine konkrete Planung der Lebensstilände-rungen genügend Zeit. Indikationsübergreifende Selbstmanagement-Module sollen helfen,die Teilnehmer zu motivieren und die Intentions-Verhaltenslücke durch Handlungs- und Be-wältigungsplanung sowie Handlungskontrolle (Schwarzer et al., 2008) zu überwinden. Zieleines Projekts (SelMa) ist es, generische Selbstmanagement-Module als Ergänzung zur in-dikationsspezifischen Patientenschulung zu entwickeln sowie formativ und summativ zuevaluieren. Es werden Ergebnisse der Schulungsentwicklung mit formativer Evaluation be-richtet.

Methoden

Die Programmentwicklung erfolgte auf Basis einer Literaturrecherche sowie klinischer Ex-pertise und Expertenkonsens. Zur Vorbereitung wurde ein Train-the-Trainer-Seminar konzi-piert und durchgeführt. In einer formativen Evaluation wurden in zwei Kliniken Durchführbar-keit und Akzeptanz der neuen Module mittels Patienteninterviews, schriftlicher Patienten-und Schulungsleiterbefragungen sowie strukturierter Beobachtungen geprüft. Bewertungs-kriterien waren inhaltliche Konzeption, Umsetzungsbarkeit und Schulungsleiterkompetenz.Die Beurteilung fand jeweils im Anschluss an die Schulungseinheit statt.

Ergebnisse

In einem mehrstufigen Prozess wurden auf Basis des Selbstmanagement-Ansatzes (Barlowet al., 2002) sowie theoriegeleiteter Techniken der Verhaltensänderung (Michie et al., 2011)ein Gruppenprogramm (SelMa-Gruppe) und ein Vortragsmodul (SelMa-Vortrag) entwickelt.Diese sind indikationsübergreifend und fokussieren auf motivationale und volitionale Aspek-te von Verhaltens- und Lebensstiländerung. Komponenten sind Zielsetzung, Handlungspla-nung, Identifikation von Barrieren und Problemlösung, Aufforderung zur Überprüfung derZielerreichung sowie zur Selbstbeobachtung. Die Didaktik ist patientenorientiert und inter-aktiv.

Das Gruppenprogramm setzt sich aus drei Modulen mit einem Umfang von je 60 Minutenzusammen, die in einer geschlossenen Kleingruppe durchgeführt werden. Der Selbst-management-Vortrag dauert 60 Minuten, die Gruppengröße ist nicht begrenzt. Es liegenManuale und Arbeitsmaterialien für Schulungsleiter (Fallbeispiele, Folien, Übersichtsplakat)und Patienten (Arbeitsblätter, Patientenheft) vor. Die beteiligten Ärzte, Bewegungsthera-

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peuten, Psychologen, Sozialpädagogen und andere therapeutische Berufsgruppen wurdenim Train-the-Trainer-Seminar (1,5 Tage) geschult.

Die Ergebnisse der formativen Evaluation (insgesamt 5 Schulungs- und 4 Vortragsgruppen)zeigen, dass die Inhalte und Umsetzung der Schulung von den Patienten und Schulungslei-tern überwiegend positiv bewertet werden. Die Patienten bewerteten das Gruppenpro-gramm als gut (n=31, M=2,1, SD=0,5), ebenso den Vortrag (n=55, M=2,1, SD=0,5). Glei-ches gilt für die Bewertung durch die Schulungsleiter (Gruppenprogramm: n=5, M=1,9,SD=0,6; Vortrag: n=4, M=2,3, SD=0,3). In den freien Rückmeldungen der Patienten und denPatienteninterviews (n=12) werden v. a. das SelMa-Konzept und die interaktive Schulungs-gestaltung positiv bewertet. Die strukturierten Beobachtungen (n=11) zeigten, dass die vor-gesehenen Inhalte und Methoden weitestgehend umgesetzt wurden und auch die zeitlichenVorgaben eingehalten werden konnten.

Diskussion und Ausblick

Die Ergebnisse zeigen, dass beide SelMa-Programme umsetzbar sind und von Schulungs-leitern und Patienten überwiegend positiv beurteilt werden. Kritische Anmerkungen aus derformativen Evaluation wurden geprüft und bei der endgültigen Fertigstellung der Manualeund Schulungsmaterialien aufgegriffen. Beispielsweise wurde das Patientenheft sprachlichvereinfacht und die Materialien bzgl. der Formatierung überarbeitet, um sie besser lesbar zumachen. Aktuell wird die Wirksamkeit von Gruppenprogramm und Vortrag hinsichtlich derSelbstmanagementkompetenz und des Gesundheitsverhaltens in einer multizentrischenclusterrandomisierten Kontrollgruppenstudie geprüft.

Förderer: Deutsche Rentenversicherung Bund

Literatur

Barlow, J., Wright, C., Sheasby, J., Turner, A., Hainsworth, J. (2002): Self-management ap-proaches for people with chronic conditions: a review. Patient Education and Counse-ling, 48. 177-187.

Faller, H., Reusch, A., Meng, K. (2011): DGRW-Update: Patientenschulung. Die Rehabilita-tion, 50. 284-291.

Michie, S., Ashford, S., Sniehotta, F.F., Dombrowski, S.U., Bishop, A., French, D.P. (2011): Arefined taxonomy of behavior change techniques to help people change their physical acti-vity and healthy eating behaviours: The CALO-RE taxonomy. Psychology and Health, 26.1479-1498.

Schwarzer, R., Lippke, S., Ziegelmann, J.P. (2008): Health action process approach. A re-search agenda at the Freie Universität Berlin to examine and promote health behaviorchange. Zeitschrift für Gesundheitspsychologie, 16. 157-160.

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Effektivität einer Patientenschulung zur Förderung von Selbstmanagementkompetenzen bei Rehabilitanden mit Herzinsuffizienz

Meng, K. (1), Musekamp, G. (1), Schuler, M. (1), Seekatz, B. (1), Glatz, J. (2), Karger, G. (2), Kiwus, U. (2), Knoglinger, G. (2), Schubmann, R. (2), Westphal, R. (2), Faller, H. (1)

(1) Universität Würzburg, Abteilung für Medizinische Psychologie, Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften, (2) Arbeitsgruppe Patientenschulung der Deutschen

Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen e. V.

Hintergrund

Entsprechend bestehender Leitlinien sollen Menschen mit Herzinsuffizienz zum Selbst-management angeleitet werden (McMurray et al., 2012). Ein systematisches Review zuSelbstmanagementinterventionen fand positive Effekte bei Mortalität, Hospitalisierungsrateund Lebensqualität (Ditewig et al., 2010). Weitere Studien sind aber erforderlich, um dieWirksamkeit einzelner Programme und spezifischer edukativer Strategien zu untersuchenund zu klären, welche Patientengruppen am meisten profitieren. Im deutschen Reha-Be-reich liegen bisher nur wenige standardisierte und evaluierte Herzinsuffizienz-Schulungs-programme vor.

Ziel des Projekts war daher die Entwicklung und Evaluation einer Selbstmanagement-Schu-lung für Rehabilitanden mit Herzinsuffizienz (Meng et al., 2013). Die Hauptfragestellung be-trifft die Wirksamkeit des neuen Curriculums Herzinsuffizienz im Vergleich zu einer Kontroll-bedingung (usual care). Als Nebenfragestellungen werden Gender-, Alters-, Bildungs- undBehandlungsaspekte (AHB, Heilverfahren) untersucht.

Methode

Die Wirksamkeit des „Curriculum Herzinsuffizienz“ wurde in einer multizentrischen cluster-randomisierten Kontrollgruppenstudie geprüft. Die Cluster, die einer der beiden Studienbe-dingungen zufällig zugeteilt wurden, waren Gruppen von Patienten mit systolischer Herzin-suffizienz (Ejektionsfraktion ≤40; NYHA II, III), die innerhalb eines bestimmten Zeitraums inder Reha-Klinik rekrutiert wurden. Die Patienten der Interventionsgruppe (IG) erhielten dasCurriculum Herzinsuffizienz, die Patienten der Kontrollgruppe (KG) einen einstündigen Vor-trag, der die wesentlichen Schulungsinhalte in kompakter Form vermittelt. Primäres Out-come war die wahrgenommene Selbstmanagementkompetenz der Patienten (heiQ, SkalenErwerb von Fertigkeiten und Handlungsstrategien sowie Selbstüberwachung und Krank-heitsverständnis; KCCQ, Skala Selbstwirksamkeit). Sekundäre Zielgrößen umfassen Ver-haltensdeterminanten und Selbstmanagementverhalten (Symptombeobachtung, körperli-che Aktivität, Medikamentenadhärenz), Lebensqualität und Behandlungszufriedenheit. DiePatienten wurden zu Beginn und am Ende der Rehabilitation sowie nach 6 und 12 Monatenmit standardisierten Fragebögen befragt. Die Wirksamkeit wird durch den Intergruppenver-gleich (IG, KG) zu den Post-Messzeitpunkten mittels hierarchischen linearen Modellen unterKontrolle der Baseline-Werte geprüft.

Die Stichprobe besteht aus 475 Rehabilitanden, mit einem mittleren Alter von 62 Jahren(SD=11,4). 77 % sind Männer, 71 % leben in einer Partnerschaft. 42 % der Rehabilitandensind erwerbstätig, 44 % berentet und 8 % arbeitslos. Die mittlere EF beträgt 32 (SD=6,9),

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65 % haben als Grunderkrankung eine KHK, 34 % haben einen Defibrillator/Schrittmacher.Meist erhalten die Rehabilitanden eine Anschlussrehabilitation (77 %). Zu den Post-Mess-zeitpunkten sind Daten von 89 % der Teilnehmer zu Reha-Ende, 84 % nach 6 Monaten und80 % nach 12 Monaten vorhanden.

Ergebnisse

In den primären Zielparametern zur wahrgenommenen Selbstmanagementkompetenz zeigtsich zu Reha-Ende hinsichtlich „Selbstüberwachung und Krankheitsverständnis“ ein kleiner,signifikanter Gruppenunterschied zugunsten der IG. Tendenziell liegen bei den Teilnehmernder IG auch bessere Werte hinsichtlich dem „Erwerb von Fertigkeiten und Handlungsstrate-gien“ vor. Keine Unterschiede sind hingegen bei der „Selbstwirksamkeit“ ersichtlich. Mittel-bis langfristig können keine signifikanten Gruppenunterschiede in den primären Zielparame-tern nachgewiesen werden.

Des Weiteren bestehen signifikante, kleine Gruppenunterschiede in einigen sekundärenZielparametern. Teilnehmer der IG weisen eine höhere Schulungszufriedenheit auf als Teil-nehmer der KG. In den verhaltensbezogenen Outcomes liegt bei Patienten der IG 6 Monatenach der Reha eine höhere Symptomkontrolle (tägliches Wiegen, Gewichtsprotokoll, Puls-/Blutdruckmessung) vor. Tendenziell wird von Teilnehmern der IG 12 Monate nach der Rehaein höheres Ausmaß an körperlicher Aktivität angegeben. Für die weiteren Zielparameterliegen keine Interventionseffekte vor.

Schlussfolgerungen

Im primären Outcome Selbstmanagementkompetenz bestand kurzfristig ein Interventions-effekt, mittel- bis langfristig konnte keine Überlegenheit des Curriculums Herzinsuffizienznachgewiesen werden. Es zeigen sich jedoch Vorteile in zentralen Verhaltensoutcomes.Auch sind die Rehabilitanden mit dem standardisierten Schulungsprogramm zufriedener alsmit einer Kurzschulung. Effekte eines Schulungsprogramms bei Herzinsuffizienz in Bezugauf schulungsnahe Zielparameter wie Krankheitswissen und Dokumentation der Selbstkon-trollen konnte auch von Glatz et al. (2014) gezeigt werden. Insgesamt kann das Curriculumaufgrund der hohen Patientenakzeptanz und einiger positiver Schulungseffekte für die Ver-sorgungspraxis empfohlen werden. Aktuell wird geprüft, welche Patientengruppen am meis-ten von der Schulung profitieren.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

Literatur

Ditewig, J.B., Blok, H., Havers, J., van Veenendaal, H. (2010): Effectiveness of selfmanage-ment interventions on mortality, hospital readmissions, chronic heart failure hospitaliza-tion rate and quality of life in patients with chronic heart failure: A systematic review. Pa-tient Education and Counseling, 78. 297-315.

Glatz, J., Muschalla, B., Karger, G. (2014): Patientenschulung bei Herzinsuffizienz verbes-sert krankheitsbezogenes Wissen und Verhalten während kardiologischer Rehabilita-tion, 53. 155-160.

McMurray, J.J.V., Adamopoulos, A., Anker, S.D., Auricchio, A., Böhm, M., Dickstein, K., Falk,V., Filippatos, G., Fonseca, C., Gomez-Sanchez, M.A., Jaarsma, T., Køber, L., Lip, G.Y.H.,

181

Maggioni, A.P., Parkhomenko, A., Pieske, B.M., Popescu, B.A., Rønnevik, P.K., Rut-ten, F.H., Schwitter, J., Seferovic, P., Stepinska, J., Trindade, P.T., Voors, A.A., Zannad, F.,Zeiher, A. (2012): ESC guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heartfailure. European Journal of Heart Failure, 14. 803-869.

Meng, K., Musekamp, G., Seekatz, B., Glatz, J., Karger, G., Kiwus, U., Knoglinger, E.,Schubmann, R., Westphal, R., Faller, H. (2013): Evaluation of a self-management patienteducation program for patients with chronic heart failure undergoing inpatient cardiac re-habilitation: Study protocol of a cluster randomized controlled trial. BMC CardiovascularDisorders, 13. 60. DOI: 10.1186/1471-2261-13-60.

Intervention zur Förderung der Selbstregulation bei chronischer Krankheit: Umsetzungsbezogene Ergebnisse einer formativen Evaluation

Heyduck, K., Jakob, T., Glattacker, M.

Universitätsklinikum Freiburg, Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin

Hintergrund

Gemäß des Common-Sense-Selbstregulationsmodells (Leventhal et al., 2001, 2003) bildendie Berücksichtigung patientenseitiger Kognitionen und die Fokussierung auf das konkreteKrankheitsbewältigungsverhalten wichtige Ansatzpunkte zur Förderung der krankheits-bezogenen Selbstregulation (McAndrew et al., 2008). Vor diesem Hintergrund und mit demZiel einer stärkeren Maßschneiderung der während der Rehabilitation vermittelten Informa-tionen, wurde im Rahmen des Projekts SELF eine Intervention entwickelt, in welcher die In-formationsvermittlung zur Erkrankung und Behandlung und die Erarbeitung eines adäquatenKrankheitsbewältigungsverhaltens auf die subjektiven Vorstellungen der Patienten zu ihrerErkrankung und Behandlung und das patientenseitige individuelle Bewältigungsverhaltenabgestimmt werden. Die Intervention wurde zwischen Mai 2013 und April 2014 in vier Reha-bilitationskliniken implementiert und formativ evaluiert. Wichtige Zielgrößen der Evaluationwaren dabei u. a. die Bewertungen der teilnehmenden Rehabilitanden und Behandler zurUmsetzung der interventionsrelevanten Themen und die Nutzenbewertung bzgl. der Förde-rung einer patientenorientierten Behandlungsgestaltung. Diese Ergebnisse sollen im vorlie-genden Beitrag vorgestellt werden.

Methodik

Die Intervention wurde für Patienten mit chronischem Rückenschmerz und Patienten mit de-pressiven Störungen konzipiert und im Rahmen der rehabilitativen Behandlung von Ärztenund Psychologen durchgeführt. Die Bewertung der Intervention wurde patienten- und be-handlerseitig mittels Fragebögen erhoben. Insgesamt liegen Angaben von N=88 Rehabili-tanden (NOrtho=41, NPsych=47) und N=27 Behandlern (NOrtho=10, NPsych=17) vor. Die teilneh-menden Rehabilitanden waren im Mittel 49,6 (Orthopädie) bzw. 50,3 (Psychosomatik) Jahrealt. Das mittlere Alter der Behandler lag bei MOrtho=47,2 bzw. MPsych=40,4 Jahren. Die Aus-wertungen erfolgten mittels deskriptiver Statistiken.

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Ergebnisse

Den Kern der Interventionsdurchführung bildete die Reflexion des subjektiven Krankheits-und Behandlungskonzepts und des individuellen Krankheitsbewältigungsverhaltens, wes-halb deren Umsetzung einen wichtigen Bestandteil der Evaluation darstellte. In beiden Indi-kationen berichteten die Patienten hier mehrheitlich, dass die entsprechenden Themenbe-reiche während der Rehabilitation besprochen wurden. Am häufigsten wurde die Themati-sierung „persönlicher Kontrollmöglichkeiten“ in Bezug auf die Erkrankung berichtet (inbeiden Indikationen >80 %). Weitere häufig thematisierte Themenbereiche waren in derOrthopädie die Erarbeitung erweiterter Krankheitsbewältigungsstrategien während undnach der Reha (jeweils >75 %) und in der Psychosomatik die Diskussion der Einflussmög-lichkeiten durch Behandlungsmaßnahmen (78,7 %). Behandlerseitig berichteten in der Or-thopädie sowohl Ärzte als auch Psychologen, am häufigsten über die Themenbereiche„Symptome“ (90,2 % und 78,0 %) und „Krankheitsbewältigungsstrategien“ (92,7 % und85,4 %) gesprochen zu haben. In der Psychosomatik wurden seitens der Ärzte am häufigs-ten „Krankheitsbewältigungsstrategien während der Reha“ (44,7 %) und die „Notwendigkeitvon Medikamenten“ (40,4 %) und seitens der Psychologen „Symptome“ (78,7 %) und „bis-herige Krankheitsbewältigungsstrategien“ (74,5 %) adressiert. Hinsichtlich der Förderungeiner patientenorientierten Behandlungsgestaltung wurde die Intervention sowohl patienten-seitig als auch behandlerseitig in beiden Indikationen positiv bewertet. So berichteten bei-spielsweise sowohl die teilnehmenden Rehabilitanden (Zustimmung 68,3 % in der Orthopä-die und 48,9 % in der Psychosomatik) als auch deren Ärzte (Zustimmung 73,2 % in der Or-thopädie und 59,6 % in der Psychosomatik), dass die Intervention dazu beigetragen habe,dass die Patienten die Informationen erhalten, die ihnen persönlich wichtig sind. Insgesamtfiel die Zustimmung in der Orthopädie hier etwas höher aus als in der Psychosomatik.

Diskussion

Die Ergebnisse geben Hinweise, dass bzgl. der Umsetzung der interventionsrelevantenThemenbereiche in beiden Indikationen eine gute Treatment-Integrität erreicht werdenkonnte. Die Intervention wurde außerdem in beiden Indikationen von den teilnehmendenRehabilitanden und Behandlern hinsichtlich der Förderung einer patientenorientierten Be-handlungsgestaltung als positiv bewertet, was u. E. als Hinweis auf positive Effekte der ge-mäß des Interventionsrationales intendierten „Maßschneiderung“ von Reha-Behandlungs-aspekten gewertet werden kann. Es wurden jedoch auch einige Indikationsunterschiede hin-sichtlich der Umsetzung und Bewertung der Intervention deutlich, die noch weitererBetrachtung und Einordnung bedürfen. Weitere Analysen zu anderen erhobenen Akzep-tanz- und Nutzenaspekten sowie zur behandlerseitigen Bewertung der Machbarkeit der In-tervention in der Klinikroutine sollen die hier vorgestellten Ergebnisse ergänzen.

Literatur

Leventhal, H., Leventhal, E.A., Cameron, L. (2001): Representations, procedures and affectin illness self-regulation: a perceptual-cognitive model. In: A. Baum, T.A. Revenson & J. E.Singer (Eds.), Handbook of Health Psychology. Mahwah, N.J: Lawrence Erlbaum. 19-48.

183

Leventhal, H., Brisette, I., Leventhal, E.A. (2003): The common-sense model of self-regula-tion of health and illness. In: L. Cameron, H. Leventhal (Eds.): The self-regulation of healthand illness behavior. London: Routledge. 42-65.

McAndrew, L.M., Musumeci-Szabó, T.J., Mora, P.A., Vileikyte, L., Burns, E., Halm, E.A.,Leventhal, H. (2008): Using the common sense model to design interventions for the pre-vention and management of chronic illness threats: From description to process. BritishJournal of Health Psychology, 13, 195-204.

„Dann haben die untereinander teilweise die Probleme gelöst“ – Schulungsleitererfahrungen mit der Implementierung einer Rückenschule

Peters, S. (1, 2) , Faller, H. (1), Pfeifer, K. (2), Meng, K. (1)

(1) Abteilung für Medizinische Psychologie, Medizinische Soziologie und Rehabilitations-wissenschaften, Universität Würzburg, (2) Institut für Sportwissenschaft und Sport,

Universität Erlangen-Nürnberg

Hintergrund

Die Einführung von evidenzbasierten Interventionen in der klinischen Praxis stellt eine großeHerausforderung dar. Dies gilt auch für moderne Patientenschulungen, welche multidiszi-plinär und biopsychosozial angelegt sind, einen hohen Grad an interaktiver, patientenorien-tierter Methodik anstreben und in geschlossenen Gruppen angeboten werden. In einem ak-tuellen Projekt wurde das Curriculum Rückenschule (CR) der DRV Bund in neun Rehabilita-tionskliniken disseminiert.

Solche Implementierungen werden von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst (Jahed et al.,2012). Vor der Einführung waren in den Reha-Kliniken strukturelle Rahmenbedingungenprinzipiell vorhanden. Bei den Schulungsleitern bestand weitgehend Akzeptanz gegenüberdem CR (Peters et al., im Druck). Die Implementierung führte zu heterogenen Ergebnissenin den Kliniken. Einflüsse hierauf sollten über die Befragung der Schulungsleiter exploriertwerden. Fragestellung: Welche Barrieren und Förderfaktoren gegenüber der nachhaltigenEinführung des CR zeigen sich in den Erfahrungen und Einstellungen der Schulungsleiterbzgl. der Implementierung des Schulungsprogramms?

Methodik

Als Teil einer multi-methodalen Prozessforschung wurden 12 Wochen nach der Implemen-tierung des CR die Schulungsleiter mittels qualitativer, teilstrukturierter Leitfadeninterviewsbefragt. Der Interviewleitfaden beinhaltete sechs Hauptfragen (u. a. „Welche Erfahrungenhaben Sie bei der praktischen Durchführung des Curriculums gemacht?“) mit jeweils mögli-chen Nachfragen. Die Auswertung erfolgte durch thematische Analyse (Braun, Clarke,2006) im Softwareprogramm Atlas.ti (Version 6.2.25) auf Basis der Interviewtranskripte. Beider Kodierung wurden als Oberkategorien die angepassten Ebenen von Grol und Wensing(2004) verwendet: „Schulungsleiter“, „Patient“, „Sozialer Kontext“, „Organisationskontext“,„Curriculum Rückenschule“ und „Ökonomischer und politischer Kontext“. Eine Zugehörig-keit der Aussagen zu den genannten Kategorien bildete das Selektionskriterium (nur solche

184

Aussagen wurden berücksichtigt). Die Unterkategorien/Themen wurden induktiv durch zweiKodierer unterschiedlicher Professionsbereiche erstellt und zugewiesen.

Die Stichprobe umfasste 45 Schulungsleiter (27 Frauen). Es handelte sich um 23 Bewe-gungstherapeuten, 10 Psychologen, 9 Ärzte und 3 Ergotherapeuten.

Ergebnisse

Auf Ebene der „Patienten“ berichten die Schulungsleiter eine mehrheitlich hohe Beteiligung,hohe Motivation sowie Freude an der Rückenschulteilnahme. Teilweise wird dies als Diskre-panz zur bisherigen Schulung dargestellt. Vielfach wird allerdings auch eine heterogene Be-teiligung sowohl zwischen als auch innerhalb der Gruppen festgestellt. Als ein Kritikpunktder Patienten wird der wahrgenommene hohe Theorieanteil des Curriculums beschrieben.Auf der Ebene des „Curriculum Rückenschule“ wird der zeitliche Umfang thematisiert. DieSchulungsleiter äußern hiermit Schwierigkeiten, was sie hauptsächlich mit dem inhaltlichenUmfang bzw. der Durchführung von interaktiven Methoden begründen. Hilfreich werden Ma-terialien und Medien empfunden, welche Struktur bzw. Orientierungshilfe bieten. Auf derEbene „Sozialer Kontext“ werden besonders Austausch und Zusammenarbeit thematisiert.Die Erfahrungen sind dabei unterschiedlich. Teilweise wurden keine oder sehr geringe Aus-wirkungen auf die Zusammenarbeit durch die Rückenschulimplementierung empfunden.Dies wird z. B. darin begründet, dass diese bereits gut war. Es wird aber auch öfters ein ver-stärkter Austausch bei und durch Einführung des CR vermeldet. Das betrifft oft den Aus-tausch innerhalb der entsprechenden Abteilung. Auch dieser Austausch ist teils interdiszi-plinär, was von einigen Schulungsleitern als bereichernd empfunden wird. Für sich selbstbeschreiben die Schulungsleiter eine mehrheitlich positive Einstellung zum CR und dessenEinführung. Diese speist sich z. B. aus der Erwartung der Nachhaltigkeit für die Patientenund aus den positiven Konsequenzerfahrungen in Praxissituationen. Ein- und Durchführungbeschreiben vornehmlich die Bewegungstherapeuten als anfangs hohen persönlichen Auf-wand. Kritisch äußern sich viele Bewegungstherapeuten bzgl. des Umfangs der Theoriever-mittlung. Zum „Organisationskontext“ werden knappe Ressourcen, sowohl hinsichtlichRäumlichkeiten und Technik als auch hinsichtlich Zeit und Personal genannt. Zudem spielenPlanungsaspekte eine große Rolle. Der Inhalt der Kategorie „ökonomischer und politischerKontext“ beschränkt sich auf vereinzelte Äußerungen zum Kostenträger, dem ein Interessean der Einführung des CR bescheinigt wird.

Schlussfolgerung und Ausblick

Die Ergebnisse zeigen heterogene Erfahrungen und Einstellungen der Schulungsleiter bzgl.der Ein- und Durchführung des CR nach der Schulungsimplementierung. Hieraus lassensich auf mehreren Ebenen Barrieren und Förderfaktoren ableiten, welche bei der weiterenDissemination des CR bzw. anderer Patientenschulungen berücksichtigt werden sollten(Grimshaw et al., 2012): Sinnvoll erscheinen Trainerschulungen, ggf. mit anschließenderBeratung. Hierbei sollten auch zielgruppenspezifische Anpassungsmöglichkeiten bei derUmsetzung des Curriculums vermittelt und Teamprozesse angeregt werden. Weiterhin er-scheint die Bereitstellung von Ressourcen zentral.

Förderung: Im gemeinsamen Förderschwerpunkt „Chronische Krankheiten und Patienten-orientierung“ von BMBF, Kranken- und Rentenversicherung.

185

Literatur

Braun, V., Clarke, V. (2006): Using thematic analysis in psychology. Qualitative Research inPsychology, 3. 77-101.

Grimshaw, J.M., Eccles M.P., Lavis, J.N., Hill, S.J., Squires, J.E. (2012): Knowledge trans-lation of research findings. Implementation Science, 7. 50.

Grol, R., Wensing, M. (2004): What drives change? Barriers to and incentives for achievingevidence-based practice. The Medical Journal of Australia, 180. 57-60.

Jahed, J., Bengel, J., Baumeister, H. (2012): Transfer von Forschungsergebnissen in diemedizinische Praxis. Gesundheitswesen, 74. 754-761.

Peters, S., Schultze, A., Pfeifer, K., Faller, H., Meng, K. (im Druck): Akzeptanz der Einfüh-rung standardisierter Patientenschulungen durch das multidisziplinäre Reha-Team amBeispiel einer Rückenschule – Eine qualitative Studie. Gesundheitswesen.

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Patientenschulung (Poster)

Die Bedeutung von Schulungsleiterdeterminanten für die Einführung standardisierter Patientenschulungen in die Routineumsetzung

Meng, K., Opeskin, J., Peters, S., Faller, H.

Abteilung für Medizinische Psychologie, Medizinische Soziologie und Rehabilitations-wissenschaften, Universität Würzburg

Hintergrund

Disseminationsstudien zeigen, dass die Einführung standardisierter Schulungen in den Kli-nikalltag häufig nicht vollständig gelingt. Neben organisatorischen Faktoren wird der Pra-xistransfer auch durch individuelle Faktoren der Klinikmitarbeiter beeinflusst (z. B. Michieet al., 2005). In einem Modell zum Verhalten von Mitarbeitern im Gesundheitswesen wirdangenommen, dass sozial-kognitive Parameter direkten Einfluss auf die Verhaltensintentionhaben, die wiederum das Verhalten prädiziert (Godin et al., 2008). Weitere Forschungser-gebnisse sind aber erforderlich, um Verhaltensintention und Verhalten von Fachleuten imGesundheitswesen besser verstehen und vorhersagen zu können

Daher wurden im Rahmen einer Implementierungsstudie einer standardisierten Rücken-schule schulungsleiterspezifische Verhaltensdeterminanten untersucht. Die folgenden Fra-gestellungen wurden in Anlehnung an das Modell von Godin geprüft: F1: Welchen Einflusshaben sozial-kognitive und affektive Schulungsleiterdeterminanten auf die Verhaltensinten-tion und auf das globale Interesse an der Schulungseinführung? F2: Durch welche Determi-nanten lässt sich das Interesse zur Fortführung der Schulung am Ende der Implementie-rungsphase vorhersagen?

Methodik

Im Rahmen einer Implementierungsstudie mit multi-methodaler Prozessforschung wurdedas Curriculum Rückenschule in 10 Rehabilitationskliniken eingeführt. Die Klinikmitarbeiterwurden zu vier Messzeitpunkten (vor Implementierung T0, nach Implementierungsinterven-tion/-beginn T1, 4 und 12 Wochen nach Implementierungsintervention/-beginn T2, T3) mit-tels schriftlicher Fragebögen befragt. Determinanten der Schulungsleiter wurden auf theo-retischer Grundlage zur Implementierung evidenzbasierter Behandlungen nach Michie et al.(2005) definiert. Mittels exploratorischer Faktorenanalyse wurden Skalen mit zufriedenstel-lenden Kennwerten zu folgenden Determinanten entwickelt: Schulungswissen, Schulungs-leiterfertigkeiten, Passung des Curriculums mit dem eigenen Berufsbild, allgemeine berufs-bezogenen Selbstwirksamkeit, Selbstwirksamkeitsannahmen zur Schulungsumsetzungbzw. zum Umgang mit Widerständen, positive und negative Konsequenzerwartungen,Teamhaltung, positiver und negativer Affekt bezüglich der Einführung, Zufriedenheit mit derbestehenden Schulung sowie Intention zur Schulungsumsetzung und Interesse zur Schu-lungseinführung (T0) bzw. -weiterführung (T3).

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Die statistische Analyse umfasst Korrelations- und Regressionsanalysen im Quer- undLängsschnitt (T0, T3). Zusätzlich wird ein Mediationsmodell sozial-kognitiver und affektiverDeterminanten geprüft (T0; MPlus).

Für die Erhebung vor Implementierung (T0) liegen Daten von 77 Schulungsleitern – 17 Ärz-te, 45 Bewegungstherapeuten, 13 Psychologen, 2 Ergotherapeuten – vor. Darunter sind54 Frauen, das Durchschnittsalter ist 42 Jahre (SD=10,1). Zu Implementierungsende (T3)umfasst die Stichprobe 63 Schulungsleiter.

Ergebnisse

F1: Für die Schulungsleiterdeterminanten „Fertigkeiten Schulungsmethoden“, „Passung mitberuflicher Rolle“, „Selbstwirksamkeit in Bezug auf den Umgang mit Widerständen“, „allge-meine berufliche Selbstwirksamkeit“ sowie „positive bzw. negative Konsequenzerwartun-gen“ und „positiver Affekt“ liegen signifikante Korrelationen mit der Intention zur Schulungs-umsetzung (.23≤r≤.50) und/oder dem Interesse zur Schulungseinführung (.33≤r≤.68) vor.

In den multiplen Regressionsanalysen erweisen sich die Variablen „Selbstwirksamkeit: Wi-derstände“ (β=.25, p<.05), „positiver Affekt“ (β=−.31, p<.05) und „Fertigkeiten Schulungs-methoden“ (β=.36, p<.01) als signifikante Prädiktoren der Intention (R2=.50), „positive Kon-sequenzerwartungen“ (β=.26, p<.05) und „positiver Affekt“ (β=.37, p<.01) als signifikantePrädiktoren des Einführungsinteresses (R2=.66).

Ein a priori formuliertes Mediatormodell postuliert, dass der Zusammenhang zwischen densozial-kognitiven Determinanten (Passung mit beruflicher Rolle, positive Erwartungen, ne-gative Erwartungen, Selbstwirksamkeit: Widerstände) und der Intention zur Schulungsein-führung über die affektive Determinante (positiver Affekt) vermittelt wird. Die Mediatoranaly-sen zeigen jeweils einen signifikanten indirekten Effekt (p<.01). Zusätzlich wird eine sequen-zielle Abfolge der sozial-kognitiven Determinanten geprüft. Die Passung der Schulung mitder eigenen beruflichen Rolle hat dabei sowohl einen direkten Einfluss auf die affektive Re-aktion, als auch indirekte Effekte über die positiven Erwartung bzw. die negativen Erwartun-gen und die Selbstwirksamkeit mit Widerständen umzugehen. Für das Mediatormodel be-steht ein guter Modellfit (2=9.01(8)=.34. RMSEA=.05. CFI=0.99. TLI=0.98. SRMR=0.06);die indirekten Pfade werden zum Teil signifikant. Die Analysen zeigen, dass der Einfluss dersozial-kognitiven Determinanten auf die Verhaltensintention über die affektive Determinantevermittelt wird.

F2: Die Schulungsleiterdeterminanten vor Implementierungsbeginn (T0) sind teilweise auchsignifikante Prädiktoren (.39≤β≤.61, p<.05) für das Interesse zum Fortführen der Schulungam Ende der Implementierungsphase (T3): „Passung mit beruflicher Rolle“, „positive Erwar-tungen“, „negative Erwartungen“, „Selbstwirksamkeit Widerstände“, „positiver Affekt“, „In-tention“.

Schlussfolgerung und Ausblick

Einzelne Schulungsleiterdeterminanten beeinflussen die Intention zur Schulungsumsetzungund das Interesse zur Schulungseinführung. Neben sozial-kognitiver Variablen kommt auchder positiven affektiven Reaktion eine bedeutsame Rolle zu. Bei der Einführung von Patien-tenschulungen sollte daher der Passung der Schulung mit der eigenen beruflichen Rolle,

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den erwarteten Konsequenzen sowie der Selbstwirksamkeit, mit schwierigen Situationen imRahmen der Implementierung umgehen zu können, genügend Beachtung gegeben werden,um eine positive affektive Reaktion und die Verhaltensabsicht zur Schulungsumsetzung zufördern. Diese Determinanten können auch wesentliche Ansatzpunkte für Implementie-rungsinterventionen sein. Weitere Studien sollten die Zusammenhänge der Determinantenmit dem Schulungsleiterverhalten im Längsschnitt an größeren Stichproben untersuchen.

Förderung: Im gemeinsamen Förderschwerpunkt „Chronische Krankheiten und Patienten-orientierung“ von BMBF, Kranken- und Rentenversicherung.

Literatur

Godin, G., Belanger-Gravel, A., Eccles, M., Grimshaw, J. (2008): Healthcare professionals'intentions and behaviours: A systematic review of studies based on social cognitivetheories. Implementation Science, 3. doi 10.1186/1748-5908-3-36.

Michie, S., Johnston, M., Abraham, C., Lawton, R., Parker, D., Walker, A. on behalf of the„Psychological Theory“ Group (2005): Making psychological theory useful for implemen-ting evidence based practice: a consensus approach. Quality and Safety in Health Care, 14.26-33.

Gut informiert in die Reha? Welche Informationen haben Rehabilitandenvor der Reha gesucht, erhalten oder vermisst?

Walther, A.L., Schreiber, D., Deck, R.

Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck

Hintergrund

Bislang gibt es wenige Studien, die explizit den Informationsbedarf von Rehabilitanden erfassthaben. Es gibt jedoch einige Hinweise darauf, dass Rehabilitanden nur unzureichend überwesentliche Aspekte der Reha im Vorfeld informiert sind (Höder, Deck, 2014). Ihre antragsun-terstützenden, niedergelassenen Ärzte geben ihrerseits selbst immer wieder einen hohen In-formationsbedarf an (Walther et al., 2014) und können somit eine ausführliche Aufklärungkaum leisten. Zudem mangelt es an hochwertigen und verständlichen Informationsmateria-lien. Studien der Health-Literacy-Forschung haben jedoch gezeigt, dass Informiertheit undverschiedene gesundheitsbezogene Outcomes zusammenhängen (Berkman et al. 2011).

In einer aktuell laufenden Studie wurden in einem ersten Studienabschnitt folgende Fragenuntersucht: Welche Informationen haben Rehabilitanden vor Antritt ihrer Reha erhalten? Ha-ben sie ihren Bedürfnissen entsprochen oder hätten sie etwas anderes gebraucht?

Methodik

Insgesamt wurden 6 Fokusgruppen mit Rehabilitanden am Ende der Reha durchgeführt: jezwei Fokusgruppen in den Indikationen Orthopädie, Psychosomatik und Kardiologie/InnereMedizin. Die Fokusgruppen wurden leitfadengestützt moderiert, digital aufgezeichnet undvollständig transkribiert. Die Fokusgruppen dauerten zwischen 43–83 Minuten, an ihnennahmen jeweils 3–7 Rehabilitanden im Alter von 28–64 Jahren teil. Die Auswertung orien-

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tierte sich am Konzept der Inhaltsanalyse (Mayring, 2010) und erfolgte mit dem ProgrammMAXQDA. Das Kategoriensystem wurde hierbei sowohl deduktiv als auch induktiv gebildet.Der Kodierungsprozess wurde zunächst von zwei Personen unabhängig voneinanderdurchgeführt. Die gemeinsame Diskussion der Kodierungen und die Konsensfindung wur-den ggf. gemeinsam mit der Projektleiterin durchgeführt.

Ergebnisse

Rehabilitanden gaben relativ häufig an, dass sie Informationen von ihren antragsunterstüt-zenden Ärzten erhielten. Angehörige und Kollegen stellten eine ebenso häufig genannte In-formationsquelle dar. Die erhaltenen Angaben waren meist jedoch eher allgemeiner Naturund häufig unspezifisch und unkonkret.

Über das gesamte Therapieangebot sowie über einzelne Therapien, die speziell für das ei-gene gesundheitliche Problem angeboten werden, versuchten sich die Rehabilitanden mit-hilfe der im Vorfeld erhaltenen Klinikbroschüre, auf der Website der Reha-Klinik und auf an-deren Internetseiten zu informieren. Von großem Interesse waren weiterhin die örtliche Lageund Ausstattung der Klinik sowie die angebotenen Freizeitaktivitäten. Diese Informationenwurden jedoch häufig als nicht ausreichend und wenig detailliert beschrieben erachtet. DieNachsorgeangebote der RV waren nur wenigen Rehabilitanden bekannt. Einige äußertenden Wunsch hierüber generell umfassender bzw. früher informiert zu werden.

Ein hoher Informations- bzw. Unterstützungsbedarf wurde auch zum Prozess der Antrags-stellung und beim Ausfüllen der Antragsformulare geäußert.

Für die zukünftige Vermittlung von Informationen wurden unter den Rehabilitanden unter-schiedliche Informationsquellen diskutiert wie z. B. schriftliche, papierbasierte Informations-materialien (z. B. Broschüre) oder eine Website. Einige der Rehabilitanden gaben an, dasssie sich insbesondere von ihren antragsunterstützenden Ärzten mehr und bessere Informa-tionen wünschen. Eine eindeutige Präferenz für eine spezielle Informationsquelle konnte je-doch nicht identifiziert werden.

Diskussion

Unsere Studie hat bisher bereits einen hohen Informationsbedarf von Rehabilitanden zumAntragsverfahren, zu Behandlungsangeboten in der Reha und zu nachfolgenden Angebo-ten identifiziert, der mit den zurzeit gängigen Informationsmaterialien nur unzureichend be-friedigt wird. Es existieren derzeit bereits Angebote, die diesen Bedarf teilweise deckenkönnten z. B. durch die Gemeinsamen Servicestellen oder die Website www.vor-der-reha.de, die viele der angesprochenen Themen verständlich aufbereitet. Beide Angebotesind unter den Rehabilitanden jedoch kaum bekannt. Es würde sich daher anbieten, dieseunter der Zielgruppe stärker zu verbreiten, so kann z. B. auf den Link der Website im Bewil-ligungsschreiben hingewiesen werden.

Schlussfolgerung, Umsetzung und Ausblick

Zurzeit werden aus den Ergebnissen der Fokusgruppen die Inhalte für eine standardisierteBefragung generiert. Diese soll an je 200 Rehabilitanden der o. g. Indikationen erfolgen undist für Anfang 2015 geplant.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

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Literatur

Berkman, N.D., Sheridan, S.L., Donahue, K.E. et al. (2011): Health Literacy Interventionsand Outcomes: An Updated Systematic Review. Evidence Report/Technology Assess-ment No. 199. (Prepared by RTI International – University of North Carolina Evidence-based Practice Center under contract No. 290-2007-10056-I. AHRQ Publication Number11-E006. Rockville, MD. Agency for Healthcare Research and Quality).

Höder, J., Deck, R. (2014): Vorbereitung auf die Reha: Auswirkungen leichtverständlicherInformationen. DRV-Schriften, Bd. 103. 231-233.

Mayring, P. (2010): Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. Weinheim:Beltz-Verlag.

Walther, A.L., Pohontsch, N.J., Deck, R. (2014): Informationsbedarf zur medizinischen Re-habilitation der Deutschen Rentenversicherung – Ergebnisse eines Online-Surveys mitniedergelassenen Ärzten. Gesundheitswesen (EFirst). doi: 10.1055/s-0034-1377034.

Ein Wegweiser für Migranten in die medizinische Rehabilitation der Deutschen Rentenversicherung

Reissmann, L.-M. (1), Schwarz, B. (3), Markin, K. (2), Salman, R. (2), Gutenbrunner, C. (1)

(1) Klinik für Rehabilitationsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, (2) Ethno-Medizinisches Zentrum e.V., Hannover, (3) Institut für Sozialmedizin

und Epidemiologie, Universität Lübeck, Lübeck

Hintergrund

Trotz eines erhöhten Bedarfs nehmen Migranten die medizinische Rehabilitation der gesetz-lichen Rentenversicherung seltener in Anspruch als Personen ohne Migrationshintergrund(Razum et al., 2009). Höhere Arbeitsunfähigkeitszeiten sowie stärker chronifizierte Gesund-heitsprobleme bei Reha-Antritt weisen zudem auf eine häufig verspätete Inanspruchnahmehin (Mösko et al., 2008). Im Rahmen des Projektes „MiMi-Reha: Implementierung und Eva-luation eines Info-Angebotes für Migranten zur medizinischen Reha auf Basis der ‚MiMi-Kampagnentechnologie‛“ wurde der Frage nachgegangen, wie sich zuvor identifizierte Zu-gangsbarrieren für Migranten in die medizinische Rehabilitation der Deutschen Rentenver-sicherung (DRV) abbauen lassen.

Studiendesign

Zur Identifizierung der Zugangsbarrieren wurden 6 Fokusgruppen durchgeführt: Zweideutschsprachige mit Migranten mit Reha-Erfahrung, jeweils eine deutsch-, eine russisch-und eine türkischsprachige mit Migranten ohne Reha-Erfahrung sowie eine mit Experten ausPraxis, Verwaltung und Politik. Die Fokusgruppen wurden leitfadengestützt moderiert, tonauf-gezeichnet und anschließend transkribiert. An den durchschnittlich 90-minütigen Fokusgrup-pen nahmen 7–14 Personen teil. Die Auswertung erfolgte mittels induktiv-zusammenfassen-der qualitativer Inhaltsanalyse und wurde mithilfe der Software MAXQDA realisiert. Die Ergeb-nisse der Fokusgruppen wurden genutzt, um einen Wegweiser für Migranten zu erstellen.

191

Ergebnisse

Identifiziert wurden Barrieren auf System- und Personenseite. Neben migrantenspezifi-schen waren darunter auch schicht- und geschlechtsspezifische Barrieren, die für Migrantenaufgrund des Zusammenhangs von Migrations- und sozialem Status sowie gelebten Ge-schlechterrollen besonders relevant sind (Tucci et al. (2013); Wippermann (2009)). Treteneinzelne Barrieren in Wechselwirkung, können sie sich zu Barrierekomplexen verdichten.Vier Komplexe wurden identifiziert: 1. Sprache, 2. Wissen, 3. Religion, Kultur, Milieu, 4. Dis-kriminierung. Diese wurden bei der Erstellung des Wegweisers „Die medizinische Rehabili-tation der Deutschen Rentenversicherung: Hilfe bei chronischen Erkrankungen“ berücksich-tigt. Der Wegweiser wird im Rahmen des Projektes ins Russische und Türkische übersetzt,erläutert den Ablauf einer medizinischen Rehabilitation und geht auf Fragen zur Religions-ausübung während der medizinischen Rehabilitation ein.

Diskussion

Die Ergebnisse der Fokusgruppen zeigen einen Bedarf an kultursensiblen und mehrsprachi-gen Informationsmaterialien für Migranten, um bestehende Zugangsbarrieren in die medizi-nische Rehabilitation der GRV abzubauen.

Schlussfolgerung, Umsetzung und Ausblick

Der erstellte Wegweiser orientiert sich an den identifizierten Zugangsbarrieren in die medi-zinische Rehabilitation der DRV und kann daher zu einer bedarfsadäquaten rehabilitativenVersorgung von Migranten beitragen. Der Wegweiser ist Teil eines im Rahmen des Projek-tes „MiMi-Reha“ entwickelten und derzeit laufenden Informationsangebotes zur medizini-schen Rehabilitation für Migranten.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund, Deutsche Rentenversicherung Nord,Deutsche Rentenversicherung Oldenburg-Bremen, Deutsche Rentenversicherung Rhein-land-Pfalz

Literatur

Mösko, M., Schneider, J., Koch, U., Schulz, H. (2008): Beeinflusst der türkische Migrations-hintergrund das Behandlungsergebnis? Ergebnisse einer prospektiven Versorgungsstu-die in der stationären Rehabilitation von Patienten mit psychischen/psychosomatischenStörungen. Psychotherapie Psychosomatik Medizinische Psychologie, 58. 176-182.

Razum, O., Voigtländer, S., Brzoska, P., Reutin, B., Yilmaz, Y. (2009): Medizinische Reha-bilitation für Personen mit Migrationshintergrund – Zwischenergebnisse eines For-schungsprojektes im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. In: Bun-desministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.): Gesundheitliche Versorgung von Perso-nen mit Migrationshintergrund. Berlin: Bundesministerium für Arbeit und Soziales. 36-52.

Tucci, I. (2013): Lebenssituation von Migranten und deren Nachkommen. In: StatistischesBundesamt (Hrsg.): Datenreport 2013. Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutsch-land. Bonn: Statistisches Bundesamt. 198-204.

Wippermann, C., Flaig, B.B. (2009): Lebenswelten von Migrantinnen und Migranten. Bun-deszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), 5. 3-11.

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Reha-Team

Kurzintervention zur Verbesserung der interprofessionellen Teamarbeitin der Rehabilitation – eine Prozessevaluation

Körner, M. (1), Müller, C. (1), Becker, S. (1), Rundel, M. (2), Zimmermann, L. (3)

(1) Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universität Freiburg, (2) Celenus Kliniken Offenburg, (3) Moving Concept, Freiburg

Theoretischer Hintergrund

Interprofessionelle Teamarbeit ist ein wesentliches Qualitäts- und Erfolgsmerkmal der Re-habilitation (Müller et al., 2014). Teamentwicklungsmaßnahmen können einen wesentlichenBeitrag leisten, um die Zusammenarbeit von Teams in der Organisation zu optimieren (Bul-jac-Samardzic et al., 2010). Während internationale Ansätze für Teaminterventionen insbe-sondere für den akuten und post-akuten Versorgungssektor weit verbreitet und evaluiertsind (Weaver et al., 2010), liegen für den rehabilitativen Versorgungssektor in Deutschlandkeine Konzepte vor (Körner et al., 2014). Im Rahmen der Studie „Patientenorientierte Team-entwicklung (PATENT)“ wurde eine Teamentwicklungsintervention konzeptualisiert. Nach-folgend werden erste Ergebnisse der Prozessevaluation vorgestellt.

Methodik und Studiendesign

Die Teamentwicklung wurde in 5 Rehabilitationseinrichtungen durchgeführt. Sie erfolgte inForm einer Kurzzeitintervention im Zeitraum von März 2013 bis Juli 2014. In einem Abstandvon 4 Wochen zum letzten Interventionstermin folgte die Prozessevaluation der Teament-wicklung. Als Messinstrument diente ein Fragebogen, der 7 modifizierte Items des „Maßnah-men-Erfolgs-Inventar [MEI] zur Bewertung von Trainings“ nach Kauffeld et al. 2009 und 15eigen konstruierte Items umfasste. Zum einen wurden standardisierte Antwortkategorien(Item 1 bis 15 von 0 = „trifft überhaupt nicht zu“ bis 10 = „trifft völlig zu“; Item 15 bis 22 von1 = trifft gar nicht zu bis 4 = trifft völlig zu“) vorgegeben, zum anderen bestand die Möglich-keit, im Freitext Anregungen anzubringen. Um die Skalen für den Klinikvergleich in einheit-licher Skalierung vorliegen zu haben, wurden die Werte z-transformiert. Die Daten wurdendeskriptiv sowie die Unterschiede zwischen den Kliniken inferenzstatistisch mittels IBM-SPSS (Version 22) ausgewertet.

Ergebnisse

Insgesamt nahmen 91 Mitarbeiter teil, von denen 52 den Evaluationsbogen ausfüllten(Rücklauf 57 %). Die Items wurden anhand von 5 Skalen (A bis E) zusammengefasst. So-wohl die z-transformierten Werte wie auch die Klinikunterschiede sind in Tab. 1 dargestellt.Die Bewertungen der einzelnen Skalen unterscheiden sich signifikant im Klinikvergleich, d. h.es ist zwischen den Kliniken eine deutliche Streuung bei den gegebenen Antworten festzu-stellen. Im Freitextformat bewerteten Teilnehmer insbesondere die Moderation und das„strukturierte, zielgerichtete Vorgehen“ als sehr positiv. Die Kurzintervention wurde als prak-tikabel eingeschätzt und die von den Teilnehmern geäußerten Aspekte „Vorbildfunktion für

193

interkollegiale Kommunikation“, „Förderung zur Selbstentwicklung“ sowie der „ehrliche, of-fene Austausch im Rahmen der Intervention“ wurden positiv hervorgehoben.

Tab. 1: Die Skalen A–E im Klinikvergleich

Diskussion

Die Bewertungen der Teamentwicklung fallen über die Kliniken hinweg positiv aus. Dieschlechteren Bewertungen von Klinik 3 und Klinik 5 lassen sich mithilfe der Angaben der Mit-arbeiter im Freitext interpretieren. So wurde z. B. in Klinik 3 von bereits vorbestehendenKonflikten berichtet, die in den Befragungsergebnissen ihren Ausdruck fanden. Insgesamtkann die Intervention jedoch empfohlen werden. Sie ist 1. praktikabel sowie in unterschied-lichen Indikationsbereichen anwendbar und 2. weist sie auf Grundlage der dargestellten Er-gebnisse eine weitgehende Akzeptanz auf.

Schlussfolgerungen und Ausblick

Für die nachhaltige Dissemination der Teamentwicklung sind eine Manualisierung des Inter-ventionskonzeptes und Weiterbildungsveranstaltungen in Form von Train-the-Trainer-Kon-zepten geplant.

Förderung: Förderung: Im gemeinsamen Förderschwerpunkt „Chronische Krankheiten undPatientenorientierung“ von BMBF, Kranken- und Rentenversicherung.

Literatur

Buljac-Samardzic, M., Dekker-van Doorn, C.M., van Wijngaarden, J.D.H., van Wijk, K.P.(2010): Interventions to improve team effectiveness: A systematic review. Health Policy,183-195. DOI:10.1016/j.healthpol.2009.09.015.

Kauffeld, S., Brennecke, J., Strack, M. (2009): Erfolge sichtbar machen: das Maßnahmen-Erfolgs-Inventar [MEI] zur Bewertung von Trainings. In: Kauffeld, S., Grote, S., Frieling, E.(Hrsg.): Handbuch Kompetenzentwicklung. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. 55-78.

Körner, M., Bütof, S., Müller, C., Zimmermann, L., Becker, S., Bengel, J. (2014): Interprofes-sional Teamwork and Team Interventions in Chronic Care: A Narrative Review. Journalof Interprofessional Care, submitted.

Müller, C., Zimmermann, L., Körner, M. (2014): Förderfaktoren und Barrieren interprofes-sioneller Kooperation in Rehabilitationskliniken – Eine Befragung von Führungskräften.Die Rehabilitation. DOI: 10.1055/s-0034-1375639.

Klinik 1 Klinik 2 Klinik 3 Klinik 4 Klinik 5 Gruppenunterschiedezwischen Kliniken

Skala N M(SD)

N M (SD) N M (SD) N M(SD)

N M(SD)

F (df, N)

p

A: Zufriedenheit mitder Intervention

110.75 (.60)

130.51 (.70)

11-1.09 (.57)

80.28 (.62)

6-0.85 (.98)

F(4,49)=15.09 <.000

B: PersönlicheVeränderungdurch Intervention

110.56 (1.0)

130.49 (.84)

11-0.81 (.52)

9-0.23 (1.03)

6-0.56 (.87)

F(4,50)=5.27 <.001

C: Effekte der Intervention

130.78 (.76)

120.25 (.66)

9-1.05 (.55)

70.21

(1.02)6

-0.86 (.67)

F(4,47)=10.82 <.000

D: Interdisziplinarität durch Intervention

120.85

(1.03)12

0.10 (.68)

10-0.86 (.56)

8-0.06 (.79)

5-0.48 (1.08)

F(4,47)=6.38 <.000

E: Nachhaltigkeit der Intervention

120.72

(1.20)11

0.3 (.56)

9-0.57 (.60)

8-0.12 (.62)

6-0.97 (.98)

F(4,46)=5.64 <.001

194

Optimierung der pflegerischen Patientenkontakte: Effekte eines Kommunikationstrainings für Pflegende in der Rehabilitation

Dibbelt, S., Wulfert, E., Greitemann, B.

Institut für Rehabilitationsforschung, Reha-Klinikum Bad Rothenfelde – Klinik Münsterland

Hintergrund

Kommunikative Aufgaben (wie das Erfragen der Patientendaten, Information, Schulungoder Beratung von Rehabilitanden) sind zentrale Aufgaben von Pflegende in der Rehabilita-tion. Für den Einsatz im Akutkrankenhaus ausgebildet, sind Pflegende auf die rehabilita-tionsspezifischen kommunikativen Aufgaben jedoch nur wenig vorbereitet (Hotze, 1997;Hotze, Winter, 2000). Das Ziel der Studie Optippar II war es daher, ein bedarfsgerechtesKommunikationstraining für Pflegende zu entwickeln, durchzuführen und dieses zu evaluie-ren. Als Zielgrößen der Evaluation wurden Bewertungen der Aufnahmegespräche durchPflegende und Rehabilitanden vor und nach dem Training mittels eines neu entwickeltenFragebogens erfasst.

Methode

Die Trainingsinhalte wurden in Abstimmung mit Pflegedienstleitern der 6 teilnehmendenEinrichtungen entwickelt. Das zweitägige Training wurde von professionellen Trainerinnenin den 6 Einrichtungen durchgeführt und hatte neben Grundlagen der Gesprächsführung dieOptimierung der Aufnahmegespräche zum Gegenstand. Die Interaktionsqualität wurde mit-tels eines neu entwickelten Fragebogens (Gesprächs-Bewertungsbogen für Pflegende undPatienten – GBB) erhoben. Mit dem GBB bewerteten Pflegende und Patienten die affektive,informative und partizipative Qualität der gemeinsamen Gespräche bei Aufnahme jeweilsvor und nach der Durchführung des Interaktionstrainings. Die 22 Items des GBB, die teilsVerhaltensbeschreibungen der Pflegenden, teils affektive Aspekte (wie „Vertrauen“ und„Wohlfühlen im Kontakt“) erfassten, wurden zu zwei Qualitätsindexen für die Interaktion –„Kommunikationsförderer“ und „Kommunikationsstörer“ – zusammengefasst. Die Mittelwer-te der Indexe jeweils vor und nach Training wurden mittels Wilcoxon-Test für abhängigeStichproben verglichen. Die Daten aus zwei teilnehmenden Einrichtungen konnten bislangausgewertet werden.

Ergebnisse

In Klinik 1 gingen 158 Gesprächsbewertungen vor und 151 Gesprächsbewertungen nachdem Training in die Analyse ein. In Klinik 2 waren es vor dem Training 104 Gesprächsbe-wertungen und nach dem Training 25 Gesprächsbewertungen, d. h. in dieser Einrichtungunterschieden sich die Fallzahlen vor und nach Training erheblich. In beiden Kliniken wur-den die Kommunikationsförderer durch die Pflegenden nach dem Training als ausgeprägterbeurteilt als vor dem Training. Die Indexe der Rehabilitanden unterschieden sich in beidenKliniken zu den beiden Messzeitpunkten nicht.

Diskussion

Damit zeigt sich ein positiver Effekt des Kommunikationstrainings in 2 von 6 teilnehmendenKliniken. Die Kommunikationsförderer waren aus Sicht der Pflegenden nach dem Training

195

ausgeprägter als vor dem Training. Kommunikationsstörer dagegen wurden durch das Trai-ning offenbar nicht reduziert. Auch zeigten sich keine Unterschiede in den Bewertungen derRehabilitanden vor und nach dem Training. In dem Beitrag werden die Ergebnisse aller6 Interventionskliniken dargestellt sowie eine abschließende Bewertung der Interventionvorgenommen.

Schlussfolgerung

Ein Kommunikationstraining für Pflegende führt zu einer besseren Bewertung der Aufnah-megespräche aus Sicht der Pflegenden.

Förderung: Verein zur Förderung der Rehabilitationsforschung Norderney e. V.

Literatur

Hotze, E. (1997): Pflege in der medizinischen Rehabilitation. Frankfurt: Mabuse Verlag, Wis-senschaft 38.

Hotze, E., Winter, C. (2000): Pflege in der Rehabilitation. In: B. Rennen-Allhoff & D. Schaeffer(Hrsg.), Handbuch Pflegewissenschaft. Weinheim, München: Juventa Verlag. 555-590.

Materialien zur Reha-Zielarbeit aus medizinischen Reha-Einrichtungenin Deutschland – Strukturierung eines Praxisfeldes

Bredehorst, M. (1), Dibbelt, S. (1), Quaschning, K. (2), Farin-Glattacker, E. (2), Glattacker, M. (2), Greitemann, B. (2)

(1) Institut für Rehabilitationsforschung, Rehaklinikum Bad Rothenfelde – KlinikMünsterland, Bad Rothenfelde, (2) Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin,

Universitätsklinikum Freiburg

Hintergrund

Reha-Ziele, die individuell mit Rehabilitanden vereinbart werden, sollen sowohl deren Ge-sundheitsverhalten als auch die Behandlungsmaßnahmen innerhalb der Reha-Einrichtungsteuern. Einheitliche Verfahren der Reha-Zielarbeit haben sich bisher nicht durchgesetzt undsind angesichts der Heterogenität von Zielgruppen und Akteuren kaum zu erwarten (Siegert,Levack, 2014). Rahmenkonzepte und Leitfäden bilden jedoch die Grundlage für eine inhaltli-che Strukturierung dieses Praxisfeldes (Lueger, 2010). Als zu verwirklichende Prinzipien derReha-Zielarbeit in der medizinischen Rehabilitation finden sich die Patienten- bzw. Teilhabe-orientierung, die Prozessorientierung und die Teamorientierung (z. B. DRV Bund, 2009; BAR,2008). Im Rahmen der Entwicklung eines „Arbeitsbuches Reha-Ziele“ (online verfügbar unterwww.reha-ziele.de) wurden im Auftrag der DRV Bund bundesweit Materialien erhoben, die inmedizinischen Reha-Einrichtungen zur Vereinbarung und Bearbeitung von Reha-Zielen ein-gesetzt werden. Im vorliegenden Beitrag werden die abschließenden Auswertungsergebnissezu diesen Materialien nach deren Funktionen und Inhalten vorgestellt.

Methodik

Die Materialien zur Reha-Zielarbeit wurden mittels postalischer Befragung von 1.502 Reha-Einrichtungen bzw. Fachabteilungen aller Indikationsbereiche erhoben. 17,4 % (n=261) die-

196

ser Einrichtungen sendeten durchschnittlich n=2,2 schriftliche Dokumente pro Einrichtungein. Zur Systematisierung des Rücklaufes wurden 8 Dokumentenkategorien (u. a. Zielver-einbarungsformulare, Konzepte) entwickelt (vgl. Bredehorst et al., 2014). Eine weitergehen-de inhaltliche Auswertung erfolgte anhand von insgesamt 35 Bewertungskriterien, die aufder Literatur und Rückmeldungen eines Projektbeirates (Reha-PraktikerInnen, Wissen-schaftlerInnen, VertreterInnen von RehabilitandInnen) basierten. Aus n=576 Dokumentenwurden nur diejenigen eingeschlossen, die potenziell als Beispielmaterialien für das Arbeits-buch geeignet erschienen (65,1 %; n=375). Der Erfüllungsgrad dieser Kriterien wurde je-weils auf 4er-Skalen bewertet, die hier jedoch als binäre Variablen (Codierung ja/nein) dar-gestellt werden. Diese Auswertungen mit der Software MAXQDA 10 dienen einerseits alsGrundlage für die Entwicklung einer Typologie von Dokumentenfunktionen, andererseits ei-nem Abgleich von Anspruch und Wirklichkeit der Reha-Zielarbeit.

Ergebnisse

Die 7 Bewertungskriterien in Tab. 1 erhielten vom Projektbeirat die höchsten Gewichtungenund bilden daher den Auswertungsfokus. Sie lassen sich den o. g. 3 Prinzipien zuordnen.Die beiden rechten Spalten geben die Häufigkeit der Erfüllung des Kriteriums sowie seinendementsprechenden Rang unter allen Kriterien wieder. Der Medianwert liegt bei n=69,5 Co-dierungen.

Anm.: Unter den 35 Kriterien waren 5 jeweils gleichrangig

Tab.1: Häufigkeit der Kriterienerfüllung in ausgewerteten Dokumenten (n=375)

Eine Betrachtung nach den 8 Dokumentenkategorien verdeutlicht die unterschiedlichenFunktionen der Dokumente. In der direkten Interaktion mit Rehabilitanden eingesetzte Do-kumente (Zielbefragung, Zielvereinbarungsformulare, Zielauswahllisten, Schulungsmate-rial) erreichen Maximalwerte im Bereich Patientenorientierung. Dokumente, die der internenwie externen Kommunikation von Reha-Einrichtungen dienen (Prozessdokumentation,Qualitätsmanagement-Manuale, Konzepte, Anschreiben), weisen über alle 3 Bereiche ver-gleichbare Werte auf. Welche genaueren Funktionen die Dokumente idealtypischerweiseerfüllen, wird im Vortrag dargestellt.

Diskussion

Die Bedeutung, die der Projektbeirat den 7 Kriterien beigemessen hat, spiegelt sich in denempirischen Befunden wider, da fast alle über dem Median liegen. Gleichzeitig werden aus-baufähige Aspekte deutlich, insbesondere Teamarbeit und Nachsorge-Ziele. Die Auswer-

Prinzip der Reha-Zielarbeit

Bewertungskriterium Häufigkeit der Codierung (ncod)

Rang (aus 30)* nach ncod

Patienten- bzw. Teil-habeorientierung

Gemeinsame Vereinbarung 264 1

Relevanz für Rehabilitanden 199 3

Prozessorientierung

Therapieplanung auf Basis der Reha-Ziele 99 10

Bewertung bei Reha-Ende 94 11

Besprechung von Nachsorge-Zielen 59 16

TeamorientierungDokumentation für das Team 77 12

Beteiligung des Reha-Teams 75 13

197

tung anhand einer kleinen Zahl von binären Variablen erhebt nicht den Anspruch exakterMessung, sondern ist als Teil eines Mixed-Methods-Ansatzes (quantitativ und qualitativ) zuverstehen. Ziel der entwickelten Typologie ist es, die inhaltliche Strukturierung der vorgefun-denen Praxis wiederzugeben und konkrete Umsetzungsoptionen der Reha-Zielarbeit aufzu-zeigen.

Schlussfolgerung

Schriftliche Dokumente können die Funktionen der Reha-Zielarbeit, also Steuerung des Ge-sundheitsverhaltens und der Behandlungsmaßnahmen, systematisch unterstützen.

Literatur

BAR (2008): ICF-Praxisleitfaden 2. Trägerübergreifende Informationen und Anregungen fürdie praktische Nutzung der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinde-rung und Gesundheit (ICF) in medizinischen Rehabilitationseinrichtungen. Frankfurt:Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation. URL: http://www.bar-frankfurt.de/ filead-min/dateiliste/publikationen/icf-praxisleitfaeden/downloads/ICF2.pdf. Abruf: 23.10.2014.

Bredehorst, M., Dibbelt, S., Quaschning, K., Glattacker, M., Greitemann, B. (2014): Zielverein-barung und Zielarbeit mit RehabilitandInnen – Strukturdatenanalyse von Konzepten undMaterialien aus Reha-Einrichtungen in Deutschland. DRV-Schriften, Bd. 103. 233-235.

Deutsche Rentenversicherung Bund (2009): Rahmenkonzept zur medizinischen Rehabilita-tion in der gesetzlichen Rentenversicherung (3. Aufl.). URL: http://www.deutsche-renten-versicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/3_Infos_fuer_Experten/01_sozialmedizin_for schung/downloads/konzepte_systemfragen/konzepte/rahmenkonzept_medizinische_reha.html.Abruf: 23.10.2014.

Siegert, R.J., Levack, W.M.M. (2014): Rehabilitation Goal Setting: Theory, Practice andEvidence. London: CRC Press

Lueger, M. (2010): Formale Kontextinformationen: Strukturdatenanalyse. In: Lueger, M.(Hrsg.): Interpretative Sozialforschung. Die Methoden. Wien: Facultas. 226-251.

Organisationales Commitment und seine Bedeutung im Reha-Prozess

Kockert, S., Schott, T.

Zentrum für Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaften, Universität Bielefeld

Hintergrund

Aus organisations- und gesundheitswissenschaftlicher Perspektive reichen Maßnahmender Teamentwicklung oder Kommunikationstrainings alleine nicht aus, um berufsgruppen-übergreifende Barrieren im Reha-Prozess zu überwinden. Entscheidend ist die intrinsischeMotivation der Beschäftigten, sich gemeinschaftlich für die Ziele der Organisation einsetzenund nach diesen handeln zu wollen. In der Organisationsforschung wird dieser Sachverhaltmit dem „organisationalen Commitment“ umschrieben, das wörtlich mit „Bindung“ zu über-setzen ist; populär gewordene Arbeiten stammen bereits aus den 70er- und 80er-Jahren(z. B. Mowday et al., 1974; Mowday et al., 1982). Bis heute zeigen empirische Untersuchun-

198

gen, dass ein starkes Commitment mit einer höheren Arbeitsbereitschaft der Beschäftigtenund letztlich mit einer gesteigerten Leistungsfähigkeit der Organisation einhergeht (Brownet al., 2011; Conway & Briner, 2012).

Vor diesem Hintergrund ist die These aufzustellen, dass Reha-Einrichtungen, die eine hohe„Bindekraft“ auf ihre Beschäftigten haben, erfolgreicher in der Erreichung normativer Ziele sind.Letztere finden z. B. Ausdruck in einer von den Rehabilitanden wahrgenommenen klinischenEmpathie und nachhaltigen patientenseitigen Verhaltensänderungen. Das Konzept der Ko-Produzententhese dient dabei als weiterführender Erklärungsansatz (Gross, Badura, 1977;Gross, 1983). Ein hohes Maß an Commitment gewinnt für Reha-Einrichtungen in Zeiten sichverändernder Herausforderungen, wie z. B. einem steigenden erwerbswirtschaftlichen Druckoder aber einer erschwerten Akquise qualifizierter Mitarbeiter, zunehmend an Bedeutung.

Methodik

Im Rahmen einer Sekundärdatenanalyse werden eigens erhobene Daten einer schriftlichenOrganisationsdiagnostik aus dem Jahre 2013 und Daten der Rehabilitandenbefragung derQualitätssicherung der DRV zueinander in Bezug gesetzt. Die Analysen beziehen sich auf7.923 Rehabilitanden 18 orthopädischer sowie kardiologischer Fachabteilungen. MittelsZwei-Ebenen-Regressionsanalysen in HLM wurde der Einfluss von personenbezogenenMerkmalen, sozialmedizinischen Risikofaktoren und des Commitments der Abteilungsebe-ne auf die von den Rehabilitanden bewertete klinische Empathie (Cronbach’s α = .85) sowiedie durch die Maßnahme erreichte Veränderung der Leistungsfähigkeit im Alltag und in derFreizeit modelliert. Letztgenannter Indikator wird unter Berücksichtigung des von den Reha-bilitanden retrospektiv beurteilten Eingangsstatus als normativer Erfolg definiert. Zur Abbil-dung des abteilungsbezogenen Commitments (Cronbach’s α = .75) wurden Angaben allerMitarbeiter aus der Organisationsdiagnostik einbezogen, die angaben, an der Versorgungbeteiligt zu sein (nMitarbeiter = 755).

Ergebnisse

Die Varianz der klinischen Empathie (nRehabilitanden = 5.881) kann bis zu 4 % mit Merkmalender Abteilung erklärt werden; für das Outcome Leistungsfähigkeit liegt der Anteil bei 5,6 %(nRehabilitanden = 5.339). In der zugrunde liegenden Stichprobe sind die abteilungsbezogenenUnterschiede der Outcome-Merkmale folglich verhältnismäßig gering. 17 % der abteilungs-bezogenen Varianz der klinischen Empathie geht auf die unterschiedliche Rehabilitandenk-lientel einer Abteilung zurück. Durch Einbezug des organisationalen Commitments erhöhtsich der erklärte Varianzanteil auf Level 2 auf insgesamt 38 %, was darauf hindeutet, dassdie organisationale Bindung der Mitarbeiter als zentraler Prädiktor klinischer Empathie imReha-Prozess zu verstehen ist. Kontrolliert für personenbezogene Merkmale und sozialme-dizinische Risikofaktoren hat das abteilungsbezogene Commitment ebenfalls einen signifi-kanten Einfluss auf die Chance der Rehabilitanden, eine Veränderung der alltäglichen Leis-tungsfähigkeit zu erreichen (OR=1.58, 95 %-KI=1.00; 2.49); Nagelkerkes R2 verbessert sichdurch Einbezug des Commitments von 0,059 auf 0,061.

Modelle zur Vorhersage des organisationalen Commitments weisen aus, dass die Bindungan die Organisation im Wesentlichen von dem Vorhandensein eines gemeinsam geteiltenWertesystems und einem generalisierten Vertrauen in der Organisation abhängt. Eine sol-

199

che Versorgungskultur zeigt jedoch einrichtungsübergreifend einen deutlichen Entwick-lungsbedarf.

Diskussion und Ausblick

Die Sekundärdatenanalyse bestätigt die zentralen Erkenntnisse der bereits abgeschlosse-nen LORE-Studie, indem statistisch abzusichernde Zusammenhänge zwischen patienten-seitigen Outcome-Merkmalen und dem organisationalen Handeln wiederum gezeigt werdenkönnen. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass eine Sicherstellung guter und sinnstiftenderArbeits- und Versorgungsbedingungen immer auch einen positiven Einfluss auf die Rehabi-litanden hat. Eine gesundheitspolitisch zu forcierende Strategieentwicklung ist folglich ausunterschiedlicher Perspektive zu befürworten.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

Literatur

Brown, S., McHardy, J., McNabb, R., Taylor, K. (2011): Workplace Performance, WorkersCommitment, And Loyality. Journal of Economics & Management Strategy, 20. 925-955.

Conway, N., Briner, R.B. (2012): Investigating the effect of collective organizational commit-ment on unit-level performance and absence. Journal of Occupational and OrganizationalPsychology, 85. 472-486.

Gross, P., Badura, B. (1977): Sozialpolitik und soziale Dienste: Entwurf einer Theorie per-sonenbezogener Dienstleistungen. In: von Ferber, C., Kaufmann, F.-X. (Hrsg.): Soziolo-gie und Sozialpolitik. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. 361-385.

Gross, P. (1983): Die Verheißungen der Dienstleistungsgesellschaft. Soziale Befreiung oderSozialherrschaft? Opladen: Westdt. Verlag.

Mowday, R., Porter, L.W., Dubin, R. (1974): Unit performance, situational factors, and em-ployee attitudes in spatially separated work units. Organizational Behavior and HumanPerformance, 12. 27-36.

Mowday, R.T., Porter, L.W., Steers, R.M. (1982): Employee-organization linkages. The psy-chology of commitment, absenteeism, and turnover. New York: Academic Press.

Erfahrungen von Medizinerinnen und Medizinern mit Migrationshintergrund in der stationären medizinischen Rehabilitation (EMMI-R)

Artzt, M.-L., Stamer, M., Meyer, T.

Medizinische Hochschule Hannover, Forschungsbereich Integrative Rehabilitations-forschung, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung

Hintergrund

Medizinische Einrichtungen in Deutschland haben zunehmend Schwierigkeiten ihre ärztli-chen Stellen zu besetzen. Dies kann mit einer zu geringen Anzahl (Kopetsch, 2011) oderaber einer ungünstigen Verteilung von Ärzten/innen (Klose, Rehbein, 2011; Klose et al.,2003) zusammenhängen. Es ist denkbar, dass der Bereich der stationären medizinischenRehabilitation aufgrund z. B. der Lage der Einrichtung für Ärzte/innen weniger attraktiv er-scheint und daher dort ein expliziter Bedarf an Mediziner/innen besteht. Eine Möglichkeit

200

dem Mangel zu begegnen, besteht in der zunehmenden Anwerbung und Einstellung aus-ländischer Ärzte/innen. Allerdings liegen bislang keine systematischen Studien zur Situationausländischer Mediziner/innen in Reha-Einrichtungen vor. Im Rahmen des EMMI-R-Pro-jekts ist Ärzten/innen mit Migrationshintergrund ermöglicht worden, über ihre Erfahrungenim Arbeitsalltag von Reha-Einrichtungen zu sprechen. Ziel des Projektes war es, nebenmöglichen Problemen auch Potentiale für eine Bereicherung der Reha-Praxis durch Ärzte/innen mit Migrationshintergrund herauszuarbeiten und Ansatzpunkte für mögliche Unter-stützungsmaßnahmen zu beschreiben.

Methodik

Bei diesem Projekt handelt es sich um eine qualitative Pilotstudie. Im Rahmen von leitfaden-gestützten Interviews (Flick, 2007) wurden 3 Ärzte und 7 Ärztinnen mit Migrationshinter-grund differenter Fachgebiete in Ost- und Westdeutschland zu ihren Erfahrungen und Wün-schen in der stationären medizinischen Rehabilitationseinrichtung befragt. Die Auswertungder Interviews erfolgte zusammenfassend inhaltsanalytisch (Mayring, 2010).

Ergebnisse

Die verschiedenen Erfahrungen der Ärzte/innen mit Migrationshintergrund wurden in folgende5 Hauptkategorien unterteilt: interdisziplinäre Zusammenarbeit, intradisziplinäre Zusammen-arbeit, Interaktion Arzt/Ärztin-Rehabilitand/in, erlebte Unterstützung sowie Wünsche.

Im Bereich der inter- und intradisziplinären Zusammenarbeit sowie der Interaktion von Ärz-ten/innen und Rehabilitanden/innen wurden Erfahrungen geschildert, bei der die Herkunftder Ärzte/innen förderlich, hinderlich sowie unbedeutend im Arbeitsalltag erlebt wird. Deut-lich wird, dass gelingende Arbeitsabläufe und -prozesse zwischen Ärzten/innen mit Migra-tionshintergrund und ihren deutschen Kollegen sowie der Kontakt zu den Rehabilitanden/in-nen von der Haltung der Einzelnen abhängen bzw. von der Passung der unterschiedlichenHaltungen. So können unterschiedliche Rollenverständnisse und die Befürchtung herkunfts-bedingter Voreingenommenheiten zu schwierigen Situationen zwischen Ärzten/innen mitMigrationshintergrund und Rehabilitand/innen führen. Im persönlichen Kontakt mit Rehabi-litanden/innen kann die Herkunft ein potentieller Anknüpfungspunkt sein oder auch zur Kon-frontation mit Voreingenommenheiten und Vorurteilen führen. Die Sprachenvielfalt wird vonden Interviewten als Ressource, aber auch als besondere Herausforderung und Schwierig-keit in der Interaktion erlebt.

Unterstützung erleben die Interviewten auf persönlicher Ebene durch Kollegen/innen, Vor-gesetzte und/oder das Team als Ganzes. Auf struktureller Ebene wurden beispielsweise Ar-beitsanweisungen, Sprachbausteine sowie Fort- und Weiterbildungen unterstützend wahr-genommen. Die geäußerten Wünsche lassen sich in herkunftsunabhängige (z. B. familien-freundliche Arbeitsbedingungen) und herkunftsabhängige Wünsche (z. B. Wunsch nachmehr Verständnis für sprachliche Belastungen, feste Ansprechpartner/innen, umfassendereEinarbeitungszeiten) unterteilen.

Diskussion und Schlussfolgerung

Aus den Erfahrungen lässt sich ein Spannungsfeld erkennen, bei dem sich die Befragtenzwischen dem Bedürfnis nach sogenannter Normalität und Unterstützung im Arbeitsalltag

201

bewegen. Im Hinblick auf Probleme im Arbeitsalltag und ärztlichem Selbstverständnisses istes schwierig zu erkennen, inwieweit die Schwierigkeiten und/oder Unterschiede mit derunterschiedlich erlebten (ärztlichen) Sozialisation oder mit anderen herkunftsunabhängigeAspekten zusammenhängen.

Ausblick

Um das Verständnis der Situation von Ärzten/innen mit Migrationshintergrund in stationärenmedizinischen Rehabilitationseinrichtungen sowie die Entwicklung weiterführender Unter-stützungsmöglichkeiten weiter vertiefen zu können, wird zum einen auf Grundlage des In-terviewmaterials ein quantitativer Fragebogen für eine repräsentative Befragung entwickelt.Zum anderen soll die bisherige Stichprobe erweitert werden und weitere Mitarbeiter/innen-gruppen aus dem Reha-Team befragt werden.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

Literatur

Flick, U. (2007): Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbek bei Hamburg: Ro-wohlt Verlag.

Klose, J., Uhlemann, T., Gutschmidt, S. (2003): Ärztemangel – Ärzteschwemme? Auswir-kungen der Altersstruktur von Ärzten auf die vertragsärztliche Versorgung. Berlin: WIdO-Materialien 48. Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO).

Klose, J., Rehbein, I. (Hrsg.) (2011): Ärzteatlas 2011 – Daten zur Versorgungsdichte vonVertragsärzten. Berlin: Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO).

Kopetsch, T. (2011): Ambulante Versorgung. Zu wenig Hausärzte. Deutsches Ärzteblatt, 41.16.

Mayring, P. (2010): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken (11. Aufl.). Wein-heim und Basel: Beltz Verlag.

Formative Evaluation des Fortbildungscurriculums„Fachspezifische Beiträge zur sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung"

Hoppe, A., Schwabe, M., Worringen, U.

Abteilung Rehabilitation, Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund und Fragestellung

Um am Ende einer medizinischen Rehabilitation alle Aspekte der funktionellen Fähigkeitund Teilhabefähigkeit fundiert beurteilen zu können, bedarf es einer engen fachlichenZusammenarbeit im multidisziplinären Reha-Team. In die sozialmedizinische Beurteilungmüssen hierfür die Leistungseinschätzungen aller Therapeuten des Reha-Teams einbezo-gen werden. Damit die verschiedenen therapeutischen Berufsgruppen entsprechend quali-fiziert werden, hat die DRV Bund eine sozialmedizinische Fortbildung für Ergotherapeuten,Physiotherapeuten/Sportlehrer und Psychologen entwickelt. Die Fortbildung besteht aus3 Modulen. Diese beinhaltet im 1. Modul sozialmedizinische Grundlagen, im 2. Modul fach-spezifische Aspekte der jeweiligen Berufsgruppe und im 3. Modul die Kommunikation sozial-

202

medizinischer Befunde im Reha-Team. Das Curriculum wurde von Sozialmedizinern undPsychologen der DRV Bund und Praktikern der jeweiligen Profession entwickelt und durch-geführt. Bei der formativen Evaluation wurde die Zufriedenheit der Teilnehmer erfasst undder Nutzen für die klinische Praxis erhoben.

Methodik

Die formative Evaluation erfolgte zu 4 Messzeitpunkten (t1–t3 jeweils direkt nach der Fortbil-dungsveranstaltung; t4 ein halbes Jahr nach Abschluss des letzten Moduls). Alle Teilnehmer,die im Jahr 2013 an mindestens einem Modul teilgenommen haben, wurden in die Befragungeinbezogen (n=96). Zu den Messzeitpunkten t1, t2 und t3 wurde der Evaluationsbogen derBildungsabteilung der DRV Bund verwendet, dessen Bewertungskriterien Organisation,Struktur, Medieneinsatz, Inhalte, Didaktik sowie Qualifikation der Dozenten erfassten. DesWeiteren wurde der berufliche Nutzen des Gelernten erfragt. Die Bewertungskriterien in derNachbefragung (t4) erfassten Verständlichkeit, Nützlichkeit und Umfang der Fortbildungsin-halte. Außerdem gaben die Teilnehmer Rückmeldungen, ob die Erarbeitung der Inhalte zuabstrakt oder anwendungsorientiert erfolgte. Zu allen Messzeitpunkten bestand die Möglich-keit, im Freitext Kommentare zu formulieren. Die Auswertung wurde berufsgruppenbezogenvorgenommen und erfolgte getrennt für die einzelnen Module.

Ergebnisse

Zu t1 lagen von 69 Teilnehmern (Rücklauf (RL) 89,6 %), zu t2 von 24 Psychologen, 20 Be-wegungstherapeuten und 25 Ergotherapeuten (RL 80–100 %), zu t3 von 43 Teilnehmern(RL 79,6 %) und zu t4 von 51 Teilnehmern (RL 53,1 %) Fragebögen vor.

Direkt nach den Veranstaltungen (t1, t2, t3) waren die Teilnehmer (TN) sehr zufrieden mitder Organisation und dem Medieneinsatz. Zu den Messzeitpunkten t1 und t2 bedauerten5–17 % der TN, dass zu wenig Möglichkeit zum Üben vorhanden war. Zu t2 kritisierten10–16 % der TN, dass die Zielsetzungen nicht klar definiert und Inhalte nicht übersichtlichgegliedert waren. Zu t3 gaben die TN eine hohe Zufriedenheit in allen erhobenen Bewer-tungskriterien an. In den freien Kommentaren wurden für t1 der strukturelle Aufbau und derPraxisbezug und für t2 die Möglichkeit zum fachlichen Austausch positiv hervorgehoben. Zut1 und t2 wurde das Fehlen von Fallbeispielen aus einzelnen Indikationen und die geringeZeit für weiterführende Diskussionen angemerkt. Die Einbindung der Berufsgruppe derSozialarbeiter in das Fortbildungscurriculum wurde gewünscht.

In der Nachbefragung (t4) wird die Fortbildungsreihe von den TN insgesamt als gut bis sehrgut bewertet. Die Seminarinhalte können genutzt und in der klinischen Praxis umgesetztwerden. Vermisst wurde eine intensivere Fallarbeit und fachspezifische Befundung.

Die Inhalte des Moduls 1 werden auch rückblickend von der Mehrzahl der TN als verständ-lich (65,9–85,7 %) und nützlich (58,5–75,6 %) bewertet. Den Umfang der vermittelten Inhaltezu den Themen Fallarbeit (50 %) und ICF (41 %) beurteilten viele TN als zu gering.

Für Modul 2 gaben die Psychologen an, dass die fachbezogenen Inhalte grundsätzlich an-wendungsorientiert vermittelt wurden und nützlich seien. Die Gewichtung des Themas „Rol-lenverständnis: Therapeut-Gutachter“ wurde von 55,6 % als zu gering bewertet.

203

Knapp zweidrittel der Bewegungstherapeuten (62,5 %) beurteilten die Umsetzung des The-mas „Fachspezifische Assessments“ als zu theoretisch bzw. als zu wenig gewichtet (60 %)und damit weniger nützlich („teils-teils“ 53,3 %). Praxisnah und anwendungsorientiert wur-den die Themen „Entlassungsbericht als sozialmedizinisches Gutachten“ (78,6 %) und „Rol-lenverständnis“ (85,7 %) bewertet.

Die Ergotherapeuten waren mit der Gewichtung ihrer Seminarinhalte zufrieden und beurteil-ten diese als nützlich. Für 3 Themen („Fachspezifische Assessments“ 35,7 %, „Beschwer-denvalidierung“ 27,3 %, „Funktionsdiagnosen“ 54,5 %) wurde die Vermittlung als zu theore-tisch eingeschätzt.

Die Seminarinhalte des Moduls 3 wurden als nützlich (70–83,3 %), im Umfang genau richtig(57,1–66,7 %) und anwendungsorientiert (78,6–96,4 %) bewertet.

Diskussion und Ausblick

Die Befragungsergebnisse weisen eine hohe Zufriedenheit mit den Fortbildungsinhalten undderen Umsetzung auf. Die übergreifenden Lehrziele des interdisziplinär ausgerichteten Fort-bildungsprogramms konnten grundsätzlich gut erreicht werden.

Die didaktischen Methoden zur Vermittlung der als zu theoretisch empfundenen Seminar-inhalte konnten bereits für das Fortbildungsangebot im Jahr 2014 praxisorientierter gestaltetwerden. Um darüber hinaus dem praxisorientierten Fachaustausch einen größeren Stellen-wert einzuräumen, wurden die Fortbildungsveranstaltungen von 8 auf 10 Unterrichtseinhei-ten ausgeweitet. Zudem wurde das Fortbildungskonzept um Inhalte für die Berufsgruppe derSozialarbeiter erweitert.

Die Rückmeldung, dass mehr Fallbeispiele aus verschiedenen Indikationsbereichen dermedizinischen Rehabilitation in das Curriculum einbezogen werden sollten, führte zu derÜberlegung einer indikationsbezogenen Ausdifferenzierung des Fortbildungsangebots. DiePlanungen diesbezüglich sind noch nicht abgeschlossen.

Die Ergebnisse der formativen Evaluation fanden Eingang in die Erstellung des Fortbil-dungsmanuals. Das Manual soll zukünftig der Einarbeitung neuer Referenten und zur wei-teren Dissemination des Fortbildungskonzepts dienen.

Literatur

Hoppe, A., Derra, C., Kalwa, M., Brüggemann, S., Horn, S., Pech, G., Steinau, M., Niehaus, A.,Haustein, L., Nagel, C., Ostholt-Corsten, M., Worringen, U. (in Druck): Curriculum Sozial-medizinische Leistungsbeurteilung im Reha-Team. Manual. DRV Bund, Berlin.

204

Psychische Komorbidität in der Rehabilitation

Psychische Belastungen zu Beginn und am Ende der Reha-Maßnahme in einer orthopädisch-rheumatologischen Rehabilitationsklinik:

Vollerhebungen in den Jahren 2009 bis 2014

Schlittenhardt, D. (1), Gerdes, N. (1, 2), Hauptvogel, D. (1), Knüttel, U. (1), Schiel, A. (1), Schniz, E. (1), Wild, J. (1)

(1) RehaKlinikum Bad Säckingen, (2) Hochrhein-Institut am RehaKlinikum Bad Säckingen

Hintergrund

Das Leitthema des Reha-Kolloquiums 2015 hat uns veranlasst, die umfangreichen Daten,die im RehaKlinikum Bad Säckingen (RKBS) aus den Patientenbefragungen der letztensechs Jahre vorliegen, unter folgenden Fragestellungen zu analysieren:

‒ Zeigen sich im RKBS ähnliche Prävalenzmuster psychischer Belastungen wie in den vor-liegenden Untersuchungen aus orthopädischen Reha-Kliniken?

‒ Gibt es bei den psychischen Eingangsbelastungen systematische Unterschiede zwischenMännern und Frauen sowie zwischen den Altersgruppen?

‒ Zeigt sich in den Jahren 2009 bis 2014 ein Trend zur Zunahme psychischer Belastungen?

‒ Welche Veränderungen des psychischen Befindens zeigen sich am Ende einer ‚norma-len‛ orthopädischen Rehabilitation?

Material und Methoden

Im RKBS wird seit Mitte 2008 routinemäßig bei allen Patienten kurz vor Reha-Beginn undzum Reha-Ende der Patientenfragebogen „Indikatoren des Reha-Status“ (IRES-3; Bührlen,Gerdes, Jäckel, 2005) erhoben. Der Fragebogen erfasst mit 144 Einzelitems die Bereiche„Symptome Muskuloskeletales und Herz-Kreislauf-System“, „Schmerzen“, „Aktivitäten imAlltag“, „Funktionsfähigkeit im Beruf“, „Psychisches Befinden, „Soziale Integration“, „Ge-sundheitsverhalten“ und „Krankheitsbewältigung“ sowie demographische Angaben. Die Da-ten werden in der Klinik zeitnah in das Programm IRES-online eingegeben und automatischzu einem „Patientenprofil“ ausgewertet, das meistens bereits zur Aufnahmeuntersuchungvorliegt und – gewissermaßen als „Laborflöte für den subjektiven Bereich“ – vor allem dazudient, die Selbsteinschätzung der Patienten systematisch in die Eingangsdiagnostik einzu-beziehen.

Der Bereich des „Psychischen Befindens“ enthält die Skalen „Depressivität“, „Ängstlichkeit“,„vitale Erschöpfung (burn-out)“ und „Selbstwertgefühl“. Über einen Vergleich mit der Norm-stichprobe des IRES (repräsentativ für die Bevölkerung von 30–70 Jahren) können alle Ska-len den folgenden Schweregraden zugeordnet werden: Skalenwerte >25. Perzentil in derNormstichprobe werden als „unauffällig“, 11.−25. Perzentil als „auffällig; 2.−10. Perzentil als„sehr auffällig“ und <2. Perzentil als „extrem auffällig“ interpretiert. In der normalen Bevölke-rung liegen damit nur die „schlechtesten“ 2 % im Bereich „extrem auffälliger“ Werte.

205

Den folgenden Auswertungen liegen die IRES-Daten des RKBS aus dem Zeitraum Januar2009 bis September 2014 zugrunde. Die Daten stellen praktisch eine Vollerhebung aller Pa-tienten des RKBS in diesem Zeitraum dar und repräsentieren insgesamt 15.763 Patienten.

Ergebnisse

Eingangsbelastungen:

Zu Reha-Beginn wiesen insgesamt 31,1 % der Patienten (Männer 22,9 %; Frauen 42,6 %) imSummenscore „Psychisches Befinden“ Belastungen auf, die als „extrem auffällig“ einzustufensind; weitere 27,4 % (Männer 28,1 %; Frauen 26,5 %) waren dem Schweregrad „sehr auffäl-lig“ zuzuordnen. Bei den Männern lagen demnach etwa die Hälfte und bei den Frauen sogarzwei Drittel in einem Belastungsbereich, der in der normalen Bevölkerung maximal bei 10 %vorkommt. Bei den Einzelskalen zeigte die Skala „vitale Erschöpfung“ die höchsten (ähnlichwie der Summenscore) und die Skala „Selbstwertgefühl“ die niedrigsten Eingangsbelastun-gen (Männer = 31,7 % und Frauen = 37,8 % mit „extrem“ bzw. „sehr auffälligen“ Werten).

Zwischen den Geschlechtern zeigten sich bei den Frauen auf dem Summenscore und allenEinzelskalen des psychischen Befindens hochsignifikant höhere Eingangsbelastungen alsbei den Männern (p<.001). In Bezug auf das Alter ergab sich für den Summenscore eine U-förmige Verteilung: Von den Patienten unter 30 Jahren (MW=6,05) sank der Mittelwert stetigbis zu den 59-Jährigen (MW=5,35) ab, um dann wieder anzusteigen auf bis zu 6,24 bei denüber 69-Jährigen.

Im Verlauf der Jahre 2009 bis 2014 wiesen die Mittelwerte des Summenscores in der Ge-samtstichprobe eine leicht ansteigende Tendenz auf, die – entgegen den Erwartungen – ei-ne Abnahme der Belastungen bedeutet, aber mit einem Minimum von 5,39 (2009) und ei-nem Maximum von 5,53 (2014) nur sehr gering ausgeprägt war.

Veränderungen bei Reha-Ende:

Zu Reha-Ende zeigten sich auf dem Summenscore und allen Einzelskalen des PsychischenBefindens hochsignifikante Verbesserungen (p<.001). Die Effektstärke der Veränderung(berechnet als standardized response mean SRM) betrug beim Summenscore SRM=0.76und lag damit nur knapp unter dem Wert von 0.8, ab dem die SRM-Werte üblicherweise als„starke“ Effekte interpretiert werden. Bezogen auf die Einzelskalen ergaben sich folgendeSRM-Werte: Depressivität: 0.81; Ängstlichkeit: 0.58, vitale Erschöpfung: 0.90; Selbstwert-gefühl: 0.38. Die Eingangsbelastungen des psychischen Befindens haben sich damit insge-samt mit „mittleren“ bis „starken“ Effektstärken verbessert. Die guten Verbesserungen impsychischen Bereich schlagen sich auch im Gesamtscore des IRES nieder, der sich mit ei-ner Effektstärke von SRM=0.98 verbessert hat.

Diskussion

Der IRES erhebt nicht den Anspruch, ein Instrument zur fachspezifischen Psychodiagnostikdarzustellen; er wird im RKBS eingesetzt, um die behandelnden ÄrztInnen schon bei derAufnahmeuntersuchung auf bestehende starke Auffälligkeiten im psychischen Bereich(ebenso wie bei Funktionseinschränkungen im Alltag, Belastungen am Arbeitsplatz, Proble-men bei der Krankheitsbewältigung etc.) hinzuweisen und ggf. eine fachspezifische Dia-gnostik einzuleiten.

206

Die Prävalenz von psychischen Belastungen der Patienten liegt im RKBS in einer ähnlichenGrößenordnung wie in anderen vorliegenden Studien (Härter et al., 2007, geben für ortho-pädische Reha-Patienten eine Quote psychischer Belastungen von 39,9 % an; vgl. auch:DRV Bund 2011). Die Geschlechtsunterschiede in Bezug auf psychische Belastungen sindin unserer Stichprobe besonders stark ausgeprägt, was wahrscheinlich an dem hohen Anteilvon Fibromyalgie-Patientinnen im RKBS liegt (30–40 % aller Patientinnen).

Die guten Verbesserungen zu Reha-Ende im psychischen Bereich weisen darauf hin, dassauch in einer „normalen“ orthopädisch-rheumatologischen Klinik mit multiprofessionellemReha-Team (einschließlich 3 Vollzeitstellen in der psychologischen Abteilung) und multimo-dalen Therapiekonzepten nicht nur im somatischen, funktionalen, und edukativen, sondernauch im psychischen Bereich mittlere bis starke Effekte erzielt werden können.

Literatur

Bührlen, B., Gerdes, N., Jäckel, W.H. (2005): Entwicklung und psychometrische Testung ei-nes Patientenfragebogens für die medizinische Rehabilitation (IRES-3). Die Rehabilita-tion 44. 63-74.

DRV Bund (2011): Psychische Komorbidität – Leitfaden zur Implementierung eines psycho-diagnostischen Stufenplans in der medizinischen Rehabilitation.

Härter, M., Baumeister, H., Bengel, J. (2007): Psychische Störungen bei Rehabilitanden miteiner somatischen Erkrankung. In: M. Härter, H. Baumeister, J. Bengel (Hrsg.): Psychi-sche Störungen bei körperlichen Erkrankungen. Heidelberg: Springer. 55-69.

Resilienz und psychosoziale Belastungen bei Rehabilitanden der Orthopädie und Psychosomatik: Eine Querschnittstudie

Küch, D. (1), Rank, C. (3), Herbold, D. (1), Jacobi, C. (2), Franke, G.H. (3)

(1) Paracelsus Klinik an der Gande, Bad Gandersheim, (2) Paracelsus Roswitha Klinik, Bad Gandersheim, (3) Hochschule Magdeburg-Stendal, FB Angewandte Humanwissenschaften

Hintergrund und Fragestellung

Resilienz wird definiert als psychische Widerstandskraft eines Individuums gegenüber be-lastenden Lebensereignissen. Das Konstrukt findet mittlerweile weite Verbreitung (Sport,Unternehmensführung, Gesundheitsbereich). Es umfasst als „Dachkonstrukt“ persönlicheund soziale Ressourcen, um Krisen zu meistern und sich dadurch weiterzuentwickeln(BzgA, 2012; Rank, 2014). Resilienz lässt sich psychometrisch erfassen (Leppert et al.,2008). In der medizinischen Rehabilitation, wo Menschen mit chronischen Erkrankungen zurgesellschaftlichen und beruflichen Teilhabe befähigt werden, kann Resilienz von zentralerBedeutung sein. In dieser Querschnittstudie wird die Resilienz orthopädischer und psycho-somatischer Rehabilitanden näher ergründet. Fragestellung: Unterscheiden sich Rehabili-tanden mit hoher und niedriger Resilienz hinsichtlich soziodemografischer Daten, psychi-scher Belastungen und psychosozialer Problemlagen, Stresserleben und Arbeitsplatzbelas-tungen?

207

Methode

Für die vorliegende Untersuchung wurde 131 Rehabilitanden der Orthopädie (VMO; MBOR/IMBO) und Psychosomatik (Paracelsus-Kliniken, Bad Gandersheim) befragt. Diese Stich-probe wurde anhand der Ergebnisse aus der Resilienzkurzskala RS-13 mittels hierarchischeragglomerativer Clusteranalyse nach Ward in 2 Patientenstichproben unterteilt (Niedrigre-siliente vs. Hochresiliente). Die Überprüfung der Fragestellung erfolgte unter Betrachtungder Messinstrumente Brief Symptom Checklist (BSCL, Franke, 2014), Ultra-Kurz-Screening(UKS) (Küch et al., 2013), Stressskala (entnommen aus dem DASS-Fragebogen = Depres-sivität, Angst, Stress Skala von Lovibond & Lovibond, 1995 ) und einem Fragebogen zur Mit-arbeiterzufriedenheit (BAuA = Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dort-mund).

Ergebnisse

Stichprobenbeschreibung: n=131 (VMO: n=70, IMBO: n=37; Psychosomatik: n=24; Frauen-anteil 79,4 %, Altersdurchschnitt 50,9 Jahre). Innerhalb der Gesamtstichprobe ergaben sichdurch Clusteranalyse 2 Unterstichproben: Rehabilitanden mit niedriger Resilienz (n1=51)und Rehabilitanden mit hoher Resilienz (n2=80). Patienten mit niedriger Resilienz unter-schieden sich unter Betrachtung der Variablen Familienstand, Kinder, Schulabschluss, beruf-liche Stellung, Branche und Arbeitsplatzbelastung nicht von Patienten mit hoher Resilienz.

Mehrfach zeigen sich statistisch signifikante Unterschiede von Hochresilienten und Niedrig-resilienten. Patienten mit hoher Resilienz sind gegenüber Niedrigresilienten durchschnittlichetwas älter (52,2 vs. 49) und seltener arbeitsunfähig (30,2 % vs. 54,2 %), der Frauenanteilist größer. Hohe Resilienz geht einher mit niedrigerer Unsicherheit im Sozialkontakt, niedri-gerer Zwanghaftigkeit, aber auch höheren Somatisierungstendenzen.

Die Gruppe mit niedriger Resilienz weist höhere psychische Komorbidität, stärkere familiäreBelastungen und höheres Stresserleben auf. Der Anteil Niedrigresilienter ist in der Psycho-somatik am höchsten (70,8 %; VMO = 34,8 %; IMBO = 27 %).

Diskussion

Die vorliegende Querschnittsuntersuchung zeigt, dass Resilienz ein konfundierender Faktorfür das Ausmaß von psychischer Komorbidität, das Erleben und den Umgang mit psycho-sozialen Belastungen und auch Arbeitsfähigkeit sein kann. Dabei unterscheiden sich Hoch-resiliente und Niederigresiliente nicht im Ausmaß ihrer Arbeitsbelastung. Es scheint dahersinnvoll, Resilienzfaktoren in rehabilitativen Kontexten mit zu erheben. Die überraschendhohen Somatisierungstendenzen bei Hochresilienten in dieser Stichprobe müssen geprüftwerden, Grund ist vermutlich der hohe Anteil von Orthopädiepatienten. Besonders interes-sant scheint die Fragestellung, ob durch gezielte spezifische Interventionen in der medizini-schen Rehabilitation oder in der Prävention (Betriebliches Gesundheitsmanagement) eineSteigerung der Resilienz erreicht und dadurch das Ausmaß an psychischer Komorbiditätund Arbeitsunfähigkeit beeinflusst werden kann. Das wäre in einer Längsschnittstudie zuprüfen.

208

Literatur

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) (Hrsg.) (2012): Resilienz und psy-chologische Schutzfaktoren im Erwachsenenalter. Reihe Forschung und Praxis der Ge-sundheitsförderung, Bd. 43.

Franke, G.H. (2014): Handbuch Brief Symptom Checklist. Manuskript in Vorbereitung,Hochschule Magdeburg-Stendal.

Küch, D., Becker, J., Roßband, H., Herbold, D., Franke, G.H. (2013): Wie gut eignet sich derUKS als Screening-Instrument zur Erfassung psychosozialer Belastung? DRV-Schriften,Bd. 101. 90-92.

Leppert, K., Koch, B., Brähler, E., Strauß, B. (2008): Die Resilienzskala (RS) – Überprüfungder Langform RS-25 und einer Kurzform RS-13. Klin. Diagnostik u. Evaluation, 1. 226-243.

Rank, C. (2014): Resilienz bei Rehabilitanden der Orthopädie und Psychosomatik. EineQuerschnittstudie. Unveröffentlichte Masterarbeit, Hochschule für angewandte Human-wissenschaften, Fachbereich Rehabilitationspsychologie; Magdeburg-Stendal.

Erfassung von Depressivität und Ängstlichkeit in der verhaltensmedizinisch orthopädischen Rehabilitation –

eine Fragebogenvalidierung mithilfe des SKID

Roch, S. (1), Küch, D. (2), Meyer, J. (3), Rabe, K. (4), Besch, D. (5), Worringen, U. (6), Hampel, P. (1)

(1) Institut für Gesundheits-, Ernährungs- und Sportwissenschaften, Europa-Universität Flensburg, (2) Paracelsus-Klinik an der Gande, Bad Gandersheim, (3) Reha-Zentrum Bad

Sooden-Allendorf – Klinik Werra, (4) Rehabilitationsklinik Auental, Bad Steben,(5) Rehabilitationsklinik Göhren, (6) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund

In der Rehabilitation chronischer körperlicher Erkrankungen ist die valide Diagnostik psychi-scher Komorbiditäten aufgrund der höheren Prävalenz und der negativen Auswirkungen aufdie körperlichen Erkrankungen von zentraler Bedeutung (vgl. Baumeister et al., 2011). Hier-für ist die Durchführung klinischer Interviews indiziert (Morfeld, Friedrichs, 2011), jedoch er-geben sich in der Praxis aufgrund der Rahmenbedingungen (wie z. B. zeitliche Einschrän-kungen) Probleme bei der Umsetzung, weshalb Diagnosen eher mithilfe von Erstgesprä-chen und Fragebogen gestellt werden (Saile et al., 2000). Außerdem ist die Durchführungeines diagnostischen Interviews in einem Forschungszusammenhang aufgrund großerStichprobengrößen erschwert.

Ziel dieser Untersuchung war es deshalb, drei in der stationären verhaltensmedizinisch or-thopädischen Rehabilitation gängige Fragebogen zur Messung von Depressivität undÄngstlichkeit (ADS, HADS-D/A und PHQ-4; vgl. Beutel, Schulz, 2011; Junge, Mannion,2004) mithilfe des Strukturierten Klinischen Interviews für DSM-IV (SKID) zu validieren.

209

Methodik

In den verhaltensmedizinisch orthopädischen Abteilungen der Paracelsus-Klinik an derGande in Bad Gandersheim, dem Reha-Zentrum Bad Sooden-Allendorf – Klinik Werra, derRehabilitationsklinik Auental in Bad Steben und der Rehabilitationsklinik Göhren fülltenn=42 Rehabilitandinnen und Rehabilitanden (n= 34 Frauen; Alter M= 52,6 Jahre, SD=7,6)Fragebogen zur Erfassung von Depressivität und Ängstlichkeit aus (Allgemeine Depres-sions-Skala: ADS; Angstskala der Hospital Anxiety and Depression Scale: HADS-D/A;Depressions- und Angstskala des PHQ-4: PHQ-2 und GAD-2). Depressionen und Angst-störungen wurden mithilfe des SKID durch eine Psychologin diagnostiziert.

Ergebnisse

Basierend auf den Summenwerten der Fragebogen wurden 18 (ADS >22) bzw. 12 (PHQ-2>2) Personen als depressiv und 17 (HADS >10) bzw. 15 (GAD-2 >2) Personen als ängstlicheingestuft. Durch die klinischen Interviews wurde für 8 Personen eine Major-Depression undfür 12 Personen irgendeine Angststörung festgestellt, wobei Panikstörungen und spezifi-sche Phobien am häufigsten vorkamen.

Die internen Konsistenzen für ADS, HADS-D/A und PHQ-2 lagen alle im guten bis exzellen-ten Bereich (Cronbachs‛ zwischen 0,81 und 0,91). Die interne Konsistenz der GAD-2(Cronbachs‛ = 0,61) war hingegen unzureichend. Die Fragebogen korrelierten alle mitein-ander (r=.54 bis r=.82, alle p<.001).

Die Sensitivität der Fragebogen erreichte Werte von 0,58 (HADS-D/A) bis 1 (ADS), die Spe-zifitätswerte lagen zwischen 0,67 (HADS-D/A) und 0,82 (PHQ-2). Die positiven Vorhersage-werte betrugen zwischen 0,41 und 0,50 und die negativen Vorhersagewerte reichten von0,80 bis 1 (vgl. Tab. 1).

Anm.: ADS: Allgemeine Depressionsskala, HADS-D/A: Angstskala der Hospital Anxiety and Depres-sion Scale, PHQ-2: Depressionsskala des Patient Health Questionnaire-4, GAD-2: Angstskalades Patient Health Questionnaire-4; KI: Konfidenzintervall.

Tab. 1: Sensitivität, Spezifität und Vorhersagewerte der Fragebogen

Personen mit einer Major-Depression erzielten höhere Werte in den Depressivitätsskalen(ADS: M=33,63; SD=6,93 und PHQ-2: M=4; SD=1,69) als Personen ohne Major-Depression(ADS: M=19,82; SD=11,01; p<.01 und PHQ-2: M=1,65; SD=1,41; p<.001). Bei Personen mitirgendeiner Angststörung waren die Werte in den Angstskalen (HADS-D/A: M=12,42;SD=4,60 und GAD-2: M=3,45; SD=1,44) höher als bei Personen ohne eine Angststörung(HADS-D/A. M=8,20; SD=3,89; p<.01 und GAD-2: M=1,90; SD=1,24; p<.01).

SensitivitätKI der

SensitivitätSpezifität

KI der Spezifität

positiver Vorher-sagewert

negativer Vorher-sagewert

ADS 1 1,00; 1,00 0,71 0,69; 0,71 0,44 1

HADS-D/A 0,58 0,54; 0,62 0,67 0,65; 0,67 0,41 0,8

PHQ-2 0,75 0,70; 0,80 0,82 0,82; 0,82 0,5 0,93

GAD-2 0,64 0,60; 0,68 0,73 0,72; 0,73 0,47 0,85

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Diskussion und Schlussfolgerungen

Wie von Screening-Instrumenten zu erwarten, sind bei allen Fragebogen die positiven Vor-hersagewerte geringer als die negativen. Somit treten häufig falsch-positive Einschätzungenauf, die durch eine weitere Untersuchung identifiziert werden müssen. Negative Testergeb-nisse sind hingegen in den meisten Fällen korrekt und müssen nicht weiter untersucht wer-den. Die schlechtere Kriteriumsvalidität von HADS und GAD-2 im Vergleich zu ADS undPHQ-2 könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Gruppe der Angststörungen heteroge-ner ist und somit schwieriger durch einen Fragebogen zu erfassen. Hinzu kommt, dass situa-tionsgebundene Angststörungen wie spezifische Phobien nicht zu andauernden Angst-symptomen führen und somit in den Fragebogen nicht unbedingt berücksichtigt werden.

Für die Praxis lässt sich aus den Ergebnissen ableiten, dass die Fragebögen als Screening-instrumente gut geeignet sind, jedoch zur Diagnosestellung ein klinisches Interview durch-geführt werden sollte. Fragebögen sollten in einem abgestuften Diagnoseprozess jedochunbedingt einbezogen werden (vgl. Junge, Mannion, 2004).

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

Literatur

Baumeister, H., Jahed, J., Vogel, B., Härter, M., Barth, J., Bengel, J. (2011): Diagnostik, In-dikation und Behandlung von psychischen Störungen in der medizinischen Rehabilitation(DIBpS): Ein Leitfaden zur Implementierung eines psychodiagnostischen Stufenplans inder medizinischen Rehabilitation. In: Deutsche Rentenversicherung (Hrsg.): PsychischeKomorbidität – Leitfaden zur Implementierung eines psychodiagnostischen Stufenplansin der medizinischen Rehabilitation. URL: //www.deutsche-rentenversicherung.de/cae/servlet/contentblob/246648/publicationFile/46055/psychische_komorbiditaet.pdf. Abruf:22.10.2014.

Beutel, M., Schulz, H. (2011): Epidemiologie psychisch komorbider Störungen bei chronischkörperlichen Erkrankungen. Bundesgesundheitsblatt, 54. 15-21.

Junge, A., Mannion, A.F. (2004): Fragebögen für Patienten mit Rückenschmerzen. Diagnos-tik und Behandlungsergebnis. Der Orthopäde, 33. 545-552.

Morfeld, M., Friedrichs, A. (2011): Psychische Komorbidität. Befunde zur Diagnostik undHinweise auf Möglichkeiten der Weiterversorgung in der medizinischen Rehabilitation.Bundesgesundheitsblatt, 54. 90-97.

Saile, H., Weiland-Heil, K., Schwenkmezger, P. (2000): Lassen sich in klinischen Erstge-sprächen valide Diagnosen stellen? Vergleich von klinischem Erstgespräch, strukturier-tem Interview und Symptom-Checkliste. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psycho-therapie, 29. 214-220.

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„Dick und auch noch depressiv!?“ – Auswirkung von Depressivität auf den Rehabilitationserfolg in der stationären Adipositastherapie

Kleinknecht, C. (1), Kleinert, J. (1), Pollmann, H. (2)

(1) Psychologisches Institut, Deutsche Sporthochschule Köln,(2) Klink Niederrhein, Bad Neuenahr

Hintergrund

Bisherige Ernährungskonzepte, Trainingsprogramme und verhaltenstherapeutische Ansät-ze im Rahmen stationärer Behandlung von Adipositas führen nicht zu den erwünschten Ver-haltensänderungen und somit zu einschlägigen Therapieerfolgen (vgl. Fuchs et al., 2006).Problematisch ist die Motivation bezüglich dauerhafter Verhaltensänderungen (Göhner,Fuchs, 2007). Ein Grund hierfür könnte sein, dass die psychosozialen Auswirkungen undBegleitsymptome von Adipositas bei der Behandlung nicht genügend berücksichtigt werden.Depressive Symptome beispielsweise stehen nach Zhao et al. (2009) in einem Zusammen-hang zum Body Mass Index (BMI). Depressive Verstimmungen wiederum sind verknüpft mitAntriebsschwäche und Bewegungsmangel (Galper et al., 2006). Die Forschungslage zurAuswirkung von Depressivität auf den Rehabilitationserfolg in der Adipositastherapie ist bis-lang unklar. Das Ziel der vorliegenden Studie ist es deshalb den Einfluss von Depressivitätauf den Therapieerfolg in der stationären Rehabilitation Adipöser zu überprüfen.

Methode

Die Stichprobe besteht aus 238 Frauen und 138 Männern (n=376) im Alter von 19–65 Jah-ren (M=45,57, SD=10,06) aus 6 unterschiedlichen deutschen Rehabilitationskliniken. Derdurchschnittliche BMI betrug bei der Aufnahme 40.44 (SD=7,46). Der Depressivität wurdemit dem Patient Health Questionnaire (PHQ-2; Löwe et al., 2005) erhoben. Für die Bestim-mung des Rehabilitationserfolges wurde die körperliche Aktivität (Godin Leisure Time-Ques-tionnaire; Godin, Shephard, 1985) gemessen. Es wird erfasst, wie oft durchschnittlich leichte(3 MET), mäßige (5 MET) und starke (9 MET) Aktivitäten ausgeübt wurden. Zur Auswertungwird der Weekly-Activity-Score berechnet. Die Depressivität wurde vor (t0) nach (t1) und6 Monate nach (t2) der stationären Behandlung erhoben, die körperliche Aktivität 6 Monatenach Abschluss der stationären Rehabilitation.

Ergebnisse

Bei Betrachtung des Verlaufs des Depressionsindex zeigt sich eine signifikante Verände-rung über alle Messzeitpunkte hinweg: F(2, 488) = 53,91, p<.001, η²=.18). Hierbei ist auffäl-lig, dass der Depressionsindex vor dem Klinikaufenthalt zunächst von M=2,08 (SD=1,58)auf einen Wert von M=0,96 (SD=1,09) fällt, dann in den sechs Monaten nach Beendigungder Therapie wieder auf M=1,68 (SD=1,57) steigt. Sechs Monate nach Beendigung der Re-habilitation weisen die Probanden im Mittel eine angemessene Bewegungsaktivität auf(M=22,54, SD=18,60). Die Regressionsanalyse zeigt, dass lediglich die Depressivität zu t2ein signifikanter Prädiktor für die körperliche Aktivität 3 Monate nach Beendigung der The-rapie ist (ß = −3,041; R2

korr 6,4 %; F(1, 253) = 17,274, p <0.001).

212

Diskussion und Ausblick

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie weisen darauf hin, dass ein inverser Zusammen-hang zwischen der Depressivität und dem Rehabilitationserfolg vorliegt. Je niedriger die De-pressivität ist, desto mehr bewegen sich die Probanden 6 Monate nach Beendigung derTherapie. Vor allem die Depressivität 3 Monate nach der Therapie ist der Faktor, der fürlangfristige Verhaltensänderung bedeutsam ist. Demnach wäre es wichtig, nicht nur in derstationären Rehabilitation therapeutische Maßnahmen zu ergreifen, die einen Einfluss aufdie Depressivität der Patienten ausüben, sondern auch die Depressivität vor allem langfris-tig niedrig zu halten.

Förderung: Gesellschaft für Rehabilitationsforschung NRW e. V.

Literatur

Fuchs, R., Seelig, H., Krause, M. (2006): Motivationale und volitionale Strategien zur Förde-rung eines sportlich aktiven Lebensstils in der Rehaklinik: MoVo-Intervention. In: Kulen-kampff, H.-A. & Berg, A. (Hrsg.): Orthopädische Rehabilitation, Sport und Psyche. Berlin:Median Kliniken. 93-105.

Galper, D.I., Trivedi, M.H., Barlow, C.E., Dunn, A.L., Kampert, J.B. (2006): Inverse Asso-ciation between Physical Inactivity and Mental Health in Men and Women. Medicine &Science in Sports & Exercise, 38 (1). 173-178.

Godin, G., Shepard, R.J. (1985): A Simple Method to Assess Exercise Behavior in the Com-munity. Canadian Journal of Applied Sport Science, 10 (3). 141-146.

Göhner, W., Fuchs, R. (2007): Änderung des Gesundheitsverhaltens. MoVo-Gruppenpro-gramme für körperliche Aktivität und gesunde Ernährung. Göttingen: Hogrefe.

Zhao, G., Ford, E.S., Dhingra, S., Li, C., Strine, T.W., Mokdad, A.H. (2009): Depression andAnxiety among US adults: Associations with Body Mass Index. International Journal ofObesity (2005), 33 (2). 257-266.

Behandlung arbeitsplatzbezogener Ängste im Rahmen einer dreiwöchigen stationären medizinischen Rehabilitation – Ergebnisse einer randomisierten

kontrollierten Therapiestudie

Muschalla, B. (1, 2), Fay, D. (1), Ayhan, H. (2), Jöbges, M. (2)

(1) Universität Potsdam, Arbeits- und Organisationspsychologie, (2) Brandenburgklinik Bernau

Hintergrund

Arbeitsplatzbezogene Ängste sind spezifische Erkrankungen mit besonders ungünstigerKrankheitsfolgeproblematik (Muschalla, Linden, 2013a). Die Behandlung ist aufgrund derStimulusbesonderheiten besonders kompliziert: Der Arbeitsplatz kann nicht anonym fürExpositionsübungen aufgesucht werden, es kann keine kontrollierte gestufte Annäherungdurchgeführt werden. Vermeidungsverhalten in Form von Arbeitsunfähigkeit geht einher mitder Gefahr einer Langzeitkrankschreibung und kann in eine Erwerbsunfähigkeitsberentungmünden. Therapeutische Ansätze bei Arbeitsängsten basieren auf kognitiven Techniken

213

(Imaginationsverfahren, Situationsanalysen, Rollenspiele), oder es werden Übungsfelder(z. B. Probearbeitsplätze) genutzt.

Arbeitsplatzängste kommen bei 30–60 % der Rehabilitationspatienten vor. Man findet sie inallen Indikationsbereichen.

In dieser randomisierten kontrollierten Therapieprüfung wird erstmalig im Rahmen einer3-wöchigen medizinischen Rehabilitation eine verhaltenstherapeutische expositions-orien-tierte Gruppentherapie zur Arbeits-Angst-Bewältigung gegen eine ablenkungs- und freizeit-orientierte Ergotherapiegruppe verglichen. Diese hier vorgestellten Ergebnisse stammenaus der 1. von 2 Therapiestudienkohorten.

Methode

In drei somatischen Fachbereichen einer Rehabilitationsklinik wurden 722 neu aufgenom-mene Patienten im arbeitsfähigen Alter in einem Screening-Interview auf arbeitsplatzbezo-gene Ängste hin untersucht. Diejenigen 239, die im Arbeitsangst-Selbstauskunftsbogen undim anschließenden strukturierten diagnostischen Interview (Muschalla, Linden, 2013b) eineArbeitsangst-Diagnose erhalten haben, wurden zur Teilnahme an der Therapiestudie einge-laden. 185 Patienten nahmen teil. Sie wurden Cluster-randomisiert einer der beiden Bedin-gungen (Interventionsgruppe: Arbeits-Angst-Bewältigungsgruppe, Kontrollgruppe: Freizeit-therapiegruppe) zugeteilt.

Die Patienten füllten zu Beginn, am Ende und 6 Monate nach der stationären Rehabilitationeinen Fragebogen zu Wohlbefinden (WHO-5, WHO, 1998), arbeitsbezogenen Ängsten (Ar-beitsplatzphobiescreening, Muschalla, Linden, 2013), generellem und arbeitsbezogenemBeeinträchtigungserleben (Work Ability Index WAI, Tuomi et al., 2001; IMET, Deck et al.,2007) aus. Es wurden die Dauer ihrer Arbeitsunfähigkeit und ihr Arbeitsfähigkeitsstatus6 Monate nach der Reha erfragt. Die Arbeitsplatzwahrnehmung wurde mittels des Kurzfra-gebogens zur Arbeitsanalyse (KFZA, Prümper et al., 1995) zu Beginn und Ende der Reha-bilitation erfasst.

Alle Therapiegruppen wurden von derselben Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapienach Manual durchgeführt. (Live-)Supervision durch eine in arbeitsplatzbezogenen psychi-schen Problemen erfahrene approbierte Verhaltenstherapeutin fand kontinuierlich statt.

Ergebnisse

Teilnehmer der Arbeitsangstgruppentherapie und der Kontrollgruppe hatten 6 Monate nachder Rehabilitation keine signifikant verschiedenen Arbeitsunfähigkeitszeiten. Beide Gruppenwaren nach der stationären Rehabilitation im Durchschnitt 12 Wochen arbeitsunfähig. DieArbeitsangstgruppe erwies sich nicht als überlegen hinsichtlich der Reduktion von Ar-beitsangst, Beeinträchtigungen, Verbesserung der Arbeitsfähigkeitswahrnehmung. Bei denTeilnehmern der Arbeitsangstgruppe zeigte sich eine Tendenz einige Aspekte (3 von 11 Di-mensionen der Arbeitsplatzbeschreibung im KFZA) ihres Arbeitsplatzes in etwas positive-rem Licht wahrzunehmen. Auch waren sie weniger anfällig, am Ende der Rehabilitation ihreGesundheitsbeschwerden auf die Arbeit zu attribuieren („die Arbeit hat zu meinen Gesund-heitsproblemen beigetragen“).

214

Schlussfolgerungen und Ausblick

Eine kurze Gruppenintervention von 4 Sitzungen im Rahmen einer üblichen 3-wöchigenmedizinischen Rehabilitation führt nicht zu einer Reduktion von arbeitsbezogenen Ängstenoder zu einer früheren Wiedereingliederung.

Die Behandlung arbeitsplatzbezogener Ängste erfordert mehr als eine Add-on-Gruppenthe-rapie im Rahmen einer herkömmlichen 3-wöchigen medizinischen Rehabilitation. Es kann ineiner solchen Kurzintervention ein Anstoß gegeben werden sich mit der eigenen Arbeitssitu-ation bewusst auseinander zu setzen und ggf. zu einem positiven Reframing zu gelangen.

Ernstzunehmen ist der Befund der Verstärkung einer ungünstigen Attribution („Arbeit hat zuGesundheitsproblemen beigetragen“) im Fall der ablenkungs- und Wellnessorientierungund Unterlassung von arbeitsbezogener Exposition (Freizeitgruppe). Während der Rehabi-litation (auch einer somatischen!) bereits bewältigungsorientiert über die Rückkehr zur Ar-beit zu sprechen, scheint also zumindest einer dysfunktionalen Attributionsentwicklung ent-gegenzuwirken.

Um über die harten Kriterien der Arbeitsfähigkeit hinaus Veränderungen im subjektiven ar-beitsbezogenen Bewältigungsverhalten abzubilden ist der Einsatz zusätzlicher speziell ar-beitsbewältigungsorientierter Maße notwendig. Ein neu entwickelter Fragebogen zu arbeits-bezogenem Coping und Rückkehrintention (Muschalla et al., 2013) wird in einer an dieseUntersuchung anschließenden 2. Therapiestudienkohorte eingesetzt.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

Literatur

Deck, R. Mittag, O., Hüppe, A., Muche-Borowski, C., Raspe, H. (2007): Index zur Messungvon Einschränkungen der Teilhabe (IMET) – Erste Ergebnisse eines ICF-orientierten As-sessmentinstruments. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 76. 113-117.

Muschalla, B., Linden, M. (2013A): Arbeitsplatzbezogene Ängste und Arbeitsplatzphobie.Phänomenologie, Differentialdiagnostik, Therapie, Sozialmedizin. Stuttgart: Kohlham-mer-Verlag.

Muschalla, B., Hoffmann, K., Fay, D. (2013B): Fragebogen zu arbeitsbezogenen Copingfä-higkeiten und Rückkehrintention als Outcomemaß einer Gruppentherapie bei Arbeits-platzängsten. DRV-Schriften, 101. 92-94.

Prümper, J., Hartmannsgruber, K., Frese, M. (1995): KFZA. Kurzfragebogen zur Arbeitsana-lyse. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 39. 125-143.

Tuomi, K., Ilmarinen, J., Jahkola, A., Katajarinne, L., Tulkki, A. (2001): Arbeitsbewältigungs-index – Work Ability Index. Bremerhaven: Wirtschaftsverlag NW Verlag für neue Wissen-schaft GmbH 2001. Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedi-zin. Übersetzung, Ü 14.

World Health Organization (WHO) (1998): WHO-5. Fragebogen zum Wohlbefinden. WHOCollaborating Center for Mental Health, Psychiatric Research Unit, Frederiksborg GeneralHospital, Denmark.

215

Gegenwärtige Praxis im Umgang mit komorbiden Suchtproblemen in der somatischen und psychosomatischen Rehabilitation

Schlöffel, M. (1), Funke, W. (2), Pollmann, H. (3), Köhler, J. (4), Mittag, O. (1)

(1) Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, (2) Kliniken Wied, Wied bei Hachenburg, (3) Klinik Niederrhein der Deutschen

Rentenversicherung Rheinland, Bad Neuenahr-Ahrweiler,(4) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund und Ziel der Untersuchung

Angesichts hoher Prävalenzraten von riskantem Konsum, Missbrauch und Abhängigkeit vonSuchtmitteln und deren gesundheitspolitischer Bedeutung werden frühzeitige Präventions-und Interventionsbemühungen gefordert (z. B. Pabst et al., 2013). Der medizinischen Reha-bilitation könnte hierbei eine wichtige Rolle bei der Identifikation risikoreichen Substanzge-brauchs und der Durchführung entsprechender Interventionen zukommen. Gleichzeitig be-stehen in den Einrichtungen Unsicherheiten, wie mit entsprechenden auffälligen Rehabili-tanden/-innen umzugehen ist. Es gibt darüber hinaus bislang keine Zahlen dafür, wie häufigsuchtmittelbedingte Auffälligkeiten in der medizinischen Rehabilitation vorkommen.

Ziel der durchgeführten bundesweiten Befragung von Rehabilitationseinrichtungen war es,mehr über die Relevanz der Thematik und die derzeitige Praxis im Umgang mit auffälligenRehabilitanden/-innen zu erfahren. Die Ergebnisse liefern wichtige Vorinformationen fürdie Entwicklung entsprechender Praxisempfehlungen zum Umgang mit problematischemSuchtmittelkonsum in der medizinischen Rehabilitation.

Methode

Die Chefärzte von 216 somatischen und psychosomatischen Rehabilitationseinrichtungenaller Indikationen mit Ausnahme von Fachkliniken für Abhängigkeitserkrankungen wurdenbefragt (alle Einrichtungen in Trägerschaft der DRV sowie eine gleich große Zufallsauswahlan Vertragseinrichtungen). Der Fragebogen bezog sich auf folgende Themenbereiche:(1) Allgemeine Angaben zur Rehabilitationseinrichtung, (2) Relevanz des Themas „proble-matischer Suchtmittelkonsum“, (3) Aufnahmeuntersuchung, Screening und Verlaufsbeob-achtung problematischen Suchtmittelkonsums, (4) Auffälligkeiten im Zusammenhang mitSuchtmittelkonsum, (5) Interventionen und Unterstützungsangebote, (6) Entlassung der Re-habilitanden sowie (7) Persönliche Meinung und Veränderungswünsche. Die Befragung be-zog sich explizit nicht auf das Thema Nikotinkonsum.

Ergebnisse

Insgesamt 103 Einrichtungen (48 %) nahmen an der Befragung teil. In vielen Fällen wurdedas gesamte Reha-Team in die Beantwortung einbezogen. Die meisten teilnehmenden Ein-richtungen stammen aus dem Indikationsbereich muskuloskelettale Erkrankungen, gefolgtvon Psychosomatik und Kardiologie/Angiologie. Bei 6 Einrichtungen handelte es sich umEinrichtungen der Kinder- und Jugendrehabilitation. Von den 97 Einrichtungen der Erwach-senenrehabilitation machten 80 detailliertere Angaben zu ihren Hausregeln für Rehabilitan-den/-innen für den Umgang mit Alkohol. Hier zeigte sich eine große Bandbreite von Regeln.

216

Alle Einrichtungen gaben an, dass bei ihnen in den vergangenen 12 Monaten suchtmittel-bedingte Auffälligkeiten beobachtet wurden. Hierbei handelte es sich sowohl um direkte (wiebspw. Foetor) als auch indirekte Zeichen problematischen Konsums (wie bspw. Tremor) so-wie um Verhaltensauffälligkeiten. Im Mittel schätzten die Einrichtungen, dass mindestens1 % der Rehabilitanden in diesem Zeitraum auf eine der drei Arten auffällig wurden. DieWertespannen fielen hierbei recht hoch aus (s. Tab. 1). Gut 40 % der Einrichtungen gabenan, dass das Thema unter den Mitarbeitern/-innen kontrovers diskutiert wird. Die relativenHäufigkeiten der hierbei genannten kontrovers diskutierten Aspekte sind in Abb. 1 darge-stellt. 95 Einrichtungen gaben an, in der Anamnese routinemäßig nach Substanzkonsum zufragen; 90 Einrichtungen stellen hier auch substanzspezifische Fragen, jedoch gaben nur 8an, entsprechende Screeninginstrumente, wie den AUDIT, zu nutzen.

Tab. 1: Anteil der Rehabilitanden/-innen mit den verschiedenen Arten von Auffälligkeiten (in Prozent;relativiert an der Anzahl jährlich behandelter Patienten)

Abb. 1: Unter den Mitarbeitern/-innen kontrovers diskutierte Aspekte zum Thema Suchtmittelkonsum(n=40)

Diskussion

Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass dem Thema „problematischer Suchtmittelkon-sum“ Bedeutung beigemessen wird. Gleichzeitig werden Unsicherheiten der Einrichtungenin Bezug auf den Umgang mit einer komorbiden Suchtproblematik deutlich. Die großen Un-terschiede in Bezug auf die Häufigkeit des Auftretens von suchtmittelbedingten Auffälligkei-ten könnten eine unterschiedliche Sensibilisierung der Einrichtungen für das Thema wider-spiegeln. Die Praxisempfehlungen werden möglicherweise dazu beitragen können, die Ein-

M SD Range Ndirekte Zeichen (bspw. Foetor) 1,1 1,8 0,03 – 12,66 68indirekte Zeichen (bspw. Tremor) 0,8 1,2 0,02 – 6,45 53Verhaltensauffälligkeiten 0,7 1,1 0,03 – 5,00 47

0% 20% 40% 60% 80% 100%

sonstige Aspekte

Alkoholkonsum der Mitarbeiter/-innen bei offiziellen oder informellen

Gelegenheiten

mögliche Therapieziele bei identifiziertem problematischem

Suchtmittelkonsum

Sinnhaftigkeit der Einrichtungsregeln für Rehabilitanden/-innen

Konsequenzen bei Regelbrüchen der Rehabilitanden/-innen

Prozentualer Anteil der Einrichtungen

217

richtungen für das Thema zu sensibilisieren und eine größere Sicherheit in Bezug auf dasErkennen verschiedener Ausprägungen problematischen Suchtmittelkonsums und die Wahlgeeigneter Interventionsmaßnahmen zu schaffen. Zwei Cochrane-Reviews (Kaner et al.,2007; McQueen, et al., 2011) zeigen gute Evidenz dafür, dass Kurzinterventionen („brief in-terventions“) bei Patienten in Allgemeinkrankenhäusern mittelfristig zu einer Reduktion ko-morbiden Alkoholkonsums führen. Diese Ergebnisse lassen sich vermutlich gut auf das re-habilitative Versorgungssetting in Deutschland übertragen.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

Literatur

Kaner, E.F., Beyer, F., Dickinson, H.O., Pienaar, E., Campbell, F., Schlesinger, C., Heather, N.,Saunders, J., Burnand, B. (2007): Effectiveness of brief alcohol interventions in primarycare populations. Cochrane Database of Systematic Reviews, 2, Art. No.: CD004148.

McQueen, J., Howe, T.E., Allan, L., Mains, D., Hardy, V. (2011): Brief interventions for heavyalcohol users admitted to general hospital wards. Cochrane Database of Systematic Re-views, 8, Art. No.: CD005191.

Pabst, A., Kraus, L., Matos, E.G. de, Piontek, D. (2013): Substanzkonsum und substanzbe-zogene Störungen in Deutschland im Jahr 2012. Sucht, 59 (6). 321-331.

218

Psychische Komorbidität in der Rehabilitation (Poster)

Psychische Begleitbeeinträchtigungen in der somatischen Rehabilitation – Wie werden sie therapeutisch berücksichtigt und welche Relevanz haben sie

für die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung am Rehabilitationsende?

Brünger, M. (1), Schöpflin, M. (2), Spyra, K. (1)

(1) Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Charité – Univer-sitätsmedizin Berlin, (2) Berlin School of Public Health, Charité – Universitätsmedizin Berlin

Hintergrund

Die Prävalenz psychischer Begleitbeeinträchtigungen in der somatischen Rehabilitation istim Vergleich zur Allgemeinbevölkerung deutlich erhöht (Brünger, Spyra, 2014). Die Deut-sche Rentenversicherung (DRV) Bund hat Empfehlungen für die Implementierung einespsychodiagnostischen Stufenplans in der somatischen Rehabilitation ausgesprochen (DRVBund, 2011) und daneben das Konzept der verhaltensmedizinisch orthopädischen Rehabi-litation (VMO) zur integrativen Behandlung von somatischen und psycho-sozialen Funk-tions- und Fähigkeitsstörungen etabliert (DRV Bund, 2013). Es fehlen jedoch Untersuchun-gen, in welchem Ausmaß psychische Begleitbeeinträchtigungen bei der Therapieplanung inder somatischen Rehabilitation bislang berücksichtigt werden und welche prognostischenUnterschiede sich in Abhängigkeit vom Vorliegen einer psychischen Begleitbeeinträchti-gung in Bezug auf die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung zeigen.

Ziel dieser prospektiven Kohortenstudie ist daher der Vergleich von psychisch beeinträch-tigten und psychisch nicht beeinträchtigten Patienten in der somatischen Rehabilitation hin-sichtlich insbesondere der psychologischen und psychotherapeutischen Leistungen wäh-rend der Rehabilitationsmaßnahme und hinsichtlich der sozialmedizinischen Leistungsbeur-teilung am Rehabilitationsende.

Methoden

Zum Zeitpunkt der Bewilligung der medizinischen Rehabilitation im Heilverfahren erfolgteeine Stichprobenziehung von je 1.000 Versicherten der DRV Bund geschichtet nach den In-dikationsgruppen Orthopädie, Kardiologie, Gastroenterologie/Endokrinologie, Pneumolo-gie, Onkologie und Neurologie. Diese Indikationsgruppen stehen für 95,7 % aller somati-schen Rehabilitationsmaßnahmen der DRV Bund. An die insgesamt 6.000 Versichertenwurde ein Fragebogen zur Erhebung Reha-relevanter Beeinträchtigungen und Ressourcenverschickt (Brünger, Spyra, 2014). Psychische Beeinträchtigung wurde mithilfe der Kurz-form des Patient Health Questionnaire (PHQ-4) erfasst, welcher auf den Kerndiagnosekrite-rien für depressive und Angststörungen gemäß DSM-IV beruht (Löwe et al., 2010). Ausge-schlossen wurden Teilnehmer, die den Fragebogen nach Rehabilitationsbeginn zurück-schickten. Von 90,5 % der 2.152 Studienteilnehmer (Responsequote: 36,5 %) konntenzudem Angaben aus dem ärztlichen Entlassungsbericht, hierunter die sozialmedizinischeLeistungsbeurteilung und die verordneten therapeutischen Leistungen gemäß Klassifikationtherapeutischer Leistungen (KTL), mit den Assessmentdaten verknüpft werden. In die vor-

219

gestellte Analyse gehen 1.809 Rehabilitanden mit vollständigen Datensätzen in Bezug aufdie relevanten Assessment-Skalen und Variablen des Entlassungsberichts ein. Die Analy-sen wurden aufgrund der geschichteten Stichprobenziehung entsprechend der tatsächli-chen Verteilung im Jahr 2011 gewichtet. Zusätzlich wurde für die höhere Teilnahmebereit-schaft von Frauen korrigiert.

Ergebnisse

Das mittlere Alter der eingeschlossenen Studienteilnehmer lag bei 50,7 Jahren, der Frauen-anteil bei 69,6 %. Die Prävalenz psychischer Begleitbeeinträchtigungen gemäß PHQ-4 be-trug 26,3 %. Rehabilitanden mit psychischer Komorbidität waren im Mittel gut einen Tag län-ger in der Rehabilitationseinrichtung als solche ohne psychische Begleitbeeinträchtigung(25,1 vs. 23,8 Tage) und erhielten insgesamt signifikant mehr therapeutische Leistungengemäß KTL (73,9 vs. 68,8 Stunden). Signifikante Unterschiede zeigten sich auch hinsicht-lich des Erreichens der Minimalanforderungen psychologischer und psychotherapeutischerLeistungen gemäß VMO-Anforderungsprofil (DRV Bund, 2013) in den beiden psychologi-schen Kernangeboten „psychologische Bezugsgruppe“ (6,1 % vs. 3,3 %) und „psychologi-sche Einzelgespräche“ (49,5 % vs. 23,4 %), jedoch nicht im Kernangebot „Entspannungs-training“ (41,3 % vs. 40,6 %).

Der Anteil der arbeitsunfähig entlassenen Rehabilitanden lag etwa doppelt so hoch für Pa-tienten mit psychischer Begleitbeeinträchtigung (39,5 % vs. 21,1 %). Weiterhin zeigte sichbei Vorliegen psychischer Komorbidität signifikant häufiger eine ungünstige Prognose fürdie Rückkehr in den letzten Beruf und den allgemeinen Arbeitsmarkt. Auch hinsichtlich derEmpfehlung für eine anschließende psychologische Beratung oder Psychotherapie (26,7 %vs. 9,7 %) und der Einschätzung einer eingeschränkten geistig-psychischen Belastbarkeitlagen signifikante Unterschiede vor (10,3 % vs. 6,2 %).

Diskussion

Gemäß der vorliegenden Studie scheint psychische Komorbidität in den Rehabilitationsein-richtungen teilweise erkannt und therapeutisch berücksichtigt zu werden. Allerdings erhaltenRehabilitanden mit psychischen Begleitbeeinträchtigungen eine deutlich ungünstigere so-zialmedizinische Leistungsbeurteilung als Patienten ohne psychische Komorbidität. Diesbelegt die Relevanz eines Screenings auf psychische Komorbidität. Damit könnte sich derPHQ-4 neben seiner Anwendungsmöglichkeit im Antragsverfahren zur Steuerung in VMO-Programme (Worringen et al., 2012) und als 1. Schritt einer Stufendiagnostik (DRV Bund,2011) auch als Prognose-Instrument für eine ungünstige sozialmedizinische Leistungsbeur-teilung am Rehabilitationsende eignen. In weiteren Studien sollte untersucht werden, ob einflächendeckendes und indikationsübergreifendes Screening auf psychische Komorbidität zueiner weiteren Differenzierung der Verordnung psychologischer und psychotherapeutischerLeistungen – gegebenenfalls auch durch Ausweitung der VMO auf andere Indikationsgebie-te – und nachfolgend zu einer größeren Wirksamkeit der Rehabilitation führen kann.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

220

Literatur

Brünger, M., Spyra, K. (2014): Prävalenz psychischer Beeinträchtigungen in der somati-schen Rehabilitation. DRV-Schriften, 103. 202-204.

DRV Bund (2011): Psychische Komorbidität. Leitfaden zur Implementierung eines psycho-diagnostischen Stufenplans in der medizinischen Rehabilitation. Berlin

DRV Bund (2013): Anforderungsprofil für die verhaltensmedizinisch orthopädische Rehabi-litation (VMO). Berlin.

Löwe, B., Wahl, I., Rose, M., Spitzer, C., Glaesmer, H., Wingenfeld, K., Schneider, A., Bräh-ler, E. (2010): A 4-item measure of depression and anxiety: Validation and standardizationof the Patient Health Questionnaire-4 (PHQ-4) in the general population. Journal of Affec-tive Disorders, 122(1–2). 86-95.

Worringen, U., Streibelt, M., Schwabe, M., Küch, D. (2012): Optimierung der Zuweisung zurverhaltensmedizinisch orthopädischen Rehabilitation (VMO) durch die DRV Bund: Erpro-bung eines Screeninginstruments. DRV-Schriften, 98. 118-120.

221

Rechtswissenschaften

UN-Behindertenrechtskonvention und deutsches Rehabilitationsrecht

Welti, F.

Universität Kassel

Hintergrund und Zweck der Untersuchung

Untersucht wird der Einfluss der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) auf das deut-sche Sozialrecht, insbesondere das Recht der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Men-schen. Hierbei wird sowohl auf notwendige Änderungen oder Klarstellungen bei der Rechts-auslegung und Rechtsanwendung wie auf empfehlenswerte oder gebotene Rechtsänderun-gen durch den Gesetzgeber geblickt.

Methodik

Normsetzung, Rechtsetzung, Rechtsprechung und Literatur wurden anhand der Datenbankjuris und weiterer Datenquellen systematisch durchsucht und dann nach Wortlaut, Entste-hungsgeschichte, Sinn und Zweck untersucht und bewertet, um die Rechtslage zum Ein-fluss der UN-BRK auf das deutsche Recht zu erforschen. Eine besondere Bedeutung habendabei neben höchstrichterlichen Entscheidungen aus Deutschland die Entscheidungen desEuropäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Ausschusses der Vereinten Nationen für dieRechte von Menschen mit Behinderungen.

Schlussfolgerungen und Ausblick

Die UN-BRK ist relevant für die Auslegung des deutschen Rehabilitationsrechts. Entgegenskeptischen Stimmen in der Literatur (Luthe, 2013) ist die UN-BRK eine relevante Rechts-quelle (Degener, 2009; Lachwitz, Trenk-Hinterberger, 2010; Banafsche, 2012). Ihr könnenHinweise zur Rechtsauslegung und zur aktuellen rechtspolitischen Diskussion entnommenwerden (Welti, 2014).

Nach Art. 4 Abs. 1 UN-BRK sind die Vertragsstaaten verpflichtet, alle geeigneten Gesetzge-bungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Umsetzung der in ihr genanntenRechte zu treffen. Zentrale Norm des Übereinkommens ist das Diskriminierungsverbot nachArt. 5 UN-BRK. Dieses umfasst nach Art. 5 Abs. 3 UN-BRK die Pflicht zu angemessenenVorkehrungen, also notwendigen und geeigneten Änderungen und Anpassungen, die ge-währleisten, dass Menschen mit Behinderungen alle Menschenrechte und Grundfreiheitengenießen können. Das Diskriminierungsverbot ist unmittelbar anwendbar und ist zugleichzur Auslegung des Benachteiligungsverbots im deutschen Grundgesetz (Art. 3 Abs. 3Satz 2 GG) heranzuziehen (Bundessozialgericht v. 6.3.2012, B 1 KR 10/11 R, BSGE 110,194). Das Diskriminierungsverbot als bürgerliches Recht unterliegt auch nicht dem Progres-sionsvorbehalt für soziale Menschenrechte, die erst nach und nach zu implementieren sind(Art. 4 Abs. 2 UN-BRK). Das bedeutet zum Beispiel für die Gesundheitsversorgung, dassdie Leistungen für behinderte Menschen in derselben Bandbreite, von derselben Qualitätund auf demselben Standard sein müssen wie für andere Menschen (Art. 25 UN-BRK).

222

Bei der Ausarbeitung und Umsetzung von Rechtsvorschriften und politischen Konzepten zurDurchführung der UN-BRK und bei anderen Entscheidungsprozessen, die Menschen mitBehinderungen betreffen, führen die Vertragsstaaten mit den Menschen mit Behinderungenenge Konsultationen und beziehen sie aktiv ein (Art. 4 Abs. 3 UN-BRK). Diese Pflicht wirdin Deutschland für die Krankenbehandlung durch die Patientenbeteiligung im G-BA (§ 140fSGB V) verwirklicht (Bundessozialgericht v. 10.5.2012, B 1 KR 78/11 B). Im Rehabilitations-recht ist sie nur punktuell institutionalisiert (§ 13 Abs. 6 SGB IX). Hier fehlt eine systemati-sche Umsetzung z. B. für die Rentenversicherungsträger.

Der in der Konvention zugrunde gelegte Behinderungsbegriff (Art. 1 Satz 2 UN-BRK) be-rücksichtigt Kontext und Barrieren und nicht alleine Funktionsstörungen. Es gibt Zweifel, obdie deutsche Rehabilitationspraxis damit immer vereinbar ist (Ausschuss der Vereinten Na-tionen v. 4.4.2014, CRPD/C/11/D/2/2010). Das gilt auch für die Auslegung der Ansprücheauf Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich, bei denen der Kontext nicht berücksichtigt wirddurch das Bundessozialgericht (vgl. BSG v. 7.10.2010, B 3 KR 13/09 R). Dabei ist auch zuberücksichtigen, dass die UN-BRK der Auslegung des europäischen Rechts gegen Dis-kriminierung in Beschäftigung und Beruf zugrunde zu legen ist (EuGH v. 11.4.2013, C-335/11;BAG v. 19.12.2013, 6 AZR 190/12).

Geboten ist die gleichberechtigte Zugänglichkeit der Rehabilitation und Gesundheitsversor-gung (Art. 9, 25, 26 UN-BRK). Hierzu sind noch Barrieren zu überwinden. Die entsprechen-den Pflichten der Rehabilitationsträger (§ 17 Abs. 1 Nr. 4 SGB I, § 19 Abs. 1 SGB IX) sindumfassender zu realisieren.

Literatur

Banafsche, M. (2012): Die UN-Behindertenrechtskonvention und das deutsche Sozialrecht.Die Sozialgerichtsbarkeit (SGb). 373-379.

Degener, T. (2009): Welche legislativen Herausforderungen bestehen in Bezug auf die na-tionale Implementierung der UN-Behindertenrechtskonvention in Bund und Ländern? Be-hindertenrecht. 34-51.

Lachwitz, K., Trenk-Hinterberger, P. (2010): Zum Einfluss der Behindertenrechtskonventionder Vereinten Nationen auf die deutsche Rechtsordnung. Rechtsdienst der Lebenshilfe(RdLH). 45-52.

Luthe, E.-W. (2013): Einige Anmerkungen zur Behindertenrechtskonvention. Die Sozialge-richtsbarkeit. 391-395.

Welti, F. (2014): Leistungen zur Teilhabe und Reha im gegliederten System – Chance zurStrukturreform der Teilhabeleistungen. Sozialrecht + Praxis. 343-363.

223

Epilepsie und Arbeit – Herausforderungen und Fortschritteim Rehabilitationsrecht

Kohte, W.

Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg, Halle/Saale

Einleitung

Epilepsie ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen. Neben wiederholtenkrampfartigen Anfällen können neuropsychologische, psychiatrische oder körperliche Be-gleiterscheinungen auftreten, die Menschen in der Teilhabe am Arbeitsleben beeinträch-tigen können. Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze sehen im Abschnitt „Nerven-system und Psyche“ bei epileptischen Anfällen einen Grad der Behinderung zwischen 40 und100 vor, sodass in der Regel Schwerbehinderung anzuerkennen ist.

Lange Zeit bestanden starke Vorurteile gerade beim Erleben von Epilepsieanfällen, die zuStigmatisierungen und gesellschaftlicher Exklusion führten (Eller, Brodisch, 2013). Inzwi-schen sind die medizinischen, psychologischen und sozialwissenschaftlichen Erkenntnisseso weit fortgeschritten, dass bei entsprechender Aufklärung und Arbeitsplatzgestaltung eineeffektive Teilhabe am Arbeitsleben realistisch ist.

Epilepsie und Teilhabe am Arbeitsleben

Für diese Teilhabe sind richtungsweisend die BGI 585 (jetzt DGUV Information 250-001)„Empfehlungen zur Beurteilung beruflicher Möglichkeiten von Personen mit Epilepsie“, diedifferenzierte Hinweise zur Teilhabe am Arbeitsleben geben. Die Hinweise zur Gestaltunggeeigneter Arbeitsplätze basieren auf einer zutreffenden Gefährdungsbeurteilung (§ 5 Ar-beitsschutzgesetz). Nicht nur in der Verwaltung, sondern auch an vielen Maschinenarbeits-plätzen ist eine Tätigkeit trotz Epilepsie möglich, wenn die von der neuen Betriebssicher-heitsverordnung verlangten Schutzvorschriften eingehalten werden. Weitere Informationenüber nach § 33 SGB IX zu leistende Hilfsmittel liefert die Datenbank REHADAT.

Die BGI-Informationen verweisen weiter auf organisatorische Vorkehrungen. Zu vermeidensind unregelmäßige und lange Arbeitszeiten, da sie Anfälle hervorrufen können, sodassauch dieses Beispiel zeigt, dass die Anforderungen des Arbeitszeitrechts sorgfältig einzu-halten und riskante Arbeitszeitformen zu vermeiden sind. Weiter gehören zu den organisa-torischen Vorkehrungen bei erkannter Epilepsiegefährdung Modelle kollegialer Verantwor-tung, Unterstützung und Assistenz.

Aufklärung, Information und Selbsthilfe

Stigmatisierung mit den entsprechenden psychischen Problemen kann am besten durchAufklärung und Information begegnet werden. Zu den Aufgaben der Rehabilitationsträgerund Integrationsämter gehört nach dem heutigen Recht eine solche Aufklärung, die vor al-lem den Integrationsämtern geleistet wird. Sie kann im Einzelfall durch Integrationsfach-dienste konkretisiert und betrieblich erläutert werden können. Bemerkenswert ist schließlichdie Nutzung des Internet. Vor allem das Informationssystem REHADAT hat mit seinen Infor-mationen zu „Epilepsie und Arbeitsleben“ den aktuellen Sachstand sowie die dazu ergangenUrteile so zusammengefasst, dass sie allgemein zugänglich und nutzbar sind.

224

Ist ein Anfallsleiden diagnostiziert, und eine Behinderung erkannt, können neben Assistenz-leistungen nach § 33 Abs. 6 SGB IX auch persönliche und pädagogische Hilfen erbrachtwerden (Busch, 2014). Dazu gehören Hilfen zur Unterstützung bei der Krankheitsverarbei-tung, mit Zustimmung der Leistungsberechtigten Information und Beratung von Vorgesetz-ten und Kollegen sowie Vermittlung von Kontakten zur Selbsthilfe, die nach § 29 SGB IXauch von Rehabilitationsträgern zu fördern ist (Kohte, 2013). Gerade im Bereich der Epilep-sie gibt es starke Selbsthilfegruppen und ein Netzwerk „Epilepsie und Arbeit“, das von derDRV Bayern Süd bis zu den Wohlfahrtsverbänden reicht.

Zusammenfassung

Damit zeigt sich bei dieser Krankheit, die lange ein Symbol für Exklusion war, dass sich dieverschiedenen Elemente des SGB IX erfolgreich ergänzen. Präventiver Arbeitsschutz, gutzugängliche Information durch Rehabilitationsträger, Integrationsämter und Selbsthilfegrup-pen, sowie konkrete Rehabilitationsleistungen, die das gesamte Spektrum von § 33 SGB IXausschöpfen, greifen ineinander, sodass heute Epilepsie kein Symbol für Exklusion mehr ist.

Literatur

BGI 585, Empfehlungen zur Beurteilung beruflicher Möglichkeiten von Personen mit Epilep-sie, 2007.

Busch (2014), Kommentierung § 33 SGB IX in Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, 3. Aufl.Eller/Brodisch, Drei Jahre Epilepsie und Arbeit (2013), ASU-Arbeitsmedizin 8/2013, S. 432Kohte (2013), Kommentierung § 29 SGB IX in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, 3. Aufl.REHADAT (2011), Epilepsie im Arbeitsleben, 2011.

Stärkung des ehrenamtlichen Engagements der Schwerbehindertenvertretungen

Düwell, F.J.

Universität Konstanz

Einführung

Der demografische Wandel bewirkt eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Da die Häu-figkeit von Behinderungen mit steigendem Lebensalter exponentiell zunimmt (Verdi Studie,2014), wachsen auch die Herausforderungen, um eine Ausgliederung der Menschen mit Be-hinderung zu vermeiden. Für die Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit der alternden Be-legschaften bedarf es vermehrter Anstrengungen. Die Arbeitsplätze der Betroffenen müs-sen behinderungsgerecht umgestaltet werden. Behörden und Rehabilitationsträger könnenals Externe diese Aufgabe nur unterstützend begleiten, maßgeblich für das Gelingen sinddie innerbetrieblichen Akteure. Alle Arbeitgeber sind nach § 81 Abs. 4 SGB IX zur behinde-rungsgerechten Beschäftigung verpflichtet. Zu diesem Zweck haben sie Arbeitsstätten, Ar-beitsumfeld und Arbeitsplätze behinderungsgerecht umzugestalten (Düwell, 2013). Der ein-zelne Beschäftigte ist jedoch nur selten in der Lage zu überprüfen, ob der Arbeitgeber seinerVerpflichtung voll nachkommt. Deshalb kommt den betrieblichen Helfern besondere Bedeu-tung zu. Das hat auch der Gesetzgeber erkannt. Deshalb wählen seit 1920 die Beschäftig-

225

ten auf gesetzlicher Grundlage eigene Vertrauenspersonen. Diese bilden zusammen mit ih-ren gewählten Stellvertretern auf der Ebene des Betriebs, Unternehmens und KonzernsSchwerbehindertenvertretungen (Düwell, 2013). Nach § 95 Abs. 1 SGB IX sind sie insbe-sondere dafür zuständig, den Betroffenen mit fachkundiger Hilfe beizustehen und die Ein-haltung der Arbeitgeberpflichten zu überwachen (Düwell, 2013).

Kehrtwende im Koalitionsvertrag

Im Koalitionsvertrag vom 16.12. 2013 haben sich die Parteien der Großen Koalition das Zielgesetzt, die Integration von Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarktzu begleiten und auch die Beschäftigungssituation der 1 Million schwerbehinderten Be-schäftigten (Teilhabebericht der Bundesregierung) nachhaltig zu verbessern. Dazu gehörtnach Auffassung der Großen Koalition „die Anerkennung und Stärkung des ehrenamtlichenEngagements der Schwerbehindertenvertretungen“ (Koalitionsvertrag, 2013). Damit hat dieGroße Koalition die Linie der Vorgängerregierung verlassen. Diese hatte 2012 auf eine Klei-ne Anfrage zur „Praktischen und rechtlichen Situation der Schwerbehindertenvertretungen“noch sehr zurückhaltend geantwortet. Die Fragesteller verwiesen darauf, dass vielen Ver-trauenspersonen die erforderlichen Durchsetzungsmöglichkeiten fehlten und eine Kluftzwischen den hohen Idealen des Gesetzes SGB IX und der frustrierenden Alltagsrealität imBetrieb bestünde. Demgegenüber verneinte 2012 die Bundesregierung jeden Handlungs-bedarf. Offensichtlich erschien die Schwerbehindertenvertretung als eine historisch über-kommene Einrichtung (Teilhabebericht der Bundesregierung) ohne eine wesentliche Be-deutung für ihre Teilhabepolitik.

Stand der Umsetzung des Koalitionsvertrags

Die behindertenpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen der Großen Koalition planenzur Erfüllung des Auftrags aus dem Koalitionsvertrag einen gemeinsamen Entschließungs-antrag „Schwerbehindertenvertretungen als Partner für die berufliche Teilhabe von Men-schen mit Behinderung in den Betrieben stärken“ in den Bundestag einzubringen. Zur Vor-bereitung hatte am 08.05.2014 im Bundestag ein Expertengespräch stattgefunden. Desseneinhelliges Ergebnis war, dass sowohl die Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertre-tung als auch die persönliche Rechtsstellung der Mitglieder gestärkt werden müssen. Insbe-sondere sei in vielen Betrieben die Durchsetzung der Pflicht des Arbeitgebers, vor Entschei-dungen die Schwerbehindertenvertretung zu unterrichten ein dringendes Problem. Ohne eineSicherstellung dieses Anspruchs auf rechtzeitige Unterrichtung könne die Schwerbehinder-tenvertretung den Betroffenen nicht die erforderliche Hilfestellung leisten. Inzwischen hatauch die zuständige Fachabteilung des Ministeriums mit der Umsetzung begonnen. Am20.10.2014 fand im Ministerium ein Workshop statt, zu dem ca. 80 Schwerbehindertenver-tretungen, zwei Wissenschaftler sowie DGB und BDA als Sachverständige geladen waren.Wieder bestand Übereinstimmung: Die Schwerbehindertenvertretungen müssen gestärktwerden. Umstritten ist im politischen Raum vor allem die von den Schwerbehindertenvertre-tungen geforderte „Unwirksamkeitsklausel“. Danach soll jede Arbeitgebermaßnahme un-wirksam sein, solange keine Anhörung der Schwerbehindertenvertretung entsprechend§ 95 Abs. 2 Satz 2 SGB IX stattgefunden hat. Wie wichtig es ist, die ehrenamtliche Tätigkeitder Schwerbehinderten zu fördern, zeigt das Ergebnis der jüngsten Studie: 47 % der Be-schäftigten mit Behinderung, geben an, die Unterstützung der Schwerbehindertenvertretung

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in Anspruch genommen zu haben. Der Anteil behinderungsgerechter Arbeitsplätze ist in Be-trieben mit Schwerbehindertenvertretung um 36 % höher als in vertretungslosen Betrieben(Verdi Studie, 2014). 2015 soll ein Referentenentwurf vorgelegt werden.

Literatur

Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Teilhabebericht der Bundesregierung über dieLebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen vom 31.07.2013.

CDU, CSU und SPD: Deutschlands Zukunft gestalten, Koalitionsvertrag für die 18. Legisla-turperiode vom 16.12.2013.

Düwell, F.J. (2014): Inklusionsorientierte Reform des SGB IX. Recht und Praxis der Reha-bilitation. 5.

Düwell, F.J. (2013): Lehr- und Praxiskommentar Sozialgesetzbuch IX. 4. Aufl. Baden-Baden.Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi Studie, 2014): Arbeitsbedingungen von Men-

schen mit Behinderung, Repräsentativumfrage. Berlin.

Budget für Arbeit – Übergang Schule-Beruf und WfbM-allgemeiner Arbeitsmarkt

Nebe, K.

Universität Halle-Wittenberg

Einleitung

Die Zahl der Beschäftigten in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) stieg vonca. 235.800 (2003) auf ca. 301.100 (2013). Die Übergangsquote auf den allgemeinenArbeitsmarkt liegt wiederum bei unter 1 %. Rund ein Fünftel der Werkstattbeschäftigten sindseelisch behindert. Da nur 5 % der seelisch behinderten Menschen direkt aus der Schule indie WfbM kommen, ist ihr Anteil bei den „Quereinsteigern“ besonders hoch (Kardorff/Ohl-brecht, 2014, S. 272). Diese Zahlen sind unter verschiedenen Gesichtspunkten kritisch zubewerten. Zum einen widerspricht diese Wirklichkeit den Rechten behinderter Menschenauf freien Zugang zu einem offenen und inklusiven Arbeitsmarkt, vgl. Art. 27 UN-BRK undArt. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (Nebe, 2014). Die Beschäftigung behinderter Menschen in Sonder-arbeitswelten ist zudem vor dem Hintergrund steigender Ausgaben kritisch zu hinterfragen.Laut Statistischem Bundesamt wurden 2010 von den 13,8 Mrd. Euro der gesamten Aus-gaben der Eingliederungshilfe immerhin 3,7 Mrd. Euro (d. h. 27 %) allein für Leistungen inWfbM aufgewendet.

Gegenwärtiger Forschungsstand

Barrieren beim Zugang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt werden verstärkt erforscht undinsbesondere folgende Barrieren berichtet (jüngst Kardorff/Ohlbrecht, 2014):

‒ sozialpsychologische Aspekte der Verantwortlichen in den Betrieben bei Einstellung,Ausbildung und Beschäftigung behinderter und chronisch kranker Menschen, wobei ne-gative Vorurteile nach gewonnenen praktischen Erfahrungen im Umgang mit behindertenMenschen in überwiegend positive Einstellungen umschlagen.

227

‒ sozialpsychologische Aspekte bei Kolleg(inn)en, unmittelbaren Vorgesetzten und Ausbil-dern, die sich bei bestimmten Beeinträchtigungen (z. B. bei Suchterkrankungen) verstär-ken.

‒ institutionelle Barrieren und verfahrensbedingte Hindernisse, z. B. bei der technischenund/oder organisatorischen Umgestaltung des Arbeitsplatzes/der Beschäftigung/der Aus-bildung, gerade für KMU; in einer aus einer Hand koordinierten (Wieder-)Eingliederungwird eine wesentliche Gelingensbedingung gesehen.

Daneben werden modellhaft auf Landesebene Projekte für einen verbesserten Übergangerprobt (exemplarisch für NRW Rohde, 2014 sowie für Baden-Württemberg Deusch, 2014).Die von der Mehrzahl der Bundesländer initiierten „Budget für Arbeit“ zielen weitgehend ein-heitlich auf einen Abbau dieser Barrieren und eine stärkere Durchlässigkeit aus der Schulein den allgemeinen Ausbildungsmarkt bzw. aus der Werkstatt in den allgemeinen Arbeits-markt. Eine gemeinsame Evaluation der unterschiedlich ausgestalteten Projekte fand bis-lang nicht statt. Gleichwohl ist es Anliegen der gegenwärtigen Regierungskoalition, in denReformen zum SGB IX und zur Eingliederungshilfe die Erfahrungen der Modellprojekte„Budget für Arbeit“ aufzugreifen und fortzuentwickeln.

Empfehlungen zur Verbesserung der Übergänge und zur Öffnung der Ausbildungs- und Arbeitsmärkte für behinderte Menschen

Im Rahmen einer vom Landschaftsverband Rheinland in Auftrag gegebenen Untersuchungwurden verschiedene Modelle „Budget für Arbeit“ untersucht (Nebe/Waldenburger, 2014).Dabei richtete sich das Augenmerk auf folgende Schwerpunkte und mögliche Änderungs-vorschläge:

‒ leistungsrechtliche Ausgestaltung eines Budgets für Arbeit im Sinne einer Bündelung so-zialrechtlicher Leistungsansprüche behinderter Menschen, d. h. der Leistungen zur Teil-habe am Arbeitsleben (§ 33 ff. SGB IX) mit den begleitenden Hilfen im Arbeitsleben(§ 102 SGB IX) und den Leistungen der Eingliederungshilfe (§ 55 ff. SGB IX),

‒ gesetzliche Regelung einer Gesamtsteuerungsverantwortung, z. B. Überleitungsmanage-ment durch die Integrationsämter (angelehnt an § 102 SGB IX),

‒ Berufswegekonferenzen,

‒ behinderungsgerechte Berufsausbildung und Sensibilisierung für die § 64 ff. BBiG,§ 42k ff. HWO,

‒ Beseitigung von sozialrechtlichen Fehlanreizen sowie

‒ Schaffung eines dauerhaften Eingliederungszuschusses und Minderleistungsausglei-ches.

Literatur

Kardorff, E. v., Ohlbrecht, H. (2014): Zugang zum Allgemeinen Arbeitsmarkt für Menschenmit Behinderungen – Bestandsaufnahme und Ergebnisse einer Expertise im Auftrag derAntidiskriminierungsstelle des Bundes, Berufliche Rehabilitation, 28 (3). 267.

Nebe, K., Waldenburger, N. (2014): Forschungsbericht „Budget für Arbeit“ im Auftrag desIntegrationsamtes des Landschaftsverbandes Rheinland.

228

Nebe, K. (2014): Vorbem. zu §§ 112–129 SGB III. In: Gagel (Hrsg.): Kommentar zu SGB II/SGB III.

Rohde, K.-P. (2014): Budget für Arbeit, in: Recht und Praxis der Rehabilitation, 1 (2). 19.Deusch, B. (2014): Sozialgesetzbuch IX. Kommentierung zu § 33 ff., 4. Aufl.

Eingliederungshilfe für seelisch, körperlich und geistig behinderte Kinder und Jugendliche: Aktuelle Probleme eines alten Zuständigkeitsdilemmas

Schimank, C.

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Hintergrund

Das SGB IX bildet den Rahmen für die Leistungen der Rehabilitation und Teilhabe behin-derter Menschen, wobei zwischen verschiedenen Gruppen von Teilhabeleistungen unter-schieden wird (§ 5 SGB IX). Dem SGB IX kommt dabei die Funktion zu, die benannten Leis-tungen zu koordinieren, eigenständige Anspruchsgrundlagen enthält es jedoch nicht. DieLeistungen gewähren die Rehabilitationsträger (§ 6 SGB IX), deren Zuständigkeit sich ausder Zielrichtung der beanspruchten Leistung ergibt. Die Abgrenzung erfolgt dabei nicht im-mer eindeutig.

Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen SGB VIII und SGB XII

Besondere Schwierigkeiten zeigen sich bei Teilhabeleistungen für Kinder und Jugendlichenach dem SGB VIII und dem SGB XII. Neben schwierigen Zuständigkeitsabgrenzungen, dieaus den verschiedenen Zielrichtungen der einzelnen Sozialgesetzbücher resultieren,kommt es zu Abgrenzungsproblemen zwischen den Sozialhilfeträgern und den Trägern deröffentlichen Jugendhilfe, die sich aus einer zusätzlichen Differenzierung hinsichtlich der Be-hinderungsart ergeben (Schumacher, 2013). Den einschlägigen Vorschriften zufolge er-bringt der Sozialhilfeträger Eingliederungsleistungen für Kinder und Jugendliche mit geisti-gen und körperlichen Behinderungen. Für Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinde-rungen hingegen ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zuständig.

Abgrenzungsprobleme entstehen, wenn beide Träger identische (Eingliederungs-)Hilfenvorsehen und eine Mehrfachbehinderung vorliegt oder eine eindeutige Zuordnung zu einerder benannten Behinderungsarten nicht möglich ist (Banafsche, 2011, 117). Eine theoreti-sche Lösung liefert hier die Kollisionsnorm des § 10 Abs. 4 SGB VIII zusammen mit derRechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 23.09.1999, Az.: 5 C26/98). Diese führt im Ergebnis dazu, dass in den benannten Fällen die Sozialhilfe vorrangigzuständig wird.

Diskussion und Ausblick

In der Praxis bewirkt die Komplexität der beschriebenen Regelungen jedoch verschiedeneUmsetzungsprobleme. Neben den Zuständigkeitsfragen seitens der Leistungsträger sinddie einzelnen Vorschriften für die Leistungsempfänger nur schwer zugänglich und nachvoll-ziehbar. Hinzu treten Unterschiede in der Umsetzung: diese äußern sich einerseits in einerBenachteiligung für körperlich und geistig behinderte Kinder und Jugendliche aufgrund der

229

strengeren Anspruchsvoraussetzungen, die an die Gewährung der Eingliederungshilfeleis-tungen im SGB XII gestellt werden (Wesentlichkeitskriterium, Erfolgskriterium). Anderer-seits bewirken Unterschiede in der Kostenbeteiligung Nachteile für Familien seelisch behin-derter Kinder (Wiesner, 2012, 260).

Letztlich sieht das SGB IX zwar verschiedene Regelungen vor, die die Leistungsträger zurKooperation verpflichten (§ 10 ff. SGB IX) und somit zur Lösung von Zuständigkeitskonflik-ten beitragen sollen (Münder et al., 2013, S. 176–179 Rn. 49–60). Die praktische Nutzungdieser ist derzeit jedoch noch unzureichend. Zudem können die Vorschriften Probleme, ver-ursacht beispielsweise durch unterschiedliche Anspruchsvoraussetzungen, nicht auflösen.

In diesem Zusammenhang und vor allem mit Blick auf die UN-Behindertenrechtskonventionneu entfacht wird die Diskussion um eine sogenannte „Große Lösung“ geführt mit dem Zieleiner Gesamtzuständigkeit der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe (Wiesner, 2012).

Literatur

Banafsche, M. (2011): Kinder und Jugendliche mit Behinderung zwischen SGB VIII undSGB XII – Im Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention. ZKJ 4. 116-123.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23.09.1999, Az.: 5 C 26/98.Münder, J., Meysen, T., Trenczek, T. (Hrsg.) (2013): Frankfurter Kommentar SGB VIII. Kin-

der- und Jugendhilfe, Baden-Baden: Nomos, 4. Aufl.Schumacher, N. (2013): Soziale Leistungen für Kinder mit Behinderung im Fadenkreuz zwi-

schen Jugend- und Sozialhilfe. Forum A, Beitrag A25-2013 unter www.reha-recht.de;25.11.2013.

Wiesner, R. (2012): Von der Integration zur Inklusion: Die >>große Lösung<< - eine Jugend-hilfe für alle Kinder und Jugendlichen. Jugendhilfe 5. 257-264.

230

Bewegungstherapie

Bewegungstherapeutische Versorgung in der medizinischen Rehabilitation der Rentenversicherung – Vergleich der Jahre 2007 und 2012

Brüggemann, S., Sewöster, D.

Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund und Zielsetzung

Bewegungstherapie, also Verfahren, die körperliche Bewegung als Therapieagens einset-zen, beeinflusst die funktionale Gesundheit über alle ICF-Komponenten positiv. Somit ist esnur konsequent, dass bewegungstherapeutische Leistungen sowohl von der Anzahl alsauch von der Dauer her in der Rehabilitation der Rentenversicherung einen hohen Stellen-wert haben. So lag die durchschnittliche Dauer der Bewegungstherapie bereits 2007 bei9,4 Stunden pro Woche und Rehabilitand mit bewegungstherapeutischen Leistungen bei ei-nem zeitlichen Anteil an allen Leistungen zwischen 40,4 % (Dermatologie) und 75,4 % (On-kologie) (Brüggemann, Sewöster 2009; 2010). Ziel der hier vorgestellten Studie ist es, diequantitative Bedeutung der Bewegungstherapie in der Rehabilitation der Rentenversiche-rung auf der Basis der von der Deutschen Rentenversicherung routinemäßig erhobenenLeistungsdaten darzustellen und Veränderungen gegenüber dem Stand vor 6 Jahren zu er-kennen.

Methoden

Routinemäßig werden in den Reha-Entlassungsberichten alle Behandlungen während einermedizinischen Rehabilitation dokumentiert. Hierzu wird die Klassifikation TherapeutischerLeistungen (KTL, DRV 2007) eingesetzt. Nach KTL können bewegungstherapeutische Leis-tungen dokumentiert werden als Sport- und Bewegungstherapie (Kapitel A), Physiotherapie(Kapitel B) und Rekreationstherapie (Kapitel L, ohne Kommunikation/Interaktion).

Für die zentralen Indikationen der Rehabilitation wurden die KTL-Daten deskriptiv analy-siert. Erfasst wurden insbesondere Anteil und Dauer von Sport- und Bewegungstherapie,Physiotherapie und Rekreationstherapie sowie deren Verteilung. Um Indikationen mit unter-schiedlicher Verweildauer vergleichbar zu machen, ist die Bezugsgröße für die Reha-Dauerdie Woche.

Ergebnisse

Datengrundlage sind 79.416.903 therapeutische Leistungen aus 684.741 Entlassungsbe-richten in 8 Indikationen (Pneumologie und Dermatologie wurden gemeinsam ausgewertet).

Der Anteil der Rehabilitanden mit Leistungen aus den verschiedenen bewegungstherapeu-tischen Kapiteln hat sich gegenüber der letzten Untersuchung deutlich geändert. Die Ände-rungen der Spannen zwischen 2007 und 2012 sind in Tab. 1 dargestellt.

231

Tab. 1: Range zwischen Indikationen mit den wenigsten und den meisten bewegungstherapeutischenLeistungen 2007 und 2012

Über alle Indikationen konnten 30.358.919 Leistungen (38,2 %) der Bewegungstherapie(Sport- und Bewegungstherapie, Physiotherapie oder Rekreationstherapie) zugeordnetwerden. Die durchschnittliche Dauer der Bewegungstherapie liegt bei 12,1 Stunden pro Wo-che und Rehabilitand mit bewegungstherapeutischen Leistungen.

Die Verteilung der Dauer der Bewegungstherapie auf die verschiedenen Indikationen istTab. 2 zu entnehmen.

Tab. 2: Dauer der einzelnen Bestandteile der Bewegungstherapie pro Rehabilitand mit Leistungen proWoche in Stunden und ihr Verhältnis zu allen therapeutischen Leistungen

Weiterhin unterscheidet sich die Verteilung der Bewegungstherapie zwischen Sport- undBewegungstherapie, Physiotherapie und Rekreationstherapie in den verschiedenen Indika-tionen. Die Verteilung im Jahr 2012 ist in Abb. 1 dargestellt.

Range 2007 Range 2012

min. max. min. max.

Bewegungstherapie 82 %Onkologie

98 %Kardiologie

91 %Onkologie

99 %Kardiologie &

Psychosomatik

Physiotherapie 62 %Kardiologie

98 %Orthopädie

64 %Kardiologie

98 %Orthopädie

RekreationstherapieSport

20 %Neurologie

49 %Pneumologie/Dermatologie

22 %Neurologie

44 %Psychosomatik

Sport- und Bewegungs-

therapie

Physio-therapie

Rekreations-therapie

Bewegungs-therapie gesamt

alle Leis-tungen

Anteil an allen Leis-

tungen

Gastroenterologie 5,5 3,5 2,6 11,6 17,7 65,5 %

Kardiologie 7,5 2,9 2,0 12,4 16,8 73,8 %

Neurologie 5,6 4,2 1,7 11,5 15,9 72,3 %

Onkologie 4,7 4,4 4,0 13,1 17,1 76,6 %

Orthopädie 6,4 4,7 2,6 13,7 18,5 74,1 %

Pneumologie/Dermatologie

6,3 4,0 2,2 12,5 17,8 70,2 %

Psychosomatik 6,2 2,2 1,8 10,2 18,9 54,0 %

Durchschnitt alle Indikationen 6,0 3,7 2,4 12,1 17,5 69,5 %

232

Abb. 1: Anteile von Sport- und Bewegungstherapie, Physiotherapie und Rekreationstherapie an derGesamtdauer bewegungstherapeutischer Maßnahmen, 2012

Diskussion und Schlussfolgerung

Die erhobenen Daten zeigen, dass der bereits hohe Stellenwert bewegungstherapeutischerLeistungen sowohl von der Anzahl als auch von der Dauer her in der Rehabilitation der Ren-tenversicherung in den betrachteten 6 Jahren weiter zugenommen hat. Es ist zu vermuten,dass diese Zunahme im Zusammenhang mit der fortschreitenden Etablierung der Reha-Therapiestandards der Deutschen Rentenversicherung steht.

Wie auch in der ersten Untersuchung zeigen unterschiedliche Gesamtdauer, relative Dauer imVerhältnis zu anderen Therapieverfahren, Anteil von Einzeltherapie und Art der Bewegungs-therapie unterschiedliche therapeutische Ansätze, die sich aus den verschiedenen Indikati-onen gut begründen lassen. Die Ergebnisse sprechen für eine sinnhafte, indikations- undkrankheitsspezifisch ausgestaltete Zusammenstellung der Inhalte der Bewegungstherapie.

Um allerdings die Qualität in der Bewegungstherapie einschließlich korrekter Indikations-stellung, konkreter Inhalte, Organisationsformen und Auswahl angewandter Methoden wäh-rend einer Rehabilitation grundsätzlich beurteilen zu können, sind weitere Studien notwen-dig (AG Bewegungstherapie, 2009).

Literatur

Arbeitsgruppe „Bewegungstherapie“ in der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswis-senschaften (DGRW) (2009): Ziele und Aufgaben der Arbeitsgruppe „Bewegungsthera-pie“ in der DGRW. Die Rehabilitation, 48. 252-255.

Brüggemann, S., Sewöster D. (2010): Bewegungstherapeutische Versorgung in der medizi-nischen Rehabilitation der Rentenversicherung. DRV-Schriften, Bd. 88. 378-380.

Brüggemann, S., Sewöster D. (2010): Bewegungstherapeutische Versorgung in der medizi-nischen Rehabilitation der Rentenversicherung. Bewegungstherapie & Gesundheits-sport, 26 (6). 266-269.

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Gastroenterologie

Kardiologie

Neurologie

Onkologie

Orthopädie

Pneumologie/Dermatologie

Psychosomatik

Alle

Sport- und Bewegungstherapie Physiotherapie Rekreationstherapie

233

Deutsche Rentenversicherung (Hrsg.) (2007): KTL Klassifikation therapeutischer Leistun-gen in der medizinischen Rehabilitation. 5. Aufl., Berlin.

Implizite Einstellungen zur körperlichen Aktivität bei Rehabilitandenmit chronischen Rückenschmerzen

Schuler, M. (1), Blümke, M. (2), Meng, K. (1), Faller, H. (1)

(1) Abteilung für Medizinische Psychologie, Medizinische Soziologie und Rehabilitations-wissenschaften, Universität Würzburg, (2) Psychologisches Institut, Universität Heidelberg

Hintergrund und Fragestellung

Die Initiierung und Aufrechterhaltung regelmäßiger körperlicher Aktivität ist ein zentralesTherapieziel in der Rehabilitation chronischer Rückenschmerzen. Vielen Rehabilitandenfällt es jedoch schwer, regelmäßige körperliche Aktivität im Alltag aufrechtzuerhalten (z. B.Reuter et al., 2009). Explizit geäußerte Intentionen zu gesundheitsbewusstem Verhalten amEnde der medizinischen Rehabilitation sagen nur schwach tatsächliches Gesundheitsver-halten vorher („Intentions-Verhaltenslücke“) (Webb, Sheeran, 2006). Nach sog. „Dual-Pro-cess“-Modellen wird Verhalten jedoch nicht nur von expliziten Einstellungen und bewusstenIntentionen bestimmt, sondern auch durch implizite Einstellungen, die spontanen und ehernichtbewussten Affekt repräsentieren (Sheeran et al., 2013). Sie werden über objektive Re-aktionszeiten erfasst, gelten als relativ unabhängig von expliziten Einstellungen und sagenregelmäßig Verhalten vorher, das der reflexiven Kontrolle nur unvollständig unterliegt. Frü-here Forschung an der Allgemeinbevölkerung (Bluemke et al., 2010) zeigte bereits, dass im-plizite Einstellungen zu körperlicher Aktivität zwischen gesunden Personen, die viel Sporttreiben, und solchen, die nur wenig Sport treiben, differenzieren. Die bisherige Forschungund Interventionsentwicklung in der medizinischen Rehabilitation bezieht sich ausschließ-lich auf intentionales Verhalten bzw. motivationale und volitionale Verhaltensdeterminanten(z. B. Schwarzer et al., 2008).

In der vorliegenden Studie wird geprüft, ob der Single-Target Implicit Associaton Test(ST-IAT) zur Messung impliziter Einstellungen zu körperlicher Aktivität bei Rehabilitandenmit chronischen Rückenschmerzen geeignet ist. Es werden die folgenden Fragestellungengeprüft: Weisen mit dem ST-IAT erfasste implizite Einstellungen zur körperlichen Aktivitätsignifikante Zusammenhänge mit tatsächlicher körperlicher Aktivität auf? Bleiben diese Zu-sammenhänge bestehen, wenn gleichzeitig explizite Einstellungen zur Vorhersage der kör-perlichen Aktivität beachtet werden?

Methode

Querschnitterhebung bei Rehabilitanden mit chronischen Rückenschmerzen in 2 Koopera-tionskliniken. Zu Beginn der Rehabilitation wird ein ST-IAT bearbeitet. Im Anschluss werdenmittels Fragebogen die körperliche Aktivität (Freiburger Fragebogen zur körperlichen Aktivi-tät), explizite Einstellungen zur körperlichen Aktivität und weitere mögliche Moderatorvaria-blen (HAPA-Skalen) erfasst. Die Zusammenhänge werden mittels Korrelations- und Re-gressionsanalysen berechnet.

234

Ergebnisse

Es konnten n=89 Patienten mit chronischen Rückenschmerzen in die Studie eingeschlos-sen werden. Es fanden sich signifikante Zusammenhänge in erwarteter Höhe zwischenST-IAT-Messungen und Freizeit-, Sport- und Gesamtaktivität (0,23<r<0,26). Auch bei Kon-trolle um explizite Einstellungen bleiben Zusammenhänge zwischen impliziten Einstellun-gen und körperlicher Aktivität signifikant (p=0,048).

Diskussion

Es konnte unseres Wissens erstmals gezeigt werden, dass implizite Einstellungen zur körper-lichen Aktivität bei Rehabilitanden mit chronischen Rückenschmerzen mittels eines ST-IAT er-fasst werden können. Implizite Einstellungen zur körperlichen Aktivität scheinen einen vonexpliziten Einstellungen unabhängigen Beitrag zur Vorhersage von körperlicher Aktivität zuleisten und könnten ein fehlendes Bindeglied sein, um die Intentionsverhaltenslücke zuschließen. In weiteren Auswertungen sollen theoretische und empirische Beziehungen zuweiteren motivationalen und volitionalen Verhaltensdeterminanten (z. B. HAPA-Skalen[Schwarzer et al., 2008]) untersucht werden. Implizite Einstellungen kommen als weitereproximale Erfolgskriterien in der Reha in Betracht. Hieraus ergeben sich Ansatzpunkte fürdie Entwicklung innovativer kognitiver Interventionen (Sheeran et al., 2013) zur Modifikationimpliziter Einstellungen mit dem Ziel, körperliche Aktivität nachhaltiger zu verankern.

Förderung: Netzwerk Rehabilitationsforschung in Bayern e. V.

Literatur

Bluemke, M., Brand, R., Schweizer, G., Kahlert, D. (2010): Exercise might be good for me,but I don’t feel good about it: Do automatic associations predict exercise behavior? Jour-nal of Sport and Exercise Psychology, 32. 137-153.

Reuter, T., Ziegelmann, J.P., Lippke, S., Schwarzer, R. (2009): Long-term relations betweenintentions, planning and exercise: A 3-year longitudinal study after orthopedic rehabilita-tion. Rehabilitation Psychology, 54. 363-371.

Schwarzer, R., Luszczynska, A., Ziegelmann, J., Scholz, U., Lippke, S. (2008): Social-co-gnitive predictors of physical exercise adherence: Three longitudinal studies in rehabilita-tion. Health Psychology, 27. 54-63.

Sheeran, P., Gollwitzer, P.M., Bargh, J.A. (2013): Nonconscious processes and health.Health Psychology, 32. 460-473.

Webb, T.L., Sheeran, P. (2006): Does changing behavioral intentions engender behaviorchange? A meta-analysis of the experimental evidence. Psychological Bulletin, 132. 249-268.

235

Effektivität einer Multikomponenten-Intervention auf die körperliche Freizeitaktivität bei chronischen Rückenschmerzpatienten:

6-Monats-Follow-up einer randomisierten kontrollierten Studie

Schaller, A. (1), Dejonghe, L. (1), Kavelaars, B. (2), Froböse, I. (1)

(1) Institut für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation, Deutsche Sporthochschule Köln, (2) Aggertalklinik, Engelskirchen

Hintergrund

Die Hinführung zu einem körperlich aktiven Lebensstil ist ein übergeordnetes Ziel der Bewe-gungstherapie (Pfeifer at al., 2010). Da es vielen Rehabilitanden allerdings nicht gelingt, be-wegungsbezogene Ziele langfristig umzusetzen, benötigen Patienten sowohl bei der Formu-lierung als auch bei der Realisierung von körperlicher Aktivität gezielte Unterstützung (Decket al., 2009). Nach wie vor ist die Entwicklung von zielgruppenspezifischen Konzepten zurnachhaltigen Förderung körperlicher Aktivität und deren Wirksamkeitsevaluation ein rele-vantes Forschungsthema.

Im Rahmen eines Forschungsprojektes wurde eine Multikomponenten-Intervention (Bewe-gungscoaching) zur nachhaltigen Förderung körperlicher Aktivität in die stationäre Rehabilita-tion implementiert. In der vorliegenden Auswertung wird die Effektivität von Bewegungscoa-ching im Vergleich zu einer Kontrollgruppe sechs Monate nach der Rehabilitation evaluiert.

Methodik

Die Wirksamkeit von Bewegungscoaching wurde mit einer monozentrischen randomisiert kon-trollierten Studie mit 3 Messzeitpunkten überprüft (T1 = Beginn der stationären Rehabilitation,T2 = 6-Monats-Follow-up, T3 = 12-Monats-Follow-up) (DRKS-ID: DRKS00003360). PrimäreZielgröße der vorliegenden Evaluation war körperliche Freizeitaktivität, welche mit dem„Global Physical Activity Questionnaire“ (GPAQ) (Armstrong, Bull, 2006) erfasst wurde. Dievorliegende Auswertung beschränkt sich auf die Per-protocol-Analyse des Gruppenunter-schiedes in der körperlichen Freizeitaktivität im 6-Monats-Follow-up (T2). Die Interventions-gruppe (IG) erhielt ein Bewegungscoaching bestehend aus einer Kleingruppeninterventionwährend der stationären Rehabilitation kombiniert mit telefonischer und internetbasierterNachsorge. Die Kontrollintervention (KG) bestand aus 2 Vorträgen zur körperlichen Aktivitätwährend der stationären Rehabilitation, welche zudem poststationär zum Download bereitstanden.

Die Stichprobe umfasste 412 Rückenschmerzpatienten im stationären Heilverfahren(IG=201; KG=211). Gruppenunterschiede wurden mittels Mann-Whithney-U-Test bzw.Chi2-Test geprüft. Ausschlusskriterien waren kognitive Einschränkungen, unzureichendeDeutschkenntnisse, operative Eingriffe in den letzten 3 Monaten vor der Rehabilitation undposttraumatische Zustände (z. B. Reha als Unfallfolge).

Ergebnisse

Die Rücklaufquote zu T2 lag bei 47 %, sodass 194 komplette Datensätze (IG: 94; KG: 100)zur Auswertung zur Verfügung standen. Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede inAlter (p=0,06), BMI (p=0,24), Geschlecht (p=0,13) und Gruppenzugehörigkeit (p=0,77) zwi-schen Respondern und Non-Respondern.

236

Bezogen auf die ausgewertete Längsschnittstichprobe waren 126 Teilnehmer Männer(66 %), das Durchschnittsalter lag bei 51,4 Jahren (±7,3), der mittlere BMI bei 28,8 (±5,0)und 106 Teilnehmer (55 %) gaben Volks-/Hauptschule als höchsten Schulabschluss an. IGund KG zeigten keine signifikanten Unterschiede in Geschlecht (p=0,17), Alter (p=0,22),BMI (p=0,05) und Schulabschluss (p=0,52).

6 Monate poststationär zeigte sich bezüglich der Gesamt-Freizeitaktivität im Gruppenver-gleich nur ein marginaler und nicht signifikanter Effekt zugunsten der Interventionsgruppe(IG: median = 270 MET-min/Woche; KG: median = 180 MET-min/Woche; p=0,21). In derFreizeit erreichten 33 Patienten der IG (37 %) und 26 Patienten der KG (27 %) die WHO-Empfehlungen von mindestens 600 MET-min/Woche. Auch hierbei zeigte sich kein signifi-kanter Gruppenunterschied (p=0,27).

Diskussion und Ausblick

Hinsichtlich der Förderung von körperlicher Freizeitaktivität ist zum Zeitpunkt sechs Monatepoststationär keine Überlegenheit der Multikomponenten-Intervention Bewegungscoachingim Vergleich zur niedrigintensiven Kontrollintervention nachweisbar. Die Ergebnisse zur Ef-fektivität von Bewegungscoaching im 1-Jahres-Follow-up liegen ab Mai 2015 vor. Im nächs-ten Schritt werden neben der Freizeitaktivität auch die Dimensionen der Transport- und Ar-beitsaktivität ausgewertet. Zudem sind adjustierte Auswertungen und Subgruppenanalysengeplant um zu erkennen, ob die Multikomponenten-Intervention für bestimmte Teilgruppenpositive Effekte hat und wie diese Teilgruppen gegebenenfalls beschrieben werden können.

Förderung: Rehabilitations-Forschungsnetzwerk der Deutschen Rentenversicherung Rhein-land (refonet)

LiteraturArmstrong, T., Bull, F. (2006): Development of the World Health Organization Global Physi-

cal Activity Questionnaire (GPAQ). J Public Health, 14/2. 66-70.Deck, R., Hüppe, A., Arlt, A.C. (2009): Optimierung der Rehabilitationsnachsorge durch eine

längerfristige Begleitung der Rehabilitanden – Ergebnisse einer Pilotstudie. Rehabilita-tion, 48/1. 39, 46.

Pfeifer, K., Sudeck, G., Brüggemann, S., Huber, G. (2010): DGRW-Update: Bewegungsthe-rapie in der medizinischen Rehabilitation – Wirkungen, Qualität, Perspektiven. Die Reha-bilitation, 49. 224-236.

237

Entwicklung einer Person-orientierten Bewegungstherapiein der medizinischen Rehabilitation

Sudeck, G. (1), Belizer, W. (1), Bosch, R. (2), Huber, G. (2)

(1) Institut für Sportwissenschaft, Eberhard Karls Universität Tübingen, (2) Institut für Sport und Sportwissenschaft, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg,

Hintergrund

Die Evidenzlage für positive Effekte körperlicher Aktivität in der Rehabilitation verschiedenerchronischer Erkrankungen ist mittlerweile immens. Vor diesem Hintergrund gehört die Be-wegungstherapie zu einer festen Säule innerhalb multidisziplinärer Rehabilitationsprogram-me. Der Bewegungstherapie in der medizinischen Rehabilitation gelingt es bisher jedochnicht zufriedenstellend, erfolgreich auf eine Bindung an körperlich-sportliche Aktivität im An-schluss an eine Reha-Maßnahme hinzuwirken (Pfeifer et al., 2010). Das Ziel des Beitragsbesteht in der Vorstellung einer stärker Person-orientierten Bewegungstherapie auf Basiseiner individuellen Diagnostik von personalen Merkmalen. Neben den körperlich-motori-schen Voraussetzungen, die aktuell viele Therapiekonzepte aufgrund ihrer Bedeutung fürdas körperliche Training dominieren, soll im Rahmen einer Person-orientierten Bewegungs-therapie ein breiteres Spektrum personaler Voraussetzungen in die Diagnostik einbezogenwerden und als Ausgangspunkt für eine stärker auf den individuellen Bedarf ausgerichteteBewegungstherapie genutzt werden.

Studiendesign und Methodik

In einer 1. Studienphase wurde eine Querschnitterhebung bei 1.075 Rehabilitandinnen undRehabilitanden zu Beginn einer Rehabilitationsmaßnahme in den Indikationsbereichen Kar-diologie, Orthopädie, Onkologie und Stoffwechselerkrankungen durchgeführt. Die Erhebun-gen erfolgten anhand eines Fragebogenverfahrens, das ein möglichst breites Spektrum per-sonaler Voraussetzungen abdecken sollte. Mit Orientierung an dem Modell einer bewe-gungsbezogenen Gesundheitskompetenz (Pfeifer et al., 2013) wurden personale Merkmaleaus den Bereichen motivational-volitionale Verhaltensdeterminanten, Motive und Ziele fürSportaktivitäten, Steuerungskompetenzen für gesundheitswirksame Bewegung, körperlich-motorischer Zustand, Sport- und Bewegungsaktivität, Gesundheit und Befinden sowie Er-wartungen an die Bewegungstherapie einbezogen.

Der 1. Analyseschritt der Studienphase 1 bezog sich auf die begründete Auswahl von per-sonalen Merkmalen, die ins Zentrum für die Differenzierung der Zielgruppe gestellt werdensollten (sog. segmentbildende Merkmale). Als relevante segmentbildende Merkmale wur-den auf Basis formal-statistischer Kriterien sowie inhaltlich-konzeptioneller Abwägungen fol-gende personale Voraussetzungen ausgewählt: sportbezogenes Motiv Gesundheit/Fitness,Planung sportlicher Aktivität, Selbstwirksamkeit für die Verhaltensumsetzung, affektive Ein-stellung gegenüber körperlicher Aktivität, wahrgenommene Barriere einer Unsicherheit inBezug auf Körper-Bewegung sowie der motorische Funktionszustand. Als 2. Analyseschrittder Studienphase 1 erfolgte eine indikationsspezifische Differenzierung der Reha-Zielgrup-pe auf Basis clusteranalytischer Auswertungen.

238

In der Studienphase 2 wurden die identifizierten Segmente zum einen im Rahmen einer Fo-kusgruppe mit 6 Bewegungstherapeutinnen und Bewegungstherapeuten hinterfragt und inihren Konsequenzen für eine Person-orientierte Bewegungstherapie reflektiert. Zum ande-ren wurden die diagnostischen Verfahren und Segmente der Reha-Zielgruppe durch einekommunikative Validierung im Rahmen qualitativer Interviews mit 62 Rehabilitandinnen undRehabilitanden geprüft.

Ergebnisse

In die Datenauswertungen der Studienphase 1 konnten Informationen von 1.028 Rehabili-tandinnen und Rehabilitanden (MAlter = 53,8 Jahre, SDAlter = 9,2 Jahre; 44 % Frauen) aus den4 Indikationsbereichen eingeschlossen werden. Mittels Clusteranalysen ließen sich für dieeinzelnen Indikationen zwischen 5 und 7 Segmente aus Rehabilitandinnen und Rehabilitan-den mit ähnlichen personalen Voraussetzungen identifizieren und voneinander abgrenzen.Unterschiedliche Kriterien für die Güte von Clusteranalysen, wiesen auf eine gute Homoge-nität innerhalb der einzelnen Cluster hin und zeigten eine zufriedenstellende bis gute Ab-grenzbarkeit der Cluster untereinander. Die Stabilität der Cluster unter Anwendung unter-schiedliche Clusteranalyse-Verfahren war als gut zu bezeichnen (Kappa = .70−.82).

Diskussion und Konsequenzen für die Rehabilitationspraxis

Die Differenzierung verdeutlicht mögliche Ansatzpunkte für einen unterschiedlichen Versor-gungsbedarf im Rahmen einer biopsychosozialen Gestaltung der Bewegungstherapie undder Hinführung zu körperlich-sportlichen Aktivitäten. Hierfür gaben die qualitativen Studien-teile eine Bekräftigung für die Verständlichkeit und die Relevanz des Ansatzes einer Person-orientierten Bewegungstherapie. Als wichtige Voraussetzung für die Umsetzbarkeit wurdeim Rahmen des Projekts ein computergestütztes diagnostisches Verfahren für die persona-len Merkmale und die individuelle Segmentzuordnung erstellt.

Die vollzogenen Entwicklungsschritte für eine Person-orientierte Bewegungstherapie er-möglichen eine individuelle Bedarfsfeststellung auf Basis personaler Voraussetzungen inErgänzung zu bestehenden Diagnosemöglichkeiten und bieten eine substanzielle Ergän-zung für eine Patienten-orientierte Planung von Bewegungstherapie.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

Literatur

Pfeifer, K., Sudeck, G., Brüggemann, S., Huber, G. (2010): Bewegungstherapie in der me-dizinischen Rehabilitation – Wirkungen, Qualität und Perspektiven. Die Rehabilitation, 49.224-236.

Pfeifer, K., Sudeck, G., Geidl, W.,Tallner, A. (2013): Bewegungsförderung und Sport in derNeurologie-Kompetenzorientierung und Nachhaltigkeit. Neurologie & Rehabilitation, 19 (1).7-19.

239

Psycho- in der Physiotherapie? Machbarkeit psychosozialer Therapiebausteine zur Therapiemotivation

und Körperwahrnehmung in der Bewegungstherapie

Ott, I. (1), Hasenbring, M. (2), Kellmann, M. (2), Levenig, C. (2), Mierswa, T. (2), Kleinert, J. (1)

(1) Deutsche Sporthochschule Köln, (2) Ruhr-Universität Bochum

Hintergrund

Die eng verknüpften Bereiche der Therapiemotivation und Körperwahrnehmung spielen inder bewegungstherapeutischen Behandlung von Patienten mit nichtspezifischen Rücken-schmerzen (PnsR) eine wichtige Rolle, da sie u. a. mit der Compliance der Patienten undTherapieoutcomes (z. B. Schmerzintensität) zusammenhängen (Lotze, Moseley, 2007;Vong et al., 2011). Bisher mangelt es jedoch an psychosozialen Therapiebausteinen, die dieTherapeuten einfach und effektiv in der Bewegungstherapie einsetzen können. Denn Stu-dien, die positive Auswirkungen von Maßnahmen zur Therapiemotivation und zur Körper-wahrnehmung beschreiben (Vong et al., 2011; Mehling et al., 2011), überprüften diese kaumim Praxisalltag.

Deshalb war es das Ziel, die Machbarkeit psychosozialer Therapiebausteine zur Internali-sierung der Therapiemotivation und zur Verbesserung der Körperwahrnehmung im Praxis-alltag bei der bewegungstherapeutischen Behandlung von PnsR zu untersuchen.

Methode

An der Machbarkeitsstudie nahmen 12 praktizierende Physio- oder Sporttherapeuten teil(9 männlich, 3 weiblich; Alter: M = 31,0 Jahre, SD=7,4; Berufserfahrung: M = 7,3 Jahre,SD=8,0). Im Zeitraum von April bis Juli 2014 behandelten sie zwischen 1 und 30 PnsR(M=11,6) in einem bewegungstherapeutischen Setting (z. B. Krankengymnastik), wobei sie10 vorgegebene psychosoziale Therapiebausteine zur Verinnerlichung der Therapiemotiva-tion und Verbesserung der Körperwahrnehmung anhand vorgegebener Kriterien (z. B. Um-setzbarkeit) nach einem Baukastenprinzip einsetzten. Diese bestanden aus aktiven Übun-gen, Visualisierungstechniken, Gesprächsleitfäden und Arbeitsblättern. Abschließend wur-den die Parameter Therapeuten- und Patientenakzeptanz, Praktikabilität sowie die Absicht,die Therapiebausteine langfristig zu übernehmen in einem semistrukturiertem Interview er-hoben. Das transkribierte Interviewmaterial wurde nach den Vorgaben zur qualitativen In-haltsanalyse nach Mayring unter Verwendung der Software „MAXQDA 10“ ausgewertet.

Ergebnisse

Die Therapiebausteine waren für alle Therapeuten von hoher Relevanz und hohem Nutzen,wobei insbesondere der Verknüpfung der Bereiche Motivation und Körperwahrnehmung ei-ne hohe praktische Bedeutung zugemessen wurde. Die Akzeptanz seitens der Patientenbemaßen die Therapeuten an einem „großen Interesse“ und dem Gefühl der Patienten „alsGanzes behandelt“ zu werden. Therapiebausteine mit aktiven Übungen und Visualisie-rungstechniken waren praktikabler als solche, bei denen zusätzliches Material (z. B. Arbeits-blätter) eingesetzt wurde. Die Praktikabilität war dadurch eingeschränkt, dass teilweise dieBehandlungszeit nicht ausreichte, um die Therapiebausteine im Rahmen der normalen Be-

240

handlung durchzuführen. Die meisten Therapeuten beabsichtigen die Therapiebausteinezukünftig bei PnsR und anderen Patientengruppen einzusetzen.

Diskussion und Ausblick

Therapiebausteine zur Therapiemotivation und Körperwahrnehmung stellen aus Therapeu-tensicht wichtige Elemente der Bewegungstherapie bei PnsR dar. Um den Gegebenheitendes Praxisalltags gerecht zu werden, sollten die Therapiebausteine unter vermehrtem Ein-bezug der praktischen Anwendung von Gesprächstechniken und einem vielfältigeren Ange-bot an aktiven Übungen überarbeitet werden. Es ist geplant, diese in einer Effektivitätsstudieunter Einbezug der Patienten zu überprüfen.

Förderung: Bundesinstitut für Sportwissenschaft

Literatur

Lotze, M., Moseley, G.L. (2007): Role of Distorted Body Image in Pain. Curr RheumatolRep, 9, 6. 488-496.

Mehling, W.E., Wrubel, J., Daubenmier, J.J., Price, C.J., Kerr, C.E., Silow, T., Gopisetty, V.,Stewart, A.L. (2011): Body Awareness: a phenomenological inquiry into the commonground of mind-body therapies. Philos Ethics Humanit Med, 6, 1. 6.

Vong, S.K., Cheing, G.L., Chan, F., So, E.M., Chan, C.C. (2011): Motivational enhancementtherapy in addition to physical therapy improves motivational factors and treatment out-comes in people with low back pain: A randomized controlled trial. Arch Phys Med Reha-bil, 92, 2. 176-183.

241

Bewegungstherapie (Poster)

Teilnehmerstruktur und Akzeptanz einer Multikomponenten-Interventionzur nachhaltigen Förderung körperlicher Aktivität

bei chronischen Rückenschmerzpatienten

Schaller, A. (1), Grieben, C. (1), Froböse, I. (2)

(1) Institut für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation, Deutsche Sporthochschule Köln, (2) Zentrum für Gesundheit durch Sport und Bewegung,

Deutsche Sporthochschule Köln

Hintergrund

Auch in der stationären Rehabilitation bei chronischen Rückenschmerzen ist die nachhaltigeHinführung zu einem körperlich aktiven Lebensstil ein übergeordnetes bewegungstherapeu-tisches Rehabilitationsziel (Sudeck, Pfeifer, 2013). Vor diesem Hintergrund wurde im Rah-men eines Forschungsprojektes eine Multikomponenten-Intervention zur Förderung gesund-heitswirksamer körperlicher Aktivität entwickelt. Die Intervention kombiniert eine Kleingrup-penintervention während der stationären Rehabilitation sowie poststationär eine telefonischeund internetbasierte Nachsorge. Ziel der vorliegenden Auswertung ist die Evaluation der Teil-nehmerstruktur sowie der Akzeptanz der einzelnen Interventionskomponenten.

Methodik

Die Auswertung erfolgte im Rahmen des Forschungsprojektes Bewegungscoaching, in wel-chem die Effektivität der Multikomponenten-Intervention (Kleingruppenintervention, telefoni-sche und internetbasierte Nachsorge) im Vergleich zu einer Kontrollintervention evaluiertwird (DRKS00004878). Die Auswahlpopulation (n=931) beinhaltete Rückenschmerzpatien-ten zu Beginn eines stationären Heilverfahrens. Für die vorliegende Akzeptanzanalyse wur-den im 1. Schritt Anzahl, Geschlecht und Alter von Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern ver-glichen. Im 2. Schritt folgt die Beschreibung der Teilnehmerstruktur (n=412) und nachfol-gend die spezifische Akzeptanzanalyse der 3 verschiedenen Zugangswege (Patienten derInterventionsgruppe: n=201). Die Kleingruppenintervention wurde mit dem COHEP (Farin etal., 2013) ausgewertet und die telefonische bzw. internetbasierte Nachsorge mit nichtstan-dardisierten Fragen 6 Monate nach der stationären Rehabilitation.

Ergebnisse

Die Teilnahmequote lag bei 44 %, Teilnehmer (n=412) und Nicht-Teilnehmer (n=519) zeig-ten keinen signifikanten Geschlechtsunterschied (p=0,18). Teilnehmer waren allerdings si-gnifikant jünger (−1,1 Jahre; p=0,04). Die häufigsten genannten Gründe für Nichtteilnahmewaren Bedenken beim Datenschutz (n=99) und Sprachprobleme (n=91).

In der Stichprobe der Teilnehmerstruktur waren 286 Männer (69 %), das Durchschnittsalterbetrug 50,4 Jahre (±8,1) und der durchschnittliche BMI 29,3 (±5,6). 214 Teilnehmer (54 %)gaben „Hauptschulabschluss“ als höchsten Schulabschluss an und 343 (86 %) eine Rü-ckenschmerzdauer von über einem Jahr.

242

Die Rücklaufquote (Interventionsgruppe) lag bei 46 % (n=92). Die Mittelwerte der 4 Skalendes COHEP lagen zwischen 79 (±11) (Übertragbarkeit auf den Alltag) und 88 (±25) (Ange-messene Menge an Informationen). Das Telefoncoaching wurde insgesamt auf einer Skalavon 1 (sehr gut) bis 6 (sehr schlecht) mit 2,1 (±1,1) bewertet. 2 Teilnehmer bezeichneten dasTelefoncoaching als „lästig“ (2,2 %). 51 (60 %) gaben an „etwas“ bis „sehr“ vom Telefon-coaching profitiert zu haben. Bezüglich der Akzeptanz der Internetplattform gaben 34 Teil-nehmer (37 %) an, diese nach dem stationären Rehabilitationsaufenthalt genutzt zu haben.Für 24 Teilnehmer (29 %) war die Internetplattform bei der Planung und Durchführung kör-perlicher Aktivität „sehr hilfreich“ bzw. „hilfreich“. Die Verständlichkeit der Inhalte wurde von24 Teilnehmern (29 %) als „sehr gut“ bezeichnet.

Diskussion

Dass 44% der Auswahlpopulation das Bewegungscoaching, welches als freiwillige und zu-sätzlichen Gesundheitsleistung außerhalb der Therapiezeit durchgeführt wurde, in An-spruch genommen haben, kann als Hinweis auf die vorhandene patientenseitige Nachfragezum Thema Bewegungsförderung bei Rückenpatienten gewertet werden. Die Teilnehmer-struktur zeigt zudem, dass das Angebot eine relevante Zielgruppe erreicht und das Settingder stationären Rehabilitation somit Potential für einen niederschwelligen Zugangsweg zurBewegungsförderung bietet. Bezüglich der Akzeptanz der Zugangswege ist die Kleingrup-penintervention als gut bis sehr gut zu beurteilen. Die vergleichsweise geringen Nutzerzah-len der interaktiven Internetplattform stellen zur Diskussion, ob, und wenn ja in welcherForm, das Internet für diese Zielgruppe ein geeigneter Zugangsweg ist.

Ausblick

Die Förderung körperlicher Aktivität ist ein zunehmend wichtiges Thema in Public Healthund Versorgungsforschung (Krug et al., 2013) und das Erreichen der relevanten Zielgrup-pen eine große Herausforderung. Im Rahmen einer Subgruppenanalyse wird im nächstenSchritt der Akzeptanzanalyse untersucht, in wie weit sich Nutzer- und Nicht-Nutzer der ein-zelnen Nachsorgekomponenten Telefon und Internet unterscheiden, um darauf aufbauenddie Zielgruppenspezifizierung zu optimieren.

Förderung: Rehabilitations-Forschungsnetzwerk der Deutschen Rentenversicherung Rhein-land (refonet)

Literatur

Farin, E., Nagl, M., Ullrich, A. (2013): The comprehensibility of health education programs:Questionnaire development and results in patients with chronic musculoskeletal disea-ses. Pat Education Counseling, 90. 239-246.

Krug, S., Jordan, S., Mensink, G.B.M., Müters, S., Finger, J., Lampert, T. (2013): KörperlicheAktivität. Bundesgesundheitsbl., 56 (5-6). 765-771.

Sudeck, G., Pfeifer, K. (2013): Bewegung in der Rehabilitation – ICF-Bezug, Kompetenz-orientierung, Nachhaltigkeit. Public Health Forum, 79 (21). 14.e1-14.e4.

243

Neurologische Rehabilitation

Strukturen und Praxis der psychologischen Abteilungen in der neurologischen Rehabilitation nach Schlaganfall

Kampling, H., Reese, C., Mittag, O.

Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg

Hintergrund

Zielsetzung der neurologischen Rehabilitation ist es, die Funktionsfähigkeit und Teilhabevon Patienten mit neurologischen Schädigungen bestmöglich wiederherzustellen. Dies er-fordert die enge Zusammenarbeit eines interdisziplinären Teams, das die vielfältigen, kom-plexen Problemlagen nicht getrennt, sondern ineinandergreifend behandelt (Frommelt,Lösslein, 2010). Therapeutische Schwerpunkte sind vor allem (neuro-)psychologische Inter-ventionen. Hier spielen besonders kognitive Beeinträchtigungen eine zentrale Rolle. Die be-stehenden Leitlinien und Therapiestandards sind jedoch mitunter zu wenig detailliert, um ei-ne Orientierungshilfe bei der konkreten Planung und Umsetzung (neuro-)psychologischenHandelns im Einzelfall darstellen zu können. Ziel des Projektes ist daher die Entwicklungvon Praxisempfehlungen für psychologische Interventionen in der Rehabilitation von Patien-ten mit Schlaganfall1. Die Erarbeitung dieser Empfehlungen erfordert Aussagen über die be-stehende Praxis und die Strukturen im psychologischen Bereich der neurologischen Reha-bilitation. Die vorliegende Untersuchung stellt eine detaillierte Erhebung der derzeitigenStrukturqualität und Praxis der psychologischen Abteilungen in neurologischen Rehabilita-tionseinrichtungen dar.

Methodik

Bundesweit wurden alle psychologischen Abteilungen aller neurologischen Rehabilitations-einrichtungen hinsichtlich Strukturqualität und Behandlungspraxis befragt. Es erfolgte eineErhebung folgender Themenbereiche: (1) Allgemeine Angaben zur Einrichtung (u. a. Träger,Behandlung nach neurologischen Phasen, Bettenanzahl, Stellensituation); (2) Problemla-gen; (3) Screening/Diagnostik; (4) Indikationsstellung; (5) Psychologische Einzel- und Grup-peninterventionen; (6) Spezifische Angebote; (7) Weiterbildungsangebote für die psycholo-gische Abteilung/Supervision/Intervision; (8) Interdisziplinäre Fallbesprechungen; (9) Auftei-lung der Arbeitszeit; (10) Patientenpfade/Therapiekonzepte; (11) Psychologischer Bericht/Beitrag zur sozialmedizinischen Beurteilung; (12) Veränderungswünsche; (13) StrukturelleVoraussetzungen (‚Persönliche Meinung‘).

Ergebnisse

Die Rücklaufquote beträgt 40,5 % (n= 75 Einrichtungen). Es werden überwiegend Rehabi-litanden der Phasen D und C behandelt. Das durchschnittliche Stellenverhältnis liegt bei

1 Die Untersuchung erfolgte im Rahmen des Projektes „Psychologische Interventionen in der Rehabilitation von PatientInnen mit Typ-2-Diabetes, onkologischen Erkrankungen (Mamma-, Prostata- und Kolonkarzinom) oder Schlaganfall: Systematische Entwicklung vonPraxisempfehlungen“

244

3,27 Psychologen auf 100 neurologische Rehabilitanden, wobei sich große Unterschiedezwischen den Einrichtungen finden lassen (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Stellenverhältnis – Anzahl Psychologenstellen auf 100 Rehabilitanden

B.-Sc.-Absolventen (höchster Abschluss) machen unter 1 % der Psychologen aus. Etwa29 % der Psychologen verfügen über eine Approbation als Psychologischer Psychothera-peut. In 82 % der Einrichtungen findet sich mindestens 1 Psychologe mit Weiterbildung zumKlinischen Neuropsychologen. Bei Rehabilitanden nach Schlaganfall dominieren komorbidepsychische Störungen wie Depression, Anpassungs- und Angststörungen sowie Akute Be-lastungsreaktionen. Als psychologisch relevante Problemlagen treten Störungen der Auf-merksamkeitsleistung und der Gedächtnisfunktionen sowie somatische Risikofaktoren amhäufigsten auf. Zur Identifikation relevanter Problemlagen führen 84 % der Einrichtungen einpsychologisches Screening und alle Einrichtungen eine vertiefende (neuro-)psychologischeDiagnostik durch (überwiegend PC-gestützte und praktische Testverfahren sowie freie Ex-ploration). Die Zuweisung zu psychologischen Interventionen erfolgt überwiegend durch dieaufnehmenden Ärzte, interdisziplinäre Teamentscheidungen und die Psychologen. Prozen-tual verwenden Psychologen die meiste Arbeitszeit auf Einzelinterventionen/Kognitives Trai-ning und Diagnostik/Indikationsstellung (siehe Abb. 2). Die in Klammern angegebenen Stan-dardabweichungen verdeutlichen die große Heterogenität zwischen einzelnen Einrichtun-gen.

0

1

2

3

4

5

6

7

8

Psy

chol

ogen

stel

len

auf 1

00 R

ehab

ilita

nden

Neurologische Einrichtungen

M=3,27

N=50 Keine Angabe: N=25 M: 3,27 SD: 1,30 Median: 3,06 Range: 0,94-6,81

245

Abb. 2: Prozentualer Anteil der wöchentlichen Arbeitszeit, die Psychologen für verschiedene Tätig-keitsfelder verwenden

Diskussion

Auffällig im Vergleich zu anderen somatischen Indikationsbereichen in der Rehabilitation(Mittag et al., 2012) ist das hohe Stellenverhältnis der Psychologen in der neurologischenRehabilitation. Mit durchschnittlich 3,27 Psychologen pro 100 Rehabilitanden entspricht derIst-Zustand allerdings trotzdem noch nicht den Anforderungen der DRV zur Strukturqualitätin Reha-Einrichtungen für Schlaganfall-Rehabilitanden der Phase D (DRV, 2014). Nach ih-rer persönlichen Einschätzung befragt, erachten 56 % der befragten Psychologen das vonder DRV geforderte Stellenverhältnis von 4 :100 als ausreichend, knapp 43 % jedoch als zugering. Während nur vereinzelte Einrichtungen Psychologen mit einem B.-Sc.-Abschlussbeschäftigen, vertreten über die Hälfte der befragten Psychologen die Ansicht, dass sichpsychologische Aufgaben für B.-Sc.-Absolventen finden lassen. Die Sonderstellung der neurolo-gischen Rehabilitation im Vergleich zu anderen Indikationen wird einmal mehr deutlich,wenn die Vielzahl von Problemlagen, der Fokus auf kognitiven Beeinträchtigungen sowieder verhältnismäßig hohe Zeitaufwand, der auf Diagnostik/Indikationsstellung verwendetwird, Beachtung finden.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

Einzel-interventionen/

Kognitives Training 28,8%

Diagnostik/ Indikations-

stellung 28,5%

Verwaltungs-tätigkeiten

15,3%

Besprechungen 8,0%

Entspannungs-training 4,7%

Problemorien-tierte Gruppen-interventionen/

Strukturierte Schulungs-programme

4,1%

Sonstiges 3,4%

Allgemeine Gruppen-

interventionen 3,0%

Angehörigen-gespräche

2,7%

Supervision / Intervisionen

2,5% Nachsorge 1,1%

246

Literatur

Deutsche Rentenversicherung (2014): Strukturqualität von Reha-Einrichtungen – Anforde-rungen der Deutschen Rentenversicherung (2. Aufl.). Deutsche Rentenversicherung:Berlin.

Frommelt, P., Lösslein, H. (2010): NeuroRehabilitation: Ein Praxisbuch für interdisziplinäreTeams (3. Aufl.). Berlin Heidelberg: Springer.

Mittag, O., Reese, C., Gülich, M., Jäckel, W.H. (2012): Strukturen und Praxis der Psycholo-gischen Abteilungen in der orthopädischen und kardiologischen Rehabilitation: Vergleichzwischen ambulanten und stationären Einrichtungen in Deutschland. Das Gesundheits-wesen, 74. 778-83.

Folgen von Fatigue bei Multiple Sklerose- und Schlaganfall-Patienten – Teilhabe und Vorhersage des beruflichen Status durch subjektive vs.

objektive Fatigue-Erhebungsweisen

Claros-Salinas, D. (1), Koch, E. (1), Dettmers, C. (1), Greitemann, G. (2),Schönberger, M. (3)

(1) Kliniken Schmieder Konstanz/Lurija Institut für Rehabilitationswissenschaften und Gesundheitsforschung an der Universität Konstanz, (2) Klinik Lengg, Zürich,(3) Universität Freiburg, Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie

Einleitung

Fatigue ist bei an MS erkrankten Menschen, aber auch bei Schlaganfall-Patienten ein häufi-ges Symptom, das, verstärkt durch unterschiedliche Belastungskonstellationen (Claros-Sali-nas et al., 2010, 2013), zu erheblichen Einschränkungen im Berufs- und Alltagsleben führt.

Anhand von Längsschnittdaten zu Teilhabe und Lebenszufriedenheit der Betroffenen 6 Mo-nate nach einem Rehabilitationsaufenthalt wurde geprüft, inwieweit subjektive vs. objektiveErhebungsweisen einer Fatigue-Symptomatik den beruflichen Status vorhersagen.

Methode

Zum Messzeitpunkt 1 wurden 153 MS- und Schlaganfall-Patienten während eines stationä-ren Rehabilitationsverfahrens konsekutiv hinsichtlich Fatigue (Fatigue Severity Scale, Fa-tigue-Skala für Motorik und Kognition), Tagesschläfrigkeit (ESS) und Depression (HADS-D),Alertness (TAP) und ihrer aktuellen subjektiven Leistungsfähigkeit (visuelle Analogskala)untersucht.

Sechs Monate nach Rehabilitationsende (Messzeitpunkt 2) wurden Teilhabeeinschränkun-gen mittels des Index zur Messung von Einschränkungen der Teilhabe – IMET (Deck et al.,2007), der berufliche Status und private wie berufliche Lebenszufriedenheit telefonischnachbefragt.

Ergebnisse

Von den zu beiden Messzeitpunkten erreichten 114 Patienten litten 60 an Multipler Sklerose(40 % männlich, mittleres Alter 44,8 Jahre, durchschnittliche Bildung 11,2 Jahre, 53,3 % ar-

247

beitsfähig bei Aufnahme, Zeit nach Erkrankungsbeginn 10,4 Jahre, bei 55 % schubförmiger,bei 11,1 % primär chronischer und bei 30 % sekundär chronischer Verlauf).

54 Patienten hatten einen Schlaganfall erlitten (63 % männlich, mittleres Alter 57 Jahre,durchschnittliche Bildung 10,6 Jahre, 3,7 % arbeitsfähig bei Aufnahme, durchschnittlicheZeit nach Ereignis 1,1 Jahre, 77,8 % Ischämie, 11,1 % intrazerebrale Blutung, 11,1 % Sub-arachnoidalblutung).

Die zum Messzeitpunkt 1 erhobenen Fatigue-Skalenwerte korrelierten signifikant mit den6 Monate später erhobenen Einschränkungen der Teilhabe, besonders im Bereich Berufund Arbeit. Während sich MS- und Schlaganfall hinsichtlich dieser beruflichen Teilhabe-Ein-schränkung nicht unterschieden, waren für IMET-Items wie Häusliche Verpflichtungen, Au-ßerhäusliche Erledigungen, Freizeit und Erholung und Stress überzufällige Gruppenunter-schiede zu beobachten. Die MS-Patienten gaben jeweils höhere Beeinträchtigungen ihrerPartizipation an.

Für die MS-Gruppe zeigte sich im Vergleich zu den Schlaganfall-PatientInnen eine stärkereFatigue-Ausprägung, dennoch ist die berufliche Partizipation der MS-Betroffenen höher.

Von den bei Rehabilitationsbeginn rund 53 % arbeitsfähigen MS-Patienten befanden sichzum Follow-up-Zeitpunkt die meisten im Arbeitsprozess (85 %), voll- (50 %) oder teilschich-tig (35%).

Die Mehrheit der Schlaganfall-Patienten war bei Rehabilitationsbeginn nicht arbeitsfähig(96 %). Von denjenigen Patienten, die über einen Arbeitsplatz verfügten (54%), waren zumFollow-up-Zeitpunkt immerhin 52 % beruflich reintegriert, die restlichen noch arbeitsunfähigund nur 3,4 % inzwischen verrentet worden.

Der höchste Anteil von Vollberentungen entfiel mit 33,3 % auf die Subgruppe der MS-Patienten, wobei die meisten dieser Patienten schon zu Rehabilitationsbeginn nicht mehrüber einen Arbeitsplatz verfügten.

Fatigue und Lebenszufriedenheit der Betroffenen korrelierten nur bedingt: kein Zusammen-hang ergab sich bei den MS-Patienten. Bei den Schlaganfall-Patienten hingegen zeigte sichFatigue als Prädiktor sowohl für private als auch berufliche Lebenszufriedenheit.

Für die Vorhersage beruflicher Teilhabe erwies sich die objektive Fatigue-Erhebung (Alert-ness-Reaktionszeitmessung) nur bei den Schlaganfall-Patienten als signifikant. Bei den MS-Patienten waren nur die subjektiven Fatigue-Skalenwerte (FSS und FSMC) prädiktiv für dieberufliche Teilhabe 6 Monate später.

Schlussfolgerung

Inwieweit Fatigue-Symptome berufliche Teilhabe vorhersagen, hing von der Erhebungswei-se ab: die Ergebnisse subjektiver Skalenverfahren erwiesen sich für die MS-Patienten alsprädiktiv, für die Schlaganfall-Patienten hingegen leisteten nur die Ergebnisse der objekti-ven Alertness-Messung die entsprechende Vorhersage. Allerdings zeigten sich die subjek-tiven Angaben zu Fatigue und Teilhabeeinschränkungen und die tatsächliche beruflicheTeilhabe derjenigen MS-Patienten, die über einen Arbeitsplatz verfügten, als diskrepant. ImEinzelfall ist daher eine Kombination subjektiver wie objektiver Fatigue-Erhebungsweisen

248

angezeigt – als Grundlage einer berufsorientierten Rehabilitation, die sich frühzeitig auf denErhalt des Arbeitsplatzes und Möglichkeiten der Fatigue-Kompensation und -Adaptationrichtet.

Literatur

Claros-Salinas, D., Bratzke, D., Greitemann, G., Nickisch, N., Ochs, L., Schröter, H. (2010):Fatigue-related diurnal variations of cognitive performance in multiple sclerosis and strokepatients. Journal of the Neurological Sciences, 295/1. 75-81.

Claros-Salinas, D., Dittmer, N., Neumann, M., Sehle, A., Spiteri, S., Willmes, K., Schoenfeld,M.A., Dettmers, C. (2013): Induction of cognitive fatigue in MS patients through cognitiveand physical load. Neuropsychological Rehabilitation, 23/2. 182-201.

Deck, R., Mittag, O., Hüppe, A., Muche-Borowski, C., Raspe, H. (2007): Index zur Messung vonEinschränkungen der Teilhabe (IMET) – Erste Ergebnisse eines ICF-orientierten Assess-mentinstruments. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 76/2. 113-120.

Systematische Übersichtsarbeit zu Korrelaten und Determinanten der körperlichen Aktivität von Personen mit Multipler Sklerose

Streber, R., Peters, S., Pfeifer, K.

Institut für Sportwissenschaft und Sport, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Hintergrund

Die Bindung an regelmäßige körperlich-sportliche Aktivität (KA) stellt ein zentrales Ziel derBewegungstherapie bei Menschen mit chronischen Erkrankungen dar (Pfeifer et al., 2010).Da in den letzten Jahren vielfältige positive Wirkungen KA auf die Funktionsfähigkeit sowiedie Lebensqualität von Personen mit MS (PmMS) berichtet wurden, gewinnt sie in der Re-habilitation zunehmend an Bedeutung (Asano et al., 2009). Um langfristig von diesen ge-sundheitsförderlichen Effekten profitieren zu können, müssen KA regelmäßig und dauerhaftdurchgeführt werden. Allerdings sind PmMS weniger körperlich aktiv als gesunde Personen(Motl et al., 2005). Dies hat wiederum negative Auswirkungen auf die Behinderung und stelltgleichzeitig einen Risikofaktor für eine Reihe von Zivilisationskrankheiten dar.

Um zu verstehen, was die KA von PmMS beeinflusst, ist es notwendig, Faktoren zu identi-fizieren, die mit der KA kausal im Zusammenhang stehen (Bauman et al., 2002). In den letz-ten Jahren hat die Forschungsaktivität bezüglich möglicher Determinanten der KA beiPmMS stark zugenommen. Jedoch fehlt eine systematische Übersicht zum aktuellen For-schungsstand. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Identifikation von Korrelaten und De-terminanten der KA von PmMS.

Methodik

Studien wurden eingeschlossen, wenn sie (i) Erwachsene mit MS inkludierten, (ii) ein quer-schnittliches oder prospektives Beobachtungsstudiendesign aufwiesen oder (iii) die Wirkun-gen einer Theorie-basierten Intervention auf die Veränderung der KA untersuchten und eineMediationsanalyse zu den angenommenen Wirkmechanismen durchführten, (iv) quantitati-ve Assessments zur Messung der KA, der untersuchten Korrelate sowie Mediatoren anwen-

249

deten und (v) auf Englisch oder Deutsch publiziert wurden. Pubmed und Scopus (1980 bisAugust 2012) sowie das Literaturverzeichnis der eligiblen Studien wurden systematischdurchsucht. Die Datenextraktion sowie die Bewertung der Studienqualität wurden von 2 Au-toren vorgenommen. Für die Kategorisierung der extrahierten Variablen wurde die Interna-tionale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) herangezo-gen. Um die Konsistenz sowie Richtung des Zusammenhangs einer Variable und der KA zuevaluieren, wurde ein semi-quantitativer Ansatz gewählt (Sallis et al., 2000).

Ergebnisse

42 Publikationen mit einem Beobachtungsstudiendesign und 2 Interventionsstudien liefer-ten Daten zu insgesamt 78 unterschiedlichen Variablen. 60 der 78 Variablen in Beobach-tungsstudien basierten auf 1–2 Studienergebnissen und die Mehrheit der Ergebnissestammte aus Studien mit einem Querschnittsdesign. Häufig untersuchte und konsistenteVariablen waren der Behinderungsgrad insbesondere Einschränkungen der Mobilität sowiepsychologische Faktoren wie die bewegungsbezogene Selbstwirksamkeit und selbstregula-torische Fähigkeiten. Nur für einen der 9 in Interventionsstudien untersuchten Mediatorenliegt Evidenz für einen kausalen Zusammenhang vor und zwar zwischen den selbstregula-torischen Fähigkeiten und der KA.

Diskussion

Die vorliegende Arbeit liefert eine systematische Evaluation der beeinflussenden Faktorender KA von PmMS. Wichtige Einflussfaktoren sind vor allem personbezogene sowie funk-tionsbezogene Faktoren. Diese Ergebnisse sind relevant für die (Weiter-)Entwicklung vonInterventionen zur Förderung der KA von PmMS. Limitationen des derzeitigen Forschungs-stands sowie Implikationen für die Praxis und die Forschung werden diskutiert.

Literatur

Asano, M., Dawes, D.J., Arafah, A., Moriello, C., Mayo, N.E. (2009): What does a structuredreview of the effectiveness of exercise interventions for persons with multiple sclerosis tellus about the challenges of designing trials? Mult Scler, 15 (4). 412-421.

Bauman, A.E., Sallis, J.F., Dzewaltowski, D.A., Owen, N. (2002): Toward a better under-standing of the influences on physical activity: the role of determinants, correlates, causalvariables, mediators, moderators, and confounders. Am J Prev Med, 23 (2 Suppl 1). 5-14.

Motl, R.W., McAuley, E., Snook E.M. (2005): Physical activity and multiple sclerosis: a meta-analysis. Mult Scler, 11 (4). 459-463.

Pfeifer, K., Sudeck, G., Brüggemann, S., Huber, G. (2010): DGRW-Update: Bewegungsthe-rapie in der medizinischen Rehabilitation – Wirkungen, Qualität, Perspektiven. Die Reha-bilitation (Germany), 49. 224-236.

Sallis, J.F., Prochaska, J.J., Taylor, W.C. (2000): A review of correlates of physical activityof children and adolescents. Med Sci Sports Exerc, 32 (5). 963-975.

250

Pilotstudie: Volitionale Schulungsmaßnahmen fördern das Walkingbei Patienten mit Schlaganfall im Vergleich zur MS

Ludwig, L., Kuderer, B., Dettmers, C.

Kliniken Schmieder Konstanz

Hintergrund

Ziele in der neurologischen Rehabilitation beziehen sich bei Patienten, Ärzten und Thera-peuten zunächst vorrangig auf die Linderung des individuellen neurologischen Defizits. Zu-nehmend wichtiger werden die Prävention und Behandlung der Risikofaktoren. Dies erfor-dert häufig eine Lebensstiländerung der Patienten und nachhaltige Förderung ihrer körper-lichen Betätigung, was nicht leicht zu erreichen ist. Ärzte neigen in Patientenseminaren zurfrontalen Wissensvermittlung, ohne moderne Schulungskonzepte für Patientenveranstal-tungen (Faller et al., 2011) zu berücksichtigen. Ein solches volitionales Schulungskonzeptbasiert auf der Handlungsplanung (Handlungsvorsätze/implementation intentions) und derBewältigungsplanung (mentales Kontrastieren) in Anlehnung an Gollwitzer (Gollwitzer,Schaal, 1998) und das HAPA-Modell (Health Action Process Approach) (Schwarzer, 2004).Ziel der vorliegenden Pilotstudie war es, eine dementsprechende Schulung mit einem ent-sprechenden Manual zu entwickeln, um Häufigkeit und Dauer des Walkings im Anschlussan die stationäre Rehabilitationsbehandlung bei einer gemischten neurologischen Patienten-klientel zu fördern. Im Längsschnitt sollte auch die Intensität des Walkings bis zu 6 Monatenach der stationären Rehabilitationsbehandlung für beide Gruppen dokumentiert werden.

Methodik

Patienten:Alle Patienten – unabhängig von deren Diagnose –, die im Zeitraum Mitte Oktober bis MitteDezember 2013 in unserer neurologischen Rehabilitationsklinik in der Walking- oder Nordic-Walking-Gruppe eingebucht waren, wurden wochenweise randomisiert entweder in die In-terventionsgruppe oder in die Kontrollgruppe eingeschleust. Von 110 Teilnehmern der Walking-Gruppen willigten 76 ein, von denen 74 Patienten(40 Frauen) eingeschlossen wurden, 20 mit Schlaganfall (Alter 51), 31 mit MS (Alter 46) und23 mit anderen neurologischen Erkrankungen. Durchschnittliche Erkrankungsdauer lag beiden MS-Patienten bei 8,7 Jahren, bei den Patienten mit Schlaganfall bei 1,5 Jahren mit einerbreiten Streuung (0,01–11).

Kontrollintervention (KG):Aufklärung über Sinn und Zweck des Walking und des Ausdauersports auf der Grundlageunseres konventionellen Sportvortrags, jeweils in Kleingruppen von 2-6 Patienten, über90 Minuten dauernd.

Interventionsprogramm (IG):Kurze Einführung zum positiven Nutzen des Walking-Trainings. Individuelle Planung vonTrainingsterminen und Erstellung von „Wenn-Dann-Plänen“. Antizipation individueller Hin-dernisse und Erarbeiten von Strategien zur Überwindung; ebenfalls in Kleingruppen von2–6 Personen über etwa 90 Minuten.

Outcome-Parameter:Häufigkeit und Dauer der Walking-Einheiten.

251

Studienprotokoll:Zum Zeitpunkt des Einschlusses (T0) wurde mittels Fragebogen die Menge des Walkingsretrospektiv für die letzte Woche vor der Reha erfragt. Dasselbe wurde 4 Wochen, 3 und6 Monate nach Entlassung mittels Fragebogen per Post erfasst.

Statistik:Prüfung der Normalverteilung und Varianzhomogenität. Zur Frage des Gruppenunter-schieds 2-faktorielle ANOVA mit 3 Meßwiederholungen.

Ergebnisse

Insgesamt lag das Aktivitätsniveau bei den Patienten mit MS unter dem der Patienten mitSchlaganfall. Unabhängig von der Schulungsgruppe kam es zu signifikanten Anstiegen derHäufigkeit des Walkings. Die Effekte erschienen besonders ausgeprägt bei den wenig Akti-ven und Inaktiven. Ein Unterschied zwischen beiden Schulungsgruppen zeichnete sich fürdie Patienten mit Schlaganfall ab. Diese profitierten signifikant von der Intervention (Abb.1).

Abb. 1: Walking-Häufigkeiten pro Woche (Ordinate) in den beiden Subgruppen Schlaganfall (links) undMS (rechts) zu den 4 Messzeitpunkten (abgetragen auf der Abszisse). Die Daten beim Schlag-anfall deuten auf eine bessere Wirksamkeit des volitionalen Schulungskonzepts.

Messzeitpunkt

6 Monate3 Monate4 WochenBaseline

Mit

telw

ert

Wal

kin

g-H

äufi

gke

it

4

3

2

1

0

-1

Fehlerbalken: 95% CI

Interventions-gruppe

Kontrollgruppe

Messzeitpunkt6 Monate3 Monate4 WochenBaseline

Mit

telw

ert

Wal

kin

g-H

äufi

gke

it

8

6

4

2

0

-2

Fehlerbalken: 95% CI

Kontrollgruppe

Interventions-gruppe

252

Diskussion

Schulungskonzepte, die die volitionale Komponente unterstützen, scheinen zur Förderungkörperlicher Aktivität effektiver zu sein als konventionelle, die die Motivation als entschei-dende Kraft postulieren (Fuchs et al., 2011). Nach unserem Wissen handelt es sich hier umeine der ersten Anwendungen bei neurologischen Patienten, um Walking als Marker für kör-perliche Aktivität im Anschluss an eine stationäre Rehabilitation zu fördern. Unsere Datenweisen darauf hin, dass die Intentions-Verhaltens-Lücke (entsprechend dem HAPA-Modell)besonders bei Patienten mit Schlaganfall ausgeprägt ist und dass diese Klientel möglicher-weise besonders von volitionalen Erziehungsprogrammen, die diese überbrücken, profitie-ren. Ferner ergeben sich Hinweise, dass die Inaktiven und wenig Aktiven („Patienten mit be-sonderer Problemlage“) besonders von solchen Konzepten profitieren.

Schlussfolgerung

Volitionale Schulungskonzepte lassen sich in der neurologischen Rehabilitation zur Förde-rung regelmäßiger körperlicher Aktivität entwickeln und sollten aufgrund ihrer besserenWirksamkeit in der Rehabilitationsbehandlung umgesetzt werden.

Literatur

Faller, H., Reusch, A., Meng, K. (2011): Innovative concepts for patient education in medicalrehabilitation. Bundesgesundheitsblatt.Gesundheitsforschung.Gesundheitsschutz., 54.444-450.

Fuchs, R., Goehner, W., Seelig, H. (2011): Long-term effects of a psychological group inter-vention on physical exercise and health: the MoVo concept. J Phys.Act.Health, 8. 794-803.

Gollwitzer, P.M., Schaal, B. (1998): Metacognition in action: the importance of implementa-tion intentions. Pers.Soc.Psychol.Rev., 2. 124-136.

Schwarzer, R. (2004): Psychologie des Gesundheitsverhaltens: Einführung in die Gesund-heitspsychologie. Hogrefe Verlag.

Sportmotive bei Personen mit Multipler Sklerose

Geidl, W., Streber, R., Tallner, A., Pfeifer, K.

Institut für Sportwissenschaft und Sport, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Hintergrund

Die Bindung an regelmäßige körperlich-sportliche Aktivität stellt ein zentrales Ziel der Bewe-gungstherapie bei Menschen mit chronischen Erkrankungen dar (Pfeifer et al., 2010). Füreine Steigerung des Sport- und Bewegungsverhaltens sollten bewegungstherapeutische In-halte an die individuellen Ausgangslagen der Teilnehmenden angepasst werden. Aktuellwerden bei der Gestaltung der Bewegungstherapie insbesondere gesundheitliche Voraus-setzungen im Bereich Körperfunktionen/-strukturen beachtet. Für das Bewegungsverhaltenbedeutsame individuelle psychische Handlungsvoraussetzungen, wie z. B. persönlichesportbezogene Ziele und Motive, werden bei der Ausgestaltung bewegungstherapeutischerMaßnahmen bislang kaum systematisch berücksichtigt.

253

Die vorliegende Arbeit zielt auf eine Erhebung von Sportmotivprofilen bei Personen mit Mul-tipler Sklerose (PmMS) unter Berücksichtigung des habituellen Sport- und Bewegungsver-halten ab.

Methodik

Web-basierte deutschlandweite Querschnittserhebung bei erwachsenen PmMS. MittelsBerner Motiv- und Zielinventar (BMZI) (Sudeck et al., 2011) wurden sportbezogenen Motiveund Ziele abgefragt. Mit 28 Items erfasst das BMZI 8 verschiedene Motivbereiche (vgl.Tab. 1). Jedes Item wird auf einer 5-stufigen Likert-Skala (1 – „trifft überhaupt nicht zu“ bis5 – „trifft völlig zu“) bewertet. Das Sport- und Bewegungsverhalten wurde mittels Fragebo-gen zur Messung der habituellen körperlichen Aktivität (Wagner et al., 2003) erhoben.

Analysen: Deskriptive Auswertungen zur Ausprägung der Sportmotive in Abhängigkeit desSport- und Bewegungsverhaltens sowie Clusteranalysen zur Entdeckung typischer Motiv-konstellationen.

Ergebnisse

Die Stichprobe umfasst 1.100 Personen (73 % Frauen) mit einem Altersdurchschnitt von45 Jahren (SD=10, Range = 20–82) und einer durchschnittlichen Krankheitsdauer von13 Jahren (SD=9). Tabelle 1 zeigt durchschnittliche Ausprägungen einzelner Motive sowiederen Abhängigkeit zum habituellen Bewegungsverhalten.

Anm.: Die dargestellten Werte sind Mittelwerte und Standardabweichungen in Klammer.

Tab. 1: Sportbezogene Motive in Abhängigkeit des habituellen sportbezogenen Bewegungsverhaltens

In Anlehnung an Sudeck et al. (2011) werden weiterführende clusteranalytische Bestimmun-gen typischer Motivprofile präsentiert.

Diskussion

Diese Arbeit liefert erstmals einen Einblick in die Sportmotivprofile von PmMS in Deutsch-land. Gesundheit und Fitness sind die bedeutsamsten Sportmotive für PmMS, Geselligkeit

Gesamt Bewegungsverhalten„In meiner Freizeit treibe ich Sport“

n=1.100nie

(n=96)

selten/ manchmal

(n=526)oft/sehr oft

(n=478)

Motive

Gesundheit 4.0 (0.9) 3.5 (1.1) 4.0 (0.9) 4.2 (0.9)

Fitness 4.1 (0.9) 3.3 (1.2) 4.0 (0.9) 4.4 (0.7)

Figur/Aussehen 2.9 (1.3) 2.7 (1.4) 2.9 (1.3) 3.0 (1.2)

Aktivierung/Freude 3.4 (1.0) 2.6 (1.0) 3.2 (1.0) 3.9 (0.9)

Ablenkung/Katharsis 2.9 (1.1) 2.4 (1.1) 2.7 (1.1) 3.2 (1.1)

Ästhetik 2.8 (1.2) 2.2 (1.1) 2.5 (1.1) 3.2 (1.2)

Geselligkeit/Kontakt 2.2 (1.0) 2.4 (1.2) 2.2 (1.0) 2.3 (1.0)

Wettkampf/Leistung 1.8 (1.0) 1.6 (0.9) 1.6 (0.8) 2.1 (1.1)

254

sowie Wettkampf/Leistung spielen demgegenüber nur eine untergeordnete Rolle. Regelmä-ßig Sporttreibende unterscheiden sich von den Nicht-Sportlern insbesondere in den Motiv-bereichen Fitness sowie Aktivierung/Freude.

In Kombination mit weiteren körperlich-funktionellen und psychischen Merkmalen bildet dieBestimmung sportbezogener Motivprofile eine Grundlage für die Entwicklung einer zielgrup-penspezifischen, Person-orientierten Bewegungstherapie bei Menschen mit chronischenErkrankungen (vgl. Krauss et al., 2014).

Literatur

Krauß, I., Katzmarek, U., Rieger, M., Sudeck, G. (2014): Motivbasierte Konzeptionen derSporttherapie bei Arthrose. In: Mess, F., Gruber, M., Woll, A. (Hrsg.): Sportwissenschaftgrenzenlos?! Tagungsband des 21. dvs-Hochschultag, Konstanz. Hamburg: Cwalina. 157.

Pfeifer, K., Sudeck, G., Brüggemann, S., Huber, G. (2010): DGRW-Update: Bewegungsthe-rapie in der medizinischen Rehabilitation – Wirkungen, Qualität, Perspektiven. Die Reha-bilitation, 49. 224-236.

Sudeck, G., Lehnert, K., Conzelmann, A. (2011): Motivbasierte Sporttypen: Auf dem Wegzur Personorientierung im zielgruppenspezifischen Freizeit- und Gesundheitssport. Zeit-schrift für Sportpsychologie, 18. 1-17.

Wagner, P., Singer, R. (2003): Ein Fragebogen zur Erfassung der habituellen körperlichenAktivität verschiedener Bevölkerungsgruppen. Sportwissenschaft, 33. 383-397.

255

Neurologische Rehabilitation (Poster)

Patienten mit Multipler Sklerose profitieren bei der Messung phasischer Alertness weniger vom Warnton als Patienten mit Schlaganfall – ein Schlüssel

zum Verständnis der Fatigue?

Calandriello, B., Schwarzer, S., Claros-Salinas, D., Gütler, R., Dettmers, C.

Kliniken Schmieder Konstanz, Psychologische Fakultät der Universität Konstanz

Hintergrund

Es besteht ein offener Disput, ob Fatigue ein unspezifischer Effekt nach jedweder Art vonHirnläsion ist, oder doch besonders häufig und stark bei Multipler Sklerose (MS) auftritt. DieBestimmung der Alertness aus der Testbatterie von Zimmermann und Fimm (2005) hat sichmittlerweile als Surrogatmarker für Fatigue etabliert, insbesondere in Form einer Bestim-mung der Belastbarkeit im Tagesverlauf (Claros-Salinas et al., 2010) oder vor und nach Be-lastung (Claros-Salinas et al., 2013; Neumann et al., 2014). Um der Beantwortung der Fra-ge, inwiefern Fatigue typisch für MS ist oder genauso deutlich bei anderen Hirnschädigun-gen vertreten ist, näher zu kommen, haben wir tonische und phasische Alertness vor undnach standardisierter 3-stündiger Belastung bei 30 Patienten mit MS und 30 mit Hirninfarktverglichen.

Methode

Zwischen Juni 2013 und Juni 2014 wurden jeweils 30 überwiegend berufstätige Patientenmit MS und Hirninfarkt zur Bestimmung der kognitiven Defizite und ihrer Belastbarkeit derDurchführung einer standardisierten Testbatterie in der Neuropsychologie (Durchführungvon 15 standardisierten Tests über einen Zeitraum von 3 Stunden) zugewiesen (Tab. 1).

Tab. 1: Demographische Daten der Patienten

MS Infarkt P

Teilnehmer (n) 30 30

Frauen 21 11 <0,01

Alter (MW) 45 53 <0,001

EDSS (MW + SD) 3,1 + 1,6 Nicht anwendbar

Vitalität, Rohwerte SF-36(MW + SD)

2,0 + 0,55 2,4 + 0,22 0,29

Körperliche Funktionsfähigkeit, Rohwerte SF-36 (MW + SD)

2,59 + 0,89 2,96 + 0,13 0,12

Kostenträger Rentenversicherer (%) 100 90

Leistungsvermögen >6 (n)3 bis <6<3

10128

13512

256

Patienten mit groben Auffälligkeiten der Handmotorik wurden ausgeschlossen. Vor undnach Durchführung der neuropsychologischen Testbatterie als standardisiertem Belas-tungstest wurden Reaktionszeiten (RZ) gemessen (Subtest Alertness der Testbatterie zurAufmerksamkeitsprüfung, TAP) (Zimmermann, Fimm, 2005) erlaubt die PC-gestützte Reak-tionszeitmessung bei Präsentation optischer Signale auf dem Bildschirm (tonische Version).Aufgabe des Probanden ist es, so schnell wie möglich mit der Maustaste zu reagieren. Beider Testung der phasischen Aufmerksamkeit wird vorher ein Warnton gegeben. Innerhalbvon 3 Minuten werden insgesamt 40 Reize präsentiert und Reaktionszeiten gemessen.

Zum Vergleich wurden die Mittelwerte und Standardabweichungen der Reaktionszeiten(RZ) mit (phasisch) und ohne (tonisch) Warnton berechnet. Zur Bestimmung der Interaktionvon Diagnosegruppe und Warnton wurde eine ANOVA durchgeführt.

Ergebnisse

Die Reaktionszeiten (RZ) zum Ausgangszeitpunkt waren in beiden Gruppen (MS: 290+104;Infarkt: 353+193 ms) deutlich verlängert gegenüber gesunden Kontrollwerten aus vorherge-henden Studien (Tab. 2). RZ waren bei den Patienten mit Infarkt im Mittelwert als Trend,aber nicht signifikant (p=0,082) höher als bei den Patienten mit MS. Die Reaktionszeiten derPatienten mit MS und Schlaganfall verzögerten sich nach Belastung prozentual in ähnlicherGrößenordnung auf Werte um 351+188 ms und 440+287 ms. Es ergab sich ein signifikanterEffekt hinsichtlich der Interaktion Diagnose*Ton, d. h. die Patienten mit MS profitierten we-niger deutlich von dem Warnton als die Patienten mit Schlaganfall.

Anm.: Angegeben sind die Mittelwerte des Medians. „pre“ gibt die Reaktionszeiten vor dem Belas-tungstest an, „post“ nachher.

Tab. 2: Reaktionszeiten aus der TAP-Alertness-Messung

Diskussion

Die Reaktionszeiten erwiesen sich bei Patienten mit Schlaganfall nach standardisierter Be-lastung ebenso verlängert wie bei MS. Dies spricht dafür, dass die Fatigue auch bei Schlag-

Diagnose Mittelwert Standard-abweichung N

Median pre mit Ton

MS 290,2 104,7 30

Infarkt 353,4 193,3 30

Gesamt 321,8 157,4 60

Median pre ohne Ton

MS 289,2 91,3 30

Infarkt 360,7 209,5 30

Gesamt 325,0 164,2 60

Median post mit Ton

MS 350,5 187,6 30

Infarkt 441,1 286,8 30

Gesamt 395,8 244,6 60

Median post ohne Ton

MS 340,0 165,1 30

Infarkt 469,6 317,3 30

Gesamt 404,8 259,1 60

257

anfall klinisch relevant ist. Bemerkenswerterweise waren die RZ nach Warnton bei den Pa-tienten mit MS nicht kürzer als ohne Warnton wie es bei gesunden Normalpersonen der Fallist und auch bei unseren Patienten mit Schlaganfall. Die Interaktionsanalyse spricht dafür,dass die Patienten mit MS von dem Warnton weniger profitieren konnten als Patienten mitSchlaganfall, obwohl diese tendenziell nach Belastung ebenso lange RZ hatten.

Schlussfolgerung

Die Tatsache, dass Patienten mit MS gegenüber denen mit Hirninfarkt bei der Bestimmungder Alertness-Reaktionszeiten mittels TAP-Testbatterie nicht vom Warnton profitieren,könnte möglicherweise ein entscheidender Befund für MS-spezifische Fatigue sein und aufein in besonderer Weise erschöpftes Reservevermögen, das keine Mobilisierung kognitiverKapazität mehr erlaubt, hinweisen.

Literatur

Claros-Salinas, D., Bratzke, D., Greitemann, G., Nickisch, N., Ochs, L., Schroter, H. (2010):Fatigue-related diurnal variations of cognitive performance in multiple sclerosis and strokepatients. J Neurol Sci., 295. 75-81.

Claros-Salinas, D., Dittmer, N., Neumann, M., Sehle, A., Spiteri, S., Willmes, K., Schoenfeld,M.A., Dettmers, C. (2013): Induction of cognitive fatigue in MS patients through cognitiveand physical load. Neuropsychol.Rehabil, 23. 182-201.

Neumann, M., Sterr, A., Claros-Salinas, D., Gutler, R., Ulrich, R., Dettmers, C. (2014): Mo-dulation of alertness by sustained cognitive demand in MS as surrogate measure offatigue and fatigability. J Neurol Sci, 34. 178-182.

Zimmermann, P., Fimm, B. (2005): Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (Version Mo-bilität). Version 1.0. Herzogenrath, Psytest. Ref Type: Generic.

258

Kardiologische Rehabilitation I – in Kooperation mit der DGPR

Verändern Zielvereinbarungen das Gesundheitsverhaltenvon kardiologischen Patienten in der Phase-III-Rehabilitation?

Ergebnisse der CARO-PRE-II-Studie

Stamm-Balderjahn, S., Michel, A., Spyra, K.

Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Charité – Universitätsmedizin Berlin

Hintergrund

Eine wesentliche Aufgabe für Patienten, die an einer koronaren Herzkrankheit leiden, be-steht in der Minimierung von Risikofaktoren, die ursächlich für diese Erkrankung verantwort-lich sind. Im Rahmen einer ambulanten oder stationären Rehabilitationsmaßnahme lernendiese Patienten, mit welchen Maßnahmen sie ihr Gesundheitsverhalten positiv beeinflussenkönnen. Besondere Bedeutung kommt der Verstetigung einer gesunden Lebensweise zu,nachdem die Patienten aus der Rehabilitationseinrichtung in den Alltag entlassen wordensind. Ohne eine gezielte Nachsorge ist dies jedoch nicht zu erreichen (Hahmann, 2012). Inden letzten Jahren sind zahlreiche Interventionsprogramme zur Veränderung des Lebens-stils entwickelt worden, die nachweislich die kardiale Mortalität reduzieren sowie die Risiko-faktoren und das Gesundheitsverhalten positiv beeinflussen konnten. Selbstregulierungs-techniken wie die Vereinbarung von verhaltensbezogenen Zielen können hierfür ein wirksa-mes Instrument darstellen (Janssen et al., 2013). Zudem gibt es Hinweise darauf, dassfrauenspezifische Programme die Effektivität von Interventionsmaßnahmen erhöhen (Be-ckie et al., 2010).

Untersuchungsziel und Hypothese

In einer randomisierten, kontrollierten Interventionsstudie sollte folgende Hypothese über-prüft werden: Eine sektorenübergreifende und geschlechtsspezifische Intervention, die eineZielvereinbarung am Ende der Rehabilitation (IGb) sowie eine Zielkontrollintervention in derambulanten Nachsorge (IGa) beinhaltet, verbessert das Gesundheitsverhalten von weibli-chen und männlichen KHK-Rehabilitanden in der Phase-III-Rehabilitation.

Methode

An der 3-armigen Studie „Wirksamkeit einer sektorenübergreifenden geschlechts-spezi-fischen Intervention zur Verbesserung des Gesundheitsverhaltens von KHK-Rehabilitand-Innen in der Phase-III-Rehabilitation“ (CARO-PRE II), die von der Deutschen Rentenver-sicherung Bund gefördert wurde, haben 545 Patienten (262 weiblich, 283 männlich) teilge-nommen. Erhebungszeitpunkte waren Beginn (T1), Ende der Rehabilitation (T2) sowie 6 (T3)und 12 Monate (T4) nach Reha-Ende. Neben der Durchführung deskriptiver Analysen wur-de die Veränderung zwischen dem ersten und den späteren Messzeitpunkten im Rahmeneines single-indicator Latent-Change-Models durch verschiedene Kovariaten vorhergesagt.Zur detaillierten Analyse differentieller Veränderungen wurden Multigruppen-Modelle mitGeschlecht und Reha-Typ als Gruppierungsvariablen herangezogen.

259

Ergebnisse

Bei der mit einem Index berechneten körperlichen Aktivität profitierten Frauen der IGb zu T4und verbesserten ihr Bewegungsverhalten im Alltag (p<0,01). Die Teilnahme an einer Herz-gruppe hatte bei berufstätigen Frauen zu T3 (p<0,01) und T4 (p<0,05) sowie bei stationärenPatienten zu T3 (p<0,05) einen positiven Einfluss auf die körperliche Aktivität. Von denNicht-Berufstätigen profitierten männliche Patienten der IGa zu T3 (p<0,05) und T4(p<0,001).

Das mit der „Food Frequency List“ erhobene Ernährungsverhalten verbesserte sich über dieZeit in allen 3 Studiengruppen. Während Frauen ihr Ernährungsverhalten zwischen T3 undT4 weiter verbessern konnten, war das bei den Männern nicht der Fall. Interventionseffektewaren nicht zu beobachten.

Die Raucherquote reduzierte sich im Verlauf der 4 Messzeitpunkte (T1 = 12,4 %, T2 = 11,9 %,T3 = 9,3 %, T4 = 8,6 %). Wegen der geringen Fallzahl im Hinblick auf die Veränderung desRauchstatus konnten keine Modellberechnungen vorgenommen werden, somit sind Aus-sagen zur Wirksamkeit der Intervention diesbezüglich nicht möglich.

Schlussfolgerungen und Ausblick

Die Interventionsmaßnahme, bei der Zielvereinbarungen am Ende einer Rehabilitation zwi-schen Patienten und Ärzten getroffen und 3 Monate danach noch einmal „aufgefrischt“ wur-den, war im Hinblick auf ein verändertes Gesundheitsverhalten nur partiell wirksam. Da viel-fach gezeigt werden konnte, dass sogenannte Refresherprogramme erfolgversprechendsind, sollte diskutiert werden, inwieweit das Setting der Zielkontrolle modifiziert werden kann(Format, Zeitpunkt).

Literatur

Beckie, T.M., Beckstead, J.W. (2010): Predicting cardiac rehabilitation attendance in a gen-der-tailored randomized clinical trial. Journal of Cardiopulmonary Rehabilitation and Pre-vention, 30. 147-156.

Hahmann, H.W. (2012): Kardiologische Rehabilitation: Aktueller Stand und zukünftige An-forderungen. Herz, 37. 22-29.

Janssen, V., De Gucht, V., Dusseldorp, E., Maes, S. (2013): Lifestyle modification pro-grammes for patients with coronary heart disease: a systematic review and meta-analysisof randomized controlled trials. European Journal of Preventive Cardiology, 20. 620-640.

260

Adhärenz zur Therapie bei intermittierendem Tai Chi-Trainingzur Verbesserung der Herz-Kreislaufgesundheit und

der kognitiven Leistungsfähigkeit

Weber, U. (1), Wieczorrek, G. (2),Schlitt, A. (2)

(1) Institut für Rehabilitationspädagogik, Philosophische Fakultät III Erziehungswissen-schaften, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, (2) Paracelsus-Harz-Klinik,

Bad Suderode

Hintergrund

Essentieller Bestandteil der Tertiärprophylaxe bei Patienten mit Herzerkrankung ist nebenden in den Leitlinien der Fachgesellschaften genannten medikamentösen Therapie und Le-bensstiländerungen die Aufrechterhaltung bzw. Steigerung der körperlichen Aktivität, in derPhase III in ambulanten Herzgruppen unter ärztlicher Aufsicht. Problematisch für die Herz-gruppen ist die mangelnde Adhärenz, nach einem halben Jahr nehmen in Deutschland nichteinmal 1/3 der Patienten an den Treffen teil.

Eine Alternative zur konventionellen Durchführung der Herzgruppe stellt Tai Chi dar, eineAbwandlung eines ostasiatischen Kampfkunststils. In den in Südostasien durchgeführtenStudien gelang es, bis zu 90 % der Patienten über einen Zeitraum von 48 Wochen zur kon-tinuierlichen Teilnahme zu motivieren.

Primäres Ziel der vorliegenden Studie war es, die Adhärenz der Probanden zu einer klassi-schen ambulanten Herzgruppe mit einer Tai-Chi-Herzgruppe über 1 Jahr zu vergleichen.

Methodik, Studiendesign

Um die Fragestellungen zu überprüfen, wurden n= 47 Patienten in eine herkömmliche Herz-Kreislauf-Sportgruppe (n=25) oder in eine Sportgruppe mit Tai-Chi-Übungen (n=22) rando-misiert zugewiesen. Zu Beginn der Studie erfolgt eine ausführliche Anamnese und verschie-dene Untersuchungen (Ruhe-EKG, Herzultraschalluntersuchung, Belastungs-EKG, Calipo-metrie, Messung des Körperumfangs an Taille und Hüfte, Erfassung des Körpergewichtsu. a.). Zudem wurde die Befindlichkeit der Teilnehmer anhand des HADS-D und des SF-12erhoben.

Im Abstand von jeweils 3 Monaten (12 ± 1 Woche) wurden erneut Verlaufskontrollen durch-geführt. Nach Ablauf eines Zeitraumes von 12 Monaten war die Teilnahme an der Studie be-endet.

Die Adhärenz zur Therapie wurde anhand der Variablen „Teilnahmezeitraum“, „prozentualerAnteil der ,Anzahl der wahrgenommenen Trainingstermine im Teilnahmezeitraum‛ zum Teil-nahmezeitraum“ zur „Anzahl der stattgefundenen Trainingstermine im Teilnahmezeitraum“sowie „Teilnahmezeitraum in Wochen“ operationalisiert.

Ergebnisse

Während sich für die beiden Gruppen keine signifikanten Unterschiede in der Geschlechter-verteilung (konventionelle Herzgruppe: 28 % (n=7) Frauen vs. Tai-Chi-Herzgruppe 32 %(n=7), p=.781) zeigten, unterschieden sich die beiden Gruppen im durchschnittlichen Alter

261

(konventionelle Herzgruppe : 65,0 (±7,4) Jahre vs. Tai-Chi-Gruppe 58,7(±8,7) Jahre; t-Test:p=.035).

Für die Variablen „Teilnahmezeitraum“, „prozentualer Anteil der ,Anzahl der wahrgenomme-nen Trainingstermine im Teilnahmezeitraum‛ zum Teilnahmezeitraum“ zur „Anzahl der statt-gefundenen Trainingstermine im Teilnahmezeitraum“ sowie „Teilnahmezeitraum in Wo-chen“ konnten, kontrolliert für die Variable Alter, zwischen den beiden Therapiegruppen kei-ne signifikanten Unterschiede ermittelt werden (F-Test, multivariate Varianzanalyse) (vgl.Tab. 1).

Tab. 1: Adhärenz nach Gruppenzugehörigkeit

Diskussion und Schlussfolgerung

Die Ergebnisse der Studien weisen darauf hin, dass im Hinblick auf die Adhärenz zur Therapiezwischen der konventionell durchgeführten Herzgruppe und der Tai-Chi-Herzgruppe keineUnterschiede festzustellen sind. Dies bedeutet, dass sich die in Südostasien gewonnenenErkenntnisse bzgl. verbesserter Teilnahmetreue an mit Tai-Chi durchgeführten Herzgrup-pen nicht auf die untersuchte Population übertragen lassen.

Psychische Komorbidität in der kardiologischen Rehabilitation –Ergebnisse der Reha-Qualitätssicherung

Lindow, B., Naumann, B.

Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Hintergrund und Fragestellung

Im Jahr 2012 wurden 72.343 kardiologische Rehabilitationsleistungen von der DeutschenRentenversicherung durchgeführt. Der Anteil der kardiologischen AHB-Verfahren (n=49.380)lag bei 68 %. In den ärztlichen Reha-Entlassungsberichten der Rentenversicherung könnenbis zu 5 Diagnosen aufgeführt werden. Die Kodierung erfolgt nach der Internationalen statis-

Variable Gruppe Mittelwert (SD) F-Wert p-Wert

Teilnahmezeitraum in Wochen Tai Chi 43,3 (26,0) 1,117 .296

Konventionell 45,5 (24,2)

Anzahl der stattgefundenen Trainings-termine

Tai Chi 40,5 (24,3) 0,870 .356

Konventionell 43,3(22,2)

Anzahl der wahrgenommenen Trainings-termine

Tai Chi 27,3 (19,6) 0,005 .945

Konventionell 33,8 (19,9)

Teilnahmequote Tai Chi 66,7 (19,2) 2,572 .116

Konventionell 76,2 (16,4)

262

tischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision –German Modifikation (ICD-10-GM). Neben der Reha-begründenden kardiologischen Erst-diagnose können weitere Reha-relevante Begleitdiagnosen aufgeführt werden.

Für die Durchführung und den Erfolg kardiologischer Rehabilitationen ist das Vorhanden-sein von Begleiterkrankungen von großer Bedeutung (Rauch et. al., 2007). Forschungser-gebnisse weisen bei kardiologischen Patienten einen hohen Anteil mit psychischen Belas-tungen aus. So werden nach klinischer Manifestation einer koronaren Herzkrankheit für De-pressivität Prävalenzraten zwischen 20 % und 50 % angegeben (Ladwig et. al., 2013). Beiden kardiologischen Rehabilitanden der Deutschen Rentenversicherung im Jahre 2012 wur-den insgesamt 218.830 Begleitdiagnosen angegeben. Anteilig führen dabei mit 42 % Krank-heiten des Herz-Kreislaufsystems, gefolgt von gastrointestinalen und sonstigen Krankhei-ten. An 4. Stelle der Häufigkeiten stehen mit 9 % psychische und psychosomatische Krank-heiten (ICD-Kodes F00–F99), auf die im Folgenden detailliert eingegangen wird. PsychischeStörungen als Begleiterkrankung in der kardiologischen Rehabilitation bedeuten eine be-sondere Anforderung an eine bedarfsgerechte Therapiegestaltung (Deutsche Rentenversi-cherung Bund, 2014). Psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak (F17) werden bei18 % der Rehabilitanden angegeben und stehen damit im Vordergrund. Daneben – und be-züglich der Auswirkungen gesondert zu beachten – sind die Reaktionen auf schwere Belas-tungen (F43), Depressive Reaktionen (F32) sowie Angststörungen (F41) besonders häufigvertreten. Es wird untersucht, ob kardiologische Rehabilitanden mit dokumentierten psychi-schen Begleitkrankheiten bezüglich Prozess- und Ergebnisparametern der Reha-Quali-tätssicherung Auffälligkeiten aufweisen und ob sich Hinweise für eine Prozessoptimierungerkennen lassen (Mittag, Reese, 2013).

Methoden

Auf der Grundlage von Routinedaten der Deutschen Rentenversicherung des Jahres 2012werden empirische Auswertungen vorgestellt. Die Ergebnisse aller kardiologischen Rehabi-litanden (n=69.754) werden deskriptiv denen von Rehabilitanden mit psychischen Begleit-diagnosen gegenübergestellt. Auswahlkriterium waren dokumentierte psychische und Ver-haltensstörungen in den Diagnosefeldern 2–5. Für einen Rehabilitanden können auch meh-rere psychische Begleitdiagnosen aufgeführt sein. Detailliert wird die Gruppe der affektivenStörungen (F30–F39) untersucht (n=1.935). Es können Daten zur therapeutischen Versor-gung, zur Rehabilitandenzufriedenheit, zum subjektiven Behandlungserfolg, zur sozialmedi-zinischen Leistungsbeurteilung und zum sozialmedizinischen Verlauf dargestellt werden.

Ergebnisse

Die Rehabiltanden in der Gruppe mit einer Begleitdiagnose aus dem Formenkreis der affek-tiven Störungen sind mit 52,5 Jahren im Durchschnitt jünger als alle kardiologischen Reha-bilitanden (53,3 Jahre). Mit 42 % ist der Anteil der Frauen höher als in der Vergleichsgruppe(23 %). Es überwiegen mit 60 % Rehabilitanden im Antragsverfahren gegenüber 32 % beiallen. In der therapeutischen Ausrichtung erhalten anteilig mehr Rehabilitanden mit affekti-ven Störungen psychologische und psychotherapeutische Leistungen und diese intensiver.Für alle kardiologischen Rehabilitanden liegt der Anteil bei 85 % bzw. 6 %, in der Vergleichs-gruppe mit F30–F39 als Begleitdiagnose sind es 93 % bzw. 16 %. Die wöchentliche Be-

263

handlungsdauer in der Rehabilitation liegt für alle bei 1,8 Stunden Psychologie sowie 0,7Stunden Psychotherapie gegenüber 2,3 und 1,2 Stunden in der Vergleichsgruppe. Tenden-ziell ist die Gruppe aller kardiologischen Rehabilitanden zufriedener mit der erfahrenen Re-habilitation, den Behandlungserfolg beurteilen die Rehabilitanden mit begleitenden affekti-ven Störungen aber deutlich kritischer. Während 77 % aller ein positives Ergebnis sehensind es in der Vergleichsgruppe nur 70 %.

Die kritische Einschätzung schlägt sich auch in der sozialmedizinischen Leistungsbeurtei-lung nieder, die im Abschlussbericht von der Reha-Einrichtung dokumentiert wird. Bei 93 %der kardiologischen Rehabilitanden insgesamt wird für den allgemeinen Arbeitsmarkt eineLeistungsfähigkeit von 6 Stunden und mehr angegeben; in der Vergleichsgruppe bei 90 %.Ausgeprägter sind die Unterschiede in der Leistungsbeurteilung für die letzte berufliche Tä-tigkeit, der aus Sicht der Rehabilitanden größere Bedeutung zukommt. Hier liegt für 80 %aller Rehabilitanden ein vollschichtiges Leistungsvermögen vor, während dies in der Ver-gleichsgruppe nur für 74 % zutrifft. Verfolgt man die kardiologischen Rehabilitanden, die imJahr 2010 eine Rehabilitation beendet haben, bezüglich Ihrer Beitragszahlung in die Ren-tenversicherung über einen Zeitraum von 2 Jahren, zeigt sich, dass für 73 % lückenlose Bei-tragszahlungen eingehen. 7 % beziehen in diesem Zeitraum eine Erwerbsminderungsrente.In der Vergleichsgruppe finden sich lediglich 63 % mit lückenlosen Beiträgen, aber 14% inErwerbsminderungsrente (Baumeister, Härter, 2005).

Diskussion

Für die kardiologische Rehabilitation kann gezeigt werden, dass psychische Komorbiditätdie Therapie und Verläufe wesentlich beeinflusst. Allerdings ist die Zahl der Rehabilitandenfür die eine psychische Komorbidität angegeben wird im Vergleich zu den Forschungser-gebnissen gering. Kardiologische Rehabilitanden mit affektiven Störungen (F30–F39) stelleneine Risikogruppe dar, die einer spezifischen Behandlung bedarf. Es handelt sich um doku-mentierte Diagnosen. Aussagen zur Vollständigkeit und Validität der Diagnosen sind mit denRoutinedaten der Rentenversicherung nicht möglich. Mit den Möglichkeiten kardiologischerFachabteilungen wird den Rehabilitanden bereits eine individuelle bedarfsorientierte Thera-pie angeboten. Ungünstige Verlaufsparameter geben Hinweise, dass die Anstrengungenmöglicherweise mit psychotherapeutischer Kompetenz intensiviert werden müssen. Die Er-gebnisse rehabilitationswissenschaftlicher Forschung zeigen, dass eine kardiologische Re-habilitation nur dann einen nachhaltigen sekundärpräventiven Effekt aufweist, wenn sie zueiner dauerhaften Lebensstiländerung der Rehabilitanden führt. Prävention und Nachsorgeschaffen weitere Ansätze hierzu und ermöglichen geeignete Interventionen über einen län-geren Zeitraum. Zu den Erfolgsfaktoren zählt auch der stärkere Bezug zur Arbeitswelt undzu den konkreten Belastungen am Arbeitsplatz.

Literatur

Baumeister, H., Härter, M. (2005): Auswirkungen komorbider psychischer Störungen bei chro-nischen körperlichen Erkrankungen. Zeitschrift für Medizinische Psychologie, 4. 175-189.

Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.) (2014): Positionspapier der Deutschen Renten-versicherung zur Bedeutung psychischer Erkrankungen in der Rehabilitation und bei Er-werbsminderung. Berlin.

264

Ladwig, K.-H., Lederbogen, F., Albus, C., Angermann, C., Borggrefe, M., Fischer, D., Fritzsche,K., Haass, M., Jordan, J., Jünger, J., Kindermann, I., Köllner, V., Kuhn, B., Scherer, M., Seyf-arth, M., Völler, H., Waller, C., Herrmann-Lingen, C. (2013). Positionspapier zur Bedeu-tung psychosozialer Faktoren in der Kardiologie, Update 2013. Kardiologe, 7. 7-27.

Mittag, O., Reese, C. (2013): Die Entwicklung von Praxisempfehlungen für psychologischeInterventionen in der Rehabilitation von Patienten mit koronarer Herzkrankheit: Methodenund Ergebnisse. Die Rehabilitation, 52. 266-272.

Rauch, B., Middeke, M., Bönner, G., Karoff, M., Held, K. (Hrsg.) (2007): Kardiologische Re-habilitation. Standards für die Praxis nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft fürPrävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen e. V. Thieme Verlag.Stuttgart.

Bewegungsangst bei chronischer Herzinsuffizienz – Ergebnissezur Entwicklung eines Messinstruments

Spaderna, H. (1), Hellwig, S. (1), Hennig, D. (1), Anastasopoulou, P. (2), Hey, S. (2)

(1) Abteilung Gesundheitspsychologie und Angewandte Diagnostik, Bergische Universität Wuppertal, (2) Institut für Technik der Informationsverarbeitung, Karlsruher Institut

für Technologie KIT, Karlsruhe

Obwohl körperliche Aktivität für Patientinnen und Patienten mit chronischer Herzinsuffizienzein wichtiges Element der Behandlung und Rehabilitation darstellt, ist ein großer Teil dieserPatientengruppe als körperlich inaktiv zu bezeichnen (Dontje et al., 2013). Eine mögliche Ur-sache hierfür stellt die Angst vor Bewegung (Kinesiophobie) dar. Um Maßnahmen zur För-derung körperlicher Aktivität darauf abzustimmen, ist eine zuverlässige und valide Erfas-sung der Bewegungsangst bei Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz notwendig,da Angst allgemein erfasst nicht mit körperlicher Aktivität assoziiert zu sein scheint (Spader-na et al., 2014).

Mit dem Ziel, das Ausmaß der Bewegungsangst speziell in dieser Patientengruppe messbarzu machen, wurde der Fear of Activity in Situations – Heart Diseases (FActS-HD) entwickelt(Hennig, 2013). Der FActS-HD besteht aus 24 Situationsbeschreibungen körperlicher Akti-vität, die hinsichtlich des Kontextes (Sport, Alltag und Freizeit) sowie der Intensität der Akti-vität (leicht, mittel und schwer) variieren. Die Patientinnen und Patienten werden gebeten,sich diese Situationen vorzustellen und anschließend jeweils ihre kognitiven und affektivenReaktionen auf einer Skala von 0 („gar nicht“) bis 5 („sehr stark“) einzuschätzen.

In 2 Studien mit insgesamt 131 Patientinnen und Patienten mit Herzerkrankungen (20 %weiblich; mittleres Alter = 67,1 Jahre) wurden psychometrische Gütekriterien untersucht. DieMessgenauigkeit des FActS-HD erwies sich mit Cronbachs’ α = .98 als sehr gut. Studie 1liefert zudem Belege für die konvergente Validität des FActS-HD bezüglich Maßen für Angstund körperliche Symptome (r >.50). Erwartungsgemäß sind die Werte für Bewegungsangstunabhängig von Persönlichkeitsmerkmalen wie Offenheit für Erfahrungen und Verträglich-keit. Bewegungsangst zeigt zudem nur eine mäßige Überlappung mit aktuellen depressiven

265

Symptomen (16 % gemeinsame Varianz mit Depressivität als Zustand erfasst über dasState-Trait-Angst-Depressions-Inventar – STADI; Laux et al., 2013).

In Studie 2 wurde neben dem FactS-HD die körperliche Aktivität der Teilnehmenden über1 Woche objektiv mit Hilfe von Akzelerometern (move II, movisens GmbH, Karlsruhe) er-fasst und nach der Aktivitätsintensität (MET, kCal) ausgewertet. Erwartungskonform sagtenhöhere Werte im FActS-HD eine geringere körperliche Aktivität im Alltag vorher (β= −.30;p<.05).

Die Befunde sprechen dafür, dass mit dem FActS-HD ein messgenaues und valides Instru-ment zur Erfassung von Bewegungsangst bei Herzinsuffizienz zur Verfügung steht. Auf die-ser Grundlage können weitere Studien zur Bewegungsangst durchgeführt werden mit demZiel, spezifische Interventionen zu entwickeln, um diese psychische Barriere für einen kör-perlich aktiven Alltag bei Herzinsuffizienz zu reduzieren.

Literatur

Dontje, M.L., van der Wal, M.H., Stolk, R.P., Brügemann, J., Jaarsma, T., Wijtvliet, P.E.,et al. (2014): Daily physical activity in stable heart failure patients. Journal of Cardiovas-cular Nursing, 29. 218-226.

Hennig, D. (2013): Entwicklung eines Messinstruments zur Erfassung von Kinesiophobie beichronischer Herzinsuffizienz – Fertigstellung der ersten Fragebogenversion und ersteItemanalysen. Unveröffentlichte Bachelorarbeit, Bergische Universität Wuppertal.

Laux, L., Hock, M., Bergner-Köther, R., Hodapp, V., Renner, K.-H. (2013): Das State-Trait-Angst-Depressions-Inventar. Manual. Göttingen: Hogrefe.

Spaderna, H., Vögele, C., Barten, M.J., Smits, J.M., Bunyamin, V., Weidner, G. (2014):Physical activity and depression predict event-free survival in heart transplant candidates.Health Psychology. Advanced Online Publication. doi: 10.1037/hea0000033.

Fernbetreuung zur Behandlung von Depression bei Herzpatienten

Schulz, S.M. (1, 2), Braig, J. (1)

(1) Department of Psychology, University of Würzburg, (2) Comprehensive Heart Failure Center, University of Würzburg

Hintergrund

Herzerkrankungen sind weltweit die führende Todesursache (Statistisches Bundesamt,2012). 20–50 % der Herzpatienten leiden an Depression und sind durch besonders geringegesundheitsbezogene Lebensqualität und eine schlechtere gesundheitliche Entwicklunggekennzeichnet (z. B. Lingen, 2010). Fernbetreuungsansätze stellen eine ökonomische In-terventionsform für diese Patientengruppe dar, die sich bei der Behandlung depressiver Pa-tienten ohne Herzerkrankung bereits als effektiv erwiesen hat (telefonbasiert: d=0,26, 95 %KI = 0,14–0,39, Mohr et al., 2008; webbasiert: d=0,41, 95 % KI = 0,29–0,54, Andersson,Cuijpers, 2009).

266

Literatursuche

Um das Potenzial von Fernbetreuungsmaßnahmen für die Behandlung von Depression beiHerzpatienten zu evaluieren wurden Studien mit web- und telefonbasierten psychosozialenInterventionen für Patienten mit kardiologischen Erkrankungen identifiziert, bei welchen de-pressive Symptomatik in einer prä-post-Messung als Maß des Therapieerfolgs erfasst wur-de (n≥20) und mit Publikationen zu webbasierte Interventionen für depressive Patienten oh-ne Herzerkrankung verglichen.

Von 903 durch schlüsselbegriffsbasierte Suche in Literaturdatenbanken identifizierten Ein-trägen wurden 69 Abstracts sowie 34 Volltextartikel überprüft. 30 weitere Volltextartikel wur-den über Literaturverzeichnisse und freie Recherchen identifiziert. In die quantitative undqualitative Auswertung gingen schließlich n= 19 Studien ein.

Ergebnisse

Grundsätzlich erscheinen Fernbetreuungsmaßnahmen geeignet um Depression bei Herz-patienten effektiv zu reduzieren. Die Befundlage ist jedoch heterogen und der Erfolg wirdvermutlich durch eine Reihe von Faktoren moderiert. Günstig für eine erfolgreiche Behand-lung erscheint Bedürftigkeit (Depression als Einschlusskriterium), Motivation (Einstiegshür-den), Adhärenz (gefördert durch professionelle Moderation) sowie gezielte körperlicheAktivierung zu sein. Fähigkeiten im Umgang mit dem Internet stellen eine immer geringerwerdende Herausforderung dar. Hohes Alter, weibliches Geschlecht und niedriger sozio-ökonomischer Status sind Herausforderungen, die aber nicht spezifisch für Fernbetreuungsind. Therapeutische Beziehung und Behandlungsadhärenz war im Allgemeinen gut. Ob-wohl hier Potenzial erkennbar ist, werden soziale Unterstützung, spirituelle/religiöse Inhalteund die End-of-Life-Thematik, sowie die Förderung körperlicher Aktivität bislang zu wenigthematisiert.

Fazit

Fernbetreuungsinterventionen zur Reduktion depressiver Symptomatik kardiologischer Pa-tienten sollten weiter optimiert werden. Klassische Vorbehalte gegen Fernbetreuungsmaß-nahmen wurden nicht bestätigt. Insbesondere im Rahmen von „stepped-care“-Ansätzenstellen sie daher eine vielversprechende Ergänzung traditioneller Angebote dar.

Förderung: Bundesministerium für Bildung und Forschung

Literatur

Andersson, G., Cuijpers, P. (2009): Internet-based and other computerized psychologicaltreatments for adult depression: a meta-analysis. Cognitive Behaviour Therapy, 38 (4):196-205. doi: 10.1080/16506070903318960.

Herrmann-Lingen, C. (2010): Der depressive Herzpatient: Wie erkennen? Wie behandeln?Journal für Kardiologie – Austrian Journal of Cardiology, 17 (1-2). 9-12.

Mohr, D.C., Ho, J., Duffecy, J., et al. (2012): Effect of telephone-administered vs face-to-facecognitive behavioral therapy on adherence to therapy and depression outcomes amongprimary care patients: a randomized trial. JAMA: the Journal of the American Medical As-sociation, 307 (21):2278-2285. doi: 10.1001/jama.2012.5588.

Statistisches Bundesamt (2012): Todesursachen in Deutschland. Fachserie 12, Reihe 4.

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Veränderung des Rauchverhaltens von Frauen nach Herzinfarkt –Ergebnisse einer Follow-up-Studie mit Reha-Patientinnen

Härtel, U. (1), Symannek, C. (1, 2), Wex, R. (1)

(1) Institut für Medizinische Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München, (2) Klinik Höhenried, Bernried

Hintergrund und Fragestellung

Zigarettenrauchen ist für Frauen – insbesondere in jüngeren Jahren – einer der wichtigstenRisikofaktoren für die Entstehung und den Verlauf einer koronaren Herzkrankheit. Verschie-dene Studien indizieren, dass es Frauen besonders schwerfällt, das Rauchen aufzugeben,selbst bei manifester Erkrankung. In der vorliegenden Analyse wird untersucht, wie sich dasRauchverhalten von Frauen nach einem akuten koronaren Ereignis verändert und aus wel-chen (selbst genannten) Gründen Raucherinnen das Rauchen nicht aufgeben oder nach derReha wieder aufnehmen.

Methoden

Prospektive Follow-up-Studie mit 640 Reha-Patientinnen (durchschnittliches Alter bei Reha-Aufnahme 56 Jahre), die in den Jahren 2005 bis 2009 nach akutem Herzinfarkt oder angio-graphisch bestätigter instabiler Angina Pectoris zur Anschlussheilbehandlung (AHB) in dieKlinik Höhenried eingewiesen wurden. Die Patientinnen nahmen zu Beginn und am Endeder AHB an umfangreichen standardisierten Interviews und schriftlichen Befragungen teil.Im Jahr 2011/2012 wurden sie erneut schriftlich befragt. Die mittlere Follow-up-Zeit betrug5 Jahre.

Ergebnisse

Von den 640 Patientinnen der Ausgangsstichprobe nahmen 490 (77 %) an der Follow-up-Befragung nach durchschnittlich 5 Jahren teil. Von den Studienteilnehmerinnen hatten 53 %bis zum Zeitpunkt ihres akuten Herzinfarkts regelmäßig Zigaretten geraucht, bei den unter55-jährigen waren es 70 %. Insgesamt 17 % der Frauen waren zu Beginn der AHB Ex-Rau-cherinnen (d. h. sie hatten vor mehr als 3 Monaten mit dem Rauchen aufgehört), 30 % hat-ten noch nie regelmäßig geraucht. In den ersten Tagen der AHB rauchten noch etwa 12 %der Patientinnen täglich Zigaretten. Dies war auch vorwiegend die Gruppe, die an einem„Nichtrauchertraining“ teilnahm.

Etwa 5 Jahre nach der stationären Reha waren insgesamt 25 % der Patientinnen wiederoder noch Zigarettenraucherinnen. Von den früheren regelmäßigen Raucherinnen (bis zumInfarkt) hatten 46 % das Rauchen nicht aufgegeben bzw. wieder damit begonnen, von denEx-Raucherinnen hatten 5 % das Rauchen wieder aufgenommen. Die häufigsten selbst ge-nannten Gründe, warum das Rauchen nicht aufgegeben wurde (Mehrfachangaben einge-schlossen), waren: „Ich werde nervös, wenn ich nicht rauche“ (64 %); „Ich kann auf die Zi-garetten nicht verzichten“ (62 %), „Gewichtszunahme“ (46 %), „Im Freundes- und Bekann-tenkreis wird viel geraucht“ (36 %), „Andere Familienmitglieder rauchen“ (16 %), „Glaubenicht, dass mir das Rauchen schadet“ (14 %). Weitere Analysen ergaben, dass geschiede-ne oder ledige Frauen sowohl zu Beginn der AHB als auch im Follow-up signifikant häufiger

268

Zigarettenraucherinnen waren als verheiratete und dass Frauen mit erhöhten Angst- undDepressions-Symptomen (HADS) das Rauchen tendenziell seltener aufgaben. Diese Zu-sammenhäng werden derzeit noch genauer untersucht.

Schlussfolgerungen

Der auffallend hohe Anteil jüngerer Frauen, die bis zu ihrem Herzinfarkt geraucht haben,verweist noch einmal auf die große Bedeutung dieses Risikofaktors für die Entstehung derkoronaren Herzkrankheit. Deutlich wird auch, wie wichtig eine genaue Raucher-Anamneseist, um in Tabakentwöhnungsprogramme auch diejenigen Frauen einzuschließen, die zwarkurz vor der Reha das Rauchen aufgegeben haben, aber nach der Reha eine hohes „Rück-fallrisiko“ aufweisen. Die von den Raucherinnen am häufigsten genannten Gründe für dasNichtaufgeben des Zigarettenrauchens lassen den starken Suchteffekt des Rauchens er-kennen.

269

Kardiologische Rehabilitation II

Multimodale Rehabilitation von Patienten mit Marfan-Syndrom

Benninghoven, D. (1), Schroeder, F. (1), von Kodolitsch, Y. (2), Hoberg, E. (1)

(1) Mühlenbergklinik – Holsteinische Schweiz, Bad Malente-Gremsmühlen, (2) Universitäres Herzzentrum der Universität Hamburg

Hintergrund

Die Fortschritte der Intensivmedizin, der Kardiologie und der Herzchirurgie haben in denletzten Jahrzehnten zu einer deutlichen Verbesserung der Prognose von Patienten mit an-geborenen Herzfehlern geführt. Diese Fortschritte führten zum Auftreten einer neuen Grup-pe von Patienten, die jetzt nach erfolgreicher Kinder- und Jugendmedizinischer Betreuungerstmalig als Erwachsene einer spezialisierten medizinischen Betreuung bedürfen. NachSchätzungen leben in Deutschland derzeit über 180.000 junge Erwachsene mit angebore-nen Herzfehlern (EMAH). Das Marfan-Syndrom ist ein typisches Beispiel für eine solche Er-krankung. Die Lebenserwartung Betroffener wurde in Deutschland durch multidisziplinäreBetreuung in spezialisierten Zentren deutlich verbessert. Ihr mittleres Alter liegt bei 35 ±(Standardabweichung) 13 Jahren. Die wenigen verfügbaren Daten zeigen, dass trotz aktiverNutzung spezialisierter medizinischer Versorgungsangebote deutliche Defizite in der ge-sundheitsbezogenen Lebensqualität der Betroffenen bestehen, die vor allem durch eine ein-geschränkte Teilhabe am Berufsleben und an Freizeitaktivitäten bedingt ist.

Etablierte Konzepte zur kardiologischen Rehabilitation richten sich bisher vorrangig an Pa-tienten mit koronarer Herzerkrankung und erworbenen Herzklappenfehlern. Für EMAH-Pa-tienten ist eine auf diese Patientengruppe zugeschnittene Rehabilitation wenig zielführend,da sie in der Regel von anderen medizinischen und psychischen Problemen betroffen sind.

Vor diesem Hintergrund hat die Mühlenberg Klinik in Bad Malente in Kooperation mit derMarfan Hilfe Deutschland e. V. und dem Universitären Herzzentrum in Hamburg ein Pro-gramm zur Rehabilitation von Erwachsenen mit Marfan-Syndrom entwickelt. Eingeflossenin dieses Projekt sind die in dem weltweit bislang einzigen Rehabilitationszentrum für Pa-tienten mit Marfan-Syndrom, dem TRS Kompetenzzentrum für Seltene Erkrankungen(TRS), Nesoddtangen bei Oslo, Norwegen, gesammelten Erfahrungen. Insbesondere derinterdisziplinäre und damit multimodale Zugang sowie das Ziel, die Patienten möglichst gutzu informieren und so die Selbsthilfekompetenzen zu stärken, wurden dort als hilfreich er-lebt. Unter Berücksichtigung dieser Erfahrungen wurde ein auf das spezifische 3-wöchigedeutsche Setting abgestimmtes Rehabilitationsprogramm für Patienten mit Marfan-Syn-drom erstmalig umgesetzt.

Methodik

Im Rahmen eines Pilotprojektes wurde eine geschlossene Gruppe von 8 Rehabilitanden mitMarfan-Syndrom aufgenommen. Das Behandlungsprogramm war auf die besonderen Be-dürfnisse und Voraussetzungen dieser Patientengruppe abgestimmt. Das mulitmodale Pro-

270

gramm sah aufeinander abgestimmte Therapieangebote eines festen für diese Gruppe be-stimmten interdisziplinären Rehabilitationsteams vor. Regelmäßige interdisziplinäre Team-besprechungen waren darüber hinaus wichtiger Bestandteil des Behandlungsprogramms.Die Patienten wurden bei Behandlungsbeginn und an dessen Ende ergometrisch (Abbruch-kriterium RR >160 mmHg systolisch) und ausführlich psychometrisch untersucht.

Ergebnisse

Aufgrund der kleinen Stichprobengröße ist eine inferenzstatistische Datenauswertung we-nig sinnvoll. Die deskriptive Auswertung der vorliegenden Daten allerdings zeigt auf alleneingesetzten psychometrischen Skalen Verbesserungen für die untersuchte Patientengrup-pe. Besonders das psychische Wohlbefinden sowie das Körperempfinden verändert sichpositiv in die gewünschte Richtung. Die aus Sicht der Betroffenen wichtigen Themen wurdengesammelt und stehen als Grundlage für die konzeptuelle Weiterentwicklung zu Verfügung.

Diskussion

Das beschriebene Konzept hat sich in einem ersten Schritt aus der Sicht der Betroffenensowie aus der Sicht der Behandler bewährt. Erstmals steht in Deutschland ein Rehabilitati-onsprogramm zur Verfügung, das speziell auf die besonderen Bedürfnisse und Erwartungenvon Patienten mit Marfan-Syndrom zugeschnitten ist. Die enge Kooperation mit der Selbst-hilfevereinigung sowie mit dem Universitären Herzzentrum Hamburg war dabei eine wichti-ge Voraussetzung. Die Fortführung des Pilotprojektes, dessen weitere Evaluation sowie ei-ne Optimierung auf der Grundlage der gesammelten Erfahrungen sind vorgesehen.

Randomisierte, kontrollierte Interventionsstudie zum Vergleichvon kohlenhydratreduzierter mit leitliniengemäßer Ernährung

in der Therapie des Typ-2-Diabetes

Karoff, J. (1), Kittel, J. (2), Wagner, A.M. (1), Karoff, M. (1, 2, 3)

(1) Universität Witten/Herdecke, (2) Institut für Rehabilitationsforschung, Norderney, (3) Klinik Königsfeld, Ennepetal

Hintergrund

Seit Jahren wächst die Prävalenz des Typ-2-Diabetes. Zur Optimierung der Verlaufspro-gnose hat insbesondere die glykämische Einstellung große Bedeutung.

Ernährungsstudien an Nicht-Diabetikern haben wiederholt Hinweise auf günstige Effekteunter kohlenhydratreduzierten Kostformen mit erhöhten Fett- und Eiweißanteilen geliefert.Diese Beobachtungen stehen nicht im Einklang mit der Leitlinienempfehlung zur Ernäh-rungstherapie des Typ-2-Diabetes, wonach eine kohlenhydratbetonte Ernährung (45–60 %der Energiezufuhr) geboten ist (vgl. Toeller, 2005).

Mit einer aktiv kontrollierten, randomisierten Studie an Typ-2-Diabetikern erfolgte die Prü-fung, ob eine 6-monatige ernährungstherapeutische Intervention mit einer kohlenhydrat-reduzierten Kost zu günstigeren Therapieeffekten führt, als unter leitliniengerechter, voll-

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wertiger Ernährung (Interventions-/Kontrollgruppe: 25/55 % Kohlenhydrate, 45/30 % Fett,30/15 % Eiweiß, jeweils 1.800 Kalorien tägl.).

Methodik

Am Erhebungsort (Klinik Königsfeld, DRV Westfalen) wurden zwischen 2011 und 2013 sta-tionäre Rehabilitanden (Indikationen: Kardiologie, Orthopädie) mit entsprechender Aufnah-mediagnose (ICD-10: E11.) rekrutiert. Während der mindestens 21-tägigen Rehabilitation(t2) erfolgte eine Vollverpflegung gemäß Studienprotokoll, begleitet von theoretischen undpraktischen Ernährungsschulungen. Nach 6 Monaten erfolgte die 3. Erhebung (t3). In dieser2. Studienphase erfolgte u. a. eine Compliance-Kontrolle mit 3-tägigem Ernährungsproto-koll. Zu allen 3 Messzeitpunkten wurden schriftliche Befragungen durchgeführt. Hauptziel-kriterien waren die Laborparameter HbA1c und Nüchternglukose.

Ergebnisse

418 Teilnehmer konnten randomisiert den beiden Studienarmen zugeordnet werden. 332 Pro-banden (79 %) haben den t2-Messzeitpunkt erfolgreich durchlaufen und 121 Probandennahmen an allen 3 Erhebungswellen teil. Mittelwertvergleiche relevanter Probandenmerk-male zu t1 belegen die Wirksamkeit der Randomisierung. Das durchschnittliche Alter derTeilnehmer lag zu Baseline bei 56 Jahren (±7,3), der Männeranteil beträgt 80 %. Mit einemBMI von 33,1 (±5,9) liegt eine therapiebedürftige Körperkonstitution vor; bei mittlerem Kör-pergewicht von 100,5 kg (±20,1) und Bauchumfang von 113,9 cm (±13,9). Ein initialerHbA1c von 7,3 % (±1,4) beziffert die glykämische Einstellung der Stichprobe.

Für alle t2-Teilnehmer zeigen sich günstige Effekte während der 3-wöchigen stationären Re-habilitation, sowohl für beide Hauptzielkriterien, als auch hinsichtlich der Körpermaße undweiterer Biomarker. Teilnehmer aller 3 Messzeitpunkte zeigen am Reha-Ende (t2) tenden-ziell stärkere Therapieeffekte. Hier beträgt die Reduktion des HbA1c – bezogen auf denAusgangswert – in der IG rund 6,6 % (d=0,36) gegenüber einer anteiligen Reduktion um4,4 % in der KG (d=0,28). Beide Effektstärken vermitteln kleine Effekte, die vor dem Hinter-grund der antidiabetischen Medikation zu reflektieren sind.

Im Alltag der Rehabilitanden steigen die HbA1c-Werte wieder an. Dies zehrt in der KG diezu t2 ermittelte Optimierung nahezu vollständig auf (t1–t3: d=0,04). Demgegenüber liegt fürdie IG auch nach 6 Monaten ein abgeschwächter kleiner Effekt vor (t1–t3: d=0,22), der sichin einer bedeutsamen Reduktion des Baseline-Niveaus manifestiert. Für beide Gruppen gilt,dass über den Gesamtzeitraum eine signifikante Reduktion der Nüchternglukose vorliegt.

Diskussion

Im Rahmen ernährungstherapeutischer Interventionen geht der methodische Vorteil einerRandomisierung der Teilnehmer mit einem forschungspragmatisch ungünstigen Verlust anStudienteilnehmern einher. Der Eindruck „in der falschen Gruppe gelandet“ zu sein, konntein beiden Gruppen verzeichnet werden und führte häufig zum Studienabbruch, zumindestzu begrenzter Adhärenz. Ernährungsgewohnheiten sind offensichtlicher Bestandteil inkor-porierter Habitus und deren Alltagspraxis. Es bleibt vorerst offen, inwieweit intensivierte edu-kative Anstrengungen zur ernährungsphysiologischen Wissensvermittlung noch stärker zurAusschöpfung offensichtlich vorhandener ernährungstherapeutischer Potentiale beitragenkönnen, oder darüber hinaus psychosoziale Aspekte einbezogen werden sollten.

272

Förderung: Verein zu Förderung der Rehabilitationsforschung e. V., Norderney

Literatur

Toeller, M. (2005): Evidenz-basierte Ernährungsempfehlungen zur Behandlung und Prä-vention des Diabetes mellitus [authorisierte deutsche Version]. Diabetes und Stoffwech-sel. Zeitschrift für angewandte Diabetologie, 14. 75-94.

Die prognostische Bedeutung des Übergewichts auf das langfristige Überleben und die Rezidiv-Risiken von Frauen nach Herzinfarkt –

Ergebnisse einer Follow-up-Studie

Härtel, U. (1), Filipiak, B. (1), Symannek, C. (1), Bongarth, C. (2)

(1) Institut für Medizinische Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München, (2) Klinik Höhenried, Bernried

Hintergrund und Fragestellung

Zum Einfluss des Körpergewichts auf die Prognose nach akuter koronarer Herzkrankheitgibt es inkonsistente Studienergebnisse und kontroverse Diskussionen (Lavie et al., 2013).Die Ergebnisse variieren je nach Studiendesign, untersuchten Outcomes und Follow-up-Zeiten. Nur wenige Studien beziehen Frauen ein oder haben längere Beobachtungszeitenals 3 Jahre. In der vorliegenden Analyse wird – unter Kontrolle der klassischen Risikofakto-ren – untersucht, ob Übergewicht (ermittelt über Body-Mass-Index) über einen Zeitraum von10 Jahren das Überleben und die Rezidiv-Risiken von Frauen in der Reha nach Herzinfarktbeeinflussen.

Methoden

Prospektive Follow-up-Studie mit 202 Frauen (Alter bis 75 Jahre), die nach erstem akutenHerzinfarkt bzw. angiographisch bestätigter instabiler Angina pectoris zur Anschlussheilbe-handlung (AHB) in die Klinik Höhenried eingewiesen wurden. Die Rekrutierung erfolgte kon-sekutiv zu Beginn der AHB in den Jahren 1999 bis Ende 2000. Messmethoden zu Beginnund am Ende der AHB waren medizinische Untersuchungen, Laborwerte, standardisierte In-terviews und schriftliche Befragungen. Nach der Entlassung aus der AHB wurden die Pa-tientinnen 16 Monate, 3 Jahre und 10 Jahre später noch einmal standardisiert befragt. DerÜberlebensstatus im Follow-up wurde über die zuständigen Einwohnermelderegister ermittelt.

Ergebnisse

Das mittlere Alter der Frauen betrug zu Beginn der AHB 61 Jahre. Im Untersuchungszeit-raum waren 28 Frauen verstorben (14 % von 202). Von den überlebenden Frauen konntennach 10 Jahren 74 % noch einmal befragt werden. 20 % dieser Frauen hatten im Verlauf desFollow-up mindestens 1 Reinfarkt erlitten. Da von 46 Frauen keine Information zu den Re-zidiven vorlag, wurden in die statistische Auswertung des Outcomes „All Events“ (verstorbenoder Reinfarkt) nur 154 Frauen einbezogen.

In den nach Alter adjustierten Überlebenszeit-Analysen (Cox Proportional Hazard Analysen)zeigte sich, dass übergewichtige Frauen (BMI ≥25 kg/m2 ein etwa 3-fach höheres Sterbe-

273

risiko aufwiesen als Frauen unterhalb eines BMI von 25 kg/m2. (HRR: 2,9: 95 % CI: 1,1–7,7).Dieser Effekt blieb auch nach Kontrolle der klassischen Risikofaktoren Diabetes, hoher Blut-druck und Hypercholesterinämie – sowie der Schwere des Infarkts – erhalten. Beim Out-come „All Events“ (verstorben oder Reinfarkt) fand sich in den multivariablen Analysen einnoch etwas stärkerer unabhängiger Effekt des BMI ≥25 kg/m2 (Odds Ratio: 3,3; 95 % CI:1,5–7,3). Außerdem war festzustellen, dass Frauen, die allein lebten (ohne Partner) eben-falls ein signifikant höheres Risiko hatten zu versterben oder einen Reinfarkt zu erleiden alsFrauen mit Partner (Odds Ratio: 2,1; 95 % CI: 1,0–4,5).

Schlussfolgerungen.

In der vorliegenden Studie mit einer Follow-up-Zeit von 10 Jahren hatte das Übergewicht ei-nen signifikanten Einfluss auf das Überleben und die Rezidiv-Risiken von Frauen nach ers-tem Herzinfarkt. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass in der kardiologischen Rehabilita-tion, neben der Kontrolle der klassischen Risikofaktoren, dem Übergewicht von Frauen unddem damit verbundenen Lebensstil verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet werden müsste.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd

Literatur

Lavie, C.J. et al. Impact of obesity and the obesity paradox on prevalence and prognosis inheart failure. Review. JACC Heart Fail. 2013 Apr. 1(2): 93-102.

Aussagekraft spiroergometrischer Parameter im Hinblick auf die berufliche Wiedereingliederung kardiovaskulär erkrankter Patienten

Völler, H. (1, 2), Salzwedel, A. (1), Reibis, R. (3), Kaminski, S. (2), Buhlert, H. (2),Eichler, S. (1), Wegscheider, K. (4)

(1) Professur für Rehabilitationswissenschaften, Universität Potsdam, (2) Klinik am See, Rüdersdorf, (3) Kardiologische Gemeinschaftspraxis am Park Sanssouci, Potsdam, (4) Insti-tut für Medizinische Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Hintergrund/Einleitung

Aufgrund der demographischen Entwicklung wird das Renteneintrittsalter in Deutschlandsukzessive auf 67 Jahre angehoben. Beim Erhalt bzw. der Wiederherstellung der Arbeitsfä-higkeit kardiologischer Patienten kommt der medizinischen Rehabilitation und der damit ver-bundenen sozialmedizinischen Begutachtung eine besondere Rolle zu. Ob dabei der spiro-ergometrischen Untersuchung eine eigenständige Bedeutung beigemessen werden kann, istbislang nicht geklärt. Daher war es das Ziel vorliegender Untersuchung, die Vorhersagekraftspiroergometrischer Parameter im Hinblick auf die berufliche Wiedereingliederung (BWE) imVergleich mit anderen funktionellen und psychologischen Parametern zu untersuchen.

Patienten und Methodik

Wir analysierten die soziodemographischen und klinischen Daten eines prospektiven Regis-ters von 469 Patienten (mittleres Alter 51,5 ± 6,9 Jahre, 87,9 % Männer), die zwischen06/2009 und 12/2011 einer dreiwöchigen stationären Rehabilitation, vorwiegend nach per-

274

kutaner Koronarintervention (PCI) mit oder ohne akutes Koronarsyndrom (62,6 %), aortoko-ronarer Bypassoperation (17,2 %) und Aortenklappenersatz (9 %) zugewiesen wurden. BeiAufnahme wurden die Patienten einer nichtinvasiven kardiologischen Funktionsdiagnostik(2D-Echo, Belastungs-EKG, 6-min-Gehtest) und einem psychodiagnostischen Screeningunterzogen. Vor Entlassung erfolgte eine spiroergometrische Untersuchung. Deren Kenn-werte wie z. B. die max. Sauerstoffaufnahme wurden hinsichtlich ihrer prädiktiven Bedeu-tung für die BWE unter Kontrolle von weiteren Patientenparametern (z. B. Alter, Geschlecht,Reha-Indikation) mittels Cox-Regression analysiert. Dabei wurde die Zeit bis zur Wiederauf-nahme der beruflichen Tätigkeit (Sozialdaten der Deutschen Rentenversicherung, Stichtag31.12.2012) als Zielgröße operationalisiert.

Ergebnisse

Während einer Nachbeobachtungszeit von 26,5 ± 11,9 Monaten gelang bei 373 Patienten(76,3 %) die BWE, 60 Patienten (12,3 %) wurden berentet. Eine höhere Anzahl vonKomorbiditäten (p=0,011) sowie eine in der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilungklassifizierte schwere Arbeit (p<0,001) waren negativ mit der BWE assoziiert (Abb. 1). DieWahrscheinlichkeit zur BWE stieg hingegen mit zunehmender Belastbarkeit bei Aufnahmein die Rehabilitation(p<0,001) und war gleichzeitig für die elektive PCI (p=0,02) erhöht. Diewährend der Spiroergometrie max. erreichte Leistung (Watt) (p=0,009) sowie der VE/VCO2– Slope (p = 0,027) hatten eine eigenständige prognostische Bedeutung (Abb. 2). Zudemwar eine Berentung unwahrscheinlicher, je höher die Sauerstoffaufnahme am Beginn desaerob-anaeroben Übergangs war (VO2AT; p=0,016).

Abb. 1: Anteil der Rehabilitanden ohne berufliche Wiedereingliederung nach Rehabilitation in Abhän-gigkeit von der Arbeitsschwere

Abb. 2: Prädiktoren für die Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit

275

Schlussfolgerung

Unter Beachtung einer Vielzahl von Variablen haben neben den wenigen bekannten Ein-flussgrößen, wie der Grunderkrankung, der Anzahl von Komorbiditäten und der Arbeits-schwere, zwei Parameter der Spiroergometrie eine eigenständige Vorhersagekraft hinsicht-lich der beruflichen Wiedereingliederung. Da dieser Funktionstest im Vergleich zu anderenfunktionellen Untersuchungen (Belastungs-EKG, 6-min-Gehtest) durch Ermittlung der me-tabolischen Ausbelastung die Mitarbeit des Patienten objektiviert, sollte die Spiroergometrieobligater Bestandteil der sozialmedizinischen Einschätzung von Patienten in der kardiologi-schen Rehabilitation sein.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg

276

Auswirkungen eines 12-monatigen progressiven gerätegestützten Krafttrainings auf die Kraftfähigkeiten von Herzpatienten

in der Rehabilitationsphase III

Serowy, A., Gollan, R., Mauch, E., Schmitz, S., Bjarnason-Wehrens, B.

Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin, Deutsche Sporthochschule Köln

Hintergrund

Während aerobes Ausdauertraining ein anerkannter Bestandteil der Bewegungstherapie inder kardiologischen Rehabilitation ist, galt Krafttraining hingegen für lange Zeit, aufgrund be-fürchteter Blutdruckentgleisungen und anderer kardiovaskulärer Komplikationen, als kontra-indiziert für Herzpatienten (McCartney, McKelvie, 1996). In den letzten Jahren zeigten je-doch zahlreiche Untersuchungen, dass diese Befürchtungen größtenteils unbegründet sindund Krafttraining zur Reduktion kardiovaskulärer Risikofaktoren beitragen kann (Vanheeset al., 2012; Cornelissen et al., 2011). Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen kommt esmit zunehmenden Alter zu einem erheblichen Abbau der Muskelmasse und Muskelkraft(30–40 % zwischen 30. und 70. Lebensjahr; Seguin, Nelson, 2003). KrankheitsbedingteBettlägerigkeit und körperliche Inaktivität führt bei vielen Herzpatienten zu einem zusätzli-chen Verlust an Muskelmasse und Muskelkraft (Bjarnason-Wehrens et al., 2009). Dies hatnicht nur negative Auswirkungen auf den Muskelmetabolismus, sondern ist auch problema-tisch im Hinblick auf die Bewältigung von Alltagsbelastungen sowie für die berufliche und so-ziale Reintegration der Patienten. Eine Steigerung der Kraftfähigkeiten ist daher sowohl mitBlick auf die kardiovaskulären Risikofaktoren, wie auch zur Verbesserung der psychosozia-len Situation und Teilhabe der Patienten erstrebenswert.

Methodik und Studiendesign

Ziel der Studie war es, den Einfluss eines ergänzenden gerätegestützten Krafttrainings aufdie Kraftfähigkeiten von Patienten mit chronischen Herzerkrankungen in der Rehabilitations-phase III zu ermitteln. Die Stichprobe bestand aus 78 Herzgruppenteilnehmern. Die Inter-ventionsgruppe (n=61) führte eine Kombination aus aeroben Ausdauertraining auf demFahrradergometer und moderatem dynamischen Krafttraining an 5 Krafttrainingsgerätendurch (Rudergerät, Brustpresse, Beinpresse, Beinstrecker, Latzug). Die Kontrollgruppe(n=17) führte ein konventionelles Herzgruppenprogramm durch, welches sich aus aerobemAusdauertraining sowie Funktionsgymnastik (mit Kleingeräten), Entspannungstraining undkoordinativ-spielerischen Elementen zusammensetzte. Der Interventionszeitraum betrug12 Monate. Das Training fand 2-mal pro Woche über 60 Minuten statt. Vor Beginn (nach ei-ner Gewöhnungsphase von 4 Einheiten) sowie zum Abschluss der Intervention wurde dasOne-Repetition-Maximum (1RM) an den 5 Geräten bestimmt. Zur Überprüfung der Trai-ningsintensitäten bzw. zur Trainingssteuerung erfolgten weitere 1RM-Bestimmungen nachAblauf von 3 sowie 6 Monaten. Das Krafttraining wurde als Einsatztraining mit 20 Wieder-holungen pro Satz durchgeführt. Beginnend mit 30 % des individuell bestimmten 1RM wur-de dabei die Trainingsintensität progressiv auf 40 % (nach 3 Monaten) und 50 % des 1RM(nach 6 Monaten) erhöht. Zusätzlich erfolgte eine individualisierte, progressive Intensi-tätsanpassung über die von den Teilnehmern ausgeführte Wiederholungszahl (≥23 Wieder-holungen entsprach einer Widerstandssteigerung von 10 % am jeweiligen Gerät). Zur Un-

277

terstützung der Belastungsbeurteilung wurde hierbei auf die Borg-Skala zurückgegriffen(Zielbereich: 12–15 RPE). Die statistische Analyse erfolgte mittels ANOVA.

Ergebnisse

Nach 12 Monaten war gruppenunabhängig ein signifikanter Anstieg der Kraftwerte an den5 getesteten Geräten zu beobachten (p<0,001 an allen Geräten). Hierbei kam es innerhalbder Interventionsgruppe zu einem signifikant höherem Anstieg des 1RM als in der Kontroll-gruppe (Rudergerät IG=31,9 % vs. KG=4,5 %, pZeit<0,001, pGruppe=0,641, pInterak-tion<0,001; Brustpresse IG=29,5 % vs. KG=9,3 %, pZeit<0,001, pGruppe=0,760, pInterak-tion<0,005; Beinpresse IG=31,3 % vs. KG=3,5 %, pZeit<0,001, pGruppe=0,393, pInterak-tion<0,001; Beinstrecker IG=43,4 % vs. KG=−5,0 %, pZeit<0,001, pGruppe=0,452, pInterak-tion<0,001; Latzug IG=18,2 % vs. KG=0,6 %, pZeit<0,001, pGruppe=0,323, pInterak-tion<0,001). Bei keinem der Patienten kam es zu unerwünschten Ereignissen, welche imZusammenhang mit dem durchgeführten Training standen.

Diskussion

Die Ergebnisse belegen, dass ein ergänzendes gerätegestütztes Kraftausdauertraining imRahmen der Rehabilitationsphase 3 bei Patienten mit chronischer Herzerkrankung zu einemerheblichen Anstieg der Muskelkraft führt und somit zur Kompensation des alters- undkrankheitsbedingten Verlusts der Kraftfähigkeiten beitragen kann. Weiterhin bestätigen dieBeobachtungen die jüngeren Erkenntnisse hinsichtlich Sicherheit und Durchführbarkeit ei-nes adäquat angepassten dynamischen Krafttrainings in der kardiologischen Rehabilitationund bekräftigen somit die diesbezüglichen Empfehlungen der aktuellen Leitlinien.

Literatur

Bjarnason-Wehrens, B., Schulz, O., Gielen, S., Halle, M., Dürsch, M., Hambrecht, R.,Rauch, B. (2009): Leitlinie körperliche Aktivität zur Sekundärprävention und Therapie kar-diovaskulärer Erkrankungen. Clinical research in cardiology supplements, 4 (3). 1-44.

Cornelissen, V.A., Fagard, R.H., Coeckelberghs, E., Vanhees, L. (2011): Impact of Resis-tance Training on Blood Pressure and Other Cardiovascular Risk Factors: A Meta-Ana-lysis of Randomized Controlled Trials. Journal of Hypertension, 58. 950-958.

McCartney, N., McKelvie, R.S. (1996): The role of resistance training in patients with cardiacdisease. Journal of Cardiovascular Risk, 3. 160-166.

Seguin, R., Nelson, M. (2003): The benefits of strength training for older adults. AmericanJournal of Preventive Medicine, 25. 141-149.

Vanhees, L., Rauch, B., Piepoli, M., van Buuren, F., Takken, T., Börjesson, M., Bjarnason-Wehrens, B., Doherty, P., Dugmore, D., Halle, M.; Writing Group, EACPR. (2012): Impor-tance of characteristics and modalities of physical activity and exercise in the manage-ment of cardiovascular health in individuals with cardiovascular disease (Part III). Euro-pean Journal of Preventive Cardiology, 19 (6).1333-1356.

278

Kardiologische Rehabilitation (Poster)

Verändern sich Depressionserleben und Angststörungen von Patienten durch Verwendung eines Audience-Response-Systems während

der stationären kardiologischen Rehabilitation?

Eichel, J. (1), Weber, A. (2) Schlitt, A. (3)

(1) Hochschule Anhalt, Anhalt University of Applied Sciences, Fachbereich Landwirtschaft, Ökotrophologie und Landschaftsentwicklung, (2) Institut für Gesundheits- und Pflege-

wissenschaft, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, (3) Paracelsus-Harz-Klinik Bad Suderode und Medizinische Fakultät der Martin Luther-Universität Halle-Wittenberg

Hintergrund

Durch die Teilnahme an einer kardiologischen Rehabilitation soll die möglichst vollständigeWiederherstellung der kardialen Leistungsfähigkeit dauerhaft erreicht werden. Hierfür wer-den zunehmend sekundärpräventive Maßnahmen genutzt, zu denen u. a. die Schulung derPatienten zählt. In diesen Informationsveranstaltungen werden die Betroffenen für ihreKrankheit sensibilisiert und deren Gesundheitsverhalten langfristig und nachhaltig verbes-sert. Die Schulung der Patienten wird mit dem Programm Audience Response System(ARS) unterstützt, welches bereits bei Studierenden und Schülern erfolgreich eingesetztwird (Caldwell, 2007). Vorteile, wie eine höhere und länger andauernde Aufmerksamkeitund Teilnahme am Geschehen, Anregung einer Diskussion und somit bessere Reflektionder Inhalte sowie die gezielte Klärung von nicht verstandenem Lehrinhalt wurden in Unter-suchungen mit Studierenden bereits nachgewiesen (Fitzpatrick et al., 2011). Die Nutzungdes Programms bei einer kardiologischen Interventionsgruppe in einer Rehabilitationsklinikwurde bisher noch nicht untersucht.

Methodik und Studiendesign

Im Rahmen der von der Deutschen Herzstiftung geförderten INSERT-Studie (InteraktiveSchulungen zur Edukation von Rehabilitanden) wurden 86 Männer und 14 Frauen im Alterzwischen 36 und 88 Jahren rekrutiert, das Durchschnittsalter beträgt 62 Jahre (±12 Jahre)und 38 % des Gesamtstudienkollektivs sind über 65 Jahre alt. Die Grundgesamtheit setztsich aus Patienten mit den Hauptdiagnosen I 21 – „akuter Myokardinfarkt“ und I 25 – „chro-nisch ischämische Herzkrankheit“ zusammen. Die Studienpopulation wurde per Zufallsprin-zip in eine Kontrollgruppe (KG) und eine Untersuchungsgruppe (UG) unterteilt. 43 % derProbanden sind der KG zugeteilt worden und 57 % der Probanden der UG. Der FragebogenHADS-D (Hospital Anxiety and Depression Scale) wurde jeweils zu Beginn und Ende desReha-Aufenthaltes an alle Teilnehmer der Studie verteilt.

Ergebnisse

Zu Beginn der Reha (Zeitpunkt T1) konnte eine Rücklaufquote der HADS-Fragebögen von100 % erzielt werden, wohingegen die Rücklaufquote zum Zeitpunkt T2 (Ende der Reha) le-diglich 91 % betrug. Die Fragebögen, die aufgrund von nicht ausgefüllten Antworten nicht

279

auswertbar sind, betragen insgesamt weitere 4 %. Somit ergibt sich insgesamt eine aus-wertbare Stichprobe von n=87.

Der verwendete Fragebogen wird in Subskalen (Angst- und Depressionsskala) unterteilt. JeSkala können maximal 21 Punkte erreicht werden. Ein Summenwert von über 10 gilt alspathologisch. Sowohl in der Angst- als auch in der Depressionsskala wird eine signifikanteVerbesserung der erreichten Punktzahl zwischen Zeitpunkt T1 und T2 festgestellt. In derGesamtgruppe verbesserte sich die Punktzahl in Bezug auf die Angstwahrnehmung um0,74 Punkte (von 6,48 auf 5,74 Punkte, p=0,018). Die Punktzahl bei der Depressionswahr-nehmung konnte im Durchschnitt um 0,67 Punkte (von 5,21 auf 4,54 Punkte, p=0,005) ver-bessert werden. Vergleicht man die Patienten der UG, die mittels ARS geschult wurden, mitdenjenigen Patienten ohne die sekundärpräventive Intervention ARS, zeigte sich, dass inder UG signifikante (p=0,001 für die Angstskala; p=0,003 für die Depressionsskala) und inder KG keine signifikanten Unterschiede (p=0,723 für die Angstskala; p=0,382 für die De-pressionsskala) zwischen T1 und T2 in den einzelnen Subskalen nachweisbar sind.

Diskussion und Schlussfolgerung

Die Analysen zeigen, dass ein Aufenthalt in einer Rehabilitationsklinik einen signifikantenEinfluss auf die Verbesserung von Angststörungen und einen signifikanten Einfluss auf dieVerbesserung des Depressionserlebens von Patienten mit Koronarer Herzkrankheit hat.Weiterhin zeigten sich positive Effekte bei der Verwendung eines ARS in der Patientenschu-lung im Rahmen dieser Studie.

Förderung: Deutsche Herzstiftung e.V.

Literatur

Caldwell, J.E. (2007): Clickers in the large classroom: current research and best-practicetips. CBE – Life Sciences Education, 10/1. 9-20.

Fitzpatrick, K.A., Finn, K.E., Campisi, J. (2011): Effect of personal response systems on stu-dent perception and academic performance in courses in a health sciences curriculum.Advances in Physiology Education, 35/3. 280-289.

280

Akzeptanzanalyse für die Nutzung des Internetportals herzwegweiser.de durch Rehabilitanden und Fachkreise

Michel, A., Wilke, K., Stamm-Balderjahn, S., Spyra, K.

Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologieund Rehabilitationswissenschaft

Hintergrund und Zielstellung

Eine Verstetigung der während der kardiologischen Rehabilitation erzielten Erfolge ist nachwie vor ein zentrales Anliegen von Maßnahmen in der Nachsorge. Um Rehabilitanden mitHerz-Kreislauferkrankungen in der Phase-III-Rehabilitation aus der Region Berlin-Branden-burg zu unterstützen, wurde das Internetportal herzwegweiser.de entwickelt, das im Januar2014 online ging. Das Portal bietet für Patienten neben der Aufklärung über ihr konkretesKrankheitsbild auch Informationen, die sie dazu befähigen, individuelle Nachsorgeangebotein ihrer Wohnumgebung zu finden. Für das medizinische und therapeutische Fachkollegiumwerden neben spezifischen Informationen (z. B. Leitlinien) eine Vermittlungsbörse fürÜbungsleiter und Ärzte zur Betreuung von Herzgruppen sowie ein Expertenforum vorgehal-ten, um die Vernetzung innerhalb der kardiologischen Rehabilitation zu verbessern.

Mithilfe einer Befragung soll das Internetportal im Hinblick auf den Inhalt (Texte und Infor-mationen) und Aufbau (z. B. Anordnung der Themengebiete), das Design und die Suchfunk-tionalität geprüft werden. Daneben sollen Angaben über Seriosität und Weiterempfehlungsowie demografische Angaben gemacht und eine zusammenfassende Bewertung in Formeiner Schulnote abgegeben werden.

Methodik

Es wurde eine teilstandardisierte schriftliche Befragung bei Rehabilitanden mit kardio-vaskulären Erkrankungen und medizinischen Fachkollegen durchgeführt. In die Studieeingeschlossen wurden 200 Rehabilitanden und 102 Fachkollegen. Die Antworten auf einer4-stufigen Ratingskala von „stimme vollkommen zu“ bis „stimme gar nicht zu“ wurden für dieAuswertung in die beiden Kategorien „Zustimmung“ und „Ablehnung“ dichotomisiert. DieAuswertung der Fragebögen erfolgte mittels Häufigkeitsverteilungen, Mittelwertvergleichenund Chi-Quadrat-Tests.

Ergebnisse

Die Rücklaufquote bei den Rehabilitanden betrug 50 %; 76,8 % waren männlich und 23,2 %weiblich. Das Durchschnittsalter lag bei 59,02 Jahren (SD 9,1). Die Bewertung der Websiteerzielte eine hohe Zustimmungsquote. Dabei erhielt der Inhalt 95,4 %, der Aufbau 92,2 %,das Design 90,9 % und die Suchfunktionalität 91,3 % Zustimmung. 97,9 % der Befragtenhielten die Website für seriös und 96,9 % würden das Portal weiterempfehlen. Die befragtenRehabilitanden vergaben eine Durchschnittsnote von 1,84. Bildung, Alter und Geschlechthatten keinen signifikanten Einfluss auf das Bewertungsergebnis des Portals.

Die Rücklaufquote bei den befragten Experten betrug 41,2 %; 40,5 % waren männlich und59,5 % weiblich. Das Durchschnittsalter lag bei 48,8 Jahren (SD 11,3). Die Berufsgruppen

281

verteilten sich auf Ärzte (35,7 %), Physio- und Psychotherapeuten (28,6 %), Berater(21,4 %) und andere (14,3 %).

Dabei waren die Zustimmungsquoten für Inhalt (95,2 %), Aufbau (91,4 %), Design (88,7 %)und für die Suchfunktionalität (86,4 %) etwas geringer als die der Patienten. 100 % der Ex-perten bewerteten die Website als seriös und 95,2 % würden sie weiterempfehlen. Die Ex-perten vergaben als Durchschnittsnote eine 2,0.

Seit Online-Schaltung am 14. Januar 2014 bis zum 14. Oktober 2014 wurden 6.145 Besu-cher gezählt, die insgesamt 40.719 Seiten aufgerufen haben. Die Nutzeranalyse wurde mitGoogle Analytics durchgeführt, die höchste Frequenz erzielten die Seiten zur Patientenin-formation über wohnortnahe Nachsorgeangebote.

Schlussfolgerungen und Ausblick

Die Website herzwegweiser.de ist das erste Internetportal für kardiologische Rehabilitan-den, das umfassende Informationen zum Krankheitsbild und zu wohnortnahen Nachsorge-angeboten bietet und die behandelnden Fachkreise mit einbezieht. Es hat eine hohe Nut-zungsfrequenz und wurde von Rehabilitanden und Experten als sehr nützlich und seriös be-wertet.

Das Portal kann mit relativ geringem Aufwand auf andere Bundesländer übertragen werden.Es sollen weitere Bundesländer erschlossen werden.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg

282

Onkologische Rehabilitation

Rehabilitation bei onkologischen Erkrankungen: Strukturen und Praxis der psychologischen Tätigkeit

Reese, C., Mittag, O.

Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg

Hintergrund und Fragestellung

Onkologische Erkrankungen gehören neben muskuloskelettalen und psychischen Erkran-kungen zu den häufigsten Anlässen für Rehabilitationsmaßnahmen seitens der gesetzlichenRentenversicherung. Im Jahr 2012 entfielen rund 18 % aller stationären medizinischen Re-habilitationsleistungen der Rentenversicherung auf den Indikationsbereich Neubildungen(Deutsche Rentenversicherung, 2014), wobei die Rentenversicherung in diesem Fall auchLeistungen für bereits berentete Versicherte sowie Angehörige erbringt. Psychologische In-terventionen stellen einen wesentlichen Bestandteil der onkologischen Rehabilitation dar.

Ziel der durchgeführten bundesweiten Befragung (Projekt „Psychologische Interventionen inder Rehabilitation von PatientInnen mit Typ-2-Diabetes, onkologischen Erkrankungen(Mamma-, Prostata- oder Kolonkarzinom) oder Schlaganfall: Systematische Entwicklung vonPraxisempfehlungen“) war es, die derzeitigen strukturellen Voraussetzungen und die Praxisder psychologischen Abteilungen in onkologischen Rehabilitationseinrichtungen darzustel-len. Die Befragung stellt eine wichtige Vorarbeit für die Praxisempfehlungen für psychologi-sche Interventionen in der Rehabilitation von Patienten mit onkologischen Erkrankungen(Mamma-, Prostata- oder Kolonkarzinom) dar, die im Rahmen des zugrunde liegenden Pro-jekts entwickelt werden.

Methode

Wir befragten die psychologischen Abteilungen aller stationären und ambulanten Rehabili-tationseinrichtungen in Deutschland, die über die Hauptindikation Onkologie verfügen. DieFragen bezogen sich auf die folgenden Themenbereiche: (1) Allgemeine Angaben zurReha-Einrichtung (z. B. Träger, Bettenanzahl, Stellensituation, Qualifikation der Psycholo-gen); (2) Psychologisch relevante Problemlagen der Rehabilitanden und komorbide psychi-sche Störungen; (3) Screening und Diagnostik; (4) Indikationsstellung und Zugangswege zupsychologischen Interventionen; (5) Psychologische Einzel- und Gruppenangebote; (6) An-gebote für das interdisziplinäre Team; (7) Angebote für die psychologische Abteilung (Su-pervision, Intervision); (8) Interdisziplinäre Besprechungen; (9) Aufteilung der Arbeitszeit;(10) Psychologischer Bericht, sozialmedizinische Beurteilung; (11) Veränderungswünsche;(12) Persönliche Meinung zu strukturellen Voraussetzungen (z. B. Stellenverhältnis).

Ergebnisse

Von insgesamt 145 onkologischen Rehabilitationseinrichtungen nahmen 71 (entspricht49 %) an der Befragung teil. Das durchschnittliche Stellenverhältnis in den Einrichtungenbeträgt 1,14 Psychologen pro 100 Rehabilitanden (bezogen auf die gesamte Einrichtung,

283

wobei es in vielen Einrichtungen neben der Onkologie noch weitere Indikationsbereichegibt). Allerdings gibt es hier große Unterschiede zwischen den Einrichtungen (s. Abb. 1).

Abb. 1: Stellenverhältnis der Psychologen in onkologischen Einrichtungen

Insgesamt verfügen 31 % der Psychologen in onkologischen Einrichtungen über eine Appro-bation als Psychologischer Psychotherapeut, und in 69 % der onkologischen Einrichtungenarbeitet mindestens ein approbierter Psychologischer Psychotherapeut. In 68 % der Einrich-tungen wird ein routinemäßiges psychologisches Screening durchgeführt.

Zu den häufigsten (psychologisch relevanten) Problemlagen von onkologischen Rehabili-tanden zählen Probleme bei der Krankheits(folgen)bewältigung sowie Rezidiv- oder Progre-dienzangst. Als häufigste psychische Komorbidität werden Anpassungsstörung und De-pression aufgeführt. Die durchschnittliche Aufteilung der Arbeitszeit der Psychologen in deronkologischen Rehabilitation kann Abb. 2 entnommen werden. Auffallend sind auch hier diegroßen Standardabweichungen.

84 % der Psychologen gaben an, dass sie das von der DRV (2010) für den Indikationsbe-reich Onkologie vorgeschlagene Stellenverhältnis von 1,25 Psychologen pro 100 Rehabili-tanden als zu niedrig einschätzen.

M = 1,14

0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

Onkologische Einrichtungen (gesamte Einrichtung)

Psyc

holo

gens

telle

n au

f 100

R

ehab

ilita

nden

(ind

ikat

ions

über

grei

fend

)

N=64 Keine Angaben: 7 M: 1,14 SD: 0,52 Median: 1,07 Range: 0,23-2,62

284

Abb. 2: Aufteilung der Arbeitszeit: Prozent der Arbeitszeit für bestimmte Aufgabenbereiche (n=65;n=6: keine Angaben)

Diskussion

Die Ergebnisse der vorliegenden Befragung zeigen, dass zwischen den verschiedenen on-kologischen Einrichtungen große Unterschiede hinsichtlich der Strukturen und der psycho-logischen Praxis vorliegen. Die Praxisempfehlungen, die derzeitig für den IndikationsbereichOnkologie entwickelt werden, könnten Psychologen, Ärzte sowie andere Therapeuten in on-kologischen Rehabilitationseinrichtungen dabei unterstützen, psychologisch relevante Pro-blemlagen der Rehabilitanden zuverlässig festzustellen und geeignete psychologische In-terventionen zu wählen. Möglicherweise wird dies zu einer größeren Standardisierung psy-chologischer Interventionen in der onkologischen Rehabilitation beitragen.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

Literatur

Deutsche Rentenversicherung (2014): Rentenversicherung in Zahlen 2014. Berlin: Deut-sche Rentenversicherung.

Deutsche Rentenversicherung (2010): Strukturqualität von Reha-Einrichtungen – Anforde-rungen der Deutschen Rentenversicherung. Berlin: Deutsche Rentenversicherung.

Diagnostik/ Indikationsstellung 9,1% (SD: 14,2%)

Einzelinterventionen 41,5% (SD: 19,0%)

Entspannungstraining 10,1% (SD: 7,7 %)

Allgemeine Gruppeninterventionen

6,9% (SD: 6,7%)

Problemorientierte Gruppeninterventionen/ Schulungsprogramme

9,3% (SD: 7,5%)

Besprechungen 6,1% (SD: 5,3%)

Verwaltungstätigkeiten 12,2% (SD: 8,0%)

Nachsorge 1,2% (SD: 2,8%)

Supervision/ Intervision

3,0% (SD: 5,0%)

Sonstiges 1,5% (SD: 3,5%)

285

Krankheitsvorstellungen, Behandlungserwartungen und psychoonkologische Versorgung bei Frauen mit türkischem

Migrationshintergrund in der Rehabilitation

Yilmaz-Aslan, Y. (1), Spallek, L. (2), Gök, Y. (1), Kolip, P. (2), Spallek, J. (1)

(1) AG 3 Epidemiologie & International Public Health, Fakultät für Gesundheitswissen-schaften, Universität Bielefeld, (2) AG 4 Prävention & Gesundheitsförderung,

Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld

Hintergrund

Brustkrebs ist die häufigste Krebsneuerkrankung bei Frauen. Die Diagnose einer Brust-krebserkrankung stellt ein psychisch belastendes Ereignis dar (Neises, 2008; Landmark,2001). Der psychoonkologischen Versorgung während der Behandlung und Nachsorge vonBrustkrebs kommt daher eine wichtige Rolle zu. Bisher gibt es nur wenige Studien, die dieWünsche und Anforderungen an eine gute Versorgung aus Sicht betroffener Frauen unter-suchen. Zur besonderen Situation von Brustkrebspatientinnen mit türkischem Migrations-hintergrund in Deutschland gibt es bisher keine Erkenntnisse. Ein Teilziel der Studie „Krank-heitsvorstellungen und Behandlungserwartungen nach der Diagnose Brustkrebs: die beson-dere Situation türkischer Frauen“ ist es daher, explizit die Krankheitsvorstellungen sowie dieWünsche und Anforderungen von türkischen Brustkrebspatientinnen an die Versorgungnach einer Brustkrebsdiagnose, besonders im Hinblick auf die psychoonkologische Versor-gung in der Rehabilitation, zu untersuchen.

Methoden

Im Rahmen eines qualitativen Untersuchungsdesigns wurden mittels Einzelinterviews10 Brustkrebspatientinnen mit türkischem Migrationshintergrund in einer Rehabilitations-einrichtung befragt. Für die Interviews wurde ein teilstrukturierter Leitfaden erstellt. Die The-menfelder waren Krankheitsvorstellungen, Behandlungserwartungen und die psychoonko-logische Versorgung in der Rehabilitation. Die aufgenommenen Gespräche wurden transkri-biert und mit Hilfe der zusammenfassenden Inhaltsanalyse ausgewertet (Mayring, 2010).

Ergebnisse

Aus der Auswertung wurden verschiedene Aspekte herauskristallisiert. Zum ThemenfeldKrankheitsvorstellungen basieren Vorerfahrungen der Frauen mit Brustkrebs auf ihrem Um-feld und Medien. Ihr Krankheitsverständnis ist von einer ganzheitlichen Denkweise geprägt,die auf eine fehlende Funktionstüchtigkeit durch die Erkrankung bezogen ist. Als zentraleFolgen der Erkrankung werden eine Verschlechterung der psychischen Gesundheit und einsozialer Rückzug der Frauen deutlich. Das Krankheitswissen der Frauen umfasste allgemei-ne Beschreibungen der Erkrankung; detailliertes Wissen fehlte. Wichtige Ursachen fürBrustkrebs waren aus der Sicht der Frauen Stress sowie religiöse Faktoren. Die Frauen nen-nen unter anderem Spiritualität (religiöse Bewältigung) und Verdrängen als Bewältigungs-strategien. Im Hinblick auf das Themenfeld Behandlungserwartungen waren die Frauenüberwiegend zufrieden und gaben keine konkreten Erwartungen an. Sie äußerten allgemei-ne Wünsche bezüglich kulturspezifischer und sprachlicher Aspekte ihrer Behandlung. DieFamilienmitglieder begleiteten die Frauen aufgrund der sprachlichen Probleme während der

286

Behandlung. Die Familie übernimmt eine Unterstützerrolle. Allerdings wurden gleichzeitigvon den Frauen die Stigmatisierung aufgrund der Erkrankung und die Änderungen des Be-ziehungsgefüges beschrieben. Die Auswertung des Themenfeldes psychoonkologischerVersorgung weist darauf hin, dass die Frauen verschiedene Sorgen und Ängste und einengroßen „Redebedarf“ bei der Bewältigung der Krankheit haben. Die Frauen erfahren überdas psychoonkologische Versorgungsangebot durch unterschiedliche Kanäle, wobei dieTeilnahme an den Angeboten insbesondere durch kulturelle und sprachliche Faktoren be-hindert wird.

Diskussion

Die qualitativen Ergebnisse aus der rehabilitativen Versorgung von Brustkrebspatientinnenmit türkischem Migrationshintergrund zeigen, dass diese Zielgruppe einen besonders hohenInformations- und Betreuungsbedarf während und nach der Behandlung hat. Die sprachli-chen und kulturellen Aspekte spielen als Hindernis bei allen 3 Themenfeldern eine großeRolle. Dies stimmt mit anderen Studien im Bereich der Rehabilitation überein (Yilmaz et al.,2013). Die Interviews geben wichtige Hinweise zu Themenaspekten wie „Information“,„Krankheitsvorstellungen“ und „Bewältigungsstrategien“, die spezielle Ansatzpunkte für einekultursensible psychoonkologische Versorgung darstellen.

Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse liefern Akteuren (Ärzten, Pflegepersonal, Psychoonkologen etc.), die an ei-ner Brustkrebsbehandlung beteiligt sind, wichtige Hinweise zum Umgang mit ihren Patien-tinnen sowie für die Organisation des Behandlungsprozesses, insbesondere mit Blick aufdie Versorgung von türkischstämmigen Frauen in der Rehabilitation. Die Ergebnisse könnendazu genutzt werden, die Versorgungsangebote von Kliniken und Reha-Einrichtungen ge-zielt weiterzuentwickeln und auf die Bedürfnisse von Betroffenen abzustimmen.

Förderung: Deutsche Krebshilfe

Literatur

Landmark, B.T., Strandmark, M., Wahl, A.K. (2001): Living with newly diagnosed breast can-cer – the meaning of existential issues. Cancer Nursing, 3. 220-226.

Mayring, P. (2010): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Beltz Verlag.11. Aufl. Weinheim und Basel.

Neises, M. (2008): Psychooncologic Aspects of Breast Cancer. Breast Care, 3. 351-356.Yilmaz-Aslan, Y., Brzoska, P., Schott, T., Razum, O. (2013): Reha aus Sicht von türkischen

Migrant(inn)en. In: Schott, T., Razum, O. (Hrsg.): Migration und medizinische Rehabilita-tion. Weinheim: Beltz Juventa. 162-194.

287

Entspannungsverhalten von Rehabilitandinnen mit der DiagnoseBrustkrebs – Ergebnisse der INOP-Studie

Exner, A.-K. (1), Kähnert, H. (1), Leibbrand, B. (2)

(1) Institut für Rehabilitationsforschung Norderney, Abt. Bad Salzuflen,(2) Salzetalklinik Bad Salzuflen

Hintergrund

Lernen mit Stress umzugehen und sich zu entspannen, gelten neben körperlicher Aktivitätals eine wesentliche Voraussetzung für einen gesundheitsfördernden Lebensstil. Zu denEntspannungstechniken gehören zum Beispiel Yoga, Qi-Gong, Autogenes Training (AT)oder Progressive Muskelrelaxation (PMR). Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen posi-tive Effekte von Entspannungstraining bei Brustkrebspatientinnen (Bower et al., 2011; Ohet al., 2009). Ziel sollte daher sein, Entspannungstechniken zu einem festen Bestandteil desAlltags werden zu lassen. In der Versorgung von Rehabilitandinnen mit der Diagnose Brust-krebs werden Entspannungstechniken im Reha-Therapiestandard (ETM) festgeschriebenund stellen somit ein unverzichtbares Therapieangebot dar (DRV, 2010). WissenschaftlicheUntersuchungen zeigen, dass Planungsinterventionen (volitionale Strategien) im Bereichkörperlicher Aktivität langfristig einen bewegungsaktiven Lebensstil fördern können (Geidlet al., 2012). Dieses Ziel konnte auch durch die INOP-Intervention (INOP – IndividuelleNachsorge onkologischer Patienten) erreicht werden (Kähnert et al., 2013). INOP beinhaltetezudem eine Kurzintervention, um über volitionale Strategien auch das Entspannungsverhal-ten nachhaltig zu fördern. Daher wird der Frage nachgegangen: Kann durch die INOP-Inter-vention das Entspannungsverhalten von Rehabilitandinnen mit der Diagnose Brustkrebsnachhaltig gefördert werden?

Methode

Im Rahmen der randomisierten kontrollierten Mulitcenterstudie wurden Brustkrebspatientin-nen zu Beginn der Rehabilitation (t0), 6 (t2) und 12 Monate später (t3) schriftlich befragt. DieKontrollgruppe (KG) erhielt die Standardrehabilitation. Die Interventionsgruppe (IG) bekamzusätzlich die INOP-Intervention. Die Intervention beinhaltet während der Rehabilitation einSeminar, eine Arbeitsmappe einschließlich wohnortnaher Nachsorgeadressen und eineEinzelberatung sowie 3 Monate nach Abschluss der Rehabilitation eine telefonische Nach-sorge mit dem Hauptziel einen gesundheitsfördernden Lebensstil (Bewegung und Entspan-nung) zu fördern. Unterschiede im Entspannungsverhalten (Entspannungsindex) zu t2 undt3 zwischen Interventions- und Kontrollgruppe wurden mittels logistischer Regression ermit-telt. Abgefragt wurde beim Entspannungsindex das Ausüben von „klassischen“ Entspan-nungstechniken (Yoga, AT, PMR etc.) in Minuten pro Woche. Der Index wurde dichotomi-siert (0 Minuten Entspannung vs. >0 Minuten pro Woche). Zudem wurden in der Regressiondie Confounder Alter (≤60 Jahre vs. >60 Jahre) und Zeitraum seit Erstdiagnose (≤12 Monatevs. >12 Monate) berücksichtigt. In die Analyse wurden nur Personen eingeschlossen, die zut0 angaben, kein Entspannungsverhalten durchzuführen (IG: n=207; KG: n=219).

288

Ergebnisse

Sechs Monate nach der Rehabilitation gaben 10 % der Kontroll- und 19 % der Interventions-gruppe und zu t3 14 % der Kontroll- und 22 % der Interventionsgruppe an, sich zu entspan-nen. Ergebnisse der multiplen logistischen Regressionsanalyse zeigten, dass sich das Ent-spannungsverhalten der Interventionsgruppe statistisch 6 Monate nach der Rehabilitationvon der Kontrollgruppe unterschied (Odds Ratio: 0,88; 95 %-Konfidenzintervall: 0,13; 1,63);nicht hingegen 12 Monate nach der Rehabilitation (Odds Ratio: 0,57; 95 %-Konfidenzinter-vall: −0,10; 1,24).

Diskussion und Fazit

Nach der Rehabilitation gab nur ein geringer Anteil der Befragten an, Entspannungsverhal-ten auszuführen. Die Ergebnisse der multiplen logistischen Regression zeigten, dass dieINOP-Kurzintervention zum Entspannungsverhalten bis zu 6 aber nicht bis zu 12 Monatenach der Rehabilitation Erfolge zeigt. Der Schwerpunkt der INOP-Intervention lag auf derVermittlung volitionaler Strategien zur Förderung eines bewegungsaktiven Lebensstils. Hin-sichtlich Stressvermeidung bzw. Entspannung wurden Maßnahmen zur Handlungs-/Bewäl-tigungsplanung mit den Teilnehmerinnen in einem begrenzten zeitlichen Umfang erarbeitet.Nachzutragen bleibt: Die Auswertungen der telefonischen Interviews zur INOP-Studie erga-ben, dass Studienteilnehmerinnen schon wissen bzw. gelernt haben, über welche individu-ellen Verhaltensweisen sie entspannen können, wie Mittagsschlaf/-ruhe, Lesen, Handarbei-ten oder Musizieren. Da diese Verhaltensweisen im Fragebogen nicht erfasst wurden, be-ziehen sich die Aussagen zum Entspannungsverhalten nur auf die Umsetzung „klassischer“Entspannungsverfahren. Weitere Studien müssen zeigen, inwieweit eine umfassendere vo-litional ausgerichtete Interventionseinheit zum Thema Stressmanagement sich nachhaltigauf das Entspannungsverhalten von Rehabilitandinnen auswirkt.

Förderung: Institut für Rehabilitationsforschung, Norderney

Literatur

Bower, J.E., Garet, D., Sternlieb, B. (2011): Yoga for Persistent Fatigue in Breast CancerSurvivors: Results of a Pilot Study (2011). Evidence-Based Complementary and Alterna-tive Medicine, Volume 2011, Article ID 623168, 8 pages.

Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) (2010): Reha-Therapiestandards Brustkrebs.Leitlinie in der medizinischen Rehabilitation. 1. Aufl.

Geidl, W., Hofmann, J., Göhner, W., Sudeck, G., Pfeifer, K. (2012): Verhaltensbezogene Be-wegungstherapie – Bindung an einen körperlich aktiven Lebensstil. Rehabilitation 51/4.259-268.

Kähnert, H., Exner, A.-K., Leibbrand, B., Biester, I., Gharaei, D., Niehues, C.,Trapp, M.(2013): Bewegungsförderung von Brustkrebspatientinnen: Ergebnisse der INOP-Studiesechs und zwölf Monate nach Abschluss einer stationären Rehabilitation. DRV-Schriften,Bd. 101. 360-361.

Oh, D.; Butow, P., Mullan, B., Clarke, S., Beale, P., Pavlakis, N., Kothe, E., Lam, L., Rosen-thal, D. (2009): Impact of Medical Qigong on quality of life, fatigue, mood and inflammationin cancer patients: a randomized controlled trial. Annals of Oncology 21. 608–614, 2010.

289

Nachhaltige Steigerung der körperlichen Aktivität bei Brustkrebspatientinnen ist möglich – 2 Jahres-Katamnese der KIRA-Studie

Reuss-Borst, M. (1), Peters, E. (1), Wentrock, S. (1), Lemmerich, D. (2), Baumann, F. (3)

(1) Rehabilitationsklinik für Rheumatologie und Onkologie, Bad Kissingen, (2) Kreiskranken-haus Bad Neustadt, (3) Deutsche Sporthochschule Köln

Einleitung

Obwohl Sterberate und Rezidiv-Risiko für Brustkrebspatientinnen durch ausreichende kör-perliche Aktivität gesenkt werden können (z. B. Holmes et al., 2005; Irwin et al., 2008), ten-dieren Patientinnen nach der Therapie häufig zu Inaktivität (Blanchard et al., 2008). Die sta-tionäre Anschlussrehabilitation stellt ein optimales Setting für die begleitete Aktivierung derPatientinnen dar. Ziel dieser Studie war es, die Effekte eines individualisierten Trainingspro-gramms auf die körperliche Aktivität der Patientinnen zu überprüfen.

Methoden

Die Studienstichprobe umfasste 206 Patientinnen mit einem Durchschnittsalter von 55,9 Jah-ren. Ausschlusskriterien waren Metastasen und Zweitmalignome. Die Kontrollgruppe (n=91)bekam eine dreiwöchige Standardrehabilitation und wurde während des stationären Aufent-halts sowie 4, 8, 12, 18 und 24 Monate später zur körperlichen Aktivität befragt. In der Inter-ventionsgruppe (n=115) wurde ein individueller Trainingsplan von Patientinnen und Physio-therapeuten entwickelt, der die Fähigkeiten und Vorlieben der Patientinnen berücksichtigte(ca. 15–20 MET/Woche). Eine telefonische Beratung erfolgte 4–6 Wochen nach der Reha-bilitation, zudem wurden die Patientinnen nach 4 und 8 Wochen für jeweils einwöchige Auf-enthalte erneut in die Reha-Klinik eingeladen. Die Testintervalle waren die gleichen wie inder Kontrollgruppe. Physische Aktivität wurde u. a. durch Selbsteinschätzung erhoben(„Freiburger Fragebogen zur körperlichen Aktivität“, FFKA).

Ergebnisse

In der Interventionsgruppe steigerte sich die körperliche Aktivität von 1,35 Stunden/Wocheauf 4,44 Stunden/Woche innerhalb der ersten 8 Monate nach der Rehabilitation. Zwei Jahrenach der Rehabilitation lag das Aktivitätsniveau mit 2,75 Stunden/Woche immer noch deut-lich über dem Ausgangswert. In der Kontrollgruppe zeigte sich ein geringer Anstieg der kör-perlichen Aktivität von 1,01 Stunden/Woche auf 1,77 Stunden/Woche innerhalb der ersten8 Monate nach der Rehabilitation. Nach 2 Jahren war hier die körperliche Aktivität jedochwieder auf den Ausgangswert zurück gesunken (1.19 Stunden/Woche). Der Unterschied imAktivitätsniveau zwischen der Kontroll- und der Interventionsgruppe 2 Jahre nach der Reha-bilitation war statistisch signifikant (p<.001).

290

Abb. 1: Freiburger Fragebogen zur Körperlichen Aktivität. Dargestellt ist die Entwicklung der sport-lichen Aktivität über 2 Jahre in Stunden pro Woche für die Interventionsgruppe (hellgrau) unddie Kontrollgruppe (dunkelgrau).

Schlussfolgerung

Das individualisierte Trainingsprogramm hatte einen signifikant stärkeren Effekt auf die kör-perliche Aktivität der Patientinnen als die Standardrehabilitation. Der positive Effekt warauch nach 2 Jahren noch deutlich sichtbar. Neben der Effektivität konnten wir zeigen, dassein entsprechendes Trainingsprogramm gut in den Klinikalltag integriert werden kann.

Literatur

Blanchard, C.M., Courneya, K.S., Stein, K. (2008): Cancer survivors’ adherence to lifestylebehavior recommendations and associations with health-related quality of life: results fromthe American Cancer Society’s SCS-II. Journal of Clinical Oncology, 26 (13). 2198-2204.

Holmes, M.D., Chen, W.Y., Feskanich, D., Kroenke, C.H., Colditz, G.A. (2005): Physical Ac-tivity and Survival After Breast Cancer Diagnosis. The Journal of the American MedicalAssociation, 293. 2479-2486.

Irwin, M.L., Smith, A.W., McTiernan, A., Ballard-Barbash, R., Cronin, K., Gilliland, F.D.,Baumgartner, R.N., Baumgartner, K.B., Bernstein, L. (2008): Influence of pre-and post-diagnosis physical activity on mortality in breast cancer survivors: the health, eating,activity, and lifestyle study. Journal of clinical oncology, 26 (24). 3958-3964.

291

Zurück in den Beruf nach Krebs: Beratungsbedarf in der ambulanten psychosozialen Krebsberatung

Faust, T. (1), Giesler, J.M. (1), Ernst, J. (2), Kuhnt, S. (2), Mehnert, A. (2), Weis, J. (1)

(1) Klinik für Tumorbiologie Freiburg, (2) Abteilung für Med. Psychologie undMed. Soziologie, Universitätsklinikum Leipzig

Hintergrund

Krebserkrankungen stellen inzwischen vielfach chronische Erkrankungen dar, die für dieBetroffenen häufig eine lang andauernde und zum Teil wechselvolle Phase der Krankheits-anpassung und -bewältigung mit sich bringen. Etwa 36 % der Betroffenen befinden sich imAlter von 15 bis 64 Jahren (GEKID 2013). Für sie stehen neben Fragen der Krankheitsbe-wältigung häufig auch solche zur Rückkehr in den Beruf im Vordergrund (Mehnert, 2011).Ambulante psychosoziale Krebsberatungsstellen verstehen sich als Schnittstelle in der psy-choonkologischen Versorgung und bieten Tumorpatienten und Angehörigen ein häufig breitesSpektrum an Beratungsleistungen (Wickert et al., 2013). Der vorliegende Beitrag untersuchtauf der Basis eines von der Deutschen Krebshilfe e.V. (DKH) geförderten Forschungspro-jekts zur Evaluation des DKH-Förderschwerpunkts „Psychosoziale Krebsberatungsstellen“,welche berufsbezogene Beratungsleistungen von Ratsuchenden in Anspruch genommenwerden.

Methode

Die Datenerhebung erfolgte mithilfe eines EDV-basierten Dokumentationssystems, dasspeziell im Rahmen des Evaluationsprojekts entwickelt wurde. Es erfasst soziodemografi-sche und medizinische Merkmale der Ratsuchenden, die Anliegen und die erbrachten Be-ratungsleistungen. Für die vorliegende Analyse standen 23.780 dokumentierte persönliche(face-to-face) Kontakte von 4.944 Klienten von 23 Beratungsstellen (06.2013–05.2014) zurVerfügung. Es wurden alle Kontakte von Ratsuchenden im Alter von 18 bis 65 Jahren ein-bezogen. Zur Auswertung wurden im Wesentlichen Häufigkeitsanalysen und 2-Verfahrenherangezogen.

Ergebnisse

Das Alter der Ratsuchenden betrug im Mittel 50 (SD=10) Jahre. Dreiviertel der Ratsuchen-den (76 %) waren weiblich. 78 % der Ratsuchenden waren Tumorpatienten. Die Zeit seitErstdiagnose betrug im Mittel 27 Monate. Ein Drittel der Ratsuchenden war zum Zeitpunktdes Kontakts tumorfrei (33 %). Der Anteil der Erwerbstätigen betrug 64 %. 48 % der Ratsu-chenden waren zum Zeitpunkt der Beratung krankgeschrieben. Sozialrechtliche Fragen(27,3 %, 4.890 Kontakte) sind nach psychosozialen Fragestellungen (81,4 %, 14.574 Kon-takte) der zweithäufigste Grund für ein Beratungsgespräch in den Krebsberatungsstellen.Die Beratungsthemen, die innerhalb der Kontakte mit sozialrechtlichen Beratungsleistungendie Teilhabe am Berufsleben fokussieren, beziehen sich auf medizinische Rehabilitation(44,7 % der Kontakte), Arbeitsplatz und Beruf (11,9 % der Kontakte), ambulante oder stati-onäre Nachsorge (8,5 % der Kontakte) sowie berufliche Rehabilitation und stufenweise Wie-dereingliederung (7,0 % der Kontakte). Insgesamt zeigt sich, dass berufsbezogene Themenvom Schweregrad und der Prognose der Erkrankung abhängig sind. 42,0 % der Kontakte

292

mit Fragen zum Thema Arbeitplatz und Beruf gehen auf Ratsuchende zurück, die zum Zeit-punkt des Kontakts tumorfrei waren. Demgegenüber gehen lediglich 6,9 % dieser Kontakteauf Ratsuchende mit einem progredienten Zustand und 4,0 % der Kontakte auf Ratsuchen-den mit einer Teilremission zurück (2=33,5; df=4; p<0,000). Ähnlich stellt sich das Bild beider Inanspruchnahme der Beratung zu beruflicher Rehabilitation und stufenweiser Wieder-eingliederung dar. Die Hälfte der Kontakte mit diesem Beratungsanliegen geht auf Ratsu-chende zurück, die tumorfrei sind (50,0 %). Der Anteil derer mit einer Teilremission (2,9 %)bzw. einem progredienten Zustand (3,8 %) ist deutlich geringer (2=54,3; df=4; p<0,000).Weiterhin fällt auf, dass die Bedeutung berufsbezogener Leistungen mit höherem Bildungs-abschluss abnimmt. So kam über die Hälfte der Kontakte (50,9 %) mit einer Beratung zu Ar-beitsplatz und Beruf von Klienten, die eine Lehre abgeschlossen haben. Dem gegenübermacht der Anteil der Kontakte von Ratsuchenden mit einem Hochschulabschluss knappmehr als ein Fünftel (22,3 %) aus (2=28,3; df=4; p<0,000) aus.

Diskussion und Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse zeigen die hohe Relevanz berufsbezogener Beratungsthemen innerhalb dervon den ambulanten psychosozialen Krebsberatungsstellen angebotenen Leistungen. Siemachen deutlich, dass für bestimmte Patientengruppen das Thema Rückkehr in den Berufvon großer Bedeutung ist. Ebenso finden sich in diesen Analysen die von Mehnert (2011)ermittelten förderlichen Faktoren für eine Wiederaufnahme der Arbeit. Für die Zukunft gilt eszu klären, inwieweit die psychosozialen Krebsberatungsstellen den diesbezüglichen Bedarfder Ratsuchenden noch besser aufgreifen und entsprechende Hilfestellungen anbieten kön-nen.

Förderung: Deutsche Krebshilfe

Literatur

GEKID (2013): Atlas der Krebsinzidenz und Krebsmortalität der Gesellschaft der epidemio-logischen Krebsregister in Deutschland e. V. (GEKID). URL: http://www.gekid.de/Atlas/CurrentVersion/Inzidenz/atlas.html. Abruf: 08.10.2014.

Mehnert, A. (2011): Employment and work-related issues in cancer survivors. Critical Re-views in Oncology/Hematology, 77. 109-130.

Wickert, M., Lehmann-Laue, A., Blettner, G. (2013): Ambulante psychosoziale Krebsbera-tung in Deutschland – Geschichte und Versorgungssituation. In: E. Brähler, J. Weis(Hrsg.), Psychoonkologie in Forschung und Praxis. Stuttgart: Schattauer. 67-78.

293

Onkologische Rehabilitation (Poster)

Patientenkompetenz bei Patienten mit Mamma-, Kolon-/Rektum- oder Prostatakarzinom: Verändert sie sich in der onkologischen Rehabilitation?

Giesler, J.M. (1), Zeiss, T. (2), Weis, J. (1)

(1) Klinik für Tumorbiologie Freiburg, (2) Institut für Psychologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Hintergrund

Im Zuge der zunehmend stärker gewünschten Beteiligung von Patienten an Behandlungs-entscheidungen finden auch die hierfür erforderlichen Kompetenzen zunehmend Beachtungin Forschung und Praxis. In diesem Zusammenhang hat das Konzept der Patientenkompe-tenz im Kontext von Tumorerkrankungen in den letzten 10 Jahren in Deutschland an Bedeu-tung gewonnen. Zuletzt hat der Nationale Krebsplan für Deutschland im Rahmen des Hand-lungsfeldes 4 (Stärkung der Patientenorientierung) den Stellenwert der Patientenkompetenzbetont (Bundesministerium für Gesundheit, 2012), zugleich aber auf erheblichen For-schungsbedarf hingewiesen, der in Bezug auf dieses Konzept besteht. Da die Förderungder Patientenkompetenz im Hinblick auf die Nachhaltigkeit von Rehabilitationseffekten vonzentralem Interesse ist, untersucht der vorliegende Beitrag, inwieweit sich die Ausprägungvon Patientenkompetenzen während der onkologischen Rehabilitation verändert. Den An-knüpfungspunkt bildet dabei eine Arbeitsdefinition der Patientenkompetenz als Fähigkeit zurressourcengestützten Bewältigung einer lebensbedrohlichen chronischen Erkrankung wieKrebs, die eine erste empirisch gestützte Unterscheidung spezifischer Kompetenzen undderen Erfassung ermöglich hat (Giesler, Weis, 2009).

Methode

In einer multizentrischen Studie an 9 onkologischen Rehabilitationskliniken bearbeiteten Pa-tient/inn/en mit Mamma-, Kolon-/Rektum- oder Prostatakarzinom zu Beginn und Ende derRehabilitation sowie 9 Monate danach einen Fragebogen, der publizierte standardisierteVerfahren zur Erfassung von Patientenkompetenz (Giesler, Weis, 2008), Lebensqualität(EORTC QLQ-C30), Progredienzangst (PA-F-KF), bewältigungsbezogener Selbstwirksam-keit (CBI-B-D), Angst und Depression (PHQ-9), Coping (TSK) und soziodemografischer Merk-malen beinhaltete. Relevante medizinische Daten wurden der Patientenakte entnommen.

Die hier berichteten Analysen basieren auf den Daten der ersten beiden Messzeitpunkte(Beginn und Ende der Rehabilitation), für die Angaben von 368 Patient/inn/en vorlagen(112 mit Mamma-, 139 mit Kolon-/Rektum- und 117 mit Prostatakarzinom; medianes Alter61 Jahre, 49 % Frauen, 91 % erstmalig erkrankt, Stadium T1 oder T2 51 %, nodal positiv39 %). Zur Analyse der Veränderungen im Laufe der Rehabilitation wurden (Ko-)Varianz-analysen mit Messwiederholung für Progredienzangst, bewältigungsbezogene Selbstwirk-samkeit und Coping sowie die 8 Skalen des Verfahrens zur Selbsteinschätzung der Patien-tenkompetenz (Giesler, Weis, 2008) berechnet.

294

Ergebnisse

Die Messwiederholungsvarianzanalysen zeigen als auffälligen Befund, dass sich nahezu al-le untersuchten Lebensqualitätsmerkmale im Laufe der Rehabilitation signifikant und mitstarken Effekten in positiver Richtung verändern (z. B. Global Health p<.001, 2=.25), wäh-rend sich bei nur 2 von 5 problembezogenen (Selbstregulation p<.001, 2=.10, Interesse anSozialrecht p<.001, 2=.07), und bei einer von 3 emotionsbezogenen Patientenkompeten-zen (Bewältigung emotionaler Belastungen p<.05, 2=.04) signifikante, aber schwächereVeränderungen abzeichnen.

Diskussion und Schlussfolgerungen

Nach den hier darzustellenden Ergebnissen ist die Frage nach Veränderungen der Patien-tenkompetenz im Laufe der onkologischen Rehabilitation differenziert zu beantworten. Wäh-rend sich Selbstregulation, Interesse an Sozialrecht und Bewältigung emotionaler Belastun-gen im Zuge der onkologischen Rehabilitation geringfügig verändern, stellen sich andereKompetenzen als stabiler dar. Sofern sich Veränderungen zeigen, betreffen sie Merkmals-bereiche, die zentrale Zielsetzungen der onkologischen Rehabilitation repräsentieren, auchwenn hier aufgrund des nichtrandomisierten 1-Gruppen-Designs keine Aussagen über kau-sale Effekte möglich sind. Ebenso bleibt abzuwarten, welche Veränderungen sich bezüglichder Patientenkompetenzen zum Zeitpunkt des Follow-up 9 Monate nach Rehabilitation er-geben. Dennoch regen die beobachteten Ergebnisse dazu an, einzelne in der Rehabilitationeingesetzte Module weiter zielgerichtet in randomisierten Studien auf ihre möglichen Aus-wirkungen auf Patientenkompetenzen zu untersuchen. Die relative Stabilität der anderenhier analysierten Kompetenzen dürfte dagegen zum Teil auf spezifische Operationalisierun-gen wie die Vorgabe bestimmter Zeitfenster für die Beantwortung zurückzuführen sein. ImRahmen künftiger Studien bliebt hier deshalb unter anderem zu prüfen, inwieweit auch fürdiese Kompetenzen Veränderungen über spezifische Interventionen zu erreichen sind.

Förderung: Im gemeinsamen Förderschwerpunkt „Chronische Krankheiten und Patienten-orientierung“ von BMBF, Kranken- und Rentenversicherung.

Literatur

Bundesministerium für Gesundheit (2012): Nationaler Krebsplan. Handlungsfelder, ZieleUmsetzungsempfehlungen. http://www.bmg.bund.de/praevention/nationaler-krebs-plan.html. Zugriff: 03.11.2013.

Giesler, J.M., Weis, J. (2008): Developing a self-rating measure of patient competence inthe context of oncology: a multi-center study. Psychooncology, 17. doi: 10.1002/pon.1330. 1089-1099.

Giesler, J.M., Weis, J. (2009): Patientenkompetenz. In: Koch, U., Weis, J. (Hrsg.): Jahrbuchder Medizinischen Psychologie 22: Psychoonkologie. Eine Disziplin in der Entwicklung.Göttingen: Hogrefe. 158-170.

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Pneumologische Rehabilitation

Lungenfunktionsergebnisse der RIMTCOR-Studie – eine randomisiertereal life-Studie (RCT)

Schultz, K. (1), Jelusic, D. (1), Wittmann, M. (1), Huber, V. (1), Krämer, B. (1), Fuchs, S. (1), Wingart, S. (1), Lehbert, N. (1), Stojanovic, D. (1), Schuler, M. (2)

(1) Klinik Bad Reichenhall, Zentrum für Rehabilitation, Pneumologie und Orthopädie, Fachbereich Pneumologie, (2) Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie,

Abteilung für Medizinische Psychologie und Psychotherapie, Medizinische Soziologieund Rehabilitationswissenschaften, Universität Würzburg

Hintergrund

Bisher ist unklar, ob ein zusätzliches routinemäßiges Inspirationsmuskeltraining (IMT) dieErgebnisse einer stationären 3-wöchigen Rehabilitation bei COPD-Patienten verbessernkann (Decramer, 2009, Gosselink et al., 2011). Daher wird IMT in den einschlägigen COPD-Reha-Leitlinien bisher nicht als Routinekomponente empfohlen (Ries et al., 2007).

Methode

Prospektive, extern randomisierte, einfachblinde Interventionsstudie. Einschlusskriterien:COPD-Patienten der Schweregrade II–IV die von 2/2013–7/2014 regelrecht eine intensiveund umfassende 3-wöchige stationäre pneumologische Rehabilitation (PR) durchliefen.Ausschlusskriterien: Mangelnde sprachliche oder kognitive Mitwirkungsfähigkeit, sehrschwere Begleiterkrankungen, die ihrerseits die Outcome-Parameter mehr beeinflussen alsdie COPD, z. B. Bronchialkarzinom, PCO2 ≥50 mmHg in Ruhe oder Indikation zur intermit-tierenden nichtinvasiven Beatmung (NIV). Exazerbationen während der Reha oder andereKomorbiditäten waren kein Ausschlusskriterium (real life). Die Kontrollgruppe (KG) durchliefdasselbe intensive Reha-Programm wie die Interventionsgruppe (IG), absolvierte aber zu-sätzlich tgl. 21 Min. ein „Entspannungs-IMT“ (ohne Widerstand = Placebotraining), währenddie IG tgl. 21 Min. zusätzlich ein hochintensives IMT-Krafttraining absolvierte. Als primärerOutcome-Parameter war vorab der Zuwachs an PI max. (max. inspiratorische Atemmuskel-kraft) am Ende der Rehabilitation festgelegt worden. Statistik: Zur Analyse des Interven-tionseffektes wurden Kovarianzanalysen mit den T1-Werten als abhängige, Gruppenzu-gehörigkeit als unabhängige und T0-Werten als Kovariaten durchgeführt. Effektstärken derInnergruppeneffekte werden mittels Standardized Response Mean (SRM), die derZwischengruppeneffekte mittels partiellem eta² (p.eta²) angegeben. Effekte mit SRM≥0,2/0,5/0,8 bzw. p.eta² ≥0,01/0,06/0,13 werden als klein/mittel/groß bewertet.

Stichprobe

Über 550 konsekutive COPD-Patienten wurden eingeschlossen, jeweils >250 in der IG undin der KG.

Ergebnisse

Beide Gruppen zeigen nach der dreiwöchigen Rehabilitation jeweils statistisch signifikante(p<0.05) Verbesserungen u. a. bezüglich folgender Lungenfunktionsmesswerte: PI max.,

296

VC (Vitalkapazität), FEV1 (exspiratorische Einsekundenkapazität) und FIV1 (inspiratori-sche. Einsekundenkapazität), d. h. auch die „Standard-Reha“ ohne Kraft-IMT führt zu kli-nisch relevanten Verbesserungen wichtiger Lungenfunktionsparameter. Signifikante Inter-gruppenunterschiede fanden sich aber darüber hinaus für den primären Studien-Outcome-Parameter PI max. und für die inspiratorische Einsekundenkapazität (FIV1)zugunsten derIG (vgl. Tabelle 1).

Tab.1: Veränderung wichtiger Lungenfunktionsparameter am Ende der Rehabilitation (IG = Interven-tionsgruppe, KG = Kontrollgruppe, T0 = Reha-Beginn, T1 = Reha-Ende)

Diskussion

Unseres Wissens erstmals konnte somit in einer randomisierten Placebo-kontrollierten In-terventionsstudie nachgewiesen werden, dass ein Kraft-IMT als routinemäßiges Add-on imRahmen einer intensiven 3-wöchigen stationären PR zu einer signifikanten Verbesserungder maximalen Kraft der Inspirationsmuskulatur (PI max.) führt. Zudem fand sich gegenüberder Kontrollgruppe eine signifikante Verbesserung der inspiratorischen Einsekundenkapazi-tät. Die weitere, gerade erst begonnene, Auswertung des umfangreichen Datenmaterialswird u. a. auf das unterschiedliche Ansprechen bei verschiedenen Subgruppen fokussieren,sowie den Effekt des IMT auf sekundäre Outcomes wie körperliche Leistungsfähigkeit(6-MWD) und Lebensqualität.

Förderer: Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd

Literatur

Decramer, M. (2009): Response of the respiratory muscles to rehabilitation in COPD. J ApplPhysiol.,107. 971-976.

Gosselink, R., De Vos, J., van den Heuvel, S.P., Segers, J., Decramer, M., Kwakkel, G.(2011): Impact of inspiratory muscle training in patients with COPD: what is the evidence?Eur Respir J., 37. 416-425.

Ries, A.L., Bauldoff, G.S. et al. (2007): Pulmonary Rehabilitation: Joint ACCP/AACVPR Ev-idence-Based Clinical Practice Guidelines. Chest. 131(5 Suppl). 4S-42S.

Gruppe MSD (T0)

MSD (T1)

MSD (T1-T0)

SRM(T1-T0)

p (T1-T0)

p. eta² p (Gruppe)

PI max [kPa]IG 6.822.42 8.512.40 1.701.66 1.03 < 0.05

0.097 P < 0.001KG 6.802.24 7.542.38 0.741.43 0.52 < 0.05FIV1 [l]IG 2.900.91 3.260.92 0.370.64 0.57 < 0.05

0.008 P = 0.028KG 2.940.97 3.190.98 0.260.55 0.46 < 0.05FEV1 [l]IG 1.560.612 1.770.70 0.210.39 0.54 < 0.05

0.001 P = 0.430KG 1.530.62 1.720.68 0.190.32 0.58 < 0.05VC [l]IG 3.210.97 3.460.97 0.250.64 0.40 < 0.05

0.000 P = 0.970KG 3.191.01 3.44 1.01 0.250.52 0.49 < 0.05

297

Psychische Komorbidität bei COPD-Patienten: Welche Langzeiteffekte zeigen sich nach einer stationären pneumologischen Rehabilitation?

Schwaighofer, B. (1), Jelusic, D. (1), Wittmann, M. (1), Schuler, M. (2), Schultz, K. (1)

(1) Klinik Bad Reichenhall, Zentrum für Rehabilitation, Pneumologie und Orthopädie,Bad Reichenhall, (2) Universität Würzburg, Abteilung für Medizinische Psychologie,

Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften

Hintergrund

In Studien konnten ausgeprägte Komorbiditäten mit psychischen Störungen bei COPD-Pa-tienten, die für Verlauf, Prognose und Therapieplanung der COPD von Bedeutung sind, fest-gestellt werden. Zudem konnte gezeigt werden, dass Reha-Programme Angst- und Depres-sionssymptome im Vergleich zur Regelversorgung signifikant reduzieren (Coventry, 2007).Über die Nachhaltigkeit dieser Effekte ist bislang wenig bekannt.

Methode

Von Februar 2013 bis Juli 2014 wurden 200 COPD-Rehabilitanden mittels PHQ-9 und GAD-7systematisch bezüglich Depressions- und Angstsymptomen jeweils zu Beginn (T0), En-de (T1), 3 (T2) und 6 Monate (T3) nach Beendigung der Reha befragt.

Ergebnisse

Zu T0 erfüllten 28,5 % aller Patienten die Verdachtskriterien einer Major-Depression (MD)(PHQ 9≥10) und 24,5 % zeigten klinisch relevante Angstsymptome (AS) (GAD7 ≥10). 18 %hatten sowohl Symptome einer MD wie auch AS.

6 Monate nach Beendigung der Rehabilitation reduzierte sich der Anteil der MD-Verdachts-diagnosen auf 19,5 % und jener für AS auf 17 %. Bei den Patienten mit Symptomen einerMD und AS reduzierte sich die Anzahl der Betroffenen auf 14,5 %.

Die Analyse ergab eine signifikante Reduktion von Betroffenen mit MD oder AS im VergleichT0 zu T1 und T3; der Vergleich zu T2 war nicht signifikant. Die Berechnungen für Betroffenemit MD und AS wiesen auf eine signifikante Reduktion der Symptome zwischen T0 und T1hin; es ergaben sich keine signifikanten Ergebnisse im weiteren Verlauf (Tab.1).

Tab. 1: Ergebnisse zu den Verdachtsdiagnosen

Tabelle 1 T0 T1 T2 T3

Verdachtsdiagnosen N % N % N % N %

Major-Depression57 28,5 % 29 14,5 % 48 24,0 % 39 19,5 %

p<0.000 p=0,233 p=0,025

Angststörung49 24,5 % 26 13,0 % 42 21,0 % 34 17,0 %

p<0.000 p=0,337 p=0,025

Major-Depression undAngststörung

36 18,0 % 19 9,5 % 33 16,5 % 29 14,5 %

p=0.001 p=0,728 p=0,296

298

Beide Test-Scores waren im Vergleich T0 zu T1 und T3 signifikant geringer; es ergaben sichkeine signifikanten Unterschiede zu T2 (Tab.2).

Tab. 2: Test-Scores

Diskussion

Es konnte eine Reduktion von Depressions- und Angstsymptomen, auch 6 Monate nach Be-endigung der Rehabilitation, festgestellt werden.

Der Anteil der Patienten, die sowohl eine Major-Depression als auch eine Angststörung auf-wiesen, hat sich nur kurzfristig reduziert.

Literatur

Coventry, A.P., Hind, D. (2007): Comprehensive pulmonary rehabilitation for anxiety anddepression in adults with chronic obstructive pulmonary disease: Systematic review andmeta-analysis.Journal of Psychosomatic Research 63. 551-565.

Unterstützung der Lebensstiländerung von COPD-Patientendurch ein Planungskompetenztraining

Arling, V. (1), Kienast, K. (2), Slavchova, V. (1), Pütz, D. (2), Hartenfels, S. (2), Spijkers, W. (1)

(1) RWTH Aachen, (2) Pneumologie Hufeland-Klinik Bad Ems

Hintergrund

Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (chronic obstructive pulmonary disease –COPD) ist gekennzeichnet durch eine nicht vollständige reversible Atemwegsobstruktionauf dem Boden einer chronischen Bronchitis sowie eines Lungenemphysems. Hauptsym-ptome sind Auswurf, Husten, zunehmende Atemnot (AHA). Die Prävalenz ist mit dem Alterstark zunehmend, sie ist bei Männern fast doppelt so hoch, wie bei Frauen. Bei der Behand-lung der AHA-Symptome spielen neben der bronchodilatatorischen/antiinflammatorischenTherapie die physikalische Therapie im Rahmen der stationären pneumologischen Rehabi-litation sowie Raucherentwöhnungsprogramme traditionell eine große Rolle. Wir möchtendurch eine gezielte Psychoedukation eine nachhaltige Verhaltens- und Lebensstiländerungin der Weise bewirken, dass Abläufe am Arbeitsplatz und im häuslichen Umfeld dem redu-zierten Leistungsvermögen der COPD-Patienten angepasst werden. So soll eine beruflicheund soziale Abwärtsspirale abgefangen werden.

Tabelle 2 T0 T1 T2 T3

Tests-Scores M SD M SD M SD M SD

PHQ-96,98 4,912 4,89 4,434 6,39 5,432 6,11 5,527

p<0,000 p=0,060 p=0,005

GAD-7 6,29 4,707 4,56 4,511 5,77 5,353 5,51 4,764

p<0,000 p=0,106 p=0,013

299

Ziel der Vorstudie war es nun zu erproben, inwiefern COPD-Patienten mittels eines Pla-nungskompetenztrainings (PKT; Arling, 2014) übergeordnete Fähigkeiten vermittelt werdenkönnen, die einerseits ihre konkrete Planungskompetenz sowie ihre metakognitive Analyse-und Problemlösefähigkeit unterstützen.

Methode

Das PKT besteht insgesamt aus vier Planspieleinheiten, einer Transfersitzung (Gruppe)und einem individuellen Abschlussgespräch. Im Sinne des Selbstinstruktionstrainings vonMeichenbaum (1979) werden im Rahmen dieser 4 bzw. 5 Sitzungen (individuelle) Planungs-strategien bzgl. der Lebensstiländerungen im Alltag identifiziert sowie adäquate Selbstinst-ruktionen für eine erfolgreiche Handlungsumsetzung erarbeitet (vgl. Goldfried, Davison,1979). Laut Harlow (1949) unterstützt das Erwerben von Problemlösefähigkeit einen Men-schen darin, eine Lerneinstellung zu entwickeln, „mit deren Hilfe er dann viele unterschied-liche Situationen besser bewältigen kann“ (zit. nach Goldfried, Davison, 1979, S. 129).

Eine Erfolgskontrolle der Lebensstiländerung erfolgte mittels des Kurzfragebogens CAT(GlaxoSmithKline, 2009) zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Folgen von COPD über8 Items im 5-stufigen Likert-Format (Beispielitem: 1 - Ich bin voller Energie bis 5 - Ich habeüberhaupt keine Energie).

An der Untersuchung partizipierten 38 Patienten einer entsprechenden Rehabilitationsein-richtung, wovon 20 Personen (m=12, w=7, kA=1) das PKT komplett abschlossen.

Ergebnisse

Die Berechnung einer ANOVA mit Messwiederholung ergibt eine hochsignifikante Leis-tungssteigerung im PKT (F[3,57] = 7,386, p<0,0001). Bonferroni-korrigierte Post-Hoc-Testszeigen, dass sich die Teilnehmer in ihrer Leistung vom Tour-Planer (AM-%=41,15;SD=5,07) zum Einkaufs-Planer (AM-%=59,23; SD=5,63) mit einer Steigerung von ca. 20 %signifikant verbesserten (p=0,024). Für den Prä-Post-Test vom Tour- zum Routen-Planerbildet sich eine deskriptive Tendenz (n. s.) dahin gehend ab, dass die individuelle Leistungder zu erreichenden Punkte im Schnitt um 7,95 % gesteigert werden konnte (vgl. Abb. 1).

Befragt bezüglich der Umsetzung der Psychoedukation in das Alltagsleben gaben 9 Perso-nen an, die gesetzten Ziele erreicht zu haben, während 10 Rehabilitanden ein eher negati-ves Resümee abgaben (n=1 keine Rückmeldung). Es zeichnet sich eine Tendenz dahingehend ab, dass ein hoher CAT-Wert zum Nachbefragungszeitpunkt und somit ein hohesKrankheitserleben mit schlechten Routen-Planer-Werten korreliert ist (r=−0,52, p=0,084,2-seitig).

300

Abb. 1: Leistungsveränderung über die 4 Planspiele

Diskussion und Ausblick

Eine grundsätzliche Verbesserung der Planungskompetenz konnte mittels Training erzieltwerden. Die Tatsache, dass nahezu die Hälfte der Teilnehmer angab, die gesetzten Zieleder Transfersitzung im Alltag erreicht zu haben, ist als positives Indiz zu werten. Die Verbes-serung über das Training hinweg zeigt, dass mit dem PKT positive Effekte erzielt werdenkonnten. Die Tendenz, dass hohe CAT-Werte mit niedrigem Routen-Planer assoziiert sind,spricht dafür, dass das Thema Planung gezielt Berücksichtigung finden sollte, um Verbes-serungen in der Risikogruppe zu erreichen. Die Befunde sind als erste Hinweise zu werten,dass ein gezieltes PKT bei COPD-Patienten einen anstoßenden und stabilisierenden Ein-fluss auf die überlebenswichtige Lebensstiländerung hat.

Literatur

Arling, V. (2014): Handbuch Planungskompetenztraining. RWTH Aachen: Lehr- und For-schungsgebiet Berufliche Rehabilitation.

Bucknall, C.E., Miller, G., Lloyd, S.M., Cleland, J., McCluskey, S., Cotton, M., Stevenson, R. D.,Cotton, P., McConnachie, A. (2012): Glasgow supported self-management trial (GSuST)for patients with moderate to severe COPD: randomised controlled trial. BMJ, 344. 1-13.

301

GlaxoSmithKline (2009): COPD Assessment Test™ (CAT). Online unter http://www.luft-zum-leben.de/lzl/content/e6035/e6152/e6153/e6216/COPD-test-deutsch_ger.pdf. Ab-ruf: 09.10.2014

Goldfried, M.R., Davison, G.C. (1979): Klinische Verhaltenstherapie. Berlin: Springer.Meichenbaum, D. (1979): Kognitive Verhaltensmodifikation. München: Urban und Schwar-

zenberg.

Effekt der pädagogisch-didaktischen Weiterentwicklung des Curriculums „Asthma bronchiale“ der Deutschen Rentenversicherung Bund

auf die Verständlichkeit der Patientenschulung

Bäuerle, K. (1), Feicke, J. (2), Spörhase, U. (2), Scherer, W. (3), Bitzer, E.M. (1)

(1) Institut für Alltagskultur, Bewegung und Gesundheit, Pädagogische Hochschule Freiburg, (2) Institut für Biologie und ihre Didaktik, Pädagogische Hochschule Freiburg,

(3) Reha-Zentrum Utersum auf Föhr der Deutschen Rentenversicherung Bund

Hintergrund

Patientenschulungen sind ein zentrales Element der medizinischen Rehabilitation bei chro-nischen Erkrankungen mit dem Ziel der Förderung der Gesundheitskompetenz (Bitzer et al.,2009). Das Verstehen von Informationen ist ein bedeutsamer Teilaspekt von Gesundheits-kompetenz und die Verständlichkeit einer Patientenschulung ein wichtiges proximales Ziel-kriterium (Farin et al., 2013). In der praktischen Durchführung von Schulungsprogrammenzeigen sich noch Entwicklungspotentiale insbesondere hinsichtlich der Didaktik und Methodik(Reusch et al., 2013). Dementsprechend ist es das Anliegen der vorliegenden Studie, dieAsthma-Schulung der Deutschen Rentenversicherung Bund weiterzuentwickeln und insbe-sondere eine klare Strukturierung, ein teilnehmerorientiertes Sozialklima sowie kognitiv akti-vierende Elemente als Unterrichtsqualitätskriterien zu integrieren (Feicke, Spörhase, 2012).Für den Erfolg einer solchen Maßnahme sind Aspekte wie Akzeptanz und Verständlichkeitwichtige Voraussetzungen – hierzu werden im Folgenden erste Ergebnisse vorgestellt.

Methodik

In einem prospektiven Kontrollgruppendesign mit 4 Messzeitpunkten werden RehabilitandIn-nen mit der Hauptindikation „Asthma bronchiale“ im Reha-Zentrum Utersum schriftlich be-fragt. Personen die zwischen 04.2013 und 11.2013 aufgenommen wurden, durchliefen dasursprüngliche Schulungsprogramm. Nach der Implementation der weiterentwickelten Schu-lung wurde von 04.2014 bis 10.2014 die Interventionsgruppe rekrutiert. Am Ende des Reha-bilitationsaufenthaltes bearbeiteten die Teilnehmenden den COHEP-Fragebogen zur Erfas-sung der Verständlichkeit der Schulung (Farin et al., 2013). Das Instrument umfasst 30Items, die 4 Skalen zugeordnet werden können: Verständnisförderndes Verhaltens der Schu-lungsleiter (z. B. „bezogen die Patienten mit ein, so dass sie ihre eigenen Erfahrungen ein-bringen konnten“), Übertragbarkeit der Informationen auf den Alltag (z. B. „war alltagsnahaufgebaut“), Verständlichkeit der medizinischen Information (z. B. „waren sehr verständlich“)und Menge an Informationen (z. B. „es wurden zu viele Informationen vermittelt“).

302

Ergebnisse

Die Fragebögen wurden insgesamt von n=4 24 RehabilitandInnen bearbeitet. Das Durch-schnittsalter der Teilnehmenden beträgt 50,6 Jahre (SD=9,4), 75,1 % sind weiblich und siekennen ihre Diagnose im Mittel seit 22,7 Jahren (SD=23,9). Es bestehen keine bedeut-samen Unterschiede bezüglich Alter, Geschlecht und Zeit seit Diagnose zwischen der Inter-ventions- und Kontrollgruppe (ANOVA, p=.23; 2-Test, p=.23; ANOVA, p=.48).

Anm.: Wertebereich transformiert 0–100, höhere Werte weisen auf eine bessere Verständlichkeit hin.

Tab. 1: Skalenmittelwerte der COHEP – Subskalen in Interventions- und Kontrollgruppe bezüglich derVerständlichkeit der Patientenschulung und Test auf signifikante Gruppenunterschiede

Die RehabilitandInnen beider Gruppen liegen mit ihrer Einschätzung der Verständlichkeitder Schulung bei allen Teilbereichen im oberen Drittel des möglichen Wertebereichs. Hin-sichtlich der Beurteilung des verständnisfördernden Verhaltens der Schulungsleiter zeigtsich, dass sich Kontroll- und Interventionsgruppe bedeutsam voneinander unterscheiden(s. Tab. 1). Der Vergleich der weiteren COHEP-Subskalen zeigt keine signifikanten Unter-schiede.

Diskussion und Ausblick

Die Ergebnisse der Untersuchung liefern Hinweise darauf, dass das Curriculum Asthmabronchiale eine hohe Verständlichkeit aufweist. Die Verbesserung der Werte hinsichtlichdes verständnisfördernden Verhaltens der Schulungsleiter kann auf die Integration von Ele-menten zurückzuführen sein, die ein teilnehmerorientiertes Sozialklima fördern. DiesesQualitätskriterium spiegelt sich in den Items der Subskala wieder (z. B. „förderten den Aus-tausch zwischen den Patienten, so dass man von anderen lernen konnte“). Die fehlendensignifikanten Verbesserungen in den restlichen Bereichen zeigen, dass auch das ursprüng-liche Programm eine hohe Akzeptanz aufwies. Zudem mag die im weiterentwickelten Curri-culum integrierte Aktivierung der Teilnehmer nicht von allen RehabilitandInnen als positivempfunden werden, es führte jedoch zu keiner Akzeptanzminderung. Inwieweit das weiter-entwickelte Schulungsprogramm eine höhere Wirksamkeit im Vergleich zum ursprünglichenCurriculum aufweist, wird nach Abschluss der Follow-up-Befragungen geprüft.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

SkalaKG

n=192IG

n=185

Test aufSignifikanz

T-Test

COHEP MW (SD) MW (SD) df F p d

Verständnisförderndes Verhal-tens der Schulungsleiter

80,96 (13,57) 84,71 (12,51) 1 ,241 ,005 ,29

Übertragbarkeit der Informatio-nen auf den Alltag

84,08 (11,90) 84,20 (10,96) 1 ,453 ,921 ,01

Verständlichkeit der medizini-schen Information

87,27 (10,53) 86,44 (10,29) 1 ,308 ,433 -,06

Menge an Informationen 75,97 (18,50) 76,14 (20,73) 1 ,221 ,931 ,01

303

Literatur

Bitzer, E.M., Dierks, M.L., Heine, W., Becker, P., Vogel, H., Beckmann, U., Butsch, R., Dör-ning, H., Brüggemann, S. (2009): Teilhabebefähigung und Gesundheitskompetenz in dermedizinischen Rehabilitation – Empfehlungen zur Stärkung von Patientenschulungen.Die Rehabilitation, 48. 202-210.

Farin, E., Nagl, M., Ullrich, A. (2013): The comprehensibility of health education programs:Questionnaire developement and results in patients with chronic muscoloskeletal disea-ses. Patient education and counseling, 90. 239-246.

Feicke, J., Spörhase, U. (2012): Impulse aus der Didaktik zur Verbesserung von Patienten-schulungen. Die Rehabilitation, 51 (05). 300-307.

Reusch, A., Schug, M., Küffner, R., Vogel, H., Faller, H. (2013): Gruppenprogramme der Ge-sundheitsbildung, Patientenschulung und Psychoedukation in der medizinischen Rehabi-litation 2010 – Eine Bestandsaufnahme. Die Rehabilitation, 4. 226-232.

Davoser-Outcome-Studie (DOS) – Ergebnisse stationärer pneumologischer und dermatologischer Heilbehandlungen im Spiegel

von drei Nacherhebungen

Schmidt, J. (1), Nübling, R. (1), Kriz, D. (1), Kaiser, U. (2, 3)

(1) Gesellschaft für Qualität im Gesundheitswesen, Karlsruhe, (2) Hochgebirgsklinik Davos, (3) Institut für sportmedizinische Prävention und Rehabilitation Mainz/Davos

Hintergrund

Erkrankungen der Atemwege und der Haut haben eine beträchtliche volkswirtschaftlicheBedeutung und führen bei den Betroffenen zu hohen Belastungen (Aumann et al., 2014;Schultz, 2014). Eine adäquate Behandlung dieser Patienten umfasst neben der kurativenVersorgung auch die medizinische Rehabilitation, die vorwiegend wohnortfern durchgeführtwird. Obwohl ihr Nutzen international als nachgewiesen gilt, wird der pneumologischen unddermatologischen Rehabilitation in der Öffentlichkeit und der Fachwelt leider zumeist eineeher nachrangige Bedeutung beigemessen. Zu Unrecht, wie die Autoren meinen. Im Fokusdes Beitrags stehen kurz-, mittel- und längerfristige Ergebnisse stationärer pneumologisch-dermatologischer Heilbehandlungen in der Hochgebirgsklinik Davos (1.600 m), die in einerbreit angelegten Verlaufsstudie überprüft wurden.

Methodik

Die Davoser-Outcome-Studie (DOS) ist eine prospektive einarmige Beobachtungsstudie,welche patientenseitig 5 schriftliche Datenerhebungen (A = Aufnahme, E = Entlassung,Nachbefragungen 6, 12 und 24 Monaten nach Entlassung = K1, K2, K3) und arztseitig2 Messungen (A und E) umfasst (vgl. Kaiser et al., 2011; 2013). Das Assessment beinhaltetedemographische, somatische, psychosoziale, krankheits- und behandlungsbezogene undgesundheitsökonomische Parameter. Auf generischer Ebene kamen u. a. HADS, SF-12,IRES-24, FKV-LIS, GAF, BSS, M-Score, indikativ SGRQ, FLQA sowie die Parameter FEV1,sRAW, PASI und SCORAD zum Einsatz. Im Untersuchungszeitraum nahmen 61 % der

304

Neuaufnahmen an der Studie teil. Die Ausgangsstichprobe umfasste n= 896 Patienten mitunterschiedlichen pneumologischen und dermatologischen Hauptdiagnosen (Frauenanteil:knapp 60 % Frauen, Durchschnittsalter: 49,1 Jahre, mittlere Behandlungsdauer 27,4 Tage).Die Erfassungsquoten bei den 3 Nacherhebungen lagen bei 80,4 %, 73,4 % und 65,8 %.

Ergebnisse

Es konnten bemerkenswert hohe patientenseitige Nutzenbewertungen der Heilbehandlungsowie eine konstant hohe Zufriedenheit mit der Behandlung beobachtet werden – konstantüber alle Messzeitpunkte hinweg (Schmidt et al., under review)! Bei Entlassung zeigte sicheine beachtliche Besserung des gesundheitlichen Befindens (ES=1,26), die sich im weiterenzeitlichen Verlauf zwar etwas abschwächte, 2 Jahre nach Entlassung aber noch eine guteNachhaltigkeit zeigte (ES=0,60). Geringere Effektgrößen lagen bei HADS, SF-12. SGRQund FLQA vor (siehe Tab. 1).

Tab. 1: Veränderungen über die Zeit in ausgewählten Ergebnisparametern

Mittels zielorientierter Ergebnismessung (ZOE; Gerdes, 1998) konnten weiterhin nachhalti-ge Besserungen der Atem- und Hautbeschwerden festgestellt werden. Bei den überprüftenErgebnisparametern (1-Sekunden-Kapazität, spezifischer Atemwegswiderstand, PASI-In-dex und SCORAD-Index) waren bei Entlassung ebenfalls zum Teil deutliche positive Verän-derungen zu verzeichnen. Auch im kostenrelevanten Bereich, bei dem 3 Zeitperioden ver-glichen wurden (1 Jahr vor der Behandlung, 1. und 2. Jahr nach der Behandlung) konntenReduktionseffekte bis zu 40–50 % in den Post-Zeiträumen beobachtet werden (z. B. hin-sichtlich stationärer Krankenhaustage wegen Atemwegs- und Hauterkrankungen, Notarzt-kontakten und AU-Zeiten). Äußerst hoch waren auch die beobachteten Return-to-work-Quo-ten nach der Heilbehandlung (92,2 % 6 Monate nach Entlassung und 87,1 % 2 Jahre nachEntlassung).

305

Diskussion und Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse zeigen, dass stationäre Heilbehandlungen in der Hochgebirgsklinik Davos– größtenteils Rehabilitationsmaßnahmen – zu moderaten bis deutlichen kurz- und länger-fristigen Verbesserungen bei Patienten mit Atemwegserkrankungen und Hauterkrankungenführen. Die vorliegenden Resultate deuten – zumindest in Teilaspekten – eine zufriedenstel-lende Nachhaltigkeit der Effekte an und bestätigen frühere Evaluationsstudien in großemMaße. Die methodischen Probleme und Einschränkungen der Studie werden abschließenddiskutiert.

Förderung: Europäisches Allergie und Asthma Centrum Davos

Literatur

Aumann, I., Prenzler, A., Graf v. d. Schulenburg, J.-M. (2014): Lungen- und Atemwegser-krankungen in Deutschland. In: Gillissen, A., Welte, T. (Hrsg.): Weißbuch Lunge 2014.Herne: Frischtexte Verlag. 15-18.

Gerdes, N. (1998): Rehabilitationseffekte bei „zielorientierter Ergebnismessung“. Ergebnis-se der IRES-ZOE-Studie 1996/97. Deutsche Rentenversicherung, 3-4. 217-238.

Kaiser, U., Schmidt, J., Kriz, D., Nübling, R. (2013): Davoser-Outcome-Studie (DOS): Er-gebnisse der Einjahreskatamnese. DRV-Schriften, Bd. 101. 454-455.

Kaiser, U., Nübling, R., Schmidt, J., Ohnmacht, M. (2011): Effekte stationärer pneumologi-scher und dermatologischer Behandlungen: Erste Ergebnisse der Davoser Outcome Stu-die (DOS). DRV-Schriften, Bd. 93. 442-444.

Schmidt, J., Kaiser, U., Kriz, D., Nübling, R. (under review). Die Davoser Outcome-Studie(DOS) – Ergebnisse stationärer pneumologischer und dermatologischer Heilbehandlun-gen im Spiegel wiederholter Nacherhebungen. Prävention und Rehabilitation.

Schultz, K. (2014): DGRW-Update: Relevanz und Evidenz der pneumologischen Rehabili-tation am Beispiel der chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen (Erwachsene). DieRehabilitation, 53. 146-154.

306

Rehabilitation bei psychischen Störungen I

Wie sieht eine patientengerechte Vorbereitung auf die stationäre psychosomatische Rehabilitation aus? – Ergebnisse einer

qualitativen Untersuchung

Gerzymisch, K. (1), Beutel, M.E. (1), Schmädeke, S. (3), Bischoff, C. (3), Hagen, K. (2), Knickenberg, R.J. (2), Zwerenz, R. (1)

(1) Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitäts-medizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, (2) Psychosomatische Klinik

Bad Neustadt der Rhön-Klinikum AG, (3) AHG Klinik für Psychosomatik Bad Dürkheim

Hintergrund

Die aktive Mitarbeit eines Patienten trägt ganz wesentlich zum Erfolg einer stationären psy-chosomatischen Behandlung bei. Eine unzureichende Behandlungsvorbereitung und -infor-mation stellt einen wesentlichen Risikofaktor für Motivationsdefizite und mangelhafte aktiveMitarbeit des Patienten dar. Damit steigt auch das Risiko für ausbleibenden Behandlungs-erfolg und eine fehlende berufliche Wiedereingliederung. Folglich kommt einer patienten-gerechten Vorbereitung und Informationsvermittlung vor der stationären Aufnahme zurSteigerung realistischer Behandlungs- und Ergebniserwartungen und berufsbezogenerTherapiemotivation eine hohe Bedeutung zu – auch auf dem Hintergrund begrenzter Be-handlungstage im stationären Setting. Bislang erfolgt die Informationsvermittlung zur Vorbe-reitung auf die stationäre Rehabilitation vorwiegend textbasiert. Im Rahmen der StudieReh@:Info wird ein videobasiertes Online-Informationsportal, zunächst exemplarisch für diestationäre psychosomatische Rehabilitation, entwickelt und evaluiert.

Methodik

Um das geplante Angebot zielgruppengerecht zuschneiden zu können, wurden in einem ex-plorativen Studienteil Erwartungen und Informationsbedarf von Patienten zweier Klinikenbezüglich stationärer psychosomatischer Rehabilitation in Form von Fokusgruppen wäh-rend des Reha-Aufenthaltes erhoben. In einer weiteren Fokusgruppe wurden verschiedeneBerufsgruppen innerhalb der Rehabilitationseinrichtungen (= Experten) zu Ihren Wünschenund Erwartungen an das Projekt sowie Erfahrungen mit der bisherigen Vorbereitung der Pa-tienten befragt. Alle Fokusgruppen wurden videografiert, transkribiert und anschließend in-haltsanalytisch ausgewertet.

Ergebnisse

Es wurden 2 Experten- (n=18) und 4 Patientenfokusgruppen (n=31) durchgeführt. LautSelbstbericht der Rehabilitanden wurde die Klinikwebsite zwar mehrheitlich zur Informa-tionssuche genutzt, der Informationsbedarf der Patienten jedoch darüber nicht abgedeckt.Ferner nahmen viele Rehabilitanden die Online-Informationen als zu textlastig, unübersicht-lich und kognitiv überfordernd wahr. Unsicherheiten und Ängste vor Behandlungsbeginnwurden retrospektiv vor allem hinsichtlich der Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der Behand-

307

lung berichtet. Auch die Kontakte mit Mitpatienten wurden retrospektiv als angstbesetzt be-schrieben, im Verlauf der Rehabilitation dann jedoch auch als größte Ressource wahrge-nommen. Beim Vergleich von Experten- und Patientenaussagen zeigte sich weitgehendeEinigkeit bei bedeutsamen Erfolgsvariablen im Behandlungsprozess (Hilfe zur Selbsthilfe,Eigeninitiative, Wahrnehmen von Angeboten, Zielsetzung, Kontakte mit Mitpatienten). Hin-sichtlich Ergebnis- und Behandlungserwartung, zentraler Bedenken sowie Informationsbe-darf von Patienten mit bevorstehender psychosomatischer Rehabilitation, wichen die Ein-schätzungen der Patienten von denen der Experten größtenteils ab. Die Experten führtenbspw. Kurerwartungen der Patienten als typisch an, während die Rehabilitanden tendenziellvon einem Behandlungskonzept der Hilfe zur Selbsthilfe ausgingen. Zwischen den Fokus-gruppeninhalten beider Kliniken zeigte sich trotz verschiedener Therapieschulen (TfP, VT)eine hohe inhaltliche Übereinstimmung.

Schlussfolgerung und Ausblick

Aus den Ergebnissen wurden inhaltliche Schwerpunkte und formale Vorgaben für das inter-netbasierte Angebot zur Vorbereitung auf die stationäre psychosomatische Rehabilitationabgeleitet. In der aktuellen Umsetzungsphase wird auf Informationstexte größtenteils ver-zichtet. Vielmehr wird versucht, über Videos prototypischer Patientenerfahrungen das Inte-resse der Patienten zu wecken sowie die Identifikation und Entwicklung von Behandlungs-motivation fördern. Mit Hilfe von weiteren Videos mit Experten-Statements sollen darüberhinaus das Konzept der psychosomatischen Rehabilitation und die zentralen Wirkfaktorenvermittelt und der interdisziplinäre Ansatz durch Abbildung des prototypischen Reha-Teamsunterstrichen werden. Das aus der ersten Umsetzungsphase resultierende Portal soll nach-folgend erneut durch Fokusgruppen von Patienten und Experten hinsichtlich seiner Eignungbeurteilt und im Anschluss in einer experimentellen Studienphase hinsichtlich seiner Wirk-samkeit evaluiert werden.

Ergebnisse zu simulierten Symptomen in der medizinisch-psychiatrischen Rehabilitation

Senft, B., Platz, T., Bernögger, S.

Reha-Klinik für Seelische Gesundheit und Prävention, Klagenfurt

Hintergrund und Ziel der Studie

Simulation wird häufig im Zusammenhang mit forensischen Patienten oder Straftätern dis-kutiert (Cima et al., 2003), ein weiterer Themenkomplex ist die Diagnostik von PTSD (Ste-vens, Merten, 2007). Kobelt et al. (2012) fanden in der stationären psychosomatischen Re-habilitation bei 24,6 % invalide Symptomdarstellung, diese Gruppe ist gekennzeichnet durcheine höhere allgemeine Symptombelastung, geringere Motivation, geringeren Rehabilita-tionserfolg, eine gefährdete Erwerbsprognose und häufigeren Migrationshintergrund.

Cima et al. (2003) entwickelten die deutsche Version des „Structured Inventory of Malinge-red Symptomatology“ – SIMS – und nannten ihn Strukturierter Fragebogen Simulierter Sym-ptome, validiert an forensisch untergebrachten Patienten und Studenten. Dieses Instrument

308

wurde in Österreich im Rahmen der medizinisch-psychiatrischen Rehabilitation eingesetzt.Ziel der Arbeit war die Erfassung von Daten bei österreichischen Rehabilitanden gesamtund in Subgruppen, sowie ein Vergleich mit Ergebnissen deutscher Studien.

Methodik

272 unselektierten Rehabilitanden wurde der SIMS vor Reha-Beginn postalisch übermitteltund mit Routinedaten analysiert. Weitere psychometrische Verfahren: BSI (Franke, 2000),PATHEV (Schulte, 2005), soziodemographische und krankheitsbezogene Angaben in Formvon Fragebogendaten.

Ergebnisse

39 % der Rehabilitanden liegen im Gesamtwert über den Cut-off von 17, mehr als in der Stu-die von Cima et al. mit 27 %, aber ähnlich viele wie in der Studie von Kobelt et al. (2012)(Psychose 30 %, Affektive Störung 80,5 %, Neurologische Beeinträchtigung 65,8 %, Nied-rige Intelligenz 16,9 %, Amnestische Störung 61,5 %). Mit höheren SIMS-Werten gehen ei-ne signifikant stärkere körperliche und psychische Symptombelastung sowie eine stärkereFurcht vor Veränderung einher. Mit der Reduktion psychischer Symptombelastung (BSI-Dif-ferenz) bei Reha-Ende besteht kein Zusammenhang. Diagnosespezifisch zeigen sich keinesignifikanten bedeutsamen Unterschiede, aber traumatisierte Patienten weisen signifikanthöhere Werte auf, insbesondere in der Skala Amnestische Störung. 19,3 % nichttraumati-sierter, aber 47,6 % traumatisierter Patienten liegen über dem Cut-off von 17 Punkten. Derdeutlichste Unterschied jedoch zeigt sich nach beruflichem Status, im Schnitt liegen Berufs-tätige und Arbeitslose unter dem Cut-off, Rentenbezieher oder -antragsteller deutlich da-rüber. Der Gesamtmittelwert forensischer Psychiatriepatienten von Cima et al. lag bei 14,13,Rentenantragsteller weisen einen Mittelwert von 23,47 und Rentenbezieher von 22,46 auf.

Diskussion

Vonseiten der Patienten gab es häufiger Widerstand gegen den SIMS-Fragebogen als beianderen psychometrischen Verfahren. Mit der körperlichen und psychischen Symptombe-lastung korreliert der SIMS mittelstark, aber es gibt keine diagnosespezifischen Unterschie-de. Die Ergebnisse ähneln jenen deutscher psychosomatischer Kliniken (Kobelt et al.,2012),

Vorliegendes Rentenbegehren steht deutlich mehr im Zusammenhang mit hohen Simula-tionswerten als krankheitsbezogene Variablen, was auf eine differenzielle Validität desSIMS hinweist. Aggravation und Nichterreichung eines Therapieerfolgs sind bei dieser Kli-entel aufgrund der Furcht vor Rentenverlust aus dissonanztheoretischer Perspektive ver-stehbar. Eine Fremdeinschätzung der Behandler liegt für die Stichprobe nicht vor, als zuver-lässigen Hinweis für Simulation, können die Daten z. B. aufgrund sprachlicher Unsicherheitoder nicht erfasstem Migrationhintergrund noch nicht bewertet werden.

Schlussfolgerungen

Die Relevanz von Simulation in der Rehabilitation ist sicher nicht vergleichbar mit jener beiforensischer bzw. delinquenter Klientel, umso überraschender die hohen Ausprägungen.Existenzielle Sorgen bei unsicherer Einkommenslage können offensichtlich zu stark erhöh-ten SIMS-Werten führen, die Haltung von Behandlern sollte jedoch nicht durch eine Fokus-

309

sierung auf diese Thematik konnotiert sein, da in Österreich der Fokus weniger auf der so-zialmedizinischen Begutachtung im Rahmen der Rehabilitation liegt. Mangelnder Rehabili-tationserfolg kann für einen Teil der Klientel so erklärbar werden, da die SIMS-Werte auchmit der Entlassungssymptomatik schwach bis mittel korrelieren. Diese Ergebnisse könnenunter Bedachtnahme der Freiwilligkeit der Therapiemitarbeit eine Entlastung für das Be-handlerteam bzw. für das Qualitätsmanagement einer Klinik bringen, da mit verzerrten Er-gebnissen gerechnet werden muss.

Literatur

Cima, M., Hollnack, S., Kremer, K., Knauer, E., Schellbach-Matties, R., Klein, B., Merckel-bach, H. (2003): „Strukturierter Fragebogen Simulierter Symptome“. Der Nervenarzt, 74 (11).977-986.

Franke, G.H. (2000): BSI Brief Symptom Inventory von L.R. Derogatis (Kurzform der SCL-90-R) – Deutsche Version –. Manual. Göttingen: Beltz.

Kobelt, A., Göbber, J., Pfeiffer, W., Piezga, M., Petermann, F., Bassler, M. (2012): Be-schwerdevalidierung in der stationären psychosomatischen Rehabilitation. DRV-Schrif-ten, Bd. 98. 273-274.

Schulte, D. (2005): Messung der Therapieerwartung und Therapieevaluation von Patienten(PATHEV). Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 34 (3). 176-187.

Stevens, A., Merten, T. (2007): Begutachtung der posttraumatischen Belastungsstörung:konzeptionelle Probleme, Diagnosestellung und negative Antwortverzerrungen. Praxisder Rechtspsychologie, 17 (1). 83-107.

Nebenwirkungen von Gruppenpsychotherapie in der psychosomatischen Rehabilitation

Linden, M. (1, 2), Fritz, K. (1), Walter, M. (1), Muschalla, B. (1, 3)

(1) Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité – Universitäts-medizin Berlin, (2) Abteilung für psychische und psychosomatische Erkrankungen amReha-Zentrum Seehof der Deutsche Rentenversicherung Bund, Teltow, (3) Abteilung

für Arbeits- und Organisationspsychologie, Universität Potsdam

Hintergrund

Unerwünschte Begleitwirkungen stellen ein wichtiges Problem in jeder Psychotherapie dar(Linden & Strauß, 2013). Für Gruppenpsychotherapien ist im Vergleich zur Einzeltherapievon einer höheren Quote von Nebenwirkungen auszugehen (Hoffmann et. al, 2008), weil zurTherapie an sich und die Therapeut-Patient-Interaktion noch die Gruppendynamik hinzu-kommt, welche zwischen den Gruppenmitgliedern entsteht. Die Untersuchung von Grup-penwirkungen und -nebenwirkungen ist von besonderer Bedeutung in der medizinischenRehabilitation, da hier die Therapie wesentlich gruppenbasiert abläuft.

Methode

71 Patienten einer stationären psychosomatischen Rehabilitation, die an verhaltensthera-peutischen Gruppenpsychotherapien teilnahmen, füllten nach Ankündigung der Befragung

310

im Rahmen der Gruppentherapiesitzung die UE-G-Checkliste (Unerwünschte Ereignisse inGruppen) aus, die 47 Items vorgibt, gruppiert nach potentiell belastungsauslösenden Fakto-ren wie die Gruppengröße oder der Raum, die Therapieinhalte, die Mitpatienten, das The-rapeutenverhalten, individuelle gruppenbezogene Vorstellungen, und Nachfolgewirkungen.Die Einschätzung der Belastungsschwere erfolgte auf einer 5-stufigen Skala.

Ergebnisse

98,6 Prozent der Patienten erlebten in den Gruppentherapien Belastungen irgendeiner Art.Diese spiegelten sich in allen 6 erfragten Nebenwirkungsdimensionen wider. Am häufigstenwurden Nebenwirkungen aufgrund des Inhalts der Gruppentherapie (91,5 %) sowie bedingtdurch die Mitpatienten (78,9 %) berichtet. 43,7 % der Befragten berichtete über starke odergar extreme Belastung während oder als Folge der Gruppentherapie.

Diskussion

Die Ergebnisse zeigen, dass Patienten in der Gruppenpsychotherapie eine Reihe von Be-lastungen erleben. Therapeuten müssen sich dieses Problems bewusst sein. Yalom undLiebermann (1971) haben darauf hingewiesen, dass gute Therapeuten vor allem solchesind, die sich um die Patienten kümmern, die unter der Gruppe leiden. Als Regel muss alsogelten, eine „nebenwirkungsgeleitete Psychotherapie“ durchzuführen.

Literatur

Linden, M., Strauß, B. (Hrsg.) (2013): Risiken und Nebenwirkungen von Psychotherapie.Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.

Yalom, I.D., Liebermann M.A. (1971): A study of encounter group casualities. Archives ofGeneral Psychiatry, 25. 16-30.

Arbeitsunfähigkeit und psychische Belastung – eine Herausforderungfür die Psychosomatische Rehabilitation

Frege, I.; Vollmer, H.

salus klinik Hürth, Abt. Psychosomatik

Hintergrund

Mit einer durchschnittlichen Arbeitsunfähigkeit von 14,1 Tagen je Arbeitnehmer ergabensich im Jahr 2012 insgesamt 521,6 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage.

Dies veranlasste uns zu schauen, inwieweit sich Unterschiede zwischen den arbeitsunfähi-gen und arbeitsfähigen Patienten zeigen.

Gerade jetzt, wo die medizinisch beruflich orientierte Rehabilitation (MBOR) insbesonderedie Patienten anspricht, die schon längere Arbeitsunfähigkeitszeiten haben, ist es eine He-rausforderung für unsere psychosomatische Rehabilitation, dieser großen Patientengruppebesser zu helfen und die Ergebnisse der Auswertung auch in konzeptionelle Überlegungenmit einzubeziehen. Eine Analyse gestattet evtl. Hinweise für erfolgreichere Behandlungsan-sätze.

311

Methodik

Die bei Behandlungsbeginn arbeitsfähigen (n=318) und -unfähigen Patienten (n=464) einerstationären Psychosomatischen Abteilung wurden bezüglich soziodemographischer, dia-gnostischer und testpsychologischer Merkmale verglichen (49,6 % waren weiblich, 48,5 %verheiratet, 44,2 % mit Hauptschulabschluss, 27,7 % mit Mittlerer Reife, 33,4 % waren ar-beitslos, im Durchschnitt waren die Patienten (M) 46,6 Jahre alt (SD=10,2)). Die Arbeitsun-fähigen waren im Median seit 224 Wochen arbeitsunfähig, mit einem mittleren Quartilsab-stand von Q=120. Zu Beginn der 4- bis 6-wöchigen Behandlung erhielten die Patienten denBSI, den BDI II, den AVEM, den CTQ und einen klinikinternen Fragebogen zu Wohlbefindenund Lebensqualität. Kleinere Stichproben beim Vergleich der Fragebogenskalen sind be-dingt durch Verbesserungen der Testdiagnostik im Rahmen des Qualitätsmanagements derKlinik. Unterschiede wurden geprüft mittels Chi-Quadrat, t-Test und Mann-Whitney-U-Test,Signifikanzniveau jeweils p<.01.

Ergebnisse

Die arbeitsunfähigen Patienten unterschieden sich von den arbeitsfähigen Patienten nicht insoziodemographischen Merkmalen. Auch in den psychiatrischen Diagnosen fanden sichkeine Unterschiede. Bei den Arbeitsunfähigen lag häufiger eine F-Komorbidität vor (63,4 vs.51,3 %; Chi2=11,4, df=1, p<.001) und sie hatten häufiger mehr als eine somatische Diagnose(64,4 vs. 50,9 %; Chi2=14,2, df=1, p<.001).

Die Arbeitsunfähigen waren zu Behandlungsbeginn signifikant stärker psychisch belastet(GSI: 1,6 vs. 1,3, n=513, U-Test p<.001), bedingt durch signifikant höhere Werte in den Ska-len Somatisierung, Zwanghaftigkeit, Unsicherheit, Depressivität, Ängstlichkeit, PhobischeAngst und Psychotizismus. Im BDI II hatten die Arbeitsunfähigen häufiger eine schwere De-pression (41,6 vs. 29,8%, n=511, Chi2=13,4, df=4, p=.009).

Im AVEM hatten die Arbeitsunfähigen höhere Werte in den Skalen Verausgabungsbereit-schaft und Perfektionsstreben und niedrigere Werte in Distanzierungsfähigkeit und Lebens-zufriedenheit. Im Fragebogen Wohlbefinden und Lebensqualität schätzten die Arbeitsunfä-higen ihre „objektiven“ beruflichen Fähigkeiten und berufliche Situation gleich gut ein wie dieArbeitsfähigen, waren damit aber unzufriedener und sie sahen sich in dieser Skala „Beruf“durch ihre psychosomatische Erkrankung wesentlich stärker eingeschränkt. Ebenso erleb-ten sie ihren seelisch/psychischen und körperlichen Zustand durch ihre Erkrankung und ihreLebenskompetenzen stärker eingeschränkt als die arbeitsfähigen Patienten. Im CTQ unter-schieden sich die beiden Gruppen nicht. Sowohl bei den Arbeitsunfähigen als auch den Ar-beitsfähigen war „Emotionale Vernachlässigung“ am stärksten ausgeprägt (13,8 vs. 14,4)und Bagatellisierungstendenz war bei beiden gleich niedrig.

Diskussion

In der Diskussion um die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit herrscht oft eine symptomorientierteSichtweise vor. Der AVEM, ein Test zu Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster,versucht die persönlichen Arbeitsmuster darzustellen, um stärker mit den Ressourcen desMenschen arbeiten zu können. Unsere Ergebnisse ergaben, dass bei den arbeitsunfähigenPatienten eine deutlich höhere Verausgabungsbereitschaft und ein höheres Perfektions-streben bei gleichzeitiger deutlich schlechterer Distanzierungsfähigkeit, bestehen. Dieses

312

entspricht dem Risikomuster A. Dazu passt auch, dass diese Patienten im BSI nicht nur einehöhere psychische Belastbarkeit zeigen, sondern auch in der Skala Zwanghaftigkeit höherscoren. Die Auswertung des BDI ergibt bei den Arbeitsunfähigen eine höhere Anzahl von„schweren Depressionen“. Der BDI, als Selbstauskunftsbogen, zeigt die subjektive Belas-tung des Menschen, der ihn ausfüllt. Klinisch haben wir keine Patienten mit schweren De-pressionen in der Rehabilitation. Diese wären nicht rehabilitationsfähig. Der Test zu Wohl-befinden und Lebensqualität zeigt Unterschiede in allen Skalen, bis auf die Skala „objektiveSituation im Beruf“. Trotzdem sind die Patienten unzufriedener mit der Arbeitssituation undsie fühlen sich durch ihre Erkrankung deutlich eingeschränkter, als die arbeitsfähigen Pa-tienten, die auch wegen z. B. Depressionen oder Angststörungen in der psychosomatischenRehabilitation sind.

Da ein Großteil der arbeitsunfähigen Patienten MBOR-Patienten sind, bedeutet dies, dassin der klinischen Arbeit, an bestimmten psychotherapeutischen Zielen gearbeitet werdensollte. Kombiniert werden sollte die Psychotherapie mit aktiven Kompensationsmöglichkei-ten, wie Bewegung und mit Entspannungsverfahren. Insgesamt wird es darum gehen, dieVerletzbarkeit zu reduzieren und die Frustrationstoleranz zu erhöhen.

Literatur

Deutsche Rentenversicherung (2012). Anforderungsprofil zur Durchführung der Medizi-nisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR)

Franke, G.H. (2000): Brief Symptom Inventory von L.R. Derogatis, BSI. Göttingen: Beltz.Frege, I., Vollmer, H.C. (2013): Wohlbefinden und Lebensqualität (W und L). Interner Fra-

gebogen. Hürth: salus klinik.Hautzinger, M., Keller, F., Kühler, Ch. (2009): BDI-II. Beck-Depressions-Inventar. Frankfurt:

Pearson.Schaarschmidt, U., Fischer, A.W. (2008): Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmus-

ter. http://www.lexikon-gesundheit.info/wiki/avem.

„Kombi-Reha 2-plus-4“: Erfahrungen mit einem neuen Modellder psychosomatischen Rehabilitation bei Erwerbstätigen

mit besonderer beruflicher Problemlage

Grulke, N. (1), Hub, J. (2), Schäfer, A. (1), Bailer, H. (1)

(1) Luisenklinik – Zentrum für Verhaltensmedizin, Bad Dürrheim,(2) Luisenklinik Stuttgart – PPRZ –

Hintergrund

Sowohl vollstationäre als auch ganztägig ambulante psychosomatische Reha sind wirksamund effizient. Beide Behandlungsformen bieten eine im Wesentlichen inhaltlich vergleichba-re intensive, multidisziplinär angelegte Therapie (Huse et al., 2011). Die Etablierung derganztägig ambulanten Behandlung stellt insgesamt mit ihren komplementären Möglichkei-ten eine wesentliche Erweiterung des rehabilitativen Angebots im Bereich der Psychosoma-

313

tik dar, die aber durch ihre Ähnlichkeit in der konzeptionellen, multiprofessionellen Ausge-staltung auch solche entscheidenden Elemente wie z. B. Gruppenpsychotherapie, Ergo-und Physiotherapie oder auch Sozialtherapie beinhaltet, die in der ambulanten Behandlungfehlen. Unter rein ökonomischen Aspekten bietet eine verhaltenstherapeutisch orientierteganztägig ambulante Behandlung einen deutlichen Kostenvorteil gegenüber einer ver-gleichbaren vollstationären Behandlung.

Neben den Überlegungen eines Entweder-oder kann auch über ein Sowohl-als-auch reflek-tiert werden. Vermehrte Kombinationen von stationärer und ambulanter Reha werden z. B.auch im Landesqualitätsbericht des Ministeriums für Arbeit und Soziales Baden-Württem-berg (2008, S. 12) gefordert. Auf besonderen Wunsch der Deutschen RentenversicherungBaden-Württemberg hat sich die Luisenklinik aufgrund der logistischen Vorteile mit einemStandort für vollstationäre Reha in Bad Dürrheim und einer Einrichtung für ganztägig ambu-lante Reha in Stuttgart entschlossen, eine von vornherein als Kombination beider Behand-lungsformen angelegte Reha bei Personen mit BBPL zu erproben.

Das Konzept „Kombi-Reha 2-plus-4“

Etwa 60–70 % der üblicherweise in der Luisenklinik Stuttgart ganztägig ambulant versorgtenRehabilitanden weisen eine BBPL auf, bei der eine Herausnahme aus dem Alltagssettingoftmals angezeigt gewesen wäre. Hier setzt die „Kombi-Reha 2-plus-4“ an.

Zielgruppe: Rehabilitanden mit festem Arbeitsplatz und Vorliegen einer BBPL bei hinreichen-der Belastungsfähigkeit für eine ganztägig ambulante Reha, die die Luisenklinik Stuttgart inzumutbarer Zeit vom Wohnort aus erreichen können. Arbeitslosigkeit und gestellter Renten-antrag stellen Ausschlusskriterien dar. Indikationsstellung, Genehmigung und Zuweisung zumKombi-Modell erfolgen durch die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg.

Dauer: „Kombi-Reha 2-plus-4“ beginnt mit einem gemeinsamen Einführungstag der für eineGruppe vorgesehenen Rehabilitanden in Stuttgart, nach ca. 2 Wochen Start des 2-wöchigenstationären Aufenthalts in Bad Dürrheim und anschließend 4 Wochen ganztägig ambulanteTherapie in Stuttgart.

Zielstellungen: Der vollstationäre Aufenthalt dient einerseits der Stärkung der Rehabilita-tionsmotivation und der Vereinbarung konkreter Rehabilitationsziele inkl. Vorbereitung desEntlassmanagements, andererseits der Distanzierung der Rehabilitanden vom problembe-hafteten (beruflichen) Alltag durch Erholung und Regeneration, um gestärkt und aktiv dieavisierten Ziele im folgenden ambulanten Setting in Angriff zu nehmen. Das Programm wirdals geschlossene Gruppe (10–12 Teilnehmer) durchlaufen (Steigerung der Motivation, so-ziale Unterstützung in der Peer-Group, Verfolgung eines gemeinsamen Zieles etc.).

Erste Erfahrungen

Die 1. Gruppe startete am 05.03.2014. Bis Ende September 2014 durchliefen 7 Gruppen mitinsgesamt 71 Teilnehmern (durchschnittlich 45 Jahre alt, 2/3 männlich) den kompletten Zy-klus. Im Großen und Ganzen waren die Teilnehmer mit der Behandlung sowohl in BadDürrheim als auch in Stuttgart gleichermaßen zufrieden (durchschnittlich 24,6 bzw. 24,8Punkte im ZUF-8-Fragebogen zur Patientenzufriedenheit).

314

Alle Rehabilitanden setzten ihre Behandlung in Stuttgart fort und es gab bislang keine Ab-brüche.

Entgegen unserer ursprünglichen und vielleicht naiven Erwartung stellte die „Kombi-Reha2-plus-4“ keine 2-Phasen-Behandlung dar. Es können im klinischen Rahmen 6 Phasen un-terschieden werden: 1. Screeningtag; 2. Ankommen in Bad Dürrheim (vom AufnahmetagMittwoch bis erstem Wochenende); 3. „Wohlfühl-Woche“; 4. Übergangsphase: Abschiedvon der Luisenklinik Bad Dürrheim und Ankommen in der Luisenklinik Stuttgart – PPRZ –;5. „Arbeitsphase“; 6. Abschied vom PPRZ/Ende der Reha/Übergang in den Alltag. Der Über-gang von der einen zur nächsten Phase muss vorbereitet und avisiert werden. BesondereHerausforderungen stellte die Übergangsphase von Bad Dürrheim nach Stuttgart dar. Hiererwiesen sich Schnittstellen- und Kommunikationsprobleme auf Behandlerseite als beson-dere Herausforderungen.

Literatur

Huse, E., Bailer, H., Grulke, N. (2011): Evaluation ganztägig ambulanter psychosomatischerRehabilitation – Ergebnisse einer Pilotstudie bei Patienten mit psychischen Störungen.Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 88. 33-39.

Ministerium für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg (Hrsg.) (2008): Landes-Qualitäts-Bericht, Spezialheft Rehabilitation. Stuttgart: Ministerium für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg (http://www.gesundheitsforum-bw.de/SiteCollectionDocuments/Qualitaets-berichte/1251629-Spezialheft%20Rehabilitation.pdf, Zugriff am 17.10.2014)

Psychische Beeinträchtigung und Empfehlung sowie Inanspruchnahme von Psychotherapie nach medizinischer Rehabilitation – weitere Ergebnisse

der „Reha-QM-Outcome-Studie“

Nübling, R. (1), Kaluscha, R. (2), Krischak, G. (2), Kriz, D. (1), Müller, G. (3), Martin, H. (4), Renzland, J. (5), Reuss-Borst, M. (6), Schmidt, J. (1), Kaiser, U. (7), Toepler, E. (8)

(1) GfQG, Karlsruhe, (2) Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universi-tät Ulm, (3) Schlossklinik Bad Buchau, (4) Deutsche Rentenversicherung Baden-Württem-berg, (5) Kur- und Klinikverwaltung Bad Rappenau, (6) Reha-Zentren Baden-Württemberg,

(7) Hochgebirgsklinik Davos, (8) Hochschule Bonn-Rhein-Sieg

Hintergrund

Die psychische Komorbidität bei chronisch körperlichen Erkrankungen gilt als weitgehendbelegt. Je nach Indikationsbereich variiert der Anteil zusätzlich psychisch erkrankter Patien-ten zwischen 16 und 24 % (4-Wochen-Prävalenz) bzw. zwischen 29 und 41 % (1-Jahres-Prävalenz; Härter et al., 2007). Aktuelle Konzepte legen eine stärkere Fokussierung auf psy-chosoziale, vor allem psychologische, psychotherapeutische und pädagogische Behand-lungsbausteine innerhalb der stationären Rehabilitation nahe (Bengel et al., 2014; Seiteret al., 2012). Zusätzlich werden gezielte Nachsorgekonzepte entwickelt und erprobt (z. B.Deck, Hüppe, 2014). Der vorliegende Beitrag geht auf der Grundlage einer aktuellen Versi-chertenstichprobe der Frage nach, wie psychische Beeinträchtigung, Behandlungsempfeh-

315

lung und nachfolgende Inanspruchnahme ambulanter psychotherapeutischer Leistungenzusammenhängen und mit welchen Behandlungsergebnissen sie assoziiert sind.

Methodik

Basis ist die sog. Reha-QM-Outcome-Studie (vgl. z. B. Nübling et al., 2014), deren Daten-erhebung auf 3 Ebenen erfolgte: (1) Katamnestische Patientenbefragung, (2) QM-Kennzah-len der beteiligten Kliniken und (3) Routine-Daten der Reha-Statistik Datenbasis (RSD). Indie Studie einbezogen wurden n= 7.616 Versicherte der DRV Baden-Württemberg. Einge-schlossen wurden alle Indikationsbereiche (Ausnahme Suchterkrankungen). Die hier durch-geführten Analysen konzentrieren sich auf die Katamnese 1 Jahr nach Behandlungsende.Insgesamt n= 4.161 Patienten aus 21 Kliniken nahmen an der Befragung teil (Rücklaufquote:55 %). Eingesetzt wurde ein Katamnesefragebogen (KFB). Zur Abbildung der psychischenBeeinträchtigung wurde die 6 Items (u. a. depressive Verstimmung, Antriebslosigkeit,Angst-/Panikgefühle) umfassende kurze Beschwerdeskala (GBesc-Psy; theoretischer Ska-len-Range 6–30, alpha=.91) eingesetzt, sie korreliert u.a. der SCL und HADS (Depression,Angst) mit r=.75–.80. Die Angaben zur Weiterbehandlung entstammen ebenfalls dem KFB,die zur Empfehlung den RSD-Daten.

Ergebnisse

42 % der Studienteilnehmer sind weiblich, das Durchschnittsalter beträgt 56 Jahre (SD=10).Jeweils ca. 2/3 sind verheiratet und haben Hauptschulabschluss, 17 % keinen Berufsab-schluss und weitere 60 % eine Lehre. Die Reha-Dauer beträgt im Schnitt 3,6 Wochen. Circa37 % haben eine orthopädische, 23 % eine onkologische und jeweils ca. 10 % eine kardio-logische oder psychische Hauptindikation; die Anteile der anderen Indikationen liegen zwi-schen 3,7 % (Atemwege) und 1,5 % (Haut) (vgl. Nübling et al., 2014).

Hinsichtlich psychischer Beschwerden können bei einem Cut-off-Wert von GBesc-Psy >17(Sensitivität: 67 %/Spezifität: 76 %, AUC=.73) 28 % der Gesamtstichprobe als „auffällig“ be-trachtet werden, in der Psychosomatik sind dies 68 %, in den somatischen Indikationsberei-chen liegt der Anteil zwischen 17 % (Kardiologie) und 28 % (Onkologie). Die Rate der Emp-fehlung einer psychologischen Beratung oder Psychotherapie seitens der Klinik liegt für dieGesamtgruppe bei 13,4 % (Psychosomatik: 75 %; somatische Indikationen 6–10 %). Dietatsächliche Inanspruchnahme von Psychotherapie im 1-Jahres-Zeitraum nach der Rehaliegt bei 15,6 % (Psychosomatik: 51 %, Somatik: 11–14 %). Empfehlung und Inanspruch-nahme korrelieren mit r=40. Aus beiden Variablen wurden vier Gruppen gebildet, derenAnteile in Abb. 1 dargestellt sind. Wie Abb. 2 zeigt, sind die Mittelwerte der psychischenBeschwerdeskala je Gruppe und Messzeitpunkt deutlich unterschieden, für die Gruppe„Empfehlung UND Inanspruchnahme“ ergeben sich die höchsten Ausgangswerte und diestärksten Effekte (ES=1,04). Für die psychosomatische Rehabilitation schwanken die ent-sprechenden Effekte zwischen ES=1,81 und ES=0,71.

316

Abb. 1: Empfehlung und Inanspruchnahme von Psychotherapie und psychologischer Beratung nachder Reha; Anteile psychosomatische und somatische Reha sowie Gesamtstichprobe

Abb. 2: Psychische Beschwerden und Empfehlung/Inanspruchnahme; Mittelwerte prä und post; Effekt-stärken Gesamtstichprobe (n=4.109)

1,04 0,77 0,39 0,37

22,019,0

16,9

12,416,4

14,0 14,1

9,7

0,000,200,400,600,801,001,201,401,601,802,00

0,0

5,0

10,0

15,0

20,0

25,0

30,0

Empf PTund IA PT

n=251

Empf PT/keineIA PT

n=207

keine Empf, aberIA PT

n=285

weder Empfnoch IA PT

n=3366

ES prä post

4,3

39,2

8,94,4

25,2

7,38,913,1

10,1

82,6

22,5

83,5

0,0

20,0

40,0

60,0

80,0

100,0

Somat Reha(n=447)

Psychosomatische Reha(n=337)

Gesamt(n=2366)

Empf + IA PT Empf/keine IA PT

keine Empf/IA PT wederEmpf noch IA PT

317

Diskussion

Der moderate Zusammenhang zwischen Empfehlung und Inanspruchnahme ist möglicher-weise darauf zurückzuführen, dass die regionale Verfügbarkeit ambulanten Behandlungs-plätzen sehr variiert (vgl. Nübling et al., 2014, in press). Es könnte aber auch einem eher„ungeordneten“ oder weniger systematischen Übergang in die ambulante Versorgung ent-sprechen. In der psychosomatischen Rehabilitation gelingt dies am besten, sehr wahr-scheinlich deshalb, weil die Rehabilitanden während der Rehabilitation schon stärker mitpsychologischen Behandlungsbausteinen „konfrontiert“ werden. Hier sind die Effekte amgrößten und die „Nachsorge“, auch ohne eine „Begleitung“ (Deck, Hüppe, 2014) scheinttrotz der uneinheitlichen Versorgungslage einigermaßen zu funktionieren (ca. 50 % in nach-folgender Psychotherapie). Die für die somatischen Indikationen deutlich niedrigeren Effektesind u. U. auch eine Folge der weiter bestehenden eher untergeordneten Bedeutung, die dieklinisch-psychologischen Ansätze dort spielen. Noch immer scheint die somatische Reha zustark am Modell der Akutmedizin orientiert (Seiter et al., 2012). Eine stärkere Ausprägungpsychologischer oder psychosomatischer Behandlungsansätze in der somatischen Rehabi-litation könnte helfen, die auch für somatische chronische Erkrankungen wichtige psychi-sche Bearbeitung und Stabilisierung zu fördern.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg

Literatur

Bengel, J., Baumeister, H., Jahed et al. (2012). Psychische Komorbidität. Leitfaden zur Im-plementierung eines psychodiagnostischen Stufenplans in der medizinischen Rehabilita-tion. Berlin, DRV Bund.

Deck, R., Hüppe, A. (2014): Begleitete Nachsorge in der Psychosomatik – Transfer desneuen Credo. Die Rehabilitation, 53. 305-312.

Härter, M., Baumeister, H., Bengel, J. (Hrsg.) (2007): Psychische Störungen bei körperli-chen Erkrankungen. Heidelberg, Springer.

Nübling, R., Kaiser, U., Kaluscha, R., et al. (2014). Ergebnisqualität medizinischer Rehabi-litation – Katamnestische Ergebnisse der „Reha-QM-Outcome-Studie“ des Qualitätsver-bundes Gesundheit und der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg. DRV-Schriften, Bd. 103. 188-190.

Nübling, R., Bär, T, Jeschke, K. et al. (2014, in press). Versorgung psychisch kranker Er-wachsener in Deutschland: Bedarf und Inanspruchnahme sowie Effektivität und Effizienzvon Psychotherapie. Psychotherapeutenjournal, 14.

Seiter H. et al.: (2012). AG Standortfaktor Gesundheit – Bericht der Projektgruppe „Weiter-entwicklung der Rehabilitation und Stärkung der Selbsthilfe". Gesundheitsstrategie Ba-den-Württemberg, Stuttgart, Download unter: http://www.lpk-bw.de/fachportal/fp_vn/pdf/pg_reha_selbsthilfe_abschlussbericht_2012.pdf.

318

Rehabilitation bei psychischen Störungen II – in Kooperation mit der DGPPN

Die sozialmedizinische Beschreibung von arbeitsfähigen und arbeitsunfähigen psychosomatischen Patienten im klinischen Urteil

und standardisierten Mini-ICF-APP-Rating

Linden, M. (1, 2), Muschalla, B. (1, 3), Poguntke, K. (1)

(1) Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, (2) Abteilung für psychische und psychosomatische Erkrankungen am

Reha-Zentrum Seehof der Deutsche Rentenversicherung Bund, Teltow, (3) Abteilung für Arbeits- und Organisationspsychologie, Universität Potsdam

Hintergrund

Die Deutsche Rentenversicherung hat Vorgaben für eine Neufassung der Gliederung desReha-Entlassungsberichtes veröffentlicht. Die wesentliche Änderung besteht darin, dassder bislang am Ende des E-Berichtes stehende Abschnitt zur sozialmedizinischen Beurtei-lung nun eigenständig dem Blatt 1a angefügt werden soll. Dieser Abschnitt soll alle Informa-tionen enthalten, die für ein sozialmedizinisches Urteil über die Arbeits- bzw. Erwerbsfähig-keit erforderlich sind, d. h. der Entlassungsbefund, eventuelle Fähigkeitseinschränkungenund deren Relevanz für die berufliche Teilhabe. Die im engeren Sinne medizinischen undgegebenenfalls auch psychotherapeutischen individuellen Informationen können dann da-von getrennt werden und müssen nicht Eingang in Verwaltungsakten finden.

Vor diesem Hintergrund wurde untersucht, welche Informationen in den bisherigen Ent-lassungsberichten einer psychosomatischen Klinik im sozialmedizinischen Teil berichtetwurden, und wie dies mit dem Urteil über die berufliche Teilhabe, d. h. Arbeitsunfähigkeitkorrespondiert. Zur Abschätzung der Validität wurden die Ergebnisse eines standardisiertenRatings mittels des Mini-ICF-APP zum Vergleich herangezogen.

Methode

100 Entlassungsberichte der Abteilung für psychische und psychosomatische Erkrankun-gen am Reha-Zentrum Seehof der Deutschen Rentenversicherung Bund wurden mittels ei-ner Checkliste der Funktionsstörungen und Fähigkeitsbeeinträchtigungen inhaltsanalytischexzerpiert. Für alle Patienten lag des Weiteren ein Rating der Fähigkeitsbeeinträchtigungennach dem Mini-ICF-APP (Linden et al., 2009) vor.

Bei den eingeschlossenen Fällen handelt es sich um das typische Patientenspektrum einerpsychosomatischen Reha-Klinik mit vorherrschenden Diagnosen aus dem affektiven Be-reich, Angsterkrankungen und Persönlichkeitsstörungen und einem Durchschnittsalter von48,62 Jahre (SD=10,1). Wegen des Überwiegens von Frauen in Reha-Kliniken wurde in dervorliegenden Untersuchung eine Schichtung nach Geschlecht vorgenommen, so dass 50 %der Patienten männlich sind. 24 % der Patienten wurden in die Reha durch die Krankenkas-se und 10 % durch die Rentenversicherung in Anlehnung an den § 51 SGB VI zugewiesen.27 % der Patienten waren arbeitslos. 58 % wurden arbeitsunfähig entlassen. In der Selbst-beurteilung sahen sich bei Entlassung 30 % als arbeitsfähig.

319

Ergebnisse

In der sozialmedizinischen Beschreibung im Entlassungsbericht wurden bei den arbeitsfä-higen Patienten im Durchschnitt 3,7 Funktionsstörungen genannt, während es bei denarbeitsunfähigen Patienten 6,9 waren. Bei den Arbeitsfähigen wurden im Durchschnitt0,7 Fähigkeitseinschränkungen berichtet und den Arbeitsunfähigen 2,1. Die Zahl der imMini-ICF-APP als auffällig eingeschätzten Fähigkeitsbeeinträchtigungen beträgt 1,2 bei denarbeitsfähigen und 4,8 bei den arbeitsunfähigen Patienten. Alle diese Unterschiede sindstatistisch signifikant.

Vergleicht man den freien klinischen Bericht im Text mit dem standardisierten Rating an-hand des Mini-ICF-APP (Tab. 1), dann findet sich über nahezu alle Dimensionen hin einedeutlich höhere Rate an dokumentierten Fähigkeitseinschränkungen im standardisiertenRating.

Im freien Bericht werden primär die Durchhaltefähigkeit, Flexibilität und Kontaktfähigkeit alsProblem benannt. Dies ist ebenso im standardisierten Rating. Hier werden zusätzlich auchnoch die Anpassungsfähigkeit, Planungsfähigkeit, Selbstbehauptungsfähigkeit oder Grup-penfähigkeit als vorrangige Probleme benannt.

Tab. 1: Relative Häufigkeiten der Fähigkeitsdimensionen im Vergleich zum standardisierten Rating mitdem Mini-ICF-APP (n=100)

Diskussion

Die Daten zeigen, dass die im sozialmedizinischen Teil des E-Berichtes niedergelegtenInformationen deutliche Unterschiede zwischen arbeitsfähigen und arbeitsunfähigen Pa-tienten zeigen. Damit kann die hinter der Neufassung des Entlassungsbriefes stehendeÜberlegung empirisch gestützt werden, da in diesem Berichtsteil eine Begründung evtl. Teil-habeeinschränkungen möglich ist.

Mini-ICF-APP Fähigkeitsdimensionen

Im E-Bericht berichtet

Im E-Bericht explizit als AU-Grund genannt

Im Mini-ICF-APP auffällig(Rating 2–4)

Anpassung an Regeln und Routinen 10 % 3 % 19 %

Fähigkeit zur Planung und Strukturierung 6 % 3 % 21 %

Flexibilität- und Umstellungsfähigkeit 25 % 13 % 38 %

Fähigkeit zur Anwendung fachlicher Kompetenz 5 % 4 % 16 %

Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit 3 % 0 % 16 %

Durchhaltefähigkeit 30 % 15 % 35 %

Selbstbehauptungsfähigkeit 11 % 4 % 28 %

Kontaktfähigkeit zu Dritten 22 % 5 % 23 %

Gruppenfähigkeit 6 % 0 % 25 %

Fähigkeit zu intimen Beziehungen 1 % 0 % 19 %

Fähigkeit zu Spontan-Aktivität 3 % 0 % 18 %

Fähigkeit zur Selbstpflege 2 % 2 % 3 %

Verkehrsfähigkeit 5 % 3 % 8 %

320

Gleichzeitig zeigen die vorliegenden Daten, dass in der Breite und Differenziertheit der Fä-higkeitsbeschreibungen noch Verbesserungen möglich sind, wenn man zum Vergleich dieBeurteilungen auf dem Mini-ICF-APP heranzieht. Hier bietet sich ein Ansatz zur Schulungder Beurteiler.

Literatur

Linden, M., Baron, S., Muschalla, B., Ostholt-Corsten, M. (2014): Fähigkeitsbeeinträchtigun-gen bei psychischen Erkrankungen. Diagnostik, Therapie und sozialmedizinische Beur-teilung in Anlehnung an das Mini-ICF-APP. Göttingen: Hogrefe.

Langfristige Erwerbsverläufe ausgewählter Erkrankungsbilderin der psychosomatischen Rehabilitation

Holstiege, J. (1), Kaluscha, R. (1), Müller, G. (2), Jankowiak, S. (1), Krischak, G. (1, 3)

(1) Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau, (2) Klinik für Neurologie und Psychosomatik, Rehabilitationsklinik Schloss, Bad Buchau,

(3) Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Federseeklinik, Bad Buchau

Hintergrund

Psychische und psychosomatische Störungen verursachen häufig beträchtliche Verringe-rungen der allgemeinen Leistungsfähigkeit der Betroffenen und gehen mit starken Ein-schränkungen der Teilhabe am Erwerbsleben einher. In den letzten Jahren konnte sowohleine Zunahme von Erwerbsminderungsrenten als auch in der Inanspruchnahme medizini-scher Rehabilitationen aufgrund psychischer Erkrankungen beobachtet werden. Ferner wei-sen Empfänger psychosomatischer Rehabilitationen im Allgemeinen eine schlechtere Er-werbsprognose als somatische Rehabilitanden auf (DRV Bund, 2014).

Ziel dieser Arbeit war es, auf Basis einer großen Fallzahl zu untersuchen, ob und in welchemAusmaß sich zahlenmäßig bedeutsame Erkrankungsbilder in der Psychosomatik in denlangfristigen Erwerbsbiographien unterscheiden.

Methodik

Auf Grundlage der Rehabilitations-Statistik-Datenbasis des Landes Baden-Württembergwurden die 4 zahlenmäßig bedeutsamsten Hauptentlassungsdiagnosen bei medizinischenRehabilitationen des ICD-10 Kapitel V: „Psychische und Verhaltensstörungen (F00–F99)“identifiziert. Betroffene Rehabilitanden wurden in die Betrachtung eingeschlossen, insoferndie Rehabilitation in den Jahren 2005–2008 erfolgt war, sie bei Maßnahmenende max.60 Jahre alt waren und keinen Altersrentenzugang sowie keine Informationslücken zu mo-natlichen Beiträgen in die Sozialversicherung in den 4 Folgejahren aufwiesen. Für die Un-tersuchung langfristiger Erwerbsbiographien wurden diagnosespezifische Anteile an Er-werbstätigen, Nichterwerbstätigen und Beziehern von Erwerbsminderungsrenten 12 Mona-te vor sowie 24 und 48 Monate nach Rehabilitation (Punktmessung) bestimmt.

321

Ergebnisse

Insgesamt konnten 7.944 Rehabilitanden, die eine der 4 häufigsten Hauptentlassungsdia-gnosen „Mittelgradige depressive Episode (ICD-10: F32.1)“ (34,0 %), „Anpassungsstörun-gen (ICD-10: F43.2)“ (32,0 %) „Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgra-dige Episode (ICD-10: F33.1)“ (22,5 %) oder „Neurasthenie (ICD-10: F48.0)“ (11,6 %) auf-wiesen, in die Untersuchung eingeschlossen werden. Mit 60,9 % zeigte sich der höchsteFrauenanteil unter Rehabilitanden mit einer rezidivierenden depressiven Störung (Tab. 1).In allen Diagnosegruppen ging der Anteil Erwerbstätiger im Zeitverlauf zurück, während Ar-beitslosigkeit und Erwerbsminderungsrentenzugänge zunahmen. Allerdings variierte derAnteil Erwerbstätiger bereits 12 Monate vor Maßnahme deutlich zwischen 76,4 % (rezidivie-rende depressive Störung) und 90,4 % (Neurasthenien). Die starken Unterschiede derAusgangswerte zwischen den Gruppen verstärkten sich weiter im Zeitverlauf. So konnte beiRehabilitanden mit rezidivierenden depressiven Störungen auch die stärkste Reduktion desErwerbstätigenanteils (−13,6 Prozentpunkte) insgesamt und die höchste Zunahme an Er-werbsminderungsrenten (+5,3 % Prozentpunkte) bis zum Ende des 4. Jahres nach Maß-nahme beobachtet werden. Mit 69,8 % Erwerbstätigen- und 4,5 % EM-Rentneranteil im Mo-nat 48, zeigten auch Rehabilitanden die von einer nichtrezidivierenden mittelgradigen de-pressiven Episode betroffen waren, deutlich ungünstigere langfristige postrehabilitativeVerläufe als solche mit Angststörungen und Neurasthenien.

Anm.: Erwerbstätig = versicherungspflichtig beschäftigt, nicht erwerbstätig umfasst: keine Beiträge,ALG 1+2, sonstigen Leistungsbezug nach § 3 Nr. 3 SGB VI, § 4 Abs. 3 SGB VI

Tab. 1: Diagnosespezifische Alters- und Geschlechtsverteilung und Kennzahlen zur Teilhabe am Er-werbsleben 12 Monate vor, sowie 24 und 48 Monate nach Rehabilitation

Neur-asthenie

Rezidivierende depressive

Störung

Mittelgradigedepressive

Episode

Anpassungs-störungen

Geschlecht: % weiblich 59,4 60,9 53,9 53,6

Alter: Mittelwert/SD 48,1/7,7 47,9/8,2 46,5/8,8 46,1/8,8

Erwerbsstatus in Stichmonaten (%)

12 Monate vor Reha

Erwerbstätig* 90,4 76,4 82,0 85,1

Nicht erwerbstätig** 6,6 21,0 15,4 11,6

EM-Rente 0,1 0,4 0,1 0,1

Sonstige 2,8 2,2 2,5 3,1

24 Monate nach Reha

Erwerbstätig* 87,8 65,3 70,8 78,3

Nicht erwerbstätig** 11,3 29,5 26,4 19,4

EM-Rente 0,4 4,9 2,6 1,9

Sonstige 0,4 0,3 0,3 0,4

48 Monate nach Reha

Erwerbstätig* 83,7 62,8 69,8 75,5

Nicht erwerbstätig** 13,9 29,5 25,4 20,9

EM-Rente 2,0 7,5 4,5 3,2

Sonstige 0,4 0,3 0,4 0,4

322

Diskussion

Die bereits vor Rehabilitation beobachteten erhebliche Unterschiede der sozialmedizini-schen Kennzahlen deuten auf Unterschiede in der Chronifizierung psychischer Beschwer-den in den betrachteten Diagnosegruppen hin, welche nicht auf Basis der ICD-Klassifikationabgebildet werden können. Viele Patienten kommen trotz eines fortgeschrittenen Erkran-kungsverlaufs erstmals in der Rehabilitation mit psychotherapeutischen Interventionen inBerührung. Dies schränkt die Möglichkeiten, einer primär teilhabeorientierten Versorgungpsychischer Erkrankungen in der Rehabilitation, deren zeitlicher Rahmen nicht auf eine in-tensive Psychotherapie ausgerichtet ist, stark ein.

Insbesondere bei den depressiven Erkrankungen wird deutlich, dass nicht von einer Stabi-lisierung der erkrankungsbedingten Ausgliederungsprozesse im mittel- und langfristigenpostrehabilitativen Verlauf ausgegangen werden kann. Erklärungsansätze dafür sind mög-licherweise auch in einem defizitären Übergang von rehabilitativer zu ambulant psychologi-scher Betreuung und einer überwiegend symptom- und weniger teilhabeorientierten Aus-richtung in der Weiterbehandlung zu suchen. Weiterer Forschungsbedarf besteht hinsicht-lich der Frage, wie eine Teilhabeorientierung in der Reha-Nachsorge unter Einbeziehungder Weiterbehandler erhöht werden kann.

Literatur

Deutsche Rentenversicherung Bund (2014): Positionspapier der Deutschen Rentenver-sicherung zur Bedeutung psychischer Erkrankungen in der Rehabilitation und bei Er-werbsminderung, Unter: http://www.deutsche-rentenversicherung.de/cae/servlet /contentblob/ 339288/ publicationFile/64601/pospap_psych_Erkrankung.pdf. Zugriff: 20.10.2014.

Nachhaltige Teilhabe am Arbeitsleben dank Supported Employment –5-Jahres-Ergebnisse einer randomisiert-kontrollierten Untersuchung

Hoffmann, H. (1), Jäckel, D. (1), Glauser, S. (2), Mueser, K. (3), Kupper, Z. (2)

(1) Direktion Psychiatrische Rehabilitation, Universitäre Psychiatrische Dienste Bern, (2) Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitäre Psychiatrische

Dienste Bern, (3) Center for Psychiatric Rehabilitation, Boston University

Einleitung

Teilhabe am Arbeitsleben ist eines der höchsten Ziele in der Rehabilitation schwer psy-chisch kranker Menschen. Traditionelle Wiedereingliederungsmaßnahmen zeigen dabei nurbescheidene Ergebnisse, die zudem meist wenig nachhaltig sind (Crowther et al., 2001;Hoffmann, 2013). Supported Employment hat mittlerweile weltweit zu einem Paradigmen-wechsel in der beruflichen Rehabilitation geführt, hin zu „erst platzieren, dann trainieren“.Zahlreiche kontrollierte Studien nicht nur aus den USA belegen, dass sich mit SupportedEmployment höhere Wiedereingliederungsraten in den allgemeinen Arbeitsmarkt erzielenlassen als mit herkömmlichen Ansätzen beruflicher Rehabilitation (Bond et al., 2012). DieEQOLISE-Studie konnte zeigen, dass sich die Ergebnisse auch in Europa replizieren lassen(Burns et al., 2007). Mit dem Berner Job Coach Projekt (JCP) haben wir 2002 erstmals in

323

der Schweiz ein auf europäische Verhältnisse adaptiertes Supported Employment imple-mentiert gemäß den Standards des Individual Placement and Support. Die Ergebnisse derrandomisierten, kontrollierten Begleitstudie über 2 Jahre bestätigten die Ergebnisse frühererStudien (Hoffmann et al., 2012). Es liegen kaum Studien vor, die die Nachhaltigkeit von Sup-ported Employment über einen längeren Zeitraum als 2 Jahre untersuchten. Die Studie zeig-te jedoch auch, dass 2 Jahre eine zu kurze Beobachtungszeit ist, um Aussagen über dieNachhaltigkeit zu machen, v. a. ob über diesen Weg eine Festanstellung (ohne Begleitungdurch einen Job Coach) erzielt werden kann. Mit der weltweit erstmalig durchgeführten5-Jahres-Nachuntersuchung wollten wir auf diese Fragen eine Antwort erhalten (Hoffmannet al., 2014).

Methode

100 Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip der Supported Employment-Gruppe (n=46)resp. der Kontrollgruppe (n=54) zugeteilt. Letztere absolvierten eine berufliche Wiederein-gliederungsmaßnahme im traditionellen Stil (erst trainieren, dann platzieren). Die primärenOutcome-Variablen nach 5 Jahren waren: Zahl der auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vs.im geschützten Rahmen Arbeiten und derjenigen ohne Arbeit, Beschäftigungsdauer an letz-ter Stelle sowie Höhe des Lohns. Daneben wurde die Inanspruchnahme stationärer und teil-stationärer psychiatrischer Behandlung erfasst und der soziale Return on Investment be-rechnet.

Ergebnisse

Die Überlegenheit von Supported Employment nach 2 Jahren kommt nach 5 Jahren nochdeutlicher zum Ausdruck. Während der Untersuchungsperiode hatten 65 % jemals eineFestanstellung in der freien Wirtschaft gegenüber 33 % in der Kontrollgruppe. Sie arbeitetenmehr Stunden pro Woche, verdienten mehr und ihre Anstellungen waren länger. Nach5 Jahren hatten noch 45 % eine Anstellung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, gegenüber13 % bei den Absolventen einer traditionellen Maßnahme. Auch nahmen die Teilnehmeraus der Supported-Employment-Gruppe signifikant seltener stationäre oder teilstationärepsychiatrische Behandlung in Anspruch. Der social Return on Investment war beim Suppor-ted Employment trotz der höheren Programmkosten, aber dank geringerer Gesundheitskos-ten und höherem Verdienst, signifikant höher.

Schlussfolgerung

Es konnte gezeigt werden, dass Supported Employment sich auch im deutschsprachigenRaum erfolgreich implementieren lässt und auch im Langzeitverlauf den traditionellen Wie-dereingliederungsmaßnahmen klar überlegen ist. Die Nachhaltigkeit der Teilhabe am Ar-beitsleben lässt sich mittels Supported Employment deutlich verbessern. Der Nutzen tradi-tioneller Wiedereingliederungsmaßnahmen muss infrage gestellt werden.

Förderung: Schweizer Nationalfonds (SNF)

Literatur

Bond, G.R., Drake, R.E., Becker, D.R. (2012): Generalizability of the Individual Placementand Support (IPS) model of supported employment outside the US. World Psychiatry/11.32-39.

324

Burns, T., Catty, J., Becker, T., Drake, R.E., Fioritti, A., Knapp, M., Lauber, C., Rössler, W.,Tomov, T., van Busschbach, J., White, S., Wiersma, D. for the EQOLISE Group (2007):The effectiveness of supported employment for people with severe mental illness: a ran-domised controlled trial. Lancet/370. 1146-1152.

Crowther, R., Marshall, M., Bond, G., Huxley, P. (2001): Helping people with severe mentalillness to obtain work: systematic review. BMJ/322. 204-208.

Hoffmann, H. (2013): Was macht Supported Employment so überlegen? Die Psychiatrie/10.95-101.

Hoffmann, H., Jäckel, D., Glauser, S., Kupper, Z. (2012): A randomised controlled trial of theefficacy of supported employment. Acta Psych Scand/125. 157-167.

Hoffmann, H., Jäckel, D., Glauser, S., Mueser, K.T., Kupper, Z. (2014): Long-term effective-ness of supported employment: Five-year follow-up of a randomized controlled trial. Am.J. Psychiatry, Aug 15. doi: 10.1176/appi.ajp.2014.13070857. [Epub ahead of print].

Medizinisch-berufliche Rehabilitation in Rehabilitationseinrichtungen für psychisch Kranke (RPK) in Deutschland: Analyse der Aufnahme- und

Entlassungsdaten

Stengler, K. (1), Kauffeldt, S. (2), Theißing, A. (3), Bräuning-Edelmann, M. (4), Becker, T. (5)

(1) Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Leipzig, AöR, (2) RPK am Hesselkamp, Osnabrück, (3) RPK beta-REHA; Hannover, (4) Herzogsägmühle Innere Mis-sion München, Peiting – Herzogsägmühle, (5) Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II

der Universität Ulm am Bezirkskrankenhaus Günzburg

Einleitung

Medizinische, soziale und berufliche Rehabilitationsanteile können weder zeitlich noch kon-zeptionell voneinander getrennt werden (Jäckel et al., 2010) – dies ist allerdings vor demHintergrund der spezifischen sozialrechtlichen Gegebenheiten in Deutschland praktizierterAlltag (Stengler et al., 2010). Rehabilitative Überlegungen im Sinne der Teilhabeplanungsollten bei schweren psychischen Erkrankungen bereits in der Akutbehandlung, in jedemFall während des kurativen Therapieprozesses, beginnen. Für Menschen mit schweren psy-chischen Erkrankungen ist die Rehabilitation in Rehabilitationseinrichtungen für psychischKranke (RPK) das in Deutschland am häufigsten in Anspruch genommene integrative An-gebot (Bundesarbeitsgemeinschaft RPK: http://www.bagrpk.de/).

Die vorliegende Studie analysiert Daten der im Rahmen der Basisdokumentation (BaDo) er-hobenen Daten aller in Deutschland in RPK rehabilitierten Menschen mit psychischen Störun-gen des Jahres 2010 (Stengler et al., im Druck). Der Schwerpunkt liegt auf Maßnahmen zurTeilhabe am Arbeitsleben und den im Rahmen der RPK-Maßnahmen erreichten Integrations-ergebnissen am allgemeinen Arbeitsmarkt sowie weiteren Indikatoren sozialer Teilhabe.

Methode

In allen 52 RPK-Einrichtungen in Deutschland werden die Aufnahme- und Entlassdaten allerRehabilitanden mittels einrichtungsinterner Teilnehmerbögen erhoben, auf Einrichtungs-

325

ebene aggregiert und in einer Erfassungsstelle der Bundesarbeitsgemeinschaft der RPK(BAG RPK) zusammengeführt. In die vorliegende deskriptive Auswertung der Daten desJahres 2010 wurden Aufnahme- und Entlassdaten von 1.311 Teilnehmer/innen einbezogen.

Ergebnisse

Knapp zwei Drittel der insgesamt 1.311 RPK-Rehabilitanden erfüllten die Diagnosekriterienfür schizophrene bzw. affektive Erkrankungen (ICD-10 F2 und F3). Die drittgrößte Gruppevon Rehabilitanden bildeten mit einem Anteil von 19 % Teilnehmer/innen mit einer Persön-lichkeitsstörung (ICD-10 F6). Wichtigste Kostenträger der medizinischen Rehabilitations-maßnahmen waren die DRV Regional mit 37 % und die DRV Bund mit 27 %; bei LTA-Maß-nahmen waren ebenfalls DRV Bund und DRV regional mit zusammen 75 % die anteiligstärksten Kostenträger, gefolgt von der Agentur für Arbeit. Eine Subgruppe von knapp 40 %der Teilnehmer/innen nahmen nach medizinischen RPK-Maßnahmen an beruflichen RPK-Maßnahmen (Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben: LTA) teil. Nach Abschluss der be-ruflichen RPK-Maßnahme waren insgesamt mehr als 60 % der Teilnehmer auf dem allge-meinen Arbeitsmarkt tätig bzw. in Bildungsmaßnahmen. Im Prä-post-Vergleich verändertesich die Wohn- und Lebenssituation eines Großteils der befragten Rehabilitanden hin zumehr Autonomie und selbstständigen Wohnformen. Ebenso veränderte sich bei den meis-ten der Befragten die finanzielle Situation in positiver Hinsicht: während vor RPK-Aufenthaltder größte Teil (32,4 %) der befragten Rehabilitanden von Arbeitslosengeld II (ALG II) lebte,sank dieser Anteil unterstützter Personen nach erfolgten RPK-Maßnahmen auf 25,2 % undnur noch 6,8 % der befragten Teilnehmer gaben an, „finanzielle Unterstützung durch ande-re“ zu erhalten.

Schlussfolgerung

RPK stellen für Menschen mit schweren psychischen Störungen einen Ort erfolgreicherrehabilitativer Maßnahmen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft dar. Zukünftige For-schungsaktivitäten müssen noch intensiver der Frage nach relevanten Wirkfaktoren und derEffektivität einzelner Maßnahmen sowie deren Auswirkungen für den einzelnen Rehabilitan-den nachgehen. So könnten wissenschaftliche Ergebnisse zielsicherer in die Versorgungs-praxis überführt werden.

Literatur:

Bundesarbeitsgemeinschaft RPK: http://www.bagrpk.de/ Jäckel, D., Hoffmann, H., Weig, W. (2010): Praxisleitlinien Rehabilitation für Menschen mit

psychischen Störungen. Bonn: Psychiatrie-Verlag.Stengler, K., Brieger, P., Weig, W. (2010): Psychiatrische Rehabilitation: „deutscher Sonder-

weg“ wo geht es hin? Psychiatr Prax, 37. 206-207.Stengler, K., Kauffeldt, S., Theißing, A., Bräuning-Edelmann, M., Becker, T. (im Druck): Me-

dizinisch-berufliche Rehabilitation in Rehabilitationseinrichtungen für psychisch Kranke(RPK) in Deutschland: Analyse der Aufnahme- und Entlassungsdaten. Nervenarzt.

326

Soziale Rehabilitation: Ergebnisqualität in der Eingliederungshilfe

Steinhart, I. (1), Höptner, A. (1, 2)

(1) Institut für Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern, An-Institut der Universität Greifswald, (2) Universitätsmedizin, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie,

Universität Rostock

Einleitung

Circa 122.000 wesentlich seelisch behinderte Menschen erhalten bundesweit Leistungen imRahmen der Eingliederungshilfe (BAGüS/con_sens 2013). Bis heute stehen wenige Datenzur Verfügung, was sich genau hinter diesem Ausgabenblock verbirgt. Die Leistungsträgerstellen im Rahmen ihrer bundesweiten Berichte Zahlen zur Inanspruchnahme (ambulant,stationär) und der damit verbundenen Kosten zur Verfügung, Gleiches gilt auf Landesebene,manchmal auch regional in den Gemeindepsychiatrischen Verbünden. Ob diese Ausgabenin irgendeinem Zusammenhang mit Effekten und Nutzen für die Leistungsempfänger ste-hen, bleibt bundesweit offen. Nicht nur die Arbeits- und Sozialministerkonferenz hat hiermehr Transparenz und Nachweise von Ergebnisqualität gefordert, die Wissenschaft hatdieses Feld weitestgehend ausgeblendet. Auch die Reform der Eingliederungshilfe ver-spricht keine Linderung: Im Dickicht der Finanzierungs-umschichtungsdebatten droht dieDiskussion um die Wirkung verloren zu gehen.

Methode

Die Hansestadt Rostock ist seit 8 Jahren Vorreiter in der Finanzierung der Eingliederungs-hilfe (Regionalbudget mit Versorgungsverpflichtung) und hat seit mehreren Jahren ein Sys-tem zur Messung der Ergebnisqualität erprobt. Dieses System wurde im Sommer 2014 inAbstimmung zwischen Leistungsträgern und Leistungserbringern verstetigt, d. h. als Praxis-routine etabliert. Es handelt sich um einen Multiperspektiven-Ansatz mit ökonomischen wiesubjektiven und objektiven Bewertungskriterien, einer Orientierung an dem Landesrahmen-plan Mecklenburg-Vorpommern und der Methodik des Goal Attainment Scaling (GAS) alsKern, d. h. es werden die im Rahmen der Teilhabeplanung vereinbarten Ziele nach Ablaufdes Bewilligungszeitraumes auf die Zielerreichung überprüft und weitere Bewertungskriteri-en wie Veränderungen in Lebensqualität, psychiatrischer Symptomatik und Unterstützungs-intensität ebenso erhoben wie die Unabhängigkeit von Eingliederungshilfe als härtestes Re-habilitationskriterium und die Kundenzufriedenheit.

Ergebnisse

Die Erfahrungen mit diesem Modell auf Basis einer 1-jährigen Auswertungsphase (Prä-Post-Design) im Rahmen einer Totalerhebung aller 405 Eingliederungshilfefälle werden be-zogen auf die Methodik und die Ergebnisse vorgestellt. Unter anderem haben zwei Drittelder Leistungsberechtigten bei den Folgemaßnahmen geringere Kosten, knapp 10 % derLeistungsberechtigten aus dem bis zu einjährigen Erhebungszeitraum dieser Studie werdenunabhängig von den Leistungen der Eingliederungshilfe, für knapp Zwei Drittel der Klientenwerden die Ziele gut erreicht. Die Lebenszufriedenheit verbessert sich tendenziell, die Sym-ptombelastung nimmt tendenziell ab. Insbesondere Menschen mit der Diagnose Schizo-phrenie profitieren von den Leistungen der Eingliederungshilfe.

327

Schlussfolgerung

Die Ergebnisse machen Mut zur Verstetigung des methodischen Konzeptes im Alltag einesAngebotssystems der Eingliederungshilfe und geben Impulse für die Verbesserung des Hil-fesystems insbesondere bezogen auf die Qualität und Passgenauigkeit der Hilfeplanungund auf die Personengruppen, die offensichtlich (noch) nicht umfassend vom Hilfesystemprofitieren können. Im ersten Schritt wird die Black Box der Eingliederungshilfe zunächsttransparenter. Wenn sich mehrere Regionen diesem System anschließen könnten, wäre einüberregionaler Benchmark bezogen auf die Ergebnisqualität in der Eingliederungshilfe unddem damit verbundenen Ressourceneinsatz möglich.

Förderung: Hansestadt Rostock, AWO – Sozialdienst Gemeinnützige Gesellschaft, Ge-meinnützige Gesellschaft für Gesundheit und Pädagogik mbH

Literatur

Gromann, P. (2012): Wirkungsorientierte Steuerung der Leistungen Ein neuer Weg, um Teil-habe zu erreichen? Kerbe, 1. 32-34.

Bär, T., Nerlich, C., Follak, T., Steinhart, I. (2010): Wirkungsorientierung – auf der Suchenach geeigneten Methoden. Oder: wie wir mehr Transparenz in der Eingliederungshilfeerreichen können. Sozialpsychiatrische Informationen, 3. 25-31.

Steinhart, I. (2010): Wirkungskontrolle in der Eingliederungshilfe. Auf der Suche nach Lö-sungen am Beispiel sozialpsychiatrischer Leistungen. In: Macsenaere, M., Hiller, S., Fi-scher, K. (Hrsg.): Outcome in der Jugendhilfe messen. 279-286.

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Rehabilitation bei psychischen Störungen (Poster)

Aggressionsphantasien bei Verbitterungszuständen

Linden, M. (1, 2), Noack, I. (1)

(1) Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité – Universitäts-medizin Berlin, (2) Abteilung für psychische und psychosomatische Erkrankungen

am Reha-Zentrum Seehof der Deutsche Rentenversicherung Bund, Teltow

Hintergrund

Bei psychischen Erkrankungen kommt es immer wieder zu Suizidalität (z. B. Depression),zu Selbstaggression (z. B. Borderlinestörungen) und gelegentlich auch zu Fremdaggression(z. B. abnorme Erlebnisreaktionen). Eine Störung, die regelhaft mit Selbst- und Fremdag-gressionsphantasien und -handlungen einhergeht ist die „Posttraumatische Verbitterungs-störung“. Diese Störung entsteht als Reaktion auf eine persönliche Kränkung und Verlet-zung zentraler Lebenswerte (basic beliefs), mit der Folge von Aggressionen, Hilflosigkeit,Hoffnungslosigkeit und Verbitterung, die zu Rachephantasien und Suizidideen führen kann(Linden, 2007). Verbitterung ist dabei eine sich selbst verstärkende „masochistische Anpas-sungsreaktion“, die ein Gefühl von Kontrolle durch Selbstzerstörung gibt (Alexander, 1960).

Ziel der vorliegenden Untersuchung war, zu klären, wie häufig welche Art von Aggressions-phantasien bei derartigen Patienten vorkommen und wie ernst sie zu nehmen sind

Methodik

Patienten einer psychosomatischen Rehaklinik, bei denen vonseiten der Therapeuten Hin-weise auf eine Verbitterungsreaktion gegeben waren, wurden mit der „PTED-Skala“ unter-sucht, einem Screening Instrument für posttraumatische Verbitterung, das die stimulusbe-zogene die Schwere der Verbitterung misst (Linden et al., 2009). Des Weiteren wurde durchdie Therapeuten eine Aggressionscheckliste ausgefüllt, die Suizidaliät und Fremdaggres-sion erfasst.

Ergebnisse

Unter 3.300 Patienten einer psychosomatischen Rehabilitationsklinik wurden 127 Risikopa-tienten (3,84 %) identifiziert (Durchschnittsalter 51 Jahre, 60,6 % Frauen). Als auslösendesEreignis wurde von 63 % eine persönliche Herabwürdigung, von 29,9 % ein Vertrauens-bruch und von 25,2 % eine öffentliche Demütigung genannt. Die Aggressionsphantasienrichteten sich in 57,5 % der Fälle gegen einen speziellen Arbeitskollegen/Vorgesetzten, in10,2% gegen den Ehe- oder Intimpartner, in 9,4 % gegen eine spezielle Firma oder Institu-tion, in 7,9 % gegen sich Selbst. Zur Art der Aggressionsphantasie gaben 9,4 % der Patien-ten eine Banalität an (z. B. Dinge verlegen), 18,9 % der Patienten ein leichtes Problem (z. B.üble Nachrede, Lackschaden am Auto), 35,8 % der Patienten ein schwerwiegendes Le-bensereignis (z. B. Bankrott, Kündigung), 12.3,% der Patienten ein schwerwiegender Sach-schaden ohne Personenschaden (z. B. Zerstörung von Maschinen, finanzieller Ruin),25.5 % der Patienten einen Personenschaden und 12,3 % der Patienten sogar Tötungs-

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phantasien. Spontan berichteten nur 34 % der Patienten über die aktuellen Phantasien.Über die Hälfte der Patienten waren bei Berichterstattung deutlich emotional involviert. Einedeutliche Genugtuung bei Rachephantasien berichteten 46,2 % der Patienten. Bei 2,8 %der Patienten bestanden konkrete Planungen. Eine Realisierungswahrscheinlichkeit bei un-günstigen Umständen lag bei 17,9 % vor. Fast ein Drittel der Patienten beschäftigen sich mitSuizidideen und 3,1 % mit erweitertem Suizid bzw. Amok.

Diskussion

Die Ergebnisse zeigen, dass Aggressionsphantasien bei Verbitterungszuständen häufigsind und ernst genommen werden müssen. Die Aggressionsphantasien beziehen sich nichtnur auf den Verursacher selbst, sondern gehen auch darüber hinaus. Eine spontane Be-richterstattung der Aggressionsphantasien ist nicht die Regel, weshalb Therapeuten gezieltnachfragen müssen. Es werden therapeutische Strategien benötigt, um Fremdaggressionbehandeln zu können.

Literatur

Alexander, J. (1960): The psychology of bitterness. Intern. J. Psychoanal., 41. 514-520.Linden, M., Rotter, M., Baumann, K., Lieberei, B. (2007): Posttraumatic Embitterment Dis-

order. Hogrefe & Huber: Bern.Linden; M., Baumann, K., Lieberei, B., Rotter, M. (2009): The Post-Traumatic Embitterment

Disorder Self Rating Scale (PTED Scale). Clinical Psychology and Psychotherapy, 16.139-147.

Anträge auf Psychosomatische Rehabilitation – Häufigkeit, Qualitätund Befürwortungsrate

Ahnert, J. (1), Schuler, M. (1), Legner, R. (2), Berger, H. (3), Vogel, H. (1)

(1) Abteilung für Medizinische Psychologie, Medizinische Soziologie und Rehabilitations-wissenschaften, Universität Würzburg, (2) Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd,

(3) Deutsche Rentenversicherung Nordbayern

Hintergrund

Psychische und psychosomatische Krankheiten sind die zweithäufigste Erstdiagnose bei sta-tionären medizinischen Rehabilitationsleistungen der Deutschen Rentenversicherung und ihrAnteil hat in den letzten Jahren stetig zugenommen (von 17 % im Jahr 2000 auf 22 % im Jahr2012 (DRV Bund, 2013). Es ist anzunehmen, dass die Anzahl an Anträgen auf eine psycho-somatische Reha auch in den nächsten Jahren weiter ansteigen wird. Bisher existieren je-doch kaum Daten über die Häufigkeit, die Qualität und die Befürwortungsquote dieser An-träge. Für die Prüfärzte der Deutsche Rentenversicherung ist es wichtig, im Antrag auf Leis-tungen zur medizinischen Rehabilitation und im beigefügten ärztlichen Befundberichtausreichend Informationen zu erhalten, die es dem Prüfarzt ermöglichen, eine fundierte so-zialmedizinische Beurteilung des Reha-Bedarfs, der Reha-Motivation, der Reha-Fähigkeitund der Reha-Prognose eines Versicherten abzugeben. Die Empfehlung für eine psychoso-matische Rehabilitation sowie die Erstellung des ärztlichen Befundberichts erfolgt allerdings

330

oft durch den Hausarzt und nicht durch einen Experten, d. h. einen Facharzt für Psychiatrieoder einen Ärztlichen oder Psychologischen Psychotherapeuten. Psychische Störungen wer-den von Hausärzten jedoch häufig nicht erkannt oder fehlerhaft diagnostiziert, was sowohl zuÜberversorgung als auch zu Unter- oder Fehlversorgung führen kann (Jacobi et al., 2002).

Methodik

Bei der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern und der Deutschen Rentenversiche-rung Bayern Süd wurden im Rahmen eines Projektes, welches vom Netzwerk Rehabilita-tionsforschung Bayern gefördert wird, über einen Zeitraum von 2 Wochen die prüfärztlichenEntscheidungen bei Reha-Anträgen im Rahmen einer Aktenanalyse prospektiv dokumen-tiert. Die Prüfärzte haben für jeden eingehenden Reha-Antrag und für Wiedervorlagen (An-träge, bei denen bei Erstvorlage aufgrund mangelnder Informationen keine Entscheidunggetroffen werden konnte und deshalb weiter Unterlagen angefordert wurden) die folgendenAngaben notiert: psychische und somatische Hauptdiagnose/n, Vorliegen von Befundbe-richten und von Angaben zu psychiatrischen oder psychotherapeutischen Vorbehandlungendes Patienten, nachträgliche Anforderung von weiteren Entscheidungsgrundlagen (z. B. Be-fundberichte von Psychiater/Psychotherapeut oder Gutachten) sowie die prüfärztliche Ent-scheidung. Die erhobenen Daten wurden im Anschluss deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse

Der Anteil an Reha-Anträgen von Patienten mit psychischen Hauptdiagnosen (rein psychi-sche Hauptdiagnosen oder psychische und somatische Hauptdiagnosen) liegt bei ca. 30 %.Erste Auswertungen zeigen, dass den Reha-Anträgen von Patienten mit psychischen Haupt-diagnosen in über der Hälfte der Fälle nur ein Befundbericht vom Hausarzt beiliegt. Zudemwerden Rehaanträge von Patienten mit psychischen Hauptdiagnosen von den Prüfärztenhäufiger nicht schon bei der Erstvorlage des Antrags entschieden, sondern es werden wei-tere Unterlagen (z. B. aktuelle Berichte, Befundberichte vom Psychiater oder persönlicheBegutachtung) angefordert. Die Bewilligungsquote von Reha-Anträgen von Patienten mitpsychischen Hauptdiagnosen fällt zudem deutlich geringer aus als bei Patienten mit rein so-matischen Hauptdiagnosen. Die Prüfärzte geben an, dass auch bei Wiedervorlagen von An-trägen von Patienten mit psychischen Hauptdiagnosen deutlich häufiger als bei Patientenmit rein somatischen Hauptdiagnosen wichtige Informationen, die sie als Entscheidungs-grundlage benötigen würden, fehlen. Die Information, ob ein Patient mit psychischer Haupt-diagnose bereits in psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung ist, ist aller-dings in den meisten Anträgen bereits bei der Erstvorlage enthalten.

Diskussion

Um die Aussagekraft von Anträgen auf eine psychosomatische Rehabilitation zu erhöhenund eine raschere Entscheidung und eine bessere Indikationsstellung zu ermöglichen,könnte es sinnvoll sein, darauf hinzuarbeiten, dass die Befundberichte von Fachärzten fürPsychiatrie oder Psychotherapeuten erstellt werden. Der dabei erstellte Befundberichtwürde den Prüfärzten eine bessere Entscheidungsgrundlage für die Bewilligung oderAblehnung eines Reha-Antrags liefern, und es wäre – sofern der Reha-Antrag genehmigtwird – sichergestellt, dass die Rehabilitanden mit passenderen Erwartungen in die psycho-somatische Rehabilitation gelangen.

331

Literatur

Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund (2013): Reha-Bericht 2013. Verfügbar unter: http://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/6_Wir_ueber_uns/03_fakten_und_zahlen/04_reha_jahresberichte/downloads_reha_jahresberichte/rehabericht_2013.pdf?_blob=publicationFile&v=5 (Zugriff am 21.10.2014).

Jacobi, F., Högler, M., Meister, W., Wittchen, H.-U. (2002): Prävalenz, Erkennens- und Ver-schreibungsverhalten bei depressiven Syndromen. Eine bundesweite Hausarztstudie.Der Nervenarzt, 73. 651-658.

Recht einfordern oder selbst aktiv werden? Eine experimentelle Untersuchung zur Akzeptanz von Persönlichkeitsstörungen am Arbeitsplatz

bei Wiedereingliederung

Muschalla, B., Fay, D., Seeman, A.

Arbeits- und Organisationspsychologie, Universität Potsdam

Hintergrund

Die Akzeptanz psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz durch Kollegen und Vorgesetztegestaltet sich nach wie vor als schwierig. Insbesondere bei Menschen mit Persönlichkeits-störungen, die in besonderer Weise mit Interaktionsproblemen auffallen, ist eine beruflicheWiedereingliederung nach Arbeitsunfähigkeit aufgrund vorausgegangener Konflikte am Ar-beitsplatz eine Herausforderung (Cramer, Davidhizar, 2000; Ettner et al., 2011; Hengartneret al., 2014; Hinshaw, Stier, 2008). Sind Patienten wegen arbeitsbezogener psychischerProbleme in Behandlung, können Therapieansätze auf der Verhaltensebene (z. B. SozialesKompetenztraining, interaktionelle Gruppentherapie) und/oder der Kontextebene (Arbeits-platzanpassung entsprechend § 84 SGB IX) versucht werden. Bislang ist empirisch unklar,welche der Strategien auf größere Akzeptanz am Arbeitsplatz stößt und damit im Wieder-eingliederungsprozess günstig wirken kann.

Methode

In einem experimentellen Design wurden 176 Berufstätigen (30 % selbst von psychischenErkrankung betroffen, 66 % überwiegend in Teamarbeit beschäftigt, 42 % mit Führungsver-antwortung) randomisiert 4 verschiedene Fallvignetten einer fiktiven „Problemkollegin“ miteiner zwanghaften Persönlichkeitsstörung vorgelegt.

In der 1. Bedingung fiel die Problemkollegin durch zwanghaftes unflexibles Verhalten nega-tiv auf, und es gab nach Rückkehr an den Arbeitsplatz nach längerer Arbeitsunfähigkeit kei-ne Veränderungen. In der 2. Bedingung beantragte die Problemkollegin bei Rückkehr anden Arbeitsplatz Arbeitsplatzgestaltungsmaßnahmen entsprechend ihrer Beeinträchtigung.In der 3. Bedingung wurde beobachtbar, dass die Problemkollegin an sich arbeitet und sicheigeninitiativ um eigene Verhaltensänderungen bemüht (Frese, Fay, 2001). In einer 4. Be-dingung wurden Arbeitsaufgaben angepasst, bei gleichzeitig beobachtbaren Verhaltensver-änderungsbemühungen der Kollegin.

332

Von den berufstätigen Beurteilern wurde ihre Akzeptanz der Problemkollegin differenzierterfragt.

Ergebnisse

Bei den beiden Bedingungen in denen eine Verhaltensänderungsbemühung beobachtbarwurde, konnte eine signifikant stärker ausgeprägte Akzeptanz (d. h. geringere soziale Distanz,z. T. höhere Ähnlichkeitswahrnehmung, Abb. 1) verzeichnet werden als in den Bedingungenohne Verhaltensänderungsbemühen. Das bloße Beantragen von Arbeitsgestaltungsmaßnah-men führte zu keiner besseren Akzeptanz als die gänzlich unveränderte Situation.

Abb 1: Akzeptanz gegenüber einer „Problem-Kollegin“ in Abhängigkeit von Verhaltensänderungsbe-mühungen und/oder Arbeitsplatzanpassung

Schlussfolgerungen

Bei Wiedereingliederung von Menschen mit Interaktionsproblemen erscheint es wenig hilf-reich, ihnen nur beizubringen „ihr Recht einzufordern“. Vielversprechender erscheint es, zubetonen, dass mit gezeigter Eigeninitiative mehr Sympathie erlangt werden kann. Patientenselbst müssen Verhaltens- und Interaktionsstrategien einüben, die zur Kompensation ihresProblemverhaltens beitragen können.

Literatur

Cramer, C., Davidhizar, R. (2000): The health care employee with an „attitude“. Hosp MaterManage Q, 22. 27-33.

Ettner, S.L., MacLean, J.C., French, M. (2011): Does having a dysfunctional personality hurtyour career? Axis II personality disorders and labor market outcomes. Ind Relat (Berke-ley), 50. 149-173.

0

1

2

3

4

5

6

Keine Veränderungen Verhaltensänderung Arbeitsplatzanpassung Verhaltensänderung undArbeitsplatzanpassung

Soziale Distanz Ähnlichkeitswahrnehmung

333

Frese, M., Fay, D. (2001): Personal initiative: an active performance concept for work in the21st century. Research in Organizational Behavior, 23. 133-187.

Hengartner, M.P., Müller, M., Rodgers, S., Rössler, W., Ajdacic-Gross, V. (2014): Occupa-tional functioning and work impairment in association with personality disorder trait-scores. Soc Psychiatry Psychiatr Epidemiol, 49. 327-335.

Hinshaw, S.P., Stier, A. (2008): Stigma as related to mental disorders. Ann Rev Clin Psy-chol, 4. 367-393.

Sportliche Aktivität nach stationärer psychosomatischer Rehabilitation: „MoVo-Luise“

Bailer, H. (1), Grulke, N. (1, 2), Fuchs, R. (3), Dietsche, C. (1)

(1) Luisenklinik – Zentrum für Verhaltensmedizin, Bad Dürrheim, (2) Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universität Ulm,

(3) Institut für Sport und Sportwissenschaft, Universität Freiburg

Hintergrund

Rund zwei Drittel der Rehabilitanden, die der Luisenklinik Bad Dürrheim zur psychosomati-schen Rehabilitation zugewiesen werden, sind weniger als eine Stunde/Woche sportlichaktiv (Dietsche et al., 2012). Für orthopädische Rehabilitanden konnte eine Steigerung derkörperlichen Aktivität auch poststationär durch das auf motivationale und volitionale Aspekteausgerichtete Interventionsprogramm MoVo-LISA (Göhner, Fuchs, 2007) gezeigt werden.Lässt sich dieses Programm auch auf psychosomatische Rehabilitanden übertragen?

Methodik

Datenerhebung: Screening im Rahmen der Aufnahmediagnostik; Einladung zur Studienteil-nahme, falls Sportaktivitäten mit erhöhtem Energieverbrauch unter 1 Stunde je Woche be-richtet werden. Randomisierte Zuweisung zur Interventions- (IG) oder Kontrollgruppe (KG;treatment as usual) nach Vorliegen der Einverständniserklärung. Basisdatenerhebung ca. 1Woche nach Aufnahme, weitere Datenerhebungen ca. 4 Tage vor und ca. 3 und 6 Monatenach Entlassung.

Hypothese: Patienten der IG berichten 6 Monate nach Entlassung eine stabilere und um-fangreichere Alltagssportaktivität als Patienten der KG.

Intervention: Adaptation des manualisierten MoVo-LISA-Programms auf die Gegebenheitender Luisenklinik. 2 Gruppengespräche (Moderation: Studienleiterin und/oder geschulte Sport-/Physiotherapeuten) im Abstand von 1 Woche (Dauer 60 Min., ca. 6 TN), dazwischen ein Ein-zelkontakt (Studienleiterin; ca. 10 Min.). sechswöchige Selbstbeobachtungsphase nach Ent-lassung, dann ca. 10 Min. Telefoncoaching (Studienleiterin) nach vorheriger postalischer Erin-nerung. Themen des Programms: Motivationsaufbau, Entwickeln von Aktivitätszielen, Planender Umsetzung und Ideen, Antizipieren von Barrieren und Erarbeiten von Gegenstrategien. Imstationären Einzelgespräch werden die formulierten Pläne, im Telefoncoaching die weitereUmsetzung und evtl. auftretende Probleme reflektiert. Pläne und Umsetzungen werden in ei-nem persönlichen, beim Rehabilitanden verbleibenden „Bewegungsbuch“ festgehalten.

334

Ergebnisse

560 (76 %) von 735 im Zeitraum von Nov. 2011 bis Mai 2012 aufgenommenen Rehabilitan-den retournierten den Screeningfragebogen. 360 erfüllten die Einschlusskriterien, 240 lehn-ten die Studienteilnahme ab. 112 Personen (77 % weiblich; Alter 42 J.) konnten erfolgreichrandomisiert werden (58 KG, 54 IG). Zum Zeitpunkt der Randomisierung unterscheiden sichIG und KG nicht voneinander hinsichtlich sportlicher Aktivität, BMI, Alter und selbst einge-schätztem körperlichen, seelischen und allgemeinen Zustand. Vollständige Datensätze fürdas Zielkriteriums liegen für 63 Personen vor.

Anm.: MZP: Messzeitpunkt; T1: bei Aufnahme zur stationären Behandlung; T3: 3 Monate poststationär;T4: 6 Monate poststationär. M: arithmetisches Mittel, Md: Median. Keine Erhebung zu T2, da alleRehabilitanden in vergleichbarem Umfang bewegungstherapeutischer Anwendungen erhielten.

Tab. 1: Durchschnittliche sportliche Aktivität in Minuten je Woche

Beide Gruppen steigern ihre sportlichen Aktivitäten bis 3 Monate nach der Rehabilitation imVergleich zum Beginn deutlich und scheinen diese Steigerung für 3 weitere Monate auchhalten zu können (Varianzanalyse mit Messwiederholung; signifikante Haupt- und Wechsel-wirkungseffekten, p≤.001). Die IG erreicht ein deutlich höheres Niveau. Die Darstellung derMittelwerte täuscht jedoch darüber hinweg, dass der Effekt in der KG vermutlich nur durchwenige Teilnehmer bedingt wird. Tabelle 2 zeigt den Anteil der „Inaktiven“ (<1 Std.) und der„Aktiven“ (>2 Std./Woche) nach einem halben Jahr.

Anm.: Bei T4 sind drei von 5 Teilnehmern der KG wieder (oder weiterhin) inaktiv, während 3 von 4Teilnehmern am MoVo-Luise-Programm zu den klar gesundheitsförderlich Aktiven gehört.

Tab. 2: Relativer Anteil der Rehabilitanden je Aktivitätskategorie zum MZP T4

Diskussion und Ausblick

Die psychosomatische Reha scheint rund jeden 4. bis dahin sportlich inaktiven Rehabilitan-den zu einer dauerhaften Aktivitätssteigerung zu motivieren. Durch MoVo-Luise könnte die-ser Anteil evtl. verdreifacht werden. Inwieweit die beobachteten Effekte über ein halbes Jahrnach Reha hinaus anhalten und auf andere Einrichtung generalisierbar sind, ist offen.

Literatur

Dietsche, C. (2014): Lebensstiländerung in der Psychosomatik – Evaluation einer Interven-tion zur Steigerung sportlicher Aktivität (Dissertation). Freiburg i. Br.: Wirtschafts- undVerhaltenswissenschaftliche Fakultät.

Göhner, W., Fuchs, R. (2007): Änderung des Gesundheitsverhaltens. MoVo-Gruppenpro-gramme für körperliche Aktivität und gesunde Ernährung. Göttingen: Hogrefe.

KG (n=36) IG (n=29)

MZP T1 T3 T4 T1 T3 T4M 6 83 87 6 185 182Md 55 55 188 160

KG (n=40) IG (n=32)

Aktivität je Woche

0–59 Min.

60–120Min.

121–450Min.

0–60Min.

61–120Min.

121–450Min.

Anteil 60 % 15 % 25 % 19 % 6 % 75 %

335

Prozessqualität in der psychosomatischen Rehabilitation –in Kooperation mit der DGPPR

Routine-Assessment in der psychosomatischen Rehabilitation – Behandlungsergebnisse auf der Grundlage eines EDV-gestützten

Routine-Assessment-Systems

Nübling, R. (1), Schmidt, J. (1), Kriz, D. (1), Kobelt, A. (2), Bassler, M. (3)

(1) GfQG Karlsruhe, (2) Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, Laatzen, (3) Rehazentrum Oberharz, Clausthal-Zellerfeld

Hintergrund

Der Einsatz geeigneter Assessmentverfahren bei Aufnahme und Entlassung gilt als Quali-tätsindikator in der Medizinischen Rehabilitation. Gefordert wird, dass eine Rehabilitations-einrichtung systematisch und regelhaft bei Aufnahme und Entlassung der RehabilitandenAssessmentverfahren zur Ergebnismessung im Sinne eines Routine-Assessments einsetzt(BAR-Kriterienkatalog zur Zertifizierung; vgl. Schmidt et al., 2015, in press). In der Psycho-somatischen Rehabilitation wird dieses Thema bereits seit ca. 25 Jahren diskutiert. Entwi-ckelt wurden Basisdokumentationssysteme (z. B. Schmidt, Nübling, 1998; Broda et al., 1993)sowie auch umfassendere Assessmentsysteme, die vielerorts in Einrichtungen etabliert sind(z. B. Mestel et al., 1995; Gönner, Bischoff, 2002; alle zit. nach Schmidt et al., 2015, in press).Vor allem die umfangreicheren Assessmentsysteme arbeiten vorwiegend mit lizensiertenTests, sind also auf Dauer teuer und z. T. auch umständlich in der Handhabung (z. B. wasdie Möglichkeiten der Verwendung der Daten zur Forschungszwecken angeht).

Methodik

Vor diesem Hintergrund wurde das „Routine-Assessment Psychosomatik“ gemeinsam mitder DGPPR konzipiert (vgl. Nübling et al., 2013). Es ist Reha-spezifisch ausgelegt, d. h. mitklarem ICF-Bezug unter Einschluss der Erhebung beruflicher bzw. sozialmedizinischer Pro-blemlagen. Das System besteht ferner aus lizenzfreien Verfahren (Ausnahme: BDI), erfasstden IST-Zustand bei Reha-Beginn und -Ende und stellt die Daten zeitnah für die Kliniker zurVerfügung (z. B. Nutzungsmöglichkeiten für Therapieplanung, Entlassungsbericht, Thera-pieerfolgskontrolle). Zur Abbildung der Ergebnisqualität von Kliniken werden neben der klas-sischen indirekten Veränderungsmessung (Prä-Post-Vergleiche) auch Skalen der direktenVeränderungsmessung eingesetzt. Optional bzw. punktuell kann die Dokumentation imRahmen wissenschaftlicher Evaluationsstudien durch katamnestische Messungen ergänztwerden. Verfahren und Messzeitpunkte zeigt Tab. 1.

336

Anm.: K = optional bzw. punktuell

Tab. 1: Übersicht Verfahren des Routine-Assessments Psychosomatik

Ergebnisse

Vorgestellt werden Ergebnisse der ca. zweijährigen Implementierungs- und Erprobungs-phase in 2 Klinken der DRV Braunschweig-Hannover, in der Daten von n= 3833 Patientendokumentiert wurden. Ihr Durchschnittalter liegt bei 47,4 Jahren (SD=9,3), der Frauenanteilbei etwa 48 %. Kosten- bzw. Leistungsträger ist in 9 von 10 Fällen die DRV Braunschweig-Hannover. Die durchschnittliche Behandlungsdauer betrug 33,3 Tage (SD=7,1). Jeweils ca.45 % der Patienten haben einen Hauptschulabschluss oder Mittlere Reife, ca. 7 % Fach-hochschulreife oder Abitur. Die meisten Rehabilitanden sind ungelernte/angelernte Arbeiter(33 %) oder Facharbeiter bzw. nichtselbstständige Handwerker (27 %). Diagnostisch han-delt es sich vorwiegend um Affektive Störungen (F3.x, 44 %) sowie Neurotische, Belas-tungs- und Somatoforme Störungen (F4.x, 49 %).

Tab. 2: Health-49 (6 von 10 Skalen), BDI, ISR, ICF-AT-40 und GB10, A-E-Vergleich, Mittelwerte undStreuung, T-Test für abhängige Stichproben, Effektstärken

Skalen n AufnahmeM/SD

EntlassungM/SD

T-TestT/p

ES

HEALTH Somatoforme Beschwerden 3.501 1,91 0,98 1,35 1,00 39,52 .000 .57

HEALTH Depressivität 3.501 1,66 1,06 0,98 1,04 44,35 .000 .64

HEALTH Phobische Angst 3.501 1,01 1,09 0,63 0,95 28,53 .000 .35HEALTH Psychosomat. Beschwerden 3.501 1,55 0,88 0,99 0,92 45,00 .000 .64HEALTH Interaktionelle Schwierigkeiten 3.501 1,97 0,98 1,35 1,03 38,63 .000 .63HEALTH Psychisches Wohl-befinden 3.501 2,66 0,78 1,80 0,93 56,04 .000 1.10

BDI Depression 3.446 22,61 12,35 12,59 12,68 56,78 .000 .81ICD-Symtom-Rating Gesamt-score 3.501 1,37 0,75 1,07 0,83 27,53 ,000 .37ICF-AT-50 Beeinträchtigungs-index 3.501 1,22 0,76 1,04 0,84 17,72 .000 .24GB10 Gesundheitliches Befinden 3.452 29,11 9,42 38,25 11,10 −60,75 .000 ,97

Kürzel Autoren Inhalt A E K*

ISR Tritt et al., 2008 ICD-10-Symptom-Rating x x x

HEALTH-49 Rabung et al. 2007 Hamburger Module zur Erfassung allgemeiner Aspekte der psychosozialen Gesundheit

x x x

ICF AT50 – Psych

Nosper 2008 Selbstbeurteilung von Aktivitäten und Teilhabe bei psychischen Störungen

x x x

WS Löffler et al 2009 Würzburger Screening x x x SIBAR Bürger & Deck 2009 Screening-Instrument Arbeit und Beruf x x x DIAMO Fiedler 2008 Diagnostikinstrument für Arbeitsmotivation x

HAQ Bassler et al. 1995 Helping Alliance Questionnaire x x x BDI Hautzinger et al.

2009 Beck Depressionsinventar x x

B-PFB Schmidt et al. 2012 Basis-Patientenfragebogen (inkl. GB10, VM10, ZUF8) x x x

B-TFB Schmidt et al. 2012 Basis-Therapeutenfragebogen (inkl. GAF, GARF, Schweregrad, Motivation, Diagnosen, Erkrankungsdauer, KTL etc.)

x x

337

Auf der Ergebnisseite zeigen sich mittlere bis hohe Effektstärken in den Skalen desHEALTH-49, des BDI sowie der Skala Gesundheitliches Befinden (GB10). Tabelle 2 zeigtdie Prä-Post-Effekte dieser Skalen für die Gesamtstichprobe. Die indikationsspezifischenEffektstärken z. B. Depressions-Scores bei Patienten mit Depressionsdiagnose oder Angst-Scores bei Angstpatienten liegen jeweils um .20 bis .30 höher als die dargestellten Durch-schnittswerte.

Diskussion

Das entwickelte Routine-Assessment erfüllt die Kriterien: a) hohe Relevanz für die Indikationund b) für die Rehabilitation, c) lizenzfrei/kostengünstig und d) psychometrisch überprüft. DieUmsetzung in den Einrichtungen erfolgt über ein vor Ort installiertes EDV-System, das The-rapeuten quasi in Echtzeit die Ergebnisse der Eingangsdiagnostik für die Therapieplanungzur Verfügung stellt. Der sukzessive Ausbau um weitere Psychosomatische Kliniken, u. a. fürklinikvergleichende Analysen im Sinne von Benchmarkings, sowie katamnestische Erhebun-gen zur Bewertung der längerfristiger Behandlungsergebnisse sind in Vorbereitung.

Literatur

Nübling, R., Schmidt, J., Bassler, M. (2013): Standardisierte Diagnostik in der Rehabilitation:„Routine-Assessment Psychosomatik“. Vortrag, Diskussionsforum „Standardisierte Dia-gnostik in der Rehabilitation – am Beispiel der Indikationsgebiete Psychosomatik und Ab-hängigkeitserkrankungen“, 22. Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium, 4.–6.3.2013in Mainz.

Schmidt, J., Nübling, R., Schmid-Ott, G. (2015, in press): Qualitätsmanagement und Quali-tätssicherung. In: Schmid-Ott, G., Wiegand-Grefe, S., Jacobi, C., Paar, G.H., Meermann, R.,Lamprecht, F.: Psychosomatische Rehabilitation. München, Schattauer.

Wie valide ist die Diagnostik in der psychosomatischen Rehabilitation?

Kaminski, A. (1, 3), Bassler, M. (1), Pfeiffer, W. (1), Kobelt, A. (2, 3)

(1) Rehazentrum Oberharz der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, Clausthal-Zellerfeld, (2) Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, Laatzen,

(3) Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Universität Bremen,

Einleitung

Das Ziel einer stationären Rehabilitation ist die Wiedereingliederung ins Erwerbsleben. Füreine erfolgreiche Therapieplanung und die abschließende Einschätzung des Leistungsver-mögens ist eine fundierte Diagnosevergabe notwendig (Basco et al., 2000), auch im Hinblickauf ein nichtauthentisches Antwortverhalten. Gerade im psychosomatischen Bereich fehlenoft objektive Parameter, an denen eine psychische Krankheit festgelegt werden kann, wes-halb eine valide Diagnosevergabe in diesem Bereich erschwert ist. Darüber hinaus wurde inStudien darauf hingewiesen, dass Kliniker nur rund 53 % der Schlüsselkriterien einer psy-chischen Störung erfragen, obwohl gut validierte semistrukturierte Fragebögen vorhanden

338

sind (Miller et al., 2001). Bisher liegt keine Studie vor, die sich mit der Diagnosevalidierungim psychosomatischen Bereich befasst.

Fragestellungen

Unterscheiden sich die im Rahmen der klinischen Anamnese gestellten Diagnosen in derpsychosomatischen Rehabilitation von Diagnosen, die nach einem strukturierten validiertenInterviewleitfaden (SKID) geführt werden? Gibt es einen Zusammenhang zwischen auffällig-verzerrten Antwortverhalten im SFSS und der Validität der Diagnose?

Methode

Die Daten dieser Studie wurden aus dem Patientenpool der Rehabilitationszentren Ober-harz und Bad Pyrmont der DRV BSH in einem Zeitraum von 9 Wochen parallel erhoben. Je-der regulär aufgenommene psychosomatische Patient unterschrieb zunächst einen InformedConsent und füllte nach dem Erstgespräch mit dem Bezugstherapeuten einen Beschwerden-validierungsbogen (Strukturierter Fragebogen Simulierter Symptome, SFSS) aus. Anschlie-ßend wurde die Stichprobe ermittelt, indem aus jeder Anreisewoche (ca. 38 Patienten)jeweils 8 Patienten randomisiert einem SKID-Interview zugeordnet wurden. Somit handeltes sich um eine randomisiert ausgewählte Stichprobe.

Entsprechend eines Cut-off-Wertes im SFSS konnten zwei Gruppen, „auffällig“ und „unauf-fällig“, hinsichtlich des nicht-authentischen Antwortverhaltens, gebildet werden. Die SKID-Diagnosen wurden mit den gestellten Entlassungsdiagnosen verglichen. Die Zugehörigkeitdes Patienten zu einer Gruppe, sowie die jeweilige Diagnose waren bis zur Entlassung desPatienten weder dem Interviewer noch dem Bezugstherapeuten bekannt. Somit handelte essich um eine Doppelblindstudie.

Ergebnisse

161 Patienten wurde in die Studie aufgenommen. Es wurden jedoch 25 (15,5 %) der Pa-tienten, aufgrund fehlender Fragebögen, Abbruch des SKID-Interviews oder einer fehlendenEntlassungsdiagnose aus der Studie ausgeschlossen. Das Alter der Patienten lag zwischen22 und 64 Jahren (M=48.8, SD=9,5), davon waren 65 Patienten (48 %) männlich.

Die Ergebnisse weisen auf eine schwache bis mittelmäßige Übereinstimmung zwischen denbeiden Diagnoseverfahren hin. Zusätzlich konnte bei rund 14 % der Patienten abweichendzum klinischen Eindruck keine psychische Störung anhand des SKIDs festgestellt werden.

Darüber hinaus zeigte sich ein Zusammenhang zwischen dem SKID und einem erhöhtenWert im SFSS. Dieser lag darin, dass signifikant häufiger eine affektive und somatoformeStörung , sowie eine Angst- und Zwangsstörung diagnostiziert wurde, wenn der Patient einnichtauthentisches Antwortverhalten zeigte. Dieser Zusammenhang konnte für das klini-sche Urteil nur für die affektive Störung belegt werden.

Diskussion

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie sind mit dem heutigen Forschungsstand kongruent,indem sie darauf hinweisen, dass sich die Diagnosevergaben zwischen einem strukturier-tem Interview und einem klinischen Urteil stark unterscheiden (Shear et al., 2000). Darüberhinaus muss kritisch diskutiert werden, wie wichtig eine valide Diagnose ist, wenn Antrag-

339

steller aufgrund ihrer möglicherweise schwierigen kontextuell oder beruflich bedingten Par-tizipationsprobleme eine Rehabilitation bewilligt bekommen, obwohl keine klinische Diagno-se vorliegt. Zusätzlich zeigte unsere Untersuchung, dass ein nichtauthentisches Antwortver-halten zu bestimmten Diagnosen im klinischen Interview führt. Es muss diskutiert werden,ob diese Patientengruppe einen höheren Leidensdruck erfährt, oder ob das SKID nicht ro-bust gegen Verzerrungen in der Symptomdarstellung ist.

Literatur

Basco, M.R., Bostic, J.O., Davies, D., Rush, A.J., Witte, B., Hendrickse, W., Barnett, V.(2000): Methods to improve diagnostic accuracy in a community mental health setting.

American Journal of Psychiatry, 157. 1599-1605. Miller, P.R., Dasher, R., Collins, R., Griffiths, P. & Brown, F. (2001): Inpatient diagnostic as-

sessment: 1. Accuracy of structured vs. Unstructured interviews. Psychiatry Research,105. 255-264.

Shear, M.K., Greeno, C., Kang, J., Ludewig, D., Frank, E., Schwart, H.A., Hanekamp, M.(2000): Diagnosis of nonpsychotic patients in community clinics. Journal of Psychiatry,157. 581-587.

Wirksamkeit eines nichtrückgekoppelten Atemtrainings im Vergleichzu einer Biofeedbackbehandlung

Zimmermann, J. (1), Richter, R. (2), Bassler, M. (2)

(1) Universität Potsdam, (2) Rehazentrum Oberharz, Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, Clausthal-Zellerfeld

Einleitung

Eine gezielte Atemregulation, bedarfsweise durch akustische oder visuelle Hinweisreize ge-triggert, befördert nachweislich physiologische Veränderungen, die Kennzeichen einer ve-getativen Beruhigung sind. Die entschleunigte Atemfrequenz (6 Züge/Minute) kombiniert miteiner anteilig längeren Expirationsphase (6 Sekunden) reduziert über eine erhöhte Stimula-tion kardiovaskulärer Dehnungsrezeptoren den sympathischen Tonus. Mit der Wiederher-stellung des autonomen Gleichgewichts steigt auch die Baroreflexsensitivität und die Herz-ratenvariabilität nimmt zu. In der Folge kommt es unter anderem zu einer Erweiterung derBlutgefäße (Vasodilation) und der Ruheblutdruck wird langfristig verringert (Sharma et al.,2011). Zudem verweisen empirische Untersuchungen auf die Wirksamkeit gezielter Atem-übungen in der Behandlung von Angstpatienten sowie im Bereich von Panikstörungen(Meuret et al., 2008). Eine probate Methode zur respiratorischen Entschleunigung stellt vorallem das Biofeedback dar (Moravec, 2008). Aufgrund hoher finanzieller und personellerKosten, ist dieses Verfahren jedoch nur einem eingeschränkten Personenkreis zugänglich.Daher untersuchten wir, inwieweit der Nutzen eines professionell angeleitetes Biofeedbackshinsichtlich verschiedener physiologischer, insbesondere respiratorischer, Parameter be-reits durch ein isoliertes regelmäßiges Atemtraining erzielt werden kann.

340

Methodik

Im Rahmen eines randomisierten Kontrollgruppendesigns verglichen wir physiologischeMessdaten von je 11 Patienten des Psychosomatischen Rehazentrums Oberharz, die mitBiofeedback bzw. einem technisch geleiteten Atemtraining behandelt wurden, mit einer ent-sprechend unbehandelten Kontrollgruppe aus weiteren 12 Patienten über 2 Messzeitpunktehinweg, kurz nach stationärer Aufnahme (max. 4 Tage danach) und unmittelbar vor der Ent-lassung des Patienten (nach im Mittel 5 Wochen). In dem Zeitraum zwischen Baseline- undAbschlussmessung erhielt eine der beiden Interventionsgruppen zweimal wöchentlich für je-weils 30 Minuten eine Einzelanwendung Biofeedback, die andere nahm täglich an 2 Grup-penübungseinheiten (à 10 Minuten) mit dem taxxos-Atemtakter, einem technischen Hilfsmit-tel zur Strukturierung des Atemrhytmus, teil. Die Kontrollgruppe erhielt neben der initialenund abschließenden physiologischen Testung keine Alternativbehandlung, nahm aber, wiedie anderen Untersuchungsgruppen auch, am Standardtherapieprogramm der Klinik teil.

Ergebnisse

Die 34 Studienteilnehmer wiesen ein Durchschnittsalter von 46,15 (SD=10,34; range=19– 61)Jahren auf. 21 waren männlich und 13 weiblich. Das Diagnosespektrum war entsprechenddes hohen Anteils affektiver (53 %) und Anpassungsstörungen (24 %) sowie aus dem so-matoformen Störungskreis (18 %) repräsentativ für den Patientenstamm der Psychosoma-tischen Abteilung. Im Gegensatz zur Kontrollgruppe zeigte sich in beiden Behandlungsgrup-pen eine signifikante Verringerung der Atemfrequenz (F1,22=74.53, p<.001) in Kombinationmit einem gesteigerten Atemvolumen (F1,22=28.76, p<.001). Dieser Effekt unterschied sichjedoch nicht in Abhängigkeit von der Methode, mit derer die Patienten behandelt wurden.Darüber hinaus zeigte sich für beide Interventionsgruppen zusammen ein statistisch bedeut-samer Haupteffekt des Messzeitpunktes im Hinblick auf das Hautleitwertsniveau (F1,22=4.80,p=.041). Im Rahmen der Einzelvergleiche, bei denen die Gruppen isoliert betrachtet wurden,war dieser jedoch nicht signifikant.

Diskussion

Insgesamt konnten wir keine Wirksamkeitsunterschiede zwischen einem professionelldurchgeführten Biofeedback und dem in Gruppen angeleiteten Atemtraining feststellen. Bei-de Interventionen waren vor allem auf respiratorischer Ebene wirkungsvoll. Bei gleichzeiti-ger Steigerung des Atemvolumens konnte die Atemfrequenz im Mittel um ca. 7 Züge/Minutereduziert werden. Allerdings ist anzunehmen, dass subtilere Effekte aufgrund des geringenStichprobenumfangs nicht ersichtlich wurden. Dies betrifft im Besonderen das Hautleitwerts-niveau und die Pulsfrequenz (F1,22=4.28, p=.052). Die gezielte Atemregulation erscheint be-reits auf Basis ihrer positiven Kosten-Nutzen-Bilanz attraktiv. Durch die Möglichkeit einerambulanten Fortführung des Trainings ist zudem der Grundstein für die Nachhaltigkeit derBehandlungseffekte gelegt.

Literatur

Meuret, A.E., Wilhelm, F.H., Ritz, T., Roth, W.T. (2008): Feedback of end-tidal pCO2 as atherapeutic approach for panic disorder. Journal of Psychiatric Research, 42 (7). 560-568.

Moravec, C.S. (2008): Biofeedback therapy in cardiovascular disease: rationale and re-search overview. Cleveland Clinic Journal of Medicine, 75 (2). 35-38.

341

Sharma, M., Frishman, W.H., Gandhi, K. (2011): RESPeRATE nonpharmacological treat-ment of hypertension. Cardiology in Review, 19 (2). 47-51.

Berufsgruppenspezifische oder störungsspezifische Rehabilitationbei Beschäftigten in Pflegeberufen?

Neu, R. (1, 2), Brendel, C. (1), Köllner, V. (1)

(1) Mediclin Bliestal Kliniken, Blieskastel, (2) Klinische Psychologie und Psychotherapie, Universität Trier

Hintergrund

Berufe im Bereich der Alten- und Krankenpflege sind mit einer erhöhten Morbidität für psy-chische Störungen belastet, wobei die häufigste Diagnose depressive Störungen sind. Zu-dem besteht in diesen Berufsgruppen ein erhöhtes Risiko eines gesundheitsbedingten vor-zeitigen Ausscheidens aus dem Beruf, was den Fachkräftemangel in diesem Bereich erheb-lich verstärkt (Weber et al., 2006). Deshalb wurden berufsbezogene Programme zurPrävention und Therapie entwickelt (Schmidt, 2004; Hillert, Koch, 2009), um sie in die Psy-chosomatische Rehabilitation integrieren zu können. Neuere Ansätze in Rehabilitationskli-niken bestehen folglich neben störungsspezifischen auch aus berufsgruppenspezifischenKonzepten. Hierzu ist das zentrale Element des berufsgruppenspezifischen Konzeptes un-serer Klinik die Kombination einer berufsgruppenhomogenen Therapiegruppe mit Tanzthe-rapie (Köllner et al., 2013; 2014). Im Folgenden soll untersucht werden, ob und inwiefernsich die beiden Rehabilitationskonzepte, störungsspezifisch und berufsgruppenspezifisch,unterscheiden. Weiterhin sollen auch Unterschiede innerhalb des berufsgruppenspezifi-schen Konzeptes zwischen Beschäftigten in der Altenpflege und Beschäftigten in der Kran-kenpflege erfasst werden.

Methodik

Es wurden 316 Patienten (79 m/237 w; Alter MW 50,33 Jahre) mit vorwiegend depressivenStörungen, von denen 156 ein berufsgruppenspezifisches Rehabilitationskonzept für Pfle-geberufe und 160 ein störungsspezifisches Konzept durchliefen, hinsichtlich Unterschiedenin soziodemographischen und sozialmedizinischen Variablen untersucht. Die psychischeSymptombelastung sowie arbeitsplatzbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster wur-den bei Aufnahme (T0) und Entlassung (T1) mit folgenden Messinstrumenten getestet:Health-49, BDI-II und AVEM.

Innerhalb des berufsgruppenspezifischen Konzeptes wurden Unterschiede zwischen 59 inder Altenpflege beschäftigten Patienten und 84 in der Krankenpflege beschäftigten Patien-ten erfasst.

342

Ergebnisse

Die berufshomogene Gruppe wies einen höheren Frauenanteil (86,5 % vs. 63,8 %) auf, kamhäufiger mit vorangegangenen AU-Zeiten in die Reha, wurde häufiger arbeitsunfähig ausder Klinik entlassen und ging seltener in den bisherigen Beruf zurück. Hinsichtlich der psy-chischen Symptombelastung zeigten sich bei Aufnahme keine signifikanten Unterschiede.Bei den Rehabilitanden aus Pflegeberufen wurden zu Beginn signifikant höhere Werte inden AVEM-Skalen Verausgabungsbereitschaft, Perfektionsstreben sowie Resignationsten-denz und signifikant niedrigere Werte für Distanzierungsfähigkeit festgestellt (Effektstärkend zwischen 0,31 und 0,64). Bezüglich des Rehabilitationserfolges konnten diese Patientenihre Werte hinsichtlich Verausgabungsbereitschaft stärker reduzieren (p<0,05, d=0,32),aber weniger an Problembewältigungskompetenzen gewinnen (p<0,05, d=0,27).

An Unterschieden zwischen den Berufsgruppen Alten- und Krankenpflege zeigte sich, dassAngehörige der Altenpflege häufiger nicht erwerbstätig vor der Reha waren und seltener hö-here Schulabschlüsse hatten. Hinsichtlich der Sozialmedizin zeigten sich 2 Tendenzen: Be-schäftigte in der Altenpflege erhielten seltener die Empfehlung, nach dem Klinikaufenthaltzurück in ihren Beruf zu gehen (p=0,052) und wurden häufiger quantitativ bezüglich der letz-ten beruflichen Tätigkeit eingeschränkt (p=0,072). Beschäftigte in der Altenpflege wiesen zuBeginn der Maßnahme erhöhte Werte hinsichtlich phobischer Ängste auf, im AVEM zeigtensie eine geringere Distanzierungsfähigkeit, ein geringeres Erfolgserleben im Beruf sowie ei-ne geringere Lebenszufriedenheit, jedoch eine höhere Bedeutsamkeit der Arbeit (Effektstär-ken d zwischen 0,35 und 0,4). Vergleicht man beide Berufsgruppen hinsichtlich des Reha-Erfolges, so konnten Angehörige der Krankenpflege stärker profitieren. Sie konnten ihrenBDI-Wert (p<0,05, d=0,38) sowie Selbstwirksamkeitsüberzeugungen (p<0,05, d=0,37)stärker reduzieren und stärker an Problembewältigungskompetenzen gewinnen (p<0,05,d=0,39).

Diskussion und Schlussfolgerungen

Unsere Daten spiegeln die spezifische Belastungssituation in Pflegeberufen wider. Berufs-gruppenspezifische Konzepte sind im Vergleich zu einer störungsspezifisch behandeltenKontrollgruppe hinsichtlich der Symptomreduktion ebenso wirksam. Vorteile berufsgruppen-spezifischer Konzepte sind, durch die Fokussierung auf den gemeinsamen beruflichen Hin-tergrund, berufliche Problemlagen gezielt zu thematisieren, eigene Anteile zu reflektierenund Lösungswege mithilfe der Kompetenz der Mitpatienten zu erarbeiten. Berufsgruppen-spezifische dysfunktionale Erlebens- und Verhaltensmuster scheinen hierdurch besser ver-ändert werden zu können.

Literatur

Hillert, A., Koch, S. (2009): Klinik berufsbezogener Gesundheitsstörungen – Psychosomatik.In: Hillert, A., Müller-Fahrnow, W., Radoschewski, F.M. (Hrsg.): Medizinisch-beruflich ori-entierte Rehabilitation. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag. 331-348.

Köllner, V., Eckert-Tag Elsir, C., Freiberg, A., Lipka-Stöhr, G. (2013): Stationäre Rehabilita-tion bei depressiven Störungen. Psychotherapie im Dialog, 14/3. 64-68.

Köllner, V., Eckert-Tag Elsir, C., Freiberg, A., Lipka-Stöhr, G. (2014): Berufsbezogene psy-chosomatische Rehabilitation für Pflegeberufe. DRV-Schriften, Bd. 103. 448-450.

343

Schmidt, S. (2004): Burnout in der Pflege. Stuttgart: Kohlhammer.Weber, A., Hörmann, G., Köllner, V. (2006): Psychische und Verhaltensstörungen – Die Epi-

demie des 21. Jahrhunderts? Deutsches Ärzteblatt, 103. 688-691.

Kriteriumsbezogene Validierung von KTL-Qualitätspunktenin der psychosomatischen Reha

Preuss, M.

Klinik Buching der Deutsche Rentenversicherung Schwaben, Halblech

Zweck der Untersuchung

Im Bericht „Therapeutische Versorgung – KTL“ meldet die Deutsche Rentenversicherungden Rehabilitationseinrichtungen KTL-Leistungsstrukturen in Form aggregierter Ergebnissenebst einem Klinik-Ranking zurück. KTL-Daten werden nach einem Kodierschema (Beck-mann, Teßmann, 2013, S. 11–13) quantitativ in Form von Qualitätspunkten (QPs) bewertet.QPs für die Indikatoren „KTL-Verteilung“ (Diversifikation der Therapie), „KTL-Menge“ sowie„KTL-Dauer“ (Therapiedosis in Anzahl bzw. Zeit) werden reportiert. Das Kodierschema, wel-ches die optimale Therapiediversifikation sowie Therapiedosis vorgibt, wurde bislang nochnicht empirisch validiert. Ziel der Studie war die kriteriumsbezogene Validierung der KTL-QPs mit etablierten Qualitätsindikatoren einer psychosomatischen Rehabilitation. Fragestel-lung: Unterscheiden sich psychosomatische Qualitätsindikatoren analog zu den postuliertenUnterschieden der KTL-QPs?

Methode, Design

Grundlage bildeten die Daten der Klinik Buching der 2013 entlassenen Rehabilitanden, Auf-enthaltsdauer ≥7 Tage. Neben KTL-Daten wurden Daten zu folgenden psychosomatischenQualitätsindikatoren erhoben:

● Patienteneinschätzung, inwieweit das Therapieziel erreicht wurde [PsyBaDo]

● Psychosomatische Symptomreduktion [Prä-Post SCL 90-R GSI (Franke, 2002)]

● Gesundheitsrelevante psychische Ressourcenerhöhung [Prä-Post FERUS (Jack, 2007)]

● Herstellung der Arbeitsfähigkeit oder stufenweiser Wiedereingliederung zum Entlasszeit-punkt bei vorliegender Arbeitsunfähigkeit zu Beginn der Reha [PsyBaDo, Entlassbericht]

Diese Indikatoren wurden vom ungünstigsten bis zum besten Rehaerfolg in einheitliche Ska-len (0–100) transformiert.

KTL-QPs nach Beckmann und Teßmann (2013) zur KTL-Verteilung, -Menge sowie -Dauer(unabhängige Variablen) klärten in ANOVAs die Varianz der Reha-Qualitätsindikatoren (ab-hängige Variablen) auf. Eine mittlere Effektstärke (Cohen, 1992) wurde für kriteriumsbezo-gene Validität erwartet. Studiendesign: Quasi-Experiment.

Ergebnisse

Als Stichprobe resultierte N=1075 (Männer 47 %), Alter: 47,2 (SD=9,6) Jahre. Die Verteilun-gen des N auf die KTL-QPs nach Beckmann, Teßmann (2013) sind in Abb. 1 dargestellt.

344

Abb. 1: N von QPs zu KTL-Verteilung, -Menge und -Dauer (N=1075 psychosomatische Patienten)

Abbildung 1 verdeutlicht, dass das N über die KTL-QPs sehr heterogen verteilt war. Im nächs-ten Schritt wurde der Einfluss der KTL-QPs auf die Reha-Indikatoren getestet. Wegen deshohen sowie heterogen verteilten N der QPs wurde das Augenmerk nicht auf die Signifikanzender ANOVAs, sondern auf deren Effektstärke (ETA-Quadrat) gelegt. Ermittelt wurde, ob dieKTL-QPs mit mittlerer Effektstärke die Varianz der Reha-Qualitätsindikatoren aufklärte.

Wie in Abb. 2 ersichtlich, konnten die KTL-QPs die Reha-Indikatoren nicht mit mittlerer Ef-fektstärke (ETA-Quadrat ≥0,059) aufklären. Lediglich kleine Effektstärken (ETA-Quadrat ≥0,010) wurden in 4 (von 12) statistischen Tests von den KTL-QPs erreicht, die restlichen la-gen noch unterhalb eines kleinen Effekts.

Abb. 2: Effektstärken der KTL-QPs zur Varianzaufklärung von Qualitätsindikatoren einer psychosoma-tischen Reha. Referenzlinien stellen mittlere (0,059) (Hypothese) sowie kleine (0,010) Effekt-stärken dar.

Diskussion

Die Hypothese, dass KTL-QPs kriteriumsbezogen anhand psychosomatischer Rehaerfolgevalidierbar sind, konnte nicht belegt werden. Die unterschiedlichen Effekte der KTL-QPs er-scheinen allerdings bemerkenswert. So konnte KTL-Dauer immerhin 3 Reha-Qualitäts-indikatoren mit kleiner Effektstärke aufklären. KTL-Menge zeigte in einem Test ein nennens-wertes Ergebnis. Sämtlich nicht berichtenswerte Effektstärken resultierten jedoch für die

345

QPs von KTL-Verteilung. Kritisch anzumerken ist das naturalistische Setting der Studie, daPatienten nicht randomisiert verschiedene KTL-Dosen bzw. KTL-Diversifizierungen erhiel-ten. Daher ist auch mit Selektionseffekten in den Ergebnissen ist zu rechnen.

Schlussfolgerung

Die Ergebnisse legen nahe, dass sich die psychosomatische Rehabilitationsqualität mit un-terschiedlichen KTL-Dosen begrenzt beeinflussen lässt. Während die QPs von KTL-Dauernoch nennenswert mit der psychosomatischen Reha-Qualität korrespondieren, scheinendie QPs von KTL-Verteilung jedoch zusammenhangslos zum Reha-Erfolg zu stehen. Zurbesseren Generalisierbarkeit der Ergebnisse sollte die Fragestellung dieser Studie mit Da-ten aus mehreren Kliniken getestet werden. Ziel sollte sein, empirisch validierte KTL-QPs zumodellieren, mit denen sich die psychosomatische Reha-Qualität effektiver als bisher beein-flussen lässt.

Literatur

Beckmann, U., Teßmann, W. (2013): Therapeutische Versorgung – KTL Bericht 2013. Deut-sche Rentenversicherung Bund.

Cohen, J. (1992): A power primer. Psychological Bulletin, 112. 155-159.Franke, G.H. (2002): Symptom-Checkliste von L.R. Derogatis – Deutsche Version (SCL-

90-R), Manual. Göttingen: Hogrefe.Jack, M. (2007): Fragebogen zur Erfassung von Ressourcen und Selbstmanagementfähig-

keiten (FERUS), Manual. Göttingen: Hogrefe.

346

Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen

Daten der stationären Suchtrehabilitation 1993–2013: Bedeutung von Suchtmitteln, Lebensalter, Komorbiditäten für die Rehabilitation der Zukunft

Hinze-Selch, D., Weitzmann, P., Zentner, S., Voigt, W., Englert, I., Nebe, R.

Fachkliniken St. Marien-St.Vitus, Neuenkirchen-Vörden

Hintergrund

„Klassische“ Suchtrehabilitation und die langjährig etablierte Suchtselbsthilfe verlieren anBoden (Niedersächsische Landesstelle für Suchtfragen, 2012). Die heutigen Patienten pas-sen nicht mehr in alte Konzepte. Suchtrehabilitationsanträge an DRVen sind rückläufig. Inder vorgelegten Studie werden die Hypothesen untersucht, dass sich über die letzten zweuJahrzehnte Altersstruktur, Suchtgewohnheiten und vor allem psychische Komorbiditätsbe-dingungen verändert haben bei Verkürzung der Behandlungszeiten in stationären Settings.Wir hypostasieren, dass die psychische Komorbidität zugenommen hat. Dies könnte be-deutsam sein für die Schwierigkeiten im traditionellen Suchthilfesystem.

Methoden

In 2 Suchtfachkliniken (200 Behandlungsplätze) zur gendersensiblen Behandlung von Ab-hängigkeiten von legalen Substanzen, sowie Glücksspiel wurden die Gesamtjahresbehand-lungsdaten bezüglich Lebensalter, Therapieadhärenz, somatischer/psychischer Komorbidi-tätsdiagnosen (ab 1998), Behandlungsdauern und Kostenträgerkonstellationen ausgewer-tet für die Behandlungszeiträume 1993 bis 1995, 1998 bis 2000, 2003 bis 2005 und 2011bis 2013. Die Ergebnisse werden über den Zeitverlauf, sowie für beide Einrichtungen undGeschlechter dargestellt.

Ergebnisse

Bei mäßigem Anstieg des Durchschnittsalters (m: 43,2 vs. 44,6, w: 39,9 vs. 42,2 Jahre)nimmt der Anteil der bis 25-jährigen Männer deutlich zu (0,9 vs. 6,4 %) unter Abnahme der„klassischen“ Reha-Altersgruppen 26–50Jahre (m: 75 vs. 61 %, w: 40 vs. 28 %) und Zunah-me der über 50-Jährigen (m: 24 vs. 32 %, w:59 vs. 72 %). Nichtantrittsquote steigt für beideGeschlechter (8 vs 16 %), während die Abbruchquote bei Männern steigt (8 vs. 11 %) undFrauen fällt (16 vs. 13 %) bei weitgehend stabilen Quoten für reguläre Entlassung (85 %). DieBehandlungsfälle pro Jahr steigen um rund 50% bei weitgehend stabilen Kostenträgerkons-tellationen (DRVen 85 %,Krankenkassen 12 %) und entsprechend abnehmenden durch-schnittlichen Behandlungsdauern (m: 105 vs. 77, w: 99 vs. 85 Tage). Die Diagnosenlast (An-zahl Diagnosenennung/Anzahl der Behandlungsfälle im Zeitraum) steigt für die ICD-10-F1-Suchtdiagnosen (m: 1,15 vs. 1,93, w: 0,57 vs. 1,91; mit pathologischem Glücksspiel m: 2,14,w: 1,92). Die Diagnosenlast durch psychische Komorbidität steigt (m: 0,03 vs. 0,72, w: 0,35vs. 1,77), insbesondere durch Depressionsdiagnosen (m: 0,03 vs. 0,28, w: 0,04 vs. 0,52),Angst-/Belastungsreaktionsdiagnosen F4 (m: 0,01 vs. 0,22, w: 0,06 vs. 0,74), sowie Persön-lichkeitsstörungsdiagnosen (m: 0,03 vs. 0,21, w: 0,14 vs. 0,24). Somatische Komorbiditätsdi-agnosen nehmen ab bei Männern (1,89 vs. 1,25;), aber zu bei Frauen (0,45 vs. 0,65).

347

Diskussion

In unseren beiden, unabhängigen, gendersensiblen Suchtfachkliniken hat über die letzten20 Jahre der Anteil der ehemals „klassischen“ Suchtreha-PatientInnen (40 Jahre, gut im Le-ben stehend) abgenommen bei gleichzeitiger Zunahme der Suchtbelastung durch Substan-zen und Verhaltenssüchte. Die psychische Komorbiditätslast hat ebenfalls erheblich zuge-nommen, sodass unsere Daten bei verkürzten Behandlungszeiten und unverändert beste-henden Barrieren zwischen den Hilfe-/Behandlungssystemen die Hypothese unterstützen,dass diese Faktoren bedeutsame Veränderungen und Erschwernisse darstellen, denen dasklassische Suchthilfesystem nicht gewachsen sein kann.

Schlussfolgerungen

Wenn die Diagnosenlast für Suchtstörungen auf fast 2, und für psychische Komorbiditätsdi-agnosen, teils chronisch schwerer Störungen, wie Depressionen, Belastungs- und Persön-lichkeitsstörungen, auf rund 1 gestiegen ist, kann die Bewertung der Rehabilitationsaufwen-dungen allein nach einer Suchthauptdiagnose nicht mehr hinreichend sein. Selbst wenn die-se Diagnosen nicht tatsächlich so stark zugenommen haben bei den PatientInnen, so habensie unzweifelhaft zugenommen in der Wahrnehmung durch die Behandler in einem zeitge-mäßen bio-psycho-sozialen Konzept von Suchtstörungen als zumeist Folgestörungen in ei-nem komplexen, teilhabefähigkeitsmindernden psychiatrisch-sozial-medizinischen Krank-heitsbild. Somit müssen Behandlungsmodalitäten patientenzentriert, flexibilisiert, Hilfesys-tembarrieren überschreitend langfristige Begleitungen, Behandlungen und professionelleHilfen ermöglichen zur stabilen Teilhabebefähigung.

Literaturverzeichnis

Niedersächsische Landesstelle für Suchtfragen (2012): Jahrestagung Sucht und Selbsthilfeauf Augenhöhe; http://nls-online.de/home16/index.php/downloads/cat_view/3-nls-jahres-tagungen/14-2012-sucht-und-selbsthilfe-auf-augenhoehe

Evaluation der stationären Behandlung bei Alkoholabhängigkeit – Ergebnisse von fünf Entlassungsjahrgängen 2007-2011

Bachmeier, R.

Johannesbad Holding, Bad Füssing

Einleitung

Seit Bestehen gehört die Qualitätssicherung von Behandlungsangeboten für Abhängigkeits-erkrankte zu den Hauptaufgaben des Fachverbandes Sucht e. V. und seinen Mitgliedsein-richtungen. Besonderer Wert wird dabei auf Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität gelegt.Die Erhebung einer Basisdokumentation sowie die Durchführung von Katamnesen bildenwesentliche Grundsteine zur Bewertung der Ergebnisqualität.

Methodik

Es werden Basisdokumentations- und Katamnesedaten (1-Jahres-Katamnese) der Mit-gliedseinrichtungen des Fachverbandes Sucht für 2007 bis 2011 (Missel et al., 2010, 2011,

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2012, 2013, 2014) dargestellt. Die Daten von Basisdokumentation und Katamnese wurdenin den jeweiligen Kliniken erhoben und pro Patient als ein anonymisierter Datensatz demFachverband Sucht e. V. zur Auswertung übermittelt. Als Erhebungsinstrumente kamen derErhebungsbogen zur Basisdokumentation (DHS, 2008, Fachausschuss Sucht des AHG-Wissenschaftsrates, 2007a) während der Behandlung in den Kliniken sowie der Nachbefra-gungsbogen zur stationären Entwöhnungsbehandlung (DHS 2008, Fachausschuss Suchtdes AHG-Wissenschaftsrates, 2007b) zum Katamnesezeitpunkt zum Einsatz. Die kata-mnestische Nachbefragung wurde postalisch und in einigen Kliniken zusätzlich auch telefo-nisch durchgeführt. Aus den katamnestisch erhobenen Antworten zur Abstinenz wurden dieErgebniskategorien abstinent, abstinent nach Rückfall, Rückfall und Rückfall per Definitiongebildet. Die Berechnung der Abstinenz- und Therapieerfolgsquoten orientieren sich an denDokumentationsstandards III für die Evaluation der Behandlung von Abhängigen (DeutscheGesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie, 2001).

Ergebnisse

Die dargestellten Daten umfassen die stationären Behandlungen folgender Patientenstich-proben 10.983 (2007), 10.461 (2008), 10.961 (2009), 13.113 (2010) und 13.570 (2011). DerVergleich der Katamneseantworter mit der Gesamtstichprobe zeigt bei allen Entlassungs-jahrgängen jeweils geringere Anteile Antworter bei männlichen Patienten, nicht verheirate-ten Patienten, Patienten ohne feste Partnerbeziehung, erwerbslosen Patienten und nichtplanmäßig entlassenen Patienten sowie ein höheres Alter, längere Abhängigkeitsdauernund längere Behandlungsdauern bei Antwortern. Zudem zeigt sich in allen Entlassungsjahr-gängen jeweils ein Anstieg des Anteils erwerbstätiger Patienten und Patienten ohne Arbeits-unfähigkeitszeiten beim Vergleich der Zeitpunkte Therapiebeginn und Katamnese. Die ka-tamnestische Therapieerfolgsquote nach DGSS 4 (bezüglich der Abstinenz) bleibt zwischen2007 und 2009 mit Werten zwischen 45,1 % (2009) und 43,6 % (2008) relativ konstant undgeht mit 41,3 % in 2010 und 39,8 % in 2011 deutlich zurück. Die katamnestische Erfolgs-quote nach DGSS 3 bleibt zwischen 2007 und 2010 mit Werten zwischen 79,3 % (2009) und78,1 % (2007) relativ konstant. Im Jahr 2011 geht die katamnestische Erfolgsquote nachDGSS 3 dagegen deutlich auf 75,3 % zurück.

Es finden sich zudem in allen Entlassungsjahrgängen höhere katamnestische Therapieer-folgsquoten bei Frauen, älteren Patienten, Patienten mit fester Partnerschaft, erwerbstäti-gen Patienten, Patienten ohne psychische Komorbidität, einem Entzug sowie mit planmäßi-ger Therapiebeendigung.

Der Trend im Rückfallgeschehen bleibt über die Jahre hinweg gleich, indem sich jeweils et-wa 2/3 der Rückfälle in den ersten 4 Monaten nach Behandlungsende ereignen.

Diskussion

Die Ergebnisse sprechen für eine hohe Ergebnisqualität in der stationären Behandlung Ab-hängigkeitskranker in den Einrichtungen des Fachverbandes Sucht. Dies wird bestätigt fürdie Stichprobe der Katamneseantworter mit einer Verbesserung der Erwerbssituation undder Arbeitsunfähigkeitszeiten beim Vergleich der Daten zum Katamnesezeitpunkt und sta-tionären Therapiebeginn. Des Weiteren ergeben sich hohe katamnestischen Erfolgsquotennach DGSS 4 und DGSS 3, wenngleich die Erfolgsquote nach DGSS 4 in den Jahren 2010

349

und 2011 und nach DGSS 3 in 2011 jeweils deutlich absinkt. Möglicherweise besteht hierbeiein Zusammenhang mit einer zunehmenden Krankheitsschwere (Chronifizierung, Co- undMultimorbidität) der Patienten über die betrachteten Jahre.

Literatur

Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (Hrsg.) (2001): Dokumenta-tionsstandards III für die Evaluation der Behandlung von Abhängigen. SUCHT, 47. Jahr-gang, Sonderheft 2.

Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (DHS) (Hrsg.) (2008): Deutscher Kerndatensatzzur Dokumentation im Bereich der Suchtkrankenhilfe. Stand: 05.10.2010. www.dhs.de.

Fachausschuss Sucht des AHG-Wissenschaftsrates (Hrsg.) (2007a): BasisdokumentationSucht Version 1.0, Düsseldorf.

Fachausschuss Sucht des AHG-Wissenschaftsrates (Hrsg.) (2007b): Nachbefragungsbogenzur stationären Entwöhnungsbehandlung (Katamnese Sucht), Version 1.0. Düsseldorf.

Missel, P., Schneider, B., Bachmeier, R., Funke, W., Garbe, D., Herder, F., Kersting, S., Me-denwaldt, J., Schneider, B., Verstege, R., Weissinger, V., Wüst, G. (2010): Effektivität derstationären Suchtrehabilitation – FVS-Katamnese des Entlassjahrgangs 2007 von Fach-kliniken für Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit. Sucht aktuell, 17/1. 9-20.

Missel, P., Schneider, B., Bachmeier, R., Funke, W., Garbe, D., Herder, F., Kersting, S., Me-denwaldt, J., Schneider, B., Verstege, R., Weissinger, V., Wüst, G. (2011): Effektivität derstationären Suchtrehabilitation – FVS-Katamnese des Entlassjahrgangs 2008 von Fach-kliniken für Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit. Sucht aktuell, 18/1. 15-26.

Missel, P., Schneider, B., Bachmeier, R., Funke, W., Garbe, D., Herder, F., Kersting, S.,Lange, N., Medenwaldt, J., Schneider, B., Verstege, R., Weissinger, V. (2012): Effektivitätder stationären Suchtrehabilitation – FVS-Katamnese des Entlassjahrgangs 2009 vonFachkliniken für Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit. Sucht aktuell, 19/1. 16-27.

Missel, P., Bick, S., Bachmeier, R., Funke, W., Garbe, D., Herder, F., Kersting, S., Lange, N.,Medenwaldt, J., Schneider, B., Verstege, R., Weissinger, V. (2013): Effektivität der statio-nären Suchtrehabilitation – FVS-Katamnese des Entlassjahrgangs 2010 von Fachklinikenfür Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit. Sucht aktuell, 20/1. 13-25.

Missel, P., Jung C., Herder F., Fischer R., Bachmeier, R., Funke, W., Garbe, D., Kersting, S.,Lange, N., Medenwaldt, J., Mielke D., Schneider, B., Seeliger C., Verstege, R., Weis-singer, V. (2014). Effektivität der stationären Suchtrehabilitation – FVS-Katamnese desEntlassjahrgangs 2011 von Fachkliniken für Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit.Sucht aktuell, 21/1. 5-18.

350

Prognostische Bedeutung der RMK-Bedarfsgruppen für die stationäre Entwöhnungsbehandlung Alkoholabhängiger –

Aktuelle Ergebnisse der 1-Jahres-Katamnese

Spyra, K. (1), Egner, U. (2), Fahrenkrog, S. (1), Köhn, S. (1), Lindenmeyer, J. (3), Missel, P. (4)

(1) Charité – Universitätsmedizin Berlin, (2) Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin, (3) salus Klinik Lindow, (4) AHG Kliniken Daun Am Rosenberg

Hintergrund

Das Konzept der Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMK) stellt einen Ansatz dar,der innerhalb einzelner Indikationen, u. a. für die Rehabilitation Alkoholabhängiger, ICF-be-zogen Bedarfe abbildet, die für die therapeutischen Interventionen prognostisch bedeutsamsind. Grundlegend bei der Ableitung von RMK ist der Rückgriff auf empirische Daten aus derVersorgungspraxis. Unter Einbeziehung etablierter Instrumente (SCL-90-R, BDI-II, AASE,AVEM, F-SozU etc.) wurde ein RMK-Klinik-Assessment entwickelt, das zur Differenzierungvon 4 Bedarfsfallgruppen zu Beginn der stationären Alkoholentwöhnung geeignet ist. Mitdem Instrument konnten 4 Gruppen ermittelt werden, die sich zu Reha-Beginn signifikant inihrem Reha-relevanten somato-psycho-sozialen Therapiebedarf unterscheiden (Spyra etal., 2010; 2011). Bisher lagen allerdings keine Ergebnisse dazu vor, ob bzw. wie sich die zuReha-Beginn ermittelten Beeinträchtigungsgruppen hinsichtlich zentraler Outcome-Para-meter 1 Jahr nach Reha unterscheiden. Hierzu werden im Folgenden Ergebnisse aus der1-Jahres-Katamnese berichtet.

Fragestellung

Unterscheiden sich die zu Reha-Beginn mit Hilfe des RMK-Assessments ermittelten Fall-gruppen alkoholabhängiger Rehabilitanden auch hinsichtlich der routinemäßig in der 1-Jah-res-Katamnese von den Kliniken erhobenen Outcome-Kriterien?

Methode

In einer kürzlich abgeschlossenen Studie wurden von 05/2011 bis 12/2012 in 12 Kliniken al-koholabhängige Rehabilitanden mit dem RMK-Assessment befragt und hinsichtlich der RMKBedarfsgruppenzugehörigkeit klassifiziert. Hier wird über Ergebnisse aus der 1-Jahres-Rou-tinekatamnese berichtet, die sich auf die Unterschiede in Outcome-Kriterien der RMK-Grup-pen bezieht. Es wurde untersucht, welche prognostische Relevanz die Zugehörigkeit zu einerRMK-Bedarfsgruppe für die 1 Jahr nach Reha festgestellten Ergebnisse hat.

Ergebnisse

Die Stichprobe bestand aus n=1.768. Der Rücklauf der 1-Jahres-Katamnese lag bei 53,3 %(n=942), wies allerdings deutliche Unterschiede über die Bedarfsgruppen auf. Er lag in deram wenigsten beeinträchtigten Gruppe (RMK-AL-1) mit 59,1 % deutlich höher als in der amschwersten beeinträchtigten Gruppe (RMK-AL-4) mit 48,1 %. Hinsichtlich der Ergebnissezeigte sich, dass die Abstinenzquote nach DGSS1 für die am leichtesten beeinträchtigeBedarfsgruppe 1 Jahr nach Reha mit 76,7 % signifikant (p=0,012) besser ausfiel als für dieam schwersten beeinträchtigte Gruppe, wo sie bei 64,8 % lag. Bei der Berechnung nach

351

DGSS 4 wurde ein ähnlicher Unterschied gefunden: die Gruppe RMK-AL-1 wies mit einerQuote von 44,4 % deutlich bessere Werte auf als die Gruppe RMK-AL-4, deren Quote bei29,5 % lag. Auch hinsichtlich der Frühberentungen wiesen die Rehabilitanden der wenigerbeeinträchtigten Gruppe tendenziell bessere Ergebnisse auf. 14,9 % der Rehabilitanden derRMK-AL-1 im Vergleich zu 26,3 % der Gruppe RMK-AL-4 beziehen eine Rente oder habenein laufendes Rentenverfahren.

Diskussion und Ausblick

Die 1 Jahr nach Reha festgestellten Unterschiede in den Katamneseergebnissen der RMK-Gruppen weisen darauf hin, dass die eingangs gemessenen Bedarfsunterschiede auch pro-gnostisch relevant sind. Die RMK eröffnen damit auch einen neuen methodischen Zugangzur Ergebnisbewertung, der über die bisher üblichen Untersuchungen von Einzelzusam-menhängen hinaus geht: Bisher beschränken sich Untersuchungen zu Erklärungsansätzenfür Outcome-Unterschiede meist auf die isolierte Betrachtung einzelner oder weniger Pati-entenmerkmale. Mit dem RMK-Konzept sind nun differenzierte Effektivitätsbetrachtungenmöglich. Die Katamneseergebnisse belegen, dass die Rehabilitation für differenzielle Pati-entengruppen (RMK) zurzeit unterschiedlich effektiv ist. Die prognostischen Unterschiedebelegen dabei einerseits die Relevanz der statistisch modellierten Unterschiede im Aus-gangsbedarf, zum anderen sind sie als Hinweis auf mögliche Optimierungspotenziale derzurzeit realisierten Behandlung zu interpretieren.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund, AHG Allgemeine Hospitalgesellschaft AG,AKG Dr. S. Zwick GmbH und Co. KG, Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfee. V., Paracelsus-Kliniken-Deutschland GmbH, salus klinik Lindow, Haus Saaletal GmbH,Klinik Eschenburg KG

Literatur

Spyra, K., Ammelburg, N., Köhn, S. (2010): Rehabilitanden-Management-Kategorien(RMK): Überblick zu den Ergebnissen aus der bisherigen Forschungs- und Entwicklungs-arbeit. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 87. 63-80.

Spyra, K., Köhn, S., Ammelburg, N., Schmidt, C., Missel, P., Lindenmeyer, J. (2011): Reha-bilitanden-Management-Kategorien (RMK) – Entwicklungsprozess und ausgewählte Er-gebnisse am Beispiel der Suchtrehabilitation. Die Rehabilitation, 50. 298-307.

Ergebnisqualität einer Web-basierten Tele-Nachsorge nach stationärer medizinischer Rehabilitation Alkoholabhängiger

Missel, P. (1), Arens, J. (1), Kramer, D. (2)

(1) AHG Kliniken Daun, (2) salus klinik Friedrichsdorf

Theoretischer Hintergrund

Verschiedene Studien konnten bereits die erfolgreiche Implementierung von Nachsorge-konzepten nach einer stationären psychosomatischen Rehabilitation mit Hilfe neuer Medienzeigen (vgl. Ebert et al., 2008). Allerdings fehlen vergleichbare Ansätze bezogen auf die Re-

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habilitation Alkoholabhängiger. Daher wurde das vorliegende, von der Deutschen Renten-versicherung Bund geförderte, Projekt einer Web-basierten Tele-Nachsorge initiiert. Hiersollten der Erhalt einer abstinenten Lebensweise im Alltag gesichert und die poststationäreSchnittstellenproblematik überwunden werden (vgl. Wollmerstedt et al., 2013).

Methodik

In 2 Fachkliniken für Abhängigkeitserkrankungen wurde die vorliegende prospektive, rando-misierte Längsschnittstudie mit einer Experimentalgruppe (EG, wöchentliche InternetbasierteGruppentherapie im Chat) und einer Kontrollgruppe (KG, monatlicher Telefonkontakt zu ei-nem Klinikmitarbeiter) durchgeführt (nGesamt = 268). Beide Interventionsformen fanden übereinen Zeitraum von 6 Monaten nach Entlassung aus der stationären Rehabilitation statt. AlsDatenbasis dienten die standardisierte Basisdokumentation und Katamnestik, psychometri-sche Fragebögen sowie spezifische Instrumente zur Erhebung von Rückfällen, Nachsorge-verhalten und zur Programmevaluation.

Ergebnisse

Die Abstinenzquoten wurden gemäß der Standards der DGSS (DGSS 1–4) berechnet.6 Monate nach der stationären Entlassung fällt die Erfolgsquote der EG mit 69,4 % erwar-tungsgemäß höher aus als in der KG (59,5 %). Zur 1-Jahres-Katamnese wurden die Absti-nenzquoten von EG und KG einer Vergleichsgruppe (TAU, treatment as usual) gegenüber-gestellt: Die Teilnehmer der Interventionsgruppen wiesen hier je nach Standard eine um10–20 % höhere Erfolgsquote auf als Patienten der TAU (p<0.05). Es zeigte sich zudem einTrend zugunsten der EG.

Diskussion

Bezogen auf die Abstinenzsicherung 1 Jahr nach Entlassung aus der stationären Rehabili-tation deuten die Ergebnisse sowohl auf die Wirksamkeit einer therapeutisch geleitetenChat-Nachsorge als auch eines telefonischen Kurzkontaktes im Vergleich zu TAU hin.

Schlussfolgerungen

Internet-basierte sowie telefonische Nachsorgekonzepte stellen ein innovatives, bedarfsge-rechtes Behandlungsangebot dar, welches die Chance bietet, den Anteil der regelmäßig anNachsorgemaßnahmen teilnehmenden Patienten zu erhöhen.

Literatur

Ebert, D., Tarnowski, T., Berking, M., Sieland, B. (2008): Vernetzung von Psychotherapieund Alltag: Ein web-basiertes Nachsorgekonzept zur Förderung von stationären Thera-pieerfolgen. In: Bauer, S., Kordy, H.: E-Mental-Health. Neue Medien in der psychosozia-len Versorgung. Heidelberg: Springer.

Missel, P., Kramer, D., Preßler, A.-L., Arens, J. (2014): Abschlussbericht zum Forschungs-projekt „Ergebnisqualität einer Web-basierten Tele-Nachsorge nach stationärer medizini-scher Rehabilitation Alkoholabhängiger“ (unveröffentlicht).

Wollmerstedt, N., Kramer, D., Arens, J., Missel, P. (2013): Chat-Nachsorge für stationär ent-wöhnte Alkoholabhängige – Verlauf der Studie. DRV-Schriften, Bd. 101. 68-69.

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Mit dem Joystick gegen das Suchtgedächtnis: Ergebnisseder Multicenterstudie

Lindenmeyer, J. (1, 2), Rinck, M. (3), Becker, E. (3), Mühlig, S. (2), Wiers, R. (4)

(1) salus klinik Lindow, (2) TU Chemnitz, (3) Universität Nijmegen, (4) Universität Amsterdam

Theoretischer Hintergrund

In 4 randomisiert-kontrollierten Studien der Autoren mit hohen Fallzahlen konnte nachge-wiesen werden, dass die Rückfallrate bei Alkoholabhängigen durch ein PC-gestütztes Alko-hol-Vermeidungstraining (AAATT) langfristig signifikant gesenkt werden kann (Wiers et al.,2011; Eberl et al., 2013). In einer multizentrischen Phase-IV-Studie wurde nunmehr die Ak-zeptanz des Trainings durch Behandler und Patienten sowie seine Effektivität in der Routi-neversorgung (effectiveness) in 10 stationären Entwöhnungseinrichtungen für Alkoholab-hängige überprüft.

Probanden

1.400 Alkoholabhängige in stationären Entwöhnungsbehandlung.

Procedere

Die Probanden wurden zufällig auf eine Trainingsgruppe (6 Sitzungen Vermeidungs-Trai-ning à 15 Minuten mit jeweils 220 Trainingsdurchgängen) bzw. eine Kontrollgruppe ohneTraining verteilt. Beim Vermeidungs-Training hatten die Probanden die Aufgabe, Bilder vonalkoholischen Getränken auf dem Bildschirm mit Hilfe eines Joysticks wegzudrücken (Ver-meidung) und nichtalkoholische Getränke heranzuziehen (Annäherung). Zur Ermittlung derkurzfristigen und langfristigen Trainingseffekte wurden bei allen Patienten eine 3-, 6- und12-Monats-Katamnese entsprechend DGSS 4 (intention to treat) durchgeführt.

Ergebnisse

Die Basisdaten und Diagnostikdaten zeigen, dass die Stichprobe repräsentativ für die allge-mein in stationärer Entwöhnungsbehandlung befindlichen Patienten ist. Sowohl bei Patien-ten als auch Mitarbeitern der beteiligten Kliniken zeigte sich eine hohe Akzeptanz des Trai-nings. Hinsichtlich einiger Bewertungsvariablen gab es signifikante Unterschiede zwischenPatienten und Therapeuten sowie eine große Varianz zwischen den beteiligten Kliniken.

Bei 3-Monats-Katamnese zeigte sich eine signifikant höhere Abstinenzquote in der Trai-ningsgruppe als in der Kontrollgruppe (p<0,02). Bei der 6-Monats-Katamnese war dieserEffekt aufgrund der geringen Antworterrate lediglich tendenziell signifikant (p<0,06). DieErgebnisse der 12-Monats-Katamnese werden bis zum Reha-Kolloquium vorliegen.

Schlussfolgerung und Ausblick

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass durch den zusätzlichen Einsatz des Joysticktrai-nings AAATT auch in der Routineversorgung von Alkoholabhängigen eine nachhaltige Ver-besserung stationärer Entwöhnungsbehandlung erzielt werden kann.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

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Literatur

Eberl, C., Wiers, R., Pawelczack, S., Rinck, M., Becker, E., Lindenmeyer, J. (2013): Ap-proach bias modification in alcohol dependence: Do clinical effects replicate and for whomdoes it work best? Developmental Cognitive Neuroscience, 4. 38-51.

Wiers, R., Eberl, C., Rinck, M., Lindenmeyer, J. (2011): Re-training automatic action tenden-cies. Changes alcoholic patient’s approach bias for alcohol and improves treatment out-come. Psychological Science, 20. 1-8.

„Entwöhnungsbehandlung und andere Formen der Postakutbehandlung“zur S3-Leitlinie alkoholbezogener Störungen

Missel, P. (1), Arens, J. (1), Koch, A. (2)

(1) AHG Kliniken Daun, (2) Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe (buss)

Hintergrund und Zielsetzung

Im Rahmen der Entwicklung der S3-Leitlinie Alkoholabhängigkeit unter Aufsicht der AWMFwurden in einem eigenen Kapitel Schlüsselempfehlungen zur „Entwöhnungsbehandlungund anderen Formen der Postakutbehandlung“ entwickelt. Die bisherige Nomenklatur„Postakutbehandlung“ wurde in „Entwöhnungsbehandlung und andere Formen der Post-akutbehandlung“ neu benannt.

Methode

In einer eigenen Arbeitsgruppe mit Experten fanden systematische Literaturrecherchenhinsichtlich internationaler Quell-Leitlinien, nationaler Leitlinien und Standards statt. Es wur-den Evidenztabellen im Rahmen von systematischer und unsystematischer Literaturrecher-che erstellt. Als klinische Fragestellungen wurden nachfolgend konsentiert, beispielhafteSchlüsselempfehlungen werden benannt:

1. Welche Wirksamkeit (positive, fehlende, unerwünschte) weisen postakute Interventions-formen im kontrollierten Vergleich bei der Behandlung des Alkoholabhängigkeitssyn-droms auf?

„z. B. Schlüsselempfehlung 3.8.3-1: Generelle Wirksamkeit

Postakute Interventionsformen sollen Patienten im Anschluss an die Entzugsphase alsnahtlose weiterführende Behandlung angeboten werden. Dabei stellt die Abstinenz beiabhängigem Konsum die übergeordnete Zielsetzung dar. Evidenzgrad: KKP.“

2. Von welchen der folgenden Bedingungen ist die Wirksamkeit abhängig?

a) Patientengruppen (z. B. Co- und Multimorbidität, Geschlecht, Alter, sozioökonomi-scher Status, Migrationshintergrund)

b) Setting (ambulant, ganztägig ambulant, stationär)

c) Behandlungsdauer

d) Interventionskomponenten

„z. B. Schlüsselempfehlung 3.8.3-12: Bedingungen: Interventionskomponenten

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Verhaltenstherapie soll im Rahmen der Postakutbehandlung angeboten werden. Evi-denzgrad: A.“

3. Welche Ergebnismaße (z. B. Abstinenz, Konsumreduktion, Rückfallraten, Mortalität, be-rufliche (Re-)Integration, Lebenszufriedenheit) sollen berücksichtigt werden?

„z. B. Schlüsselempfehlung 3.8.3-25: Ergebnismaße: Abstinenz

Ist das Ziel der Behandlung von alkoholbezogenen Störungen die Abstinenz, sollte als pri-märes Ergebnismaß die katamnestische Erfolgsquote hinsichtlich der Abstinenz herange-zogen werden. Evidenzgrad: KKP.“

Ergebnis

In dem Beitrag werden insgesamt 27 Schlüsselempfehlungen zur generellen Wirksamkeit,zu Therapiezielen, zu Rahmenbedingungen, zu Interventionskomponenten, zu Ergebnisma-ßen und zur Evaluation vorgestellt. Diese Schlüsselempfehlungen wurden in einer Konsen-suskonferenz vom 06. bis 08.02.2014 in Mannheim konsentiert und verabschiedet.

Diskussion und Ausblick

Die S3-Leitlinien zur „Entwöhnungsbehandlung und anderen Formen der Postakutbehand-lung“ werden zu nationalen Standards u. a. in der medizinischen Rehabilitation Abhängig-keitskranker werden. Sie bedeuten eine Herausforderung für das Versorgungssystem, so-wohl für Leistungsträger wie Leistungserbringer.

Förderung: DGPPN

Literatur

Missel, P., Koch, A. (2012): S3-Leitlinienentwicklung „Entwöhnungsbehandlung und andereFormen der Postakutbehandlung“. Beitrag auf dem Deutschen Suchtkongress 2012 inBerlin.

Missel, P., Arens, J., Koch, A. (2014): „Entwöhnungsbehandlung und andere Formen derPostakutbehandlung“. Beitrag auf dem Deutschen Suchtkongress 2014 in Berlin.

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Orthopädische Rehabilitation

Standortbestimmung der verhaltensmedizinisch-orthopädischen Rehabilitation (VMO) – zwischen orthopädischer und psychosomatischer

Rehabilitation?

Krischak, G. (1, 2), Schurr, S. (1), Jankowiak, S. (1), Dannenmaier, J. (1)

(1) Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau, (2) Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Federseeklinik, Bad Buchau

Hintergrund

Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes werden häufig von psy-chischen Erkrankungen begleitet. Während die Prävalenz in der deutschen Bevölkerung ca.20 % beträgt (Jacobi et al., 2004), weisen zwischen 30 % und 50 % der Rehabilitanden miteiner orthopädischen Erkrankung eine psychische Komorbidität auf (DRV Bund, 2014). Un-ter Rehabilitanden der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg leiden Rehabi-litanden mit der Hauptdiagnose „Rückenschmerz“ (M54) (ICD F30–39) am häufigsten auchunter neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen (F40–F48) sowie unter affek-tiven Störungen (F30–F39) (RSD, 2012). Da eine psychische Komorbidität den Erfolg derRehabilitation beeinflussen kann, ist die Mitbehandlung der psychischen Begleiterkrankungwährend der Rehabilitation von erheblicher Bedeutung. Ein Ansatz zu Sicherung der Reha-bilitationsergebnisse stellt dabei die verhaltensmedizinisch-orthopädische Rehabilitation(VMO) dar. Die Wirksamkeit des Modellkonzepts der VMO an der Federseeklinik BadBuchau wurde im Rahmen einer klinischen Studie im Vergleich zur orthopädischen (Feder-seeklinik) und psychosomatischen Rehabilitation (Schloßklinik Bad Buchau) überprüft.

Methodik

Im Rahmen der Studie wurden die Rehabilitationsergebnisse der Teilnehmer der VMO mitdenen einer orthopädischen (OrthoR) sowie einer psychosomatischen (PsychR) Rehabilita-tion verglichen. Die Datenerhebung erfolgte zu Beginn (t0) und bei Entlassung (t1) aus derRehabilitation anhand standardisierter Fragebögen. Bei allen Gruppen wurden soziodemo-grafische Merkmale sowie die psychische Verfassung (SCL-90 R) erhoben. Der Reha-Status (IRES-2) wurde nur in der OrthoR und VMO erfasst. In die Auswertungen gingen135 Fälle aus der OrthoR, 337 Fälle aus der PsychR und 486 Fälle aus der VMO ein. Dievorliegenden Daten wurden zunächst univariat anhand deskriptiver Statistiken ausgewertet.

Ergebnisse

Zwischen den drei Gruppen ergaben sich keine signifikanten Unterschiede bei der Alters-verteilung. Jedoch bestanden signifikante Unterschiede bezüglich der Geschlechtervertei-lung, wobei der Frauenanteil in der OrthoR 43 %, in der VMO 61 % und in der PsychR 64 %betrug. Gemessen am GSI (Abb. 1) sind Rehabilitanden der VMO und PsychR bei Auf-nahme und Entlassung gleichermaßen stärker psychisch belastet als Rehabilitanden derOrthoR (t0: p<0,0001; t1: p=0,0006). Sowohl in der Gruppe der VMO als auch in der PsychR

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steigt durch die Rehabilitation der Anteil der Rehabilitanden ohne psychische Auffälligkeitenerheblich an. Eine klinisch signifikante Verbesserung des GSI wurde bei 26 % der Patientenin der PsychR, 17 % der Patienten in der VMO und 7 % in der OrthoR beobachtet(p<0,0001). Rehabilitanden der VMO weisen zu beiden Messzeitpunkten einen signifikantschlechteren Rehabilitations-Status (IRES-Gesamtscore) auf, als Rehabilitanden derOrthoR. Während die OrthoR einen Mittelwert von 6,19 bei Aufnahme (t0) und von 6,47 beiEntlassung (t1) aufweisen, liegt dieser bei Rehabilitanden der VMO bei 5,23 (t0) bzw.5,35 (t1) (p<0,0001). Beide Gruppen verbessern sich im Rehabilitationsverlauf damit glei-chermaßen (OrthoR: 0,30; VMO: 0,25; p=0.4335).

Abb. 1: Globaler Kennwert der SCL-90 R-Skalen getrennt nach Zeitpunkt und Behandlungsgruppe

Zusammenfassung

Die psychische Belastung der VMO-Teilnehmer ist zu Beginn der Rehabilitation sehr ähnlichder von Rehabilitanden der psychosomatischen Rehabilitation, aber deutlich unterschiedlichzur orthopädischen Rehabilitation. Dies bestätigt eine zielführende bedarfsgerechte Zu-gangssteuerung. Dabei verbessert sich die psychische Verfassung sowohl bei VMO-Teil-nehmern, als auch bei psychosomatischen Rehabilitanden, d. h. beide Gruppen profitierenvon dem jeweiligen Behandlungskonzept. Bei Betrachtung des IRES-Gesamtscores bestä-tigt sich dieses Ergebnis. Rehabilitanden der VMO weisen einen deutlich schlechteren Re-habilitationsstatus auf als Rehabilitanden der OrthoR, verbessern sich im Rehabilitations-verlauf aber gleichermaßen.

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Literatur

Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) (Hrsg.) (2014): Positionspapier der Deut-schen Rentenversicherung zur Bedeutung psychischer Erkrankungen in der Rehabilita-tion und bei Erwerbsminderung.

Jacobi, F., Wittchen, H.-U., Hölting, C., Höfler, M., Pfister, H., Müller, M., Lieb, R. (2004):Prevalence, co-morbidity and correlates of mental disorders in the general population: re-sults from the German Health Interview and Examination Survey (GHS), PsychologicalMedicine 34: 1-15.

Rehabilitationsstatistikdatenbasis der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg(2012).

Wie relevant ist Komorbidität für den sozialmedizinischen 6-Monats-Verlauf nach stationärer Rehabilitation wegen muskuloskelettaler

Erkrankungen und psychischen Störungen?

Gutt, S., Parthier, K., Mau, W.

Institut für Rehabilitationsmedizin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Hintergrund und Ziel der Untersuchung

Ausgangspunkt dieser Untersuchung ist die bei muskuloskeletalen Erkrankungen in zahlrei-chen Studien nachgewiesene Komorbidität psychischer Störungen (Baumeister, Härter,2011), die zu komplexen Einschränkungen und Belastungen der Betroffenen führen kannund damit eine besondere Herausforderung im Rehabilitationsprozess darstellt. Für diemuskuloskeletale Erkrankungsgruppe werden deutschlandweit am häufigsten Rehabilita-tionsleistungen erbracht, gefolgt von psychischen Störungen – ohne Suchterkrankungen(Deutsche Rentenversicherung Bund, 2013). Bei den psychischen Störungen spielen kör-perliche Beschwerden im Rehabilitationsprozess eine bedeutende Rolle. Aus den ersten Er-gebnissen der ZuVerSichts-Studie, welche beide Indikationsbereiche bezüglich Zugangs-und Verlaufseinschätzungen im rehabilitativen Prozess untersucht, ergab sich über das BSI-18-Screening (Franke, 2000) ein Anteil von psychisch auffälligen orthopädischen Rehabili-tanden von 37 % (Gutt et al., 2014). Für die von Komorbidität Betroffenen kann dies nebeneiner Verringerung der Lebensqualität mit sozialmedizinischen Konsequenzen einherge-hen. Gegenstand dieses Beitrages sind daher die Analysen der Häufigkeiten ICD-relevantermuskuloskeletaler Komorbidität in der Psychosomatik und psychischer Störungen in derorthopädischen Rehabilitation sowie der sozialmedizinische Verlauf beider Indikationsgrup-pen mit und ohne psychischer bzw. muskuloskeletaler Komorbidität bezüglich des Er-werbstatus, der subjektiven Prognose der Erwerbstätigkeit (SPE) sowie Erwerbsminde-rungsrentenantragstellung (EM).

Methodik

Dazu wurden die Daten der ZuVerSichts-Studie mit prospektivem multizentrischen Designherangezogen, in welcher soziodemografische, gesundheitsbezogene und sozialmedizini-sche Merkmale von orthopädischen und psychosomatischen Rehabilitanden der Deutschen

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Rentenversicherung Mitteldeutschland im Alter von 18–63 Jahren zu 3 Messzeitpunkten(T1: Reha-Beginn, T2: Reha-Ende; T3: 6 Monate nach Reha-Ende) erfasst wurden. Auf Ba-sis der Klinikroutinedaten wurden in der Orthopädie Patienten aller muskuloskeletalen Zu-weisungsdiagnosen (ICD-10: M00–99) in die Studie aufgenommen; in der PsychosomatikPatienten mit Affektiven Störungen (ICD-10: F3) sowie Neurotischen, Belastungs- und so-matoformen Störungen (ICD-10: F4). Die Reha-Entlassungsdiagnosen wurden als Refe-renzstandard zur Bildung der Gruppen herangezogen. Die subjektive Prognose der Er-werbstätigkeit wurde mittels der Kurzskala „SPE“ (Mittag, Raspe, 2003) erhoben (Wertebe-reich zwischen 0 und 3), wobei höhere Werte eine schlechtere Prognose bedeuten. Beikategorialen Variablen fanden nichtparametrische Tests Anwendung. Im Falle intervallska-lierter Variablen wurden 1-faktorielle Varianzanalysen bei mehr als 1 Messzeitpunkt mitMesswiederholung durchgeführt.

Ergebnisse

Zu T1 haben insgesamt 292 Rehabilitanden aus der Orthopädie und 300 Rehabilitandenaus der Psychosomatik an der Studie teilgenommen (n=592). Zur Gruppenbildung wurdenüber die ICD-10-Entlassungsdiagnosen folgende 4 Patientengruppen zwischen den Indika-tionsgruppen gebildet: 1) Orthopädische Rehabilitanden ohne psychische Komorbidität(„O“; n=224), 2) Orthopädische Rehabilitanden mit psychischer Komorbidität („O+P“; n=68),3) Psychosomatische Rehabilitanden ohne muskuloskeletale Komorbidität („P“; n=203) und4) Psychosomatische Patienten mit muskuloskeletaler Komorbidität („P+O“; n=97). Dasdurchschnittliche Alter der Rehabilitanden ist in der „O“-Gruppe M=51,5 (SD=8), in der„O+P“-Gruppe M=48,5 (SD=8), in der „P“-Gruppe M=48,1 (SD=10) und in der „P+O“-GruppeM=50,4 (SD=8) Jahre (F=5,6, p<.001). Der Anteil an Frauen beträgt in der „O“-Gruppe 43 %,in der „O+P“-Gruppe 65 %, in der „P“-Gruppe 67 % und in der „P+O“-Gruppe 64 % (Phip<.001).

In der „P+O“-Gruppe ist zu T3 die geringste Erwerbstätigkeitsquote zu verzeichnen (Abnah-me von 65 % zu T1 auf 54 % zu T3). Die Analyse des Zeitverlaufs bezüglich der EM-Ren-tenantragstellung ergab einen signifikanten Zeiteffekt im Sinne einer Zunahme des Anteilsder Rentenantragsteller (Cochran-Q; p<.001). Die höchste Quote an Rentenantragstellernwar zu allen Messzeitpunkten in der „O+P“-Gruppe zu verzeichnen (T1: 14%; T2: 16%;T3: 28%; p=.008). Die Steigerung von Reha-Beginn zur 6-Monats-Katamnese entsprichthier einer Verdopplung. Auch bei der „P+O“-Gruppe verdoppelten sich die Anteile zu T3 (T1:11%; T2: 10%; T3: 22%; p=.004). Gruppenübergreifend lässt sich für die subjektive Erwerbs-prognose (SPE) ein signifikanter Zeiteffekt feststellen (F=5,7; p=.003), wobei sich im Ver-gleich zwischen T2 und T3 eine signifikante Verringerung der Wahrscheinlichkeit einerRückkehr ins Erwerbsleben (F=10,4; p=.001) zeigt. Die „O+P“-Gruppe weist zu allen Mess-zeitpunkten die geringste Wahrscheinlichkeit der Rückkehr ins Erwerbsleben auf (T1: M=1,9SD=0,94; T2: M=1,7 SD=1,0; T3: M=1,9 SD=0,92).

Zusammenfassung und Diskussion

In der „P+O“-Gruppe ist für 6 Monate nach Reha-Ende die geringste Erwerbstätigkeitsquotezu verzeichnen. Die „O+P“-Gruppe weist die geringste Wahrscheinlichkeit der Rückkehr insErwerbsleben (SPE) auf und hat die höchste Quote an EM-Rentenantragstellern. Der so-

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zialmedizinische Verlauf ist 6 Monate nach Reha-Ende für die beiden komorbiden Indikati-onsgruppen am ungünstigsten. Eine stärkere, wissenschaftlich begleitete Fokussierung aufdiese Patientengruppen in Bezug auf einen frühzeitigeren Reha-Zugang sowie eine adäqua-te Gestaltung der Rehabilitations- und Nachsorgeangebote erscheint notwendig.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland

Literatur

Baumeister, H.; Härter, M. (2011): Psychische Komorbidität bei muskuloskeletalen Erkran-kungen. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 54/1. 52-58.

Deutsche Rentenversicherung Bund (2013): Reha-Bericht 2013. Die medizinische und be-rufliche Rehabilitation der Rentenversicherung im Licht der Statistik. Berlin.

Franke, G.H. (2000): BSI. Brief Symptom Inventory – Deutsche Version. Manual. Göttingen:Beltz.

Gutt, S.; Parthier, K.; Rennert, D.; Mau, W. (2014): Zuweisungsdiagnostik und -steuerung inder psychosomatischen und orthopädischen Rehabilitation auf Basis eines Mixed-Me-thod-Designs. DRV-Schriften, Bd. 103. 211-213.

Mittag, O.; Raspe, H. (2003): Eine kurze Skala zur Messung der subjektiven Prognose derErwerbstätigkeit: Ergebnisse einer Untersuchung an 4279 Mitgliedern der gesetzlichenArbeiterrentenversicherung zu Reliabilität (Guttman-Skalierung) und Validität der Skala.Die Rehabilitation 42. 169-174.

Verhaltensbezogene Bewegungstherapie zur Optimierung der verhaltensmedizinisch-orthopädischen Rehabilitation bei chronisch

nichtspezifischem Rückenschmerz

Semrau, J., Hentschke, C., Geidl, W., Pfeifer, K.

Institut für Sportwissenschaft und Sport, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Hintergrund

Bewegungstherapeutische Maßnahmen zur Verbesserung der körperlichen Fitness sind einzentraler Bestandteil der verhaltensmedizinisch-orthopädischen Rehabilitation (VMO) beiPersonen mit chronischen nichtspezifischen Rückenschmerzen sowie bestehender deut-licher orthopädischer und psychischer/sozialer Funktionseinschränkung. Entwicklungs-potenzial besteht in einer zielgerichteten Ansteuerung psychosozialer Faktoren (Hasenbringet al., 2010; Leeuw et al., 2007) und verhaltensbezogener Determinanten (Hofmann et al.,2013; Geidl et al., 2012) innerhalb funktionsorientierter bewegungstherapeutischer Interven-tionen zur systematischen Beeinflussung von gesundheitsbezogenen Verhaltensänderun-gen. Diese richten sind sowohl auf die Hinführung zu regelmäßiger körperlicher Aktivität alsauch die Verbesserung des Selbstmanagements im Umgang mit Rückenschmerzen. Wäh-rend die kurzfristige Effektivität einer VMO mit funktionsorientierter Bewegungstherapienachgewiesen werden konnte, ist der Einfluss der verhaltensbezogenen Bewegungsthera-pie (VBT) auf die langfristige Wirksamkeit der VMO unklar. In diesem Beitrag werden Ergeb-nisse zu Effekten der VBT auf die langfristige Wirksamkeit der VMO berichtet.

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Methodik

Multizentrische, randomisierte Längsschnittstudie mit 4 Messzeitpunkten (Rehabeginn/-ende(t1/t2), 6-/12-Monats-Katamnese (t3/t4)) (Hofmann et al., 2013). Zielparameter werden beiProbanden im Alter von 18–65 Jahren mit chronischen nichtspezifischen Rückenschmerzenanhand standardisierter Selbstbefragungsinstrumente in 2 stationären Rehabilitationsklini-ken erhoben. Randomisierte Zuweisung von Probanden zu a) VMO mit üblicher Bewegungs-therapie als Kontrollgruppe (KG) und b) VMO mit VBT als Interventionsgruppe (IG). BeideProgramme der Bewegungstherapie weisen einen Gesamtumfang von Ø 26 h in 3 Wochenauf und werden durch festgelegte Therapeuten in geschlossenen Gruppen mit 6 bis 12 Teil-nehmern, die bezüglich der Gruppenzuordnung maskiert sind, durchgeführt. Primäre Ziel-größe: subjektive Funktionskapazität (FfbH-R); sekundäre Zielgrößen: Schmerz (NRS), Le-bensqualität (SF-12), Depression (PHQ-D), Ängstlichkeit (Gad), Schmerzbewältigung(FESV) und schmerzbezogene Kognitionen (TSK). Der Gruppenunterschied im 12-monati-gen Verlauf seit Reha-Beginn wird mittels eines gemischten linearen Regressionsmodellsgeprüft. Innergruppeneffekte werden als standardisierte Effektgrößen (SES) berichtet.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 329 Probanden in die Studie eingeschlossen (KG, n=164; IG, n=165).Das durchschnittliche Alter ist 51 Jahre (SD=7,4); 79 % sind Frauen. Nach 12 Monaten ver-bessern sich beide Studiengruppen im primären Zielparameter signifikant um 2,3 (SD=8,5;SES=0,3; p=0,003) in der IG bzw. 3.0 (SD=8,3; SES=0,4; p<0,001) in der KG auf der Skalavon 0–100 des FfbH-R. Es liegt kein signifikanter Gruppenunterschied vor (β=−0,75; 95 %KI [−2,88; 1,37]; p=0,50).

In weiteren sekundären Zielparametern wie Schmerzreduktion (NRS) (IG: SES=−0,54; KG:SES=−0,63), körperlicher Funktionsfähigkeit (SF-12_KS) (IG: SES=0,32; KG: SES=0,56),psychischer Funktionsfähigkeit (SF-12_PS) (IG: SES=0,42; KG: SES=0,34), Depression(IG: SES=−0.45; KG: SES=−0,37), Ängstlichkeit (IG: SES=−0,51; KG: SES=−0,39), Aktivi-tätsvermeidung (TSK_AA) (IG: SES=−0,42; KG: SES=−0,36) und somatischer Fokus(TSK_SF) (IG: SES=−0,49; KG: SES=−0,52) weisen beide Studiengruppen signifikante Ver-besserungen kleiner bis mittlerer Effektstärke auf. Kognitiven Strategien der Schmerzbewäl-tigung (FESV) verbessern sich signifikant in beiden Gruppen mit kleinen bis mittleren Effek-ten (SES) von 0,29 bis 0,42 in der IG und 0,23 bis 0,38 in der KG. Bei behavioralen Strate-gien der Schmerzbewältigung verbessert sich lediglich Ruhe- und Entspannung (IG:SES=0,40; KG: SES=0,48) signifikant in beiden Gruppen. Insgesamt liegen bei sekundärenZielparametern keine signifikanten Gruppenunterschiede vor.

Diskussion

Langfristig weisen Teilnehmer beider Studiengruppen kleine bis mittlere Verbesserungen imprimären Zielparameter und in sekundären Zielparametern auf. Ein zusätzlicher positiverEinfluss der VBT auf die nachhaltige Wirksamkeit der VMO konnte nicht ermittelt werden.Konsequenzen für die Gestaltung bewegungstherapeutischer Maßnahmen im Rahmen ei-ner VMO werden diskutiert.

Förderung: Im gemeinsamen Förderschwerpunkt „Chronische Krankheiten und Patienten-orientierung“ von BMBF, Kranken- und Rentenversicherung.

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Literatur

Geidl, W., Hofmann, J., Göhner, W., Sudeck, G., Pfeifer, K. (2012): Verhaltensbezogene Be-wegungstherapie – Bindung an einen körperlich aktiven Lebensstil. Die Rehabilitation, 51.259-268.

Hasenbring, M.I., Verbunt, J.A. (2010): Fear-avoidance and endurance-related responsesto pain: New models of behavior and their consequences for clinical practice. Clin. J. Pain,26. 747-753.

Hofmann, J., Peters., S., Geidl., W., Hentschke., C., Pfeifer, K. (2013): Effects of behaviouralexercise therapy on the effectiveness of a multidisciplinary rehabilitation for chronic non-specific low back pain: Study protocol for a randomised controlled trial. BMC Musculoske-letal Disorders, 14. 89.

Leeuw, M. Goossens, M.E.J.B., Linton, S.J., Crombez, G., Boersma, K., Vlaeyen, J.W.S.(2007): The fear-avoidance model of musculoskeletal pain: current state of scientific evi-dence. Journal of behavioral medicine, 30. 77-94.

Evaluation einer intensivierten Rehabilitation nach lumbalen Wirbelsäulenoperationen

Schröter, J. (1), Lechterbeck, M. (2), Hartmann, F. (2), Gercek, E. (2)

(1) Klaus-Miehlke-Klinik, Wiesbaden, (2) Zentrum für Unfallchirurgie und Orthopädie, Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein – Ev. Stift St. Martin, Koblenz

Hintergrund

Bislang gibt es keine einheitlichen Empfehlungen zur Therapie-Intensivität bei der (An-schluss-)Rehabilitation von Patienten, bei denen eine Operation im Bereich der Lendenwir-belsäule (LWS) durchgeführt wurde. Wenngleich sich die Operationsmethoden im Laufe derletzten Jahre deutlich verbessert haben und somit die Belastungsfähigkeit nach den Opera-tionen erhöht ist, erfolgte bislang keine Anpassung der konservativen rehabilitativen Nach-behandlung. Ein früher Start einer strukturierten Rehabilitation nach der Akutbehandlungs-phase wird von Operateuren oft noch skeptisch betrachtet.

Material und Methoden

Um den Effekt einer intensivierten Rehabilitation nach Operationen im LWS-Bereich (begin-nend in der 3. Woche nach der Operation) zu untersuchen, erfolgte ein Zusammenschlussvon sieben wirbelsäulen-operierenden Kliniken, zwei stationären und drei ambulantenRehabilitationszentren im Rhein-Main-Gebiet. Bei dieser prospektiven Untersuchung desRehabilitationsverlaufes wurden 124 Patienten durch ihren Operateur in eine definierte Be-lastungsgruppe (A/B/C), unabhängig von Diagnose und Operationsverfahren eingeteilt.Gruppe A umfasst die Patienten mit einer gegebenen Primärstabilität ohne wesentliche Ein-schränkung hinsichtlich des postoperativen Belastungsaufbaus, Gruppe B umfasst Patien-ten mit geringen Einschränkungen und Gruppe C betrifft Patienten, welche eine geringerePrimärstabilität aufweisen. Für jede Gruppe wurden vorab von allen Beteiligten die Thera-pieinhalte festgelegt (Tab.1). Bezüglich der Therapiedichte und -verteilung sowie der weite-

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ren Therapieinhalte, wie zum Beispiel Patientenedukation erfolgte eine Orientierung an denDRV-Therapiestandards.

Zur Evaluation wurden die etablierten Validierungsinstrumente Oswestry Disability Score(ODI), SF-12 und die Visuelle Analog Skala (VAS) sowohl zu Anfang der Rehabilitation, alsauch zum Ende der Rehabilitation erhoben.

Ergebnisse

Entsprechend der Auswertung getrennt nach Geschlechtern und Gruppen konnte kein ge-schlechtsspezifischer Unterschied detektiert werden. In allen Gruppen zeigte sich eine signifi-kante Verbesserung in den drei Messinstrumenten Oswestry Disability Score (ODI), SF-12und der Visuellen Analog Skala (VAS). Die Hypothese „Die Werte für die verschiedenen Ska-len sind nach der Rehabilitation signifikant besser als vor der Reha“ konnte bestätigt werden.

Der durchschnittliche ODI vor der Reha (Zeitpunkt t1) lag bei 21,1 (= 0,4211), nach der Rehafand sich ein Wert von 14,3 (= 0,2850) (t2). Die 95-%-Konfidenzintervalle der Mittelwerteüberschneiden sich nicht, somit ist der beobachtete Unterschied signifikant.

Das gleiche Bild zeigt sich auch für die Auswertung der Werte der Visuellen Analog Skala.Der Mittelwert im Zeitpunkt 1 ist 5,04 (95 % KI: 4,55; 5,52) und zum Zeitpunkt 2 3,32 (95 %KI: 2,90; 3,74). Der Unterschied zu den Zeitpunkten t1 und t2 ist ebenfalls signifikant.

Auch bei der Auswertung des SF-12-Fragebogens zeigen sich signifikante Unterschiede beider körperlichen Skala zwischen Zeitpunkt t1 und t2, lediglich im Bereich der psychologi-schen Skala des SF-12 fand sich ein nicht signifikantes Ergebnis. Re-operationswürdigeKomplikationen traten nicht auf.

Diskussion

Die Evidenz postoperativer Physiotherapiekonzepte nach Spondylodesen und anderen Ein-griffen im Bereich der Lendenwirbelsäule ist sehr klein, es existieren fast keine Untersu-chungen, wobei auch das physiotherapeutische Management nach lumbalen Spondylo-desen unklar und intransparent bleibt (Gibsond et al., 2005; Rushton et al., 2012). NachMicrodiskektomien und Dekompression von Spinalkanalstenosen scheint ein intensiviertesphysiotherapeutisches Vorgehen von Vorteil (McGregor, 2013). Primäres Ziel der vorliegen-den Studie war die Analyse einer intensivierten Rehabilitation nach Operationen an der Len-denwirbelsäule. Strukturierte Nachbehandlungskonzepte fehlen, was in einer Untersuchungin England, die auch auf Deutschland übertragbar ist, sehr gut herausgearbeitet wurde(Reshton et al., 2014).

In der vorliegenden Studie wurden die untersuchten Patienten nach Beendigung der Akut-behandlungsphase einer ambulanten oder stationären Rehabilitation im Rahmen einer An-schlussheilbehandlung zugeführt, in der Regel ab der 3. postoperativen Woche. Ein so früh-zeitiger Beginn der Rehabilitation ist in der Literatur kaum beschrieben. Die wenigen Publi-kationen, die sich mit dieser Thematik befassen unterscheiden meist einen Beginn nach6 Wochen und 12 Wochen nach lumbaler Fusion (Nielsen et al., 2013) und zeigen keinenUnterschied im Outcome.

Das Patientenkollektiv ist zwar bezüglich der Zuweisungsdiagnose inhomogen, die Anforde-rungen an eine Rehabilitation unterscheiden sich aber heute nicht nach der Ausgangsdia-

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gnose, sondern am Zustand des Patienten und der erreichten Stabilität der Wirbelsäulen-operation. Insofern ist es nur konsequent, die Einteilung durch den jeweiligen Operateur vor-nehmen zu lassen. Standards und Schemata erleichtern die konsequente gleichartigeNachbehandlung in definierten Behandlungsgruppen (Tab. 1).

Tab. 1: Physiotherapeutisches Übungskonzept

Gruppe C – starke Ein-schränkung

Gruppe B – geringe Ein-schränkung

Gruppe A – kaum Ein-schränkung

3. Woche post OP Einzelgym.:

GrundspannungsübungenNeurodynamik,Brunkow,Transfers (ADL),isometrisches KrafttrainingHaltungskorrektur(Aufrichtung, leichte BWS Mobi-listation)Dehnung passiv (z.B.: Ischio-crurale Mm.)

Bewegungsbad:Ohne Trainingsgeräte, stabilisierende Übungen, Lauf ABC,keine aktive Mobilisation der WS

Hallengruppe:Rückenschule

wie Gruppe 3 plus:Einzelgymn.:Schmerzfreie Mobilisation LWS in alle Richtungen,PNFaktive Dehnung Ischiocrurale Mm.,Hüftbeuger in RL, Addukto-ren, Gastrocnemius, Quadri-ceps, Nervenmobilisation,leichtes Stabilisierungstrai-ning(z.B. Einbeinstand),Koordinationstraining

Bewegungsbad:leichte Widerstände,schmerzfreie Rotation

MTT:Leichte Widerstände, Seil-zug (keine Rot.), Butterfly, Lat-Zug, Sitzfahrrad, ggf. Ergometer

wie Gruppe 3 und 2 plus:Einzelgymn.:Bauchmuskeltraining dyna-misch,Bridging, Einbeinstand,Stabilisation mit Flexibar, Aerostep, Minitrampolin

Bewegungsbad:Alle Bewegungen im schmerzfreien Bereich

Hallengruppe:Übungen in verschiedenen Ausgangspositionen ohne größere Einschränkungen

MTT:(höhere) angepasste Widerstände, Butterfly, Hüfttrainer, Seilzug mit Aerostep od. Therapie-kreisel, Ergometer

4. Woche post OP

Hubfreie Mobilisation (Becken kippen)Beginn dynamischer Kräftigung(z. B.: leichte Kniebeuge)

Kräftigung mit Theraband, Flexibar,Dehnung Mm. Tensor f.l., Piriformis,Hüftbeuger im Stand

Hallengruppe:Übungen im Schmerzfreien Bereich in verschiedenen Ausgangspositionen Sitzen/Liegen/Stehen(keine forcierte Rotation)

Kräftigungsübungen mit Zusatzlasten(Hantel/Langhantel)

5. Woche post OP

Bridging, leichte Rotation,Bücken, Heben (geringe Last)MTT:Übungen am Seilzug mit gerin-ger Last(Ohne Rotation der WS)

weitere langsame Steige-rung

Walking

365

Da sowohl der ODI als auch die körperlichen Items des SF-12 alltägliche Aktivitäten abbil-den, konnte durch die aktuelle Studie belegt werden, dass die intensivierte Rehabilitation inder Lage ist, die Funktionsfähigkeit im Alltag nach der subakuten Behandlungsphase zu er-höhen. Paralell war eine ebenfalls signifikante Verringerung des Schmerzes, gemessen mitder VAS, zu verzeichnen.

Es konnte gezeigt werden, dass während der Durchführung der rehabilitativen Maßnahmenkeine Notwendigkeit einer Re-Operation herbeigeführt wurde. Bezüglich der Bewertung desRehabilitationserfolges muss eingeschränkt festgestellt werden, dass keine Kontrollgruppeparallel geführt wurde.

Literatur

Gibson JN, Waddell G. Surgery for degenerative lumbar spondylosis. Cochrane DatabaseSyst Rev. 2005 Apr 18; (2): CD001352. Review. Update in: Cochrane Database Syst Rev.2005; (4): CD001352.

McGregor AH, Probyn K, Cro S, Doré CJ, Burton AK, Balagué F, Pincus T, Fairbank J. Re-habilitation following surgery for lumbar spinal stenosis. Cochrane Database Syst Rev.2013 Dec 9; 12: CD009644. doi: 10.1002/14651858.CD009644.pub2. Review.

Oestergaard LG, Christensen FB, Nielsen CV et al. (2013) Early versus late initiation ofrehabilitation after lumbar spinal fusion: economic evaluation alongside a randomizedcontrolled trial. Spine 38: 1979-1985

Rushton A, Eveleigh G, Petherick EJ et al. (2012) Physiotherapy rehabilitation following lum-bar spinal fusion: a systematic review and meta-analysis of randomised controlled trials.BMJ open 2.

Rushton A, Heneghan N, Heap A et al. (2014) Survey of Current Physiotherapy Practice forPatients Undergoing Lumbar Spinal Fusion in the UK. Spine(Phila Pa 1976). 2014 Aug14. [Epub ahead of print].

Eingangsbelastungen und kurzfristige Reha-Effekte bei 1.802 Fibromyalgie-Patientinnen des Reha-Klinikums Bad Säckingen

Gerdes, N. (1, 2), Schlittenhardt, D. (1), Farin-Glattacker, E. (3, 2)

(1) Reha-Klinikum Bad Säckingen (RKBS), (2) Hochrhein-Institut am Reha-KlinikumBad Säckingen, (3) Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin,

Universitätsklinikum Freiburg

Hintergrund

Rehabilitationsmaßnahmen für Patientinnen mit Fibromyalgie-Syndrom (FMS) bilden seit über25 Jahren einen besonderen Schwerpunkt des Reha-Klinikums Bad Säckingen (RKBS). Unterden weiblichen Patienten des RKBS ist das FMS mit einem Anteil von 30–40 % die zweit-häufigste Diagnosegruppe.

Das Therapiekonzept der Klinik ist an den Vorgaben der S3-Leitlinie für FMS (AWM, 2012)orientiert. Es wird alle 2 Wochen in festen Gruppen von max. 20 Teilnehmerinnen durchge-führt und umfasst Patientenschulung (6 Einheiten à 90 Min.), ggf. medikamentöse Therapie,

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psychologische Gruppen- und Einzelbetreuung, Ausdauertraining, Physio- und Ergothera-pie, Ganzkörper-Kältetherapie, manuelle Lymphdrainage und Bindegewebsmassage (Lühr,2014). Die Kältetherapie erfolgt (bei Akzeptanz durch die Patienten) täglich ein- bis zweimalfür ca. 3 Minuten in einer Kältekammer bei –110 °C und führt zu einer deutlichen Schmerz-reduktion, die 1–2 Stunden anhält (Metzger et al., 2000). Diese schmerzarme Zeit wird ge-nutzt für Übungen, die sonst wegen der ständigen Schmerzen nicht möglich wären.

Material und Methoden

Im RKBS wird seit Mitte 2008 routinemäßig bei allen Patienten der Fragebogen „Indikatorendes Reha-Status“ (IRES-3; Bührlen et al., 2005) vor Beginn und am Ende der Reha-Maß-nahme erhoben. Der Fragebogen erfasst mit 144 Einzelitems die Bereiche „Symptome Mus-kuloskeletales und Herz-Kreislauf-System“, „Schmerzen“, „Aktivitäten im Alltag“, „Funk-tionsfähigkeit im Beruf“, „Psychisches Befinden, „Soziale Integration“, „Gesundheitsverhal-ten“ und „Krankheitsbewältigung“. Die Daten werden in der Klinik zeitnah in das ProgrammIRES-online eingegeben und automatisch zu einem „Patientenprofil“ ausgewertet, das meis-tens bereits zur Aufnahmeuntersuchung vorliegt und zur Unterstützung der Reha-spezifi-schen Diagnostik dient.

Die Auswertungen, über die hier berichtet wird, beziehen sich auf die IRES-Daten von 1.802Patientinnen und Patienten, die in den Jahren 2009 bis 2013 wegen eines FMS im RKBSbehandelt wurden (Alter MW=51,7; SD= 8,8 Jahre; Frauenanteil = 93,7 %). Die Stichprobestellt mit nur leichten Einschränkungen eine Vollerhebung dieser Patientengruppe dar.

Bei der Auswertung wurden die Skalen des IRES-3 anhand der Normstichprobe (n=1,737;repräsentativ für die Bevölkerung von 30–70 Jahren) den folgenden Schweregraden zuge-ordnet: Skalenwerte >25. Perzentil in der Normstichprobe werden als „unauffällig“, 11.–25.Perzentil als „auffällig; 2.–10. Perzentil als „sehr auffällig“ und <2. Perzentil als „extrem auf-fällig“ interpretiert. In der normalen Bevölkerung liegen damit nur die „schlechtesten“ 2 % imBereich „extrem auffälliger“ Werte.

Ergebnisse

1. Eingangsbelastungen:

Bei den FMS-Patientinnen dagegen lagen zu Reha-Beginn 65 % im „extrem auffälligen“ undweitere 27 % im „sehr auffälligen“ Bereich des IRES-Summenscores. Typisch für Patientenmit FMS ist, dass sich auch in den 8 Einzelbereichen des IRES-3 ausgesprochen starke Ein-gangsbelastungen zeigten; die einzige Ausnahme bildete die Skala „soziale Integration“, inder immerhin 45 % „unauffällige“ Werte aufwiesen. Die Krankheitsgruppe ist damit gekenn-zeichnet durch multiple, stark bis extrem ausgeprägte Belastungen zu Beginn der Rehabili-tation. Eine Schlüsselfunktion kommt offensichtlich der Skala „psychisches Befinden“ zu, dieähnlich starke Eingangsbelastungen zeigte wie der Summenscore und relativ hoch mit denübrigen Einzelbereichen des IRES-3 korrelierte (von r=.295 für die Skala „Gesundheitsver-halten“ bis zu r=.693 für die Skala „Krankheitsbewältigung“. Interessanterweise war die Kor-relation mit der Schmerzskala aber mit r=.344 nur relativ gering ausgeprägt.)

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2. Veränderungen am Ende der Reha-Maßnahme:

Gegenüber den Aufnahmewerten zeigten die Patientinnen bei Entlassung auf dem Sum-menscore eine Verbesserung, die mit einer Effektstärke von SRM=1,07 als „starker Effekt“zu interpretieren ist. Definiert man „klinisch relevante“ Veränderungen bei einem Cut-off-Wert von ±0,5 SRM, haben sich 5 % in relevantem Ausmaß verschlechtert, 23 % nicht rele-vant verändert und 72 % relevant verbessert, wovon die Hälfte (= 37 % der Gesamtstichpro-be) mit einem SRM >1,5 ausgesprochen starke Verbesserungen aufwiesen.

Trotz dieser insgesamt guten Verbesserungen ist darauf hinzuweisen, dass nur bei 15 %der Stichprobe die Entlassungswerte des Summenscores im „unauffälligen“ und bei 20 %im „auffälligen“ Bereich lagen, während 28 % der Patientinnen mit „sehr auffälligen“ und37 % mit immer noch „extrem auffälligen“ Werten entlassen werden mussten.

Diskussion

Der hohe Anteil von FMS-Patientinnen, die mit starken verbleibenden Belastungen entlas-sen werden mussten, erklärt sich aus den extrem ausgeprägten multiplen Belastungen, mitdenen die weit überwiegende Mehrheit dieser Patientinnen zur Rehabilitation gekommen ist.Trotz der insgesamt überraschend guten Verbesserungen stellt die Untergruppe der mit „ex-trem auffälligen“ Werten entlassenen Patientinnen für die Klinik eine besondere Herausfor-derung dar, weil diese Gruppe offenkundig besonderer Unterstützung in der nachstationä-ren Zeit bedarf. Das Hochrhein-Institut am RKBS hat deshalb ein Forschungsprojekt begon-nen, das darauf abzielt, diese Untergruppe möglichst schon zu Beginn der Reha-Maßnahmezu identifizieren, um frühzeitig geeignete Maßnahmen für die nachstationäre Zeit einleitenzu können.

Literatur

AWMF Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften(Hrsg.) (2012): Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Fibromyalgie-syndroms.

Bührlen, B., Gerdes, N., Jäckel, W.H. (2005): Entwicklung und psychometrische Testung ei-nes Patientenfragebogens für die medizinische Rehabilitation (IRES-3). Die Rehabilita-tion, 44. 63-74.

Lühr, T. (2014): Reha-Klinikum Bad Säckingen – Klinikkonzept.Metzger, D., Zwingmann, Ch., Protz, W., Jäckel, W.H. (2000): Die Bedeutung der Ganzkör-

perkältetherapie im Rahmen der Rehabilitation bei Patienten mit rheumatischen Erkran-kungen. Die Rehabilitation, 39. 93-100.

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Qualitätssicherung und Ergebnismessung in der ambulanten orthopädischen Rehabilitation nach Hüft- und Knie-TEP-Versorgung

Müller, M. (1), Toussaint, R. (2), Kohlmann, T. (3)

(1) saludis. Die Rehabilitation, Bamberg, (2) Bundesverband ambulanter medizinischer Rehabilitationszentren, (3) Institut für Community Medicine, Universität Greifswald

Fragestellung und Methodik

Zur Evaluation der ambulanten Rehabilitation nach Hüft- und Knie-TEP-Versorgung wurdenin dieser multizentrischen Studie in bundesweit elf ambulanten Rehabilitationszentren zuRehabeginn (T1), am Ende (T2) sowie 3 und 12 Monate danach (T3/T4) Assessments zuLebensqualität, allgemeiner Gesundheit sowie subjektiver und objektiver Beeinträchtigungerhoben: SF-36, EQ-5D und WOMAC. Zu T1 und T2 wurden der Knee-Society- bzw. derHarris-Hip-Score dokumentiert. Ziele waren neben der Beurteilung der Behandlungsergeb-nisse die Überprüfung der Praktikabilität des eingesetzten Fragebogeninventars und dieEtablierung einer einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung in der ambulanten Reha-bilitation bei Totalendoprothesen-Versorgung.

Ergebnisse

Erfasst wurden 749 Patienten (367 Hüft-, 382 Knie-TEP). Das mittlere Alter betrug 66 Jahre(Hüft-TEP: 63 Jahre, Knie-TEP: 68 Jahre). 49 % waren Frauen (Hüft-TEP: 46 %, Knie-TEP:52 %). Sowohl die Ergebnisse der klinischen Scores als auch der subjektive Gesundheits-status und die Lebensqualität zeigten zum großen Teil signifikant positive Veränderungenim Rehabilitationsverlauf sowie auch positive Nachwirkung im weiteren Beobachtungszeit-raum. Ein Wirkungsverlust mit rückläufigen Resultaten nach Rehabilitationsende war nichtfestzustellen.

Für den Harris-Hip-Score konnte im Rehabilitationsverlauf T1–T2 eine signifikante (p<0,001)Verbesserung der klinischen Ergebnisse der Hüft-TEP-Patienten nachgewiesen werden.Der Knee-Society-Score zeigte als klinischer Score für die Knie-TEP-Patienten für beideTeilscores ebenfalls deutlich signifikante (p<0,001) Veränderungen. Der WOMAC-Score er-brachte jeweils für beide Indikationen in allen 3 Subscalen signifikant positive Veränderun-gen im Reha-Zeitraum T1–T2 und im Zeitraum T2–T3. Im weiteren Verlauf bis zum Zeit-punkt T4 blieben die Ergebnisse auf stabilem Niveau. Der EQ-5D zeigte ebenfalls jeweils fürbeide Indikationen signifikant positive Verbesserungen während der Rehabilitation und im3-monatigen Nachbeobachtungszeitraum. Auch darüber hinaus waren die Ergebnisse stabilbis zum Zeitpunkt T4. Im SF-36 gelang bei der Auswertung der körperlichen und psychi-schen Summenscores der Nachweis signifikant positiver Effekte während der Untersu-chungszeiträume T1–T2 und T2–T3. Lediglich in den Subscalen Gesundheitswahrnehmungund psychisches Wohlbefinden zeigten sich keine signifikanten Effekte. Im weiteren Nach-beobachtungszeitraum bestand insbesondere für den körperlichen Summenscore noch ei-ne positive Entwicklung, wenngleich ohne statistische Signifikanz. SoziodemographischeFaktoren hatten keine wesentlichen Einflüsse auf das Behandlungsergebnis.

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Schlussfolgerung

Die Studie zeigt positive Ergebnisse nach ambulanter Rehabilitation bei Endoprothesenver-sorgung. Zudem konnte der Nachweis der Praktikabilität des verwendeten Fragebogenin-ventars in der ambulanten orthopädischen Rehabilitation erbracht werden. Mit wenigen Ein-schränkungen und teilweise bekannten testimmanenten Problemen bei Antwortausfällenund Verteilungseigenschaften erwiesen sich die durchgeführten Assessments als geeignetfür ein einrichtungsübergreifendes Qualitätssicherungsverfahren.

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Orthopädische Rehabilitation (Poster)

Der Zusammenhang von Kontrollüberzeugung und psychologischen Grundbedürfnissen bei Rückenschmerzpatienten

Raven, H. (1), Schaller, A. (2)

(1) Psychologisches Institut, Deutsche Sporthochschule Köln, (2) Institut für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation,

Deutsche Sporthochschule Köln

Psychologischen Faktoren werden beim Umgang mit Krankheiten und Schmerzen einewichtige Rolle zugeschrieben. Das subjektive Gefühl der Kontrollierbarkeit von Ereignissenstellt dabei eine wichtige personale Ressource dar. In diesem Zusammenhang konnte nach-gewiesen werden, dass eine internale Kontrollüberzeugung gute Therapieergebnisse in derRehabilitation von Rückenschmerzpatienten vorhersagen kann (Härkäpää et al., 1991).

Das psychologische Konzept der Kontrollüberzeugung kann mit der Selbstbestimmungs-theorie nach Deci und Ryan (2000) in Verbindung gebracht werden: Die Selbstbestim-mungstheorie geht davon aus, dass die Befriedigung der 3 psychologischen Grundbedürf-nisse Autonomie, Kompetenz und Beziehung Voraussetzung für Gesundheit und Wohlbe-finden ist (Deci, Ryan, 2000). Besonders das Grundbedürfnis nach selbstbestimmtemHandeln (Autonomie) kann als Voraussetzung für eine hohe internale Kontrollüberzeugungangesehen werden.

Die positive Wirkung von Bewegung und moderatem Sport auf Rückenschmerzen ist hinrei-chend belegt (Heneweer et al., 2009). Für die vorliegende Studie stellt sich die Frage nach demZusammenhang zwischen internaler Kontrollüberzeugung und der Befriedigung der 3 psycho-logischen Grundbedürfnisse im Sport bei Rückenschmerzpatienten. Dabei werden insbeson-dere geschlechtsspezifische sowie Unterschiede in der Sportpartizipation berücksichtigt.

Methoden

Die Stichprobe bestand aus 412 Patienten einer stationären Reha-Klinik (68 % Männer,Durchschnittsalter M=50,4; SD=8,1). Die rückenschmerzspezifische Kontrollüberzeugungwurde durch den Fragebogen KÜ-WS von Nickel (1995) über die 3 Subskalen internale, so-zial externale und fatalistisch externale Kontrollüberzeugung operationalisiert. Die Befriedi-gung der 3 psychologischen Grundbedürfnisse wurde mittels Contextual Basic Needs Scale(CBANS) nach Kleinert (2012) erhoben (Kontext „Sport im Allgemeinen …“). Zur Beantwor-tung der Frage nach dem Zusammenhang von Kontrollüberzeugung und Bedürfnisbefriedi-gung wurden Produkt-Moment-Korrelationen mithilfe des Statistikprogramms SPSS 22 be-rechnet. Hinsichtlich demographischer Variablen und Dauer der Rückenschmerzen zeigtensich keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Datensätzen, die durch den paarwei-sen Fallausschluss in die Berechnungen mit eingingen (n=344) und Missing-Datensätzen. Inder Gesamtstichprobe war lediglich die Sportpartizipation mit 55,6 % leicht geringer als in derStichprobe, deren Daten für die berechneten Korrelationen vorliegen (57,3 %).

371

Ergebnisse

Es zeigt sich, dass die internale Kontrollüberzeugung wie angenommen positiv mit der Be-friedigung der 3 psychologischen Grundbedürfnisse zusammenhängt (r=.12, p=0,05; r=.15,p=0,01; r=.18; p=0,01), externale Kontrollüberzeugung dagegen nicht. Betrachtet man denZusammenhang gesondert bei der Substichprobe der Frauen, ergeben sich stärkere Zu-sammenhänge zwischen internaler Kontrollüberzeugung und der Bedürfnisbefriedigung imSport (r=.30; r=.22, r=.29; p=0,01). Bei der Subgruppe der Männer ergeben sich dagegenkeine signifikanten Korrelationen zwischen Bedürfnisbefriedigung und Kontrollüberzeu-gung. Für die Substichprobe der körperlich aktiven Patienten ergeben sich ebenfalls signifi-kante Zusammenhänge zwischen internaler Kontrollüberzeugung und Kompetenz (r=.15,p=0.05) sowie Beziehung (r=.25, p=0.01). Für die Gruppe der nicht sportlich Aktiven erge-ben sich hier keine signifikanten Zusammenhänge.

Diskussion

Es konnte gezeigt werden, dass die Bedürfnisbefriedigung im Sport im Sinne der Selbstbe-stimmungstheorie (Deci, Ryan, 2000) mit einer internalen Kontrollüberzeugung in Bezug aufRückenschmerzen zusammenhängt. Dieser Zusammenhang zeigt sich deutlich in der Sub-stichprobe der Frauen sowie bei den sportlich aktiven Patienten. Inwieweit jedoch ein kau-saler Zusammenhang zwischen Bedürfnisbefriedigung, Kontrollüberzeugung und Therapie-ergebnissen besteht, müssen künftige Untersuchungen zeigen. Vor allem die Gruppe derMänner sowie der sportlich Inaktiven sollte hinsichtlich personaler Ressourcen geprüft wer-den, die für einen günstigen Therapieverlauf hilfreich sein können.

Ausblick

Für die therapeutische Praxis lässt sich ableiten, dass der Therapeut dem Patienten im Rah-men der Therapie eine möglichst hohe Befriedigung der Grundbedürfnisse nach Autonomie,Kompetenz und Beziehung ermöglichen sollte, um gute Therapieergebnisse zu erzielen.

Förderung: Rehabilitations-Forschungsnetzwerk der Deutschen Rentenversicherung Rhein-land (refonet)

Literatur

Deci, E.L., Ryan, R.M. (2000): The “what” and “why” of goal pursuits. Human needs and theself-determination of behaviour. Psychological Inquiry, 11/4. 227-268.

Härkäpää, K., Järvikoski, A., Mellin, G., Hurri, H., Luoma, J. (1991): Health locus of controlbeliefs and psychological distress as predictors for treatment outcome in low-back painpatients. Results of a 3-month follow-up of a controlled intervention study. Pain, 46. 35-41.

Heneweer, H., Vanhees, L., Picavet, H.S.J. (2009): Physical activity and low back pain.A U-shaped relation? Pain, 143/1-2. 21-25.

Kleinert, J. (2012): Kontextuelle Bedürfnisbefriedigung: Erste Erfahrungen mit einem Dia-gnostiktool für die sportpsychologische Forschung und Betreuung. In: M. Wegner, J.-P.Brückner, S. Kratzenstein (Hrsg.): Sportpsychologische Kompetenz und Verantwortung.Hamburg: Feldhaus.

Nickel, U. (1995): Entwicklung und Erprobung eines Fragebogens zur Erfassung von Kon-trollüberzeugungen bei Wirbelsäulenerkrankungen und Rückenbeschwerden (KÜ-WS).Inauguraldissertation. Erlangen-Nürnberg: Universität Erlangen-Nürnberg.

372

Welche Bedeutung haben Gender, Alter, Hauptdiagnosegruppeund psychische Gesundheit für die Verlaufsprognose während

und nach muskuloskelettaler Rehabilitation?

Mattukat, K., Golla, A., Mau, W.

Institut für Rehabilitationsmedizin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Hintergrund

Im rehabilitationsbezogenen Forschungskontext wird häufig die Überlegenheit speziell ent-wickelter Interventionen gegenüber der Standardrehabilitation geprüft. Neben der Hauptfra-gestellung (Effekt der Intervention) ist jedoch auch der Einfluss zentraler Patientenmerkmalevon Bedeutung. Im boRN-Projekt als klassischer Interventionsstudie wurden stabile grup-penübergreifende Verbesserungen bis zur 12-Monats-Katamnese berichtet (Mattukat et al.,2014). Die Hypothesen zum erwarteten Vorteil der Interventions- [IG] gegenüber der Kon-trollgruppe [KG] konnten dagegen nicht bestätigt werden. In nachgeschalteten Analysenwurde die Bedeutung von Geschlecht, Alter, Hauptdiagnose und psychischer Gesundheit imRehabilitationsprozess und 1 Jahr danach auf die verschiedenen Zielgrößen untersucht.

Methode

Fragebogendaten im Ein-Jahres-Verlauf (t1 = Reha-Beginn, t2 = Reha-Ende, t4 = 12-Monats-Katamnese) wurden von Rehabilitanden mit nichtentzündlichen chronischen Rücken-schmerzen (RS) oder entzündlich-rheumatischen Erkrankungen (chronische Polyarthritiden[cP] bzw. Spondyloarthritiden [SpA]) erhoben, die in 2 aufeinanderfolgenden Studienphasen(KG/IG) rekrutiert wurden. Untersuchte Zielgrößen:

‒ Körperliche Gesundheit: körperliche Rollenfunktion [SF-36], körperliche Summenskala[SF-12], motorischer Funktionsstatus [FFB-Mot], Schmerzen [NRS], Morgensteifheit[NRS], Fatigue [NRS], Grad der Behinderung [GdB], Body Mass Index [BMI];

‒ Psychische Gesundheit: psychische Summenskala [SF-12], Ängstlichkeit/Depressivität[HADS-D], Zufriedenheit mit der Gesundheit [NRS];

‒ Körperliche Aktivität [FFkA] und Bewegungsmotivation: Selbstwirksamkeit, Vor- undNachteile, Ressourcen und Hindernisse, Zufriedenheit mit körperlicher Aktivität, bewe-gungsbezogene Veränderungswünsche, Risikowahrnehmung;

‒ Teilhabe: Erwerbstätigkeit, Arbeitsunfähigkeit, Rentenintention, Teilhabeeinschränkun-gen [IMET];

‒ Medizinische Versorgung und Selbsthilfe: Medikamenteneinnahme, Krankenhausaufent-halte, Operationen am Bewegungsapparat, Mitgliedschaft in Selbsthilfegruppe.

Es wurde geprüft, inwiefern sich (1) Studienteilnehmer aus unterschiedlichen Subgruppenbereits zu t1 unterschieden (²-Tests/t-Tests/Varianzanalysen) und wie sich die Zielgrößen(2) im Reha-Verlauf bzw. (3) im 1-Jahres-Verlauf entwickelten (Varianzanalysen mit Mess-wiederholung/logistische Regressionen, Kontrollvariable: Studiengruppe KG/IG).

Die Subgruppenanalysen bezogen sich auf 446 vollständige Datensätze (KG: n=266; IG:n=180), darunter 215 Frauen und 231 Männer im Alter von M=50 [±7] Jahren (Mediansplit:46 % jüngere Patienten: 22–49 Jahre; 54 % ältere Patienten: 50–63 Jahre) mit den Haupt-

373

diagnosen RS (61 %; ICD-10: M51–M54), cP (28 %; ICD-10: M05–M07) und SpA (11 %;ICD-10: M45–M46). Auffällige Werte der Depressivität (HADS-D ≥9) zu t1 wiesen 29 % derProbanden auf.

Ergebnisse

(1) Während Alter und Hauptdiagnose der Probanden kaum einen Einfluss auf Maße derkörperlichen Gesundheit hatten, gaben Frauen bzw. psychisch auffällige Probanden deut-lich geringere Funktionswerte an als Männer bzw. psychisch unauffällige Probanden. Män-ner bzw. psychisch unauffällige Probanden waren körperlich aktiver, wobei psychisch unauf-fällige Personen eine hohe Bewegungsmotivation berichteten.

(2) Am Reha-Ende hatten sich alle Probanden hinsichtlich fast aller funktionalen und moti-vationalen Parameter deutlich verbessert. Günstigere Funktionsparameter über beideMesszeitpunkte hinweg berichteten eher RS-Patienten, Männer, jüngere und zu t1 psy-chisch unauffällige Probanden. Bei einigen Funktionsparametern verbesserten sich Frauenund zu t1 psychisch auffällige Patienten im Reha-Verlauf stärker als Männer und psychischunauffällige Personen. Frauen und psychisch unauffällige Probanden berichteten zeitunab-hängig eine höhere Bewegungsmotivation. RS-Patienten waren zeitunabhängig zufriedenermit ihrer Gesundheit und sahen ein geringeres persönliches Risiko für Gesundheitsein-schränkungen als cP-/SpA-Patienten.

(3) Auch 1 Jahr nach Reha-Ende zeigten sich für alle Probanden bessere Funktions- bzw.somatische Werte ( Lebensqualität, Schmerzen, Erschöpfung und Morgensteifheit, Body Mass Index) und mehr Sportaktivitäten, jedoch eine verringerte Bewegungsmotiva-tion im Vergleich zu t1. Die funktionsbezogenen Unterschiede in den Subgruppen bliebenauch zu t4 bestehen (günstigere Werte für Männer und zu t1 psychisch unauffällige Perso-nen). Interaktionseffekte waren kaum noch erkennbar. Die Hauptdiagnose hatte einen Ein-fluss auf Rentenabsicht (SpA > cP, RS), Selbsthilfegruppenmitgliedschaft (cP, SpA > RS)und Grad der Behinderung zu t4 (cP, SpA > RS). Männer berichteten zeitunabhängig mehrkörperliche Aktivitäten, obwohl sie zu beiden Messzeitpunkten einen höheren BMI aufwie-sen und Vorteile körperlicher Aktivität schwächer wahrnahmen als Frauen. Frauen hatten zut4 häufiger einen GdB. Jüngere und psychisch unauffällige Personen berichteten zeitunab-hängig mehr Sport und weniger AU-Zeiten.

Diskussion

Unabhängig von der projektinternen Studiengruppe gab es deutliche Unterschiede der un-tersuchten Subgruppen in funktionalen und motivationalen Parametern. Insbesondere wa-ren starke Zusammenhänge des Geschlechts und der psychischen Gesundheit mit funk-tionsbezogenen Parametern zu beobachten, während sich Probanden mit verschiedenenHauptdiagnosen bzw. aus unterschiedlichen Altersklassen diesbezüglich deutlich wenigerunterschieden. Eine stärkere Genderorientierung in der medizinischen Rehabilitation ist da-her dringend geboten. Psychische Problemlagen von Rehabilitanden in der muskuloskelet-talen Rehabilitation können über spezielle Screenings identifiziert und entsprechend berück-sichtigt werden (Tengel et al., 2014).

Förderung: Im gemeinsamen Förderschwerpunkt „Chronische Krankheiten und Patienten-orientierung“ von BMBF, Kranken- und Rentenversicherung.

374

Literatur

Mattukat, K., Golla, A., Ehlebracht-König, I., Kluge, K., Mau, W. (2014): Ein-Jahres-Verlaufnach gestufter bewegungsorientierter Reha und Nachsorge (boRN) bei Patienten mit ent-zündlich-rheumatischen Erkrankungen und chronischem Rückenschmerz. DRV-Schrif-ten, Bd. 103. 258-260.

Tengel, K., Hartig, L., Mau, W. (2014): Prozess- und ergebnisbezogene Auswirkungen einessystematischen Screenings psychischer Problemlagen im ambulanten orthopädischenRehabilitationsalltag. Ergebnisse einer kontrollierten Verlaufsstudie. Phys Med RehabKuror, 24. 201-207.

Wünsche, Barrieren und Barrieremanagement von Rehabilitandenmit chronischem Rückenschmerz – eine qualitative Analyse

Thomsen, S. (1), Herbold, D. (2), Wiezoreck, M. (3), Geigner, B. (4), Beddies, A. (5), Worringen, U. (6), Hampel, P. (1)

(1) Institut für Gesundheits-, Ernährungs- und Sportwissenschaften, Europa-Universität Flensburg, (2) Paracelsus-Klinik an der Gande, Bad Gandersheim, (3) Reha-Zentrum Bad

Sooden-Allendorf – Klinik Werra, (4 Rehabilitationsklinik Auental, Bad Steben,(5) Rehabilitationsklinik Göhren, (6) Deutsche Rentenversicherung Bund

Hintergrund

Rückenschmerz zählt zu den häufigsten gesundheitlichen Problemen der Bevölkerung(Greitemann et al., 2012). Trotz der vielfältigen verhaltensmedizinischen Behandlungsan-sätze liegt die Rückfallquote von Rehabilitanden mit erstmaligem Rückenschmerz bei min-destens 50 % (Greitemann et al., 2012). Eine qualitativ hochwertige Rehabilitation sollte ne-ben der motivationalen Ausgangslage ebenso die Barrieren des Alltagstransfers erfassen,um die Nachhaltigkeit der Rehabilitation sicherstellen sowie Rückfällen und der damit ein-hergehenden erhöhten Chronifizierungsgefahr vorbeugen zu können (Grande, Romppel,2010).

Die vorliegende Untersuchung hat zum Ziel, Wünsche, Barrieren und Unterstützungsbedürf-nisse von Rehabilitanden zur Umsetzung gesundheitsförderlicher Verhaltensweisen zu be-trachten, um effektive Hilfsangebote in der Rehabilitationsmaßnahme zu bestimmen. Die sogewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse dienen als Grundlage für Handlungsempfeh-lungen im Bereich des Gesundheitswesens, um die Qualität der Rehabilitation zu optimieren.

Methodik

Für die Studie wurden insgesamt 35 Dokumente von Interviewpartnern für die Datenauswer-tung herangezogen. Es handelte sich um 28 Frauen und 7 Männer (Alter 43–62 Jahre;MW=54,0; SD=5,6), von denen 30 mindestens halbtags beschäftigt waren. 15 Befragte wie-sen der Allgemeinen Depressions-Skala zufolge klinisch-auffällige Werte in der Depressivi-tät auf (Cut-off=22). Die Rehabilitanden nahmen an einer drei- bis vierwöchigen stationärenverhaltensmedizinisch orthopädischen Rehabilitation in den Kliniken Bad Gandersheim,Bad Sooden-Allendorf, Bad Steben oder Göhren teil. Die Erhebung fand im Rahmen einer

375

schriftlichen Befragung anhand von drei offenen Fragestellungen statt. Im Erhebungsverfah-ren wurden ebenso quantitative und soziodemographische Daten erfasst. Für die vorliegendeArbeit wurden ausschließlich soziodemographische Daten, die Allgemeine Depressions-skala (ADS) und die Angaben zu den persönlichen Reha-Zielen hinzugezogen. Die Frage-stellungen konzentrierten sich auf Wünsche, mögliche Barrieren sowie auf das Barrierema-nagement der Rehabilitanden hinsichtlich der Umsetzung gesundheitsförderlicher Verhal-tensweisen. Die frei formulierten Aussagen der Rehabilitanden wurden elektronisch erfasstund anschließend unter Verwendung der Software MAXQDA analysiert. Für eine Beantwor-tung der Fragestellung wurde die strukturierende qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring(2010) gewählt.

Ergebnisse

Es konnten insgesamt 206 Nennungen der Rehabilitanden berücksichtigt werden. Insge-samt konnte festgestellt werden, dass das Erlernen von Methoden zur Schmerzbewältigungmit 53 Nennungen ein zentrales Bedürfnis vieler Rehabilitanden darstellt. Als ebenfalls re-levant für die Umsetzung gesundheitsförderlicher Verhaltensweisen im Alltag wurden dieStressbewältigung sowie das Vorhandensein von Motivation und Wohlbefinden betrachtet.Dies spiegelten zugleich die quantitativen Ergebnisse zum Reha-Ziel der Rehabilitanden wi-der, in der 42,9 % den Wunsch nach einer höheren Lebensqualität angaben. Darüber hin-aus wurde der Wunsch nach individuellen und somit auf die Rehabilitanden abgestimmtenTherapiemaßnahmen geäußert.

Als mögliche Barriere für die Umsetzung gesundheitsförderlicher Verhaltensweisen sahenmehr als die Hälfte der Rehabilitanden sowohl mit als auch ohne Depression eine unzurei-chende motivationale Ausgangslage an. Insgesamt entfielen 35 Nennungen auf Befürchtun-gen, dass aufgrund familiärer und/oder beruflicher Verpflichtungen die Integration gesund-heitsförderlicher Verhaltensweisen in den Alltag nicht möglich sein könnte. Darüber hinauswurden somatische Beschwerden als Barriere für die Umsetzung genannt.

Hinsichtlich des Barrieremanagements wurde von ca. 1/3 der Befragten die soziale Unter-stützung als ausschlaggebender Faktor für die Ausführung gesundheitsförderlicher Verhal-tensweisen identifiziert. Besonders häufig wurden der Wunsch nach medizinisch-psycholo-gischer Nachsorge sowie der Wunsch nach sozialer Unterstützung geäußert.

Diskussion und Schlussfolgerung

Die subjektiven Wünsche von Rehabilitanden an ihre Rehabilitation sind ausschlaggebendfür die langfristige Etablierung gesundheitsförderlicher Verhaltensweisen in den Alltag unddie Weiterentwicklung der Rehabilitation (Buchholz, Kohlmann, 2014). Zentrale Vorausset-zung hierfür sind die Stressbewältigung und die Motivation der Rehabilitanden als auch diesoziale Unterstützung aus dem privaten und dem beruflichen Umfeld sowie die Nachsorge.Eine qualitativ hochwertige Rehabilitation sollte demnach insbesondere alltagsnahe Übun-gen vermitteln sowie ein möglichst individualisiertes Barrieremanagement thematisieren.Ergänzend sollten depressionsspezifische Inhalte berücksichtigt werden, von denen Reha-bilitanden mit psychosozialen Belastungen präventiv profitieren könnten. Darüber hinaus lie-ße sich über den Aufbau flächendeckender post-rehabilitativer Behandlungsangebote so-ziale Unterstützung bieten und langfristig Rückfällen vorbeugen (Sibold et al., 2011).

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Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

Literatur

Buchholz, I., Kohlmann, T. (2014): Deskriptoren und Prädiktoren von Reha-Zielen von Pa-tienten in der medizinischen Rehabilitation. Psychother Psych Med, 64. 364-372.

Grande, G., Romppel, M. (2010): Die Wahrheit liegt im Auge des Betrachters? Qualität inder Rehabilitation aus Sicht der Patientinnen und Patienten. Rehabilitation, 49. 376-382.

Greitemann, B., Dibbelt, S., Fröhlich, S., Niemeyer, C. (2012): DGRW-Update: Erkrankun-gen des Muskel-Skelettsystems. Rehabilitation, 51, 378-384.

Mayring, P. (2010): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Qualitative In-haltsanalyse. Weinheim: Beltz.

Sibold, M., Mittag, O., Kulick, B., Müller, E., Opitz, U., Jäckel, W.H. (2011): Prädiktoren derTeilnahme an einer Nachsorge nach ambulanter Rehabilitation bei erwerbstätigen Reha-bilitanden mit chronischen Rückenschmerzen. Rehabilitation, 50. 363-371.

Zur Interpretation von Veränderungen der Schmerzstärke

Haase, I. (1), Walz, J. (2), Kladny, B. (3)

(1) m&i-Klinikgruppe Enzensberg, Füssen, (2) m&i-Fachklinik Bad Pyrmont,(3) m&i-Fachklinik Herzogenaurach

Hintergrund und Ziel

Die Schmerzstärke wird in der Schmerzforschung häufig mit Numerischen Rating-Skalen(NRS) gemessen, deren Spannbreite von 0 (kein Schmerz) bis 10 (maximal vorstellbarerSchmerz) reicht. Als klinisch relevante Veränderung gilt eine Schmerzreduktion von mindes-tens 30 % (Farrar et al., 2001; Dworkin et al., 2005). Die Tragfähigkeit dieses Leitwertes wirdjedoch auch kritisch betrachtet (Reinecke, 2010). Ziel dieser Sekundäranalyse war deshalb,Anhaltspunkte für die Interpretation von Veränderungen der Schmerzintensität aus eigenenDaten zu gewinnen.

Methodik

Wir verwendeten sekundäranalytisch Daten aus einer Studie der Fachklinik Bad Pyrmontzur Wirksamkeit von Ganzkörperhyperthermie bei Fibromyalgie (Walz et al., 2013) und einerlaufenden Evaluation der Fachklinik Herzogenaurach zur konservativ-stationären Behand-lung von akuten und chronischen Rückenschmerzen. Diese beinhalten neben den NRS-Werten für Aufnahme und Entlassung eine globale Einschätzung des Behandlungserfolgesaus Sicht des Patienten über 5 Stufen von „deutlich gebessert“ bis „deutlich verschlechtert“,die uns als Ankerkriterium diente. Die Kategorien „etwas verschlechtert“ und „deutlich ver-schlechtert“ wurden aufgrund der sehr geringen Häufigkeit zusammengefasst.

Ergebnisse

Der untersuchte Datensatz beinhaltete 504 Fälle, darunter 326 Frauen (65 %). Das Durch-schnittsalter betrug 57,6 Jahre (Standardabweichung = 14,8). Das Diagnosespektrum um-fasste das Fibromyalgie-Syndrom (88 Fälle, Rehabilitation) sowie chronischen und akuten

377

Rückenschmerz (174 bzw. 242 Fälle, konservative Akut-Orthopädie). 281 Patienten(55,8 %) gaben bei der direkten Abfrage an, ihre gesundheitlichen Beschwerden hätten sich„deutlich gebessert“, 172 (34,1 %) urteilten „etwas gebessert“, 40 (7,9 %) „nicht verändert“und 11 (2,2 %) „etwas“ oder „deutlich verschlechtert. Eine Schmerzreduktion um 4,1 Punkteoder 62 % war mit der Einschätzung „deutlich gebessert“ assoziiert. Der Kategorie „etwasgebessert“ entsprach einer Reduktion von 2,8 Punkten bzw. 38 %, während geringe Verbes-serungen um ungefähr einen Punkt oder 15 % mit der Kategorie „unverändert“ korrespon-dierten. Dieses Bild erwies sich auch bei differenzierter Betrachtungsweise nach den Varia-blen Diagnose/Studie, Geschlecht, Alter und Schulabschluss als weitgehend stabil währendbei Fällen mit niedrigen Schmerz-Ausgangswerten erwartungsgemäß auch geringere Ver-änderungen zur Einschätzung „etwas“ oder „deutlich verbessert“ führten. Eine ergänzendeBetrachtung der entsprechenden Prä-Post-Effekt-Stärken unter Nutzung der Standardab-weichung der Prä-Werte zeigte mit 2,5 (bei „deutlich gebessert“), 1,7 („etwas gebessert“)und 0,7 („nicht verändert“!) recht hohe Effektstärken.

Diskussion und Schlussfolgerung

Betrachtet man die Kategorie „etwas gebessert“ als kleinste klinisch bedeutsame Verände-rung, so entsprechen unsere Ergebnisse in etwa den bisher publizierten Daten. Da zudemdie Subgruppenanalyse weitgehend konsistente Ergebnisse zeigte, kann der Cut-off-Wertvon 30 % für eine klinisch relevante Schmerzreduktion als vorerst bestätigt angesehen wer-den. Bezüglich der Prä-Post-Effekt-Stärken ist der Einschätzung zuzustimmen, dass eineallgemeinverbindliche Beurteilung nicht sinnvoll ist, sondern diese je nach Untersuchungund Zielgröße gesondert erfolgen sollte (Maier-Riehle, Zwingmann, 2000). Für die Schmerz-forschung deutet sich nach unseren Ergebnissen an, dass hier die Messlatte eher hoch ge-legt werden muss.

Literatur

Dworkin, R.H. et al. (2005): Core outcome measures for chronic pain clinical trials:IMMPACT recommendations. Pain 113. 9-19.

Farrar, J.T., Young, J.P., LaMoreaux, L., Werth, J.L., Poole, R.B. (2001): Clinical importanceof changes in chronic pain intensity measured on an 11-point numerical pain rating scale.Pain, 94. 149-158.

Maier-Riehle, B., Zwingmann, C. (2000): Effektstärkevarianten beim Eingruppen-Prä-Post-Design: Eine kritische Betrachtung. Rehabilitation 39. 189-199.

Reinecke, H. (2010): Klinische Relvanz der therapeutischen Reduktion von chronischennicht tumorbedingten Schmerzen. Berlin: Logos Verlag.

Walz J., Hinzmann, J., Haase, I., Witte, T. (2013): Ganzkörperhyperthermie in der Schmerz-therapie. Der Schmerz, 27. 38-45.

378

Schmerzverarbeitung bei Fibromyalgiesyndrom-Patientenim Vergleich zu Gesunden

Krohn-Grimberghe, B. (1), Lange, M. (2), de Vries, U. (2), Petermann, F. (2)

(1) Rheumaklinik Bad Wildungen, (2) Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen

Hintergrund

Bislang liegt nur wenig Information darüber vor, ob und in welchem Ausmaß sich Fibromy-algiesyndrom-Patienten (FMS) und Gesunde in ihrer Schmerzverarbeitung unterscheiden.Vorliegende Arbeit prüft, ob sich Fibromyalgiesyndrom-Patienten und Gesunde unterschei-den

‒ in der Anwendung von kognitiven und behavioralen Schmerzverarbeitungsstrategien und

‒ in der Ausprägung der Selbstwirksamkeitserwartung und psychischen Belastung (Angstund Depression)

Die Ergebnisse könnten dazu beitragen, spezifische Schmerzverarbeitungsstrategien fürPatienten mit FMS zu entwickeln und in die multimodale Rehabilitation zu implementieren(Lange et al., 2011).

Methodik

Eingeschlossen wurden n=438 stationäre Patienten mit Fibromyalgiesyndrom (FMS) sowien=312 Gesunde (Online-Befragung). Alle Patienten wurden anhand folgender Fragebögenmiteinander verglichen: Deutscher Schmerzfragebogen (DSF), Fragebogen zur Erfassungder Schmerzverarbeitung (FESV), Krankheitsspezifische Selbstwirksamkeit (Arthritis Self-Efficacy Scale, ASES-D), Psychische Belastung (Hospital Anxiety and Depression Scale,HADS-D). Angst- und Depressionswerte der Gruppen wurden als Kovariate in die Berech-nungen aufgenommen.

Ergebnisse

FMS-Patienten waren in den schmerzbezogenen Kennwerten und der psychischen Befind-lichkeit (Angst/Depression) stärker belastet als Gesunde. Die FMS-Patienten wiesen einedeutlich höhere durchschnittliche Schmerzstärke auf (F=50,821; p<0,01; 2=0,105). Bei denGesunden gaben 67,5 % an, zeitweise unter Kopfschmerzen zu leiden, 31 % Rückschmer-zen, 7,2 % Zahnschmerzen, 11,3 % Bauchschmerzen, 2,2 % Schmerzen durch Verletzungund 3,9 % andere Schmerzen, wobei Mehrfachnennungen möglich waren.

Bei der kognitiven und behavioralen Schmerzverarbeitung trat auf multivariater Ebene einsignifikanter Haupteffekt der Gruppe mit einer hohen Effektstärke auf (F=28,863; p<0,01;2=0,207). Zudem zeigte sich bei der krankheitsbezogenen Selbstwirksamkeit ein signifi-kanter Gruppenunterschied mit einer hohen Effektstärke (F=132,491; p<0,01; 2=0,157).Dieser Effekt blieb auch unter Berücksichtigung der Angst- und Depressionswerte bestehen.Gesunde gaben auf der Skala „Handlungsplanungskompetenz“ und „Kompetenzerleben“höhere Werte an. Hingegen wurden die „Kognitive Umstrukturierung“ und „Mentale Ablen-kung“ von Fibromyalgiesyndrom-Patienten als Schmerzverarbeitungsstrategien präferiert.

379

Diskussion

Auch andere Studien belegen bei Fibromyalgiesyndrom-Patienten ein geringes Gefühl derKontrolle über ihre Schmerzen (Malin, Litteljohn, 2012). In der vorliegenden Studie wiesenFibromyalgiesyndrom-Patienten zudem geringere Ausprägungen im Kompetenzerleben so-wie in der krankheitsbezogenen Selbstwirksamkeit auf. Müller et al. (2004) identifizierten dieSelbstwirksamkeit als bedeutsamen Prädiktor für einen anhaltenden Behandlungserfolg beiFibromyalgiesyndrom-Patienten. Dabei ging eine Steigerung der Selbstwirksamkeit mit ei-ner günstigeren behavioralen Schmerzverarbeitung einher.

Schlussfolgerungen

Fibromyalgiesyndrom-Patienten versuchen, durch Ablenkung und kognitive Umstrukturie-rung ihre Schmerzen zu reduzieren. Durch den gezielten Aufbau von Schmerztoleranzdurch achtsamkeits- und akzeptanzbasierte Strategien, wie in der Akzeptanz- und Commit-ment-Therapie, könnte die Schmerzverarbeitung und damit die Krankheitsbewältigung die-ser Patientengruppe begünstigt werden (Rodero et al., 2011).

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Oldenburg-Bremen

Literatur

Lange, M., Krohn-Grimberghe, B., Petermann, F. (2011): Effekte einer kognitiv-behavioralenPatientenschulung auf das Fibromyalgiesyndrom. Zeitschrift für Rheumatologie, 70.324-331.

Malin, K., Litteljohn, G.O. (2012): Psychological control is a key modulator of fibromyalgiasymptoms and comorbidities. Journal of Pain Research, 5. 463-471.

Müller, A., Müller, K., Blumenstiel, K., Bieber, C., Eich, W. (2004): Das Konzept der Selbst-wirksamkeit als bedeutsamer Prädiktor anhaltenden Behandlungserfolgs von Fibromyal-giesyndrom-Patienten. Aktuelle Rheumatologie, 29. 101-108.

Rodero, B., Casanueva, B., Luciano, J.V., Gili, M., Serrano-Blanco, A., García-Campayo, J.(2011): Relationship between behavioural coping strategies and acceptance in patientswith fibromyalgia syndrome: Elucidation targets of interventions. BMC MusculoskeletalDisorders, 12. 143-152.

380

Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen I

Remi-Pro: Eine standardisierte Methode zur Dokumentation des Remissionsverlaufs und zur Therapiezielfindung bei Kindern und

Jugendlichen nach schweren erworbenen Hirnschädigungen

Romein, E. (1), Hessenauer, M. (2), Kluger, G. (2), Berweck, S. (2), Staudt, M. (2)

(1) Gilhoc sur Ormèze, Frankreich, (2) Klinik für Neuropädiatrie und neurologische Rehabi-litation, Epilepsiezentrum für Kinder und Jugendliche, Schön Klinik Vogtareuth

Hintergrund

Kinder mit erworbenen, bihemisphäralen Hirnläsionen, z. B. infolge eines schweren Schä-del-Hirn-Traumas oder einer cerebralen Hypoxie nach Submersionstrauma, zeigen häufigBewusstseinsstörungen in den ersten Wochen der Frührehabilitation. Diese Bewusstseins-störungen werden – orientiert an der Reaktionsfähigkeit des Patienten auf Außenreize, inverschiedene Stadien unterteilt: Koma, Syndrom der reaktionslosen Wachheit (früher: apal-lisches Syndrom), minimale Bewusstseinslage. In der Mehrzahl der Fälle dürfte der Über-gang dazwischen fließend sein und nicht stufenweise vonstatten gehen. Für eine Therapie-zielfindung sind diese Klassifikationen nicht geeignet.

Für die Rehabilitation braucht es differenzierte Zustandsbeschreibungen, die den individu-ellen Verlauf abzubilden vermögen. Mit dem Remissionsprofil für Kinder und Jugendlichenach schweren erworbenen Hirnschädigungen (Remi-Pro) wurde ein solches Instrumententwickelt.

Patienten und Methodik

Setting: Klinik für Neuropädiatrie und neurologische Rehabilitation mit dem Schwerpunkt aufFrührehabilitation (ab frühe Phase B, Phase C). Entwicklung und Testung des Remi-Pro un-ter Federführung der Abteilung Ergotherapie (ER, MH) an über 300 Patienten im Alter zwi-schen 2–16 Jahren, die nach akutem Ereignis zur Frührehabilitation stationär aufgenommenwaren. Beurteilt werden die Fähigkeiten der Kinder an Hand jeweils 19–29 standardisierterAlltagsaktivitäten in 6 aufeinander aufbauenden Niveaus. Rater ist je nach Aufgabe (durch-geführter Alltagsaktivität) der Therapeut, die Pflegeperson oder die Eltern des Kindes. AlsGrundlage dienen die Wiederaufnahme vertrauter und die Entwicklung neuer Aktivitäten inden Bereichen Spiel, Selbstversorgung und Produktivität. Es wird bewertet, ob und wie dasKind diese Aktivitäten ausführt. Die Ergebnisse werden in ein Profil übertragen, worüber derVerlauf sichtbar wird.

Die Inhaltsvalidität wurde mit Unterstützung von 23 externen Experten überprüft, die Kon-struktvalidität durch Vergleich zur Koma-Remissionsskale und zur Wee-FIM.

Ergebnisse

Die Inhalts- (0,83) und Konstruktvalidität (0,76–0,96) konnte bestätigt werden. In den unterenNiveaus (Schlaf-Wach-Niveau, Wahrnehmungsniveau, Kommunikationsniveau) gelingt es,die Remission von Patienten, die initial und nicht selten über Wochen im „Wachkoma“ sind,

381

individuell und valide abzubilden. Nahezu alle Kinder verlassen im Verlauf das Schlaf-Wach-Niveau, wobei nach Schädel-Hirn-Trauma eine frühere Erholung einsetzt als nach cerebra-ler Hypoxie. Patienten nach schweren sekundären Störungen des ZNS erreichen nur seltendas 6. Niveau (Partizipationsniveau).

Schlussfolgerungen

Remi-Pro beschreibt standardisiert, valide und niveauspezifisch die Fähigkeiten von Kin-dern und Jugendlichen und ist insbesondere in der frühen Remissionsphase ein wichtigesklinische Beobachtungsinstrument, das auch zur Therapiezielfindung herangezogen wer-den kann. Remi-Pro erfasst die Bereiche Aktivitäten/Teilhabe nach ICF (International Clas-sification of Functioning, Disability and Health), auch wenn die Teilhabe bedingt durch dieneurologische Störung in den ersten Niveaus vor allem passiv erfolgt und sich erst in denspäteren Niveaus mehr und mehr zu einer aktiven Teilhabe wandelt.

Remi-Pro erlaubt eine Differenzierung des Remissionsverlaufs bei Patienten mit Bewusst-seinsstörungen unterschiedlicher Ätiologie und wird bei der zukünftigen Erarbeitung pro-spektiver prognostischer Daten zum Remissionsverlauf in der Frühphase der RehabilitationAnwendung finden.

Transition – Erwachsen werden mit einer chronischen Erkrankungam Beispiel der Mukoviszidose

Gebert, N. (1), Bomba, F. (2), Herrmann-Garitz, C. (3), Thyen, U. (2), Schmidt, S. (3), Falkenberg, C. (4)

(1) Medizinische Hochschule Hannover, (2) Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Campus Lübeck, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, (3) Lehrstuhl Gesundheit & Prävention,

Institut für Psychologie, Universität Greifswald; (4) Fachklinik Satteldüne

Hintergrund

Für chronisch kranke Jugendliche ist der Übergang in das Erwachsenenalter mit besonde-ren Herausforderungen im Alltag verbunden. Neben den normalen Entwicklungsaufgabenihrer Alltagsgruppe müssen sie zusätzlich immer mehr Verantwortung für die Behandlungihrer Erkrankung übernehmen. Unbestritten ist es heute, dass im Bereich der gesundheitli-chen Versorgung chronisch kranker Jugendlicher im Übergang von der kinderärztlichen Pra-xis in die Erwachsenenmedizin eine Versorgungslücke besteht (Gleeson, Turner, 2012;Gorter et al., 2011; Kraus de Camargo, 2010). Dieser Mangel wurde mit der steigenden Le-benserwartung chronisch kranker Kinder immer deutlicher. Bei Patient/innen mit Mukoviszi-dose stieg die durchschnittliche Lebenserwartung von 13,9 Jahren (1995) auf 37 Jahre(2012) (Sens, Stern, 2012). Um Jugendliche und ihre Eltern gezielt auf diesen komplexenProzess der Transition vorzubereiten, bedarf es einer gezielten Unterstützung und Bera-tung. In der vorliegenden Arbeit werden die Akzeptanz und Durchführbarkeit des Pro-gramms untersucht.

382

Methode

Stichprobe: Es wurden 30 Transitionsworkshops an unterschiedlichen Standorten inDeutschland durchgeführt, das durchschnittliche Alter der teilnehmenden Jugendlichen mitMukoviszidose beträgt 18,51 Jahre (SD=3,11, Tab. 1).

Tab. 1: Stichprobenbeschreibung.

Design: Die Machbarkeit wurde an n= 172 Jugendlichen untersucht. Zukünftige Analysenüber das zweifaktorielle Design (Gruppe × Zeit) sollen die Effektivität des neuen Programmsbestimmen. Hierbei erfolgte die Messung zu Beginn, zum Ende und 5 Monate nach Ab-schluss des Workshops.

Intervention: Die Klinik für Kinder- und Jugendliche in Lübeck führt zusammen mit dem In-stitut für Psychologie an der Universität Greifswald ein Forschungsprojekt durch, das sichan Jugendliche mit Typ-1-Diabetes, Mukoviszidose und chronisch entzündlichen Darmer-krankungen richtet und ihre Gesundheitskompetenz und ihre Selbstständigkeit bezüglich ih-rer Erkrankung fördern soll (Empowerment).

Abb. 1: Module im Transitionsworkshop

Diabetes CED CF Gesamt

IG 96 53 23 172

KG 90 46 17 153

186 99 40 325

♀ vs. ♂ 101/85 55/44 19/21 175/150

383

Auf Basis einer qualitativen Interviewphase wurde ein Curriculum für eine Patientenschu-lung mit jugendspezifischen Themen und verschiedenen didaktischen Methoden speziell fürdie Phase der Transition entwickelt. Das Programm wurde im Folgenden mit einer Gruppevon mindestens 3, max. 8 Teilnehmer/innen u. a. im Rahmen einer Rehabilitation für Ju-gendliche mit Mukoviszidose an der Fachklinik Satteldüne und der Nachsorgeklinik Tann-heim durchgeführt. Themen der Schulung waren die Organisation des Krankheitsmanage-ments, Perspektiven der Weiterbehandlung, Kennenlernen krankheitsspezifischer Unter-stützungsangebote, Ablösung von den Eltern, Berufsfindung/-ausbildung und Partnerschaft.Durchgeführt wurde der Workshop von einem Diplompsychologen/in in Kooperation mitdem/der behandelnden Kinder- und Jugendarzt/ärztin (Bomba et al., 2013).

Messinstrumente: Die Akzeptanz wurde über Fragebogen erfasst und die Durchführbarkeitanhand des Expertenurteils erhoben. Außerdem wurden im Rahmen der summativen Eva-luation u. a. Versorgungszufriedenheit (CHC-SUN), krankheitsbezogene Lebensqualität(DCGM-10), aktive Patientenbeteiligung (PAM-13) und die Transitionskompetenz unter-sucht.

Ergebnisse

Akzeptanz: Es ergab sich eine sehr gute Akzeptanz und Bewertung der Schulung: Durch-schnittlich vergaben die Teilnehmenden die Note 1,5 (Schulnotenskala), über 95 % der Teil-nehmenden bewerten die Qualität mit „ausgezeichnet“ oder „gut“ (Skala 1–4: „ausgezeich-net“, „gut“, „weniger gut“, „schlecht“) und über 90 % würden die Schulung weiterempfehlen.Als besonders positiv wurde auch der Austausch mit den anderen Jugendlichen hervorge-hoben. In der Prä-Post-Erhebung zeigt sich bei der Interventionsgruppe ein Anstieg von ak-tiver Patientenbeteiligung und Transitionskompetenz. Die Ergebnisse bleiben aufgrund derkleinen Fallzahlen in der Gruppe Mukoviszidosepatienten insignifikant.

Durchführbarkeit: Es zeigt sich, dass ein Transitionsworkshop als Empowerment-Maß-nahme für chronisch kranke Jugendliche durchführbar ist und gut angenommen wird. Die anMukoviszidose erkrankten Patienten konnten im ambulanten Bereich kaum für eine Grup-penschulung motiviert werden, da sie Gruppenangeboten aus Angst vor Pseudomonas-An-steckung generell kritischer gegenüberstehen. Während der Rehabilitation waren die ju-gendlichen Teilnehmer gut in Gruppen bis zu 8 Patienten zu schulen.

Schlussfolgerungen

Die durchgeführte Intervention hat sich als Methode erwiesen, chronisch kranke Jugendli-che in der Phase ihrer Transition zu unterstützen. Eine abschließende Bewertung und quan-titative Auswertung der Schulung ist erst nach der Einbeziehung der Follow-up-Daten mög-lich. In einem Anschlussprojekt „Fit für den Wechsel“ sollen nunmehr die Eltern in einer ei-genen parallel durchgeführten Seminareinheit einbezogen werden. Wenn die Evaluationergibt, dass diese Variante der ersten überlegen ist, müssten im Reha-Bereich Strukturengeschaffen werden, die dieses Schulungsformat ermöglichen.

Förderung: Bundesministerium für Bildung und Forschung

384

Literatur

Bomba, F., Schmidt, S., Thyen, U. (2013): Das Transitions-Projekt: Erwachsenwerden mitchronischer Erkrankung – ein Workshop für chronisch kranke Jugendliche. Kinder Spe-zial/Kinderärztliche Praxis, 45. 20-22.

Gleeson, H., Turner, G. (2012): Transition to adult services. Archives of Disease in child-hood – Education and Practice Edition, 97. 86-92.

Gorter, J.W., Stewart, D., Woodbury-Smith, M. (2011): Youth in transition: care, health anddevelopment. Child: care, health and development, 37. 757-763.

Kraus de Camargo, O. (2010): Transition in den USA und Kanada. Kinderärztliche Praxis,81. 220-227.

Sens, B., Stern, M. (2012): Qualitätssicherung Mukoviszidose Zentrum für Qualität undManagement im Gesundheitswesen, Mukoviszidose e. V. und Mukoviszidose InstitutgGmbH, editors. Bad Honnef: Hippocampus Verlag.

Prädiktoren für den Nachsorgeerfolg bei Kindern und Jugendlichen mit Adipositas im Rahmen einer Telefonberatung: Eine qualitative Studie

Pankatz, M. (1), Stachow, R. (2), Tiedjen, U. (1), Hampel, P. (3), Hornig, W. (3)

(1) Rehaforschung Fachklinik Sylt e.V., (2) Fachklinik Sylt für Kinder und Jugendliche, (3) Universität Flensburg, Institut für Gesundheits-, Ernährungs- und Sportwissenschaften

Hintergrund

Die Nachhaltigkeit der Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen mit Adipositas zeigt keinezufriedenstellenden Ergebnisse (Holl et al., 2011). Bislang hat im Bereich der Nachsorge nurdie Kombination einer stationären Rehabilitation mit einer ambulanten Nachsorge durch Er-nährungsfachkräfte positive Effekte gezeigt (Adam et al., 2014), wobei die Datenlage aufgrundunterschiedlicher Ansätze der Datenerhebung und der sich verändernden Schulungsstan-dards heterogen ist und äußere Einflussfaktoren wenig beachtet (Bauer, Petermann, 2010).

In der Studie „Kinder- und Jugend-Rehabilitation: Sicherung der Nachhaltigkeit durch CaseManagement“ (KiJuRNa 1) wurde ein Case Management implementiert, in dem, entspre-chend den Empfehlungen der Konsensusgruppe Adipositasschulung (Stachow et al., 2014),Patienten mit der Methode der Motivierenden Gesprächsführung telefonisch in der Nachsor-ge beraten werden. Ziel der vorliegenden qualitativen Studie war es, Prädiktoren der Wirk-samkeit des neuen Nachsorgeprogramms zu ermitteln.

Methodik

Insgesamt wurden 224 Patienten in die Studie aufgenommen, von denen 114 der Interven-tionsgruppe zugeordnet wurden. Die Patienten der Interventionsgruppe erhielten ein Ab-schlussgespräch am Ende ihrer Rehabilitation sowie 5 telefonische Beratungen im An-schluss über die Dauer eines halben Jahres. Sofern die Patienten bzw. ihre Erziehungsbe-rechtigten einverstanden waren, wurden die Gespräche aufgezeichnet. Außerdem wurdenzu 4 Messzeitpunkten (vor und nach der Rehabilitation, ½ sowie 1 Jahr danach) Größe undGewicht erhoben.

385

Für die vorliegende Studie wurden zwecks einer Einzelfallanalyse Patienten der Interven-tionsgruppe ausgewählt, deren Telefongespräche aufgezeichnet werden durften und dieanhand des BMI-SDS 1 von 2 Gruppen, Responder (mit Reduktion des BMI-SDS zwischenEnde der Rehabilitation und dem Ende der Nachsorgeberatung) bzw. Non-Responder, zu-geordnet werden konnten oder die die Beratung abbrachen (Tab. 1).

Tab. 1: Stichprobe

Es resultierten 11 Patienten; n= 5 Responder, n= 3 Non-Responder und n= 3 Abbrecher. DieGespräche der 11 Patienten wurden transkribiert und anschließend unter Verwendung derSoftware MAXQDA daraufhin ausgewertet, welche Prädiktoren für einen Erfolg oder Miss-erfolg der Maßnahme existieren und was zum Abbruch einer Nachsorge führt. Für eine Be-antwortung der Fragestellung wurde die strukturierende qualitative Inhaltsanalyse nachMayring (2010) gewählt.

Ergebnisse

Die Responder der Maßnahme zeichneten sich dadurch aus, dass sie in den Bereichen Er-nährung und Bewegung Vorbilder hatten, an denen sie sich orientieren konnten. Weiterhinwaren sie kreativer in der Aufstellung von Verhaltensstrategien. Die Strategien waren viel-fältiger, ihnen standen weniger Hindernisse entgegen und sie wurden regelmäßiger umge-

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pond

er

A 15 8 1,93 1,7 1,37 -0,33

B 15 8 2,61 2,45 2,28 -0,17

C 17 6 2,39 2 1,93 -0,07

D 15 5 3,17 2,99 2,83 -0,16

E 17 5 3,03 2,67 1,64 -1,03

Non

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nder

A 16 7 3,14 3,01 3,26 0,25

B 18 6 3,6 3,44 3,63 0,19

C 15 6 2,91 2,6 2,9 0,3

Abb

rüch

e A 12 4 2,41 2,24 - -

B 16 5 1,73 1,52 - -

C 10 5 1,93 1,76 - -

386

setzt. Die Non-Responder hatten hingegen familiäre Probleme und mangelnde Unterstüt-zung durch diese, was die Umsetzung von Vorsätzen erschwerte oder verhinderte.

Unabhängig von der Zuordnung zur Gruppe der Responder oder Non-Responder wurdenzwei wesentliche Faktoren festgestellt, die im Anschluss an die Rehabilitation zu Schwierig-keiten führen können. Während der stationären Rehabilitation werden trotz wissenserhalten-dem Unterricht in der Klinik Schulstunden versäumt. Dies führt im Anschluss an die statio-näre Phase zu Problemen, da dann viel Zeit für die Aufholung der Unterrichtsinhalte aufge-wendet werden muss und so Freiräume beispielsweise für sportliche Betätigung fehlen.Schwierigkeiten entstehen außerdem durch Mobbingerfahrungen insbesondere in Sportver-einen, die die Umsetzung von Vorsätzen erschweren. Responder und Non-Responder un-terscheiden sich hier in ihren Bewältigungsstrategien. Als protektiver Faktor erwies sich dieregelmäßige Einnahme von Mahlzeiten in der Familie.

Bei den Abbrechern zeigte sich ein mangelndes Interesse an der Beratung in 2 von 3 Fällenschon während des Prozesses und sie verweigerten die Mitarbeit in den Gesprächen. Fürsie schien das Belohnungsgeld in Höhe von 40 Euro, das sie nach Nachsorgeabschluss fürdas Ausfüllen der Fragebögen erhalten würden, von zentraler Bedeutung zu sein, da sie dieNachsorgerin während der Beratung darauf ansprachen.

Diskussion

Die Gesprächsanalyse hat aufgezeigt, dass die Patienten schon direkt im Anschluss an dieRehabilitation deutliche Unterschiede im Verhalten und in den Ressourcen haben, die Auf-schluss darüber geben, wer bei der weiteren Reduktion des BMI-SDS erfolgreich sein wird.Zudem wurden die Relevanz des Schulunterrichts während der stationären Rehabilitationund die Problematik des Mobbings in Sportvereinen festgestellt.

Fazit

Die Heterogenität der Patienten und die daraus resultierenden unterschiedlichen Verläufeim Anschluss an die Rehabilitation erfordern unterschiedliche Behandlungs- und Beratungs-ansätze. Monetäre Anreize für die Einsendung von Fragebögen führen zur Teilnahme vonPersonen an Programmen, die unter anderen Umständen nicht daran teilnehmen würden.Außerdem sollten die Auswirkung von Unterrichtsversäumnisse während Rehabilitation undihre Folgen auf die Nachhaltigkeit untersucht werden. Schließlich sind diese ersten Hinwei-se auf Prädiktoren des Nachsorgeerfolgs durch quantitative Befunde zu ergänzen.

Förderung: Verein zur Förderung der Rehabilitationsforschung in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein e. V. (vffr)

Literatur

Adam, S., Westenhöfer, J., Rudolphi, B., Kraaibeek, H.-K. (2008): Kombinierte stationäreund ambulante Adipositasbehandlung für Kinder und Jugendliche. Evaluation nach einemJahr. MMW-Fortschritte der Medizin Originalien, 150. 7-15.

Bauer, C.-P., Petermann, F. (2010): DGRW-Update: Rehabilitation bei Kindern und Jugend-lichen. Die Rehabilitation, 49. 217-223.

387

Holl, R., Kiess, W., Wiegand, S., deZwaan, M., Souza, M. de, Widhalm, K., Reinehr, T.(2011): BMI über zwei Jahre bei 2714 Kindern/Jugendlichen der APV-Datenbank: Prädik-toren für „weight maintenance“ (KKN Adipositas-LARGE). Obesity Facts, 4 (s2). 8-9.

Stachow, R., Sievers-Böckel, B., Büssenschütt, A., Gahler, A., Daâs, B., Jaeschke, R., Stü-bing, K., Eggers, I., Neugebauer, M., Ramos, G., Bremer, K., Heber, K., Baudach, A.,Faustin, V., Gellhaus, I. (2014): Nachsorge für Kinder und Jugendliche nach ambulanteroder stationärer Rehabilitation. Das Adipositas-Nachsorgekonzept der KgAS®. Ernäh-rung im Fokus, Sonderdruck zu Ausgabe 05-06/2014.

Weg mit den Snacks, her mit dem Gemüse: Approach-Avoidance-Training (AAT) bei Kindern und Jugendlichen mit Adipositas

Warschburger, P. (1), Lieck, K. (1), Morawietz, M. (1), Rinck, M. (2)

(1) Universität Potsdam, (2) Radboud University Nijmegen

Hintergrund und Fragestellung

Selbstkontrolle ist u. a. die Fähigkeit, impulsive Reaktionen zu verhindern (response inhibi-tion) und ist wichtig zur Verfolgung von Langzeitzielen (Baumeister et al., 2007). Bei der Ge-wichtsabnahme ist ein besonderes Maß an Selbstkontrolle nötig, um impulsive Reaktionen(die Annäherung und das Verspeisen) auf allgegenwärtige verführerische (hochkalorische)Lebensmittel zu verhindern. So findet sich ein Zusammenhang zwischen response inhibitionund Adipositas (z. B. Nederkoorn et al., 2006). In der vorliegenden Studie sollte untersuchtwerden, ob mit Hilfe eines computerbasierten Trainings die Selbstkontrollfähigkeiten adipö-ser Kinder gesteigert werden können.

Methodik

In der DRV-geförderten Studie wurde ein computerbasiertes Selbstkontrolltraining entwi-ckelt. Das Training basiert auf dem „Approach-Avoidance Paradigm“ (Wiers et al., 2011). DieKinder hatten in 6 Sitzungen die Aufgabe, Snack-Stimuli mit dem Joy-Stick wegzudrückenund Gemüse zu sich heranzuziehen. Das Training dauerte zwischen 10 und 15 Minuten. Ge-messen wurden die Reaktionszeiten der Kinder nach Konfrontation mit den Nahrungsmittel-stimuli.

Ergebnisse

Bislang nahmen 59 übergewichtige und adipöse Kinder und Jugendliche (5,6 % Mädchenund 42,4 % Jungen) im Alter von 8–16 Jahren (M=12,83, SD=1,98) an der Pilotstudie teil.Innerhalb der einzelnen Sitzungen zeigte sich, dass die Kinder zunehmend schneller dieentsprechenden Joy-Stickbewegungen ausführen konnten. Erste Ergebnisse bestätigen zu-dem, dass sich die Kompatibilität (Heranziehen von Gemüse; Wegdrücken von Süßigkeiten)über die Trainingsdauer hinweg erhöhte (Kontrolle von Alter (F(1,52)=5,59, p<0,05)). Im Ein-zelnen bedeutet dies, dass die Kinder nach dem Training eine verminderte Annäherungs-tendenz in Bezug auf Snacks und eine höhere Annäherungstendenz in Bezug auf Gemüsehatten.

388

Diskussion

Die ersten Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Annäherungs- und Vermeidungstenden-zen der Kinder mit unserem Training verändert werden können. In einer weitergehendenrandomisiert-kontrollierten Studie soll jetzt überprüft werden, ob ein solches Training sichauch positiv auf den längerfristigen Gewichtsverlauf nach einer stationären Rehabilitations-maßnahme auswirkt. Mit einem solchen Training läge dann eine relativ kostengünstige Un-terstützung der multiprofessionellen Therapie der Adipositas vor.

Dank: Wir danken herzlich den beteiligten Kooperationskliniken.

Literatur

Baumeister, R.F., Vohs, K., Tice, D.M. (2007): The strength model of self-control. CurrentDirections in Psychological Science, 16. 351-355.

Nederkoorn , C., Braet, C., Eijs, Y., Tanghe, A., Jansen, A. (2006): Why obese children cannot resist food: The role of impulsivity. Eating Behavior, 7. 315-322.

Wiers, R.W., Eberl, C., Rinck, M., Becker, E.S., Lindenmeyer, J. (2011): Retraining automa-tic action tendencies changes alcoholic patients‘ approach bias for alcohol and improvestreatment outcome. Psychological Science, 22 (4). 490-497.

Was Eltern von der Rehabilitation von Kindernund Jugendlichen erwarten

Berghem, S.

Ostseestrand – Klinik Klaus Störtebeker, Kölpinsee auf Usedom

Hintergrund

Die Antrags- und Bewilligungszahlen für stationäre Rehabilitationsmaßnahmen für Kinderund Jugendliche nehmen seit Jahren ab (Spindler, 2014). Bei einer umfangreichen Befra-gung (Berghem, 2014) von unterschiedlichen Prozessbeteiligten wurden hierfür zahlreicheGründe auf Seiten der Kostenträger und der niedergelassenen Ärzte identifiziert. In dieserUntersuchung wurden von anderen als Gründe auf der Seite der Eltern benannt: Unkenntnisder Eltern, Arbeitsplatzargumente und Heimweh. Mit dieser Untersuchung sollte erstmalsauch die Sichtweise der Eltern untersucht werden.

Methodik

Über einen Aufruf auf unterschiedlichen Seiten im Internet (Elterngruppen in facebook,eltern.de, etc.) wurden Eltern gebeten, einen Online-Fragebogen zum Thema Kinderge-sundheit und Kur/Rehabilitation zu beantworten. 180 Eltern folgten diesem Aufruf und gabenumfangreich Auskunft über ihre Sichtweise. Einerseits wurde beantwortet, was eine Reha-bilitation schwierig machen würde, andererseits wurden konkrete Erwartungen abgefragt.

Ergebnisse

Am häufigsten werden als Problembereich benannt, die eine Reha schwierig oder unmög-lich erscheinen lassen: Heimweh des Kindes, Kosten, Schulausfall, Abwesenheit vom Ar-

389

beitsplatz und ablehnende Haltung von Rentenversicherung, Krankenkasse oder Arzt.39,6 % gaben an, nicht zu wissen, wie sie an eine Reha/Kur kommen können.

Im medizinischen Bereich wird eine umfangreiche Diagnostik als erforderlich betrachtet(51,21 % Antworten „zwingend“ oder „unerlässlich“), gefolgt von der Behandlung durch ei-nen Pädiater (43,94 %) oder – je nach Indikation – durch einen anderen passenden Fach-arzt (36,92 %). Eine beständige Anwesenheit eines Arztes in der Klinik hielten 16,67 % fürzwingend erforderlich. Bei der Wahl der Behandlungsmethoden rangierte die rein schulme-dizinische, evidenzbasierte Behandlung mit 44,44 % vor der Synthese aus Schulmedizinund Naturheilverfahren (24,24 %). Eine rein naturheilkundliche Behandlung wurde von4,24 % als essentiell betrachtet.

Beim Essen wurde mit 40 % am häufigsten ein allergiegerechtes Essen als wichtig benannt,gefolgt von unterschiedlichen Diätformen, Vollwertkost und einer großen Auswahl an Spei-sen. Ein umfangreiches kostenloses Freizeitangebot hielten 19,84 % für erfolgsrelevant,9,52 % sogar für essentiell. Im Bereich Schule wurde mehrheitlich Unterricht in den Haupt-fächern für essentiell und förderlich betrachtet, aber auch eine Beschulung in sämtlichen Fä-chern wurde häufig als wesentlich erachtet. Es besteht auch ein Bedarf an Unterricht für För-derschüler, ein Unterricht für Waldorfschüler war in dieser Untersuchung nicht zwingend er-forderlich.

Auch zur Infrastruktur der Klinik bestanden Erwartungen, die teils überraschend waren. Sohalten knapp 10 % der Eltern Strukturmerkmale wie kostenloses WLAN im Zimmer oderkostenlosen Fernseher im Appartement für entscheidend für einen Antritt der Reha.

Die Teilnehmer dieser Untersuchung waren nach eigener Einschätzung deutlich besserüber Eltern-Kind-Maßnahmen informiert als über Reha für Erwachsene. Weniger informiertwaren sie über Kinder-Reha, am wenigsten waren die Unterschiede zwischen Eltern-Kind-Maßnahmen und Kinderrehabilitation bekannt.

Informationen zur Kinder-Reha wurden von 46,76 % vom Kinderarzt gewünscht/erwartet,annähernd häufig von der Krankenkasse mit 41,01 %. Deutlich seltener denken die Elternan eine Reha-Servicestelle (28,78 %) oder an die Rentenversicherung (24,46 %). Im Inter-net wünschen sich 17,99 % Informationen, im Bereich social media 7,19 %.

Diskussion

In dieser Befragung von sicher überdurchschnittlich Reha-affinen Eltern fiel bei 40 % der Be-fragten ein deutliches Informationsbedürfnis auf. Am wenigsten bekannt war der Unter-schied zwischen Eltern-Kind-Maßnahmen und Kinderrehabilitation. Als erster Informations-und Ansprechpartner fällt den meisten Eltern zunächst ihr Kinderarzt ein. Zahlreiche Hürdenwie Heimweh, der eigene Arbeitsplatz und die Schulsituation erschweren den Zugang zurKinder-Reha. Die Eltern haben ziemlich konkrete Vorstellung, wie sie sich eine Rehabilitationfür ihr Kind vorstellen. Die meisten dieser Vorstellungen werden aktuell in allen Einrichtun-gen erfüllt, es gibt jedoch auch Wünsche, die jeglichen Zusammenhang zur Zielsetzung ei-ner Rehabilitation vermissen lassen

390

Schlussfolgerung

Eltern benötigen mehr und bessere Informationen zur stationären Rehabilitation für Kinderund Jugendliche. Ein möglicher Weg hierfür ist die Information durch den Kinderarzt, aller-dings stehen dem die Bedingungen in der Praxis mit wenig Zeit für den Patienten und wenigvertiefter Information der Kollegen eher im Wege, sodass auch ergänzende Informations-quellen genutzt werden sollten.

Um Unzufriedenheit der Patienten und eine Beeinträchtigung der Rehabilitationsdurchfüh-rung zu verhindern, empfiehlt es sich, die Eltern bereits vor Antritt der Maßnahme umfang-reich zu informieren.

Literatur

Berghem, S. (2014): Fünf Minuten für die Kinderreha – Ergebnisse einer Umfrage. Pädiatri-sche Allergologie, 17, 2/14. 22-24.

Spindler, T. (2014): Rehabilitation bei Kindern und Jugendlichen in Gefahr! Pädiatrie haut-nah, 26. 264-265.

391

Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen II

Regionale Unterschiede bei der Inanspruchnahme von Rehabilitationsmaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen

Jankowiak, S. (1), Dannenmaier, J. (1), Krischak, G. (1, 2)

(1) Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau,(2) Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Federseeklinik, Bad Buchau

Hintergrund

In den letzten Jahren ist eine deutliche Zunahme der chronischen Erkrankungen im Kindes-und Jugendalter zu verzeichnen (Neuhauser, Poethko-Müller, 2014). Diese haben aufgrundihres langen Verlaufs einen nachhaltigen Einfluss auf die gesamte Entwicklung von Kindernund Jugendlichen und können – vorausschauend betrachtet – die Erwerbsfähigkeit im Er-wachsenenalter beeinträchtigen. Die medizinische Rehabilitation von Kindern und Jugend-lichen ist dabei ein wichtiges Instrument zur Sicherung der Leistungsfähigkeit sowie zur spä-teren Eingliederung in das Erwerbsleben (DRV Bund, 2012).

Während die zunehmende Prävalenz einen wachsenden Rehabilitationsbedarf nahelegt,ging in den vergangenen 5 Jahren die Antragszahl bei Rehabilitationsmaßnahmen für Kin-der und Jugendliche deutlich zurück (Laudien, Werner-Müller, 2014). Um angesichts dieserDiskrepanz einer möglichen Unterversorgung entgegenzuwirken, wurden bereits verschie-dene Strategien durch die Deutsche Rentenversicherung entwickelt, die eine bedarfsge-rechte Inanspruchnahme sicherstellen sollen. Damit diese Programme möglichst effektivsind, müssen Faktoren identifiziert werden, die einen Einfluss auf den Rehabilitationszu-gang haben. Ziel der Untersuchung war es, Kenntnisse über regionale Besonderheiten undzeitliche Trends der Inanspruchnahme von Rehabilitationsleistungen in Baden-Württem-berg zu gewinnen, wobei Veränderungen bei der Rehabilitandenstruktur geprüft wurden.

Methodik

Mithilfe der Rehabilitations-Statistik-Datenbasis (RSD) der Deutschen RentenversicherungBaden-Württemberg (DRV BW), die Informationen zu durchgeführten Rehabilitationsmaß-nahmen bei Kindern und Jugendlichen umfasst, sowie Angaben des Statistisches Landes-amtes Baden-Württemberg zur Bevölkerung im Alter zwischen 0 und 27 Jahren, wurde dieAnzahl der Rehabilitanden bezogen auf 100.000 Kinder und Jugendliche für jede der 12 Re-gionen in Baden-Württemberg jeweils für die Jahre 2005 bis 2012 bestimmt. So konnte ge-prüft werden, ob sich die Inanspruchnahme von Rehabilitationsleistungen im Zeitverlaufbzw. zwischen den Regionen unterscheidet. Für weitere Analysen konnten jeweils 3 Regio-nen aufgrund ähnlicher Raten im Zeitverlauf zu insgesamt 4 Gebieten zusammengefasstwerden. Um Hinweise auf regionale Besonderheiten bei der Rehabilitandenstruktur sowiederen Veränderungen im Zeitverlauf zu erhalten, wurden Alter, Geschlecht, Hauptdiagnoseund Anzahl der Begleiterkrankungen der Rehabilitanden betrachtet.

392

Ergebnisse

Die über den Zeitraum von 2005 bis 2012 berechnete durchschnittliche Rate an Rehabilitan-den reichte von 69,7 in Gebiet 1 über 77,0 in Gebiet 2 und 97,0 in Gebiet 3 bis 119,4 in Ge-biet 4. Auch bei Betrachtung der Rate im Zeitverlauf ließen sich deutliche Unterschiede zwi-schen den Gebieten erkennen, wobei in keinem Gebiet ein klarer zeitlicher Trend ersichtlichwar (Abb. 1). Um zu prüfen, inwiefern dies ggf. auf Unterschiede und zeitliche Schwankun-gen bei der Anzahl von Kinderärzten und Allgemeinmedizinern, denen eine relevante Rollebei Initiierung von Rehabilitationsleistungen zukommt, zurückgeführt werden kann, wurdedie Entwicklung der Arztzahlen den Rehabilitatandenraten gegenübergestellt. Die Anzahlder Ärzte nahm im Zeitverlauf allerdings nur leicht ab, wobei zwischen den Gebieten keineUnterschiede bestanden.

Abb. 1: Rate von Rehabilitationsmaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen im Vergleich zur Rate anKinderärzten und Allgemeinmedizinern im Zeitraum von 2005 bis 2012 getrennt nach Gebiet

Die Geschlechterverteilung unter den Rehabilitanden war in allen 4 Gebieten im Zeitverlaufrelativ stabil, wobei tendenziell mehr Jungen als Mädchen eine Rehabilitation in Anspruchnahmen. Während in Gebiet 1 und Gebiet 2 über alle Jahre hinweg der Anteil der 13- bis 18-jährigen Kinder und Jugendlichen am höchsten war, führten in den Gebieten 3 und 4 in allenbeobachteten Jahren 7- bis 12-jährige Kinder am häufigsten eine Rehabilitation durch. In al-len Gebieten variierte die Häufigkeiten der 3 zahlenmäßig bedeutsamsten Diagnosegrup-pen (psychische und Verhaltensstörungen; endokrine Erkrankungen sowie Ernährungs-und Stoffwechselkrankheiten; Krankheiten des Atmungssystems) stark im Zeitverlauf. Letzt-endlich konnte in allen Gebieten eine zunehmende Multimorbidität unter den Rehabilitandenbeobachtet werden.

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2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012

Zeitlicher Verlauf der Rehabilitationsrate und Arzt-Rate

1 2 3 4

1 2 3 4

Anzahl an Rehabilitanden im Gebiet (Rehabilitanden je 100.000 Kinder im Gebiet)

Anzahl an Ärzten im Gebiet (Kinderärtze und Allgemeinmediziner je 100.000 Einwohner)

393

Diskussion

Bei der Inanspruchnahme von Rehabilitationsmaßnahmen im Kindes- und Jugendalter zeig-ten sich erhebliche Unterschiede zwischen den 4 Gebieten. Es ist zu bezweifeln, dass sichdiese Abweichungen allein durch regionale Differenzen bei der Erkrankungslast erklärenlassen. Zudem korrespondieren die zeitlichen Verläufe der Rehabilitationsraten nicht mit derin Studien berichteten Zunahme der chronischen Erkrankungen in der Zielgruppe.

Daher bedarf es weiterer Untersuchungen, welche Faktoren für die Inanspruchnahme einerRehabilitation bei Kindern und Jugendlichen relevant sind, um eine bedarfsgerechte Versor-gung sicherzustellen.

Literatur

Neuhauser, H., Poethko-Müller, C. (2014): Chronische Erkrankungen und impfpräventableInfektionserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Ergebnisse derKiGGS-Studie – Erste Folgebefragung (KiGGS Welle 1). Bundesgesundheitsblatt, 57.779-788.

Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.) (2012): Positionspapier der gesetzlichen Ren-tenversicherung zur Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen.

Laudien, K., Werner-Müller, R. (2014): Rehabilitation für Kinder – die beste „Investition“ indie Zukunft. Spektrum, 1. 62-64.

Die Wirkung sozialer Ungleichheiten auf Zugang und Inanspruchnahme stationärer Rehabilitationsmaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen in

Mitteldeutschland

Fach, E.-M., Schumann, N., Günther, S., Richter, M.

Institut für Medizinische Soziologie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Hintergrund

Die Wirkung sozialer Ungleichheiten auf die Inanspruchnahme medizinischer Versorgungs-leistungen findet zunehmend Berücksichtigung in der Forschung (Klein et al., 2014). Indesliegen kaum Erkenntnisse für die rehabilitative Versorgung im Allgemeinen (Hofreuter-Gät-gens et al., 2013) und für den Bereich der stationären Kinderrehabilitation im Speziellen vor(Schumann et al., 2014). Ergebnisse aus der Erwachsenenrehabilitation deuten an, dass dieInanspruchnahme von Rehabilitationsmaßnahmen weitgehend schichtunabhängig erfolgt(Geyer, Schlanstedt-Jahn, 2012; Deck, 2008), allerdings erreichen Patienten sozial benach-teiligter Schichten die Rehabilitation mit einem schlechteren Gesundheitszustand und weni-ger Informationen bezüglich der Ziele und des Ablaufs der Rehabilitationsmaßnahme (Deck,2008). Der Beitrag untersucht, ob soziale Ungleichheiten auf den Zugang und die Inan-spruchnahme stationärer Rehabilitationsmaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen in Mit-teldeutschland wirken.

394

Methodik

In der regionalen rekju-Studie mit einem zweiarmigen, kombinierten Studiendesign wurdenEltern chronisch kranker Kinder (7–17 Jahre) zu Zugangs- und Inanspruchnahmekriterienstationärer Rehabilitationsmaßnahmen befragt: Einerseits prospektiv zu 2 Messzeitpunkten(T1: nach Reha-Bedarfsermittlung und vor Antragsstellung, n=66; T2: 3 Monate nach Reha-Antragstellung, n=29). Andererseits retrospektiv nach Beendigung einer stationären Reha-bilitation ihrer Kinder in einer von drei Rehabilitationskliniken (Bad Kösen, Bad Gottleuba,Bad Salzungen) in Mitteldeutschland (n=277). Mittels deskriptiver Methoden (Chi²-Tests,logistische Regression) wurde der Einfluss sozialer Ungleichheit auf ausgewählte krank-heitsbezogene (Krankheitsschwere, allgemeine Gesundheitszustand), psychosoziale (HRQL)und personale (Reha-Erfahrungen) Faktoren sowie strukturelle Rahmenbedingungen (An-tragstellung, Inanspruchnahmemotivation, Erstantragsbewilligung, Widerspruchsverfahren)untersucht.

Ergebnisse

Eltern, bei deren Kindern ein Reha-Bedarf durch den Kinderarzt ermittelt wurde, stellenmehrheitlich einen Reha-Antrag (96,8 %) und streben eine Inanspruchnahme der Reha-Maßnahme seitens ihrer Kinder an (95,5 %). Die meisten Heranwachsenden erreichen diestationäre Kinderrehabilitation über eine Erstantragsbewilligung (85,4 %). Die Chance, diestationäre Kinderrehabilitation über ein Widerspruchsverfahren der Eltern zu erreichen, istfür Kinder aus sozial besser gestellten Haushalten um das 3,5-Fache höher (KI=1,04–12,89,p<0,05). Zudem stufen Eltern höherer Statusgruppen die Krankheitsschwere ihrer Kinderhöher (p=0,19) und den allgemeinen Gesundheitszustand schlechter ein (p=0,22). Fernerscheinen sich bereits vorhandene Reha-Erfahrungen der Eltern günstig auf eine erfolgrei-che Antragsstellung auszuwirken. Im Vergleich der Teilstichproben beider Studienarmezeichnet sich bei der retrospektiven Studie in den Rehabilitationskliniken ab, dass wenigerHeranwachsende aus sozial schwachen Haushalten eine Rehabilitation im Vergleich zurprospektiven Studienpopulation mit Reha-Bedarf erreicht haben. Kinder aus sozial bessergestellten Haushalten weisen zudem tendenziell eine höhere Inanspruchnahme frühererRehabilitationsmaßnahmen auf (p=0,10).

Diskussion und Schlussfolgerung

Die Ergebnisse legen nahe, dass soziale Ungleichheiten in der Inanspruchnahme von sta-tionären Reha-Maßnahmen, wenn eine Erstantragsbewilligung durch den Leistungsträger er-folgt, nicht wirken. Im Falle einer Antragsablehnung scheinen jedoch chronisch kranke Kinderund Jugendliche aus sozial besser gestellten Haushalten von einem höheren Krankheitsbe-wusstsein bezüglich der Einstufung der Krankheitsschwere und des allgemeinen Gesund-heitszustands ihrer Kinder sowie einer höheren Widerspruchsmotivation ihrer Eltern zu pro-fitieren und den Weg in die Rehabilitation häufiger „im zweiten Anlauf“ zu erreichen als Her-anwachsende aus sozial benachteiligten Haushalten. Künftige Forschungsbemühungensollten sich demnach verstärkt dem Zugang in die stationäre Kinderrehabilitation widmen undeinen Fokus auf die Rolle des behandelnden (Kinder-)Arztes legen, der für die Eltern im An-tragsverfahren als „Gatekeeper“ zu rehabilitativen Versorgungsmaßnahmen fungiert.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland

395

Literatur

Deck, R. (2008): Soziale Ungleichheit in der medizinischen Rehabilitation. In: Gesundheits-wesen 70/10. 582-589.

Geyer, S., Schlanstedt-Jahn, U. (2012): Gibt es soziale Ungleichheiten in der Inanspruch-nahme der onkologischen Rehabilitation bei Mammakarzinompatientinnen? In: Gesund-heitswesen 74/02. 71-78.

Hofreuter-Gätgens, K., Bergelt, C., Hergert, A., Koch, U., Melchior, H., Pfau-Effinger, B.,Schul, H., Watzke, B., Morfeld, M. (2013): Soziale Ungleichheit in der stationären medizi-nischen Rehabilitation: Ein systematischer Literaturüberblick. In: Gesundheitswesen 75(08/09). A134.

Klein, J., Hofreuter-Gätgens, K., von dem Knesebeck, O. (2014): Socioeconomic Status andthe Utilization of Health Services in Germany: A Systematic Review. In: Janssen, C.,Swart, E., von Lengerke, T. (Hrsg.): Health Care Utilization in Germany. Theory, Metho-dology, and Results: New Yorg Springer Science+Business Media. 117-143.

Schumann, N., Günther, S., Fach, E-M., Richter, M. (2014): Sozialer Status und reha-bezo-gene Parameter in der stationären Kinder- und Jugendrehabilitation. Ergebnisse aus derrekju-Studie. In: Phys Med Rehab Kuror 24. 240-248. (in press)

Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen – Perspektive der Allgemeinmediziner

Berghem, S.

Ostseestrand – Klinik Klaus Störtebeker, Kölpinsee auf Usedom

Hintergrund

Die Antrags- und Bewilligungszahlen für stationäre Rehabilitationsmaßnahmen für Kinderund Jugendliche nehmen seit Jahren ab (Spindler, 2014). Bei einer Befragung von nieder-gelassenen Pädiatern und anderen Prozessbeteiligten (Berghem, 2014) wurden hierfürzahlreiche Gründe aufseiten der Kostenträger und der Hausärzte identifiziert. Bisher wurdedie Perspektive von niedergelassenen Allgemeinmedizinern, die vielfach besonders in länd-licher Umgebung die Bezugsärzte der Kinder sind, nicht untersucht.

Methodik

Über ein Anschreiben per E-Mail an die Mailadresse der Praxis wurden niedergelassene All-gemeinmediziner gebeten, einen Online-Fragebogen zum Thema Rehabilitation für Kinderund Jugendliche zu beantworten. Lediglich 87 der eingeladenen 1.287 Kollegen folgten die-sem Aufruf (6,8 %), womit die Teilnahmequote deutlich unter der der Voruntersuchung mit17,4 % liegt.

Ergebnisse

In den Praxen der Teilnehmer wurden 15,1 % Kinder und Jugendliche behandelt, die Praxenbefanden sich zu 65,5 % in ländlicher, zu 23,0 % in städtischer und zu 11,5 % in großstäd-tischer Umgebung. Die Kollegen waren durchschnittlich 19,7 Jahre in der ambulanten Me-

396

dizin kurativ tätig. 87,6 % der Ärzte besaßen die Ermächtigung, Rehabilitation zulasten derGKV zu verordnen (Formular 61).

43,0 % der Ärzte schätzten ein, dass nur wenige Eltern wissen, dass es Rehabilitationen fürKinder und Jugendliche gibt, 48,1 % schätzen, dass sich die Eltern nur wenig mit dem Un-terschied zwischen Rehabilitation für Kinder/Jugendliche und Eltern-Kind-Maßnahmen aus-kennen, 26,6 % beurteilen, dass die Eltern sich überhaupt nicht damit auskennen.

Die eigenen Kenntnisse in dieser Frage werden von 43,7 % als gut eingeschätzt, allerdingsfühlen sich 62,1 % nicht sicher in der Frage, welcher Kostenträger für Eltern-Kind-Maßnah-men zuständig ist. Bei der Rehabilitation für Kinder und Jugendliche sind sich 80,7 % unsi-cher bei der Frage nach dem zuständigen Kostenträger, 12,9 % geben an, keine Ahnung zuhaben, nur 6,5 % fühlen sich sicher. 40,7 % haben noch nie eine Rehabilitationsmaßnahmefür Kinder/Jugendliche verordnet (5,8 % tun dies häufig), nur 4,6 % haben noch nie eineEltern-Kind-Maßnahme verordnet (34,9 % häufig).

53,0 % empfinden die Bewilligungspraxis Eltern-Kind überwiegend problematisch, bei derReha sind es 62,3 %. 79,3 % beurteilen Eltern-Kind-Maßnahmen meist oder immer als hilf-reich für die Kinder, bei der Rehabilitation sind dies 83,6 %. Die Mehrheit (52,4 %) der Teilneh-mer wünschte weitergehende Informationen zur Rehabilitation für Kinder und Jugendliche.

Diskussion

Interesse an und vorhandene Informationen bezüglich der Rehabilitation für Kinder und Ju-gendlich scheint bei niedergelassenen Allgemeinmedizinern geringer zu sein als bei Pädia-tern. In einzelnen Kommentaren wurde auch bemerkt, dass der allgemeinmedizinischeHausarzt zwar als der Ansprechpartner für akute Erkrankungen gesehen wird, Kinder mitchronischen Erkrankungen jedoch meist zusätzlich von einem Pädiater betreut würden.Selbst bei den Teilnehmern, die sicher besonders interessiert am Thema Rehabilitation wa-ren, ist der Kenntnisstand eher gering, auch das Wissen der Eltern wird als eher schlechteingeschätzt.

Schlussfolgerung

Es scheint ein deutlicher Informationsbedarf zu bestehen, der jedoch wegen Selektionsbiasnicht präzise eingeschätzt werden kann. Für eine repräsentative Beurteilung wäre eine um-fangreiche Untersuchung sinnvoll. Unabhängig vom tatsächlichen Ausmaß des Informa-tionsdefizits sollte eine Information und Unterstützung der niedergelassenen Allgemeinme-diziner hilfreich für rehabilitationsbedürftige Kinder und Jugendliche sein.

Literatur

Berghem, S. (2014): Fünf Minuten für die Kinderreha – Ergebnisse einer Umfrage. Pädiatri-sche Allergologie, 17, 2/14. 22-24.

Spindler, T. (2014): Rehabilitation bei Kindern und Jugendlichen in Gefahr! Pädiatrie haut-nah, 26. 264-265.

397

Aspekte der psychischen Befindlichkeit bei Kindern und Jugendlichenmit Typ-1-Diabetes in der stationären Rehabilitation

Paape, F., Hermann, T.

Fachklinik Prinzregent Luitpold, Scheidegg

Die Manifestation eines Typ-1-Diabetes (T1D) und das Leben mit einer chronischen Erkran-kung bringen Herausforderungen und schwere Belastungen mit sich. Die ständige Selbst-behandlung fordert äußerste Disziplin, ist zeitintensiv und emotional belastend.

In unserer Fachklinik stellt der T1D eine Hauptindikation dar. Im Reha-Alltag ist eine massi-ve psychosoziale Belastung bei betroffenen Kindern und Jugendlichen, aber auch bei derenEltern zu beobachten. Als Grund für den Antrag einer Rehabilitationsmaßnahme wird zudembei vielen Jugendlichen eine Complianceproblematik angegeben.

Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass Erfolge in der Diabetesbehandlung auchvon der emotionalen Stabilität der Patienten abhängig sind (Lange, 2010). Wenn psychischeErkrankungen nicht erkannt und behandelt werden, kann dies negative Folgen für die Stoff-wechsellage und Langzeitprognose haben. So wurden beispielsweise höhere HbA1C-Wer-te bei unter 25-jährigen T1D-Patienten mit depressiven Symptomen festgestellt (Pleneret al., 2014). Zu den häufigsten psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichenmit T1D zählen neben den Anpassungsstörungen depressive Störungen und Angststörun-gen. Die Befundlage hinsichtlich der Prävalenzraten ist uneinheitlich. Einerseits wird einezwei- bis dreifach erhöhte Häufigkeit affektiver Störungen im Vergleich zu stoffwechsel-gesunden Jugendlichen (20–27 % vs. 5–8 %) berichtet (Grey et al., 2002). Andere Studienzeigen, dass Jugendliche mit T1D nicht häufiger betroffen sind (siehe Lange, 2010). Plenerund Kollegen (2014) führten mit der DPV-Datenbank eine Beobachtungsstudie durch undstellten bei 0,78 % der unter 25-jährigen T1D-Patienten depressive Symptome fest. AndereAspekte der psychischen Befindlichkeit wie Ängste wurden bislang seltener untersucht. Ineiner Studie von Herzer und Hood (2010) zeigten 17 % der jugendlichen T1D-PatientenAngstsymptome. Auch Auffälligkeiten im Selbstbild sind denkbar, da die körperliche Ge-sundheit wesentlich zum Selbstbild beiträgt (Lange, 2010).

Ziel dieser Untersuchung war es, Auffälligkeiten in der psychischen Befindlichkeit von T1D-Patienten in der stationären Rehabilitation objektiv zu erfassen. Im Rahmen einer Psycho-diagnostik wurden bei T1D-Patienten depressive Symptome, Ängste und Selbstbildaspekteuntersucht.

Methode

n=67 (34 weiblich), Durchschnittsalter 13,86 Jahre (SD=2,17), durchschnittliche Diabetes-dauer 5,42 Jahre (SD=3,51), durchschnittlicher HbA1C-Wert 9,44 % (SD=1,54)

Zur Erfassung der psychischen Befindlichkeit kamen der Angstfragebogen für Schüler (Wie-czerkowski; n=63), in Abhängigkeit vom Alter das Depressionsinventar für Kinder und Ju-gendliche (Stiensmeier-Pelster; n=56) oder die Allgemeine Depressionsskala (Hautzinger;n=8), der Persönlichkeitsfragebogen für Kinder zwischen 9 und 14 Jahren (Seitz, Rausche;

398

n=37) oder der Mehrdimensionale Persönlichkeitstest für Jugendliche (Schmidt; n=21) zumEinsatz.

Ergebnisse

Prozentränge 84 bzw. 16 wurden als für die jeweilige Skala auffällig gewertet.

Für 26,98 % der Patienten ergaben sich erhöhte Werte auf der Skala manifeste Angst.30,16 % zeigten eine erhöhte Schulunlust. Bei 31,25 % der Patienten ergaben sich Hinwei-se auf das Vorliegen depressiver Symptome. Bei 32,43 % sprechen die Ergebnisse für einhohes Selbsterleben von allgemeiner und existenzieller Angst, bei 24,32 % für eine niedrigeSelbstüberzeugung, bei 35,14 % für ein hohes Selbsterleben von Impulsivität und Unbe-kümmertheit und bei 32,43 % für ein hohes Selbsterleben von Minderwertigkeit gegenüberanderen. Von den 21 Jugendlichen, die den MPT-J durchführten, erzielten 42,86 % erhöhteWerte auf der Skala unkorrekte Testbearbeitung.

Diskussion

Die Ergebnisse zeigen, dass sich ein beachtlicher Anteil der T1D-Patienten in der stationä-ren Rehabilitation als besonders ängstlich, depressiv, impulsiv, wenig von sich überzeugt,unterlegen und minderwertig einschätzt. Complianceprobleme sind bei Jugendlichen, diesich so wahrnehmen und empfinden, leicht nachzuvollziehen. Im Vergleich zu den in derEinleitung beschriebenen Studienergebnissen scheinen unsere Befunde auf höhere Ratenhinzuweisen. Dabei fällt beispielsweise der hohe Anteil an Patienten auf, bei denen wir de-pressive Symptome feststellten. Eine Ursache für die Unterschiede könnte die Anwendungstandardisierter Testverfahren sein, die bei Plener und Kollegen (2014) nicht möglich war.Denkbar ist auch, dass es sich um eine vorselektierte Stichprobe handeln könnte, da wo-möglich überwiegend diejenigen Kinder und Jugendlichen zur stationären Rehabilitationkommen, die besonders emotional belastet sind.

Ausblick

Unser Ziel ist es, in einer Interventionsstudie die Auswirkung einer stationären Rehabilita-tionsmaßnahme auf das Vorliegen depressiver Symptome zu überprüfen. Wir erhoffen unszudem, Zusammenhänge zwischen den Befindlichkeitsvariablen und diabetesrelevantenOutcomes (z. B. HbA1C) anhand einer größeren Stichprobe aufzeigen zu können.

Insgesamt weisen die Ergebnisse bereits jetzt auf die Notwendigkeit und Relevanz einerpsychologischen Behandlung der T1D-Patienten während der stationären Rehabilitations-maßnahme zum Erzielen eines nachhaltigen Erfolgs hin.

Literatur

Grey, M., Whittemore, R., Tamborlane, W. (2002): Depression in type 1 diabetes in children.Natural history and correlates. Journal of Psychosomatic Research, 53. 907-911.

Herzer, M., Hood, K. (2010): Anxiety symptoms in adolescents with type 1 diabetes: asso-ciation with blood glucose monitoring and glycemic control. Journal of Pediatric Psycho-logy, 35, 4. 415-425.

Lange, K. (2010): Depressive Stimmung und Depression bei Kindern und Jugendlichen mitDiabetes. Diabetologe, 6. 287-293.

399

Plener, P., Molz, E., Berger, G., Schober, E., Mönkemöller, K., Denzer C., Goldbeck, L. Holl, R.(2014): Depression, metabolic control, and antidepressant medication in young patientswith type 1 diabetes. Pediatric Diabetes, 2014.

Subjektives Behandlungskonzept und krankheitsbezogenes Selbstmanagement asthmakranker Jugendlicher in der Rehabilitation:

Eine qualitative Analyse

Heyduck, K. (1), Bengel, J. (2), Glattacker, M. (1)

(1) Universitätsklinikum Freiburg, Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, (2) Universität Freiburg, Institut für Psychologie, Abteilung für Rehabilitationspsychologie

und Psychotherapie

Hintergrund

Subjektive Krankheits- und Behandlungskonzepte und die krankheitsbezogene Selbstregu-lation von Patienten sind seit vielen Jahren Gegenstand intensiver Forschung. Die meistenStudien wurden jedoch mit Erwachsenen durchgeführt, der Kinder- und Jugendbereich istdemgegenüber deutlich unterrepräsentiert (Gray, Rutter, 2007). Bezogen auf Patienten mitAsthma bronchiale haben Kaptein et al. im Jahr 2010 ein Review vorgelegt, welches engeZusammenhänge von patientenseitigen Konzepten, krankheitsbezogenem Selbstmanage-ment und gesundheitlichen Outcomes beschreibt. In Bezug auf die einbezogenen Stichpro-ben bemängeln die Autoren jedoch auch hier das starke Ungleichgewicht von Studien im Er-wachsenen- und Kinder- bzw. Jugendbereich und heben die Notwendigkeit von mehrStudien mit asthmakranken Kindern und Jugendlichen hervor. Im Rahmen des ProjektsKoPaDy, welches seit 2012 in Kooperation mit 9 Rehabilitationskliniken für Kinder- und Ju-gendliche durchgeführt wird, werden derzeit die subjektiven Krankheits- und Behandlungs-konzepte und das partizipative Krankheitsmanagement asthmakranker Jugendlicher undderen Eltern mithilfe eines multimethodalen Ansatzes untersucht. Im vorliegenden Beitragwerden die Ergebnisse der qualitativen Analyse der subjektiven Konzepte jugendlicher Re-habilitanden zu ihrer Asthmabehandlung und zum krankheitsbezogenen Selbstmanage-ment vorgestellt.

Methodik

Zwischen Oktober 2012 und Januar 2013 wurden 7 leitfadengestützte Fokusgruppen mitinsgesamt n= 30 asthmakranken Jugendlichen in der Rehabilitation durchgeführt. Die Ju-gendlichen waren im Mittel 14,7 Jahre alt (Range 11–18 Jahre), das Geschlechterverhältniswar ausgeglichen (n= 16 Jungen, n= 14 Mädchen). Die Interviews wurden auf Tonband auf-gezeichnet, transkribiert und anschließend mithilfe der Analysesoftware Atlas.ti in einemmehrstufigen Verfahren in Anlehnung an das qualitativ-inhaltsanalytische Vorgehen nachMayring (2008) ausgewertet. Dabei wurde zunächst in mehreren Überarbeitungsschleifenein Kategoriensystem entwickelt, welches in einem detaillierten Codebook hinterlegt wurde.In einem nächsten Schritt erfolgte die Auswertung auf deskriptiver und konzeptioneller Ebe-ne (Friese, 2012).

400

Ergebnisse

Bei der Analyse der subjektiven Behandlungskonzepte wurden insgesamt 316 Patienten-aussagen mit 13 Codes kategorisiert. Dabei zeigte sich, dass die Jugendlichen eine Vielzahlvon Maßnahmen mit der Behandlung ihres Asthmas in Verbindung bringen. Die Einnahmevon Dauermedikamenten und die Einnahme von Notfallmedikamenten wurden dabei mit Ab-stand am häufigsten genannt. Daneben wurden von den Jugendlichen jedoch noch 7 weitereBehandlungsmaßnahmen angegeben, darunter u. a. die rehabilitative Behandlung undKontrolltermine beim Arzt. Neben konkreten Behandlungsmaßnahmen enthielten die Aus-sagen der Jugendlichen außerdem Angaben zur wahrgenommenen Notwendigkeit dieserBehandlungsmaßnahmen und zu behandlungsbezogenen Befürchtungen. Bezogen auf daskrankheitsbezogene Selbstmanagement konnten insgesamt 200 Patientenaussagen mit17 Codes kategorisiert werden, die sich 2 zentralen Inhaltsbereichen zuordnen ließen:(1) Aussagen zur Adhärenz und (2) Nennung konkreter Selbstmanagementstrategien. DieAussagen zur Adhärenz konnten in die Aspekte „Disziplin“, „Einflussfaktoren“, „Keine Lust“und „Vergessen“ ausdifferenziert werden. Bezogen auf konkrete Selbstmanagementmaß-nahmen konnten die Aussagen der Jugendlichen insgesamt 12 Strategien zugeordnet wer-den. Neben den am häufigsten genannten Strategien „Selbstbeobachtung“, „sportliche Be-tätigung“ und „Vermeidung von Auslösern“ wurden hier auch Aspekte wie „Akzeptanz dereigenen Erkrankung“, „Emotionsregulation“ und „Aufklärung des Umfeldes“ genannt. In denkonzeptionellen Analysen wurden enge Zusammenhänge zwischen subjektivem Behand-lungskonzept, Adhärenz und der Anwendung von Selbstmanagementstrategien gefunden.

Diskussion

Die Ergebnisse zeigen, dass die befragten jugendlichen Rehabilitanden über vielfältige unddifferenzierte Konzepte zu ihrer Behandlung und zum krankheitsbezogenen Selbstmanage-ment verfügen. So wird beispielsweise das subjektive Behandlungskonzept neben Medika-menten durch diverse weitere Behandlungsstrategien ergänzt und auch bei den Selbstma-nagementstrategien zeigte sich eine überraschende Vielfalt, einschließlich in der Literaturbislang eher seltener genannter Aspekte wie Akzeptanz und emotionsregulativer Strategien.Bezogen auf das asthmabezogene Selbstmanagement geben die Ergebnisse darüber hin-aus Hinweise, dass der Aspekt der Adhärenz auch für Jugendliche schon einen integriertenund reflektierten Bestandteil der Auseinandersetzung mit der eigenen Behandlung darstellt.

Förderung: Landesgraduiertenförderung Baden-Württemberg

Literatur

Friese, S. (2012): Qualitative data analysis with ATLAS.ti. London: SAGE.Gray, S.E., Rutter, D.R. (2007): Illness representations in young people with Chronic Fatigue

Syndrome. Psychology & Health, 22/2. 159-174.Kaptein, A.A., Klok, T., Moss-Morris, R., Brand, P.L.P. (2010). Illness perceptions: impact on

self-management and control in asthma. Current Opinion in Allergy and Clinical Immuno-logy, 10/3, 194-199.

Mayring, P. (2008). Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken (10. Aufl.). Wein-heim: Beltz.

401

Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen (Poster)

Förderliche und hinderliche Faktoren der Inanspruchnahmeeiner familienorientierten Rehabilitation bei krebskranken Kindern

und ihren Familien

Inhestern, L. (1), Beierlein, V. (1), Krauth, K. (2), Schulte, Th. (2), Berger, D. (3), Koch, U. (1), Bergelt, C. (1)

(1) Institut für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf,(2) Klinik Bad Oexen, (3) Arbeitsgemeinschaft für Krebsbekämpfung Nordrhein-Westfalen

Hintergrund

Die pädiatrisch-onkologische Rehabilitation nimmt eine wichtige Rolle im Übergang von dermedizinischen Akutversorgung in den Alltag ein. Um Langzeitfolgen möglichst gering zu hal-ten, wird in Deutschland das Konzept der familienorientierten Rehabilitation (FOR) durchge-führt (Arbeitsgemeinschaft Familienorientierte Rehabilitation, 2014), das nicht nur die er-krankten Kinder, sondern auch Familienmitglieder in den Reha-Prozess einbezieht. Dabeihaben alle Familienmitglieder umfassende Anliegen und Ziele für die Rehabilitation (Inhes-tern et al., 2014).

Zur Inanspruchnahme gibt es bisher keine gesicherten Daten. Daher wurde als Teil einerumfassenden Ist-Analyse zur pädiatrisch-onkologischen Rehabilitation untersucht, welcheFaktoren aus Sicht von Eltern und Experten eine Inanspruchnahme der FOR fördern undwas Barrieren der Inanspruchnahme sind.

Methode

Es wurden n= 10 Interviews und zusätzlich eine Fokusgruppe (n=10) mit Eltern krebskrankerKinder in der FOR durchgeführt. Zudem wurden 16 Experten aus dem pädiatrisch-onkologi-schen Bereich interviewt. Die befragten Experten kamen aus unterschiedlichen Bereichenin der pädiatrisch-onkologischen Rehabilitation (Reha-Einrichtung, Akutklinik, Elterninitia-tive, ambulante Nachsorge). Die Interviews waren halbstrukturiert und leitfadenbasiert. DieElterninterviews dauerten durchschnittlich 59 Minuten (Range 28–111); die Experteninter-views 50 Minuten (Range 25–118). Die Auswertung erfolgte mit der qualitativen Inhaltsana-lyse nach Mayring (2008).

Ergebnisse

Alle befragten Eltern schildern Belastungen für sich und ihre gesunden Kinder auf sozialerund emotionaler Ebene zu Beginn der Rehabilitation. In Bezug auf die erkrankten Kinder be-schreiben sie zusätzlich körperliche Belastungen. Auch die Experten sehen multiple Belas-tungen bei betroffenen Kindern und ihren Familien, die auch noch nach der Zeit der Akutbe-handlung bestehen.

Alle Eltern wurden durch die Akutkliniken über die Möglichkeit einer FOR aufgeklärt und in-formiert und bei der Antragstellung umfassend durch den Sozialdienst oder anderes Perso-

402

nal der Akutkliniken unterstützt. Berufliche und organisatorische Gründe erschwerten eineInanspruchnahme für einzelne Familienmitglieder (n=6).

Die Experten nennen eine Vielzahl von Hinderungsgründen für die Inanspruchnahme einerFOR. Die häufigsten Nennungen sind berufliche Gründe (n=15), der Wunsch der Familie,mit der Erkrankung abzuschließen (n=11) und familiäre Hinderungsgründe (n=8). WeitereGründe sind mangelnde Einsicht in Bezug auf die Notwendigkeit einer FOR (n=7) oder schu-lische Gründe (n=6).

Als förderliche Faktoren nennen die Experten am häufigsten die Mund-zu-Mund-Propagan-da durch Familien, die bereits eine FOR in Anspruch genommen haben (n=9). Eine aktiveUnterstützung der Familien durch die Akutklinik, die Nachsorgeeinrichtung oder die Reha-Kliniken bei der Antragstellung (n=6) und umfassende Informationsvermittlung und Bera-tung (n=5) werden ebenfalls häufig als förderliche Faktoren genannt.

Diskussion

Die Belastungen der betroffenen Familien nach der Akutbehandlung verdeutlichen den Re-habilitationsbedarf. Die Analyse der hinderlichen und förderlichen Faktoren der Inanspruch-nahme aus Sicht von Eltern und Experten zeigt, wie wichtig die aktive Aufklärung und Un-terstützung durch den Sozialdienst in den Akutkliniken ist. Die Erfahrungen der Expertendeuten auf eine Vielzahl möglicher Hinderungsgründe.

Schlussfolgerungen

Eine umfassende Beratung über die Möglichkeit einer FOR kann dazu beitragen, die Inan-spruchnahme für Betroffene zu erleichtern. Es sollte dabei auf die individuelle Situation derFamilien, z. B. Familienkonstellationen oder berufliche Hinderungsgründe, eingegangenwerden, um die Hindernisse für eine Inanspruchnahme möglichst gering zu halten.

Förderung: Arbeitsgemeinschaft für Krebsbekämpfung Nordrhein-Westfalen (ARGE NRW)

Literatur

Arbeitsgemeinschaft Familienorientierte Rehabilitation (AGFOR) (2014): Positionspapierzur familienorientierten Rehabilitation bei krebskranken Kindern. URL: http://www.kinder-krebsinfo.de/e2260/e5888/e5902/e5921/e5926/LEITLI~1_ger.pdf [abgerufen im Oktober2014].

Inhestern, L., Beierlein, V., Krauth, K.A., Schulte, T., Berger, D., Koch, U., Bergelt, C. (2014):Ziele und Anliegen von Familien mit einem an Krebs erkrankten Kind in der pädiatrisch-onkologischen Rehabilitation – Eine Analyse von medizinischen Entlassungsberichten.DRV-Schriften, Bd. 103. 422-423.

Mayring, P. (2008): Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. Weinheim undBasel: Beltz Verlag.

403

Gastroenterologische Rehabilitation – in Kooperation mit der GRVS

Rehabilitation bei Typ-2-Diabetes: Strukturen und Praxis der psychologischen Tätigkeit

Reese, C., Mittag, O.

Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg

Hintergrund und Fragestellung

Psychologisch fundierte Interventionen können Rehabilitanden mit Typ-2-Diabetes darin un-terstützen, ihre Blutzuckereinstellung zu verbessern und ihre Erkrankung besser zu bewäl-tigen (z. B. Alam et al., 2009). Daher stellen sie einen festen Bestandteil in der Rehabilitationvon Patienten mit Typ-2-Diabetes dar.

Ziel der durchgeführten bundesweiten Befragung (Projekt „Psychologische Interventionen inder Rehabilitation von PatientInnen mit Typ-2-Diabetes, onkologischen Erkrankungen(Mamma-, Prostata- oder Kolonkarzinom)) war es, die derzeitigen strukturellen Vorausset-zungen und die Praxis der psychologischen Abteilungen in Rehabilitationseinrichtungen, diePatienten mit der Hauptdiagnose Typ-2-Diabetes behandeln, darzustellen. Die Befragungstellt eine wichtige Vorarbeit für die Praxisempfehlungen für psychologische Interventionenin der Rehabilitation von Patienten mit Typ-2-Diabetes dar, die im Rahmen des zugrundeliegenden Projekts entwickelt werden.

Methode

Wir befragten die psychologischen Abteilungen aller stationären und ambulanten Rehabili-tationseinrichtungen in Deutschland, die über die Hauptindikation Typ-2-Diabetes verfügen.Die Fragen bezogen sich auf die folgenden Themenbereiche: (1) Allgemeine Angaben zurReha-Einrichtung (z. B. Träger, Bettenanzahl, Stellensituation, Qualifikation der Psycholo-gen); (2) Psychologisch relevante Problemlagen der Rehabilitanden und komorbide psychi-sche Störungen; (3) Screening und Diagnostik; (4) Indikationsstellung und Zugangswege zupsychologischen Interventionen; (5) Psychologische Einzel- und Gruppenangebote; (6) An-gebote für das interdisziplinäre Team; (7) Angebote für die psychologische Abteilung (Su-pervision, Intervision); (8) Interdisziplinäre Besprechungen; (9) Aufteilung der Arbeitszeit;(10) Psychologischer Bericht, sozialmedizinische Beurteilung; (11) Veränderungswünsche;(12) Persönliche Meinung zu strukturellen Voraussetzungen (z. B. Stellenverhältnis).

Ergebnisse

Von insgesamt 63 diabetologischen Rehabilitationseinrichtungen nahmen 21 (entspricht33 %) an der Befragung teil. Das durchschnittliche Stellenverhältnis in den Einrichtungenbeträgt 1,08 Psychologen pro 100 Rehabilitanden (bezogen auf die gesamte Einrichtung,wobei es in vielen Einrichtungen neben dem Diabetes-Bereich noch weitere Indikationsbe-reiche gibt) (s. Abb. 1).

404

Abb. 1: Stellenverhältnis der Psychologen in diabetologischen Einrichtungen

27 % der Psychologen in diabetologischen Einrichtungen verfügen über eine Approbationals Psychologischer Psychotherapeut und in 58 % der diabetologischen Einrichtungenarbeitet mindestens ein approbierter Psychologischer Psychotherapeut.

Die häufigsten (psychologisch relevanten) Problemlagen von Rehabilitanden mit Typ-2-Diabetes sind Adipositas, Probleme bei der Krankheits(folgen)bewältigung, Fehlernährungund Bewegungsmangel. Als häufigste psychische Komorbidität werden Depression und An-passungsstörung genannt. Die durchschnittliche Aufteilung der Arbeitszeit der Psychologenin der diabetologischen Rehabilitation ist in Abb. 2 dargestellt. Die Standardabweichungenzeigen, dass es große Unterschiede zwischen den Einrichtungen gibt.

Abb. 2: Aufteilung der Arbeitszeit: Prozent der Arbeitszeit für bestimmte Aufgabenbereiche (n=19; n=2:keine Angaben)

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diabetologische Einrichtungen (gesamte Einrichtung)

N=19 Keine Angaben: 2 M: 1,08 SD: 0,35 Median: 1,03 Range: 0,57-2,20

M = 1,08

Diagnostik/Indikationsstellung

8,0% (SD: 7,6%)

Einzelinterventionen26,9% (SD: 21,8%)

Entspannungstraining22,9% (SD: 17,0%)

AllgemeineGruppeninterventionen

11,9% (SD: 8,5%)

Problemorientierte Grp.interventionen/

Schulungsprogramme9,8% (SD: 7,4%)

Besprechungen6,3% (SD: 3,8%)

Verwaltungstätigkeiten10,3% (SD: 6,7%)

Nachsorge0,8% (SD: 1,7%)

Super-/Intervision-4,1% (SD: 4,3%)

405

76 Prozent der Psychologen schätzen das von der DRV (2010) für den IndikationsbereichGastroenterologie vorgeschlagene Stellenverhältnis von 1,25 Psychologen pro 100 Rehabi-litanden als zu niedrig ein.

Diskussion

Die Ergebnisse aus der vorliegenden Befragung können mit Ergebnissen von Befragungenaus dem Bereich Orthopädie, Kardiologie (Reese et al., 2012) und Onkologie (siehe Beitragvon Reese und Mittag in diesem Tagungsband) verglichen werden. Es zeigt sich, dass Psy-chologen im Diabetes-Bereich etwa 10–15 % weniger Zeit für Einzelinterventionen und da-für etwa 10–20 % mehr Zeit für Gruppeninterventionen verwenden. Gleichzeitig weisen dieErgebnisse der Befragung darauf hin, dass im Diabetes-Bereich – genau wie in den ebengenannten anderen Indikationsbereichen – große Unterschiede hinsichtlich der psychologi-schen Praxis vorliegen. Möglicherweise können die Praxisempfehlungen, die derzeitig fürden Indikationsbereich Typ-2-Diabetes entwickelt werden, zu einer größeren Standardisie-rung psychologischer Interventionen in der Rehabilitation von Patienten mit Typ-2-Diabetesbeitragen.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund

Literatur

Alam, R., Sturt, J., Lall, R., Winkley, K. (2009): An updated meta-analysis to assess the ef-fectiveness of psychological interventions delivered by psychological specialists andgeneralist clinicians on glycaemic control and on psychological status. Patient educationand counseling, 75. 25-36.

Deutsche Rentenversicherung (2010): Strukturqualität von Reha-Einrichtungen – Anforde-rungen der Deutschen Rentenversicherung. Berlin: Deutsche Rentenversicherung.

Reese, C., Jäckel, W.H., Mittag, O. (2012): Die somatische Rehabilitation als Arbeitsfeld fürPsychologen: Ergebnisse einer bundesweiten Befragung zu Strukturen und Praxis in derstationären orthopädischen und kardiologischen Rehabilitation. Die Rehabilitation, 51.142-150.

Wirksamkeit einer stationären Schulung für Patienten mitchronisch-entzündlichen Darmerkrankungen

Weiland, R. (1), Dreger, K. (1, 2), Gerlich, C. (1), Tuschhoff, T. (2), Mainos, D. (2), Derra, C. (2), Faller, H. (1), Reusch, A. (1)

(1) Abteilung für Medizinische Psychologie, Medizinische Soziologie und Rehabilitations-wissenschaften, Universität Würzburg, (2) Reha-Klinik Taubertal Bad Mergentheim der

Deutschen Rentenversicherung Bund

Hintergrund

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) bedingen körperliche und psychischeBelastungen. Selbstmanagementfähigkeiten sind daher besonders wichtig. Im Fokus bishe-riger Schulungen stand die Vermittlung von medizinischem Krankheitswissen (Waters et al.,

406

2005), seltener die Vermittlung von psychologischen Bewältigungsstrategien (Bregenzeret al., 2005). Daher wurde ein CED-Schulungsmanual mit beiden Inhalten entwickelt. Zielder Studie war es, die Wirksamkeit der Schulung mit medizinischen und psychologischenModulen (Experimentalgruppe, EG) im Vergleich mit einer Schulung mit medizinischen undinformativen Modulen (Kontrollgruppe, KG) zu prüfen.

Methodik

Die Stichprobe besteht aus 445 CED-Rehabilitanden (EG: n=216, KG: n=229). Im Mittelwaren die Patienten 44 Jahre alt (SD=10,8), zu 67 % weiblich und seit 13 Jahren erkrankt(SD=10,7). Der Studie liegt ein prospektives, kontrolliertes, clusterrandomisiertes, längs-schnittliches Design mit 4 Messzeitpunkten (T1 und T2: Schulungsbeginn und -ende, T3 undT4: 3 und 12 Monate danach) zugrunde. Primäre Zielgröße waren krankheitsbezogene Sor-gen (PS-CEDE; Krebs et al., 1998), sekundäre Zielgrößen Bewältigungsstrategien, Krank-heitsaktivität, Gesundheitskompetenz, Depressivität und Angst, sowie Lebensqualität.

Ergebnisse

3 Monate nach der Rehabilitation ergaben sich keine signifikanten Gruppenunterschiede fürdie primäre Zielgröße krankheitsbezogene Sorgen sowie für weitere sekundäre Zielgrößen.Ein Interventionseffekt zeigte sich jedoch bei den Bewältigungsstrategien. Patienten der EGmachten sich häufiger ihre Stärken für die Krankheitsbewältigung bewusst, ²(1, n=445) = 11,45,p=.001, und tauschten sich häufiger mit anderen Betroffenen aus als Patienten der KG,²(1, n=445) = 4,45, p=.035. Die EG profitierte damit stärker von den psychologischenModulen „Stärken und Kommunikation“ sowie „Erfahrungsaustausch“ als die KG.

Diskussion

Die Ergebnisse zeigen keine Überlegenheit der Schulung mit psychologischen Modulen imVergleich zu den informativen Modulen. Vermutlich waren die starke Kontrollbedingung (in-formative Module) sowie der informelle Austausch zwischen den Patienten zusätzlich wirk-sam. Die häufigere Anwendung günstiger Bewältigungsstrategien in der EG reflektiert aller-dings die thematische Ausrichtung der psychologischen Module. Im 2. Studienteil wurdediese Schulung als Wochenendseminar der Deutschen Colitis ulcerosa und Morbus CrohnVereinigung (DCCV) im Wartegruppendesign überprüft. Hier zeigten sich deutliche Effektein fast allen untersuchten Zielparametern.

Förderung: Im gemeinsamen Förderschwerpunkt „Chronische Krankheiten und Patienten-orientierung“ von BMBF, Kranken- und Rentenversicherung.

Literatur

Bregenzer, N., Lange, A., Furst, A., Gross, V., Scholmerich, J., Andus, T. (2005): Patienteducation in inflammatory bowel disease does not influence patients knowledge andlong-term psychosocial well-being. Zeitschrift für Gastroenterologie, 43 (4). 367-371.

Krebs, H., Kachel, F., Faller, H. (1998): Der Fragebogen zur Erfassung der Sorgen von Pa-tienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (IBD Patient Concerns). Ergeb-nisse zur Reliabilität und Validität einer deutschen Version. Praxis der Klinischen Verhal-tensmedizin und Rehabilitation, 11. 50-55.

407

Waters, B.M., Jensen, L., Fedorak, R.N. (2005): Effects of formal education for patients withinflammatory bowel disease: A randomized controlled trial. Canadian Journal of Gastro-enterology, 19 (4). 235-244.

Stuhlregulierende Maßnahmen als Beispiel partizipativer Therapiefindungbei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen

aus der Perspektive des Klinikers

Steimann, G.

Klinik Föhrenkamp, Reha-Zentrum Mölln

Hintergrund

Patienten mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa wird wie anderen chronisch Kranken eineaktivere Rolle in der Behandlung zugewiesen (Saibil et al., 2008). Zur Krankheitsbewälti-gung im Alltag brauchen die Patienten aber Kenntnisse über „ihre“ Krankheit, welche z. B.im Rahmen von Reha-Maßnahmen erworben werden können. Hier können Betroffene ler-nen mit Symptomen umzugehen, bei der Behandlung mitzuwirken und selbst Aufgaben zuübernehmen (bei Symptombeobachtung oder Dosisfindung) (Steimann, 2013). Behandeln-de Ärzte reduzieren therapeutische Bestrebungen oft auf die rein anti-inflammatorische Me-dikation. Folgestörungen oder nicht direkt entzündlich bedingte Symptome werden leichtvernachlässigt. Anders als bei antientzündlichen Medikamenten, die in die Hand des Arztesgehören, gilt bei vielen ergänzenden Therapien: daran denken, ausprobieren, Dosis finden.In der Reha kann man symptomlindernde Medikamente kennenlernen, Wirkungsweisenverstehen, Wirkungen „erfahren“, die richtige Dosis in Rücksprache mit dem Arzt herausfin-den. Die vorliegende Analyse fokussiert auf eine Teilgruppe von Rehabilitanden einer gas-troenterologischen Reha-Fachklinik, die eine selbstverantwortete Stuhlregulierung erprob-ten, und fragt nach beobachtbaren Erfolgen.

Methodik

2013/2014 wurde in der Klinik Föhrenkamp eine Längsschnittstudie durchgeführt, an der250 Rehabilitanden mit CED teilnahmen (CEDreha). Zum Einsatz kam ein umfassender Pa-tientenfragebogen zur Erfassung krankheitsspezifischer Problemfelder (Hüppe et al., 2012).Mit einem Arztdokumentationsbogen wurden initial klinische Daten (u. a. die Entzündungs-parameter CRP und Calprotektin) erfasst. Die Entlassungsbriefe wurden analysiert und be-züglich Aufnahme- und Entlassungsmedikation miteinander verglichen. Nach 6 Monaten er-hielten die Studienteilnehmer einen Katamnese-Fragebogen, den 199 bearbeiteten.

Im Rahmen von Aufnahmegesprächen, Visiten bzw. CED-Gesprächskreisen wurden Mög-lichkeiten stuhlregulierender Maßnahmen thematisiert und bei Therapiewunsch angesetzt.Im Falle symptomlindernder Erfolge (deutlich wahrnehmbare Besserung wird innerhalb24 Stunden erwartet) wurden Patienten dabei unterstützt, selbstständig die für sie geeigneteDosis zu ermitteln.

408

Ergebnisse

31 % (78 von 250) der in die Studie eingeschlossenen Rehabilitanden erprobten den selbst-ständigen Einsatz stuhlregulierender Medikamente, 66 nahmen an der 6-Monats-Katamneseteil. In Alter (45 Jahre) und Geschlecht (67 % weiblich) unterschieden sie sich nicht von denübrigen Rehabilitanden, der Anteil von Personen mit max. Hauptschulabschluss war gerin-ger (11 % vs. 21 %, p=.07).

Am häufigsten kamen Flohsamenschalenpräparate zum Einsatz: 44 Patienten erlebten sieals hilfreich, sodass sie in die Entlassungsmedikation aufgenommen wurden (nur 6 kanntendie Präparate bei Reha-Aufnahme). Colestyramin wurde bei 27 Rehabilitanden, deren Diar-rhoesymptome sich klinisch auf chologene Diarrhoen zurückführen ließen, eingesetzt; beiAufnahme hatten nur 5 einschlägige Erfahrungen. 33 Rehabilitanden erprobten motilitäts-senkende Medikamente (wie verschiedene Loperamidpräparationen oder Opiumtropfen),zu Beginn wussten 17 damit umzugehen.

Der Verlauf der Absenkung von Entzündungsparametern für die Stuhlregelgruppe war un-einheitlich, beim Calprotektin lässt sich keine Tendenz ausmachen. Nach Ausschluss ex-traintestinaler Ursachen verbesserte sich bis zur Entlassung bei 10 von 11 Patienten mit in-itial erhöhten Werten das CRP.

Den Krankheitsverlauf vor Reha-Antritt beurteilten 46 % (30 von 66) als „ständig aktiv“ (37 %erlebten ständigen Wechsel von Schub- und Ruhephasen, 17 % Remission). In den 6 Mo-naten nach der Reha war der Krankheitsverlauf bei 36 % „nicht aktiv“ (je 32 % WechselSchub/Ruhephase bzw. nicht aktiv; p=.07), die Anzahl breiig/flüssiger Stuhlgänge pro Tagreduzierte sich (z. B. 6 und mehr: 27 %, 39 % zu Reha-Beginn; p<.01).

Diskussion

Obwohl für CED-Betroffene der Kontrollverlust über ihren Stuhlgang ein zentrales Problemdarstellt, scheinen symptomlindernde Maßnahmen nicht ausreichend bekannt zu sein.Schulung in und Erprobung von stuhlregulierenden Maßnahmen durch den Patienten – alsBeispiel partizipativer Therapieentscheidung – kann als Baustein im rehabilitativen Gesamt-konzept einen wichtigen Beitrag zum Erfolg der Reha-Maßnahme leisten (Zimmermannet al., 2014). Erforderlich ist die Expertise einer spezialisierten Klinik, erworben durch einenausreichend großen Anteil von CED-Patienten.

Förderung: Verein zur Förderung der Rehabilitationsforschung (vffr)

Literatur

Hüppe, A., Langbrandtner, J., Raspe, H. (2013): Komplexe psychosoziale Problemlagen beiMorbus Crohn und Colitis ulcerosa – Fragebogengestütztes Assessment als erster Schrittzur Aktivierung von Patientinnen und Patienten. Z Gastroenterol. 51. 257-270.

Raspe, H., Conrad, S., Muche-Borowski, C. (2009): Evidenzbasierte und interdisziplinärkonsentierte Versorgungspfade für Patientinnen und Patienten mit Morbus Crohn oderColitis ulcerosa. Z Gastroenterol. 47. 541-562.

Saibil, F., Lai, E., Haywar, A., et al. (2008): Self-management for people with inflammatorybowel disease. Can J Gastroenterol.; 22. 281-287.

409

Steimann, G. (2013): Empowerment: Kann ich durch Reha stark werden?“ Bauchredner –DVV Journal, 114/3. 60-64.

Zimmermann, L., Michaelis, M., Quaschning, K., Müller, C., Körner, M. (2014): Die Bedeu-tung der internen und externen Partizipation für die Patientenzufriedenheit. Die Rehabili-tation 53. 219-223.

Keine Verbesserung der Teilhabe am Arbeitsleben durch patientenorientiertes Empowerment –

Hinweis auf rehabilitative Unterversorgung?

Langbrandtner, J. (1), Hüppe, A. (1), Raspe, H. (2)

(1) Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität Lübeck, (2) Seniorprofessurfür Bevölkerungsmedizin und Versorgungsforschung, Universität Lübeck

Hintergrund

Zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (gLQ) wurden in den vergan-genen Jahren verschiedene Selbstmanagement-Interventionen für chronisch Erkrankte ent-wickelt und in ihrer Wirksamkeit überprüft (Barlow el al., 2002). Vor kurzem konnte ein Em-powerment-Ansatz bei Betroffenen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED)erfolgreich evaluiert werden (Hüppe et al., 2014). Der Ansatz zielt auf eine aktivere Einbin-dung von CED-Erkrankten in die Gestaltung der Versorgung durch Zurverfügungstellungvon problemorientierten individualisierten Versorgungsempfehlungen basierend auf denCED-Versorgungspfaden (Raspe et al., 2009).

Die mit der CED einhergehenden somatischen und psychosozialen Belastungen wirken sichauch auf das berufliche Leben der Erkrankten aus (Hardt et al., 2010). Aufgrund des frühenManifestationsalters ist meist das gesamte Erwerbsleben betroffen. Die Gefährdung derTeilhabe am Erwerbsleben spiegelt sich u. a. im vorzeitigen Beginn einer Erwerbsminde-rungsrente wider: In 2013 lag das Durchschnittsalter von CED-Erkrankten bei Rentenbeginnetwa 5 Jahre unter dem Durchschnittsalter der Gesamtgruppe aller Diagnosen (DRV, 2014).

Inwieweit unser Empowerment-Ansatz auch die soziale Teilhabe am Arbeitsleben positivbeeinflusst, wird im Folgenden analysiert.

Methodik

Eine Zufallsstichprobe von Versicherten der Techniker Krankenkasse (TK) mit mindestenseiner AU-Diagnose und/oder mindestens einer Krankenhausdiagnose (ICD-10 K50, K51) in2009/2010 wurde zur Teilnahme an einer randomisierten, kontrollierten Studie im Parallel-gruppendesign eingeladen. Teilnehmer füllten einen Assessment-Fragebogen aus, der22 biopsychosoziale Belastungen erfasste und zur Outcomemessung diente. Nach Rück-sendung des Fragebogens und Randomisierung erhielt die Interventionsgruppe (IG) eineschriftliche Rückmeldung über ihr persönliches Problemprofil mit individuellen Versorgungs-empfehlungen. Bei ungünstiger subjektiver Erwerbsprognose oder komplexem Behand-lungsbedarf wurde eine Reha-Teilnahme empfohlen. Die Kontrollgruppe (KG) erhielt usual

410

care. Nach 12 Monaten wurde ein Katamnesefragebogen verschickt. Die TK stellte u. a. Da-ten zu AU-Tagen und -Fällen im Jahr vor und nach Studienteilnahme zur Verfügung.

Für die hier vorgestellten Analysen werden nur Studienteilnehmer berücksichtigt, die zurAusgangslage mindestens halbtags erwerbstätig waren. Mittelwertsdifferenzen zwischenPrä- und Postmessung in IG und KG werden für die Zielgrößen – soziale Teilhabe (IMET;Score 0–10), gLQ (EQ-VAS; Score 0–100), AU-Tage und subjektive Erwerbsprognose (SPE;Score 0–3) mittels t-Test verglichen, Veränderungen im Erwerbsstatus mit dem Chi² -Test.

Ergebnisse

Von den 462 Studienteilnehmern mit komplettem Datensatz waren 337 (IG 164; KG 173) zuStudienbeginn mindestens halbtags erwerbstätig (50 % weiblich, Ø 41 Jahre alt (SD 10),44 % Abitur). IG und KG waren zur Ausgangslage vergleichbar. 43 IG-Teilnehmer (27 %) er-hielten eine Empfehlung zur Reha-Teilnahme, 6 von ihnen (14 %) setzten diese um. Insge-samt nahmen im Studienzeitraum in der IG (11 von 163) wie in der KG (13 von 172) ver-gleichbar wenige Personen eine Reha in Anspruch.

Zur Katamnese zeigte sich in der gLQ (p=0,025) und sozialen Teilhabe (p=0,016) eine Über-legenheit der IG. Es fanden sich keine Gruppenunterschiede im Erwerbsstatus (für 94 %nach 12 Monaten unverändert) oder in der Erwerbsprognose. 26 % der Gesamtgruppe be-urteilten ihre Erwerbsfähigkeit zur Ausgangslage als dauerhaft gefährdet, 30 % waren es zur12 Monats-Katamnese (p=0,374). IG und KG unterschieden sich auch nicht in der Arbeits-unfähigkeit. Die mittlere Anzahl von AU-Tagen in der Gesamtgruppe lag zur Katamnese bei27 Tagen (SD 52).

Diskussion

Auch bei den Erwerbstätigen zeigt die eingesetzte Intervention kleine positive Effekte auf dieberichtete gLQ sowie die soziale Teilhabe. Bei der Beeinflussung von Parametern der Teil-habe am Arbeitsleben stößt der Ansatz auf seine Grenzen. Die mittlere Anzahl an AU-Tagenliegt bei den erwerbstätigen CED-Betroffenen deutlich über dem Durchschnitt aller TK-Ver-sicherten (Ø 14 Tage; TK 2013). Warum die Inanspruchnahme einer Reha auch bei erkenn-barem Bedarf selten nachgefragt wird, muss in weiteren Studien untersucht werden.

Förderung: BMBF und DRV Bund im Förderschwerpunkt zur versorgungsnahen Forschung„Patientenorientierung und chronische Krankheiten“.

Literatur

Barlow, J., Wright, C., Sheasby, J., Turner, A., Hainsworth, J. (2002): Self-management ap-proaches for people with chronic conditions: a review. Patient Educ Couns., 48. 177-187.

Deutsche Rentenversicherung (DRV) (2014): Statistik der Deutschen Rentenversicherung.Rentenzugang 2013. Bd. 198. Berlin.

Hardt, J., Muche-Borowski, C., Conrad, S., Balzer, K., Bokemeyer, B., Raspe, H. (2010):Chronisch entzündliche Darmerkrankungen als multifokale Erkrankungen: körperlicheund psychosoziale Probleme von Patienten mit CED. Z Gastroenterol., 48. 381-391.

Hüppe, A., Langbrandtner, J., Raspe, H. (2014): Inviting Patients with Inflammatory BowelDisease to Active Involvement in Their Own Care: A Randomized Controlled Trial. In-flamm Bowel Dis., 20. 1057-1069.

411

Raspe, H., Conrad, S., Muche-Borowski, C. (2009): Evidenzbasierte und interdisziplinärkonsentierte Versorgungspfade für Patientinnen und Patienten mit Morbus Crohn oderColitis ulcerosa. Z Gastroenterol., 47. 541-562.

Techniker Krankenkasse (TK) (2013): Gesundheitsreport 2013. Hamburg.

Einschränkungen der sozialen Teilhabe bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ohne und mit Reha-Inanspruchnahme

Hüppe, A. (1), Steimann, G. (2), Langbrandtner, J. (1), Zeuner, C. (1), Eisemann, N. (1), Bokemeyer, B. (3), Raspe, H. (4)

(1) Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität Lübeck, (2) Klinik Föhrenkamp, Reha-Zentrum Mölln, (3) Gastroenterologische Gemeinschaftspraxis Minden, (4) Senior-

professur für Bevölkerungsmedizin und Versorgungsforschung, Universität Lübeck

Hintergrund

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) sind multifokale Erkrankungen: Nebender Entzündung des Darmes und den damit einhergehenden Beschwerden treten häufigweitere somatische und psychosoziale Probleme auf, die zu erheblichen Auswirkungen aufAktivitäten und Teilhabe z. B. in den Bereichen Partnerschaft/Familie, Beruf/Ausbildung undFreizeit führen können (Bokemeyer et al., 2013; Hüppe et al., 2013). Das multimodale undmultidisziplinäre Angebot der medizinischen Rehabilitation wird als wichtige Behandlungs-option zur Sicherung bzw. Wiederherstellung der sozialen Teilhabe angesehen (Raspeet al., 2009), doch die Vernetzung des ambulanten mit dem rehabilitativen Versorgungs-sektor gilt als optimierbar. Solange Studien zur Wirksamkeit dieser komplexen Leistung feh-len (RCT Reha gegen Nicht-Reha), wird man zur Abschätzung ihrer Effektivität Daten ausparallelisierten Kohorten unter unterschiedlichen Versorgungsbedingungen heranziehenmüssen. Wir berichten über einen solchen Vergleich.

Methodik

2013/2014 wurden mit vergleichbaren Messinstrumenten (Patientenfragebogen, Arztdoku-mentationsbogen) die Längsschnittstudien CEDreha sowie CEDnetz mit zeitlich parallelerBaseline-Messung und 6-Monats-Katamnese durchgeführt. Für CEDreha (gefördert vomVerein zur Förderung der Rehabilitationsforschung in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommernund Schleswig-Holstein) wurden monozentrisch 250 Rehabilitanden im Heilverfahren (HV)mit CED in einer gastroenterologisch orientierten Reha-Klinik rekrutiert. In CEDnetz (geför-dert vom Berufsverband Niedergelassener Gastroenterologen Deutschlands) schlossen37 gastroenterologische Facharztpraxen bundesweit 349 Patientinnen und Patienten ein.Zu den Zielparametern zählte u. a. die erlebte Einschränkung der sozialen Teilhabe, erfasstmit dem IMET (Index zur Messung von Einschränkungen der Teilhabe) (Deck et al., 2007).

Zum Vergleich der Veränderungen wurde mithilfe des Propensity-Score Matching (PSM)(nearest neighbour algorithmus, Paarbildung ohne Zurücklegen) für jeden Rehabilitandeneine „passende“ Patientin bzw. Patient des ambulanten Versorgungssektors gesucht(Thoemmes, 2012). Zur Schätzung des Propensity-Scores wurden die Parameter Alter, Ge-

412

schlecht, Schulbildung, Erwerbstätigkeit, Krankheitsdiagnose, -verlauf und -aktivität, statio-näre Behandlung, operative Resektion im Darmbereich, Begleiterkrankung, Biologika-Ein-nahme, Vitalität, Depressivität und chronische Stressbelastung herangezogen.

Ergebnisse

Zur 6-Monats-Katamnese liegen komplette Datensätze für 199 (CEDreha) bzw. 310 (CED-netz) Studienteilnehmende vor (Rücklauf: 79,6 bzw. 88,8 %). 7 CEDnetz-Teilnehmende miteinem HV im Katamnesezeitraum wurden von der Analyse ausgeschlossen. Zur Ausgangs-lage (und vor dem Matching) unterscheiden sich die beiden Studiengruppen voneinander:CEDreha-Teilnehmende sind im Vergleich zu CEDnetz älter, haben eine geringere Schul-bildung und sind häufiger erwerbstätig; sie zeigen eine höhere Krankheitsaktivität, schwere-re Krankheitsverläufe und eine höhere Problemdichte. Nach Matching sind die beiden Grup-pen (je n=127 aus CEDreha sowie CEDnetz) in diesen Parametern zur Baseline vergleich-bar.

Die soziale Teilhabe in der gematchten Analysegruppe verbessert sich geringfügig: Der mitt-lere IMETscore (0–10) sinkt von 3,2 auf 2,8 (CEDreha) bzw. von 3,1 auf 2,9 (CEDnetz)(Zeiteffekt: p=0,039; Interaktion Zeit × Studie: p=0,509; SRMReha=0,17; SRMNetz=0,09). EineVerbesserung um mindestens 0,7 IMET-Punkte (minimal important difference) erreichen inCEDreha 38 %, in CEDnetz 29 % (p=0,137). Ihren allgemeinen Gesundheitszustand bewer-tet die CEDreha-Gruppe in der direkten Veränderungsmessung günstiger (derzeit viel/etwasbesser als vor 6 Monaten CEDreha 52 %, CEDnetz 37 %; viel/etwas schlechter CEDreha20 %, CEDnetz 30 %; p=0,015). Die indirekte Veränderungsmessung sieht jedoch keinenVorteil für die CEDreha-Gruppe. Auch in weiteren erfassten Parametern, wie z. B. subjektiveErwerbsprognose oder Erwerbsstatus, finden sich keine Unterschiede zwischen den beidenGruppen.

Diskussion

In unserer Matchingstichprobe finden wir mit oder ohne Reha-Teilnahme einen vergleichba-ren Verlauf der Einschränkungen sozialer Teilhabe von Patientinnen und Patienten mitCED. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass beim Matching aus der CEDreha-Stichprobe Per-sonen mit höherer, aus CEDnetz solche mit geringerer Krankheitskomplexität ausgeschlos-sen wurden. PSM ist nur als Hilfsstrategie für die Wirkungsschätzung der medizinischen Re-habilitation anzusehen ist, es braucht wissenschaftlich belastbare Wirksamkeitsstudien inund zu unserem System der medizinischen Rehabilitation.

Förderung: Verein zur Förderung der Rehabilitationsforschung in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein (vffr) sowie Berufsverband Niedergelassener Gastro-enterologen Deutschlands (bng)

Literatur

Bokemeyer, B., Hardt, J., Hüppe, D., Prenzler, A., Conrad, S., Düffelmeyer, M., Hartmann, P.,Hoffstadt, M., Klugmann, T., Schmidt, C., Weismüller, J., Mittendorf, T., Raspe, H. (2013):Clinical status, psychosocial impairments, medical treatment and health care costs forpatients with inflammatory bowel disease (IBD) in Germany: an online IBD registry.J Crohns Colitis, 7. 355-368.

413

Deck, R., Mittag, O., Hüppe, A., Muche-Borowski, C., Raspe, H. (2007): Index zur Messungvon Einschränkungen der Teilhabe (IMET) – Erste Ergebnisse eines ICF-orientiertenAssessmentinstrumentes. Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 20 (76).113-120.

Hüppe, A., Langbrandtner, J., Raspe, H. (2013): Komplexe psychosoziale Problemlagen beiMorbus Crohn und Colitis ulcerosa – Fragebogengestütztes Assessment als erster Schrittzur Aktivierung von Patientinnen und Patienten. Z Gastroenterol. 51. 257-270.

Raspe, H., Conrad, S., Muche-Borowski, C. (2009): Evidenzbasierte und interdisziplinärkonsentierte Versorgungspfade für Patientinnen und Patienten mit Morbus Crohn oderColitis ulcerosa. Z Gastroenterol., 47. 541-562.

Thoemmes, F. (2012): Propensity Score Matching in SPSS. Internetquelle: http://arxiv.org/abs/1201.6385, Zugriff: 13.10.2014.

414

Autorenindex

Ahnert, J. 330Altstidl, R. 178Anastasopoulou, P.

265Arens, J. 352, 355Arling, V. 62, 80, 299Artzt, M.-L. 200Augustin, M. 112Ayhan, H. 213Bachmeier, R. 348Bade, S. 60Bailer, H. 313, 334Barre, F. 151Bartel, S. 66Bassler, M. 336, 338,

340Bäuerle, K. 302Baumann, F. 290Baumann, R. 78Baumeister, A. 112Bebenek, M. 91Becker, E. 354Becker, J. 161, 172Becker, S. 193Becker, T. 325Becker, V. 165Beddies, A. 375Beierlein, V. 402Belizer, W. 238Bengel, J. 400Benninghoven, D. 270Bergelt, C. 87, 402Berger, D. 402Berger, H. 330Berghem, S. 389, 396Bernögger, S. 308Berweck, S. 381Besch, D. 209Bethge, M. 64, 85,

138, 140, 142, 153, 163

Beutel, M.E. 159, 161, 172, 307

Birringer, N. 62Bischoff, C. 307Bitzer, E.M. 302Bjarnason-Wehrens, B.

277

Blümke, M. 234Bokemeyer, B. 412Bomba, F. 382Bommersbach, P. 165Bongarth, C. 273Bosch, R. 238Bosse, A. 96Braig, J. 266Bräuning-Edelmann, M.

325Bredehorst, M. 196Breiholz, J. 36Brendel, C. 342Briest, J. 163Brodowski, H. 118Brüggemann, S. 231Brünger, M. 219Brütt, A.L. 103Buchholz, I. 114Bürger, W. 44, 83Calandriello, B. 256Claros-Salinas, D.

247, 256Dannenmaier, J. 357,

392de Vries, U. 379Deck, R. 148, 169, 189Dejonghe, L. 236Derlien, S. 33Derra, C. 176, 406Dettmers, C. 251

247, 256Dibbelt, S. 195, 196Dietsche, C. 334Dreger, K. 406Düwell, F.J. 225Egen, C. 27Egle, U 23Egner, U. 351Eichel, J. 279Eisemann, N. 412Englert, I. 347Erbstößer, S. 30Ernst, J. 292Exner, A.-K. 54, 288Fach, E.-M. 394Fahrenkrog, S. 351Falkenberg, C. 382

Faller, H. 176, 178, 180, 184, 187, 234, 406

Farin-Glattacker, E. 196, 366

Faust, T. 292Fay, D. 213, 332Feddersen, D. 36Feicke, J. 302Filipiak, B. 273Fischer, Th. 52Flöge, B. 135Franke, G.H. 101, 112,

207Franke, W. 38Frege, I. 311Fritz, K. 310Froböse, I. 236, 242Fröhlich, S.M. 174Fuchs, R. 334Fuchs, S. 296Funke, W. 216Gebert, N. 382Geidl, W. 253, 361Geigner, B. 375Gercek, E. 363Gerdau-Heitmann, C.

40Gerdes, N. 366Gerlich, C. 406Gerzymisch, K. 161,

172, 307Giesler, J.M. 292, 294Glaser-Möller, N. 36Glattacker, M. 182,

196, 400Glatz, J. 180Glauser, S. 323Gleisberg, D. 60Gök, Y. 286Golla, A. 42, 373Gollan, R. 277Gottschling-Lang, A.

27Greitemann, B. 174,

195, 196Greitemann, G. 247Grieben, C. 242

415

Grothaus, F.J. 126Grulke, N. 313, 334Grünbeck, P. 47Günther, S. 394Gutenbrunner, C. 27,

40, 191Gütler, R. 256Gutt, S. 359Haase, I. 377Haase, T. 118Hagen, K. 307Hagen-Aukamp, C. 87Hampel, P. 209, 375,

385Härtel, U. 268, 273Hartenfels, S. 299Hartmann, F. 363Hasenbring, M. 240Hass, H.G. 107Haug, G. 178Hellwig, S. 265Hennemann, S. 159Hennig, D. 265Hentschke, C. 361Herbold, D. 207, 375Hermann, T. 398Herrmann-Garitz, C.

382Hertle, D. 29Hessel, A. 93Hessenauer, M. 381Hey, S. 265Heyduck, K. 182, 400Himstedt, C. 169Hinze-Selch, D. 347Hoberg, E. 270Hoffmann, H. 323Holme, M. 161, 172,Holstiege, J. 155, 157,

321Hoppe, A. 202Höptner, A. 327Horn, S. 24Hornig, W. 385Hub, J. 313Huber, G. 238Huber, J. 133Huber, V. 296Hüppe, A. 410, 412Inhestern, L. 402Jäckel, D. 323Jacobi, C. 207Jacobs, A. 114

Jagla, M. 112Jakob, T. 182Jankowiak, S. 98, 157,

167, 321, 357, 392Jelusic, D. 109, 116,

296, 298Jöbges, M. 135, 213Jonßon, L. 60Kähnert, H. 54, 288Kaiser, U. 89, 130,

155, 304, 315Kaluscha, R. 72, 89,

98, 124, 130, 155, 157, 315, 321

Kaminski, A. 338Kampling, H. 244Karger, G. 180Karoff, J. 271Karoff, M. 271Kauffeldt, S. 325Kavelaars, B. 236Kellmann, M. 240Kemmler, W. 91Kerschgens, C. 87Kienast, K. 299Kittel, J. 271Kiwus, U. 38, 161, 172,

180Kladny, B. 377Kleinert, J. 212, 240Kleinhans, W. 33Kleinknecht, C. 212Klosterhuis, H. 68Kluger, G. 381Knickenberg, R.J. 161,

172, 307Knoglinger, G. 180Knörzer, J. 58Knufinke, R. 33Kobelt, A. 100, 336,

338Koch, A. 355Koch, E. 247Koch, U. 87, 402Kockert, S. 198Köhler, J. 216Kohlmann, T. 114,

118, 369Köhn, S. 351Kohte, W. 224Kolip, P. 286Köllner, V. 342Körner, M. 193

Krämer, B. 296Kramer, C. 91Kramer, D. 352Krampen, G. (2) 165Kranzmann, A. 124Krauth, K. 402Kretschmer, P. 44Krischak, G. 72, 89,

98, 130, 155, 157, 167, 315, 321, 357, 392

Kriz, D. 44, 89, 304, 315, 336

Krohn-Grimberghe, B. 379

Küch, D. 207, 209Kuderer, B. 251Kuhnt, S. 292Kupper, Z. 323Kutschmann, M. 126Langbrandtner, J. 410,

412Lange, M. 379Laterveer, H. 58Lay, W. 68, 145Lechterbeck, M. 363Legner, R. 330Lehbert, N. 109, 116,

296Leibbrand, B. 54, 288Leithäuser, A. 109,

116Lemmerich, D. 290Lentz, R. 60Levenig, C. 240Lieck, K. 388Linden, M. 105, 135,

310, 319, 329Lindenmeyer, J. 351,

354Lindow, B. 47, 68, 74,

124, 262Lippke, S. 93Ludwig, L. 251Lukasczik, M. 58Lüken, F. 29Magaard, J. 103Mainos, D. 406Markin, K. 191Martin, H. 89, 130,

155, 315Masius, U. 44Mattukat, K. 373

416

Mau, W. 42, 359, 373Mauch, E. 277Mehnert, A. 292Meng, K. 176, 178,

180, 184, 187, 234Menzel-Begemann, A.

56Mestel, R. 50Meyer, J. 209Meyer, T. 128, 200Michel, A. 259, 281Miede, J. 40Mierswa, T. 240Missel, P. 351, 352,

355Mitschele, A. 124Mittag, O. 216, 244,

283, 404Mohnberg, I. 68, 138,

140, 142, 145, 153Morawietz, M. 388Morfeld, M. 60Mueser, K. 323Mühlig, S. 354Müller, C. 193Müller, D. 165Müller, G. 89, 130,

155, 315, 321Müller, M. 369Müller, W.-D. 33Munz, H. 165Muschalla, B. 119,

135, 213, 310, 319, 332

Musekamp, G. 178, 180

Mux, B. 36Naumann, B. 262Nebe, K. 227Nebe, R. 347Neu, R. 342Neuderth, S. 58Neugebauer, T. 140Niedrich, J. 103Niehues, C. 176Niemeyer, R. 174Noack, I. 329Nolting, H. 118Nowik, D. 128Nübling, R. 44, 89,

130, 155, 304, 315, 336

Opeskin, J. 187

Ott, I. 240Otto, F. 151Otto, J. 105Otto, U. 87Paape, F. 398Paech, J. 93Pankatz, M. 385Parthier, K. 359Parzanka, S. 169Penstorf, C. 60Petermann, F. 100,

379Peters, A. 52Peters, E. 290Peters, S. 184, 187,

249Pfeifer, K. 184, 249,

253, 361Pfeiffer, W. 338Platz, T. 308Poguntke, K. 319Pollmann, H. 212, 216Presl, M. 58Preuss, M. 344Pütz, D. 299Quaschning, K. 196Rabe, K. 209Radoschewski, F.M.

68, 138, 140, 142, 145, 153

Raida, M. 87Rank, C. 207Raspe, H. 410, 412Rath, H.M. 87Raven, H. 371Reese, C. 244, 283,

404Reibis, R. 274Reichel, C. 38Reims, N. 76Reissmann, L.-M. 191Renzland, J. 89, 130,

155, 315Reusch, A. 178, 406Reuss-Borst, M. 89,

130, 155, 290, 315Richard, M. 176Richter, M. 394Richter, R. 340Rinck, M. 354, 388Ritter, S. 167Robinson, K. 60Roch, S. 209

Roese, I. 36Romein, E. 381Rudolph, F.M. 44, 159Rundel, M. 193Saal, S. 42Sachse, C. 109, 116Salman, R. 191Salzwedel, A. 274Schäfer, A. 313Schäfer, H. 176Schaller, A. 236, 242,

371Scherer, W. 302Schimank, C. 229Schittich, I. 38Schlitt, A. 261, 279Schlittenhardt, D. 366Schlöffel, M. 216Schmädeke, S. 307Schmale, R. 133Schmid, L. 72, 98, 124Schmidt, J. 89, 304,

315, 336Schmidt, S. 382Schmitz, S. 277Schnalke, G. 114Schönberger, M. 247Schöpflin, M. 219Schott, T. 198Schreiber, D. 189Schroeder, F. 270Schröter, J. 363Schubert, M. 60Schubmann, R. 180Schuler, M. 58, 109,

180, 234, 296, 298, 330

Schulte, Th. 402Schultz, K. 109, 116,

296, 298Schulz, H. 103Schulz, S.M. 266Schumann, N. 394Schurr, S. 357Schwabe, M. 202Schwaighofer, B. 298Schwarz, B. 144, 191Schwarze, M. 40Schwarzer, S. 256Seekatz, B. 178, 180Seel, H. 60Seeman, A. 332Semrau, J. 361

417

Senft, B. 308Serowy, A. 277Sewöster, D. 231Siefken-Kaletka, H. 44Slavchova, V. 299Smolenski, U.C. 33Spaderna, H. 265Spallek, J. 286Spallek, L. 286Spanier, K. 138, 140,

142, 153Specht, T. 36Spijkers, W. 62, 80,

299Spörhase, U. 302Spörl-Dönch, S. 161,

172Spyra, K. 219, 259,

281,351Stachow, R. 385Stamer, M. 200Stamm-Balderjahn, S.

259, 281Stapel, M. 44Staudt, M. 381Steimann, G. 408, 412Steinhart, I. 327Stengler, K. 325Stirn, A.V. 44Stock, S. 165Stojanovic, D. 296Storm, V. 93Strahl, A. 176Streber, R. 249, 253Streibelt, M. 38, 56, 64,

83, 121, 142

Sturm, C. 27Sudeck, G. 238Symannek, C. 268,

273Szczotkowski, D. 114,

118Tallner, A. 253Theißen, U. 133Theißing, A. 325Thomsen, S. 375Thyen, U. 382Tiedjen, U. 385Toepler, E. 89, 130,

155, 315Toussaint, R. 369Trümner, A. 29Tuschhoff, T. 406Ullrich, A. 87Usdrowski, G. 36Veit, C. 29Vogel, H. 330Voigt, W. 347Völler, H. 274Vollmer, H. 311von Kodolitsch, Y. 270von Stengel, S. 91Wagener, W. 133Wagner, A.M. 271Waldeck, E. 159Walter, F. 100Walter, M. 310Walther, A.L. 148, 189Walz, J. 377Warschburger, P. 388Weber, A. 279Weber, U. 261

Weiland, R. 406Weilbach, F. 58Weis, J. 292, 294Weisenburger, R. 44Weitzmann, P. 347Welti, F. 222Wentrock, S. 290Westphal, R 180Wex, R. 268Wieczorrek, G. 261Wiers, R. 354Wiezoreck, M. 375Wilke, K. 281Wingart, S. 109, 116,

296Wittmann, M. 109,

116, 296, 298Worringen, U. 176,

202, 209, 375Wulfert, E. 195Yilmaz-Aslan, Y. 286Zander, J. 68, 74Zeisberger, M. 128Zeiss, T. 294Zentner, S. 347Zeuner, C. 412Zietz, B. 178Zimmerhackl, F. 50Zimmermann, J. 340Zimmermann, L. 193Zollmann, P. 30Zschucke, E. 93Zucker, A. 44Zwerenz, R. 159, 161,

172, 307

418

Verzeichnis der Erstautoren

Ahnert, Jutta, Dr., Universität Würzburg, Abteilung für Medizinische Psychologie, Medi-zinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften, 97070 Würzburg

Arling, Viktoria, Dr., RWTH Aachen, Institut für Psychologie, LuF Berufliche Rehabilitation,52066 Aachen

Artzt, Marie-Luise, Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozial-medizin und Gesundheitssystemforschung, 30625 Hannover

Bachmeier, Rudolf, Johannesbad Holding, 94072 Bad FüssingBailer, Harald, Dr., Luisenklinik, Zentrum für Verhaltensmedizin, 78073 Bad DürrheimBarre, Felix, Medizinische Hochschule Hannover, Medizinische Soziologie, 30625 Han-

noverBartel, Susanne, Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke e.V., Geschäftsstelle

in der DRV Berlin-Brandenburg, 14059 BerlinBäuerle, Kathrin, Pädagogische Hochschule Freiburg, Public Health & Health Education,

79117 FreiburgBaumann, Ricardo, Universität zu Köln, Lehrstuhl Arbeit und Berufliche Rehabilitation,

50931 KölnBebenek, Michael, Dr., Friedrich Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, Institut für

Medizinische Physik, 91052 ErlangenBecker, Jan, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Klinik und

Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, 55131 MainzBenninghoven, Dieter, PD Dr., Mühlenbergklinik -Holsteinische Schweiz-, 23714 Bad

Malente-GremsmühlenBerghem, Stefan, Dr., Ostseestrand-Klinik "Klaus Störtebeker", 17459 Ostseebad Kölpin-

seeBethge, Matthias, Prof., Universität zu Lübeck, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie,

23538 LübeckBommersbach, Peter, Dr., Eifelklinik der Deutschen Rentenversicherung Rheinland, 54531

ManderscheidBosse, Andreas, Orthopädie-Zentrum Bad Füssing, 94072 Bad FüssingBredehorst, Maren, Institut für Rehabilitationsforschung, Rehaklinikum Bad Rothenfelde,

Klinik Münsterland, 33615 BielefeldBriest, Juliane, Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Rehabilitationsmedizin,

30625 HannoverBrüggemann, Silke, Dr., Deutsche Rentenversicherung Bund, Bereich Sozialmedizin,

10704 BerlinBrünger, Martin, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie

und Rehabilitationswissenschaft, 10098 BerlinBrütt, Anna Levke, Dr., Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für

Medizinische Psychologie, 20246 HamburgBuchholz, Ines, Universität Greifswald, Institut für Community Medicine, 17475 Greifswald

419

Bürger, Wolfgang, Dr., fbg – Forschung und Beratung im Gesundheitswesen, 76133 Karls-ruhe

Calandriello, Barbara, Kliniken Schmieder Konstanz, 78464 KonstanzClaros-Salinas, Dolores, Dr., Kliniken Schmieder Konstanz, Neurologische Berufstherapie,

78464 KonstanzDeck, Ruth, PD Dr., Universität Lübeck, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, 23538

LübeckDibbelt, Susanne, Dr., Institut für Rehabilitationsforschung Norderney, Rehaklinikum Bad

Rothenfelde, Klinik Münsterland, 49214 Bad RothenfeldeDüwell, Franz Josef, Prof., 99423 WeimarEichel, Josefine, Paracelsus-Harz-Klinik, 06485 QuedlinburgErbstößer, Sabine, Deutsche Rentenversicherung Bund, Bereich Reha-Wissenschaften,

10704 BerlinExner, Anne-Kathrin, Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, 33501

BielefeldFach, Eva-Maria, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Medizinische So-

ziologie, 06099 Halle (Saale)Faust, Tanja, Klinik für Tumorbiologie, Abteilung Rehaforschung, 79106 FreiburgFlöge, Bianka, Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation, Rehazentrum Seehof

der Deutschen Rentenversicherung Bund, 14513 TeltowFranke, Gabriele Helga, Prof., Hochschule Magdeburg-Stendal, Fachbereich Angewandte

Humanwissenschaften, 39576 StendalFrege, Ines, Salus Klinik Hürth, 50354 HürthFröhlich, Stephanie, Institut für Rehabilitationsforschung, Klinik Münsterland der

Deutschen Rentenversicherung Westfalen, 49214 Bad RothenfeldeGebert, Norbert, Ernst Moritz Arndt Universität, Institut für Psychologie, 17487 GreifswaldGeidl, Wolfgang, Institut für Sportwissenschaft und Sport, Friedrich-Alexander Universität

Erlangen-Nürnberg, 91058 ErlangenGerdau-Heitmann, Cornelia, Dr., Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Rehabilita-

tionsmedizin, 30625 HannoverGerdes, Nikolaus, Dr., Hochrhein Institut für Reha-Forschung, 79713 Bad SäckingenGerzymisch, Katharina, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz,

Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, 55131 MainzGiesler, Jürgen M., Dr., Klinik für Tumorbiologie an der Albrecht-Ludwigs-Universität, Institut

für Rehabilitationsforschung und Prävention, 79106 FreiburgGolla, André, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Rehabilitationsmedizin,

06099 Halle (Saale)Gottschling-Lang, Annika, Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Rehabilitations-

medizin, 30625 HannoverGrulke, Norbert, Prof., Luisenklinik, Zentrum für Verhaltensmedizin, 78073 Bad DürrheimGutt, Stefanie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Rehabilitations-

medizin, 06099 Halle (Saale)Haase, Ingo, Dr., m&i-Klinikgruppe Enzensberg, Forschung, Entwicklung und Qualitäts-

sicherung, 87629 Hopfen am See

420

Härtel, Ursula, Prof., Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für MedizinischePsychologie, 80336 München

Hass, Holger G., Dr., Paracelsus-Klinik, 88175 ScheideggHennemann, Severin, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz,

Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, 55131 MainzHerrmann, Klaus, Dr., Reha-Zentrum Bad Kissingen der Deutschen Rentenversicherung

Bund, Klinik Rhön und Klinik Saale, 97688 Bad KissingenHertle, Dagmar, Dr., BQS Institut für Qualität und Patientensicherheit GmbH, 40472 Düs-

seldorfHeyduck, Katja, Universitätsklinikum Freiburg, Institut für Qualitätsmanagement und Sozial-

medizin, 79106 FreiburgHinze-Selch, Dunja, Prof., Fachklinik St. Marienstift, 49434 Neuenkirchen-VördenHoffmann, Holger, PD Dr., Universitäre Psychiatrische Dienste Bern (UPD), 3000 Bern

(Schweiz)Holstiege, Jakob, Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm,

88422 Bad BuchauHoppe, Antje, Deutsche Rentenversicherung Bund, Abteilung Rehabilitation, 10704 BerlinHorn, Sabine, Dr., 12163 BerlinHüppe, Angelika, Dr., Universität Lübeck, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie,

23538 LübeckInhestern, Laura, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für

Medizinische Psychologie, 20246 HamburgJagla, Melanie, Hochschule Magdeburg-Stendal, 39576 StendalJankowiak, Silke, Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität

Ulm, 88422 Bad BuchauKähnert, Heike, Dr., Institut für Rehabilitationsforschung Norderney, Salzetalklinik der

Deutschen Rentenversicherung Westfalen, 32105 Bad SalzuflenKaluscha, Rainer, Dr., Forschungsinstitut für Rehabilitationsmedizin an der Universität Ulm,

88422 Bad BuchauKaminski, Alexandra, Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, Reha-

zentrum Oberharz, 38678 Clausthal-ZellerfeldKampling, Hanna, Universitätsklinikum Freiburg, Institut für Qualitätsmanagement und

Sozialmedizin, 79106 FreiburgKaroff, Jan, Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Rehabilitationswissenschaften,

58256 EnnepetalKleinknecht, Chloé, Deutsche Sporthochschule Köln, Abteilung Gesundheits- und Sozial-

psychologie, 50933 KölnKockert, Svenja, Dr., Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, 33615

BielefeldKohte, Wolfhard, Prof., Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Juristischer Bereich,

06099 Halle (Saale)Körner, Mirjam, Dr., Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Medizinische Fakultät, Abteilung

für Medizinische Soziologie, 79085 FreiburgKrischak, Gert, Prof., Federseeklinik, 88422 Bad Buchau

421

Krohn-Grimberghe, Bernhard, Dr., Rheumaklinik Bad Wildungen der Deutschen Renten-versicherung Oldenburg-Bremen, 34537 Bad Wildungen

Küch, Dieter, Dr., Paracelsus-Klinik an der Gande, 37581 Bad GandersheimKutschmann, Marcus, Dr., BQS Institut für Qualität und Patientensicherheit, 40472 Düssel-

dorfLangbrandtner, Jana, Universität Lübeck, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie,

23538 LübeckLehbert, Nicola, Klinik Bad Reichenhall der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd,

83435 Bad ReichenhallLinden, Michael, Prof., Rehabilitationszentrum Seehof der Deutschen Rentenversicherung

Bund, 14513 TeltowLindenmeyer, Johannes, PD Dr., Salus Klinik Lindow, 16835 LindowLindow, Berthold, Deutsche Rentenversicherung Bund, Bereich Reha-Qualitätssicherung,

Epidemiologie und Statistik, 10704 BerlinLudwig, Lea, Kliniken-Schmieder Konstanz, 78464 KonstanzMattukat, Kerstin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Rehabilitations-

medizin, 06099 Halle (Saale) Meng, Karin, Dr., Universität Würzburg, Abteilung für Medizinische Psychologie, Medi-

zinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften, 97070 WürzburgMestel, Robert, Dr., HELIOS Klinik Bad Grönenbach, 87730 Bad GrönenbachMichel, Anne, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und

Rehabilitationswissenschaft, 10117 BerlinMissel, Peter, AHG-Kliniken Daun, Klinik Am Rosenberg, 54550 DaunMitschele, Anke, Deutsche Rentenversicherung Bund, Bereich Reha-Qualitätssicherung,

Epidemiologie und Statistik, 10704 BerlinMohnberg, Inka, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie,

10117 BerlinMüller, Marcus, Dr., saludis. Die Rehabilitation, 96049 BambergMüller, Wolf-Dieter, Dr., m&i Fachklinik Bad Liebenstein, Abteilung für Orthopädie, 36448

Bad LiebensteinMuschalla, Beate, Dr., Universität Potsdam, Department Psychologie, 14476 PotsdamNebe, Katja, Prof., Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Juristischer Bereich, 06099

Halle (Saale) Neu, Rebekka, Mediclin Bliestal Kliniken, 66440 BlieskastelNeuderth, Silke, Dr., Universität Würzburg, Abteilung für Medizinische Psychologie und

Psychotherapie, Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften, 97070Würzburg

Nowik, Daniel, Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedi-zin und Gesundheitssystemforschung, 30625 Hannover

Nübling, Rüdiger, Dr., Gesellschaft für Qualität im Gesundheitswesen, 76185 KarlsruheOtt, Ida, Deutsche Sporthochschule Köln, Psychologisches Institut, 50933 KölnOtto, Josephine, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Forschungsgruppe Psychosoma-

tische Rehabilitation, 12200 BerlinPaape, Franziska, Fachklinik Prinzregent Luitpold, 88175 Scheidegg

422

Pankatz, Miriam, Rehaforschung Fachklinik Sylt e.V., 25980 Sylt Parzanka, Susanne, Universität zu Lübeck, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie,

23538 LübeckPenstorf, Carola, Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e. V., 60486 FrankfurtPeters, Anne, AHG Klinik Schweriner See, Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen,

19069 LübstorfPeters, Stefan, Universität Würzburg, Abteilung für Medizinische Psychologie und Psycho-

therapie, Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften, 97070 WürzburgPreuss, Markus, Dr., Klinik Buching der Deutschen Rentenversicherung Schwaben, 87642

HalblechRadoschewski, Friedrich Michael, Prof., Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für

Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, 10098 BerlinRaven, Hanna, Dr., Deutsche Sporthochschule Köln, Abteilung Gesundheit und Sozial-

psychologie, 50933 KölnReese, Christina, Dr., Universitätsklinikum Freiburg, Institut für Qualitätsmanagement und

Sozialmedizin, 79106 FreiburgReims, Nancy, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 90478 NürnbergReissmann, Lara-Marie, Dr., Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Rehabilitations-

medizin, 30625 HannoverReuss-Borst, Monika, Prof., Rehazentren Baden-Württemberg, Reha-Klinik "Am Kurpark",

97688 Bad KissingenRichard, Matthias, Dr., Universität Würzburg, Abteilung für Medizinische Psychologie und

Psychotherapie, Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften, 97070Würzburg

Roch, Svenja, Europa-Universität Flensburg, Institut für Gesundheits-, Ernährungs- undSportwissenschaften, 24943 Flensburg

Romein, Ellen, Ergotherapie Ellen Romein, 07270 Gilhoc sur Ormèze (Frankreich)Schaller, Andrea, Dr., Deutsche Sporthochschule Köln, Institut für Bewegungstherapie und

bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation, 50933 KölnSchimank, Cindy, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Juristischer Bereich, 06099

Halle (Saale)Schlittenhardt, Daniel, Dr., Rehaklinikum Bad Säckingen GmbH, 79713 Bad SäckingenSchlöffel, Malgorzata, Universitätsklinikum Freiburg, Institut für Qualitätsmanagement und

Sozialmedizin, 79106 FreiburgSchmale, Rainer, Dr., Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd, Abteilung Kliniken,

81737 MünchenSchmid, Lucia, Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm,

88422 Bad BuchauSchmidt, Jürgen, Dr., Gesellschaft für Qualität im Gesundheitswesen, 76185 KarlsruheSchröter, Johannes, Dr., RHM Krankenhaus GmbH & Co. KG, 67146 DeidesheimSchuler, Michael, Dr., Universität Würzburg, Abteilung für Medizinische Psychologie und

Psychotherapie, Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften, 97070Würzburg

423

Schultz, Konrad, Dr., Klinik Bad Reichenhall, Zentrum für Rehabilitation Pneumologie undOrthopädie, 83435 Bad Reichenhall

Schulz, Stefan, Dr., Universitätsklinikum Würzburg, Deutsches Zentrum für Herzinsuffi-zienz, 97070 Würzburg

Schwaighofer, Birgit, Klinik Bad Reichenhall, Zentrum für Rehabilitation, Pneumologie undOrthopädie, 83435 Bad Reichenhall

Schwarz, Betje, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Institut für Sozialmedizin undEpidemiologie, 23538 Lübeck

Seekatz, Bettina, Universität Würzburg, Abteilung für Medizinische Psychologie und Psycho-therapie, Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften, 97070 Würzburg

Semrau, Jana, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Institut für Sportwissen-schaft und Sport, 91058 Erlangen

Senft, Birgit, Dr., Reha-Klinik für Seelische Gesundheit, 9020 Klagenfurt am WörtherseeSerowy, Andreas, Deutsche Sporthochschule Köln, Institut für Kreislaufforschung und

Sportmedizin, 50823 KölnSpaderna, Heike, Prof., Bergische Universität Wuppertal, Abteilung Gesundheitspsychologie

und Angewandte Diagnostik, 42119 WuppertalSpanier, Katja, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Institut für Sozialmedizin und

Epidemiologie, 23538 LübeckSpecht, Timo, Dr., Fachklinik Aukrug der Deutschen Rentenversicherung Nord, 24613 AukrugSpyra, Karla, Prof., Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie

und Rehabilitationswissenschaft, 10117 BerlinStamm-Balderjahn, Sabine, Dr., Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medi-

zinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, 10117 BerlinSteimann, Gero, Dr., Reha-Zentrum Mölln, Klinik Föhrenkamp, 23879 MöllnSteinhart, Ingmar, Prof., Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Sozialpsychiatrie

Mecklenburg-Vorpommern, 18057 RostockStengler, Katarina, Prof., Universitätsklinikum Leipzig, Klinik für Psychiatrie und Psycho-

therapie, 04103 LeipzigStreber, Rene, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Institut für Sportwissen-

schaft und Sport, 91058 ErlangenStreibelt, Marco, Dr., Deutsche Rentenversicherung Bund, Abteilung Rehabilitation, 10704

BerlinSudeck, Gorden, Prof., Universität Tübingen, Institut für Sportwissenschaft, 72074 TübingenSzczotkowski, Daniel, Universität Greifswald, Institut für Community Medicine, 17475

GreifswaldThomsen, Sabrina, Europa-Universität Flensburg, 24943 FlensburgToepler, Edwin, Prof., Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Fachbereich Sozialversicherung,

53773 HennefUllrich, Anneke, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medi-

zinische Psychologie, 20246 HamburgVöller, Heinz, Prof., Klinik am See, Abteilung für Kardiologie, 15562 RüdersdorfWalter, Franziska, Universität Bremen, Zentrum für klinische Psychologie und Rehabilitation,

28359 Bremen

424

Walther, Anna Lena, Universität zu Lübeck, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie,23538 Lübeck

Warschburger, Petra, Prof., Universität Potsdam, Department Psychologie, 14467 PotsdamWeber, Ulrike, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Rehabilitationspäda-

gogik, 06099 Halle (Saale) Weiland, Romy, Dr., Universität Würzburg, Abteilung für Medizinische Psychologie und

Psychotherapie, Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften, 97070Würzburg

Welti, Felix, Prof., Universität Kassel, Fachbereich Humanwissenschaften, 34127 KasselWingart, Silke, Klinik Bad Reichenhall der DRV Bayern Süd, 83435 Bad ReichenhallYilmaz-Aslan, Yüce, Dr., Universität Bielefeld, Arbeitsgruppe Epidemiologie & International

Public Health, 33501 BielefeldZander, Janett, Deutsche Rentenversicherung Bund, Bereich Reha-Qualitätssicherung,

Epidemiologie und Statistik, 10704 BerlinZimmermann, Julia, Rehazentrum Oberharz der DRV Braunschweig-Hannover, 38678

Clausthal-ZellerfeldZschucke, Elisabeth, Jacobs University Bremen, Jacobs Center on Lifelong Learning and

Institutional Development, 28759 BremenZwerenz, Rüdiger, Dr., Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität, Klinik und

Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, 55131 Mainz

425