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Gehirngerecht lernen heisst die Potenziale des Gehirns nutzen und erweitern.Wer seine Lernmethoden ausbauen will, wer wirkungsvoll und zeitsparendlernen will, findet in diesem Buch 40 praktische Lerntipps. Diese werden neuro-psychologisch begründet und mit bewährten Lerntechniken angereichert.Karikaturen bringen manches bildhaft auf den Punkt.

Das Buch bietet Anregungen für Lernende in Gymnasien, Berufsfachschulensowie an Fachhochschulen. Es richtet sich aber auch an alle anderen, dieeffizienter lernen wollen.

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Lerne lieber gehirngerecht! 7

eInLeItung

Diese Lernanleitung beruht auf meinem Buch «Gehirngerecht lernen» (hep: Bern 2010) und gibt 40 Lern-tipps. Sie sollen das Lernen interessanter, lustvoller und erfolgreicher machen.Man kann beispielsweise die folgende 42-stellige Binärziffernfolge immer wieder lesen – und trotzdem nicht behalten, weil das Arbeits- bzw. Kurzzeitgedächtnis hoffnungslos überfordert ist. 111’010’010’111’111’100’010’101’111’101’101’111’010’111’010’101’111’101

Es gibt allerdings auch eine Methode, mit der man die Ziffernfolge innert etwa fünf Minuten mühelos spei-chern und abrufen kann (vgl. dazu den Lerntipp Nr. 15). «Gehirngerecht» heisst hier, von den Fähigkeiten des Gehirns optimalen Gebrauch zu machen. Dies schliesst zwar Mnemotechniken ein, geht aber weit dar-über hinaus – und greift ins alltägliche Schul- und Berufslernen ein.Wer gut lernen will, muss gehirngerecht lernen: Das ist der Schlüssel zum Erfolg. Gehirngerechtes Lernen besteht darin, das Lernen den Funktionen des Gehirns anzupassen und die vorhandenen Potenziale zu nut-zen und auszubauen.

Das gehirn lernt so, wie es zu lernen gelernt hat, es ist das Protokoll und Potenzial seiner Benützung.

Das Gehirn ist keine fixe Grösse, sondern flexibel und formbar – trotz schlechter Lerngewohnheiten. Wenn wir uns und unser Gehirn daran gewöhnt haben, alles x-mal aufzuschieben, nur unter Druck zu lernen und eine Prüfung erst am Vortag vorzubereiten, nutzen wir das Gehirn zwar auch, aber nicht optimal. Wie man es besser macht, zeigen die 40 Lernideen. Jede dieser Ideen verknüpft Lernhandlungen mit Inhal-ten, mit mentalen Prozessen und Gehirnaktivitäten. Lernen findet zwar im Kopf statt, aber auch mit Augen, Ohren, Mund und Händen: Lernen ist Handeln. Wer gut lernen will, muss wissen, was er tun und lassen soll. Gehirngerecht lernen ist ein Optimierungsprozess. Dies ist kein Buch zum Lesen, sondern eine Anleitung, die man Schritt für Schritt allein, mit einer Lernpart-nerin, mit einer Lerngruppe oder einer Schulklasse ausprobieren kann.

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Muss Lernen immer spass machen?Nicht immer, aber meistens – und darüber hinaus kann es Freude und Lust bereiten, Neugier und Interesse wecken! Und von allem Anfang an führt es zu ERFOLG!

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1 Lernen kann FreuDe Machen !

Lernen ist oft reine Lust – und manchmal totaler Frust. Das ist normal. Wer Skifahren, Snowboarden, Mathematik, Englisch oder Klavierspielen lernt, macht Fehler, erlebt Nie-derlagen und Rückschläge: Der Weg zum Erfolg ist meistens anstrengend. Oft erleben wir Angst, Fehler zu machen – wir lernen mit Angst.

Angstsignale aktivieren das Angstzentrum des Hirns (Amyg- dala) und stellen uns auf Abwehr, Vermeiden und Flucht (z. B. Spicken, Schwänzen) ein. Das braucht viel Energie. Wir spüren das, wenn wir beim Klettern Angst aushalten und überwinden: Wer Belastungen aushalten lernt, überwindet die Angst. Das ist manchmal nötig. Niemand kommt auf die Idee, Snowboarden und Surfen liessen sich ohne Sturz lernen! Schule ist auch ein Angstbewältigungs-Programm.

Meistens ist es besser, auf der Erfolgsspur zu lernen, das heisst mit Lernfreude und Erfolgserwartung. Wir aktivieren dabei das gehirneigene Erfolgssystem. Dabei wird Dopamin produziert, das Lustzentrum (Nucleus accumbens, cingulä-rer Cortex) aktiviert, und es werden körpereigene Endorphi-ne ins Stirnhirn ausgeschüttet. Lernen macht zufrieden und im Erfolgsfall auch glücklich.

Man kann sich Folgendes vornehmen: Ich will in einer Sache jeden Tag etwas besser werden, ich will nach einer Stunde die Rolle rückwärts beherrschen, ich will nach einer Lern-sequenz ein Rechenverfahren verstehen. Lernen geht selten von null auf hundert, sondern kommt Schritt für Schritt voran. Man muss sich selber Zeit nehmen und Zeit geben, mit sich selber geduldig sein.

Lerntipps:» reduziere die schwierigkeit, die dir angst macht. Löse

zuerst leichte/einfache aufgaben!» Beginne und beende das Lernen mit einer sache, die du

gerne machst, die du gut kannst!

Merke:Lerne schritt- und abschnittweise. Dies entspricht der begrenzten kapazität des arbeits- bzw. kurzzeitgedächt-nisses (im engeren sinne des «einspeicherers» namens hippocampus).

Bei Aussicht auf Erfolg schüttet

das Gehirn Dopamin aus und aktiviert

die Belohnungszentren.

N. acc: Nucleus accumbens

C: Cingulum

H: Hippocampus

PFC: präfrontaler Cortex

D: Dopaminn. acc

PFc

hD

c

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2 steLLe DIch auFs Lernen eIn !

Während einer Schulstunde oder während wir Hausaufga-ben erledigen, gehen uns Tausende von Gedanken durch den Kopf: Wir denken an Ruths schöne Augen, an den Hockey-match am Samstagabend, an die SMS von Reto oder an den Mathe-Test in der nächsten Stunde. Gedanken stürmen auf uns ein.

Lernen kann aber nur effizient sein, wenn wir uns auf den Lerninhalt einlassen und auf eine Aufgabe konzentrieren, wenn wir aufmerksam mitdenken und das im Unterricht Gehörte mitschreiben, skizzieren, ordnen und kritisch be-fragen. Wie ist dies möglich? Wie kann man sich auf das Lernen einstellen?

Lerntipps:» Lüfte den raum und atme tief durch! » entspanne dich! Das Lockern der Muskelspannung versetzt

körper und geist in eine gewisse empfangsbereitschaft.» reduziere ablenkende reize, schliesse die augen, rufe

mental ein positives Bild hervor!» Fokussiere eine aufgabe, indem du sie halblaut oder leise

liest, die schlüsselbegriffe unterstreichst, die kernfrage umrandest, die Problemlage skizzierst, eine Frage in teil-fragen unterteilst, einen Bildtext abdeckst und bloss das Bild betrachtest!

Wir fokussieren, indem wir (wie ein chirurg oder eine chirur-gin) das Problemfeld eingrenzen oder reduzieren, indem wir fragen: Worum geht es? Was ist gegeben, was ist gesucht? Was kommt mir bekannt vor? Woran erinnert mich das? Was kann man probieren?

» gewöhne dich an ein gewisses Lernritual! Das gehirn re-agiert auf Lernsignale.

Merke: Bringe dich in Lernstimmung – pflege ein Lernritual! vermeide ausweichen, ablenken, verschieben, verzetteln ...

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3 Du kannst üBeraLL Lernen!

Manche Arbeits- und Lernprozesse sind an Räume (Biblio-thek, Labor usw.) oder an Geräte (Drucker, Kopiergerät) gebunden. Lesen, schreiben und reden kann man hingegen fast überall – im Zugabteil, auf dem Crosstrainer, im Tea- room oder auf dem Schiff. Lernen (einprägen, memorieren, wiederholen, trainieren, abrufen und festigen) kann man (fast) überall.

Es ist allerdings ideal, einen Arbeitsplatz fix mit Tisch/Pult, Stuhl, Stehpult, Beleuchtung, Bücherregal, Ablageflächen, PC usw. einzurichten (Bildcollage auf der linken Seite).

Der englische Gedächtnispsychologe A. Baddeley hat vor 35 Jahren ein Unterwasser-Lernexperiment gemacht: Er liess Taucher Wortlisten unter und über Wasser lernen und reproduzieren. Das Ergebnis: Die unter Wasser gelernten Wortlisten liessen sich auch unter Wasser besser erinnern; was über Wasser gelernt worden war, führte auch über Was-ser zu besseren Erinnerungsleistungen. Was bedeutet dies?

Offenkundig lernt man nicht nur Inhalte (z.B. Wörter), son-dern auch Hinweisreize und sogenannte Kontextinformati-onen mit, die das Erinnern anregen und erleichtern können.

Lerntipps:» Wähle für anspruchsvolles und hoch konzentriertes Lernen

möglichst gleichbleibende Orte, Lernzeiten und Methoden aus!

» Probiere verschiedene Lernorte und körperhaltungen (stehen, gehen, sitzen, liegen) aus!

» nutze beim erinnern die mit den Lernorten verbundenen hinweisreize («Ich sehe das Plakat an der Wand neben meinem Pult ...»)!

Merke: schaffe selber eine Lernumgebung mit hinweisreizen (z. B. zettelwand, Merkhilfen, Lernsignale)!

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06.30 Lektüre Geschichte07.00 Frühstück 08.00 – 09.00 Deutsch 09.00 – 10.00 Geschichte (Test) 10.00 – 11.00 Zwischenstunde…

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4 Führe eIne LernagenDa!

In der Regel ist die Zeit von Jugendlichen und Studierenden durch Schulen, Hochschulen, Universitäten, Freizeitange-bote, Familien und Freundeskreis bereits «verplant». Wer erfolgreich lernen will, muss sich Lernräume schaffen, muss sein Lernen selber organisieren, planen und gestalten. Das heisst meistens: Man muss in sein verplantes Studien- oder Schulleben Lernschneisen schlagen – und oft auch auf etwas verzichten. Wie geht das?

Lerntipps:» erstelle einen Lernplan: verteile beispielsweise eine Lern-

aktivität zu einem thema (z. B. gleichungen mit zwei unbekannten) über zwei Wochen! hänge den Lernplan an eine Pinnwand!

» reserviere am Wochenende oder während der Ferien täglich eine zeit, die frei ist von Fernsehen, sMs, telefon, computer-games, Internet, Onlineplattformen, Facebook, iPod, MP3-Player usw.!

» entwirf auch eine Feinplanung, am besten mit Post-it-zetteln: auf dem zettel stehen die Lernaktivität und die Lernzeit. Dies zwingt dich dazu, dir nicht nur vorzunehmen: «Ich werde dann am abend etwas Französisch lernen», sondern in der Lernplanung präzis zu sein: «14.30–15.30: Franz-text übersetzen, schriftlich zusammenfassen; Fehlerkontrolle.» Der zettel wird auf dem Franz-Buch ange-bracht. Das ist ein konkretes Lernziel.

Lernziele enthalten den Inhalt (Franz-text), das Lernver-halten (übersetzen und schriftlich zusammenfassen), das ergebnis oder ziel (deutscher text), die Limite (korrekte übersetzung) sowie die Bedingungen (korrektur mithilfe von Wörterbüchern).

Merke: Mache während eines tages oder während einer Woche versuchsweise ein detailliertes zeit-aktivitäts-Protokoll (wo habe ich wann was gemacht?) – und du wirst erkennen, wo die Leerläufe und mögliche Lichtungen für das Lernen stecken!

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5 verzIchte auF LernkILLer!

Lernkiller sind Aussen- und Innenreize, die die Lernzu-wendung, die Konzentration, das Einprägen, Behalten und Abrufen erschweren oder verunmöglichen. Generell können freudige oder traurige Ereignisse, frustrierende Erlebnisse, starke Erinnerungen, aber auch Kolleginnen oder Kollegen, Freunde, Anrufe, SMS, E-Mails, Musik, Geräusche und an-dere Reize stören und ablenken.

Manches hängt von der individuellen Konzentrationsfähig- keit und Lerneinstellung, von Motivationen und Lern-gewohnheiten ab. Manche lernen besser mit leiser Hinter-grundmusik, andere gönnen sich zwischen einzelnen Lern-phasen eine Ruhepause mit Musik.

Zudem sollten sich Lernsituationen daheim und im Privaten nicht so sehr von schulischen Leistungs- und Prüfungssitu-ationen unterscheiden, dass die Kontexteinflüsse – hier lau-te Musik, Ablenkungen durch Handy und TV-Programme, dort leere Wände und belastende Stille – einen Transfer des Gelernten gar nicht mehr ermöglichen. Es ist in diesem Fall, als ob man das Gehirn daheim auf Tischtennis trainiert und es in der Schule auf Schwimmen geprüft wird.

Lerntipps:» schalte alle geräte, die dich beim Lernen stören können,

vorübergehend aus!» kreise auf der abbildung links jene Möglichkeiten ein,

die dein Lernen wahrscheinlich fördern!

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18 Lerne lieber gehirngerecht!

Wie gross ist der Winkel, den die zeiger einer uhr um 13 uhr 20 einschliessen?

Die Bedeutung der Aufgabe verstehen, die Uhranzeige lesen können

Wissen, wie man solche Aufgaben anpackt

Wissen, was «Winkel» bedeutet, was ein «eingeschlossener Winkel» bedeutet

Wissen, was eine (analoge) Uhr ist

Wissen, dass die Uhrzeiger rundherum, d.h. 360 Grad laufen

Wissen, dass der 360-Grad-Kreis durch 12 Stundenabschnitte unter-teilt wird

Wissen, dass ein rechter Winkel 90 Grad misst – und wissen, wie das aussieht

Sehen, dass der kleine und grosse Zeiger beinahe 90 Grad einschliessen

Wissen, dass ein Stunden- abschnitt der 12. Teil von 360 Grad, also 30 Grad ist

Merken, dass der kleine Zeiger in 20 Minuten 1/3 einer Stunde, somit 10 Grad zurücklegt

Rechnen: 90 Grad (von 13 Uhr bis 16 Uhr = 20 nach …) minus 10 Grad

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6 aktIvIere Das vOrWIssen!

Wer das Neue an Bekanntes anbinden kann, lernt nachhal-tiger. Lernen heisst anknüpfen, neuronale Netze erweitern, die Wissensbasis ausbauen. Wie kann man Vorwissen akti-vieren?

Man fragt vor dem Erarbeiten, Bearbeiten, Repetieren usw.: Was weiss ich schon? Was weiss ich noch? Was fällt mir dazu ein? Was kenne ich noch ungefähr? Woran erinnert mich das?

Beispiele:» Beispiel «Wiener kongress»: Du hast vor einer Woche einen

text über den Wiener kongress «überflogen». Jetzt willst du den text studieren und lernen. vorher schreibst du allerdings auf, was du noch weisst: konferenz in Wien – etwas nach 1800 – es wurden irgendwie Länder verteilt – es wurde viel gefeiert und getanzt ...

» Beispiel «Industrialisierung»: 18./19. Jh. – Dampfmaschine – england – Bahnbau – Webstühle – automatisierung – Fabri-ken – beginnende Fliegerei ...

» Beispiel «n»: stickstoff – chemisches element – geschmackloses gas – kommt in Düngemitteln und im Mist vor ...

» Beispiel «zahl Pi»: 3,1415 ... bis ins unendliche – heute mit computer auf tausende von stellen hinter dem komma berechenbar – 3 1/7 ist nicht so genau wie 3,1415 – keine zahlmuster-Wiederholung ...

Lerntipp:» überprüfe dein vorhandenes Wissen jedes Mal, bevor du

etwas wiederholst (vorher gelernte Wörter, regeln, Formeln, Daten usw.)! es kann sich dabei auch um ganz vage erinne-rungen handeln.

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7 Lerne neugIerIg!

Kinder (und Wissenschaftler/innen) sind neugierig. Sie fra-gen beispielsweise: Wie können Schnecken ohne Beine gehen? Warum geht der Mond so gross auf, und warum wird er im-mer kleiner?

Neues aktiviert das Gehirn: Dopamin regt das «Neugiersys-tem» des Gehirns, regt Suchen und Erkunden an (Explora-tion). Bei Aussicht auf Erfolg, aber auch bei Ungewissheit, Unsicherheit und Risiko werden Belohnungszentren akti-viert. Das erzeugt einen «Kick», wir erleben Spannung und «Nervenkitzel». Wir rechnen mit Erfolg – wir suchen Neues und handeln mit dosiertem Risiko. Jenseits davon haben wir Angst. Die Amygdala reagiert – und warnt uns.

Lerntipps:» entscheide dich vor jedem Lernen, repetieren oder abfragen

für eine der folgenden Lernhaltungen:» Will ich reproduktiv lernen? Beispiele: eine Formel auf-

sagen und anwenden, einen Inhalt möglichst korrekt und fehlerfrei aufsagen usw. (Dies entspricht einer traditio-nellen Lernhaltung.)

Oder:» Will ich neugierig lernen, etwas verstehen und heraus-

finden? Leitfragen: Was ist das? Wie geht das? Warum ist das so? Warum geht es nicht? Was wird verschwiegen? stimmt das? Was fragt oder erwähnt niemand? Woher kommt das? Welches sind die einflussfaktoren? gibt es Widersprüche, falsche Folgerungen? kann man das anders ordnen?

» Man kann die beiden strategien auch kombinieren: zuerst verstehend lernen, dann trainieren.

Im gehirn ist ein neugiersystem aktiv:

Cingulum und Stirnhirn steuern Aufmerksamkeit

Nucleus accumbens schüttet/löst Endorphi-ne ins Frontalhirn aus

Amygdala signalisiert Angst

Hippocampus meldet «Neues»

orbitofrontaler Cortex hemmt zu grosse Risiken

Dopamin aktiviert

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8 arBeIte krItIsch!

Kritik ist ein Privileg der jungen Menschen – und darüber hinaus ein Hauptmerkmal von Wissenschaft: Wahr ist, was noch nicht widerlegt worden ist. Man muss deshalb von An-fang an eine kritische Arbeitshaltung pflegen. Wie geht das? Beispiel: Frank Schirrmacher beklagt in seinem Buch «Pay-back» (2009, S. 79) den Vormarsch des Computers – und da-mit den Verlust einfachster Heuristiken (Suchverfahren, die man intuitiv anwendet):

«Wie lernten beispielsweise unsere vorfahren, wie man zahlen, die auf 5 enden, schnell und sicher mit sich selber multipliziert? Was ist zum Beispiel 35 zum Quadrat, also 35 mal 35 ? nimm die erste ziffer (3) und multipliziere diese mit der nächsthöheren (4), das ergibt 12. Dann hänge immer die ziffernfolge 25 an, was 1225 ergibt».

Man kann kritisch fragen: Warum kann man bei der Aufga-be 35 im Quadrat 3 mal 4 rechnen? Woher kommt plötzlich die 4? Und weshalb muss man die Ziffernfolge 25 anhängen?

Man kann diese Aufgabe auch elegant geometrisch darstel-len oder algebraisch lösen (a+b)2 = a2 + 2ab + b2.

Übrigens handelt es sich beim abgekürzten Verfahren nicht um eine Heuristik, sondern um einen Algorithmus, das heisst um ein formales und gleichbleibendes Lösungsverfah-ren, das immer zum richtigen Resultat führt.

Lerntipps:kritisch arbeiten heisst beispielsweise fragen:» Was fällt mir an einer aussage oder aufgabe auf?» verstehe ich, was hier zu lesen ist?» Wird hier etwas verschwiegen?» Ist der text widerspruchsfrei?» kann das sein, was hier behauptet wird?» Wie lässt sich dies überprüfen?

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Mit Priming Wörter lernen:

1. Wörter aufschreiben; die untere Hälfte abdecken; Wörter lesen

frontal – lateral – rostral –anterior2. Die Wörter auswendig aufschreiben (ohne zu wissen, was sie bedeuten)

frontal – lateral – rostral –anterior3. Die Wörter alphabetisch ordnen

anterior – frontal – lateral – rostral4. Im Wörterbuch nachschlagenfrontal (stirnseitig, vorne), lateral (seitlich), rostral (schnabelwärts), anterior (vorne gelegen)

5. Skizzieren, Wörter eintragen

bew

usst

le

rnen

vorb

erei

tend

, un

bew

usst

lern

en

superior (oben, oberhalb)

anterior (vorne)

posterior (hinten)

rostral(schnabel-

wärts)

inferior (unten, unterhalb)

fron

tal

(sti

rnse

itig

)caudal (schwanz-wärts)dorsal

(rückenseitig)

lateral (seitlich)

ventral (bauchseitig)

medial (an der Innenseite)

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9 Lerne MIt PrIMIng!

Priming (to prime: vorbereiten, eigentlich: grundieren) bezeichnet die Gedächtnisfähigkeit, Wörter oder Objekte schneller wiederzuerkennen, die man vorher schon unbe-wusst wahrgenommen, das heisst gesehen, gelesen oder ge-hört hat. Priming läuft dem bewussten Erinnern voraus. Die Werbung macht sich dieses Phänomen zunutze. Wie kann man das Lernen «primen»?

Beispiel Wörter lernen: Man «primt» die Wörtchen vor dem Auswendiglernen, indem man sie beispielsweise auf Kärt-chen schreibt und diese der Länge nach sortiert; die Wört-chen nach «bekannt», «schon gehört», «unbekannt» sortiert; in jedem Wort die Vokale übermalt; mit einem Blatt die un-tere Hälfte der Wörter zudeckt und zu lesen versucht usw. – dies alles, ohne die Bedeutung (oder das deutsche) Wort zu kennen und bewusst zu lernen.

Priming heisst also beispielsweise: Mit Wörtchen spielerisch umgehen, sie unbewusst einprägen.

achtung: Es gibt auch «negatives Priming», das heisst ein Vorspuren in die falsche Richtung. Dies illustriert die fol-gende Aufgabe:

ein alter tennisschläger und ein tennisball kosten zusammen 10 Franken und 50 rappen. Wie viel kostet der tennisball, wenn der tennisschläger 10 Franken teurer ist als der tennis-ball? *

Merke: Manchmal bewegt sich unser suchen und Denken in vorgespur-ten Bahnen und erleichtert das erinnern und Denken. gewohn-heiten und vorurteile können das Denken aber auch behindern oder in eine falsche richtung lenken.

Lerntipps:«Prime» Wörter!

» Decke zum Beispiel die untere hälfte der Wörter ab und lies sie laut!

» schreibe die zu lernenden Wörtchen verschieden gross (auswendig) auf!

» schreibe die Wörter der Länge nach untereinander!» schreibe ein Wort zuerst gross, dann immer kleiner:

rostral, rostral, rostral, rostral

* Wenn deine Antwort lautet «Der Tennisschläger kostet 10 Franken und der Tennisball 50 Rappen», bist du in bester Gesellschaft – liegst aber falsch. Die richtige Lösung lautet: Der Schläger kostet Fr. 10.25 und der Ball kostet 25 Rappen. Beides kostet ja zusammen Fr. 10.50 – wobei der Schläger eben 10 Franken teurer ist als der Ball.

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10 sPare rePetItIOnszeIt!

Der deutsche Psychologe Ebbinghaus lernte um 1885 Lis-ten mit sinnlosen Silben auswendig (VUP, KEZ, PEL, SOK usw.). Er wiederholte die Silben dann in festgelegten Ab-ständen. Er stellte fest: Je länger er mit Repetieren wartete, desto grösser war der Zeitaufwand. So entwickelte Ebbing-haus die «Vergessenskurve». Zudem fand er heraus, dass das auf mehrere Tage verteilte Lernen viel effizienter war als das massierte Wiederholen. Neue Untersuchungen bestätigen seine Erkenntnisse.

Lerntipps:» verteile den Inhalt! auf diese Weise übertrifft deine erin-

nerung jene der «massierten Lerner/innen» um mehr als 100 Prozent.

» repetiere den stoff schon nach einem tag, wenn die Prüfung in einer Woche angesetzt ist!

» Wenn die Prüfung in einem Monat ist, sind die idealsten repetitionszeitpunkte ein, drei und sieben tage nach dem ersten Lernen.

» anstatt bloss notizen anzuschauen oder texte zu markieren, ist es besser, wenn du versuchst, Prüfungsfragen zu beant-worten!

Merke: Du sparst Lernzeit, wenn du die repetitionszeitpunkte schlau auswählst und die Lernzeit exakt einhältst!

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