2009 DGB - Schuldenbremse bremst Zukunft aus

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    akut

    Stoppt die Schuldenbremse Sie bremst die Zukunft aus!

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    Der Staat darf knftig kaum noch Schuldenmachen. Dafr sollen im Grundgesetz inden Artikeln 109 und 115 detaillierte res-triktive Vorgaben formuliert werden, nachdenen Bund und Lnder knftig Kredite

    zur Finanzierung von ffentlichen Auf-gaben aufnehmen drfen. Diese Regelnbestehen aus einer Strukturkomponente,einer Konjunkturkomponente und einerAusnahmeklausel: Die Strukturkomponen-te regelt den Grundsatz. Danach darf derBund knftig nur noch Kredite in Hhe vonmaximal 0,35% des Bruttoinlandsprodukts(BIP) aufnehmen. Die Lnder drfen ab2020 keinerlei Kredite mehr aufnehmen,also 0,0%.

    ber die Konjunkturkomponente sollen die

    Verschuldungsmglichkeiten symmetrisch je nach Konjunkturlage ber die struktu-relle Komponente hinaus vergrert oderbeschrnkt werden knnen.Eine Ausnahmeklausel soll eine ber-schreitung der zulssigen Verschuldung imFalle von Naturkatastrophen und anderenauergewhnlichen und unvorhersehbarenEreignissen mit Kanzlermehrheit ermgli-chen.

    Was ist dieSchuldenbremse?

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    nachteiligten gehen. Ausgaben werden drastisch und mitdem Rasenmher gekrzt werden mssen, wollen Bundund Lnder die Schuldenregel jemals einhalten. Was aberfr Unternehmen und auch fr jeden privaten Haushalt

    nahezu selbstverstndlich ist, dass nmlich notwendigeInvestitionen auch ber Kredite nanziert werden knnen,soll fr den Staat im Grundgesetz ausgeschlossen wer-den.

    Schuldenbremse hat nichts mit

    Generationengerechtigkeit zu tun!

    Die Folge ist, dass knftige Generationen eine drama-

    tisch verschlechterte Infrastruktur erben werden und durch die Schuldenbremse im Grundgesetz dieUnmglichkeit, an dieser Situation konomisch sinn-voll etwas zu verndern. Dies ist schon vor dem Hin-tergrund des derzeitigen ffentlichen Investitionsstaus allein rd. 704 Mrd. in den Kommunen - fahrlssig

    und kontraproduktiv. Die Mglichkeit, (Zukunfts-)Investitionen auch ber Kredite nanzieren zu knnen,

    ist aber die Basis verantwortungsvoller Fiskalpolitik.

    ffentlich nahezu unbemerkt wird dieser Tage in Bun-destag und Bundesrat ber eine Grundgesetznderungverhandelt, die das Gesicht der Republik verndern wird.Die Rede ist von der sogenannten Schuldenbremse, das

    heit dem weitgehenden Verbot der Kreditnanzierungvon ffentlichen Staatsaufgaben. Wird dieses Kredit-nanzierungsverbot durchgesetzt, verhindert dies berJahre hinaus eine demokratische und soziale Politik. Nurein minimalistischer Staat mit entsprechend minimalis-tischen Aufgaben wird noch zu nanzieren sein. Dies

    widerspricht dem Staatsverstndnis der Gewerkschaftenzutiefst.

    Die Schuldenbremse bremst keine Schulden. Sie bremstdie Zukunft aus. Sie nimmt dem Staat eine wesentlicheMglichkeit, klug die Zukunft zu gestalten, Innovationenanzustoen, schnell auf Herausforderungen zu reagieren

    und infrastrukturell fr die Zukunft vorzusorgen. So wirddie geplante Schuldenbremse zu einer Wachstumsbrem-se werden. Und sie ist ein Angriff auf den Sozialstaat. InZeiten einer historisch schweren Wirtschafts- und Finanz-krise fhrt die Schuldenbremse dazu, dass die Kosten derRettungseinstze von den Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmern in Form eines ffentlichen Investitionsstaus undSozialabbaus bezahlt werden mssen. Es werden Sparor-gien folgen, die zu Lasten der ohnehin gesellschaftlich Be-

    Stoppt die Schuldenbremse sie bremst die Zukunft aus!

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    Nun sei es aber wichtig so viele Mitglieder des Bundes-tages, die die Schuldenbremse ins Grundgesetz schreibenwollen dass sich die Politik ber die Schuldenbremsequasi selbst diszipliniert. Bundestagsabgeordnete spre-

    chen ganz offen darber, sich selbst Anreize setzen zumssen, um zu sparen. Was fr eine verquere Argumen-tation, nach dem Motto: wir beschneiden uns selbst,auf dass wir keine Politik mehr machen knnen, oder:machen mssen. Politik und Verantwortung weichen ei-ner schlechten selbstverordneten Mechanik. Politisch istdas eine Bankrotterklrung, denn die Schuldenbremsegeht zulasten der Spielrume fr eine andere, eine sozialgerechte und kologische Politik. Alle Politikerinnen undPolitiker, denen an einer solchen Politik gelegen ist, kn-nen die Schuldenbremse nicht beschlieen. Denn dieseist ein Instrument der alten neoliberalen Logik, die mitihr schaurige Urstnde feiert.

    Dabei belegt der Blick auf die letzten Jahre, dass eineKonsolidierung ganz ohne Grundgesetznderung mg-lich war. Auch bei unseren Nachbarn. Und auch dortganz ohne Schuldenbremse. Im brigen: In der Diskus-

    sion um Staatsschulden wird immer wieder die enge,teilweise wechselseitige Abhngigkeit zwischen Kon-junktur und Staatsnanzen vergessen. Richtig ist zwar,

    dass ein Konjunkturaufschwung in der Vergangenheitnicht unbedingt dazu fhrte, dass konjunkturell be-dingte Steuermehreinnahmen tatschlich zur Konsoli-dierung verwendet wurden. Dem kann durchaus miteinem bundesgesetzlich geregelten, adquaten Konso-lidierungskonzept begegnet werden.

    Schuldenbremse verhindert Politik Konjunkturaufschwung istVoraussetzung fr Haushalts-konsolidierung

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    Unzweifelhaft haben aber auch die Steuersenkungenund die entsprechenden Einnahmeausflle der vergan-genen Jahre den Druck auf die ffentlichen Haushalteerhht. So wird es darum gehen mssen, knftig die

    hohen und sehr hohen Einkommen, Vermgen undErbschaften von Privaten und Unternehmen wieder

    Einnahmen erhhen, statt arm sparen

    deutlicher fr eine gerechte Sozialstaatsentwicklungheranzuziehen. Dies muss sowohl ein wesentlicherAspekt einer demokratischen und sozialen Zukunfts-politik sein als auch einer klugen Haushaltskonsolidie-

    rungspolitik in wirtschaftlich guten Zeiten.

    Milliardenausflle durch die Steuerpolitik

    Finanzwirkungen der Steuerpolitik seit 1998 in den Jahren 2000 - 2010(ohne konjunkturell bedingte Steuerausflle)

    4 Mrd.

    29 Mrd.

    24 Mrd.

    31 Mrd.

    35 Mrd.

    43 Mrd.

    40 Mrd.

    20 Mrd. 21 Mrd.

    28 Mrd. 30 Mrd.

    Bund

    Lnder

    Gemeinden

    -10

    -20

    -30

    -40

    2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

    Quelle: Angaben des Bundesnanzministeriums, Berechnungen des Institutsfr Makrokonomie und Konjunkturforschung, eigene Berechnungen,Stand April 2009

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    Vielfach wird argumentiert, die Schuldenregel wrdebewirken, dass der Druck in Richtung Steuererh-hungen zunhme. Nach dem Motto: Wenn nicht mehreingespart werden kann, dann mssen auch noto-

    rische Steuersenker einsehen, dass weitere Senkungennicht mehr mglich und entsprechend auch Erh-hungen nicht mehr sakrosankt seien. Das ist schlichtSelbstbetrug. Ein Blick in die Entwrfe und Regierungs-programme der Parteien zur Bundestagswahl alleinbezeugt das Gegenteil. Und auch das gesamtgesell-schaftliche Klima wird schon seit einigen Jahren nichtmehr in Richtung einer gerechten Einnahmenpolitikbeeinusst. D.h. der Ausgabensenkungsdruck wird

    noch deutlicher zunehmen. Dabei war dieser in denvergangenen Jahren schon am Rande des Vertrglichen und darber hinaus.

    Ausgabensenkungsdruck wchst Schuldenbremse wirkt prozyklisch(und nicht antizyklisch)

    Eines der zentralen Argumente zur Rechtfertigung derSchuldenbremse ist, dass die Regelungen in der Pra-xis sehr exibel ausgestaltet werden knnten. Eine

    antizyklische Politik wre auch unter dem Regime

    der Schuldenbremse ber die sogenannte Konjunk-turkomponente immer noch mglich, so die Behaup-tung. Dies ist keineswegs so, denn die vorgesehenenRegeln unterschtzen konjunkturelle Bewegungen.Und so kommt es zu einem Teufelskreis aus immer res-triktiverer Haushaltspolitik und sich abschwchendemWachstum.

    Nach Berechnungen des Instituts fr Makrokonomieund Konjunkturforschung (IMK) htte eine bereitsim Jahr 2000 eingefhrte Schuldenbremse alleinfr den Bund das Wachstum in den Jahren 2000 bis2007 um bis zu zwei Prozent niedriger ausfallen las-

    sen. Rund 500.000 Menschen weniger htten Arbeit.Noch grer wren die Einschnitte gewesen, htte dieBremse auch fr die Lnder gegolten.

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    Bremsspuren beim Sparen

    -10 Mrd.

    -20 Mrd.

    -30 Mrd.

    -0,5%

    -1,0%

    -1,5%

    -2,0%

    Erlaubte Nettokreditaufnahme des Bundes

    Reales Bruttoinlandsprodukt

    Zahl der abhngig Beschftigten

    2000 2002 2004 2006 2008

    -17,3 Mrd.

    -12,1 Mrd.

    -22,3 Mrd.

    -33,2 Mrd.

    -15,6 Mrd.

    -1,2%

    -1,0%

    -0,3%

    -2,0%

    -0,9%

    -165.000

    -459.000

    -302.000

    -535.000-457.000

    -100.000

    -200.000

    -300.000

    -400.000

    -500.000

    Wenn die vom Finanzministerium geplante Schulden-bremse bereits seit 2000 angewendet worden wre,htte dies den Status quo so verndert

    Quelle: IMK 2008, Hans-Boeckler-Stiftung 2008

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    Dabei ist die Voraussetzung fr die Einfhrung derSchuldenbremse der strukturelle Haushaltsausgleich.Dieser muss im Bund im Rahmen einer rigiden Haus-haltskonsolidierung und in den Lndern egal wie ab

    2020 gewhrleistet sein, soll die grundgesetzlicheVorgabe eingehalten werden. Der Spardruck wird ent-sprechend nicht erst ab 2020 einsetzen, sondern abmorgen. Allein fr das Jahr 2009 ist es im Vergleichzu Steuerschtzungen von noch vor einem Jahr der-zeit nicht unrealistisch, von zustzlichen Steueraus-fllen von 50 Mrd. Euro auszugehen. Verantwortlichdafr sind die beschlossenen Steuersenkungen unddie Mindereinnahmen aufgrund der Rezession. Wo wirderzeit noch nicht mal wissen, ob der Hhepunkt derFinanz- und Wirtschaftskrise erreicht ist, geschweigedenn, wie hoch die Verschuldung zum Zeitpunkt derwirtschaftlichen Normalisierung sein wird, ist dies

    ein denkwrdiges Vorgehen.

    Aus all diesen Grnden: Stoppt die Schulden-

    bremse fr den Bund und vor allem auch fr die

    Lnder! Noch ist es dafr nicht zu spt.

    Nicht zuletzt stellt sich auch ein zentrales staatspoli-tisches Problem: Die Beteiligung der Landesparlamenteist im gegenwrtigen Prozess nicht vorgesehen. Sie

    bleiben bei der Formulierung der Schuldengrenze, dieeinschneidende Auswirkungen auf ihr Budgetrecht ha-ben wird, auen vor. Kein politisch verantwortungsvollhandelndes Landesparlament, das auf Basis unauf-geregter Einschtzungen ber die Aufrechterhaltungnotwendiger staatlicher Grundfunktionen handelt,wrde eine Nullverschuldungsmglichkeit in die eigeneLandesverfassung schreiben. Doch genau das wollender Bund und offenbar eine Mehrheit der Lnderregie-rungen nun den Lnderparlamenten vorschreiben. Ab2020 drfen die Lnder keine Kredite mehr aufneh-men. Das ist nicht nur ein offensichtliches politischesProblem es ist auch ein verfassungsrechtliches. Denn

    das Grundgesetz verbietet eine Abschaffung des f-deralen Staatsaufbaus, verbietet die Ausung der

    Eigenstaatlichkeit der Lnder. Ohne parlamentarischesBudgetrecht in den Lndern wrde aber genau diesfaktisch geschehen.

    Schuldenbremse wirkt abmorgen und nicht erst ab 2020

    Lnderdiktat: Schuldenbremseist undemokratisch

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    DGB Bundesvorstand | Bereich Wirtschafts- und Steuerpolitik |Bereich Parlamentarische Verbindungsstelle | 10178 Berlin

    Eine kluge Haushaltspolitik von Bundund Lndern schafft keine Instrumenteab, die vllig zu Recht von Anbeginn

    der modernen Sozialverfassung anzum Kernbestand staatspolitischerVerantwortung und skalpolitischerKlugheit gehren.