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2012 – Heft 2 Schuldbetreibung und Konkurs 41 Blätter für Schuldbetreibung und Konkurs Nachdruck sämtlicher Artikel nur mit Zustimmung der Redaktion und mit Quellenangabe gestattet. Konkursverfahren über Handels- gesellschaften zufolge Organisationsmangel (Art. 731b OR) Gibt es nach dem richterlichen Auflösungsbeschluss noch einen Weg zurück ins (Wirtschafts-)Leben? Franco Lorandi, Prof. Dr. LL.M., Holenstein Rechtsanwälte AG, Zürich, Lehrbeauftragter an der Universität St. Gallen Seit 1. Januar 2008 1 hat sich die Rechtslage für juristische Personen, welche Mängel in der Organisation aufweisen, grundlegend geändert. Ziel der Revision war es, eine einheitliche Ordnung für die Behebung und Sanktionen sämtlicher Mängel in der gesetzlich vorgeschriebenen Organisation einer juristischen Person zu schaffen 2 . Es wurde deshalb eine Regelung erlassen, welche grundsätzlich unabhängig von der Rechtsform gilt 3 . Nachfolgend wird die Rechtslage für die Handels- gesellschaften und die Genossenschaften dargestellt 4 . Organisations- mängel stellen in der Praxis ein sehr häufiges Phänomen dar. Im Jahr 2011 behandelte das Einzelgericht am Handelsgericht Zürich rund 1000 Fälle 5 . 1. Organisationsmangel Das Gesellschaftsrecht stellt in Bezug auf die Organisation von Han- delsgesellschaften (AG, GmbH) und Genossenschaften eine Vielzahl von 1 AS 2007 4791, 4839. 2 BBl 2002 3231; BGE 136 III 371; Urteil 4A_522/2001 vom 13. Januar 2012, E. 2.1. 3 Art. 69c ZGB für Vereine, Art. 83d ZGB für Stiftungen, Art. 731b OR für Aktien- gesellschaften, Art. 819 OR für die GmbH und Art. 908 OR für Genossenschaften. 4 Für die übrigen juristischen Personen ist die Rechtslage jedoch weitgehend analog. 5 ZR 2012 Nr. 22.

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2012 – Heft 2 Schuldbetreibung und Konkurs 41

Blätter für Schuldbetreibung und Konkurs

Nachdruck sämtlicher Artikel nur mit Zustimmung der Redaktion und mit Quellenangabe gestattet.

Konkursverfahren über Handels­gesellschaften zufolge Organisationsmangel

(Art. 731b OR) Gibt es nach dem richterlichen Auflösungsbeschluss

noch einen Weg zurück ins (Wirtschafts-)Leben?

Franco Lorandi, Prof. Dr. LL.M., Holenstein Rechtsanwälte AG, Zürich, Lehrbeauftragter an der Universität St. Gallen

Seit 1. Januar 20081 hat sich die Rechtslage für juristische Personen, welche Mängel in der Organisation aufweisen, grundlegend geändert. Ziel der Revision war es, eine einheitliche Ordnung für die Behebung und Sanktionen sämtlicher Mängel in der gesetzlich vorgeschriebenen Organisation einer juristischen Person zu schaffen2. Es wurde deshalb eine Regelung erlassen, welche grundsätzlich unabhängig von der Rechtsform gilt3. Nachfolgend wird die Rechtslage für die Handels­gesellschaften und die Genossenschaften dargestellt4. Organisations­mängel stellen in der Praxis ein sehr häufiges Phänomen dar. Im Jahr 2011 behandelte das Einzelgericht am Handelsgericht Zürich rund 1000 Fälle5.

1. OrganisationsmangelDas Gesellschaftsrecht stellt in Bezug auf die Organisation von Han­

delsgesellschaften (AG, GmbH) und Genossenschaften eine Vielzahl von

1 AS 2007 4791, 4839.2 BBl 2002 3231; BGE 136 III 371; Urteil 4A_522/2001 vom 13. Januar 2012, E. 2.1.3 Art. 69c ZGB für Vereine, Art. 83d ZGB für Stiftungen, Art. 731b OR für Aktien­

gesellschaften, Art. 819 OR für die GmbH und Art. 908 OR für Genossenschaften.4 Für die übrigen juristischen Personen ist die Rechtslage jedoch weitgehend analog. 5 ZR 2012 Nr. 22.

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Vorschriften auf6. Sind diese Vorschriften verletzt, liegt ein sog. Mangel in der Organisation der Gesellschaft vor7. Der Mangel kann darin liegen, dass ein vorgeschriebenes Organ ganz fehlt oder ein solches Organ nicht rechtmässig zusammengesetzt ist8. Bei der AG sind die vorgeschriebenen Organe der Verwaltungsrat (Art. 707 ff. OR) und die Revisionsstelle (Art. 727 ff. OR), sofern auf eine solche nicht verzichtet werden kann (Art. 727a Abs. 2 OR).

2. Massnahmen des HandelsregisteramtesLiegt ein Organisationsmangel vor und wird das Handelsregisteramt

diesem gewahr, so muss es der Gesellschaft eine Frist von 30 Tagen an­setzen, um den Mangel zu beheben und die entsprechende Eintragung im Handelsregister anzumelden (Art. 941 OR; Art. 154 Abs. 1 HRegV9). Da es sich dabei um eine gesetzliche Frist handelt, ist sie nicht erstreckbar.

In der Praxis ist es häufig der Fall, dass die Gesellschaft den Mangel innert Frist nicht behebt. Diesfalls ist der Handelsregisterführer ver­pflichtet, Klage bei Gericht gegen die Gesellschaft zu führen (Art. 941a Abs. 1 OR; Art. 154 Abs. 3 HRegV). Wenn die Gesellschaft den Mangel zwar nach Fristablauf, aber noch rechtzeitig behebt, bevor das Handels­registeramt beim Richter Klage führt, so ist der rechtmässige Zustand wieder hergestellt und es hat damit sein Bewenden.

3. Massnahmen des RichtersAuf entsprechende Klage hat der Richter die erforderlichen Massnah­

men zu ergreifen (Art. 731b OR). Klageberechtigt sind neben dem Han­delsregisterführer10 auch Aktionäre und Gläubiger11 der Gesellschaft (Art. 731b Abs. 1 OR). In der Praxis sind es fast ausschliesslich die Han­delsregisterämter, welche Klage führen.

Im Sinne der Verhältnismässigkeit hat der Richter zunächst milde Massnahmen zu ergreifen: Er kann der Gesellschaft zunächst einmal Frist ansetzen, um den rechtmässigen Zustand wieder herzustellen (Art. 731b Abs. 1 Ziff. 1 OR). Bleibt die Gesellschaft weiterhin säumig, so kann der Richter das Sanktionsregime wie folgt verschärfen: 6 Für die AG: Art. 698 ff. OR.7 Vgl. dazu im Einzelnen: Martin Bauer, Organisationsmängel in der Handels­

registerpraxix, Reprax 2008 89 ff.; Daniel S. Weber, Mängel in der Organisation von Gesellschaften, Art. 731b OR – Alter Wein in neuen Schläuchen?, in: Auswirkungen von Krisen auf Wirtschaft, Recht und Gesellschaft (Hrsg. Haunreiter/Juchli/Knupp/Würmli), Bern 2009, 349 ff.; Adrian Künzler, Liquidation einer Gesellschaft nach den Vorschriften über den Konkurs – Bezugspunkte zwischen den Bereichen Überschuldung und Organisationsmangel, Reprax 2009, 4 ff.

8 Urteil 4A_630/2011 vom 7. März 2012, E. 2.3; 4A_522/2001 vom 13. Januar 2012, E. 2.1. Die zu einem Interessenkonflikt führende Doppelorganschaft (d.h. die gleiche natürliche Person agiert bei verschiedenen Gesell schaften [meist desselben Konzerns] als Organ) stellt keinen Organisationsmangel dar.

9 Art. 154 HRegV wurde per 1. Januar 2012 revidiert. 10 Vgl. 2. 11 Zu einem der seltenen Fälle, da ein Gläubiger tätig wird, vgl. GVP 211 268 f.

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Er kann das fehlende Organ oder einen Sachwalter ernennen (Art. 731b Abs. 1 Ziff. 2 OR). In diesem Fall bestimmt der Richter die Dauer der Ernennung (Art. 731b Abs. 2 OR). Liegt ein wichtiger Grund vor, kann die Gesellschaft vom Richter die Abberufung von Personen verlangen, welche dieser eingesetzt hat (Art. 731b Abs. 3 OR). Ernennt der Richter ein fehlendes Organ oder einen Sachwalter, so ist die Gesell­schaft verpflichtet, die Kosten zu tragen und den ernannten Personen einen Vorschuss zu leisten (Art. 731b Abs. 2 OR). Vielfach leisten die Gesellschaften den Vorschuss jedoch nicht, so dass sich die ernannte Person verständlicherweise weigert, das Amt zu übernehmen. Damit ver­hindern die Gesellschaften, dass der Mangel effektiv behoben werden kann.

Im Sinne einer ulima ratio kann der Richter die Gesellschaft auch auflösen und ihre Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs anordnen (Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR). Damit kommt es zu einem Kon­kursverfahren ohne Konkurseröffnung12. Die Bestimmungen des SchKG über die Abwicklung eines Konkursverfahrens kommen insofern nur sinngemäss zur Anwendung13, als dass es keine Konkurseröffnung gibt. Ansonsten handelt es sich um ein normales Konkursverfahren14.

Anders als bei einer Konkurseröffnung nach SchKG ist die Insolvenz (namentlich die Überschuldung) der Gesellschaft keine Voraussetzung; das Konkursverfahren wird denn auch («nur») zufolge eines Organisati­onsmangels und nicht zufolge Überschuldung durchgeführt15.

4. Behebung des MangelsAngesichts der weitreichenden Konsequenzen ist für eine Gesellschaft

mit einem Organisationsmangel von entscheidender Bedeutung, ob bzw. bis wann sie den Mangel beheben kann, um damit der Zwangsauflösung und ­liquidation zu entgehen. Im Wesentlichen gibt es folgende Möglich­keiten, wobei die Praxis in den Kantonen dazu teilweise äusserst unter­schiedlich ist:

12 Franco Lorandi, Konkursverfahren über Handelsgesellschaften ohne Konkurs­eröffnung – Gedanken zu Art. 731b OR; AJP 2008 (zit. Konkursverfahren), 1382; GVP 2011, 269; Urteil des Kantonsgerichts Neuchâtel vom 11. April 2011 (CCC.2010.190; abgedruckt in ius.focus 2011/Heft 12), E. 6.

13 BBl 2002 3232 (Botschaft); ComR­Peter/Cvadini, Art. 731b OR N 23; Urteil des Kantonsgerichts Neuchâtel vom 11. April 2011 (CCC.2010.190; abgedruckt in ius.focus 2011/Heft 12), E. 3.

14 Lorandi, Konkursverfahren, 1390. 15 Beat M. Barthold/Florian S. Jörg, Kleine Aktienrechtsrevision, Revision des

Aktienrechts im Schatten der GmbH­Revision, Der Schweizer Treuhänder 2006, 496; Lukas Glanzmann, Die kleine Aktienrechtsrevision, ZGBR 2007, 82; Lorandi, Konkursverfahren, 1381 f.; Künzler, 9.

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a. Innert FristWird der Mangel innert der vom Richter angesetzten Frist16 behoben,

so ist der rechtmässige Zustand wieder hergestellt. Das Gerichtsverfah­ren wird damit gegenstandlos und kann demzufolge abgeschrieben wer­den (Art. 242 ZPO)17.

b. Fristerstreckung Das Gesetz schreibt keine bestimmte Dauer der Frist vor, welche der

Richter der Gesellschaft ansetzen muss (Art. 731b Abs. 1 Ziff. 1 OR). Es handelt sich um eine richterliche Frist. Diese muss den Umständen des Einzelfalles angemessen sein18. Dem Richter kommt dabei ein erhebli­ches Ermessen zu19.

Als richterliche Frist ist sie erstreckbar, wenn zureichende Gründe vorliegen und das Gericht vor Fristablauf darum ersucht wird (Art. 144 Abs. 2 ZPO). In der Praxis lassen die Gerichte als zureichende Gründe genügen, wenn die Beklagte in Aussicht stellt, den Organisationsmangel innert anbegehrter Fristerstreckung zu beheben.

c. FristwiederherstellungWie jede richterliche Frist ist auch die Frist gemäss Art. 731b OR einer

Wiederherstellung zugänglich20. Zuständig zur Fristwiederherstellung ist der Zivilrichter, welcher der Gesellschaft (i.S.v. Art. 731b Abs. 1 OR) vorgängig Frist zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes an­gesetzt hat21.

In formeller Hinsicht muss das Gesuch innert zehn Tagen seit Wegfall des Säumnisgrundes und innerhalb von sechs Monaten seit Eintritt der Rechtskraft gestellt werden (Art. 148 Abs. 2 und 3 ZPO). Das Gesuch kann somit sowohl vor als auch nach Erlass des richterlichen Auflö­sungsentscheids gestellt werden. Es kann auch noch während laufenden Rechtsmittelverfahren gestellt werden22.

In materieller Hinsicht muss die Gesellschaft glaubhaft machen, dass sie kein oder nur ein leichtes Verschulden trifft (Art. 148 Abs. 1 ZPO). Nachdem der Gesellschaft vorgängig zur Auflösung sowohl vom Han­

16 Vgl. 3.17 Stefan Bürge/Nicolas Gut, Richterliche Behebung von Organisationsmängeln der AG

und der GmbH, SJZ 2009, 164; ZR 2011 Nr. 90; Urteil 4A_639/2011 vom 3. Januar 2012; ZR 2012 Nr. 8, S. 21; Verfügung des Einzelgerichts am Handelsgericht Zürich vom 3. August 2011 (HE110302), E. 2.

18 Lorandi, Konkursverfahren, 1385; in Bezug auf die Auflösungsklage gemäss Art. 625 Abs. 2 aOR: BasK­Baudenbacher, Art. 625 OR N 15.

19 Lorandi, Konkursverfahren, 1385; in Bezug auf die Auflösungsklage gemäss Art. 625 Abs. 2 aOR: BasK­Baudenbacher, Art. 625 OR N 17.

20 Lorandi, Konkursverfahren, 1386; ders. Organisationsmängel von Gesellschaften mit tückischen Folgen, Der Schweizer Treuhänder 2009 (zit. Organisationsmängel), 91; Urteil, 4D_94/2011 vom 11. Januar 2012; ZR 2012 Nr. 22

21 Vgl. 3.22 ZR 2012 Nr. 22

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delsregisteramt (Art. 154 Abs. 1 HRegV)23 als auch vom Richter Frist an­gesetzt worden ist (Art. 731b Abs. 1 Ziff. 1 OR)24, erscheint fraglich, ob ein nur leichtes Verschulden vorliegt. Aus rechtlicher Sicht spielt die Hal­tung der Gegenpartei (in aller Regel das Handelsregisteramt25) keine Rolle (Art. 148 ZPO). In der Praxis lassen die Gerichte (in sehr extensiver Inter­pretation von Art. 148 ZPO) bei Zustimmung des Handelsregisteramtes (welche in aller Regel erteilt wird) sehr grosse Milde walten und gewäh­ren relativ grosszügig eine Fristwiederherstellung26. Dies gilt insbesonde­re, wenn der Organisationsmangel zwar nach Fristablauf, aber vorgängig zum Antrag auf Fristwiederherstellung effektiv behoben worden ist27.

Eine Fristwiederherstellung greift vor allem auch dann Platz, wenn der Richter schon die Auflösung verfügt hat und das Konkursverfahren schon abgewickelt wird. Diesfalls kann es sein, dass das Handelsregisteramt die aufgrund der Behebung des Organisationsmangels notwendigen Eintra­gungen im Handelsregister (zufolge des hängigen Konkursverfahrens) nicht vornimmt. In dieser Konstellation genügt es, dass die Gesellschaft nachweist, die notwendigen Handlungen (inkl. Anmeldung beim Han­delsregisteramt) vorgenommen zu haben. Der Richter weist dann im Ent­scheid das Handelsregisteramt häufig an, die Eintragung vorzunehmen28.

In Bezug auf die Möglichkeit einer Fristwiederherstellung ist m. E. eine Einschränkung zu machen: Normalerweise bzw. zu Beginn erfolgt der richterliche Auflösungsbeschluss zufolge eines Organisationsman­gels, ohne dass eine Insolvenz vorliegt bzw. vorliegen muss29. Wenn je­doch ein Konkursverfahren durchgeführt wird, kann sich (nach erfolgter Inventarisierung und aufgrund der Forderungseingaben) ergeben, dass die Gesellschaft (neben dem Organisationsmangel) effektiv auch über­schuldet ist. Wenn bzw. ab dem Zeitpunkt, da dies der Fall ist, kommt m.E. nur ein Widerruf des Konkurses30 in Frage, selbst wenn die Voraus­setzungen einer Fristwiederherstellung erfüllt wären.

d. Behebung des Mangels im RechtsmittelverfahrenOb die Behebung des Organisationsmangels nach Erlass des richterli­

chen Auflösungsentscheids im Rechtsmittelverfahren noch berücksich­23 Vgl. 2.24 Vgl. 3. 25 Vgl. 3.26 ZR 2012 Nr. 22 (wonach aufgrund der Unbedarftheit der Organe das Verschulden noch

als leicht eingestuft wurde); Entscheid des Präsidenten des Handelsgerichts St. Gallen vom 1. Juni 2011 (HG.2011.131), E. 2; vgl. auch Verfügung des Einzelrichters im summarischen Verfahren am Bezirksgericht Zürich vom 8. September 2008 (EO080081), E. I. (dieser Entscheid erging noch unter der Züricherischen Zivil­prozessordnung).

27 Urteil 4A_676/2011 vom 6. Januar 2012; Entscheid des Präsidenten des Handelsgerichts St. Gallen vom 1. Juni 2011 (HG.2011.131), E. 2.

28 Entscheid des Präsidenten des Handelsgerichts St. Gallen vom 1. Juni 2011 (HG.2011.131), Dispositiv Ziff. 2.

29 Vgl. 3. 30 Vgl. 4.e.

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tigt werden kann, hängt davon ab, ob dieses neue Vorbringen (sog. echtes Novum) prozessual zulässig ist. Dies beschlägt die Frage des Noven-rechts31. Dieses ist je nach Rechtsmittel anders ausgestaltet. Das Rechts­mittel wiederum hängt vom Streitwert und von der sachlichen Zustän­digkeit des erstinstanzlichen Gerichts ab:

aa. Vermögensrechtliche Streitigkeit und StreitwertNach neuerer Praxis32 wird die Auflösung einer Gesellschaft zufolge

eines Organisationsmangels als vermögensrechtliche Streitigkeit33 be­trachtet34. Da nicht eine Geldsumme eingeklagt ist, ist der Streitwert zu schätzen (Art. 91 Abs. 2 ZPO).

Da als Sanktion die Auflösung der Gesellschaft zur Debatte steht, wird für den Streitwert in erster Linie auf das formelle Gesellschaftskapital abgestellt35. Bei Aktiengesellschaften beträgt dieses mindestens CHF 100 000 (Art. 621 OR), weshalb der Streitwert auf jeden Fall mindestens CHF 30 000 beträgt36. Bei der GmbH beträgt das gesetzliche Mindestka­pital zwar nur CHF 20 000 (Art. 773 OR). Die Genossenschaft hat über­haupt kein gesetzlich festgesetztes Mindestkapital (Art. 828 Abs. 2, Art. 833 Ziff. 1 OR). Für den Streitwert ist jedoch diesfalls auf den regelmässig in höherem Umfang angestrebten Jahresumsatz abzustellen. Aufgrund dessen ist im Regelfall auch dann von einem Streitwert von mindestens CHF 30 000 auszugehen, wenn das Kapital weniger beträgt37.

31 Vgl. Lorandi, Konkursverfahren, 1388 ff.; Marina Machado, Reprax 2011/1, 56 f.; BGE 136 III 369, E. 11 = Pra 2011 Nr. 19; CACIV.2001.12, E. 3.

32 Zur früheren Praxis vgl. Beschluss des Obergerichts Zürich vom 31. Januar 2011 (NL100225); Beschluss des Obergerichts Zürich vom 3. Februar 2011 (LF110004).

33 Peter Lehmann, Die «kleine Aktienrechtsrevision» (Teil 2), Neuerungen in den Bereichen Aktionärsrechte, Firma, Handelsregister, GesKR 2007, 421; BasK­Watter/Wieser, Art. 731b OR N 9; Künzler, 7.

34 Diggelmann, in: Bunner/Gasser/Schwander (Hrsg.), Schweizerische Zivilprozess­ordnung, Zürich 2011, Art. 91 ZPO N 1 bei Fn. 2; Urteil 4A_106/2010 vom 22. Juni 2010, E. 6 (nicht publiziert in BGE 136 III 369 ff.); 4A_234/2011 vom 8. August 2011; ZR 2011 Nr. 30, S. 87; Beschluss des Obergerichts Zürich vom 1. März 2011 (LF110017), E. 3.1.; Urteil des Obergerichts Zürich vom 1. Juli 2011 (LF110048), E. 12.a.; kritisch: Florian Zihler, Aufforderung des Handelsregisteramtes zur Behebung von Mängeln in der gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Organisation (Art. 154 HRegV), Reprax 2/2011, 48.

35 Bürge/Gut, 165; Urteil 4A_630/2011 vom 7. März 2012, E. 1; 4A_278/2010 vom 8. Juli 2010, E. 6; 4A_106/2010 vom 22. Juni 2010, E. 6 (nicht publiziert in BGE 136 III 369 ff.); 4A_315/2010 vom 19. August 2010, E. 2.; 4A_234/2011 vom 8. August 2011; Beschluss des Obergerichts Zürich vom 1. März 2011 (LF110017), E. 3.1.; a.M. Zihler, 48 f. wonach das im Handelsregister eingetragene nominelle Kapital «kein geeignetes Anknüpfungselement» für die Bestimmung des Streitwertes sei.

36 Urteil 4A_315/2010 vom 19. August 2010, E. 2.; ZR 2011 Nr. 30, S. 88; Urteil des Obergerichts Zürich vom 1. Juli 2011 (LF110048), E. 12.a.

37 ZR 2012 Nr. 8, S. 21; 2011 Nr. 30, 88; Beschluss des Obergerichts Zürich vom 1. März 2011 (LF110017), E. 3.1; vgl. auch Urteil 4A_639/2011 vom 3. Januar 2012.

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bb. Sachliche Zuständigkeit und RechtsmittelDie Regelung der sachlichen Zuständigkeit obliegt (auch nach Inkraft­

treten der Eidgenössischen ZPO) den Kantonen (Art. 3 ZPO). Die ZPO gewährt den Kantonen einen Handlungsspielraum:

aaa. Handelsgerichtliche Zuständigkeit und Beschwerde in Zivilsachen ans Bundesgericht

Den Kantonen ist anheim gestellt, für handelsrechtliche Streitigkeiten ein Fachgericht zu schaffen (Art. 6 Abs. 1 ZPO). Diesem können Streitig-keiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften übertragen werden (Art. 6 Abs. 4 ZPO). Dazu gehören auch Organisati­onsmängel.

Die Kantone Zürich, Bern, Aargau und St. Gallen haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht (§ 3 Abs. 1 lit. b und § 44 lit. b ZH­GOG; Art. 35 Abs. 3, Art. 45 Abs. 2 BE­GSOG; § 66a ff. AG­GOG; Art. 10 f. SG­EG ZPO). Zürich und Bern sehen einen Mindeststreitwert von CHF 30 000 vor (vgl. § 44 lit. b ZH­GOG; Art. 7 Abs. 2 BE­EG ZPO), welcher in der Regel gegeben ist38. Aargau und St. Gallen verlangen keinen Min­deststreitwert (§ 66d Abs. 1 AG­GOG; Art. 11 Abs. 1 lit. b SG­EG ZPO).

Im Kanton Zürich ist der Präsident oder ein von ihm bezeichnetes Mitglied des Handelsgerichts zuständig (§ 45 lit. c ZH­GOG). Diese Zu­ständigkeitsordnung gilt auch für Entscheide über Organisationsmän­gel39. In den Kantonen Bern, Aargau und St. Gallen ist das Handelsge­richt als Kollegialgericht zuständig (§ 66d Abs. 1 AG­GOG; Art. 35 Abs. 3 BE­GSOG; Art. 7 Abs. 2 BE­EG ZPO; Art. 11 Abs. 1 SG­EG ZPO).

Gegen den Entscheid des Handelsgerichts kann (da eine vermögens­rechtliche Streitigkeit vorliegt deren Streitwert mindestens CHF 30 000 [Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG] beträgt40) Beschwerde in Zivilsachen ans Bun-desgericht geführt werden (Art. 72 ff. BGG). Das Bundesgericht legt sei­nem Entscheid den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen können nur so weit vorge­bracht werden, als der angefochtene Entscheid dazu Anlass gegeben hat (Art. 99 Abs. 1 BGG). Alle Tatschen, welche sich nach dem Tag der Fäl­lung des vorinstanzlichen Urteils zugetragen haben (sog. echte Noven), fallen unter das Novenverbot41 bzw. sind aufgrund der Bindung des Bun­desgerichts an den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt42 unbe­achtlich. Die Behebung des Organisationsmangels nach Erlass des han­delsgerichtlichen Entscheids ist kein solches zulässiges Novum, weshalb dieser Umstand vor Bundesgericht nicht mehr vorgebracht werden kann43. 38 Vgl. 4.d.aa.39 ZR 2011 Nr. 30, S. 88.40 Vgl. 4.d.aa; Urteil 4A_690/2011 vom 26. Januar 2012.41 BGE 133 IV 344; Urteil 4A_599/2011 vom 14. November 2011. 42 Urteil 4A_355/2011 vom 16. August 2011.43 Urteil 4A_599/2011 vom 14. November 2011; 4A_453/2011 vom 7. September 2011.

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bbb. Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts und Berufung ans obere kantonale Gericht

Die sachliche Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts bestimmt sich nach kantonalem Recht (Art. 3 ZPO). Da die Streitigkeiten zufolge Organisationsmängel im summarischen Verfahren geführt werden (ob­schon sie im Katalog von Art. 250 lit. c ZPO vergessen worden sind44), sind erstinstanzlich fast ausnahmslos Einzelgerichte zuständig.

Gegen den erstinstanzlichen Entscheid ist (da eine vermögensrechtli­che Streitigkeit vorliegt, deren Streitwert CHF 10 000 [Art. 308 Abs. 2 ZPO] übersteigt45) die Berufung gegeben46. Im Berufungsverfahren kön­nen Noven geltend gemacht werden, wenn sie ohne Verzug vorgebracht werden und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vor­gebracht werden konnten (Art. 317 Abs. 1 ZPO). Darunter fallen auch sog. echte Noven47. Praxisgemäss wird die Behebung des Organisations­mangels nach Erlass des erstinstanzlichen Entscheids als zulässiges Novum betrachtet48. Entsprechend ist das Verfahren als gegenstandslos geworden abzuschreiben49.

Gegen den zweitinstanzlichen Entscheid kann wiederum Beschwerde in Zivilsachen ans Bundesgericht geführt werden (Art. 72 ff. BGG). Wenn der Mangel nach Erlass des zweitinstanzlichen Entscheids beho­ben worden ist, so kann dies im bundesgerichtlichen Verfahren aufgrund der Bindung des Bundesgerichts an den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt (Art. 105 Abs. 1 BGG)50 und aufgrund des Novenverbots (Art. 99 BGG) nicht mehr geltend gemacht bzw. berücksichtigt werden51.

e. Widerruf des Konkursesaa. Kein allgemeiner Widerruf

Ein allgemeiner Widerruf des richterlichen Auflösungsentscheides ist nicht möglich52. Weder die ZPO noch die gesellschaftsrechtlichen Be­stimmungen über Organisationsmängel sehen einen solchen Widerruf

44 Urteil 4A_630/2011 vom 7. März 2012, E.3.45 Vgl. 4.d.bb.aaa.46 Bürge/Gut, 165; Machado, 57.47 BasK ZPO­Spühler, Art. 317 N 4; Hilber, in: Sutter­Somm/Hasenböhler/Leuenberger

(Hrsg.), Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich 2010, Art. 317 N 40; CACIV.2001.12, E. 3 und E. 4.b.

48 Urteil des Obergerichts Zürich vom 1. Juli 1011 (LF110048), E. 11; CACIV.2001.12, E. 4.b.; Urteil der zweiten Kammer des Appellationsgerichts des Kantons Tessin vom 28. Oktober 2011 (12.2001.142; abgedruckt in ius.focus 2012 Nr. 36); vgl. auch Andreas W. Weiss in ius.focus 2011/Heft 12; Cinzia Catelli in ius.focus 2011/Heft 4; Machado, 57; mit gewissen Vorbehalten: Edgar Philippin, JdT 2010 I 364.

49 Urteil des Obergerichts Zürich vom 1. Juli 2011 (LF110048), E. 11.50 Urteil 4A_355/2011 vom 16. August 2011.51 Vgl. 4.d.bb.aaa.52 Urteil 4A_234/2011 vom 8. August 2011.

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vor. Art. 153b Abs. 3 HRegV53 sieht zwar vor, dass die Auflösung einer Gesellschaft widerrufen werden kann, wenn innert drei Monaten der ge­setzliche Zustand wiederhergestellt werden kann. Diese Bestimmung gilt jedoch nur bei fehlendem Rechtsdomizil54. Diesfalls verfügt auch der Handelsregisterführer selber (und nicht der Zivilrichter) die Auflösung der Gesellschaft (Art. 153 Abs. 3 HRegV). Damit entfällt auch das Han­delsregisterrecht als Grundlage für einen Widerruf.

bb. Analoge und modifizierte Anwendung von Art. 195 SchKG (Widerruf des Konkurses)

Bei einem «normalen» Konkurs (d.h. bei einem Insolvenzgrund auf­grund des SchKG) widerruft das Konkursgericht den Konkurs u.a. dann, wenn der Schuldner nachweist, dass sämtliche Forderungen getilgt sind (Art. 195 Abs. 1 Ziff. 1 SchKG). Der Widerruf des Konkurses kann vom Ablauf der Eingabefrist an bis zum Schluss des Verfahrens verfügt wer­den (Art. 195 Abs. 2 SchKG).

Da es sich bei der Auflösung einer Gesellschaft (zufolge Organisations­mangel) und Liquidation nach den Bestimmungen über den Konkurs um ein Konkursverfahren ohne Konkurseröffnung handelt55, gelangt die Norm über den Konkurswiderruf nur (aber immerhin) analog zur Anwendung56. Es müssen die Voraussetzungen für einen Konkurswiderruf gegeben sein. Dies ist namentlich der Fall, wenn das Konkursverfahren mit einem Akti-venüberschuss endet. Diesfalls sind alle Konkursforderungen vollständig (qua Konkursdividende) bezahlt (Art. 195 Abs. 1 Ziff. 1 SchKG). Bei einem Aktivenüberschuss ist jedoch zu beachten, dass nebst den eigentlichen Kon­kursforderungen (per Konkurseröffnung) zunächst auch Zinsforderungen

53 Vor der Revision per 1. Januar 2012 war diese Regelung in Art. 153 Abs. 5 aHRegV enthalten.

54 Dies ergibt sich aus der systematischen Stellung von Art. 153b (Verfügung des Handelsregisteramtes), welcher auf Art. 153 (Bei gelöschtem Rechtsdomizil) und Art. 153a (Bei Mitteilung eines angeblich fehlenden Rechtsdomizils durch Dritte) folgt. Erst Art. 154 regelt die Folgen bei Mängeln in der gesetzlich zwingenden Organisation. Vor der Revision per 1. Januar 2012 befand sich der heutige Regelungsgehalt von Art. 153b Abs. 3 HRegV in Art. 153 Abs. 5 aHRegV unter dem Randtitel «Fehlendes Rechts domizil».

55 Vgl. 3. 56 Nach meiner Lesart besagen weder BasK­Watter/Wieser, Art. 731b OR N 26 noch die

Entscheide BGE 136 III 370 ff. (= Pra 2011 Nr. 19) und Urteil 4A_234/2011 vom 8. August 2011 etwas anderes; sie befassen sich nicht mit der Frage, ob Art. 195 SchKG (analog) zur Anwendung gelangt, sondern verneinen (zu Recht; vgl. 4.e.aa.) einen Widerruf gestützt auf die Handelsregisterverordnung (vgl. auch Machado, 56). A.M. offenbar das Handelsgericht Aargau, wonach ein Konkurswiderruf (anders als gemäss der bisherigen Praxis) generell nicht mehr zulässig sein soll. A.M. auch Pierre-Alain Recordon, Les premiers pas de l a̓rticle 731b CO, SZW 2010, 4 f., wonach die Art. 171 ff. SchKG nicht zur Anwendung gelangen (was zutreffend ist); auch dieser Autor nimmt nicht zum Konkurswiderruf gemäss Art. 195 SchKG Stellung.

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50 Schuldbetreibung und Konkurs 76. Jahrgang

für die Zeit seit Beginn des Konkursverfahrens bis zur vollständigen Be­zahlung der Konkursforderung zu zahlen sind57.

Die Bestimmungen über den Konkurswiderruf gelangen aber nur mo-difiziert zur Anwendung: Anlass des Konkurses war ein Organisations­mangel und nicht die Insolvenz58. Aufgrund dessen muss auch der Orga-nisationsmangel behoben sein. Allenfalls ist zu klären, ob das zuständi­ge Handelsregisteramt während des hängigen Konkursverfahrens die Eintragungen im Handelsregister, welche durch Behebung des Organisa­tionsmangels notwendig sind, vornimmt. Sofern das Handelsregisteramt die Eintragungen (zufolge des hängigen Konkursverfahrens) nicht vor­nimmt, genügt es m.E., wenn das Handelsregisteramt bestätigt, die Ein­tragungen nach Widerruf des Konkurses vorzunehmen (was selbstver­ständlich die Vorlage der notwendigen Belege voraussetzt). In der Praxis wird das Handelsregisteramt zuweilen vom Richter im Widerrufsent­scheid angewiesen, die Eintragung vorzunehmen.

Wenn diese beiden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, kann der richterliche Auflösungsentscheid widerrufen werden59. Die kantonale60 Praxis zu dieser Frage ist uneinheitlich, tendiert aber zu Recht mehrheit­lich dazu, einen Konkurswiderruf zuzulassen61. Es gibt nämlich keinen Grund mehr, eine Gesellschaft zwangsweise zu liquidieren, wenn der Mangel behoben worden ist und alle Gläubiger bezahlt worden sind62. Der Umstand, dass mit der Revision der HRegV die Möglichkeit entfal­len ist, gemäss diesem Erlass die Auflösung zu widerrufen63, steht m. E. einem Widerruf gemäss Art. 195 SchKG nicht entgegen64. Zum Widerruf des Auflösungsentscheides ist der Zivilrichter zuständig, welcher ur­sprünglich die Auflösung verfügt hat.

57 BGE 129 III 565 ff.; Lorandi, Besonderheiten beim Aktivenüberschuss in der Generalexekution, Der Glücksfall als Problemfall, AJP 2006, 1263 ff.

58 Vgl. 3.59 Lorandi, Konkursverfahren, 1391; ders. 91; a.M. Bürge/Gut, 160.60 Entscheide des Bundesgerichts liegen meines Wissens bis jetzt nicht vor. 61 Für einen Konkurswiderruf: Verfügung der Einzelrichterin im summarischen

Verfahren am Bezirksgericht Meilen vom 3. Februar 2009 (EO 080027), E. 2 und 3; Verfügung des Gerichtspräsidiums Zofingen vom 8. April 2011 (SG.2010.33); Entscheid des Gerichtspräsidiums Baden vom 20. Mai 2011 (SG.2011.102), wobei mangels Begründung im Entscheid die Rechtsgrundlage unklar ist; gegen einen Konkurswiderruf: Entscheid der Einzelrichterin im summarischen Verfahren am Bezirksgericht Weinfelden vom 10. Februar 2011 (ZV.2011.13), E. 6 bis E. 8.

62 Lorandi, Konkursverfahren, 1391. 63 Vgl. 4.e.aa.64 Nach meiner Lesart erschöpfen sich sowohl BasK­Watter/Wieser, Art. 731b OR N 26 als

auch die Entscheide BGE 136 III 370 ff. (= Pra 2011 Nr. 19) und Urteil 4A_234/2011 vom 8. August 2011 in der (zutreffenden) Aussage, dass die HRegV (die Aussagen haben sich noch auf die aHRegV bezogen; nach der revidierten HRegV gilt jedoch nichts anderes) keine Grundlage für einen Widerruf bildet. Ob ein Widerruf gestützt auf Art. 195 SchKG (analog) möglich ist, dazu äussern sich diese Quellen allesamt nicht.