2015-09-23 BIAJ - BA-Chef hauptamtlich in der Freizeit BAMF-Leiter

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BA-Chef in der Freizeit BAMF-Leiter - Bundesinnenminister ignoriert geltendes Recht Mittwoch, den 23. September 2015 um 17:22 Uhr (BIAJ) In seiner Freizeit, an Wochenenden und in seinem Urlaub will der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, nun auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) leiten – fast ganz so wie die „Strukturkommission-Bundeswehr" im Jahr 2010 (siehe unten). Der BA-Vorstandvorsitzende Weise wurde von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (auch CDU) zum „Freizeit-Leiter" des BAMF bestellt. Zu dessen Aufgaben gehört es insbesondere auch, für eine „ordnungsgemäße Organisation der Asylverfahren" zu sorgen. (§ 5 Absatz 2 Asylverfahrensgesetz – AsylVfg)? Bundesinnenminister Thomas de Maizière hofft offenbar noch immer (?), mit einer Freizeit- und Urlaubsregelung, verbunden mit dem Verzicht auf „Besoldung", die Regelung des § 382 Absatz 5 SGB III aushebeln zu können. Danach darf ein Mitglied des Vorstandes der Bundesagentur für Arbeit (BA) kein anderes besoldetes Amt ausüben. Der BA-Vorstandsvorsitzende Frank-Jürgen Weise kennt diese „Arbeitsteilung" aus der Zeit als Leiter der vom damaligen Bundesverteidigungsminister Karl-Teodor zu Guttenberg in 2010 einberufenden „Strukturkommission Bundeswehr". In seiner Antwort auf die Frage der Süddeutschen Zeitung (Thomas Öchsner und Uwe Ritzer) „Sind Sie als BA-Chef nicht genug ausgelastet?" stellte Frank-Jürgen Weise klar: „Ich nehme für jeden Tag bei der Reformkommission entweder Urlaub bei der BA oder investiere Freizeit und Wochenenden." (Süddeutsche Zeitung, Online, 11. Oktober 2010) Natürlich hat man den Satz „Ich nehme für jeden Tag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entweder Urlaub bei der BA oder investiere Freizeit und Wochenenden." bisher nicht vernommen. Unklar bleibt bisher auch, wie eine selbständige Bundesoberbehörde (§ 87 Artikel 3 Grundgesetz), das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), deren Leitung die Amtsbezeichnung „Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge" führt, in der Freizeit nebenbei geführt werden kann und darf. Die Leitung der selbständigen Bundesoberbehörde BAMF ist gemäß Bundesbesoldungsgesetz zudem, anders als die Leitung einer „Strukturkommission" ein „besoldetes Amt". Und nicht zuletzt stellt sich die Frage: Darf der „Freizeit-Leiter" des BAMF während seiner „Freizeitbeschäftigung" u.a. auch jene Aufgaben übernehmen, für deren ordnungsgemäße Organisation der „Leiter des Bundesamtes" zu sorgen hat – „die ordnungsgemäße Organisation der Asylverfahren"? (Asylverfahrensgesetz: § 5 Absatz 2 AsylVfG) Oder anders gefragt: Wer sorgt für die „ordnungsgemäße Organisation der Asylverfahren", wenn der vom Bundesinnenminister nach § 5 Absatz 2 Satz 1 AsylVfG bestellte „Freizeitchef" des BAMF, dies 1 / 2

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BA-Chef in der Freizeit BAMF-Leiter - Bundesinnenminister ignoriert geltendes RechtMittwoch, den 23. September 2015 um 17:22 Uhr

(BIAJ) In seiner Freizeit, an Wochenenden und in seinem Urlaub will der Vorstandsvorsitzendeder Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, nun auch das Bundesamt für Migrationund Flüchtlinge (BAMF) leiten – fast ganz so wie die „Strukturkommission-Bundeswehr" im Jahr2010 (siehe unten). Der BA-Vorstandvorsitzende Weise wurde vonBundesinnenminister Thomas de Maizière (auch CDU) zum „Freizeit-Leiter" des BAMF bestellt.Zu dessen Aufgaben gehört es insbesondere auch, für eine „ordnungsgemäße Organisation derAsylverfahren" zu sorgen. (§ 5 Absatz 2 Asylverfahrensgesetz – AsylVfg)?

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hofft offenbar noch immer (?), mit einer Freizeit- undUrlaubsregelung, verbunden mit dem Verzicht auf „Besoldung", die Regelung des § 382 Absatz5 SGB III aushebeln zu können. Danach darf ein Mitglied des Vorstandes der Bundesagenturfür Arbeit (BA) kein anderes besoldetes Amt ausüben. 

Der BA-Vorstandsvorsitzende Frank-Jürgen Weise kennt diese „Arbeitsteilung" aus der Zeit alsLeiter der vom damaligen Bundesverteidigungsminister Karl-Teodor zu Guttenberg in 2010einberufenden „Strukturkommission Bundeswehr". In seiner Antwort auf die Frage derSüddeutschen Zeitung (Thomas Öchsner und Uwe Ritzer) „Sind Sie als BA-Chef nicht genugausgelastet?" stellte Frank-Jürgen Weise klar: „Ich nehme für jeden Tag bei derReformkommission entweder Urlaub bei der BA oder investiere Freizeit und Wochenenden."(Süddeutsche Zeitung, Online, 11. Oktober 2010)

Natürlich hat man den Satz „Ich nehme für jeden Tag beim Bundesamt für Migration undFlüchtlinge entweder Urlaub bei der BA oder investiere Freizeit und Wochenenden."bisher nicht vernommen. Unklar bleibt bisher auch, wie eine selbständige Bundesoberbehörde(§ 87 Artikel 3 Grundgesetz), das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), derenLeitung die Amtsbezeichnung „Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge" führt,in der Freizeit nebenbei geführt werden kann und darf. Die Leitung der selbständigenBundesoberbehörde BAMF ist gemäß Bundesbesoldungsgesetz zudem, anders als die Leitungeiner „Strukturkommission" ein „besoldetes Amt". 

Und nicht zuletzt stellt sich die Frage: Darf der „Freizeit-Leiter" des BAMF während seiner„Freizeitbeschäftigung" u.a. auch jene Aufgaben übernehmen, für deren ordnungsgemäßeOrganisation der „Leiter des Bundesamtes" zu sorgen hat – „die ordnungsgemäße Organisationder Asylverfahren"? (Asylverfahrensgesetz: § 5 Absatz 2 AsylVfG) Oder anders gefragt: Wersorgt für die „ordnungsgemäße Organisation der Asylverfahren", wenn der vomBundesinnenminister nach § 5 Absatz 2 Satz 1 AsylVfG bestellte „Freizeitchef" des BAMF, dies

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BA-Chef in der Freizeit BAMF-Leiter - Bundesinnenminister ignoriert geltendes RechtMittwoch, den 23. September 2015 um 17:22 Uhr

nicht darf? Oder aber sollte dem Bundesinnenminister die „ordnungsgemäße Organisation derAsylverfahren" nicht mehr ganz so wichtig sein? (Anmerkung: Das Asylrecht auf dem Weg derArbeitslosenhilfe, die nur noch im Grundgesetz erwähnt wird?)

Und zum bisherigen Schluss (23. September 2015: 18:25 Uhr) noch einmal die Empfehlungvom 21. September 2015: „Der Vorstandsvorsitzende der BA sollte von seinem Amtzurücktreten, um sich ganz und gar auf das fordernde und besoldete Amt desBAMF-Präsidenten konzentrieren zu können, und um den Weg für eine(n) neue(n)BA-Vorstandsvorsitzende(n) freizumachen." Siehe dazu auch die BIAJ-Kurzmitteilung „Aylan,Charlie Hebdo, McDonald's, BA-Chef und BAMF-Präsident – fünf Tage im September 2015"vom 21. September 2015. (hier)

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Aylan, Charlie Hebdo, McDonald‘s, BA-Chef und BAMF- Präsident – fünf Tage im September 2015

September 2015: Am 2. September ertrank der dreijährige Aylan an der EU-Außengrenze Mittelmeer. Am 9. September veröffentlicht Charlie Hebdo die Karikatur „So nah am Ziel“ mit dem an der türkischen Küste angespülten toten Aylan vor einer McDonald‘s-Kindermenü-Werbung. (siehe unten) Am 15. September stellt „McDonald‘s“ der Bundesagentur für Arbeit (BA) „20.000 Sprachkurse für schutz-suchende Menschen in Deutschland zur Verfügung“.1 Am 17. September tritt der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zurück. Am 19. September beruft Bundesinnenminister Thomas de Maizière den Vorstandsvorsitzenden der BA, Frank-Jürgen Weise, zum Präsidenten des BAMF. Der neue BAMF-Präsident bleibt BA-Vorstandsvor-sitzender - trotz § 382 Absatz 5 Satz 1 SGB III.

Die „deutsche Version“ der heftig umstrittenen Charlie Hebdo-Karikatur „So nah am Ziel…“, die den auf der Flucht ertrunkenen kleinen Aylan neben einer McDonald‘s-Werbung für Kindermenüs, zeigt, sähe sicher anders aus.

Warum? In Deutschland hat McDonald‘s sofort auf die französische Version der Karikatur reagiert und keine zwei Kindermenüs zum Preis von einem angeboten, sondern „20.000 Sprachkurse“. Und wem wur-den von McDonald`s diese „Sprachkurse“ angeboten? Der Bundesagentur für Arbeit (BA). Die BA informiert die Öffentlichkeit über dieses McDonald`s-Geschenk in McDonald’s-Manier mit der Presseinformation „Vielfalt ist Chance: McDonald‘s stellt BA 20.000 Sprachkurse zur Verfügung“.1 Typisch McDonald’s. Der Preis dieser „Sprachkurse“ für McDonald’s wird nicht genannt.2 Er soll im sechsstelligen Euro-Bereich

1 BA-Presse-Info Nr. 46 vom 15. September 2015. In dieser letzten BA-Presseinformation vor der Berufung des Vorsitzenden des Vorstandes des Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, zum Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), bei gleichzeitigem Verbleib im Amt des Vorstandsvorsitzenden der BA (dazu gibt es bisher keine Presseinformation der BA), heißt es: „McDonald‘s stellt der BA 20.000 Sprachkurse für schutzsuchende Menschen in Deutschland zur Verfügung. In Zusammenarbeit mit LinguaTV unterstützt das Unternehmen so die Integration der Flüchtlinge in Deutschland. Der aktuelle Zustrom von Bürgerkriegsflüchtlingen nach Deutschland stellt eine beispiellose Herausforderung dar. Um diese zu bewältigen, müssen die Menschen schnellstmöglich in unsere Gesellschaft integriert werden. Grund-bedingung für eine gelingende Integration ist der Erwerb der deutschen Sprache. McDonald’s Deutschland stellt nun der Bundesagentur für Arbeit (BA) 20.000 Deutsch-Sprachkurse zur Verfügung. Diese 3-Monats-Lizenzen werden in Kooperation mit LinguaTV angeboten.“ (siehe dazu auch weiter unten)

2 „Den Preis dafür will das Unternehmen nicht nennen.“ (Die Welt, Online, 15.09.2015)

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liegen, also zwischen 100.000 und 999.999 Euro oder zwischen 5 und 49,99 Euro pro „Sprachkurs“, ge-nauer: pro 3-Monats-Lizenz für einen Online-Sprachkurs (LinguaTV).3.

Der Bundesagentur für Arbeit (BA), die das Geschäftsjahr 2015 nach Schätzung des Bremer Instituts für

Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) mit einem Überschuss in Höhe von über 3,5 Milliarden

Euro abschließen wird (siehe die aktualisierte BIAJ-Abbildung unten), war das Geschenk von McDonalds4

offensichtlich willkommen. Denn McDonald’s zeigt nicht nur der BA, sondern auch dem Bundesamt für

Migration und Flüchtlinge (BAMF) und den vom BAMF zugelassenen Anbietern von Sprachkursen, wie

billig und schnell die deutsche Sprache zu erlernen ist!?

Das geschah am 15. September 2015. Zwei Tage später tritt der Präsident des Bundesamtes für Migration

und Flüchtlinge (BAMF) zurück – aus nicht genannten „persönlichen Gründen“.

Und nur weitere zwei Tage später beruft der Bundesinnenminister Thomas de Maizière den Vorstands-

vorsitzenden der BA, Frank-Jürgen Weise, zum Präsidenten des BAMF – „ein Unding“.5 Ein Rücktritt vom

Amt des Vorstandsvorsitzenden der BA erfolgte (bisher) nicht. Das Amt des BAMF-Präsidenten wurde

damit offensichtlich zugleich (von wem eigentlich) in ein Ehrenamt (bzw. ein unbesoldetes Amt)

verwandelt . Denn in § 382 Absatz 5 SGB III (Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung) heißt es:

„Die Vorstandsmitglieder (der Bundesagentur für Arbeit) dürfen neben ihrem Amt kein anderes besoldetes

Amt … ausüben ….“

Empfehlung : Der Vorstandsvorsitzende der BA sollte von seinem Amt zurücktreten, um sich ganz und gar

auf das fordernde und besoldete Amt des BAMF-Präsidenten konzentrieren zu können, und um den Weg

für eine(n) neue(n) BA-Vorstandsvorsitzende(n) freizumachen. Zyniker könnten in diesen Tagen hinzu-

fügen: Den Flüchtlingen soll es schließlich nicht besser gehen als den Leistungsberechtigten und Arbeit-

suchenden im Rechtskreis SGB II. Aber darauf soll hier nicht näher eingegangen werden. �

Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) Bremen, 21. September 2015 - Verfasser Paul M. Schröder

3 Die Drei-Monats-Lizenzen für „Deutsch für Anfänger 1.1“ und „Deutsch für Anfänger 1.2“ werden von der LinguaTV GmbH Privatkunden zum Preis von jeweils 19,99 Euro pro Monat (!), also zum tatsächlichen Preis von jeweils 59,97 Euro angeboten.

4 erwarteter McDonald’s Nettogewinn 2015: nur „geringfügig“ mehr als der erwartete BA-Überschuss 2015 5 Herbert Prantl in seinem Kommentar „Um alles“ in der Süddeutschen Zeitung vom 19./20.09.2015, Seite 4