205/Maithiolus (1626) schreibt: «Dis gewechs des runden Pfeffers, wie es allhie abcontcrfeit, hab...

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205/ 90 Samstag/Sonntag, 3V4. September 1983 Nr. 205 WOCHENENDE 91cuCc3ttrrfjcr3ci(tmg Was hat Gold mit Kalbsleder zu tun? Zunächst mag man keinerlei Zusammenhang erkennen zwi- schen Kalbsleder und Gold. Dennoch stehen die zwei in einem ebensolchen Verhältnis zueinander wie zu unserer gesamten Volkswirtschaft. Es mag den meisten überraschend kommen, dass Kalbsleder darin eine solche Rolle spielt. Tatsache aber ist, dass die Inflation, unter der wir seit langer Zeit leiden, in ihrer Gesamtheit ebenso wie in allen ihren Teilen mit der Preissteige- rung von Kalbsleder engstens verbunden ist. Diese Beziehungen durchschaute auch ich erst vor kurzem, als das Armband meiner Armbanduhr kaputtging und ich mir deshalb ein neues kaufen musste. Wenn meine Uhr aus Gold wäre, brauchte ich wohl auch ein goldenes Armband dafür, und die sind wirklich sehr teuer, weil Gold ja furchtbar teuer ist. Aber meine Uhr ist nicht aus Gold, sondern aus einem sehr viel billigeren Metall, ich weiss nicht, aus was für einem; jedenfalls tut es dafür auch ein gewöhnliches Armband aus Kalbsleder, und noch billigere Armbänder gibt es wohl kaum. Dennoch fand ich es so teuer, dass ich den Verkäufer fragte, ob es denn daran etwas Besonderes gebe, weswegen es so teuer sei. «Es ist doch ein ganz einfaches Armband aus Kalbsleder», sagte ich, und darauf entgegnete er: «Ja, aber wenn Sie wüssten, wie teuer heutzutage Kalbsleder ist!» Diese Entgegnung war es, die mir den nationalökonomischen Bezug von Kalbsleder zu Gold offenbarte, obgleich ich zuerst dachte, ich hätte mich verhört, und der Verkäufer habe nicht Kalbsleber, sondern Kalbsleber gemeint, denn die ist tatsächlich heutzutage sehr teuer. Aber dann ging mir langsam auf, dass Kalbsleder ebenso wie Kalbsleber aus dem Rohstoff Kalb ge- wonnen wird und dass die Rohstoffe im Preis immer weiter stei- gen. Das bezieht sich auf alle Rohstoffe, ob Gold oder Oel oder Holz oder Kalb, und der Preis von allen ist vom Goldpreis abhängig, weil wir eine Goldwährung haben und weil sich daher alles auf den Preis von Gold bezieht. Wenn also nun Gold das Doppelte kostet wie vor einer bestimmten Zeit, dann zahlen Sie jetzt nicht nur das Doppelte für die Goldkrone in Ihrem Gebiss, sondern auch für das Kalbslederarmband an Ihrer Armband- uhr. Aus dieser nationalökonomischen Lektion lässt sich nun aber noch etwas anderes entnehmen, woran Sie vielleicht auch jetzt noch nicht denken; doch nach einiger Zeit des Nachdenkens kommt man von selber darauf: Wenn nämlich der Goldpreis mit dem Kalbslederprcis so eng verbunden ist, dass sich dieser aus jenem ergibt, dann ergibt sich auch jener aus diesem. Das heisst, wenn Sie heutzutage so viel mehr als früher für die goldene Brücke in Ihrem Gebiss hinlegen mUssen und wenn Sie Ihren Zahnarzt deshalb zur Rede stellen, dann kann der Ihnen zwar eine langwierige Darstellung der Teuerung von Gold während der gesamten Zeit seiner Praxis geben und Ihnen im Börsenbe- richt der Zeitung zeigen, was der heutige Goldpreis ist; aber er könnte auch davon Abstand nehmen, den Goldpreis zu erörtern, und er könnte genausogut sagen: «Wenn Sie wüssten, wie teuer heutzutage Kalbsleder ist!» Klaus Mampen Was Kolonialwaren waren Pfeffer Warum wünschen wir missliebige Personen ins Pfefferland, wo doch der Pfeffer im Paradies, östlich des abendländischen Alltags, im Garten der Gewürze gedeiht? Wer im Land des Pfef- fers war (heute Malaysia), träumt von der Rückkehr an seine lieblichen Gestade das Pfefferland jedoch ist eine Hölle: Gua- yana der Ort der Verbannung. Für unsere Zeit wurde «Papillon» (Henri Charriere, die Flucht aus dem Pfefferland des Leidens) zum Gegenmythos des Ausschlusses aus dem Paradies. Das Land des Pfeffers und das Pfefferland sind Gegenwelten. Zufäl- lig werden diese botanisch durch den Begriff des Pfeffers ge- eint. Der Klassische Pfeffer (Piper nigrum), eine Liane, war bis ins 16. Jahrhundert das scharfe Gewürz schlechthin dann er- wuchs kulinarische Konkurrenz durch die Pfefferschote (Papri- ka, Cayenne- Pfeffer, usw.) der südamerikanischen Nachtschat- tengattung Capsicum. Sowohl das Alkaloid Piperin des «echten» Pfeffers als auch das Capsicum (ein Vanillylamid) reizen die Wärmerezeptoren der Schleimhäute, dem Thermostaten des menschlichen Körper s Hitze vortäuschend, der dieser durch Wärmeabfuhr (Kapillaren erweitern sich) und Schweissabsonde- rung (Wasser verdunstet: die aufgenommene Wärme hat einen Kühleffekt zur Folge) begegnet. Antagonistisch wirkt die Pfeffer- minze (Mentha piperita, ein einheimischer Bastard der Familie der Lippenblütler). Das Menthol (ein Terpenoid) reizt die Kälte- rezeptoren, wo solche vorhanden sind wo wärmeempfindli- che Nerven überwiegen, ruft es jedoch ebenfalls ein Wärmege- fühl hervor (Augenlider, gewisse Gelenke, Abdomen). Pfeffer- minzinfusionen haben im wesentlichen drei pharmakologische Wirkungen: leichte Anästhesie der Magenschleimhaut (gegen Uebelkeit und Erbrechen), Förderung der Lebertätigkeit und des Gallenflusses (Fettverdauung) und Hemmung abnormer Zerset- zungsprozesse im Darm. Reichlich liefert die Wissenschaft Argu - mente, die zeigen, dass die arabische Tasse Minzentee unserem «Verteiler» nach üppigem Mahle überlegen ist. Es ist nicht der Bau der agierenden Moleküle, es ist die Wir- kung der Agentien auf das Nervensystem, weiche drei so ver- schiedene Gewächse unter dem Namen «Pfeffer» eint. Gemein- sam ist ihnen auch, dass «gewaltige Reizerfolge durch unglaub- lich geringe Mengen ausgelöst werden» (Wilhelm Pfeffer [1845 in seinem «Handbuch der Lehre vom Stoff- und Kraftwechsel»). Geschmacklich zum Beispiel nehmen wir Men- thol noch in einer Verdünnung von 1 : 130 000 wahr, der Geruch- sinn ist wohl um die Hälfte weniger empfindsam. Gewitzte Kö- che wissen der Heilpflanze exotische Nuancen in Salaten und Fischgerichten zu entlocken. Dezentes Würzen jedoch ist eine «moderne» Errungenschaft; die europäische Küche der Wohl- habenden ist seit dem Mittelalter durch melodramatisches Pfef- fern gekennzeichnet. Je grosszügiger ein Gastgeber war, desto «heisser» liess er auftragen. Selbst Weine wurden zu konzen- trierten Gewürzlaugen! Und im Mittelpunkt stand stets der Pfef- fer. Es wäre verfehlt, die Pfefferorgien nur physiologisch deuten zu wollen (Konservierungsmittel? Verdauungsförderung?). Ob- wohl schon Megenberg in seinem «Puch der Natur» betont: «Die pringen guot hilf zuo dewen und zuo wolkochen in dem magen.» Denn: «Der mag ist der Srst haven, dar inn daz ezzen gekocht wirt in dem menschen.» Der Pfeffer hat nicht nur die Verdauung gefördert er war der Motor der zivilisatorische n Entwicklung fast eines ganzen Jahrtausends. Schon Plinius, der Pragmatiker, hat sich gewundert: «Es ist sonderbar, dass der (öcmcfmr pfeffer» Piper vulgäre. Maithiolus (1626) schreibt: «Dis gewechs des runden Pfeffers, wie es allhie abcontcrfeit, hab ich zwar selbst nicht gesehen, aber also hat mir's ein Por- tugaleser abgemähte!, der da auff dem Orientischen Meer bis gen Cale- kuth kommen ist.» Pfeffer sich beliebt gemacht hat. Andere Dinge empfehlen sich durch Süssigkeit, wieder andere durch Schönheit; der Pfeffer __ aber konnte nur durch seinen scharfen Geschmack und dadurch Der K.Önig gefallen, dass er aus Indien kommt.» Plinius konnte nicht ah- nen, dass just die Pfeffermode zum Agens des abendländischen Aufbruchs werden sollte. Erst als Leute wie Pierre Poivre, der «voyageur philosoph» (1719 die Gewürzmonopole durch «Umsiedelungen» der Gewürzplantagen durchbrochen hatte, und erst als andere Prestige-Produkte (Tabak, Kaffee, Schokolade, Tee) die zentrale Stellung des Pfefferluxus erschüt- tert hatten, konnte man ohne Gesichtsverlust zur diskreten «Französischen Küche» der Zeit vor Boccuse übergehen. Martin Egli entsteht, ein Gärtlein Eden, die Tomaten schiessen über dem Pferdeapfelkragen empor, treiben Blüten und Früchte zuhauf, desgleichen tun alle Blumen und Gemüse und Kräuter, und zum Schluss wuchert ein mächtiger Kürbis mit gelben Lichtern wie eine riesenhaft satte Boa constrictor in seufzender Umarmung über alles hinweg. Der Gärtner, glücklich fluchend ein Dutzend Rheinschnaken auf seinem nackten braunen Oberkörper totklat- schend, begibt sich nun mit dem befriedigten Lächeln der erfolg- reichen Regenmacher mit würdigen Gesten ans Ernten. Rita Breit bärndütschi liedli oni note name tröschtlech isch: owesmi nümmecgit blybt eboum docheboum wenaber ungereinisch niemermee umewär fürdesache nämczgä: wärächtde zumbischpiu eschtei noneschtei? Sam Süffl Märchen Strassburger Geschichten Paradiesgärtlein Menschen mit dem uralten Bedürfnis, den Spruch «Man soll im Leben ein Haus bauen, einen Baum pflanzen und einen Sohn zeugen» ganz zu erfüllen, finden auf ihrem beharrlichen Weg zur Seligkeit überall einerseits Fussangeln und anderseits zugewor- fene Hilfsleinen, die sie mit Zähnen und Klauen gegen jede Wirklichkeit zu verteidigen wissen: So sind sie nun unüberwind- lich. So kommt es, dass man jemanden wie sie im Frühjahr ein Stück hoppeligen und verwahrlosten Rasen umgraben sieht, für ein Stück Unendlichkeit erstanden oder fürs letzte Goldstück; jedenfalls gräbt dort unzweifelhaft ein Opfer von Wucher und Betrügerei, schreit desohngeachtet mit jedem Spatenstich, der sattdunkle Erde und Mengen von Regenwürmern zutage fördert, jubelnd und helljauchzend auf, kümmert sich nicht um die Nei- der und Lacher, die in Scharen herbeieilen und offenmündig um dies Ländchen herumstehen. Dann sieht man den Garteneleven krümeln und düngen und säen und mit Pferdeäpfeln in der Hand herumlaufen fast in einem, und auf die interessierte Frage nach Sorten wird ein Katalog heruntergerasselt, aus dem sich allenfalls die gängigen Dinge wie Petersilie, Karotten und Zuckererbsen unterscheiden und behalten lassen, während der Gegenstand unserer steigenden Bewunderung schon mit einem Bündel Pflänzchen vom Wochenmarkt kommt, das Setzholz aus schrägrotem Plastik hochgeschwungen, magere und hoffnungs- volle Salat-, Lauch- und Selleriesetzlinge reihenweise in die Erd- löcher hineinstopft und schon wieder herbeirennt, um sie fach- männisch aus der Giesskanne zu segnen. Da aber haben schon seine jammervollen Klagen ihren Anfang genommen: dass eine schreckliche Armee schwarzer und roter Nacktschnecken den- selben soliden Gärtnergeschmack zu besitzen vermeint wie er und sich nachts, nachdem er Dutzende von ihnen, ja ganze Eimerchen voll, gesammelt und den Enten vorgeschmissen hat, in Windeseile mit ihren Stielaugen über das hermachen und nie- derraspeln bis auf den Halm, woran das blankgejammerte Gärt- nerherz besonders gehangen: Eissalat, zarte Kohlrabi und Erb- sen, mit denen man sie morgens gar noch in inniger Umarmung vorfindet, die Schamlosen. Aber nicht allein, dass die schnell aufgeschossenen Kürbiskeimblättchen ebenso schnell wieder verschwinden: Tomatenstauden und Zwiebeln und Knoblauch, auch Salbei und Melisse scheinen immun gegen die räuberischen Gourmets. Ach, und dann bemerken wir eines Tages, als all die Herrlich- keiten wie Kiwis und Gurken schon den Opfergang haben antre- ten müssen, einen hassvoll entschlossenen Blick des Gärtners. Uns schwant nichts Gutes, und richtig: da streut er mit bösem Gelächter bläulichgcsprenkelte Körnchen um den Rand seines Himmelreiches: «Da!» und «Da habt ihr's!» und «So!» Aber sein Blick weicht dem unsrigen aus, denn in seiner Ideologie ist das nun kein Kampf mehr gleich gegen gleich : indem er mit Mit- teln der Uebermacht kämpft, hat er sich ja geschlagen gegeben. Ach, und von nun an ist mit ihm nicht mehr gut Kirschen essen! Und gerade jetzt beginnt der Garten zu gedeihen, nachdem die ersten Tage über Scharen verendeter Schnecken auf einer Schicht getrockneten Schleims den Boden säumen eine Oase Es war einmal ein König , der hatte ein stolzes Schloss. Seine Augen blickten über weite Horizonte, wenn er auf dem Söller seines Turmes stand. Ringsumher gehörte alles ihm. Schloss und Land hatte er von seinen Vätern geerbt, von vielen Königen vor ihm. Sie hingen im Thronsaal, die Bilder seiner Ahnen, ernst blickten sie von den Wänden herab; in goldenen Lettern prang- ten ihre Namen, eine Kette von klingenden Namen über Hun- derte von Jahren hinweg. Nun aber kamen neue Zeiten. Ein grosser, wichtiger Flugha- fen war gebaut worden, eigentlich weit weg vom Schloss, jenseits des Horizonts, aber weit war keine Distanz mehr für die metalle- nen Vögel, und die Horizonte versanken unter ihren Flügeln. Der König hatte den Bau des Flughafens erlaubt, denn er wusste, der war wichtig für sein Land. So kamen jetzt täglich die Flugzeuge am Himmel daher, grau, stolz und hoch, und zogen hinter sich her eine mächtige Schleppe aus Lärm. Kaum war der Lärm verklungen und Stille schlich sich hervor, Vogelgezwit- scher und fernes Taubengurren, so kam das nächste Flugzeug, und wieder rollte das Tosen über die Felder und umhüllte das Schloss, drang durch die Mauern. Die Befehle, die der regie- rende König seinen Vasallen gab, schrumpften zusammen zu hilflosem, stummem Auf- und Zuklappen des Mundes, und er wurde nicht mehr verstanden. Seine Majestät wurde ihm von den donnernden Maschinen geraubt, von diesen seltsam abge- winkelten Kreuzformen, die nun Leben und Himmel beherrsch- ten. Nachts schmückten sie sich mit blinkenden Lichtern, heller, bunter als die Sterne, funkelnder als die Juwelen seiner Krone. Was sollte er tun? Er blickte zu der Reiterstatue seines Vaters hinüber, die auf der Hügelspitze stand, doch sein Vater war längst in Bronze gegossen und stumm, stumm bei Lärm und bei Stille, und der gab ihm keinen Rat. Er wandte sich an seine Minister. «Verbiet1 es, o König!» sagte der eine. «Das kannst du nicht, König», der andere. «Bedenke: Fortschritt bringt deinem Lande Geld. Damit kannst du vieles tun .. Der Lärm nagte an des Königs Nerven. Seine Untertanen, ja, die konnten sich ruhigere Winkel suchen in seinem Land, aber er, der König , residierte treu in seiner Väter Schloss, denn was wäre ein König in einer Hütte am Meer, im Wald? Kein König mehr! Seine Untertanen aber wünschten sich einen König, einen prächtigen, stattlichen König im stolzen, steinernen Schloss. Sei- nem Land zuliebe blieb der König, wo er war. Und auch, weil ihm die Geschäftsleute, die die Flugzeuge benutzten, klarge- macht hatten, dass sie es waren, die ihn bezahlten; und er möge doch tun, was das Volk von ihm erwarte, und er habe sein Image sorgfältig zu pflegen. Weil er keinen andern Beruf gelernt hatte, als König sein, fügte sich der König und regierte weiterhin. Und wenn er nicht gestorben ist, so lebt er heute noch in seinem prunkvollen Schloss unter der Flugschneise. Sylvia Stucki Tüftelei Generationen Grossvater und sein Enkel sind zusammen 7mal so alt wie der Enkel, dessen Vater 3mal so alt ist wie er und halb so alt wie der Grossvater, der mit 55 Grossvater wurde. Wie alt sind die drei? (Lösung in der nächsten Ausgabe der Beilage « Wochenende») Lifträtsel Mostar Lösung aus der letzten Ausgabe der Beilage «Wochenende» Links: 1. Sumatra, 2. Matrose, 3. Morast , 4. Certosa, 5. Bor- ste, 6. Roboter, 7. Kortner, 8. Kontur. Rechts: 1. Trachom, 2. Mozart, 3. Marotte, 4. Termite, 5. Ren- dite, 6. Hendrik, 7. Dichter, 8. Schrein. Schlusslösung: Kuhn, Koch, Bohr, Born, Cori, Kfott, Root. Sato. Neue Zürcher Zeitung vom 24.12.1977

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  • 205/90 Samstag/Sonntag, 3V4. September 1983 Nr. 205 WOCHENENDE 91cuCc3ttrrfjcr3ci(tmg

    Was hat Gold mit Kalbsleder zu tun?Zunächst mag man keinerlei Zusammenhang erkennen zwi-

    schen Kalbsleder und Gold. Dennoch stehen die zwei in einemebensolchen Verhältnis zueinander wie zu unserer gesamten

    Volkswirtschaft. Es mag den meisten überraschend kommen,dass Kalbsleder darin eine solche Rolle spielt. Tatsache aber ist,dass die Inflation, unter der wir seit langer Zeit leiden, in ihrerGesamtheit ebenso wie in allen ihren Teilen mit der Preissteige-rung von Kalbsleder engstens verbunden ist.

    Diese Beziehungen durchschaute auch ich erst vor kurzem,als das Armband meiner Armbanduhr kaputtging und ich mirdeshalb ein neues kaufen musste. Wenn meine Uhr aus Goldwäre, brauchte ich wohl auch ein goldenes Armband dafür, unddie sind wirklich sehr teuer, weil Gold ja furchtbar teuer ist.Aber meine Uhr ist nicht aus Gold, sondern aus einem sehr vielbilligeren Metall, ich weiss nicht, aus was für einem; jedenfalls

    tut es dafür auch ein gewöhnliches Armband aus Kalbsleder,und noch billigere Armbänder gibt es wohl kaum. Dennoch fandich es so teuer, dass ich den Verkäufer fragte, ob es denn daranetwas Besonderes gebe, weswegen es so teuer sei. «Es ist dochein ganz einfaches Armband aus Kalbsleder», sagte ich, unddarauf entgegnete er: «Ja, aber wenn Sie wüssten, wie teuerheutzutage Kalbsleder ist!»

    Diese Entgegnung war es, die mir den nationalökonomischenBezug von Kalbsleder zu Gold offenbarte, obgleich ich zuerstdachte, ich hätte mich verhört, und der Verkäufer habe nichtKalbsleber, sondern Kalbsleber gemeint, denn die ist tatsächlichheutzutage sehr teuer. Aber dann ging mir langsam auf, dassKalbsleder ebenso wie Kalbsleber aus dem Rohstoff Kalb ge-wonnen wird und dass die Rohstoffe im Preis immer weiter stei-gen. Das bezieht sich auf alle Rohstoffe, ob Gold oder Oel oderHolz oder Kalb, und der Preis von allen ist vom Goldpreisabhängig, weil wir eine Goldwährung haben und weil sich daheralles auf den Preis von Gold bezieht. Wenn also nun Gold dasDoppelte kostet wie vor einer bestimmten Zeit, dann zahlen Siejetzt nicht nur das Doppelte für die Goldkrone in Ihrem Gebiss,sondern auch für das Kalbslederarmband an Ihrer Armband-uhr.

    Aus dieser nationalökonomischen Lektion lässt sich nun abernoch etwas anderes entnehmen, woran Sie vielleicht auch jetzt

    noch nicht denken; doch nach einiger Zeit des Nachdenkenskommt man von selber darauf: Wenn nämlich der Goldpreis mitdem Kalbslederprcis so eng verbunden ist, dass sich dieser ausjenem ergibt, dann ergibt sich auch jener aus diesem. Das heisst,wenn Sie heutzutage so viel mehr als früher für die goldene

    Brücke in Ihrem Gebiss hinlegen mUssen und wenn Sie IhrenZahnarzt deshalb zur Rede stellen, dann kann der Ihnen zwareine langwierige Darstellung der Teuerung von Gold währendder gesamten Zeit seiner Praxis geben und Ihnen im Börsenbe-richt der Zeitung zeigen, was der heutige Goldpreis ist; aber erkönnte auch davon Abstand nehmen, den Goldpreis zu erörtern,und er könnte genausogut sagen: «Wenn Sie wüssten, wie teuerheutzutage Kalbsleder ist!» Klaus Mampen

    Was Kolonialwaren waren

    PfefferWarum wünschen wir missliebige Personen ins Pfefferland,

    wo doch der Pfeffer im Paradies, östlich des abendländischenAlltags, im Garten der Gewürze gedeiht? Wer im Land des Pfef-fers war (heute Malaysia), träumt von der Rückkehr an seinelieblichen Gestade das Pfefferland jedoch ist eine Hölle: Gua-yana der Ort der Verbannung. Für unsere Zeit wurde «Papillon»(Henri Charriere, die Flucht aus dem Pfefferland des Leidens)

    zum Gegenmythos des Ausschlusses aus dem Paradies. DasLand des Pfeffers und das Pfefferland sind Gegenwelten. Zufäl-lig werden diese botanisch durch den Begriff des Pfeffers ge-eint.

    Der Klassische Pfeffer (Piper nigrum), eine Liane, war bis ins16. Jahrhundert das scharfe Gewürz schlechthin dann er-wuchs kulinarische Konkurrenz durch die Pfefferschote (Papri-ka, Cayenne- Pfeffer, usw.) der südamerikanischen Nachtschat-tengattung Capsicum. Sowohl das Alkaloid Piperin des «echten»Pfeffers als auch das Capsicum (ein Vanillylamid) reizen dieWärmerezeptoren der Schleimhäute, dem Thermostaten desmenschlichen Körpers Hitze vortäuschend, der dieser durchWärmeabfuhr (Kapillaren erweitern sich) und Schweissabsonde-rung (Wasser verdunstet: die aufgenommene Wärme hat einenKühleffekt zur Folge) begegnet. Antagonistisch wirkt die Pfeffer-minze (Mentha piperita, ein einheimischer Bastard der Familieder Lippenblütler). Das Menthol (ein Terpenoid) reizt die Kälte-rezeptoren, wo solche vorhanden sind wo wärmeempfindli-

    che Nerven überwiegen, ruft es jedoch ebenfalls ein Wärmege-

    fühl hervor (Augenlider, gewisse Gelenke, Abdomen). Pfeffer-minzinfusionen haben im wesentlichen drei pharmakologischeWirkungen: leichte Anästhesie der Magenschleimhaut (gegen

    Uebelkeit und Erbrechen), Förderung der Lebertätigkeit und desGallenflusses (Fettverdauung) und Hemmung abnormer Zerset-zungsprozesse im Darm. Reichlich liefert die Wissenschaft Argu-mente, die zeigen, dass die arabische Tasse Minzentee unserem«Verteiler» nach üppigem Mahle überlegen ist.

    Es ist nicht der Bau der agierenden Moleküle, es ist die Wir-kung der Agentien auf das Nervensystem, weiche drei so ver-schiedene Gewächse unter dem Namen «Pfeffer» eint. Gemein-sam ist ihnen auch, dass «gewaltige Reizerfolge durch unglaub-

    lich geringe Mengen ausgelöst werden» (Wilhelm Pfeffer[1845 in seinem «Handbuch der Lehre vom Stoff- undKraftwechsel»). Geschmacklich zum Beispiel nehmen wir Men-thol noch in einer Verdünnung von 1 : 130 000 wahr, der Geruch-sinn ist wohl um die Hälfte weniger empfindsam. Gewitzte Kö-che wissen der Heilpflanze exotische Nuancen in Salaten undFischgerichten zu entlocken. Dezentes Würzen jedoch ist eine«moderne» Errungenschaft; die europäische Küche der Wohl-habenden ist seit dem Mittelalter durch melodramatisches Pfef-fern gekennzeichnet. Je grosszügiger ein Gastgeber war, desto«heisser» liess er auftragen. Selbst Weine wurden zu konzen-trierten Gewürzlaugen! Und im Mittelpunkt stand stets der Pfef-

    fer. Es wäre verfehlt, die Pfefferorgien nur physiologisch deutenzu wollen (Konservierungsmittel? Verdauungsförderung?). Ob-wohl schon Megenberg in seinem «Puch der Natur» betont:«Die pringen guot hilf zuo dewen und zuo wolkochen in demmagen.» Denn: «Der mag ist der Srst haven, dar inn daz ezzengekocht wirt in dem menschen.» Der Pfeffer hat nicht nur dieVerdauung gefördert er war der Motor der zivilisatorischenEntwicklung fast eines ganzen Jahrtausends. Schon Plinius, derPragmatiker, hat sich gewundert: «Es ist sonderbar, dass der

    (öcmcfmr pfeffer» Piper vulgäre.

    Maithiolus (1626) schreibt: «Dis gewechs des runden Pfeffers, wie es allhieabcontcrfeit, hab ich zwar selbst nicht gesehen, aber also hat mir's ein Por-tugaleser abgemähte!, der da auff dem Orientischen Meer bis gen Cale-

    kuth kommen ist.»

    Pfeffer sich beliebt gemacht hat. Andere Dinge empfehlen sichdurch Süssigkeit, wieder andere durch Schönheit; der Pfeffer __aber konnte nur durch seinen scharfen Geschmack und dadurch Der K.Öniggefallen, dass er aus Indien kommt.» Plinius konnte nicht ah-nen, dass just die Pfeffermode zum Agens des abendländischenAufbruchs werden sollte. Erst als Leute wie Pierre Poivre, der«voyageur philosoph» (1719 die Gewürzmonopoledurch «Umsiedelungen» der Gewürzplantagen durchbrochenhatte, und erst als andere Prestige-Produkte (Tabak, Kaffee,Schokolade, Tee) die zentrale Stellung des Pfefferluxus erschüt-tert hatten, konnte man ohne Gesichtsverlust zur diskreten«Französischen Küche» der Zeit vor Boccuse übergehen.

    Martin Egli

    entsteht, ein Gärtlein Eden, die Tomaten schiessen über demPferdeapfelkragen empor, treiben Blüten und Früchte zuhauf,desgleichen tun alle Blumen und Gemüse und Kräuter, und zumSchluss wuchert ein mächtiger Kürbis mit gelben Lichtern wieeine riesenhaft satte Boa constrictor in seufzender Umarmungüber alles hinweg. Der Gärtner, glücklich fluchend ein DutzendRheinschnaken auf seinem nackten braunen Oberkörper totklat-schend, begibt sich nun mit dem befriedigten Lächeln der erfolg-

    reichen Regenmacher mit würdigen Gesten ans Ernten.Rita Breit

    bärndütschi liedli oni note

    nametröschtlechisch:owesminümmecgitblybt

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    wenaberungereinisch

    niemermeeumewärfürdesachenämczgä:

    wärächtdezumbischpiu

    eschteinoneschtei? Sam Süffl

    Märchen

    Strassburger Geschichten

    Paradiesgärtlein

    Menschen mit dem uralten Bedürfnis, den Spruch «Man sollim Leben ein Haus bauen, einen Baum pflanzen und einen Sohnzeugen» ganz zu erfüllen, finden auf ihrem beharrlichen Weg zurSeligkeit überall einerseits Fussangeln und anderseits zugewor-fene Hilfsleinen, die sie mit Zähnen und Klauen gegen jede

    Wirklichkeit zu verteidigen wissen: So sind sie nun unüberwind-lich.

    So kommt es, dass man jemanden wie sie im Frühjahr einStück hoppeligen und verwahrlosten Rasen umgraben sieht, fürein Stück Unendlichkeit erstanden oder fürs letzte Goldstück;jedenfalls gräbt dort unzweifelhaft ein Opfer von Wucher undBetrügerei, schreit desohngeachtet mit jedem Spatenstich, dersattdunkle Erde und Mengen von Regenwürmern zutage fördert,jubelnd und helljauchzend auf, kümmert sich nicht um die Nei-der und Lacher, die in Scharen herbeieilen und offenmündig umdies Ländchen herumstehen. Dann sieht man den Gartenelevenkrümeln und düngen und säen und mit Pferdeäpfeln in derHand herumlaufen fast in einem, und auf die interessierte Frage

    nach Sorten wird ein Katalog heruntergerasselt, aus dem sichallenfalls die gängigen Dinge wie Petersilie, Karotten undZuckererbsen unterscheiden und behalten lassen, während derGegenstand unserer steigenden Bewunderung schon mit einemBündel Pflänzchen vom Wochenmarkt kommt, das Setzholz ausschrägrotem Plastik hochgeschwungen, magere und hoffnungs-

    volle Salat-, Lauch- und Selleriesetzlinge reihenweise in die Erd-löcher hineinstopft und schon wieder herbeirennt, um sie fach-männisch aus der Giesskanne zu segnen. Da aber haben schonseine jammervollen Klagen ihren Anfang genommen: dass eineschreckliche Armee schwarzer und roter Nacktschnecken den-selben soliden Gärtnergeschmack zu besitzen vermeint wie erund sich nachts, nachdem er Dutzende von ihnen, ja ganzeEimerchen voll, gesammelt und den Enten vorgeschmissen hat,in Windeseile mit ihren Stielaugen über das hermachen und nie-derraspeln bis auf den Halm, woran das blankgejammerte Gärt-nerherz besonders gehangen: Eissalat, zarte Kohlrabi und Erb-sen, mit denen man sie morgens gar noch in inniger Umarmungvorfindet, die Schamlosen. Aber nicht allein, dass die schnellaufgeschossenen Kürbiskeimblättchen ebenso schnell wiederverschwinden: Tomatenstauden und Zwiebeln und Knoblauch,auch Salbei und Melisse scheinen immun gegen die räuberischenGourmets.

    Ach, und dann bemerken wir eines Tages, als all die Herrlich-keiten wie Kiwis und Gurken schon den Opfergang haben antre-ten müssen, einen hassvoll entschlossenen Blick des Gärtners.Uns schwant nichts Gutes, und richtig: da streut er mit bösemGelächter bläulichgcsprenkelte Körnchen um den Rand seinesHimmelreiches: «Da!» und «Da habt ihr's!» und «So!» Abersein Blick weicht dem unsrigen aus, denn in seiner Ideologie istdas nun kein Kampf mehr gleich gegen gleich : indem er mit Mit-teln der Uebermacht kämpft, hat er sich ja geschlagen gegeben.Ach, und von nun an ist mit ihm nicht mehr gut Kirschenessen!

    Und gerade jetzt beginnt der Garten zu gedeihen, nachdemdie ersten Tage über Scharen verendeter Schnecken auf einerSchicht getrockneten Schleims den Boden säumen eine Oase

    Es war einmal ein König, der hatte ein stolzes Schloss. SeineAugen blickten über weite Horizonte, wenn er auf dem Söllerseines Turmes stand. Ringsumher gehörte alles ihm. Schloss undLand hatte er von seinen Vätern geerbt, von vielen Königen vorihm. Sie hingen im Thronsaal, die Bilder seiner Ahnen, ernstblickten sie von den Wänden herab; in goldenen Lettern prang-ten ihre Namen, eine Kette von klingenden Namen über Hun-derte von Jahren hinweg.

    Nun aber kamen neue Zeiten. Ein grosser, wichtiger Flugha-

    fen war gebaut worden, eigentlich weit weg vom Schloss, jenseits

    des Horizonts, aber weit war keine Distanz mehr für die metalle-nen Vögel, und die Horizonte versanken unter ihren Flügeln.

    Der König hatte den Bau des Flughafens erlaubt, denn erwusste, der war wichtig für sein Land. So kamen jetzt täglich dieFlugzeuge am Himmel daher, grau, stolz und hoch, und zogenhinter sich her eine mächtige Schleppe aus Lärm. Kaum war derLärm verklungen und Stille schlich sich hervor, Vogelgezwit-

    scher und fernes Taubengurren, so kam das nächste Flugzeug,

    und wieder rollte das Tosen über die Felder und umhüllte dasSchloss, drang durch die Mauern. Die Befehle, die der regie-

    rende König seinen Vasallen gab, schrumpften zusammen zuhilflosem, stummem Auf- und Zuklappen des Mundes, und erwurde nicht mehr verstanden. Seine Majestät wurde ihm vonden donnernden Maschinen geraubt, von diesen seltsam abge-

    winkelten Kreuzformen, die nun Leben und Himmel beherrsch-ten. Nachts schmückten sie sich mit blinkenden Lichtern, heller,bunter als die Sterne, funkelnder als die Juwelen seiner Krone.

    Was sollte er tun? Er blickte zu der Reiterstatue seines Vatershinüber, die auf der Hügelspitze stand, doch sein Vater warlängst in Bronze gegossen und stumm, stumm bei Lärm und beiStille, und der gab ihm keinen Rat. Er wandte sich an seineMinister. «Verbiet1 es, o König!» sagte der eine. «Das kannst dunicht, König», der andere. «Bedenke: Fortschritt bringt deinemLande Geld. Damit kannst du vieles tun . . .»

    Der Lärm nagte an des Königs Nerven. Seine Untertanen, ja,die konnten sich ruhigere Winkel suchen in seinem Land, aberer, der König, residierte treu in seiner Väter Schloss, denn waswäre ein König in einer Hütte am Meer, im Wald? Kein Königmehr! Seine Untertanen aber wünschten sich einen König, einenprächtigen, stattlichen König im stolzen, steinernen Schloss. Sei-nem Land zuliebe blieb der König, wo er war. Und auch, weilihm die Geschäftsleute, die die Flugzeuge benutzten, klarge-

    macht hatten, dass sie es waren, die ihn bezahlten; und er möge

    doch tun, was das Volk von ihm erwarte, und er habe sein Imagesorgfältig zu pflegen. Weil er keinen andern Beruf gelernt hatte,als König sein, fügte sich der König und regierte weiterhin. Undwenn er nicht gestorben ist, so lebt er heute noch in seinemprunkvollen Schloss unter der Flugschneise. Sylvia Stucki

    Tüftelei

    GenerationenGrossvater und sein Enkel sind zusammen 7mal so alt wie der

    Enkel, dessen Vater 3mal so alt ist wie er und halb so alt wie derGrossvater, der mit 55 Grossvater wurde. Wie alt sind die drei?

    (Lösung in der nächsten Ausgabe der Beilage « Wochenende»)

    Lifträtsel

    MostarLösung aus der letzten Ausgabe der Beilage «Wochenende»

    Links: 1. Sumatra, 2. Matrose, 3. Morast, 4. Certosa, 5. Bor-ste, 6. Roboter, 7. Kortner, 8. Kontur.

    Rechts: 1. Trachom, 2. Mozart, 3. Marotte, 4. Termite, 5. Ren-dite, 6. Hendrik, 7. Dichter, 8. Schrein.

    Schlusslösung: Kuhn, Koch, Bohr, Born, Cori, Kfott, Root.Sato.

    Neue Zürcher Zeitung vom 24.12.1977