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9/2011 Die linke Kleinzeitung für den Landkreis Gotha 16. Jahrgang • 178. Ausgabe Aus dem Inhalt: 3 Klaus Perlt: Die Energiewende und wie sich DIE LINKE positioniert 6 Christine Buchholz: Zehn Jahre Krieg gegen den Terror Helga Oschütz: Das »klarsicht«- Interview 10 Tauben statt Bomben!

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9/2011

Die linke Kleinzeitung für den Landkreis Gotha

16. Jahrgang • 178. Ausgabe

AusdemInhalt: 3 Klaus Perlt:

Die Energiewende und wiesich DIE LINKE positioniert6Christine Buchholz:

Zehn Jahre Krieggegen den Terror

Helga Oschütz:Das »klarsicht«-Interview 10

Taubenstatt Bomben!

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Fotos (5): k/s Lothar Adler

Dem Wetter nach glich das diesjährige Sommerfest der LINKEN ehereiner Herbstveranstaltung. Dafür war die Stimmung umso freundlicher.Der Kreisvorstand DIE LINKE. Gotha und der Verein »kubiXX« hattenzum lockeren politischen Gespräch am 30. Juli 2011 eingeladen.

Sommerfest

OffenerBrief...

Über Recht und Gesetz im Lande, über die Probleme der Polizei und die Sicht der LINKEN aufdieselben, über Demonstrationen, Pfefferspray und Drogenkonsum ließ sich Frank Tempel,Abgeordneter der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, Einiges entlocken (Foto links, im Ge-spräch mit Doris Wiegand). Mitstreiter der LINKEN aus dem Main-Kinzig-Kreis erzählten vonden kommunalpolitischen Freuden und Sorgen der »Wessis«.

Und Bratwürste, Kaffee sowie selbst gebackener Kuchen schmeckten wie immer ausge-zeichnet, »gingen weg, wie warme Semmeln« (Foto unten rechts).

des Kreisverbandes DIE LINKE. Gotha

Die »Dancers for Gold« bei ihrem Auftritt (Foto linksunten). Gerd Roth, Gerd Döllstedt und Uwe Zerbst(Foto unten, von links) im Gespräch.

Fotos:Norbert Schimmelpfennig (4)

und Gerd Döllstedt (1).

...an alle Mitgliederund Freunde der Partei

DIE LINKEim Landkreis Gotha

iebe Genossinnen und Genossen,vor unserer Gesamtmitgliederversammlung am 24. Sep-

tember 2011 wende ich mich in wichtiger Sache noch einmal anEuch, da die politischen Anforderungen an unsere Partei in denletzten Monaten enorm gewachsen sind.

Die arabischen Länder sind in Bewegung geraten, in Libyen spre-chen die Waffen, der Nahostkonflikt ist von einer Lö-sung weit entfernt, Afghanistan ist alles andere alsein Hort politischer Stabilität. Innenpolitisch haut manuns den Mauerbau vom 13. August 1961 gehörig umdie Ohren, wenn auch meist in Geschichte verfälschen-den Auslegungen. Die eine oder andere aktuelleSchwierigkeit im Dialog mit der Gesellschaft resul-tiert auch aus der mit viel Engagement und Leiden-schaft geführten Debatte um den 1. Entwurf für einProgramm unserer Partei.

Mit der im Jahr 2007 gegründeten Partei DIE LIN-KE sind nicht nur in Deutschland große Erwartungenverbunden. Wir stehen zu Recht auch unter internati-onaler »Beobachtung«.

Von uns angestrebte gesellschaftliche Veränderun-gen hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit und Friedenkönnen nur erreicht werden, wenn wir ungezählteMitstreiter im Geiste und im Handeln haben.

Ein Gesellschaftssystem, das dem Kapital quasi un-eingeschränkte Vollmacht erteilt, zerstört auf lange Sicht das fried-liche Zusammenleben, die Umwelt und letzten Endes den Men-schen selbst. Dem sich entgegenzustellen, verlangt auch unseremKreisverband alles ab.

Die tägliche und langfristige politische Arbeit im KreisverbandGotha muss mit den Mitgliedern, mit unseren Kreistags-, Stadt-

und Gemeinderatsabgeordneten sowie mit einer Vielzahl von Sym-pathisanten und Verfechtern von ähnlichen Zielen konzipiert undabgesprochen werden.

Das zu organisieren, ist Sache des Kreisvorstandes. Deshalbsollen für diese Arbeit besonders motivierte und engagierte Ge-nossinnen und Genossen zur Verfügung stehen. Im Kreisvorstand

Gotha braucht man Erfahrung und Spontanität, Aus-dauer und Zielstrebigkeit sowie Verantwortungsbe-wusstsein und Gespür für Gemeinsamkeit. Der Kreis-vorstand ist das wichtigste, die Basis führende Or-gan unseres Verbandes.

Liebe Genossinnen und Genossen, ich habe michentschlossen, wieder für das Amt des Vorsitzendendes Kreisverbandes DIE LINKE. Gotha zu kandidie-ren. Auch andere Mitglieder des jetzigen Vorstandshaben ihre Bereitschaft erklärt, ihre Arbeit fortzu-setzen. Im neu zu wählenden Vorstand sollen mög-lichst viele Basisgruppen vertreten sein, und es sol-len sich möglichst viele spezielle Kenntnisse und Er-fahrungen vereinigen – auch zum Beispiel über denUmgang mit finanziellen Mitteln. Zudem soll im Vor-stand möglichst jede Altersgruppe vertreten sein.

*Daher rufe ich auf, sich um eine Kandidatur für dennächsten Kreisvorstand zu bewerben oder diesbe-

zügliche Vorschläge zu unterbreiten. Auch für die Finanz- undRevisionskommission sind Kandidaturen erwünscht.

Für das Ziel, dem demokratischen Sozialismus ein Stück näherzu kommen, brauchen wir jede Kraft.

Euer Bernd Fundheller,Vorsitzender des Kreisverbandes DIE LINKE. Gotha

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+++ die seite zur titelseite +++ die seite zur titelseite +++

m Oktober 2011 jährt sich der Beginn des NATO-Kriegesin Afghanistan zum zehnten Mal. Weniger als einen Mo-nat nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hat

der vom damaligen US-Präsidenten ausgerufene »globale Krieggegen den Terror« konkrete Formen angenommen – und deut-sche Soldaten waren dank Bundeskanzler Schröders zugesi-cherter »bedingungsloser Solidarität« dabei.

Einigen Politikern in den USA kam die Tragödie von NewYork und Washington, bei der rund 3500 Menschen getötetwurden, gerade recht. Verteidigungsminister Donald Rumsfeldzum Beispiel sagte, man müsse diese Gelegenheit nutzen. Wennes nach diesen Leuten gegangen wäre, hätten die USA sofortdem Irak den Krieg erklärt.

Das nämlich war Kernele-ment des sogenannten »Pro-jektes für eine neues ameri-kanisches Jahrhundert«, dasvon führenden amerikani-schen Konservativen erson-nen wurde, um die wirt-schaftliche und militärischeDominanz der USA zu erhal-ten. Und die Kontrolle über die Energie-reserven des Nahen und Mittleren Ostenspielte dabei die Hauptrolle.

Allerdings gab es keine belastbaren Ver-bindungen zwischen den Anschlägen aufdas World Trade Center und dem Regimevon Saddam Hussein im Irak. So setztensich diejenigen Strategen durch, die dieNeuordnung Asiens mit einem Einmarschin Afghanistan beginnen wollten. Aber vonAnfang an hatte George W. Bush deutlichgemacht, dass der »Krieg gegen den Ter-ror« nicht räumlich und zeitlich zu be-grenzen ist und dass die Liste der Schur-kenstaaten lang sei.

Der Krieg in Afghanistan hat bereitsZehntausende zivile Opfer gekostet. Al-lein im ersten Halbjahr 2011 wurdennach UN-Angaben über 1400 Zivilisten getötet. Von Demokra-tie und Menschenrechten – insbesondere Frauenrechten – kannin Afghanistan im zehnten Jahr der Besatzung keine Rede sein.Selbst der jährliche beschönigende Bericht der Bundesregie-rung sprach dieses Jahr von einer »ernüchternden Bilanz«.

Das Regime Hamid Karsais ist korrupt, brutal und kann sichnur mit Hilfe der rund 140 000 NATO-Soldaten im Land an derMacht halten. Die Kosten für die afghanische Armee und Polizeisind etwa fünf Mal so hoch wie die gesamten SteuereinnahmenAfghanistans. Das erzwungene Programm der Marktliberalisie-rung und Privatisierung hat der Landbevölkerung jegliche Alter-native zum Drogenanbau entzogen. Perspektive? Fehlanzeige!

2003 kam der Krieg gegen Irak dazu. Gegen die größte glo-bale Antikriegsbewegung der Geschichte begann Bush jr. mitseiner »Koalition der Willigen« diesen Krieg. Durch die Bom-ben, durch die Zerstörung der sozialen Infrastruktur und durchden Einsatz von Munition aus abgereichertem Uran sind meh-rere Hunderttausend Menschen im Irak gestorben.

Auch dort setzte die US-Besatzung ein neoliberales Privatisie-rungsprogramm durch. Die Versorgung der Bevölkerung und derStand der Arbeitslosigkeit sind schlimmer als während des Krie-ges zwischen Irak und Iran in den 1980er Jahren. Politische Stabi-lität, Demokratie und wirtschaftlicher Wiederaufbau sind in wei-ter Ferne, ebenso der Abzug der verbliebenen 50 000 US-Solda-

ten.Der Krieg hat für die be-

troffenen Bevölkerungenim Irak und in Afghanis-tan nur Leid und Schmerzgebracht. Aber im Zuge des»Kampfes gegen den Ter-ror« haben sich US-Trup-pen in Zentralasien (Usbe-kistan, Tadschikis-tan, Af-

ghanistan) etabliert, ihre Präsenz im pa-zifischen Raum verstärkt (Japan, Phil-ippinen, Südkorea, Taiwan), Stützpunk-te im Indischen Ozean ausgebaut (DiegoGarcia) und die strategische Partner-schaft mit Indien vertieft – kurzum: denmilitärischen Ring um China, das alswichtigster Konkurrent um die globaleVorherrschaft gesehen wird, enger ge-zogen.

Folterzentren in Bagram und Guantá-namo, Überwachungswahn, Schürenvon Hysterie und Rassismus, vor allemgegenüber Menschen aus dem arabi-schen Raum und Muslima und Musli-men, sind die Begleiterscheinungen die-ser Militarisierung der Außenpolitik.Und neben dem Abbau von Demokra-

tie und Menschenrechten im Innern zeichnet sich auch eineAushöhlung des Völkerrechts ab.

Alle deutschen Bundesregierungen seit 2001 beteiligen sichauf die eine oder andere Weise daran. Diesen Skandal zubeenden, ist die Aufgabe der Friedensbewegung und derLinken in Deutschland. Die Proteste anlässlich der Afgha-nistan-Konferenz in Bonn am 8. Oktober 2011, dem Jahres-tag des Beginns des Afghanistan-Krieges, ist die nächsteGelegenheit, politischen Druck auf die kriegstreibendenStaaten auszuüben und auf die schrecklichen Entwicklun-gen in Afghanistan aufmerksam zu machen.

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Der Krieg in Afghanistan hat bereits Zehntausende zivile Opfer gekostet. Allein im ersten Halbjahr2011 wurden nach UN-Angaben über 1400 Zivilisten getötet. Von Demokratie und Menschenrechten– insbesondere Frauenrechten – kann in Afghanistan im zehnten Jahr der Besatzung keine Rede sein.“

Eine Bilanz

friedenspolitische Sprecherinder Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

vonChristineBuchholz,

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Unser Autor:Sebastian Schreiner

Neue Wege, neue Ideen und neueZuversicht auf einen Politikwechsel

im Kreistag Gotha

Kontakt:99867 Gotha, Blumenbachstraße 5

Fon:03621/856162 | 856166

Fax:03621/856164 | Vera Fitzke (V.i.S.d.P.)

Politiker der LINKEN:Vera Fitzke,

Rainer Jesse,Anja Großmann, Carola

Liebetrau, DietmarDrescher, Marcel

Dietrich,Dr. Heide Wildauer,

Bernd Fundheller,Alexander Krug

undSebastian Schreiner.

An der Heimatgeschichte interessiertGerhard Schreiner, Vorsitzender des Ge-schichts- und Heimatvereins Brüheim e.V.,begrüßte die Gäste im Torhaus, dem Sitzdes Vereins. Hier finden neben den Vereins-treffen sowohl die Sitzungen der Gemein-de als auch Festveranstaltungen statt – egalob öffentlich oder privat. In den Räumendes Obergeschosses befinden sich die Aus-stellungsräume zur Heimatgeschichte.

Neben der Historie zur Ortsentwicklungoder des Glasharmonikaspielers AdamWenk spielen auch aktuelle Geschehnisseeine Rolle. Zum Beispiel sind die Arbeits-ergebnisse zum Dorferneuerungsprozess zusehen.

Eines nahmen die Fraktionäre auf jedenFall aus Brüheim für ihre politische Arbeitim Kreistag mit: Die parteilichen Ränke-spiele gehörten hier der Vergangenheit an.Dies sollten sich vor allem SPD und CDUins Stammbuch schreiben.

DIE LINKEsieht sich in der Verantwortung

Über eines waren sich die Klausurteilneh-mer einig: Auf den bisherigen Erfolgen darfman sich nicht ausruhen. Die verbesserteÖffentlichkeitsarbeit, die Senkung derKreisumlage oder die Schwerpunktsetzungin der Schulnetzdiskussion sind ein guterStart. Aber das ist noch lange nicht genug,

Sommerklausur der Gothaer Kreistagsfraktion der LINKEN in Brüheim

Am 23. Juli 2011 trafen sich die Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE. im KreistagGotha, deren sachkundige Bürger sowie die Mitglieder des Kreisvorstandes DIE LINKE.Gotha im Brüheimer Torhaus zu ihrer Sommerklausurtagung. Die Kreistagsfraktion willeine neue Tradition einpflegen. Im letzten Jahr fand erstmals eine Tagung innerhalb derpolitischen Sommerpause statt. Damals stand nach dem Ausscheiden von Dana Bauerdie Selbstfindung der Fraktion auf der Agenda. In diesem Sommer wollte man sich malunabhängig vom vorgeschriebenen Sitzungsplan treffen, um sich langfristig auf be-stimmte Themen vorzubereiten.

um den Wählerinnen und Wählern gerechtzu werden.

Die Weiterentwicklung des Nahverkehrs-plans, die Umsetzung des Bildungs- und Teil-habepaktes der Bundesregierung im Sin-

ne der Betroffenen und die Aufstellung ei-nes soliden und nachhaltigen Kreishaus-haltes werden in der nächsten Zeit im Mit-telpunkt stehen.

Zudem will man daran mitwirken, dassDIE LINKE mehr noch als Partei der Arbeit-nehmer und sozialen Gerechtigkeit wahr-genommen wird. Ebenso wird man sich aufdie Seite der Städte und Gemeinden stel-len, wenn es um den Kommunalen Finanz-ausgleich geht.

DIE LINKE stellt Landrat ab 2012Mit dem Ziel, die gegenwärtigen Fragennicht nur zu beantworten, sondern auch

eine personelle Antwort zu geben, kehrt dieKreistagsfraktion der LINKEN aus der Som-merpause zurück. Mit dem Vorsitzendendes Kreisverbandes Bernd Fundheller dis-kutierten die Fraktionsmitglieder bereits

über mögliche Kandidaten. Mehr Mitbe-stimmung und Öffentlichkeit, die Reformder Kreisverwaltung, eine nachhaltigeHaushaltspolitik und der Erhalt der kultu-rellen Einrichtungen sollen nur einige Auf-gaben des nächsten Landrates sein.

Foto: Martina Mürb

• Im Jahr 2010 wurden von den Sozialhilfeträgern Thüringens 481 Millionen Euro für Leistungen der Sozi-alhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) brutto ausgegeben. Nach Abzug der Einnahmenin Höhe von 56,7 Millionen Euro, wie z. B. Kostenbeiträge und Kostenersatz, Leistungen Dritter oder Rück-

zahlungen, betrugen die Nettoausgaben 424,3 Millionen Euro. Nach Mitteilung des Thüringer Landesamtes für Statistik waren das24,2 Millionen Euro bzw. 6 Prozent mehr als im Jahr zuvor.• Am 31. Dezember 2010 erhielten 8224 Personen im Rahmen der Sozialhilfe laufende Hilfe zum Lebensunterhalt, davon 2613Personen außerhalb von Einrichtungen und 5611 Personen innerhalb von Einrichtungen. Das waren nach Mitteilung des ThüringerLandesamtes für Statistik 11 Personen bzw. 0,1 Prozent mehr als Ende 2009. Bezogen auf 1000 Einwohner waren das wie bereitsim Jahr zuvor 3,7 Empfänger. p p p p p

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»Fundstück(e)«»Fundstück(e)«»Fundstück(e)«»Fundstück(e)«»Fundstück(e)«auf Schloss Friedensteinauf Schloss Friedensteinauf Schloss Friedensteinauf Schloss Friedensteinauf Schloss Friedenstein

Die erste Fundstelle ist in der Kirchgalerie desSchlosses. Und die Fundstück-Überraschung er-wies sich als ein Gemälde-Duo von Lucas Cra-nach d. Ä., das der Künstler seinerzeit (um 1538)in Öl auf Lindenholz malte. Judith an der Tafelvon Holofernes, wo sie ihn mit weiblichem Char-me bezirzt (siehe Foto Mittelspalte oben), undim Zelt, wo sie nach der Bluttat sein Haupt ent-sorgt, erwies sich für mich als eine regelrechteKrimi-Story aus dem Alten Testament: DurchMut und weiblicher List war es der schönenWitwe Judith gelungen, in das kriegerische La-ger vorzudringen und der feindlichen Bedro-hung ein Ende zu setzen; nämlich mit der Ent-hauptung des Feldherren Holofernes.

Dr. Krischke gewährte einen Einblick sowohlin die biblische Geschichte als auch in die desSchmalkaldischen Krieges, in dem Judith zurSymbolfigur des protestantischen Wehrwillensgegen die Heere Karls V. wurde. Aber auch ma-lerische Details rückte er ins Blickfeld. Plötz-lich erkannte ich den Künstler, der sich am Randdes Bildes porträtiert hatte und demonstrativauf das Geschehen zeigte. Ich erfuhr, dass erden Figuren zeitgemäße Züge und standesge-mäße modische Accessoires verlieh und vielesInteressante mehr.

Das zweite »Fundstück« präsentierte der Di-rektor der Stiftung Schloss Friedenstein, Dr.Eberle, persönlich. In der braunen Galerie rück-te er das aufregende Leben Johann FriedrichBöttgers in Erinnerung. Jener Alchimist, der den»Stein der Weisen« finden wollte und für Au-gust den Starken Gold machen sollte, fand aufeinem langen experimentellen Weg und im Zu-sammenwirken mit dem Naturforscher Tschirn-haus noch vor dem Porzellan zunächst einenkünstlichen Stein.

Dieses edle keramische Material – heute istes als Böttgersteinzeug eine geschützte Marken-bezeichnung – konnte durch raffinierte Techni-ken veredelt werden und fand durch Kombina-tion mit Gold, Silber und Edelsteinen Eingangin den exklusiven Bereich der höfischen Schatz-kunst. Der Sammelleidenschaft Friedrich II. vonSachsen-Gotha-Altenburg ist es zu verdanken,dass 150 kleine Kunstwerke aus Böttgers »ro-tem Gold« die bis heute weltweit bedeutendsteSpezialsammlung ihrer Art ausmachen. Darun-ter befinden sich neben Tassen, Kannen, Vasenund Tellern auch sechs der weltberühmten ein-

»Fundstück(e)« ist ein neues gemeinsames Vorhaben von Schloss Friedens-tein und der Urania. Der Probelauf mit den ersten drei Fundstücken erwiessich als eine interessante Überraschung, die – so der Direktor für Kommuni-kation Dr. Krischke – zu einer Dauereinrichtung wird. Aus einer Vielzahl dervon den Gothaer Herzögen in Jahrhunderten zusammengetragenen Schätzewill man jeweils einzelne Exponate auswählen und sie im Detail einem klei-nen interessierten Kreis offerieren. Erst an Ort und Stelle wird man erfah-ren, um welches »Fundstück« es sich handelt. Dann aber soll man in vielenEinzelzeiten das ganze Drum und Dran erfahren.

zigartigen Komödienfiguren (zwei davon sieheoben links und rechts), die man den DresdnerBildhauern des 17. und 18. Jahrhunderts Tho-

mae und Heemann zuschreibt. Auf Irrwegen –über Leningrad, Berlin, Dresden – hat dieseSammlung den Weg zurück nach Gotha gefun-den und ist in der braunen Galerie zu besichti-gen.

Auf der Suche nach dem dritten Fundstückführte uns der Pressesprecher Marco Karthe

ins Fliederzimmer. Hier residierte seinerzeit dasEnfant terrible der Gothaer Herzöge. Emil Au-gust, der vorletzte Landesfürst des HerzogtumsSachsen-Gotha-Altenburg schuf in seiner Regie-rungszeit (1804 – 1822) viele soziale Einrich-tungen. Er ließ Straßen anlegen, sorgte für Weg-weiser, richtete eine berittene Gendarmerie ein,schaffte die Kirchenbuße ab und bereichertedie Kunstsammlungen des Schlosses.

Darüber hinaus aber gab seine eigentümli-che, wunderliche und ungezügelte Phantasie sei-nem Geist eine merkwürdige Richtung, die ihnals exzentrischen Sonderling auswies. Er hatteeine starke Neigung zum Transvestismus undwusste den Herzoglichen Hof immer wieder zuschockieren. In seiner Vorliebe für provozieren-de und schockierende Auftritte zeigte er sichselbst bei offiziellen Anlässen oft in Frauenklei-dern. Unter vorgehaltener Hand munkelte mansogar, dass, wenn er Altenburg besuchte, wäh-rend dieser Zeit alle Jünglinge von Hofe entferntwurden.

In seiner grenzenlosen Eitelkeit ließ er sichals »Genius des Ruhmes« malen, wie er es vonGemälden am Dresdener Hof und aus der Anna-Amalia-Bibliothek kannte. Allerdings sollte dasallegorische Kunstwerk seine Gesichtszüge, dieFürstenkrone und eine Papyrusrolle aufweisen.Es hat – wie auch eine der bedeutendsten mu-sealen Fächersammlungen – im Fliederzimmeraus Schloss Friedenstein einen festen Platz (sie-he Foto Mittelspalte unten).

Zeit seines Lebens war Herzog Emil Augustein glühender Napoleon-Verehrer. Aber nachder Niederlage bei Waterloo und dem WienerKongress wurde er in aristokratischen und di-plomatischen Kreisen zur persona non grata.Aus diesem Grund – so wird vermutet – sindviele seiner gesammelten Kunstschätze ver-schwunden, versteckt oder vernichtet.

Jedenfalls haben die bisherigen »Fundstü-ck(e)« auf Schloss Friedenstein sowohl meinCranach- als auch mein Böttger- wie auch meinGothaer Herzog-Verständnis wesentlich erwei-tert.

Ich bin auf die nächsten »Fundstück(e)« ge-spannt, die im September 2011 in Serie gehenwerden – und zwar für dieses Jahr am 15. Sep-tember, 13. Oktober, 24. November und 15. De-zember jeweils um 10 Uhr. uwe

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DieEnergiewendeund wie sich

positioniert

Ich bittealle Leser der»klarsicht«,sich aktivan einerEnergiedebattezu beteiligen...Unser Autor:

Klaus Perlt

In der letzten Zeit verfestigt sich der Ein-druck, dass sich inzwischen alle Parteien inDeutschland einen grünen Anstrich verpassthaben. Vor einem Jahr jedoch sah das nochganz anders aus. Scheinbar waren die Ereig-nisse von Tschernobyl bei den meisten inVergessenheit geraten oder man glaubte,dass dieses Unglück vorrangig dem damalsbestehenden System in der ehemaligen Sow-jetunion zuzuschreiben sei.

Wie positionierten sich aber in der Ver-gangenheit die Vordenker des Sozialismus/Kommunismus? Lenin formulierte: »Kommu-nismus ist Sowjetmacht plus Elektrifizie-rung«. Wenn ich an meine Schulzeit und be-sonders an die Jugendweihe denke, bei deruns das Buch »Weltall Erde Mensch« über-reicht wurde, gab es damals in Ost und Westdie einhellige Meinung, dass die Hauptener-giequelle künftig die Nutzung der Kernen-ergie ist und dass spätestens zur Jahrtausend-wende die Kernfusion als Hauptquelle derGewinnung von Elektroenergie dienen wür-de. Auch andere Formulierungen machtenklar, wie man damals zur Gewinnung vonRohstoffen stand. Die Rohstoffe wurden aus-gebeutet.

Wie ist es aber heute? Man spricht immerwieder vom Klimawandel, vom Vernichtendes Urwaldes in Regenwaldregionen, vomCO

2-Ausstoß, von Methan-Freisetzungen in

Regionen des Dauerfrostbodens durch dieErderwärmung, von der Zerstörung derOzonschicht und vielem, was durch die un-gezügelte Ausbeutung der Natur durch denMenschen die Erde schädigt. Man weiß vonden Problemen, man weiß auch in vielenFällen, wie man alternativ handeln könnteund müsste, aber es tut sich einfach nichts.

Die Behauptung, der Mensch sei ein ver-nunftbegabtes Wesen wird ad absurdum ge-führt. Was ist aber die Triebfeder, dass heu-te wider besseres Wissen weiterhin so ge-wirtschaftet wird, als seien alle Ressourcenunerschöpflich und hätte deren Nutzung kei-nerlei Wirkung auf die Umwelt. Es gibt nureine Erklärung. So lange das Kapital einen

Nachfolgender Diskussionsbeitrag wurde auf der Mitgliederversammlung der Basisorga-nisation Ohrdruf am 27. Juni 2011 gehalten. Er wurde von den Teilnehmern sehr offen auf-genommen und führte zu einer angeregten Diskussion. Zu jenem Zeitpunkt kannte ich leiderdas von Bodo Ramelow Ende Mai 2011 vorgestellte Energiekonzept der Thüringer Landtags-fraktion DIE LINKE noch nicht. Ich kann jedem nur empfehlen, das unter dem Motto »Energie-revolution statt grüner Kapitalismus« stehende Konzept zu studieren.

Ramelow ist zwar in seinen Ausführungen auch auf verschiedene Basisenergieträger einge-gangen, aber ich vermisse dabei, dass man einige von ihnen viel besser direkt nutzen soll-te, ohne die derzeit bestehende Priorität der Elektroenergie aufrecht zu erhalten. Beispiels-weise lassen sich Methan oder Wasserstoff viel leichter über Gasleitungen transportierenund auch besser speichern als die Elektroenergie. Diese Stoffe können auch direkt zumHeizen oder zum Antrieb von Fahrzeugen genutzt werden.

Ich bitte alle Leser der »klarsicht«, sich aktiv an einer Energiedebatte zu beteiligen, da-mit DIE LINKE in Thüringen zum Motor einer wirklichen Energierevolution werden kann, diehoffentlich weit über die Grenzen des Freistaates hinaus wirken wird.

Profit erzielen kann, nimmt es auf andereBelange keine Rücksicht. Diese Erkenntnisist nicht neu, denn darauf hat schon KarlMarx im seinem Werk »Das Kapital« verwie-sen. Kann und muss hier nicht die Politikgegensteuern? Unsere Volksvertreter vertre-ten aber zu großen Teilen nicht ihre Wähler,sondern sind den Lobbyisten hörig.

Nun hat es das schwere Reaktorunglückin Japan gegeben, und erst jetzt wird der Bun-deskanzlerin – Doktor der Physik – klar,welche immensen Gefahren gegenwärtig

und in der Zukunft von den radioaktivenBrennelementen ausgehen. Vor einem Jahrfolgte man den Lobbyisten der Elektroener-giekonzerne, und der Profit der marktbeherr-schenden großen Vier in Deutschland sollteentgegen vorheriger Beschlüsse durch Lauf-zeitverlängerung ihrer Meiler für weitereJahre gesichert werden. Wenn man alle künf-tig anfallende Kosten der Entsorgung derradioaktiven Abfälle in den Preis der erzeug-ten Elektroenergie einrechnen würde, wäreStrom heute schon bald ein unbezahlbarerLuxus, aber diese Kosten werden künftigeGenerationen tragen müssen.

Nun sollen alle Kernkraftwerke in 11 Jah-ren stillgelegt sein. Wie soll es aber weitergehen? Die Lobbyisten der Energiekonzernewerden alles daran setzen, dass das Geschäftmit dem Strom auch künftig kräftige Profiteabwirft, gleichgültig wie grün gefärbt sichdie Parteien im Bundestag geben.

Es sollen große Windparks in der Nordsee

entstehen. Stromtrassen sollen gebaut wer-den, um die Elektroenergie zu den Verbrau-chern zu leiten. In den Wüsten Nordafrikassollen moderne Solarparks entstehen, undder Strom soll dann nach Europa über riesi-ge Hochspannungsleitungen transportiertwerden. Immer wieder das gleiche Strick-muster: Energiekonzerne wollen mit riesigenAnlagen weiterhin ihre Monopolstellung be-haupten und den Verbrauchern die erhöh-ten Strompreise aufzwingen. Die Medien wol-len (sollen) es der Bevölkerung glaubhaft ma-chen, dass der sogenannte Energiewechselautomatisch mit einer Strompreiserhöhungverbunden ist. Über Alternativen will manscheinbar gar nicht nachdenken, oder mandarf darüber bei den bürgerlichen Parteienöffentlich nicht sprechen. Ich schließe dabeiauch weite Teile der SPD und der Grünenmit ein.

In der Thüringer Landesregierung gibt eszwar einige Ausnahmen, wie Herren Mach-nig und Reinholz, die sich gegen die Restrik-tionen aus Berlin auflehnen, aber sie schei-nen bisher allein auf weiter Flur zu stehen.Beide fordern den Aufbau einer dezentralenEnergieversorgung, verstärkte Energieein-sparung und die Suche nach Alternativenzur Elektroenergie.

Genau hier sehe ich den Ansatzpunkt füruns – DIE LINKE. Warum brauchen wir ei-gentlich so viel Strom? Warum nutzen wirnicht beispielsweise Methan, Wasserstoffoder Wärme als weitere Basisenergieträger.Wer kennt schon den Stirling-Motor *) unddessen Wirkungsweise? Wir bräuchten kei-ne großen Windparks zur Erzeugung vonElektroenergie. Es gibt Windkraftanlagenvon der Größe eines Wasserfasses, die manbequem im Garten, auf dem Dach oder aufder Terrasse aufbauen kann. Die dezentraleEnergieerzeugung vor allem von Gas wäreviel effektiver und preiswerter, und durchdie Stilllegung von Kohlekraftwerken wür-de sogar der CO

2-Ausstoß weiter reduziert

werden können.

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Die Energiewende und wie DIE LINKE sich positioniert>>> Man bräuchte gar keine Elektro-Au-

tos, wenn man auf verschiedene andere An-triebsarten setzen würde. Bei der Nutzungvon Solarzellen muss man allerdings auchaufpassen, denn es gibt einige Hersteller, diehier giftige Stoffe verwenden.

Der wichtigste Punkt in der ganzen gesam-ten Energiediskussion muss aber der spar-same Umgang und der verlustarme Ver-brauch der Ressourcen sein. Es genügt, wenndie Gebäude warm sind, man muss nicht dieUmgebung gleich mit heizen.

Es lohnt sich auch, nach Alternativen imInternet zu suchen, um die Position der LIN-

KEN ständig auf dem neuesten wissenschaft-lichen Stand zu halten und offen für alles zusein, was der Umwelterhaltung und somituns allen und nicht den Profitinteressen we-niger dient (z. B. auf der Website: www.bio-wasserstoff.de).

Wie viel Ressourcen und Energie ver-braucht allein die Rüstung, um die Profiteder global operierenden Konzerne zu si-chern?

Ich würde mich sehr freuen, wenn es umdas Thema Energieeinsparung und alterna-tive Energieerzeugung innerhalb unsererPartei zu einer angeregten Diskussion kom-

men würde und sich alle Abgeordneten un-serer Partei in allen Parlamenten so weit indieser Thematik qualifizieren, dass wir zuVordenkern einer revolutionären Energie-politik werden, die sich vom Profitstrebender Energiekonzerne konsequent abwendetund vernünftige, auf die Zukunft gerichtetealternative Energiekonzepte für alle Men-schen der Erde aufzeigt.

*) Heißluft-Motor/Stirling-Motor:Der Heißluft-Motor ist eine periodisch

arbeitende Wärmekraftmaschine,die Wärmeenergie in mechanische

Energie umwandelt.

NICHTABSICHTSERKLÄRUNGEN

Am Samstag, dem 24. September 2011, findet ab 9:30 Uhrim Restaurant »Deutscher Hof« in Friedrichroda, Hauptstraße 4,

die nächste Gesamtmitgliederversammlungdes Kreisverbandes Gotha statt.

Vorschlag zur Tagesordnung:1. Rechenschaftslegung des Kreisvorstandes DIE LINKE. Gotha2. Diskussion über den Bericht und über die nächsten Aufgaben3. Wahl des neuen Kreisvorstandes und seiner Gremien4. Wahl von 6 Delegierten zum 3. Landesparteitag DIE LINKE. Thüringen

Zu Gast:Steffen Harzer,

Mitglied desBundesvorstandes

der ParteiDIE LINKE

DIE

AKTUELLE

GLOSSE

Die »klarsicht« – dies sei dein Bestreben – nach der Lektüre weitergeben!

Da haben wir ehemaligen Bürger der DDR ja Glück gehabt!Wenn anstatt Angela Merkel Walter Ulbricht Bundeskanzlergeworden wäre, was dann? Lügen über Lügen hätte er mit sei-ner näselnden sonoren Stimme verkündet. Hier einige Beispie-le.

Niemand hat die Absicht, neofaschistischeVeranstaltungen zu genehmigen. Niemandhat die Absicht, Personendaten zu speichern.Niemand hat die Absicht, einen Lauschan-griff zu starten. Niemand hat die Absicht,Videoüberwachung einzuführen. Niemandhat die Absicht, Körperscanner zu installie-ren.

Niemand hat die Absicht, die Volkeigenen Betriebe zu ver-ramschen. Niemand hat die Absicht, Hartz IV einzuführen. Nie-mand hat die Absicht, Leiharbeit einzuführen. Niemand hatdie Absicht, Frauen schlechter zu bezahlen als Männer. Nie-mand hat die Absicht, Jugendliche in die Arbeitslosigkeit zuschicken. Niemand hat die Absicht, die Reichen steuerlichbesserzustellen als die Normalverdiener.

Niemand hat die Absicht, NVA-Offiziere zu entlassen. Nie-mand hat die Absicht, sich im Afghanistan-Konflikt einzumi-schen. Niemand hat die Absicht, Leopard-Panzer an den Na-hen Osten zu verkaufen. Niemand hat die Absicht, Drogen-

beauftragte einzustellen. Nie-mand hat die Absicht, Privatpa-tienten zu bevorzugen. Niemandhat die Absicht, Kindertagesstät-ten zu schließen. Niemand hatdie Absicht, das einheitlicheBildungssystem abzuschaffen.Niemand hat die Absicht, Studi-engebühren zu erheben.

Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass niemanddie Absicht hatte, eine Mauer zwischen den Menschen zu er-richten. Das sollte doch gefeiert werden – beispielsweise am13. August 2011, dem 50. Jahrestag der Nichtabsichtserklärung.

Diesen Text schrieb in voller AbsichtEure Klara Klarsicht

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8 • 9/2011 •

NIEDERMEIEREIEN / Habemus Papam

Tolles TitelbildLiebes Redaktionskollegium, toll war das Titelbild in der »klarsicht«-Ausgabe 8/2011 mit dem über dem Erfurter Domschwebenden Papst Benedikt XVI. – ohne Unterleib.

Dieser blickt wohl deshalb nicht in Richtung meines Geburtshauses in der Marktstraße 34, weil er inzwischen von seinenEngeln erfahren hat, dass in diesem einstigen Patrizierhaus derjenige das Licht der Welt erblickte, der nun schon im 50. Jahrnicht nur auf den Spuren des Bonifatius wandelt, sondern auch erforscht hat, dass jene Vulgata, die der Reformator MartinLuther auf der Wartburg übersetzte, nicht aus dem Erfurter Augustinerkloster stammt, sondern diese Georg Spalatin von1505 bis 1508 in Georgenthal zur Erziehung einer »verwilderten Herde von Novizen« genutzt hat (vgl. Artikel auf Seite 11der Ausgabe 8/2011).

Ich danke Euch, dass Ihr auch dafür gesorgt habt, dass mich sogar die betende Angela Merkel mit ihrem Panzer beschützt.Roland Scharff, Georgenthal

Hungersnot in Somalia.Tausende Kinder sterben da,

werden von Krankheit überrollt.Ist dieses Unheil gottgewollt?

Ich werde in den nächsten Tagenam besten einen Pfarrer fragen –

oder den Papst, wenn dieser promptnach Erfurt und ins Eichsfeld kommt.

Ich mache mich mit ihm bekannt.Auch ich war schließlich Ministrant –

viel früher als der Althaus Dieter.Ich kann auch noch die Kirchenlieder

wie: »Großer Gott, wir loben dich!«Drum, Heiligkeit, erleuchte mich!

Für den Besuch bezahlt man tüchtig.Die Hungersnot ist nicht mehr wichtig.

Der Heilige Vater ist dabeiso unfehlbar wie die Partei

von einst, die schlimm und schlecht.Dabei hatte sie immer Recht.

Sie agitierte alle Leute –so wie die BILD-Zeitung von heute.

Erfurt wird total abgesperrt.Bei Honecker war das verkehrt.

Jedoch beim Papst ist das gescheit,denn er ist eine Heiligkeit.

Die Gully-Deckel werden verschweißt,damit ihn keine Ratte beißt.

Die Fenster bleiben fest verschlossenwie einst bei Erich und Genossen,

als der damals Herrn Schmidt empfingund mit ihm dann spazieren ging.

Den Papst schützt ganz viel Polizei.Auch Schutzengel sind mit dabei,

die ihm der Herrscher dieser Weltsehr kostengünstig abgestellt.

Damit dem Papst auch nichts passiert,wird alles x-mal durchtrainiert.

Und er bekommt auf allen WegenEskorte sowie Gottes Segen.

Heinz Niedermeier

Damit er sicher kommt ans Ziel,fährt mit ihm das Papa-Mobil.Es ist fast ganz aus Panzerglas.Darinnen wird der Papst nicht nass.Es schützt vor Fliegen und vor Wespen,vor Protestanten, Schwulen, Lesben,vor Atheisten, Muselmanen,die alle doch nur Böses planen,vor Frauen, die beleidigt schmollen,weil sie gern Priester werden wollen,vor Kommunisten, Anti-Christenund allen andren Terroristen,vor Menschen aus der Dritten Welt,die oft von Krankheiten entstellt,von Aids geschwächt und fast halbtot,weil er Verhüterli verbot,vor seinen Kirchen-Pädophilen,die mit den Kindern nicht nur spielenim Kinderheim und Internatals Folge von dem Zölibat,an dem er starrsinnig festhält,obwohl es in der Bibel fehlt.

Wenn er – bevor er wieder fährt –mir das mit Afrika erklärt,wo Trockenheit das Leben frisst,obwohl der Herr allmächtig ist.Und jubelt man wie einst bei Gorbi,und er segnet uns: »Urbi et orbi«‚obwohl meist luthrisch hier die Christenund in der Mehrzahl Atheisten –,dann beugen halt auch wir die Gliederund knien betend vor ihm niederund laufen mit der Prozession –dann rechnet sich der Aufwand schon.

Wir Thüringer sind ganz entzückt,weil man auf uns dann neidisch blickt.Denn wir werden aus freien Stückenbeim Papst-Besuch zu Katholiken.So stehen wir ganz hoch im Plus.Der Grund ist: Papam habemus!

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Unser Autor Jochen Traut ist Sprecher des»Geraer Dialogs« |www.sozialistischer-dialog.de

Foto: Privat

Dieser Artikel dokumentiert Auszüge aus dem Beitrag von FritzStreletz, Generaloberst a. D. der Nationalen Volksarmee und Sekre-tär des Nationalen Verteidigungsrates der DDR, zum Thema »Der 13.August 1961« auf dem Herbsttreffen am 30. September 2010 derArbeitsgruppe Grenze in der Gesellschaft zur Rechtlichen und Hu-manitären Unterstützung e.V. (GRH).

»In Deutschland und im Ausland herrscht noch immer die Ansicht,dass die sogenannte ›Berliner Mauer‹ auf Initiative von Ulbricht zu-stande kam. Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. (…) Haupt-initiatoren der sogenannten ›Berliner Mauer‹ waren nach den vorlie-genden Unterlagen Chruschtschow und die sowjetische Partei- undStaatsführung.«

Eine der Quellen findet sich im 3. Band der Memoiren vonChruschtschow unter dem Titel »Epoche, Men-schen und Macht«, der in Moskau erschienenist: »Chruschtschow forderte von dem sowjeti-schen Botschafter Perwuchin in Ost-Berlin eineStadtkarte. Doch diese war Chruschtschownicht detailliert genug. Daraufhin verlangte ervon dem sowjetischen Militärstab in Berlin, ge-meint ist Wünsdorf, eine operative Karte. Wäh-rend des Urlaubs im Kaukasus skizzierte er aufdieser Karte den Verlauf der Trennungslinieund die Standorte der kontrollierten Übergän-ge. Schließlich zog er zur Beratung den Außen-minister Gromyko und den für Deutschland zu-ständigen Vizeaußenminister Semjonow hinzu.Nachdem sie die Einzelheiten ausgearbeitet hat-ten, ist der Plan der Berliner Mauer dem Präsi-dium des Zentralkomitees der KPdSU in einer geschlossenen Sitzungunterbreitet worden. Vom 3. bis 5. August lud Chruschtschow dieKP-Führer und die Regierungschefs des Warschauer Vertrages nachMoskau ein und bat sie, seinen Plan zu akzeptieren. Soweit zu denMemoiren von Chruschtschow.« (…)

»Wenn man die Rolle der DDR bei den Aktivitäten am 13. August1961 nach den vorliegenden Unterlagen der führenden Politiker derSowjetunion – den langjährigen Außenminister Gromyko, den über17 Jahre in der DDR tätigen Botschafter Abrassimow und den lang-jährigen Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte des War-schauer Vertrages, Marschall der Sowjetunion Kulikow – objektiveinschätzen will, dann kommt man zu folgenden Schlussfolgerun-gen:

Die DDR war ein souveräner Staat, Mitglied der UNO und von 138Staaten diplomatisch anerkannt. Sie war auf vielen Gebieten souve-rän, aber nach unserer Einschätzung nicht auf militär-politischemGebiet.

Alle wichtigen Entscheidungen, die mit den Problemen der Vertei-digung der DDR einschließlich der Grenzsicherung im Zusammen-hang standen, wurden unter Berücksichtigung der Interessen derTeilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages getroffen. Unter Berück-sichtigung dieser Tatsache war die politische und militärische Füh-

Für den Krisenherd Westberlin musste eine andere Lösung gefunden werden,ohne das Gesicht zu verlieren – das waren die Maßnahmen des 13. August 1961Teil 6:

rung der DDR nicht frei in ihren Entscheidungen. Deshalb hatte auchdie sowjetische Seite das militärische Sagen auf dem Territorium derDDR.

Deshalb konnte die Führung der DDR an der Grenze zur BRD undzu Westberlin eigenständig nichts unternehmen. Deshalb waren auchdie Grenzsicherungsmaßnahmen vom 13. August 1961 in Berlin dasErgebnis eines Beschlusses des Politisch Beratenden Ausschusses desWarschauer Vertrages.

Soweit zu den Einschätzungen führender sowjetischer Politiker undMilitärs zur Souveränität der DDR.« (…)

Einige Erläuterungen zum sogenannten Mauerbau: Der »MoskauerEntwurf« für die »Erklärung der Regierungen der WarschauerVertragsstaaten« trägt die Sperrfrist bis 12. August 1961. »Allein zu

diesem ›Entwurfsdokument‹ aus Moskau zum13. August 1961 gab es von Seiten der DDR 11Veränderungen, Korrekturen und Richtigstel-lungen.« (…)

Zum Abschluss von Teil 6 dieser Artikelserienoch vier, nicht unwichtige, unterschiedlicheAussagen bezüglich der Maßnahmen vom 13.August 1961:

Der bekannte russische Professor IgorMaximowitsch, Mitglied der Akademie derWissenschaften Russlands und Gastprofessoran der Freien Universität Berlin, äußerte sichwie folgt: »Dass die Entscheidung zum Mauer-bau in Moskau und von Moskau getroffen wur-de, pfiffen die Spatzen von allen Dächern. Letz-ten Endes wurde in der sowjetischen Öffent-

lichkeit die Nachricht vom Bau der Mauer mit gewaltiger Erleichte-rung aufgenommen – genau wie in anderen Hauptstädten der Welt.«(Maximowitsch war bis 1990 Botschaftsrat in Berlin).

Egon Bahr äußerte sich zu dieser Problematik wie folgt: »Damals,1961, hätte niemand das groteske Märchen verbreiten können, dassUlbricht verantwortlich für die Mauer sei.«

Als der amerikanische Präsident Ronald Reagan am 12. Juni 1987vor den Sperranlagen am Brandenburger Tor seine Rede hielt, sagteer nicht etwa »Mister Honecker beseitigen Sie diese Mauer.« – nein,er sagte: »Mister Gorbatschow beseitigen Sie diese Mauer.«

Der sowjetische Botschafter Kotschemassow rief nach der Öffnungder Güst (Grenzübergangsstelle) am 10. November 1989 GenossenKrenz an und fragte: »(…) wer hat Ihnen das Recht gegeben, dieGrenzübergangsstellen nach Westberlin zu öffnen? (…)«

Das sind eindeutige Aussagen zur Beantwortung der Frage: Wertrug die Verantwortung für die Grenzsicherungsmaßnahmen der DDRzur BRD und zu Westberlin?

Quelle:Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung e.V.

(GRH), Sonderdruck der Arbeitsgruppe Grenze»Herbsttreffen 2010«, Dezember 2010, Seite 28 – 31

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Warum ein solches Thema? Was istIhr Anliegen?

Ich musste mir ein Thema suchen, das vonder wissenschaftlichen Forschung noch weit-gehend unbeachtet geblieben ist. Und da ichaus Ohrdruf stamme, bot sich diese Materiepraktischerweise an. Mein Ziel war es, einewirtschafts- und sozialgeschicht-liche Darstellung zu entwickeln.Das Militär war und ist nieSchwerpunkt meines Interessesgewesen. Hätte sich auf demMuschelkalkplateau bei Ohr-druf ein großer Flughafen oderein außerordentliches Industrie-gebiet befunden, hätte ich diesdementsprechend untersucht.Doch es war nun mal das Mili-tär mit seinem Truppenübungs-platz, das die Menschen seitüber 100 Jahren als Nachbar,Wirtschaftspartner, Arbeitge-ber, Landnehmer oder Stören-fried beschäftigt. So nahm ichmich eben dieses Sachverhaltesan – zumal ich als Kind selbstnoch Zeitzeuge der Anwesenheitsowjetischer Soldaten gewordenbin.

Mein Ziel war es herauszuar-beiten, wie ein solcher »Fremd-körper« in eine Region eindringtund sowohl die Landschaft wieauch die Menschen verändert.Parallelen gibt es beim Ein- undVordringen von Tagebaugebie-ten, Flughäfen, Industriegebie-ten oder Stauseen. Fast immerwird den Menschen Land entris-sen, das Umfeld beeinflusst, werden We-geverbindungen zerschnitten und die Anwoh-ner in vielfältige wirtschaftliche und sozialeBeziehungen hineingezogen. Das Verhältniszu solchen »Störfaktoren« in der unmittelba-ren Heimat ist stets von zahlreichen Konflik-ten geprägt, die jedoch bislang nur unzurei-chend erforscht wurden.

Könnte nicht jemand sagen, solcheine Untersuchung und Darstellungdiene dem Militarismus?

Natürlich könnte das jemand behaupten. Die-jenige Person würde jedoch in meiner Disser-tation dafür keine Anhaltspunkte finden. Sogut wie alle Chroniken und Monographienüber Militärstandorte in Deutschland fokus-sieren sich natürlich auf das Militärische –und das meist in einer »positiven«, also un-

kritischen Art.Nicht selten wurden diese Schriften von

den Kommandanturen oder Bürgermeisternder jeweils umliegenden Städte und Dörfergefördert. Meist werden darin ausführlich dieStationierungen der einzelnen Truppenteileund die Verwendung der militärischen Fahr-zeuge zusammen mit vielfältigem Bildmate-rial beschrieben. Selten wird Kritik am Stand-ort oder am Militär selbst geübt. Kaum einmalwerden die Probleme ausführlich behandelt

und Vor- und Nachteile solcher Militärstand-orte objektiv verglichen. Genau dies habe ichnun versucht.

Natürlich ist die Arbeit dadurch zu einemTeil der Militärgeschichte geworden, aber Mi-litärgeschichte ist schon lange keine Ge-schichte des Militärs und der Kriege im en-geren Sinne mehr. Die Betrachtung von Mili-tär und Zivilgesellschaft fließen in der mo-dernen Geschichtsforschung ineinander. Sol-daten sind auch Bürger, die Kasernen undÜbungsplätze liegen innerhalb oder in der Nä-he von Wohngebieten. Das Militär konnte nieunabhängig von der Zivilgesellschaft agieren,selbst die Sowjetarmee in der DDR konntetrotz ihrer Abschottung im Raum Ohrdruf nieohne den Kontakt zu ihrem Umfeld existie-ren, wie ich herausfand.

Militär und Zivilgesellschaft getrennt zu be-trachten ist unmöglich. Diese Ansicht hatnichts mit Militarismus zu tun, bei welchemdem Militär eine Sonderstellung eingeräumtwird. Mein Buch zeigt, dass das Militär (wieim Übrigen seit den Anfängen menschlicherZivilisation) ein elementarer Teil der Gesell-schaft ist. Die Verflechtungen beziehen sichauf alle Ebenen des Zusammenlebens: Wirt-schaft, Soziales, Mentalität, Kultur, Umwelt,Verkehrswesen etc.

Ihr Buch enthält eine Vielzahl von Äu-ßerungen von Zeitzeugen. Warendenn alle glaubhaft? Wie sind Sie beiden Recherchen vorgegangen? SindSie mit Ihrem Anliegen immer aufGegenliebe und Verständnis gesto-ßen?

Die Suche nach Zeitzeugen gestaltete sichrelativ leicht, weil ich aus der Gegend stam-me und viele Leute bereits kannte. Da meineEltern Lehrer waren, hatten sie ebenfalls eineFülle von Kontakten. Ich wurde an anderePersonen weiter vermittelt, und so kamen im-mer mehr Ansprechpartner zusammen. Inden umliegenden Dörfern habe ich einfachPassanten nach Ortschronisten, älteren Leu-ten oder ehemaligen Verantwortungsträgerngefragt, die bereit wären etwas zu erzählen.Nur selten bin ich dabei auf Unbehagen ge-stoßen.

In Ohrdruf waren einige ehemalige Mitglie-der der Partei und Stadtverwaltung skeptischbis ablehnend eingestellt. In Mühlberg woll-te jemand keine Auskunft geben, weil er vorJahren schlechte Erfahrungen mit einem Jour-nalisten gemacht hatte. In Thörey hatte einePerson offensichtlich immer noch Angstdavor, etwas über die »Russen« zu erzählen.

Die Glaubhaftigkeit der Zeitzeugen ergabsich aus der persönlichen Bewertung derPerson, dem Vergleich mit anderen Berich-ten und dem Wiederfinden von Informatio-nen in den Akten. Es kam einige Male vor,

Herr Dr. Adrian Ermel, Sie sind Sohn einer Ohr-drufer Lehrerfamilie, haben nach dem Abitur inBerlin Geschichte studiert und sich in IhrerDoktorarbeit an ein brisantes Thema gewagt –der Militärstandort Ohrdruf in den Beziehungenzu seinem Umfeld, und das über die gesamteZeit der militärischen Präsenz in dieser Regionvon 1906 bis heute. (Foto links: Dr. A. Ermel)

ßßß

Dr. Adrian Ermel: Nachbarschaft zwischen Übung und Ernst-fall, Der Truppenübungsplatz Ohrdruf und die Region Gotha –Arnstatdt – Jonastal, Verlag Rockstuhl.

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dass ich Zeitzeugen als unglaubhaft entlar-ven konnte, wenn z. B. jemand von einemfriedlichen Miteinander mit der Sowjetarmeeberichtete und ich später in den Akten desLandkreises Gotha haufenweise Beschwer-den derselben Person über die sowjetischen»Freunde« fand.

Auf Unverständnis stieß ich unter anderemauch an der Universität in Berlin, da ein schonin der DDR tätig gewesener Professor nichtakzeptieren wollte, dass ich so harte Kritikan der Sowjetarmee übe, während ich gleich-zeitig die Wehrmacht zu positiv bewertenwürde. Er behauptete sogar,dass es nicht korrekt sei, voneiner Besatzung der Sowjet-armee zu sprechen. Doch genaudies war der Aufenthalt der so-wjetischen Truppen in der DDR:eine Besatzungszeit. Die Argu-mentation dafür habe ich in derEinleitung meiner Dissertationausführlich dargelegt, und dasVerhalten der so genannten»Freunde« zeigte ihre Besat-zungsmentalität mehr als deut-lich.

Die Kaiserlich Preußische Ar-mee und die Wehrmacht habeich im Bezug zu ihrer Bedeu-tung für die Mentalität und Kul-tur im Raum Ohrdruf (Stolz ei-ner Soldatenstadt, Folklore-militarismus der Einwohner) bewertet, al-lerdings auch die negativen Elemente derNachbarschaft deutlich gemacht (Manöver-schäden, Arroganz der Offiziere). Diese Berei-che der Arbeit sind natürlich die umstrittens-ten.

Erwähnen Sie in Ihrem Buch auch al-lerlei um Ohrdruf kreisende Mythen,z. B. von der ersten Atombombe, demFührerhauptquartier und der unterir-dischen Waffenfabrik? Wenn ja, wiegehen Sie damit um?

Ja, ich habe auch den Mythen ein Kapitelgewidmet. Sie sind ein Teil der Mentalitätsge-schichte und Erinnerungskultur, haben aberauch wirtschaftliche Aspekte.

Ich sehe die Rezeption des Mythos um dasJonastal als eine Art Ersatz für Spannung undAbwechslung, welche das Militär den Men-schen in dieser sonst eher ruhigen Gegendüber viele Jahre beschert hatte. Er vermitteltheute das Gefühl, immer noch in einer inter-essanten Region zu leben, auch wenn die Be-schaulichkeit der Zeit vor 1900 wieder zurück-gekehrt und die Aufregung, welche das Mili-tär mit sich brachte, verschwunden sind.

Zudem habe ich die Theorie entwickelt,dass der Mythos in den Köpfen der Einwoh-ner die negativen Teile der Geschichte desMilitärstandortes in positive umwandelt. Vor-bereitung auf den Krieg, Ausprobieren neuer

Tötungsmaschinen, das KZ oder die Leidender Sowjetsoldaten werden erfolgreich ver-drängt durch Wunderwaffen, riesige Höhlen-systeme mit bemerkenswerten Einlagerun-gen wie Goldschätzen und dem Bernstein-zimmer, ja sogar Ufos spielen eine Rolle. Diesalles verursacht eine veränderte Wahrneh-mung des meist ungeliebten militärischenNachbarn vom Truppenübungsplatz.

Allerdings muss ich zugeben, dass auch ichim Laufe meiner Recherchen auf Hinweiseund Quellenfragmente gestoßen bin, diedurchaus vermuten lassen, dass sich zwi-

schen 1933 und 1991 im Raum Ohrdruf be-merkenswerte Geschehnisse ereignet habenkönnten, deren Erforschung notwendig, aberäußerst schwer zu bewerkstelligen ist und dieden Mythos als solchen relativieren könnten.

Haben Sie in Ihrem Buch auch die un-terschiedliche Behandlung der Kriegs-gefangenen im Ersten und im ZweitenWeltkrieg dargestellt?

Die Behandlung von Kriegsgefangenen habeich insoweit einbezogen, wie sie für das Zu-sammenleben von Militär und Bevölkerungim Raum Ohrdruf von Bedeutung war. Wäh-rend es im Ersten Weltkrieg vielfältige Bezie-hungen zu den Gefangenen aus dem Lagerdes Truppenübungsplatzes gegeben hat – siewurden an Einwohner der umliegenden Orteals Arbeitskräfte sozusagen »verliehen« – hates diese während des Zweiten Weltkriegeskaum gegeben.

Das Leid der Gefangenen ist in anderenSchriften, beispielsweise von Helga Raschkeund Klaus-Peter Schambach, ausführlich be-schrieben worden.

Ich habe eher zeitübergreifende Vergleichegezogen, wie etwa jene, dass im Raum Ohr-druf bemerkenswerterweise sowohl 1915 –1918, als auch 1944 – 1945 und noch einmalwährend der sowjetischen Besatzungszeit inder DDR – überspitzt formuliert – »arme, aberfleißige Russen« für Deutsche gearbeitet ha-

ben; allerdings unter jeweils sehr unterschied-lichen Voraussetzungen.

Was ist Ihr Fazit, nachdem Sie die Ge-schichte des Truppenübungsplatzesvon 1906 bis in die Gegenwart dar-gestellt haben?

Das Fazit ist sehr komplex, darum greife ichnur einige Punkte heraus. Auch wenn es wo-möglich nicht gern gehört wird, bleibt festzu-halten, dass Einwohner und Betriebe in denverschiedenen Phasen der zivilmilitärischenNachbarschaft immer wieder von der billi-gen Arbeitskraft der Soldaten und Gefange-

nen des Militärs, aber auch vonder Kaufkraft und der Rolle desKommisses als Auftrag- und Ar-beitgeber profitierten.

Vor allem in Kriegszeiten zogder Standort bis zu 20 000 Mili-tärpersonen und unzählige wei-tere Menschen in die Region(Schaulustige, Angehörige derSoldaten und Offiziere, Lehr-personal, Beamte, Prostituierte,ausländische Hilfstruppen etc.).Nicht zuletzt durch die immen-se Fluktuation von »Fremden«entwickelte sich bei der Bevöl-kerung aber auch eine interkul-turelle Kompetenz. Jedoch wur-de diese durch das Verhalten desMilitärs und der »Fremden«selbst stets wieder entwertet.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Ver-lust eines Teils der Heimat sowie der daraufbefindlichen Wege und die Zerstörung vonFlächen durch ständige Manöverschädenweit über das Militärgelände hinaus. Immerwieder versuchten die Anwohner, sich dasverlorene Stück Heimat auf dem Muschel-kalkplateau zurückzuerobern – sei es durchTrotz und revolutionäre Aktionen oder durchdas stetige Missachten von Verboten.

Man kann nicht sagen, dass der Militär-standort heute ein Symbol des Friedens ist –auch wenn die Bundeswehr eine durch unddurch zivilisierte Armee darstellt. In derWahrnehmung vieler Menschen ist der Trup-penübungsplatz nicht nur ein Fremdkörpergeblieben, sondern auch ein Symbol für vie-les Negative, das vom Militär ausgeht: Land-nahme, Zerstörung, Sperrung, Restriktion,Lärm, Schmutz, Zerstörung und Konflikte.

Bei allem Positiven, das ich bei den Recher-chen zur zivilmilitärischen Nachbarschaft fin-den konnte, bleibt in der Wahrnehmung desüberwiegenden Teils der Bevölkerung dieErinnerung an die negativen Geschehnissedoch vorherrschend, vor allem in den nahean der Grenze zum Sperrgebiet gelegenen Or-ten wie Wölfis und Mühlberg.

Im Gespräch mit Dr. Adrian Ermel:Helga Oschütz

Die 1940er Jahre: »Interessante Fahrzeuge« für die Jugend.

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September2011

Wir gratulieren

recht herzlich

zum Geburtstag

Ist doch klar(sicht)...

Klaus Huhn:

In der Bücherkiste gestöbert

»Die Flachzangen aus dem Westen«

zum am

Auch allen anderen Genossinnen und Genossen, allen anderenLeserinnen und Lesern, wünschen der Kreisvorstand der ParteiDIE LINKE und die »klarsicht«-Redaktion alles Gute zum Ehrentag.

Termine September 2011

01.09. 10:00 Kinderfest anlässlich des Weltfriedenstages | Freiflächehinter der Geschäftsstelle in der Blumenbachstraße 5

17:00 Gedenkveranstaltung anlässlich des Weltfriedenstages |Ecke zwischen Bahnhofstraße und Mozartstraße, Gotha

04.09. 09:00 Frühschoppen | Geschäftsstelle05.09. 14:30 Redaktionssitzung »klarsicht« | Geschäftsstelle

18:00 Sitzung der Kreistagsfraktion | Fraktionszimmer06.09. 15:00 Geschäftsführender Vorstand | Geschäftsstelle13.09. 18:00 Kreisvorstandssitzung | Geschäftsstelle18.09. 15:00 Frühschoppen | Geschäftsstelle19.09. 14:30 Redaktionssitzung »klarsicht« | Geschäftsstelle

18:00 Sitzung der Kreistagsfraktion | Fraktionszimmer20.09. 15:00 Geschäftsführender Vorstand | Geschäftsstelle21.09. 18:00 Kreistagssitzung | Louis-Spohr-Saal24.09. 09:30 Gesamtmitgliederversammlung in Friedrichroda |

Restaurant »Deutscher Hof«, Hauptstraße 427.09. 15:00 Sprechstunde der Stadtratsfraktion | Geschäftsstelle29.09. 14:00 Info-Stand des Kreisvorstandes | Neumarkt, Gotha

17:00 Beratung mit den Basisvorsitzenden | Geschäftsstelle

Heinz Wawerzinek Gotha 86. 02. SeptemberRolf Möller Ohrdruf 71. 06. SeptemberElisabeth Möller Gotha 81. 07. SeptemberUta Kren Nottleben 71. 10. SeptemberRolf Gut Gotha 65. 12. SeptemberAnneliese Herrmann Gotha 88. 13. SeptemberHeinz Roßberger Gotha-Siebleben 82. 14. SeptemberUwe Zerbst Gotha 64. 15. SeptemberMarianne Kutz Gotha 83. 19. SeptemberHans-Friedrich Kästner Aspach 79. 19. SeptemberJoachim Hoene Tabarz 76. 20. SeptemberKurt Malcher Goldbach 64. 20. SeptemberLothar Adler Erfurt 63. 26. SeptemberAdolf Siegert Gotha 72. 30. September Mannigfaltige Unfähigkeiten!

*)

*) Wo Gott ist – bzw.sein Stellvertreter,da fließen reichlich

Steuergelder.

25 Millionen Eurofür die Kosten

des Papstbesuches in Thüringen

wären bei den Hungerndenam Horn von Afrika

besser angelegt.

Ich bin gegen Atomkraft, weil...Heike Roocks, 48, Systemadministratorin ausHamburg:

Eine Technologie, für deren Risiken kein Versiche-rungsunternehmen der Welt haften will, darf vonMenschen nicht verwendet werden. Niemand hatdas Recht, nachfolgenden Generationen den ge-fährlichen und nicht beherrschbaren Müll für Jahr-tausende zu hinterlassen.

Eine Flachzange ist ein Werkzeug. Der Volksmundbezeichnet damit aber auch einen Menschen, derim Oberstübchen nicht sonderlich gut möbliert ist,sich seiner Einfalt jedoch nicht bewusst ist undauftritt, als sei er sehr bedeutend. Diese Differenzvon Anspruch und Wirklichkeit mag hingehen, wenn diese Menschenkein Amt und keine Funktion haben. Wenn sie jedoch, wie nach 1990massenhaft geschehen, in den Osten drängten und dort allein auf-grund ihrer Herkunft Immobilien, Unternehmen, Leitungs- und politi-sche Funktionen an den Hals geworfen bekamen (oder mit kriminel-ler Energie sich dieser bemächtigten), dann war das ein gesellschaft-licher Vorgang und keine lässliche Sünde.

Klaus Huhn behandelt einige gravierende Fälle und zeigt, dass die-se Flachzangen objektiv doch Werkzeuge waren: nämlich Instrumenteeiner bestimmten Gesellschaft.

Die grauen Mäuse haben gut grinsen. Dort, wo sie herkamen, warensie stets zweite oder dritte Wahl, weshalb sie kaum Aussicht aufAufstieg hatten. Doch als die DDR unterging, schickte man sie ausder westdeutschen Warteschleife in den Osten, wo sie schon baldalle wichtigen Ämter in Politik, Justiz, Wirtschaft, Wissenschaft, beiMedien und Militär, an Hoch- und Fachschulen besetzten.

Als ihre Grenzen offenbar wurden, blieb das ohne Folgen. Wer hättesie feuern können? Graue Mäuse sind wie schwarze Krähen: Keinehackt einem Artgenossen die Augen aus. Um die Unfähigkeit zu ka-schieren, setzte die Rotation ein. So zogen sie weiter, von Amt zuAmt.

Klaus Huhn hat einige Biografien von »Aufbauhelfern« untersuchtund fand erstaunliche Karrieren vor. Ein Wessi kann eben alles, istflexibel und natürlich durchsetzungsfähig in jeder Funktion.

128 Seiten, Preis: 9,95 Euro, Artikelnummer: 65608, Buch-bestellung: Redaktion »Unsere Buchempfehlungen für Sie«, Neue

Grünstraße 18, 10179 Berlin