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Prof. Dr. Wandinger 2. Ebene Elastizitätstheorie TM 2 2.3-1
09.07.19
3. Ebener Spannungszustand
● Die am Zugstab und am Druckbehälter gewonnenen Er-kenntnisse werden nun auf allgemeine ebene Probleme erweitert.
● Dabei wird untersucht,
– welche Bedingungen die Spannungen erfüllen müssen,
– welche Spannungen in einer beliebigen Schnittebene auf-treten,
– in welchen Schnittebenen die größte Normalspannung und die größte Schubspannung auftreten,
– welche Kriterien Versagen anzeigen.
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3. Ebener Spannungszustand
3.1 Definitionen
3.2 Gleichgewicht
3.3 Spannungstransformation
3.4 Hauptspannungen
3.5 Festigkeitshypothesen
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3.1 Definitionen
● Spannungsvektor:
– Betrachtet wird ein beliebiger Schnitt durch eine Scheibe.
– Die Flächenkraft in der Schnittfläche wird durch den Span-nungsvektor t beschrieben.
– Für die Kraft amFlächenelement ΔA gilt:
n
t
P
ΔA
Δ F=t Δ A
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3.1 Definitionen
– Der Spannungsvektor t hängt ab ● vom betrachteten Punkt P● von der Schnittrichtung
– Die Schnittrichtung wird durch den Normalenvektor n be-schrieben:
● Der Normalenvektor ist ein Einheitsvektor, der senkrecht auf der Tangentialebene im Punkt P steht.
● Der Normalenvektor zeigt aus dem geschnittenen Körper heraus.
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3.1 Definitionen
– Am gegenüberliegenden Schnittufer zeigt der Normalenvek-tor in die Gegenrichtung.
– Aus dem Wechselwirkungsgesetz folgt:
P
Pn
nt
t
t (−n )=−t ( n )
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3.1 Definitionen
● Spannungszustand:
– Die Gesamtheit aller Spannungsvektoren t(P, n) an einem Punkt P der Scheibe heißt Spannungszustand im Punkt P.
– Die Gesamtheit der Spannungszustände an allen Punkten P der Scheibe heißt Spannungsfeld in der Scheibe.
● Achsenparallele Schnitte:
– Auf einer achsenparallelen Schnittebene ist der Normalen-vektor parallel zu einer Achse des Koordinatensystems.
– Am positiven Schnittufer zeigt der Normalenvektor in Rich-tung der Koordinatenachse und am negativen Schnittufer entgegen der Richtung der Koordinatenachse.
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3.1 Definitionen
n = ex
n = ey
n = -ey
n = -ex
PositiveSchnittufer
NegativeSchnittufer
x
y
σx
σx
σy
σy
τyx
τyx
τxy
τxy
[ t (P , e x)]=[σ xτyx ] , [ t (P ,e y) ]=[
τ xyσ y ]
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3.1 Definitionen
– Am positiven Schnittufer zeigen positive Spannungen in po-sitive Koordinatenrichtung und am negativen Schnittufer in negative Koordinatenrichtung.
– Positive Normalspannungen bedeuten eine Beanspruchung auf Zug und negative Normalspannungen eine Beanspru-chung auf Druck.
– Der Index bei den Normalspannungen entspricht der Koor-dinatenachse, auf der die Schnittfläche senkrecht steht.
– Bei den Schubspannungen gibt der linke Index die Richtung der Spannung und der rechte Index die Richtung des Nor-malenvektors an.
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3.2 Gleichgewicht
● Aus der Scheibe wird ein beliebiges Rechteck mit achsenparallelen Kanten herausgeschnitten.
● Belastung:
– An den Kanten greifen die Spannungen an.
– Im Inneren greift eine Vo-lumenkraft mit den Kom-ponenten fx und fy an.
σx
σx
σy
σy
τyx
τyx
τxy
τxy
fx
fy
A B
CD
xA
xB
yA
yD
x
y
O
Dicke h
✄
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3.2 Gleichgewicht
● Kräftegleichgewicht:
∑ F x=0 : ∫xA
xB
∫yA
y D
f x h dy dx+∫yA
y D
(σ x (x B , y )−σ x ( xA , y)) h dy
+∫xA
xB
( τxy( x , y D)−τxy (x , y A)) h dx=0
∑ F y=0 : ∫xA
xB
∫y A
y D
f y h dy dx+∫yA
y D
(τyx (xB , y )−τyx(x A , y )) h dy
+∫xA
xB
(σy(x , y D)−σy(x , y A)) h dx=0
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3.2 Gleichgewicht
– Ausdrücken der Differenzen durch Integrale ergibt:
– Damit die Integrale für beliebige Integrationsgrenzen null sind, müssen die Integranden null sein:
∑ F x=0 : ∫xA
xB
∫yA
y D
( f x+∂σ x
∂ x +∂ τxy
∂ y )dy dx=0
∑ F y=0 : ∫xA
xB
∫y A
y D
( f y+∂ τyx
∂ x +∂σ y
∂ y )dy dx=0
∂σ x
∂ x +∂ τ xy
∂ y + f x = 0
∂ τyx
∂ x +∂σ y
∂ y + f y = 0
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3.2 Gleichgewicht
● Momentengleichgewicht:
∑ M O=0 :
∫xA
xB
x (σ y (x , yD)−σ y( x , yA)) h dx−∫xA
xB
( yD τ xy( x , yD)−yA τxy( x , y A)) h dx
−∫y A
yD
y (σ x (x B , y)−σ x (xA , y )) h dy+∫yA
y D
( xB τyx(x B , y)−xA τyx (x A , y)) h dy
+∫xA
x B
∫yA
y D
( x f y−y f x ) h dy dx=0
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3.2 Gleichgewicht
– Ausdrücken der Differenzen durch Integrale ergibt:
– Mit den aus dem Kräftegleichgewicht gewonnenen Bezie-hungen folgt:
∑ M O=0 :
∫xA
xB
∫y A
yD
[ x (∂σ y
∂y + f y)− ∂∂ y ( y τ xy )−y (
∂σ x
∂ x + f x)+ ∂∂ x ( x τyx )]dy dx
=∫xA
xB
∫y A
yD
[ x (∂σy
∂ y +∂ τyx
∂ x + f y)−y (∂σ x
∂ x +∂ τxy
∂ y + f x)+τyx−τxy ]dy dx
=0
∫xA
xB
∫y A
yD
( τyx−τ xy)dy dx=0
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3.2 Gleichgewicht
– Daraus folgt das Gesetz der zugeordneten Schubspannun-gen:
● Anmerkungen:
– Die beiden partiellen Differenzialgleichungen reichen nicht aus, um die drei unbekannten Spannungen σx , σy und τxy zu bestimmen.
– Sie müssen durch zusätzliche Gleichungen ergänzt werden, die das Deformationsverhalten und das Materialgesetz be-schreiben.
τyx=τxy
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3.2 Gleichgewicht
– Auf dem Rand der Scheibe muss der Spannungsvektor mit den aufgebrachten Flächenkräften übereinstimmen.
– Um diese Randbedingung formulieren zu können, wird eine Beziehung zwischen dem Spannungsvektor, dem Norma-lenvektor und den Spannungen σx , σy und τxy benötigt.
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3.3 Spannungstransformation
● Zur Ermittlung der Spannungen in einem beliebigen Schnitt wird der Zusammenhang zwischen dem Norma-lenvektor und dem Spannungsvektor benötigt.
● Damit lassen sich die Spannungen in ein beliebiges ge-drehtes Koordinatensystem umrechnen.
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3.3 Spannungstransformation
● Zusammenhang zwischen Normalenvektor und Spannungsvektor:
– Am betrachteten Punkt P wird ein infinitesimales rechtwinkliges Dreieck freigeschnitten.
– Geometrie:
ΔL
Δx
Δy
ϕ
ϕ
x
y
n
tx
ty
σy
σx
τxy
τxy
Dicke h
✄
Δ x=Δ L sin (ϕ)=Δ L ny
Δ y=Δ L cos(ϕ)=Δ L nx
nx=cos(ϕ) , ny=sin (ϕ)
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3.3 Spannungstransformation
– Beiträge infolge einer Volumenkraft oder veränderlicher Spannungen sind klein von mindestens 2. Ordnung und da-her nicht mit eingezeichnet.
– Gleichgewicht:
∑ F x=0 : −σ x h Δ L nx−τ xy h Δ L ny+ t x h Δ L=0
∑ F y=0 : −τ xy h Δ L nx−σ y h Δ L ny+ t y h Δ L=0
t x=σ x n x+τxy ny=σ x cos(ϕ)+ τxy sin (ϕ)
t y=τ xy n x+σy ny=τ xy cos(ϕ)+σ y sin(ϕ)
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3.3 Spannungstransformation
● Spannungstensor:
– Zwischen dem Normalenvektor und dem Spannungsvektor besteht ein linearer Zusammenhang:
– Ein linearer Zusammenhang zwischen zwei Vektoren wird in der Mathematik als Tensor bezeichnet.
– Der Spannungstensor σ beschreibt den Zusammenhang zwischen dem Normalenvektor n und dem Spannungsvek-tor t :
t x = σ x n x + τxy ny
t y = τ xy nx + σ y ny
t=σ⋅n
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3.3 Spannungstransformation
– In Matrix-Schreibweise gilt:
– In einem Koordinatensystem wird ein Tensor durch eine Ma-trix dargestellt.
– Wegen des Gesetzes der zugeordneten Schubspannungen ist die Spannungsmatrix und damit auch der Spannungs-tensor symmetrisch.
– Der Spannungszustand in einem Punkt wird durch den Spannungstensor eindeutig beschrieben.
[ t x
t y ]=[σ x τ xyτ xy σy ] [nx
ny ] : [ t ]=[σ ] [ n ]
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3.3 Spannungstransformation
● Spannungskomponenten senk-recht und parallel zum Schnitt:
– Die Normalspannung σn ist die Komponente des Spannungs-vektors t in Richtung der Flä-chennormalen n.
– Die Schubspannung τtn ist die Komponente des Spannungs-vektors t parallel zur Schnittflä-che.
ϕ
n
t
tx
ty
x
y
ϕ
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3.3 Spannungstransformation
– Normalspannung:
– Schubspannung:
σn=t x cos(ϕ)+ t y sin (ϕ)
=(σ x cos(ϕ)+ τ xy sin (ϕ)) cos(ϕ)+( τ xy cos(ϕ)+σy sin (ϕ)) sin (ϕ)
=σ x cos2(ϕ)+σ y sin2
(ϕ)+2 τ xy sin (ϕ)cos(ϕ)
τ tn=−t x sin (ϕ)+ t y cos(ϕ)
=−(σ x cos(ϕ)+τ xy sin (ϕ)) sin (ϕ)
+ (τ xy cos(ϕ)+σ y sin (ϕ)) cos(ϕ)
=−(σ x−σy)sin (ϕ)cos(ϕ)+ τ xy (cos2(ϕ)−sin2
(ϕ))
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3.3 Spannungstransformation
– Mit
folgt:
cos2(ϕ)=
12
(1+cos(2 ϕ)) , sin2(ϕ)=
12
(1−cos(2 ϕ))
2 sin (ϕ)cos(ϕ)=sin (2ϕ)
σn=12(σ x+σ y)+
12(σ x−σ y)cos(2 ϕ)+τxy sin (2 ϕ)
τ tn=−12(σ x−σ y)sin (2 ϕ)+τxy cos(2ϕ)
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3.3 Spannungstransformation
● Drehung des Koordinatensys-tems:
– Mit den für die Spannungskom-ponenten in einem beliebigen Schnitt gefundenen Beziehun-gen lassen sich die Komponen-ten des Spannungstensors leicht auf ein gedrehtes Koordi-natensystem umrechnen.
ϕ
x
y
ξ
η
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3.3 Spannungstransformation
– Schnittebene senkrecht zur ξ-Achse:
– Schnittebene senkrecht zur η-Achse:
ϕ
x
y
ξ
η
σξ
τξη
x
yη
ξση τ
ξη
ψ
σξ=σ x+σy
2+
σ x−σ y
2cos(2 ϕ)+τ xy sin(2 ϕ)
τξ η=−σ x−σ y
2sin (2ϕ)+τxy cos(2 ϕ)
ψ=ϕ+90 °
ση=σ x+σy
2+
σ x−σ y
2cos(2 ψ)+τ xy sin (2 ψ)
=σ x+σ y
2−
σ x−σy
2cos(2 ϕ)−τ xy sin (2 ϕ)
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3.3 Spannungstransformation
– Ergebnis:
σξ =12(σ x+σ y) +
12(σ x−σ y)cos(2 ϕ) + τxy sin (2 ϕ)
ση =12(σ x+σ y) −
12(σ x−σ y)cos(2 ϕ) − τxy sin (2 ϕ)
τξ η = −12(σ x−σy)sin (2 ϕ) + τ xy cos(2ϕ)
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3.3 Spannungstransformation
● Invarianten:
– Addition der ersten beiden Transformationsgleichungen er-gibt:
– Die Summe der Normalspannungen hängt nicht vom Koor-dinatensystem ab. Sie ist eine Invariante des Spannungs-tensors.
– Eine weitere Invariante ist die Determinante der Span-nungsmatrix:
σξ+ση=σ x+σy=I 1
σξση−τξη
2=σ x σ y−τxy
2=I 2
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3.3 Spannungstransformation
● Hydrostatischer Spannungszustand:
– Gilt in einem Koordinatensystem σx = σy = σ und τxy = 0, dann gilt in jedem Koordinatensystem:
– Die Normalspannungen sind in jeder Richtung gleich, wäh-rend die Schubspannung verschwindet.
– Dieser Spannungszustand wird als hydrostatischer Span-nungszustand bezeichnet.
– Ein hydrostatischer Spannungszustand tritt auf bei einem dünnwandigen Kugelbehälter unter Innendruck.
σξ=ση=σ , τξ η=0
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3.4 Hauptspannungen
● Beim Zugstab wurde festgestellt:
– Die Normalspannung nimmt ihren größten Wert für eine Schnittebene senkrecht zur Stabachse an. In dieser Schnitt- ebene ist die Schubspannung null.
– Die Schubspannung hat den größten Wert in einer Schnitt-ebene, die unter 45° gegen die Stabachse geneigt ist.
● Es soll nun untersucht werden, in welchen Schnittebenen beim allgemeinen ebenen Spannungszustand die Span-nungen ihre Extremwerte annehmen.
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3.4 Hauptspannungen
● Extremwerte der Normalspannung:
– Für die Normalspannung in einem beliebigen Schnitt gilt:
– Für ein Extremum muss gelten:
σn=12(σ x+σ y)+
12(σ x−σ y)cos(2 ϕ)+τxy sin (2 ϕ)
d σn
d ϕ=0 : −(σ x−σ y)sin (2ϕE )+2 τxy cos(2 ϕE)=0
tan (2 ϕE )=2 τ xy
σ x−σ y
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3.4 Hauptspannungen
– Wegen gibt es zwei Lösungentan (2 ϕE )=tan (2(ϕE±90 °))
ϕE 1 und ϕE 2=ϕE 1±90 °
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3.4 Hauptspannungen
– Es gibt zwei senkrecht aufeinander stehende Schnittrich-tungen, für die die Normalspannung einen Extremwert an-nimmt.
– Diese Richtungen werden als Hauptrichtungen bezeichnet.
– Die Hauptrichtungen definieren ein rechtwinkliges Koordina-tensystem, das als Hauptachsensystem bezeichnet wird.
– Da die Normalspannung stetig vom Winkel ϕ abhängt, ist einer der beiden Extremwerte ein Maximum und der andere ein Minimum.
– Die Hauptrichtung, für die die Normalspannung maximal wird, wird als 1. Hauptachse bezeichnet. Die 2. Hauptachse zeigt nach links.
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3.4 Hauptspannungen
– Bestimmung von ϕ1:
● Der Taschenrechner liefert einen Wert für ϕE zwischen -45° und 45°.
● Für die Ableitung gilt:
● Damit gilt:
● ϕ1 und τxy haben das gleiche Vorzeichen.
d σn
d ϕ(0)=2 τxy
τxy
> 0 τxy
< 0
ϕE > 0 ϕ
1 = ϕ
Eϕ
1 = ϕ
E - 90°
ϕE < 0 ϕ
1 = ϕ
E + 90° ϕ
1 = ϕ
E
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3.4 Hauptspannungen
– Wert der Schubspannung:● Für die Schubspannung in einem Schnitt senkrecht zu einer
Hauptrichtung gilt:
● In Schnittebenen senkrecht zu den Hauptachsen sind die Schubspannungen null.
– Werte der Extrema:● Die Extremwerte sind die Normalspannungen in Schnittebe-
nen senkrecht zu den Hauptachsen.● Sie können am einfachsten aus den Spannungsinvarianten
berechnet werden.
τ12=−12(σ x−σy)sin(2ϕE )+ τxy cos(2ϕE )=
12
d σn
d ϕ(ϕE)=0 , E=1,2
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3.4 Hauptspannungen
● Es muss gelten:
● Aus der ersten Gleichung folgt:● Einsetzen in die zweite Gleichung ergibt:
● Die quadratische Gleichung hat die beiden Lösungen:
σ1+σ2 = σ x+σy
σ1σ2 = σ x σy−τ xy2
σ2=σ x+σy−σ1
σ1(σ x+σy−σ1)=σ x σy−τ xy2
→ σ1(σ x+σ y)−σ12=σ x σy−τxy
2
→ 0=σ12−(σ x+σy)σ1+σ x σ y−τxy
2
σ11/2=σ x+σy
2±√(
σ x+σy
2 )2
−σ x σy+τ xy2=
σ x+σy
2±√(
σ x−σy
2 )2
+τ xy2
Prof. Dr. Wandinger 2. Ebene Elastizitätstheorie TM 2 2.3-36
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3.4 Hauptspannungen
● Für σ2 folgt:
● Mit σ1 ≧ σ2 gilt:
● Die Extremwerte der Normalspannung heißen Hauptnormal-spannungen oder Hauptspannungen.
σ2 1/2=σ x+σ y−σ11/2=σ x+σy
2∓√(
σ x−σy
2 )2
+τxy2
σ1=σ x+σy
2+√(
σ x−σy
2 )2
+τ xy2
σ2=σ x+σy
2−√(
σ x−σy
2 )2
+τ xy2
Prof. Dr. Wandinger 2. Ebene Elastizitätstheorie TM 2 2.3-37
09.07.19
3.4 Hauptspannungen
ϕ1
x
y
1σ1
x
2
1
σ2
ϕ2
y
2
– Ergebnis:
tan (2 ϕ1/2)=2 τxy
σ x−σy
ϕ2=ϕ1+90 °
σ1/2=σ x+σy
2±√(
σ x−σ y
2 )2
+τ xy2
sgn (ϕ1)=sgn ( τxy)
Prof. Dr. Wandinger 2. Ebene Elastizitätstheorie TM 2 2.3-38
09.07.19
3.4 Hauptspannungen
– Beispiel:● Der Spannungszustand an einem Punkt P wird durch die
Spannungen σx = 200 MPa, σy = 300 MPa und τxy = 100 MPa be-schrieben.
● Gesucht sind die Hauptspannungen und die Hauptrichtungen.● Hauptspannungen:
σ x+σy
2=
200 MPa+300 MPa2
=250 MPa
σ x−σy
2=
200 MPa 300 MPa2
=−50 MPa
Prof. Dr. Wandinger 2. Ebene Elastizitätstheorie TM 2 2.3-39
09.07.19
3.4 Hauptspannungen
● Hauptrichtungen:
√(σ x−σy
2 )2
+τ xy2=√502
+1002 MPa=111,8 MPa
σ1=250 MPa+111,8 MPa=361,8 MPaσ2=250 MPa−111,8 MPa=138,2 MPa
tan(2ϕE )=2⋅100−100
=−2 → ϕE=−31,72°
τxy>0 → ϕ1=ϕE +90 °=58,28 °
Prof. Dr. Wandinger 2. Ebene Elastizitätstheorie TM 2 2.3-40
09.07.19
3.4 Hauptspannungen
300
200
100
100
x
y
361,8
138,2
x
1
2
58,3°
Spannungen in MPa
200
300
100
100
138,2
361,8
Prof. Dr. Wandinger 2. Ebene Elastizitätstheorie TM 2 2.3-41
09.07.19
3.4 Hauptspannungen
● Extremwerte der Schubspannung:
– Für die Schubspannung in einem beliebigen Schnitt gilt:
– Für ein Extremum muss gelten:
τ tn=−12(σ x−σ y)sin (2 ϕ)+τxy cos(2ϕ)
d τ tn
d ϕ=0 : −(σ x−σy)cos(2ϕS )−2 τ xy sin (2ϕS )=0
→ cot (2 ϕS)=−2 τ xy
σ x−σ y=−tan (2 ϕE )
Prof. Dr. Wandinger 2. Ebene Elastizitätstheorie TM 2 2.3-42
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3.4 Hauptspannungen
– Mit folgt:
– Die Schnittrichtungen, in denen die Schubspannung ihre Extremwerte annimmt, bilden mit den Hauptachsen einen Winkel von 45°.
– Die Werte des Maximums und des Minimums ergeben sich, indem das Hauptachsensystem um -45° bzw. 45° gedreht wird:
– Die Extremwerte der Schubspannung heißen Hauptschub-spannungen.
cot (ϕ)=−tan (ϕ±90 °) ϕS=ϕE±45°
τmax=σ1−σ2
2, τmin=−
σ1−σ2
2=−τmax
Prof. Dr. Wandinger 2. Ebene Elastizitätstheorie TM 2 2.3-43
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3.4 Hauptspannungen
– Mit den Beziehungen für die Hauptnormalspannungen folgt für die Hauptschubspannungen:
– Die Normalspannung in einer Schnittebene mit maximaler Schubspannung berechnet sich zu
– Damit gilt für die Hauptnormalspannungen:
τmax=√(σ x−σ y
2 )2
+τ xy2
σn=σ1+σ2
2=
σ x+σy
2=σM
σ1=σM+τmax , σ2=σM−τmax
Prof. Dr. Wandinger 2. Ebene Elastizitätstheorie TM 2 2.3-44
09.07.19
3.4 Hauptspannungen
– Beispiel:● Der Spannungszustand an einem Punkt P wird durch die
Spannungen σx = 200 MPa, σy = 300 MPa und τxy = 100 MPa be-schrieben.
● Maximale Schubspannung:
● Zugehörige Normalspannung:
τmax=√(σ x−σy
2 )2
+τxy2=√502
+1002 MPa=111,8 MPa
σM=200+300
2MPa=250 MPa
Prof. Dr. Wandinger 2. Ebene Elastizitätstheorie TM 2 2.3-45
09.07.19
3.4 Hauptspannungen
300
200
100
100
x
y
361,8
138,2
x
1
258,3°
Spannungen in MPa
200
300
100
100138,2
361,8
45°
111,8
111,8
111,8
111,8
250
250
250
250
1
ξ
η
Prof. Dr. Wandinger 2. Ebene Elastizitätstheorie TM 2 2.3-46
09.07.19
3.4 Hauptspannungen
● Der Mohrsche Spannungskreis:
– Der Spannungszustand in einem Punkt wird vollständig durch die Hauptspannungen σ1 und σ2 und die Hauptrich-tung beschrieben.
– Welche Spannungen in beliebigen Schnittebenen auftreten können, lässt sich anschaulich am Mohrschen Spannungs-kreis ablesen.
Prof. Dr. Wandinger 2. Ebene Elastizitätstheorie TM 2 2.3-47
09.07.19
3.4 Hauptspannungen
– Bei gegebenen Hauptspannungen σ1 und σ2 lassen sich die Spannungen σx , σy und τxy in jedem Koordinatensystem, dessen x-Achse mit der 1. Hauptrichtung den Winkel ϕ1 ein-schließt, aus den Transformationsgleichungen berechnen.
– Das xy-System entsteht durch Drehung des Hauptachsensys-tems um den Winkel -ϕ1.
x
y
-ϕ1
1
2
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09.07.19
3.4 Hauptspannungen
– Damit folgt:
– Die geometrische Darstellung dieser Gleichungen wird als Mohrscher Spannungskreis bezeichnet.
σ x =12(σ1+σ2) +
12(σ1−σ2)cos(2ϕ1)
σy =12(σ1+σ2) −
12(σ1−σ2)cos(2ϕ1)
τ xy =12(σ1−σ2)sin (2 ϕ1)
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09.07.19
½(σ1 + σ
2) ½(σ
1 - σ
2)
2ϕ1
σ1
σ2
σx
σy
τxy
τmax
P
Q
σ
τ
M
3.4 Hauptspannungen
– Mohrscher Spannungs-kreis:
– Konstruktion aus σx , σy und τxy :
● Der Punkt P hat die Ko-ordinaten (σx , τxy ).
● Der Punkt Q hat die Ko-ordinaten (σy , -τxy ).
● Der Mittelpunkt des Kreises liegt im Schnitt-punkt der Verbindungsli-nie der Punkte P und Q mit der σ-Achse.
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09.07.19
3.4 Hauptspannungen
– Am Mohrschen Spannungskreis kann unmittelbar abgele-sen werden:
● Die 1. Hauptspannung σ1 ist die größte Normalspannung.
● Die 2. Hauptspannung σ2 ist die kleinste Normalspannung. Ihre Richtung steht senkrecht auf der Richtung der größten Normalspannung.
● Die größte Schubspannung τmax tritt für eine Schnittrichtung auf, die mit der ersten Hauptrichtung einen Winkel von 45° bildet. Sie hat den Wert:
τmax=σ1−σ2
2
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3.4 Hauptspannungen
– Hauptrichtungen:● Die Gerade durch die
Punkte (σ2 , 0) und P gibt die Richtung der 1. Hauptachse an.
● Die Gerade durch die Punkte (σ1 , 0) und P gibt die Richtung der 2. Hauptachse an.
½(σ1 + σ
2) ½(σ
1 - σ
2)
2ϕ1
σ1
σ2
P
Q
σ
τ
M
1
ϕ1
2
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3.4 Hauptspannungen
● Beispiel:
– In einem Punkt eines ebenen dünnwandigen Bauteils wer-den die folgenden Spannungen gemessen:
– Gesucht:● Hauptnormalspannungen und Hauptrichtungen● Größte Schubspannung und zugehörige Schnittrichtung● Die berechneten Ergebnisse sollen am Mohrschen Kreis gra-
phisch überprüft werden.
σ x=−20 MPa , σ y=90 MPa , τ xy=60 MPa
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3.4 Hauptspannungen
– Rechnerische Ermittlung:● Spannungen:
σM=σ x+σy
2=35 MPa
σ1=35 MPa+81,39 MPa=116,4 MPa
σ2=35 MPa−81,39 MPa=−46,39 MPa
τmax=√552+602 MPa
=81,39 MPa
● Richtungen:
tan(2ϕE )=2⋅60
−20−90
=−1211
=−1,091
→ ϕE=−23,74 °
τxy>0→ ϕ1=−23,74°+90 °
=66,26°
ϕS=ϕ1−45°=21,26 °
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3.4 Hauptspannungen
– Mohrscher Spannungskreis (10 MPa = 5 mm)
-20
90
60
-60
P
Q
σσ
1σ
2
τmax
τ
2ϕ1
P
Q
σσ
1σ
2
τ
ϕ1
1
2
ξ
45°
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3.5 Festigkeitshypothesen
● Problemstellung:
– Für die Grundbelastungsarten kann in geeigneten Versu-chen festgestellt werden, bei welcher Last das Bauteil ver-sagt.
– Bei einem komplexen Bauteil liegt in der Regel eine mehr-achsige Beanspruchung vor, d. h. ein ebener oder ein räum-licher Spannungszustand.
– Eine experimentelle Untersuchung aller möglichen Span-nungszustände ist praktisch nicht möglich.
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3.5 Festigkeitshypothesen
● Lösung:
– Mithilfe von sogenannten Festigkeitshypothesen wird aus den Spannungskomponenten der mehrachsigen Beanspru-chung eine Vergleichsspannung σV berechnet, die mit im einachsigen Versuch ermittelten Kennwerten verglichen werden kann.
● Ebener Spannungszustand:● Räumlicher Spannungszustand:
– Die Vergleichsspannung darf nicht vom gewählten Koordi-natensystem abhängen.
– Die Festigkeitshypothesen hängen von der Art des Versa-gens und damit von der Art des Werkstoffs ab.
σV= f (σ x ,σy , τ xy)
σV= f (σ x ,σy ,σ z , τ xy , τyz , τxz)
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3.5 Festigkeitshypothesen
● Übersicht:
– Das Versagen durch Trennbruch bei spröden Werkstoffen kann mithilfe der Normalspannungshypothese beurteilt wer-den.
– Das Versagen durch Fließen bei duktilen Werkstoffen kann mithilfe der Schubspannungshypothese oder der Gestalt- änderungshypothese beurteilt werden.
– Bei einem räumlichen Spannungszustand ist auch bei dukti-len Werkstoffen Versagen durch Trennbruch möglich.
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3.5 Festigkeitshypothesen
3.5.1 Normalspannungshypothese
3.5.2 Schubspannungshypothese
3.5.3 Gestaltänderungshypothese
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3.5.1 Normalspannungshypothese
● Die Normalspannungshypothese geht auf Rankine (1861) zurück.
● Sie kann bei sprödem Werkstoff- oder Bauteilverhalten eingesetzt werden.
● Annahme:
– Versagen durch Trennbruch tritt auf, wenn die größte Nor-malspannung die Trennfestigkeit σT überschreitet.
– Bei ideal spröden Werkstoffen entspricht die Trennfestigkeit der Zugfestigkeit Rm .
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3.5.1 Normalspannungshypothese
● Vergleichsspannung:
– Ist σ1 die größte Hauptspannung, dann gilt:
– Für den ebenen Spannungszustand kann die Vergleichs-spannung auch direkt aus den Spannungskomponenten be-rechnet werden:
σV , NH=σ1
σV , NH=σ1=σ x+σy
2+√(
σ x−σ y
2 )2
+τxy2
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3.5.1 Normalspannungshypothese
● Versagensbedingung:
– Versagen durch Trenn-bruch tritt auf für
– Versagen kann nur auftre-ten, wenn die größte Normalspannung positiv ist.
σV , NH≥Rm
σ1
σ2
Rm
Rm
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3.5.1 Normalspannungshypothese
● Beispiel:
– In einem auf Zug und Torsion beanspruchten martensitisch gehärteten Bolzen aus 41 Cr 4 treten folgende Spannungen auf:
– Die Zugfestigkeit beträgt 2000 MPa.
– Gesucht ist die Sicherheit gegen Bruch.
σ x=450 MPa , τ xy=300 MPa
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3.5.1 Normalspannungshypothese
– Lösung:● Da es sich um einen spröden Werkstoff handelt, muss die
Normalspannungshypothese angewendet werden.● Die Vergleichsspannung berechnet sich zu
● Damit beträgt die Sicherheit gegen Bruch:
σV , NH=450 MPa
2+√( 450
2 )2
+3002 MPa=600 MPa .
S B=Rm
σV , NH=
2000600
=3,3
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3.5.2 Schubspannungshypothese
● Die Schubspannungshypothese geht auf Tresca (1868) zurück.
● Sie kann verwendet werden, um bei duktilen Werkstoffen das Versagen durch Fließen oder Schubbruch zu beurtei-len.
● Annahme:
– Versagen tritt auf, wenn die größte Schubspannung die Fließschubspannung τF überschreitet.
– Die Fließschubspannung kann aus der im Zugversuch er-mittelten Streckgrenze bestimmt werden: τF = Re /2.
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3.5.2 Schubspannungshypothese
● Vergleichsspannung:
– Die maximale Schubspannung muss aus einem räumlichen Spannungszustand ermittelt werden:
– Für einen ebenen Spannungszustand mit σ3 = 0 reduziert sich die Gleichung auf
σV , SH=2 τmax=max (|σ1−σ2|,|σ1−σ3|,|σ2−σ3|)
σV , SH=max (|σ1−σ2|,|σ1|,|σ2|)
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3.5.2 Schubspannungshypothese
● Versagen:
– Versagen durch Fließen tritt auf für .
– Beim ebenen Spannungszustand können drei Fälle auftre-ten:
σV , SH≥R e
1
23
45°
45°45°
|σ1 – σ
2| > max(|σ
1|, |σ
2|)
|σ1| > max(|σ
1 – σ
2|, |σ
2|)
|σ2| > max(|σ
1 – σ
2|, |σ
1|)
Prof. Dr. Wandinger 2. Ebene Elastizitätstheorie TM 2 2.3-67
09.07.19
σ1
σ2
Re
Re
Re
Re
3.5.2 Schubspannungshypothese
– In der Hauptspannungsebene wird das zulässige Gebiet durch einen Polygonzug begrenzt:
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09.07.19
3.5.2 Schubspannungshypothese
● Beispiel:
– In einem auf Zug und Torsion beanspruchten Bolzen aus einem duktilen Vergütungsstahl treten folgende Spannun-gen auf:
– Die Streckgrenze beträgt 700 MPa.
– Gesucht ist die Sicherheit gegen Fließen.
– Da es sich um einen duktilen Werkstoff handelt, kann die Schubspannungshypothese verwendet werden.
σ x=450 MPa , τ xy=300 MPa
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3.5.2 Schubspannungshypothese
– Hauptspannungen:
– Vergleichsspannung:
σ x+σ y
2=
450 MPa2
=225 MPa ,σ x−σy
2=
450 MPa2
=225 MPa
σ1/2=225 MPa±√2252+3002 MPa=225 MPa±375 MPa
→ σ1=600 MPa , σ2=−150 MPa
|σ1−σ2|=750 MPa
σV , SH=max (750, 600,150 ) MPa=750 MPa
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3.5.2 Schubspannungshypothese
– Sicherheit gegen Fließen:
S F=R e
σV , SH=
700750
=0,93
σ
τ
B
450
300
τF = R
e /2
– Darstellung im Mohr-schen Spannungskreis:
Prof. Dr. Wandinger 2. Ebene Elastizitätstheorie TM 2 2.3-71
09.07.19
3.5.2 Schubspannungshypothese
● Anmerkung:
– Wenn sich die Hauptspannungen eines räumlichen Span-nungszustands nur wenig unterscheiden, ist die Vergleichs-spannung klein.
– Ist dabei eine der Hauptspannungen größer als die Trenn-festigkeit, tritt Versagen durch Trennbruch auf.
– Beim ebenen Spannungszustand kann dieser Fall wegen σ3 = 0 nicht auftreten.
Prof. Dr. Wandinger 2. Ebene Elastizitätstheorie TM 2 2.3-72
09.07.19
3.5.3 Gestaltänderungshypothese
● Die Gestaltänderungshypothese wurde von Huber (1904), von Mises (1913) und Hencky (1924) eingeführt.
● Wie die Schubspannungshypothese kann sie zur Beurtei-lung des Versagens durch Fließen bei duktilen Werkstof-fen verwendet werden.
● Annahme:
– Fließen tritt auf, wenn die Gestaltänderungsenergie einen bestimmten Wert überschreitet.
– Durch Vergleich mit dem einachsigen Zugversuch lässt sich daraus eine Vergleichsspannung ableiten, die mit der Streckgrenze Re verglichen werden kann.
Prof. Dr. Wandinger 2. Ebene Elastizitätstheorie TM 2 2.3-73
09.07.19
3.5.3 Gestaltänderungshypothese
● Vergleichsspannung:
– Räumlicher Spannungszustand:
– Ebener Spannungszustand:
σV ,GH=1√2 √(σ1−σ2)
2+(σ2−σ3)
2+(σ3−σ1)
2
=1√2
√(σ x−σy)2+(σ y−σ z)
2+(σ z−σ x)
2+6( τ xy
2+τyz
2+τ xz
2)
σV ,GH=√σ12−σ1σ2+σ2
2=√σ x
2−σ x σy+σ y
2+3 τ xy
2
σ3=0 , σ z=0 , τyz=τ xz=0
Prof. Dr. Wandinger 2. Ebene Elastizitätstheorie TM 2 2.3-74
09.07.19
σ1
σ2
Re
2 Re
23
Re
Re
Re
Re
3.5.3 Gestaltänderungshypothese
● Versagen:
– Versagen durch Fließen tritt auf für .
– In der Hauptspannungs-ebene ist die Grenzkurve eine Ellipse, deren Hauptachsen um 45° ge-neigt sind und die das Po-lygon der Schubspan-nungshypothese um-schließt.
σV ,GH≥Re
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09.07.19
3.5.3 Gestaltänderungshypothese
● Vergleich mit der Schubspannungshypothese:
– Die Vergleichsspannung nach der Schubspannungshypo-these ist maximal 15 % größer als die Vergleichsspannung nach der Gestaltänderungshypothese.
– Die Vergleichsspannung nach der Gestaltänderungshypo-these zeigt eine bessere Übereinstimmung mit experimen-tellen Ergebnissen.
– Die Vergleichsspannung nach der Schubspannungshypo-these liefert daher eine konservativere Beurteilung.
– Die Vergleichsspannung nach der Gestaltänderungshypo-these ist einfacher zu berechnen.
Prof. Dr. Wandinger 2. Ebene Elastizitätstheorie TM 2 2.3-76
09.07.19
3.5.3 Gestaltänderungshypothese
– Die Schubspannungshypothese kann einfach anschaulich am Mohrschen Kreis dargestellt werden.
– Die Grenzkurve für die Gestaltänderungshypothese besitzt in jedem Punkt eine Tangente und eine Normale. Das ist günstig für numerische Berechnungen und erlaubt die For-mulierung eines Fließgesetzes.
Prof. Dr. Wandinger 2. Ebene Elastizitätstheorie TM 2 2.3-77
09.07.19
3.5.3 Gestaltänderungshypothese
● Beispiel:
– In einem auf Zug und Torsion beanspruchten Bolzen aus einem duktilen Vergütungsstahl treten folgende Spannun-gen auf:
– Die Streckgrenze beträgt 700 MPa.
– Gesucht ist die Sicherheit gegen Fließen.
– Da es sich um einen duktilen Werkstoff handelt, kann die Gestaltänderungshypothese verwendet werden.
σ x=450 MPa , τ xy=300 MPa