4. Die Sammlung-imp - bauwelt.de · pels, den Reliefplatten (Metopen) aus dem dorischen Gebälk des...

2
Bauwelt 32--33 | 2009 28 Thema Akropolis-Museum Bauwelt 32--33 | 2009 29 Weit mehr als einhundert Jahre nach ihrer systematischen Ausgrabung hat eine der bedeutendsten archäologischen Stät- ten der Welt, die Athener Akropolis, endlich ein angemesse- nes Museum erhalten. Hier soll jedoch nicht das neue Haus ge- würdigt, sondern ein näherer Blick auf die dort ausgestellten Objekte, ihre Geschichte und die Art ihrer neuen Präsentation geworfen werden. Schließlich geht es hier um ein einzigar- tiges archäologisches Gesamtensemble, das nur versteht, wer sich über den spezifischen Charakter der Akropolisfunde Klar- heit verschafft. Denn erhalten sind neben den berühmten Bau- ten der Klassik des 5. Jahrhunderts v. Chr. (Propyläen, Nike- Tempel, Parthenon, Erechtheion) vor allem deren plastischer Schmuck sowie zahllose Weihgeschenke an die Stadtgöttin Athena – von winzigen Bronzefiguren bis zu großformatigen Marmorskulpturen. Die vergleichsweise gute Überlieferung und die wissen- schaftliche Dokumentation der Funde machen die zahllosen Weihgeschenke von der Akropolis zu einem Thema von beson- derem Interesse für die archäologische Erforschung des grie- chischen Votivwesens. Dass dies so ist, hängt ganz wesentlich mit einem katastrophalen Moment in der Geschichte der Akro- polis, dem sogenannten Persersturm 480 v. Chr., zusammen. Herodot, der „Vater der Geschichtsschreibung“, überliefert die dramatischen Ereignisse beim Angriff der Perser auf die Akropolis knapp, aber anschaulich: „An der Vorderseite der Akropolis also, doch hinter Tor und Aufgang, dort, wo niemand Wache hielt, noch erwartete, dass irgendein Mensch es je fer- tigbrächte, da aufzusteigen, da stiegen einige [der Perser] auf, beim Heiligtum der Kekropstochter Aglauros, so jäh und ab- schüssig die Stelle auch war. Die Athener sahen sie erst, als sie schon aufgestiegen und auf der Akropolis waren, und da stürz- ten sich einige die Mauer hinab und kamen um, andere flüch- teten ins Innere des Tempels. Die aufgestiegenen Perser aber Das Bild rechts zeigt im Hin- tergrund den umlaufenden Parthenon-Fries, davor, je- weils zu zweit zwischen die Säulen gehängt, die Meto- pen des Tempels. Foto: Christian Richters Die Sammlung Als das Akropolis-Museum im Juni mit fünfjähriger Verspätung eröffnete, gab es aus wissenschaftlicher Perspektive große Neugier. Wie wird die Sammlung, die bisher im kleinen und dunklen Museum auf der Akropolis zu sehen war, in einem üppig dimensionierten, ganz auf das Tageslicht hin konzipierten Publikumsmuseum präsentiert? Text Andreas Scholl wandten sich erst dem Tore zu, und nachdem sie dies geöffnet hatten, brachten sie die Schutzsuchenden um. Als alle von ih- nen niedergemacht am Boden lagen, plünderten sie das Heilig- tum und steckten die ganze Burg in Brand“ (Herodot 8, 53). Bei den Aufräumungsarbeiten nach der Zerstörung haben die Athener viele Weihungen, die auch in ihrem zerstörten Zustand Eigentum der Gottheit blieben, an verschiedenen Stellen des Burgplateaus vergraben. In diesem „Perserschutt“ überdauerten sie die Jahrhunderte unter guten Erhaltungsbe- dingungen, so dass vor allem von den Weihgeschenken des 6. Jahrhunderts v. Chr. ein wohl repräsentativer Querschnitt erhalten blieb. Als bei den großen Grabungen Ende des 19. Jahrhunderts auf der Athener Akropolis neben zahllosen kleinformatigen Weihungen aller erdenklichen Typen auch noch zahlreiche große und zum Teil sehr qualitätvolle Kalkstein- und Mar- morskulpturen aufgedeckt wurden, standen diese sehr schnell fast allein im Vordergrund einer oft geradezu emphatischen Betrachtung. Daran änderte auch die bald beginnende Veröf- fentlichung der „Kleinfunde“ nur wenig. Das jahrzehntelang vorherrschende, fast ausschließliche Interesse für die großfor- matigen, ästhetisch ausgesprochen fesselnden Großskulp- turen sowie deren Interpretation (vor allem im Hinblick auf die chronologische und stilistische Entwicklung der griechi- schen Plastik) verstellte den Blick auf die immense Vielfalt der Votive aus dem Kleinkunstbereich und auf ihren ursprüngli- chen religiösen Kontext. Hier zeigt sich in der forschungsge- schichtlichen Rückschau überdeutlich, dass die nahezu voll- ständige Zerstörung fast aller Schichtkontexte durch die überhasteten und schlecht dokumentierten Grabungen des 19. Jahrhunderts nicht nur die (aus organisatorischen und wis- senschaftstechnischen Gründen zunächst richtige) Vorlage der Funde nach Gattungen bedingt, sondern auch deren weitere Erforschung regelrecht konditioniert hat. So wurde fast aus- schließlich zu formgeschichtlichen Fragen in den durch eine bestimmte Denkmälergruppe vorgegebenen Bahnen gearbei- tet und die Objekte dem Publikum auch ganz entsprechend präsentiert. Noch die zwischen 1953 und 1965 verwirklichte Aufstel- lung der Monumente im 2007 geschlossenen alten Akropolis- Museum auf der Burg berücksichtigte allein die künstlerisch anspruchsvollsten Denkmäler seit dem frühen 6. Jahrhundert und führte diese im Wesentlichen nach Gattungen geordnet vor. Die bedeutende archäologische Überlieferung zur Frühge- schichte des Heiligtums auf der Akropolis blieb dabei voll- ständig ausgeblendet. Die am 20. Juni feierlich eröffnete Neuaufstellung zeigt nun, dass es durchaus möglich ist, die Grundzüge der Votiv- praxis im wichtigsten Heiligtum Athens und Attikas seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. anhand des archäologischen Materials sehr viel präziser darzustellen, als dies bislang der Fall war. Während sich das alte Museum mit seiner kleinteiligen Struk- tur in eine Senke östlich des Parthenon duckte, nimmt der gi- ganteske Neubau eine geradezu optimale Position zu Füßen des südlichen Abhangs der Akropolis ein. Vor der Kulisse ge- sichtsloser Wohnblocks wirkt der Bau wie von einem anderen Stern – und hat dabei etwas ostentativ Auftrumpfendes. Aus vielen Ausstellungsräumen fällt der Blick auf den Südabhang der Akropolis mit dem Dionysos-Theater, die gewaltigen Stütz- mauern und auf die südliche Langseite des Parthenon. Von Ge- schoss zu Geschoss wird dieser großartigste aller griechischen Tempel besser sichtbar, und der Besuch kulminiert konsequen- terweise im großen, rundum verglasten Raum der Parthenon- Skulpturen, der den Neubau nach Form und Inhalt bekrönt. Auf dieses Erlebnis wird der Besucher sorgfältig vorbereitet. Nach Besichtigung des Burgplateaus nähert er sich dem Ge- Andreas Scholl | lehrt klassische Archäologie an der Freien Universität in Berlin und ist seit 2003 Direktor der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin. Er war an der Vorbereitung der 2002 in Berlin gezeigten Aus- stellung „die Griechische Klassik“ beteiligt und veröffentlichte 1998 „Die Korenhalle des Erechtheion auf der Akropolis. Frauen für den Staat.“ Wir zeigen auf den Seiten 17 bis 35 den noch erhaltenen Parthenon-Fries, der als Be- krönung der Cella-Wände des Tempels eine Länge von ins- gesamt 160 Metern aufwies. Im neuen Museum wird er in der gleichen Länge an den vier Wänden des obersten Ge- schosses gezeigt. Die hier prä- sentierte Montage der Origi- nale wurde ergänzt durch die Zeichnungen von Jacques Car- rey (1674) und James Stuart (1751), die verlorenen Blöcke sind grau. Die römischen Zah- len bezeichnen die Blöcke, die arabischen die Figuren. MA meint den Standort in Athen, BM das British Museum. Im Akropolis-Museum wurden die in London ausgestellten Teile des Frieses durch Kopien er- setzt. Fotos und Montage: © Socra- tis Mavrommatis und Acropo- lis Restoration Service

Transcript of 4. Die Sammlung-imp - bauwelt.de · pels, den Reliefplatten (Metopen) aus dem dorischen Gebälk des...

Bauwelt 32--33 | 200928 Thema Akropolis-Museum Bauwelt 32--33 | 2009 29

Weit mehr als einhundert Jahre nach ihrer systematischen Ausgrabung hat eine der bedeutendsten archäologischen Stät-ten der Welt, die Athener Akropolis, endlich ein angemesse-nes Museum erhalten. Hier soll jedoch nicht das neue Haus ge-würdigt, sondern ein näherer Blick auf die dort ausgestellten Objekte, ihre Geschichte und die Art ihrer neuen Präsentation geworfen werden. Schließlich geht es hier um ein einzigar-tiges archäologisches Gesamtensemble, das nur versteht, wer sich über den spezifischen Charakter der Akropolisfunde Klar-heit verschafft. Denn erhalten sind neben den berühmten Bau-ten der Klassik des 5. Jahrhunderts v. Chr. (Propyläen, Nike-Tempel, Parthenon, Erechtheion) vor allem deren plastischer Schmuck sowie zahllose Weihgeschenke an die Stadtgöttin Athena – von winzigen Bronzefiguren bis zu großformatigen Marmorskulpturen.

Die vergleichsweise gute Überlieferung und die wissen-schaftliche Dokumentation der Funde machen die zahllosen Weihgeschenke von der Akropolis zu einem Thema von beson-derem Interesse für die archäologische Erforschung des grie-chischen Votivwesens. Dass dies so ist, hängt ganz wesentlich mit einem katastrophalen Moment in der Geschichte der Akro-polis, dem sogenannten Persersturm 480 v. Chr., zusammen. Herodot, der „Vater der Geschichtsschreibung“, überliefert die dramatischen Ereignisse beim Angriff der Perser auf die Akropolis knapp, aber anschaulich: „An der Vorderseite der Akropolis also, doch hinter Tor und Aufgang, dort, wo niemand Wache hielt, noch erwartete, dass irgendein Mensch es je fer-tigbrächte, da aufzusteigen, da stiegen einige [der Perser] auf, beim Heiligtum der Kekropstochter Aglauros, so jäh und ab-schüssig die Stelle auch war. Die Athener sahen sie erst, als sie schon aufgestiegen und auf der Akropolis waren, und da stürz-ten sich einige die Mauer hinab und kamen um, andere flüch-teten ins Innere des Tempels. Die aufgestiegenen Perser aber

Das Bild rechts zeigt im Hin-tergrund den umlaufenden Parthenon-Fries, davor, je-weils zu zweit zwischen die Säulen gehängt, die Meto-pen des Tempels.

Foto: Christian Richters

Die SammlungAls das Akropolis-Museum im Juni mit fünfjähriger Verspätung eröffnete, gab es aus wissenschaftlicher Perspektive große Neugier. Wie wird die Sammlung, die bisher im kleinen und dunklen Museum auf der Akropolis zu sehen war, in einem üppig dimensionierten, ganz auf das Tageslicht hin konzipierten Publikumsmuseum präsentiert?

Text Andreas Scholl

wandten sich erst dem Tore zu, und nachdem sie dies geöffnet hatten, brachten sie die Schutzsuchenden um. Als alle von ih-nen niedergemacht am Boden lagen, plünderten sie das Heilig-tum und steckten die ganze Burg in Brand“ (Herodot 8, 53).

Bei den Aufräumungsarbeiten nach der Zerstörung haben die Athener viele Weihungen, die auch in ihrem zerstörten Zustand Eigentum der Gottheit blieben, an verschiedenen Stellen des Burgplateaus vergraben. In diesem „Perserschutt“ überdauerten sie die Jahrhunderte unter guten Erhaltungsbe-dingungen, so dass vor allem von den Weihgeschenken des 6. Jahrhunderts v. Chr. ein wohl repräsentativer Querschnitt erhalten blieb.

Als bei den großen Grabungen Ende des 19. Jahrhunderts auf der Athener Akropolis neben zahllosen kleinformatigen Weihungen aller erdenklichen Typen auch noch zahlreiche große und zum Teil sehr qualitätvolle Kalkstein- und Mar-morskulpturen aufgedeckt wurden, standen diese sehr schnell fast allein im Vordergrund einer oft geradezu emphatischen Betrachtung. Daran änderte auch die bald beginnende Veröf-fentlichung der „Kleinfunde“ nur wenig. Das jahrzehntelang vorherrschende, fast ausschließliche Interesse für die großfor-matigen, ästhetisch ausgesprochen fesselnden Großskulp-turen sowie deren Interpretation (vor allem im Hinblick auf die chronologische und stilistische Entwicklung der griechi-schen Plastik) verstellte den Blick auf die immense Vielfalt der Votive aus dem Kleinkunstbereich und auf ihren ursprüngli-chen religiösen Kontext. Hier zeigt sich in der forschungsge-schichtlichen Rückschau überdeutlich, dass die nahezu voll-ständige Zerstörung fast aller Schichtkontexte durch die überhasteten und schlecht dokumentierten Grabungen des 19. Jahrhunderts nicht nur die (aus organisatorischen und wis-senschaftstechnischen Gründen zunächst richtige) Vorlage der Funde nach Gattungen bedingt, sondern auch deren weitere

Erforschung regelrecht konditioniert hat. So wurde fast aus-schließlich zu formgeschichtlichen Fragen in den durch eine bestimmte Denkmälergruppe vorgegebe nen Bahnen gearbei-tet und die Objekte dem Publikum auch ganz entsprechend präsentiert.

Noch die zwischen 1953 und 1965 verwirklichte Aufstel-lung der Monumente im 2007 geschlossenen alten Akropolis-Museum auf der Burg berücksichtigte allein die künstlerisch anspruchsvollsten Denkmäler seit dem frühen 6. Jahrhundert und führte diese im Wesentlichen nach Gattungen geordnet vor. Die bedeutende archäologische Überlieferung zur Frühge-schichte des Heiligtums auf der Akropolis blieb dabei voll-ständig ausgeblendet.

Die am 20. Juni feierlich eröffnete Neuaufstellung zeigt nun, dass es durchaus möglich ist, die Grundzüge der Votiv-praxis im wichtigsten Heiligtum Athens und Attikas seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. anhand des archäologischen Materials sehr viel präziser darzustellen, als dies bislang der Fall war. Während sich das alte Museum mit seiner kleinteiligen Struk-tur in eine Senke östlich des Parthenon duckte, nimmt der gi-ganteske Neubau eine geradezu optimale Position zu Füßen des südlichen Abhangs der Akropolis ein. Vor der Kulisse ge-sichtsloser Wohnblocks wirkt der Bau wie von einem anderen Stern – und hat dabei etwas ostentativ Auftrumpfendes. Aus vielen Ausstellungsräumen fällt der Blick auf den Südabhang der Akropolis mit dem Dionysos-Theater, die gewaltigen Stütz-mauern und auf die südliche Langseite des Parthenon. Von Ge-schoss zu Geschoss wird dieser großartigste aller griechischen Tempel besser sichtbar, und der Besuch kulminiert konsequen-terweise im großen, rundum verglasten Raum der Parthenon-Skulpturen, der den Neubau nach Form und Inhalt bekrönt. Auf dieses Erlebnis wird der Besucher sorgfältig vorbereitet. Nach Besichtigung des Burgplateaus nähert er sich dem Ge-

Andreas Scholl | lehrt klassische Archäologie an der Freien Universität in Berlin und ist seit 2003 Direktor der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin. Er war an der Vorbereitung der 2002 in Berlin gezeigten Aus-stellung „die Griechische Klassik“ beteiligt und veröffentlichte 1998 „Die Korenhalle des Erechtheion auf der Akropolis. Frauen für den Staat.“

Wir zeigen auf den Seiten 17 bis 35 den noch erhaltenen Parthenon-Fries, der als Be-krönung der Cella-Wände des Tempels eine Länge von ins-ge samt 160 Metern aufwies. Im neuen Museum wird er in der gleichen Länge an den vier Wänden des obersten Ge-schos ses gezeigt. Die hier prä-sentierte Montage der Origi-nale wurde ergänzt durch die Zeich nun gen von Jac ques Car-rey (1674) und James Stuart

(1751), die verlorenen Blöcke sind grau. Die römi schen Zah-len bezeichnen die Blöcke, die arabischen die Figuren. MA meint den Standort in Athen, BM das British Museum. Im Akropolis-Museum wurden die in London ausgestellten Teile des Frie ses durch Ko pien er-setzt.

Fotos und Montage: © Socra-tis Mavrommatis und Acropo-lis Restoration Service

Bauwelt 32--33 | 200930 Thema Akropolis-Museum Bauwelt 32--33 | 2009 31

Oben: im Geschoss der Par-thenon-Galerie mit der Hinter-einanderstaffelung der mo-numentalen Figuren aus dem Giebelfeld (im Vordergrund), der Metopen und schließlich des Frieses. Rechts die frei aufgestellten Statuen in dem nach Süden orientierten Saal der „archaischen Zeit“.

Fotos: Erieta Attali

bäude von Norden über eine aufgeständerte Plattform, die den Blick auf das ausgegrabene Areal unter dem Museum freigibt, und gelangt sodann in ein geräumiges Foyer, das – wie das ganze Haus – für den touristischen Massenbesuch dimensio-niert ist. Die Inszenierung der Akropolisfunde beginnt mit einem Paukenschlag – in der Mitte des Foyers angelangt, sieht sich der Besucher unvermittelt am Fuße einer gewaltigen glä-sernen Rampe, die über eine anschließende Treppe in das erste Stockwerk des Gebäudes führt. Diese große Schräge zitiert in abstrahierender Form den heute weitgehend zerstörten, mo-numentalen Aufgang zu den Propyläen, dem Eingangstor an der Westseite der Akropolis, und präsentiert in großen Wand-vitrinen und buchstäblich in den Weg gestellten Reliefs die vielen Heiligtümer rund um die Akropolis. Die Masse der prä-sentierten Funde entstammt den beiden wichtigsten Heilig-tümern im Umfeld der Athener Burg, dem der Nymphen und jenem des Heilgottes Asklepios. Am Ende dieser Rampen-treppe angelangt, empfängt den Besucher der um 570 v. Chr. entstandene Ostgiebel des ältesten Ringhallentempels mit der berühmten Eckfigur des sogenannten Dreileibigen, ein wun-derbares Zeugnis der polychromen Bauplastik archaischer

Zeit. Hinter dieser frei im Raum präsentierten Giebelgruppe zeigt eine lange Reihe von Wandvitrinen eine kleine Auswahl der wichtigsten Bronzen, Terrakotten und Tongefäße von der mykenischen Akropolis des mittleren 2. Jahrtausends über die geometrischen Weihgeschenke des 8. Jahrhunderts bis zu den prächtigen archaischen Votiven des 7. und 6. Jahrhunderts v. Chr. Eigentliches Thema dieses gewaltigen, säulengestütz-ten Ausstellungsraumes sind jedoch die berühmten Mädchen-statuen, die Koren, die hier endlich eine ihrer oft überragen-den künstlerischen Qualität gemäße Aufstellung erfahren haben. Fast jede Skulptur steht frei im Raum, kann umschrit-ten und von allen Seiten betrachtet werden. Auf der Westseite schließen sich die wichtigsten klassischen Skulpturen an, von der die Mehrzahl aus architektonischem Zusammenhang stammt. Hier dürfen die Präsentation der Friese von Erech-theion und Nike-Tempel sowie die berühmte Nike-Balustrade als Höhepunkte bezeichnet werden. Den Gang durch die Ge-schichte der Akropolis im Spiegel der dort als Weihungen an Athena gestifteten Skulpturen beschließt auf der Nordseite eine Auswahl hellenistischer und römischer Werke. Einige Modelle erleichtern das Verständnis der architektonischen

Ausgestaltung der Burg. Über ein durch Rolltreppen er-schlossenes Zwischengeschoss mit dem Museumsshop und einem Restaurant, dessen großzügige Terrasse einen phantas-tischen Blick auf die Südflanke der Akropolis erlaubt, erreicht man wiederum über Rolltreppen das Allerheiligste des Muse-ums, den lichtdurchfluteten Raum der Parthenon-Skulpturen. Diese bestehen aus drei großen Komplexen: den monumen-talen Gruppen aus den beiden kolossalen Giebeln des Tem-pels, den Reliefplatten (Metopen) aus dem dorischen Gebälk des Tempels und dem Fries, der an der Außenwand des Kern-baus des Tempels (naos oder cella) entlanglief. Das Ensemble der Parthenon-Skulpturen markiert fraglos einen Höhepunkt in der Entwicklung der griechischen Skulptur, ja der Welt-kunst überhaupt, und ist vor allem in den letzten Jahrzehnten zu einem politisch aufgeladenen Symbol griechischer Identi-tät stilisiert worden. Wer vor diesem Hintergrund eine opti-male Präsentation der Skulpturen erwartet hat, sieht sich je-doch enttäuscht. Allein für den Fries wurde eine überzeu-gende Lösung gefunden. Er läuft an einer Wand um, die exakt den Maßen der Partheon-Cella entspricht und vor der eine Reihe dünner Säulen an die monumentale dorische Ringhalle

des Parthenon erinnern soll. Die großen Metopenplatten des Gebälks sind zwischen diesen Säulchen aufgehängt, nehmen so dem Fries einen Teil des natürlichen Lichts und dominie-ren optisch den Raum über dem Fries. Nicht minder proble-matisch ist die Aufstellung beider Giebelgruppen an den Schmalseiten des Raumes. Sie deutet zwar die Position der Giebel am Bau korrekt an, aber der viel zu geringe Abstand zur gläsernen Außenwand erlaubt lediglich ein Abschreiten der Einzelfiguren. An keiner Stelle gewinnt der Betrachter den fraglos vom entwerfenden Künstler vorausgesetzten Gesamt-überblick. Vollkommen richtig und überzeugend war hinge-gen die Entscheidung, alle nicht mehr in Athen befindlichen Parthenon-Skulpturen im Abguss zu zeigen und so das Ge-samtensemble erstmals verständlich werden zu lassen. So wird allerdings auch schmerzhaft deutlich, wie sehr die viel zu lange am Bau belassenen Originale – neben einigen Giebel-skulpturen vor allem der Westfries – im Vergleich mit den 1801 nach London gelangten „Elgin marbles“ durch Umwelt-einflüsse gelitten haben. All dies ändert nichts an der Tatsa-che, dass mit dem neuen Akropolis-Museum ein großer Wurf gelungen ist.