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40 Jahre Atom-Ei Garching

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Grußwort 4

Mensch und Technik im Atom-Ei 6

Von der Entdeckung der Kernspaltung bis zur friedlichen Nutzung der Atomenergie (1955) 17

Kernphysik im Westen Deutschlandszwischen 1945 und 1955 20

Die deutsche Atompolitik in derAdenauer-Zeit 22

München oder Karlsruhe – wo das deutsche Kernforschungszentrum entsteht 25

Realisierung des Garchinger Forschungsreaktors 27

Reaktionen der Öffentlichkeitzum FRM 44

Die ersten Betriebsjahre 49

Der FRM als Motor für die Forschung 70

An der Schwelle zum neuen Forschungsreaktor FRM-II 72

Anmerkungen 74

Quellen, Fotonachweis, Impressum 77

195740 JahreAtom-EiGarching

1997

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„Die Zeit ist selbst ein Element“, sagte schonGoethe. Die Zeit läuft stets vorwärts, niemalsrückwärts. Ein Stück Zeitgeschichte, ein Zeitdo-kument der Technikgeschichte soll diese Bro-schüre zum 40jährigen Bestehen des For-schungsreaktors München (FRM) sein.

Das nach seiner auffälligen Form benannte Gar-chinger „Atom-Ei“, nahm am 31. Oktober 1957seinen Betrieb auf. Es war die erste nukleare An-lage in Deutschland, und sie war der damaligenTechnischen Hochschule München zugeordnet.Schon bald wurde das Atom-Ei zum Wahrzeichender Kernforschung schlechthin und zu einem weitleuchtenden Bild vom Neubeginn nach dem Zwei-ten Weltkrieg.

Was noch heute überrascht, ist die sehr kurze Ge-nehmigungsphase und Bauzeit. In weniger alseinem Jahr nach Baubeginn konnte der Reaktordamals seiner Bestimmung übergeben werden. Ineinem einzigartigen Schnelldurchlauf ging allesüber die Bühne. Ausschlaggebend war, daß diePhysiker Heisenberg und Maier-Leibnitz die damals poli-tisch Verantwortlichen - in Bonn Franz JosefStrauß als Bundesatomminister - von der Not-wendigkeit des Projektes überzeugen konnten,um Deutschland wissenschaftlich-technisch nichtins Hintertreffen geraten zu lassen.

Eine Pionierleistung ohne Beispiel. Der anfängli-che Elan ist bis heute spürbar. Ganz nach demAristoteles-Motto: „Der Anfang ist die Hälfte desGanzen.“ Stillstand gab und gibt es nicht in Gar-ching. Geistiger Vater des Garchinger Atomeis istProfessor Dr. Heinz Maier-Leibnitz, der Nestor derdeutschen Neutronenphysik.

Der Garchinger Forschungsreaktor wurde zurKeimzelle für den heutigen modernen Campusder Technischen Universität München vor denToren der Landeshauptstadt. Im Reaktor Garchinghaben bahnbrechende Forschungen in der Phy-sik, Chemie und Biologie ihren Ausgang genom-men. Die Gar-chinger Neutronenforschung hatweltweit Anerkennung gefunden. Generationennamhafter deutscher und ausländischer Physikerdiente die Garchinger Forschungsstätte zur Aus-bildung und zur Forschung und friedlichen Nut-zung der Atomenergie.

Diese Tradition soll fortgesetzt werden und einenneuen Kulminationspunkt im ForschungsreaktorFRM-II finden, der den neuesten Anforderungenentspricht und wie einst der FRM internationaleMaßstäbe setzten wird. Eine Offensive für die Zu-kunft von Wissenschaft und Forschung. „DasWesen der Geschichte ist der Wandel“, sagte derHistoriker Jacob Burckhardt. Die Neutronenfor-schung Garching wird konsequent weiterent-wickelt. Forschung kennt keinen Endpunkt.

Grußwort

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Diese Broschüre will keine Retrospektive unterkernphysikalischen Aspekten sein. Wohl aber willsie Antwort auf die Frage geben: Unter welchenBedingungen ist das Garchinger Atom-Ei entstan-den? Wie war die Ausgangslage, wie war die wei-tere Entwicklung? Was wird in Zukunft sein? In Garching wurde Kernphysik-Geschichte geschrieben. Nun soll in einfacher, all-gemein verständlicher Darstellung, bei der derMensch und nicht die Technik im Vordergrundsteht, die Geschichte des Forschungsreaktors inGarching ganz unter dem Blickwinkel des däni-schen Philosophen Søren Kierkegaard geschrie-ben werden: „Das Leben wird vorwärts gelebt undrückwärts verstanden“.

Und auch dies wird aus der Broschüre deutlich:So wie der Forschungsreaktor eine Quelle fürNeutronen ist, gab das Garchinger Atom-Ei nichtnur der Region positive Impulse für die Wissen-schaft, für die Wirtschaft und vor allem für dieMenschen, die hier arbeiten und leben. Aufgrundder Erfahrungen am FRM wurde die bis heuteweltbeste Hochflußneutronenquelle in Grenoble(Frankreich) konzipiert. Garching hat mit seinemFor-

schungsreaktor das Dorfleben geöffnet und istzugleich gewachsen und dadurch zur Univer-sitätsstadt geworden. Die Stadt Garching ist auchweit über die Landesgrenze hinaus zum Begriffgeworden: zum Begriff für Wissenschaft und For-schung auf höchstem Niveau, zum Begriff für In-novation und Zukunftsorientierung. Diese Bro-schüre ist Rückblick und Ausblick zugleich. Es isteine Lebensweisheit: Nur wer weiß, woher erkommt, weiß, wohin er gehen soll.

40 Jahre Garchinger Forschungsreaktor! Schließ-lich ist Geschichte die geistige Form, in der eineKultur über ihre Vergangenheit Rechenschaft ab-gibt, um Impulse für die Zukunft zu gewinnen.

Viel Gewinn bei der Lektüre dieses Zeitdoku-ments!

Professor Dr. Wolfgang A. HerrmannPräsident der Technischen Universität München

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Mensch und Technik im Atom-Ei Prof. Dr. Lothar Koester

Was beim Aufbau und bei der Ar-beit mit dem ersten DeutschenForschungsreaktor bereits in denJahren von 1956 bis 1967 geleistetwurde, ist sicherlich beispielhaftfür die Entwicklung in unseremLande in den ersten Jahrzehntennach dem Zusammenbruch von1945. Damals arbeiteten die erstenBerufsanfänger und Abiturientennach dem Kriege und die Krieg-steilnehmer, die noch einmal da-vongekommen waren, gemeinsammit der politischen Führung an denschweren Aufgaben, die neue de-mokratische Gesellschaft zu festi-gen, zerstörte Städte wieder auf-zubauen sowie die Millionen vonvertriebenen Landsleuten ein-zugliedern und zu entschädigen.Industrie und Wirtschaft, Univer-sitäten und Forschungseinrichtun-gen waren auszubauen oder neuzu schaffen. Das alles geschah inFreiheit und mit einem starken Wil-len, wie er vom Elend des Kriegesund von der Not der folgendenJahre geprägt worden war. Auchein großer Rückstand in For-schung und Technik mußte aufge-arbeitet werden.

Selbst in den frühen 50er Jahrenstanden noch viele „draußen vorder Tür“: ohne Ausbildung, ohneArbeit, ohne Geld, aber mit der Be-reitschaft, hart zu arbeiten. Wir allehofften auf Fortschritt und aufneue Wege in eine freie und friedli-che Zukunft.

Ein großer Vorwärtsruck ging inForschung und Wissenschaft, inTechnik und Wirtschaft von der er-sten Genfer Konferenz für diefriedliche Nutzung der Atomener-gie 1955 aus.1, 2 Für deren Erfolghatten die USA ein Programm„atoms for peace“ entwickelt, dasjedem Land Unterstützung ver-sprach, wenn es bereit war, diefriedliche Nutzung der Atom(kern)-energie zu erforschen und zu ver-wirklichen. Entgegen anderer Mei-nung war dies nach meiner An-sicht ein ehrliches Angebot derUSA, mit dem sie versuchen woll-ten, etwas von dem Schaden wie-dergutzumachen, der durch denEinsatz ihrer Atombomben gegenEnde des Krieges am Ansehen derKernenergie angerichtet wordenwar.

Unabhängig von ideologischenDoktrinen ergriffen Politiker allergroßen Parteien unverzüglich dieInitiative für den Aufbau von Kern-forschung und Kernenergieversor-gung in Deutschland, da nur imgemeinsamen Einsatz aller Kräfteder Wiederaufbau gelingen konnte.

Die Sachbearbeiter in der Ministe-rialbürokratie schufen zusammenmit den Fachleuten in unvorstell-bar kurzer Zeit mit dem Einsatzaller Kräfte und mit allen verfügba-ren Kenntnissen die notwendigenrechtlichen und verfahrensmäßi-gen Grundlagen für die Kernfor-schung und für die Nutzung derKernenergie. Der persönliche Ein-satz, den Politiker, Beamte undGutachter seinerzeit auch gegengelegentliche Anfeindungen gelei-stet haben, sollte heutzutage allen

Bürgern ein leuchtendes Vorbildsein, mindestens aber denen, dieVerantwortung für die Zukunft un-seres Landes mit Ernst wahrneh-men. Damals wurde mit gesicher-ten wissenschaftlichen Erkenntnis-sen umsichtig und standfest ge-handelt. Das schaffte Vertrauen;sogar Kritiker ließen sich schließ-lich von den Erfolgen belehren.

Dieser kurze Rückblick soll an denPioniergeist erinnern, der vor 40Jahren Wissenschaftler und Stu-denten sowie Ingenieure, Techni-ker und Facharbeiter motiviert hat,am Aufbau, in der Forschung undfür den Betrieb des ersten For-schungsreaktors in Deutschlandvoller Begeisterung mitzuarbeitenund sich hierfür durch hartes Ler-nen und durch Leistung zu qualifi-zieren.

Eingerüstete Reaktorkuppel (Höhe 30 m, Durchmesser 30 m)

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Der Anfang

Es war nicht die Zeit wie heute, inder Restrisikodenken, Vollkasko-mentalität, Arbeitszeitminimierungund Wohlstand, Wehleidigkeit undÄngste verbreitet wurden, als diegrundlegenden Entscheidungenfür den Forschungsreaktor getrof-fen wurden. Der Reaktor sollte voneiner Technischen Hochschule unddort von einem (vorerst einzigen)Lehrstuhl betrieben und für physi-kalische Grundlagenforschung undfür die Lehre genutzt werden.

Das war schon damals ungewöhn-lich, da Forschungsreaktoren nurfür größere Kernforschungsanla-gen vorgesehen waren, die dienotwendigen Einrichtungen füreinen sicheren Reaktorbetriebsowie mehrere Forschungsinstitutefür die Nutzung des Reaktors be-saßen.3

Es wurde nicht lange gefragt, obdie Bürokratie einer Hochschule,ob ihre technischen Einrichtungenund ob ihre Institute alles das lei-sten könnten, wofür Kernfor-schungsanlagen vorgesehenwaren. Die Leute werden es schonschaffen! Zur Deckung deszwangsläufig für die Hochschuleentstandenen großen Bedarfs anPersonal, an Betriebs- und For-schungsmitteln haben anfangs alleBehörden von Land und Bundschnelle und großzügige Hilfe ge-leistet.

Schon bald aber stellte sich her-aus, daß ein untergründiges undlatentes Problem tagtäglich neuvon allen Beteiligten bewältigt wer-den mußte: einerseits die Span-nung zwischen der als unbegrenztangesehenen Freiheit der For-schung und der Forscher, anderer-seits den extremen Kontrollmaß-nahmen und Sicherheitsanforde-rungen an den Reaktorbetrieb. Ge-genüber standen sich die Gruppender Experimentatoren und die derStrahlenschutztechniker, Reaktor-operateure oder auch die Wach-männer. Das führte leicht zu Span-nungszuständen, in denen für jedeSeite optimale Lösungen erarbeitetoder erstritten werden mußten. Diegeforderte Sicherheit der Experi-mentieranlagen kam letztlich denMeßergebnissen und damit derForschungsarbeit zugute. Die Er-füllung der Sicherheitsanforderun-gen erlaubte dem Wissenschaftlerdas Maß an Freizügigkeit, das erfür die Verwirklichung seiner Ideenbenötigte.

Nachdem noch im Jahr 1956 dienuklearen Teile für den Reaktor be-stellt worden waren, gingen Physi-ker aus München in die USA, umüber den Stand von Neutronen-und Reaktortechnik sowie über dieSteuerung eines Reaktors infor-miert zu werden. Noch vor der Fer-tigstellung des Reaktors habendiese dann in München die erstenIngenieure, Techniker und Hand-werker für den Betrieb des Reak-tors ausgebildet. Es war eine nurkleine Gruppe von Fachleuten, die1958 bereit stand, den regulärenReaktorbetrieb aufzunehmen.

Gleichzeitig arbeiteten Gruppenjunger Physiker und Studenten mitBegeisterung an der Vorbereitungder ersten Experimente.

Die Reaktorkuppel spiegelt sich im Sekundärkühlwasser im Rückhaltebecken

Der FRM kurz vor der Fertigstellung

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Der Ausbau - Die Lehrjahre

In der Anlaufphase von Betriebund Forschung war es vordring-lich, in möglichst kurzer Zeit Aus-bildungsplätze zu erstellen, umeine ausreichende Zahl von Reak-tor-Operateuren, Strahlenschutz-technikern und Handwerkern füreinen Dauerbetrieb auszubilden.Der Plan für Operateure und Tech-niker erscheint heute wie der Stu-dienplan einer Fachhochschule mitden seinerzeit noch neuenFächern:

• Reaktorphysik: Kernreaktionen, Kernspaltung,Reaktorsteuerung und Leistungsregelung,

• Reaktortechnik: Regelungstechnik, Wärme-transport, Kühlungsprobleme,

• Strahlungsphysik:Radioaktivität, Strahlenwirkung auf Mensch und Materie, Strahlenmeßtechnik,

• Strahlenschutz: Personendosimetrie, Schutz-maßnahmen, Strahlenfeld-kontrollen, Emissions-messungen,

• Chemie: Strahlenchemie, Korrosion, Wasserreinigung,

• Elektronik und Elektrik• Grundkenntnisse der not-

wendigen Mathematik und der einschlägigen Gesetze, Verordnungen und Vorschriften

• Sicherung der Anlage.

Ebenso waren den Mitarbeitern intechnischen Diensten (Wartungoder Wachdienste), in den mecha-nischen und elektrischen Werk-stätten und im physikalischenMeßlabor sowie im Konstruktions-büro die zutreffenden Kenntnisseaus obigem Ausbildungsplan zuvermitteln.

Letztlich mußten die Reaktorope-rateure und Strahlenschutztechni-ker vor ihren Ausbildern, vor aus-wärtigen Fachleuten und vor Ver-tretern der Aufsichtsbehörde theo-retische und praktische Prüfungenablegen, um eine amtliche Lizenzfür die Ausübung ihres neuen Be-rufes zu erwerben.

Angesichts der großen Verantwor-tung und der geforderten hohenQualifikation waren als Kandidatenfür die Ausbildung nur Fachhoch-schulabsolventen und Handwerks-meister vorgesehen. Aus diesenKreisen stammte auch die kleineerste Reaktormannschaft, diedann wesentlich an den folgendenAusbildungslehrgängen beteiligtwar.

Als nach etwa drei Jahren eingroßer Teil dieser qualifiziertenGruppe in andere kerntechnischeEinrichtungen abgewandert war,mußten neue Anwärter angewor-ben werden. Damals hatten wirnoch die Freiheit, nach eigenerWahl Facharbeiter oder auch nurschulisch oder sonstig beruflichqualifizierte Anwärter für eine Aus-bildung einzustellen. Es sei hiervorweggenommen, daß wir dieseAusnahmestellung nicht zuletztdurch die Teilnahme an Tarifver-handlungen erhalten konnten, bei

denen unsere Regelungen in denAngestelltentarifvertrag sinngemäßübernommen worden sind. Dasgelang uns aufgrund der im fol-genden beschriebenen Erfahrun-gen.

Bewerber für eine Ausbildung undArbeit in der Reaktorstation kamenAnfang der sechziger Jahre vonnah und fern. Von Norddeutsch-land, von Niederbayern, vomStarnberger See, aus München,aus Garching und, nach Aufforde-rung, auch aus dem Teil der altenStammannschaft, der 1956/57 teilsvon Baufirmen zur Reaktorstationgewechselt hat. Alle Altersgruppenzwischen 20 und 45 Lebensjahrenwaren mit Facharbeitern verschie-dener Berufe vertreten: Elektriker,Schlosser, Maurer, Kraftfahrzeug-mechaniker oder Kraftfahrer, Labo-ranten oder einfach qualifizierteSchulabgänger.

An nur wenigen Beispielen soll ge-zeigt werden, was unsere Ausbil-der neben ihrer Arbeit, und was dieOperateuranwärter in den zweiJahren der praktischen und theo-retischen Ausbildung geleistethaben. Bei den meisten Anwärternlag die Schulzeit um Jahre zurück;bei einigen hatte der Krieg Ausbil-dung oder Berufsarbeit total unter-brochen. Fast alle standen in ihremBeruf, hatten jedoch das Ziel,mehr und Neues zu lernen und zuerfahren, sei es auch zunächst mitfinanziellen Einbußen verbunden,die von den Familien mitgetragenwerden mußten. Im theoretischenDenken waren die meisten un-geübt, Kenntnisse in Schreibenund Rechnen entsprachen demtäglichen Bedarf.

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Beton- und Montagearbeiten

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Der 26jährige verheiratete Schlos-ser aus Oberbayern hatte große,schwere Hände von harter Arbeit,sprach und rechnete langsam,zeigte aber ein straffes Gesichtund wache Augen. Auch derent-wegen wurde er angenommen. Ermußte täglich insgesamt ca. 60 kmals Arbeitsweg zurücklegen, da-mals ohne S- und ohne U-Bahn.Mit hartem Lernen zwischen Hof-fen und Zweifeln, mit Verzicht aufFreizeit und Vergnügen und mit derHilfe der Familie erreichte er seinZiel: die Lizenz als Reaktoropera-teur. Nicht wesentlich anders er-ging es seinen 20 bis 30jährigenKollegen, die alle die schwerenPrüfungen gut und sehr gut be-standen hatten. Es war uns undden Ausbildern eine Freude zu be-obachten, wie sich unter den har-ten Anforderungen und Entsagun-gen die jungen Persönlichkeitenentwickeln und wahrlich „verwirkli-chen“ konnten.

Auch die in dieser Zeit schon älte-ren Mitarbeiter zwischen dem 33.und 43. Lebensjahr, von denen ei-nige Kriegsteilnehmer waren unddeshalb keine Berufsausbildungbekommen hatten, sowie diejeni-gen, die noch ein Handwerk erler-nen konnten, stellten sich der Aus-bildung zum Reaktoroperateur,und zwar mehr als 20 Jahre nachAbschluß der Schulausbildung.Kaum jemand kann heute ermes-sen, welche menschliche Hingabean ein Ziel, welche Willenskraftaufgebracht und welche tiefen Kri-sen überwunden werden mußten,um zum Ziel zu gelangen.

Sie schafften es. Aus ihrem unddem Kreis der Jüngeren gingendann auch Gruppenleiter und Spe-zialisten hervor, die durch beson-dere Leistungen bis in die höch-sten Vergütungsstufen für techni-sche Angestellte aufsteigen konn-ten. Mit ihren vielseitigen Kenntnis-sen und Erfahrungen, mit ihrer her-vorragenden Zuverlässigkeit unddurch vorbildliche Zusammenar-beit haben sie im Verborgenen zuden Ergebnissen und Erfolgen bei-getragen, über die an einem Ju-biläum berichtet werden kann.

Parallel zu der seit 1958 kontinu-ierlichen Ausbildung des Personalswurden zahlreiche Experimentier-anlagen errichtet, der volle For-schungsbetrieb aufgenommen,der Reaktor technisch ausgebautsowie die personelle Infrastrukturfür einen Drei-Schicht-Betrieb ge-schaffen. Im ersten Jahrzehntkonnte die Reaktormannschaft al-lein mit den eigenen Mitteln dieReaktorleistung von 1 MW im Jahr1966 auf 2.5 MW erhöhen und1968 auf 4 MW.4, 5

Am Ende des ersten von vier Jahr-zehnten FRM stand der Techni-schen Hochschule ein leistungs-fähiges und erfolgreiches Großfor-schungsgerät im GarchingerGelände zur Verfügung. Zu dessenBetrieb waren 63 Mitarbeiter (9Akademiker, 2 Verwaltungsange-stellte, 45 Techniker und 7 Arbei-ter) eingesetzt, die jährlich etwa230 außerbetriebliche Nutzer zubedienen und zu betreuen hatten.

Der Betrieb

Der Aufbau war weitgehend abge-schlossen; die auf modernstenFachgebieten erfahrenen Mitarbei-ter kannten ihre Verantwortungund ihre Aufgaben, und sie erfüll-ten diese mit größter Zuverlässig-keit. Die Hilfsbereitschaft unterein-ander, das Einspringen für fehlen-de Kollegen war auch im Schicht-dienst eine Selbstverständlichkeit.Wenn nötig, wurde am Tage solan-ge gearbeitet, bis ein Problemgelöst war. Operateure undSchichtleiter hatten nebenbei Spe-zialgebiete zu betreuen, für die sieaußerhalb des Schichtdiensteseingesetzt werden konnten. Sowar es möglich, den Reaktor in re-gelmäßigem Schichtdienst nachden Anforderungen von vielengleichzeitigen Experimenten flexi-bel zu betreiben.

An der Forschung wurde auch derReaktorbetrieb über sein Meßlabo-ratorium von Anfang an beteiligt.In den frühen Jahren war es dieAufgabe, für die Nutzung des Re-aktors und für die Reaktortechnikwichtige Neutronenreaktionen zuuntersuchen. Schon bald danachübertrug Professor Dr. HeinzMaier-Leibnitz dem Reaktorbe-trieb, den genialen, aber technischsehr aufwendigen Entwurf einesSchwerkraftexperiments mit Neu-tronen zu verwirklichen. Mit Hilfeder großartigen Fähigkeiten unse-res Konstrukteurs, unserer Mecha-niker und unserer Werkstätten

Die Experimente können beginnen

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sowie dank schneller Finanzierunggelang der Aufbau des 100 m lan-gen und komplizierten Instrumen-tes innerhalb eines Jahres. An denspäteren Messungen rund um dieUhr beteiligten sich Konstrukteurund Mechaniker Tag und Nacht,ohne jemals diese Zusatzleistun-gen auch nur zu erwähnen.

Rückblickend wurden dieses ein-malige Instrument und die mit ihmdirekt gewonnenen wissenschaftli-chen Ergebnisse, wie auch die fun-damentalen Resultate, die durchVergleich mit ergänzenden Experi-menten erzielt wurden, zu wichti-gen Beiträgen für die modernePhysik.

Da der Routinebetrieb Kräfte ausder Aufbauzeit für andere Aufga-ben freimachte, konnte der Reak-torbetrieb seine wissenschaftli-chen Arbeiten entsprechend aus-weiten und sich auch angewandterForschung zuwenden. Dies führtebeispielsweise zum Bau der Neu-tronen-Konverteranlage6 für dieErzeugung eines intensiven Neu-tronenstrahls, der in speziellen Fäl-len zur Therapie bösartiger Tumo-ren mit beachtlichem Erfolg einge-setzt wird.

Die Reaktormannschaft war überdie Jahre zu einer Gemeinschaftgeworden, in der jeder seinenPlatz hatte und in allen Belangenauf die Hilfe und Unterstützungvon Kollegen und Betriebsleitungrechnen konnte. Sie fiel als eineselbstbewußte, lebendige Gruppe„gestandener“ Menschen auf, diezu einer beachtlichen Selbstorga-nisation fähig war.

Die von ihr gestalteten Betriebs-ausflüge waren meist Informati-ons- und Bildungsfahrten, ohnedabei das Gemeinschaftserlebniszu kurz kommen zu lassen. Mitdieser Mannschaft konnte man inKirchen und Fabriken, im Museumund im Nobelhotel auftreten undsich ebenso auf einer Almhütte er-freuen. Aus eigener Initiative ent-stand eine Musikergruppe, die beiallen festlichen Gelegenheiten einegestaltende Rolle übernommenhat oder auch zu fröhlicher Gaudiaufspielte.

Der Mannschaftsgeist der Be-triebsgruppe blieb auch dann nochfestgefügt, als sich zum Ende dersechziger Jahre das gesellschaftli-che und politische Umfeld grund-legend veränderte. Die Menschenam Reaktor hatten neue Erkennt-nisse und Fortschritte im Wissen,im Gemeinschaftsleben und im Le-bensstandard erfahren, an denensie selbst hart mitgearbeitethaben. Sie sahen darin nur Gutes,nichts Schlechtes. Der Bevölke-rung hingegen wurden Kernener-gie und Kerntechnik als die größteGefahr für die Menschheit inDeutschland dargestellt. Dadurch

geriet ein großer Teil unserer Be-völkerung in dauerhafte Existen-zängste. Viele Menschen warendaher bereit, sich den vermeintli-chen Helfern und ihren Zielen an-zuschließen.

Auch die Forschungsreaktorenblieben von der Verteufelung nichtverschont. Was uns nun an zusätz-lichen Sicherungsmaßnahmen, anStrahlenschutz, an Kontrollen, Prü-fungen, Meldungen und Registrie-rungen, an Begutachtungen, An-trägen, Genehmigungen und Wie-derholungsprüfungen, an persönli-cher Überprüfung und strafrechtli-cher Bedrohung zugemutet wurde(und heute noch wird), ist kaum zuermessen, von den beträchtlichenKosten ganz zu schweigen.

Allem Widerstand zum Trotz konn-ten Reaktorbetrieb und Forschungaber mit größerem finanziellen Auf-wand weitergeführt werden: biszum Jubiläum für 40 Jahre unfall-freien und sicheren Betrieb und für40 Jahre Grundlagenforschung zu-gunsten neuer Erkenntnisse.

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Der Bau am Ringgebäude beginnt

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Die Zukunft

Beginnen sollte ein Ausblick aufdie Zukunft mit einem Dank an alledie Menschen, die unmittelbar ander Gründung und Errichtung desForschungsreaktors beteiligtwaren, und an die vielen, die uner-müdlich für die Forschung oder fürden Betrieb des Reaktors gearbei-tet haben. Dank verdienen alle, dieauch in schwierigen Zeiten amEntstehen der menschlichen Ge-meinsamkeit mit allen ihren Kräf-ten beteiligt waren.

Nicht zuletzt müssen wir allen Bür-gern unseres Landes dankbarsein. Sie haben ihr Geld für unsereArbeit gegeben, sie haben uns dastun lassen, was wir als notwendigund richtig erkannt haben. Leiderwerden nicht alle diesen Dankfreudig entgegen nehmen. Siemüssen sich aber der Tatsachestellen, daß ihr wie auch immer ge-arteter Widerstand gegen Kernen-ergie und Technik einen immensenSchaden an unserem Volksvermö-gen angerichtet hat, den nicht sie,dafür aber die kommenden Gene-rationen tragen müssen. Mögesich die Jugend gegen diese Lastmit dem Einsatzwillen und demMut, mit der Moral und der Kulturrüsten, die den Menschen eigenwar, die vor vier Jahrzehnten ange-treten sind, um für ihre Zukunft mitKraft und Redlichkeit zu lernenund zu arbeiten. Schon geringeAnzeichen hierfür gäben Hoffnungfür ihre Zukunft. Diese könnte fürviele junge Menschen, genau sowie 1957, mit der Forschung undder Arbeit an einer neuen Neutro-nenquelle beginnen.

Im Dezember 1996 ist auf der Baustelle des FRM-II bereits die Raumaufteilung des Kellergeschosses erkennbar

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Von der Entdeckung der Kernspaltung (1938)bis zur friedlichen Nutzung der Atomenergie (1955)

Knapp zwanzig Jahre vor der Inbe-triebnahme des Forschungsreak-tors München-Garching geschahjene Entdeckung, die die Zukunftmaßgeblich beeinflussen sollte: dieUrankernspaltung. Im November/Dezember 1938 hatten die Chemi-ker Otto Hahn (1879-1968) undFritz Straßmann (1902-1980) imKaiser-Wilhelm-Institut für Chemiein Berlin-Dahlem versucht, beson-ders schwere Atomkerne, soge-nannte Transurane, durch den Be-schuß von Uran mit Neutronen zuerzeugen. Dabei entdeckten sie,daß sie den Urankern gespaltenund damit leichtere Atomkerne ge-schaffen hatten. So stellten siebeispielsweise die Existenz vonSpaltprodukten wie Barium fest.7

Die Zahl der sekundären Spal-tungsneutronen war ausreichendgroß, um eine Kettenreaktion aus-zulösen. Bei der Uranspaltungkönnen somit wesentlich größereEnergiemengen freigesetzt werdenals bei chemischen Prozessen. DieEnergieausbeute bei der Spaltungvon 1 kg Uranisotop der Masse235 entspricht beispielsweise derVerbrennungsenergie von 2714 tSteinkohle zu 7000 kcal/kg. Essollte sich bald herausstellen, daßNeutronen zugleich wertvolle Son-den für wissenschaftliche Experi-mente sind. Damit war nicht nureine wirtschaftliche, sondern aucheine wissenschaftliche Nutzungjener Entdeckung vorgegeben, vonder man bald sagte, daß sie einneues Zeitalter, das „Atomzeital-ter“, einläutete.

Bereits im Mai 1939 wurde inDeutschland das erste Patent füreine „Uranmaschine“ angemeldet.

Ein Monat zuvor war aus führen-den Kernphysikern ein erster „Ur-anverein“ gebildet worden, umeinen Atomreaktor zu konstruieren.Mit angereichertem Uran235 sollteer betrieben und mit Graphit mo-deriert werden.

Nach Kriegsausbruch beschäftigtesich ein zweiter, erweiterter Uran-verein unter Leitung der Professo-ren Walther Bothe (1891-1957) undWerner Heisenberg (1901-1976)mit der Konstruktion eines Atomre-aktors, nun auf der Basis von Na-tururan als Brennstoff und „schwe-rem Wasser“ als Moderator. DasProgramm wurde zwar als kriegs-wichtig eingestuft, da man sichdadurch zusätzliche Möglichkeitender Energieerzeugung versprach;der Bau einer Atombombe stand inDeutschland aber nicht auf demProgramm.8

Die kleine Gruppe von Wissen-schaftlern arbeitete mit relativ be-scheidenen Mitteln. In Haigerloch/Württemberg sollte ein kleiner Ver-suchsreaktor entstehen, der je-doch mangels ausreichender Ver-sorgung mit schwerem Wasser vorKriegsende nicht mehr in Betriebgehen konnte. Mit Kriegsende am8. Mai 1945 wurde es deutschenForschern untersagt, angewandteKernphysik in irgendeiner Form zubetreiben.

Die in der Fachliteratur publiziertenfrüheren deutschen Ergebnissewaren in den USA aufgegriffen undzum Anlaß genommen worden,den Bau einer Atombombe zu pla-nen. Das „Manhattan-Projekt“einer Uranspaltungsbombe warnoch vor Ausbruch des ZweitenWeltkriegs, in den die USA erst am8. Dezember 1941 eintraten, durchden Brief des aus Deutschland indie USA emigrierten Physikers

Arbeitsplatz von Prof. Otto Hahn aus dem Jahr 1938

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Albert Einstein (1879-1955) an den US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt (1882-1945) vom 6. August 1939 initiiert worden.9Zunächst wurde unter Leitung von Professor Dr. Julius R. Oppenheimer (1904-1967) in OakRidge/Tennessee eine Urananrei-cherungsanlage zur Herstellungvon waffenfähigem Uran gebaut.Dem Bau der Bombe diente auchder erste, mit Graphit moderierteAtomreaktor, der von dem aus Ita-lien emigrierten Physiker und No-belpreisträger von 1938 EnricoFermi (1901-1954) an der Univer-sität von Chicago konstruiert undam 2. Dezember 1942 in Betriebgesetzt wurde.

Die von den USA zusammen mitGroßbritannien und Kanada ent-wickelte Atombombe kam nicht,wie ursprünglich vorgesehen, überDeutschland zum Einsatz, sondernam 6. und 9. August 1945 überden japanischen Städten Hiroshi-ma (Uranbombe) und Nagasaki(Plutoniumbombe). Die beidenBomben hatten eine Sprengkraftvon 12500 t TNT bzw. 22000 t TNTund forderten insgesamt mit Spät-folgen etwa 240000 Tote.10

Die USA führten ihre militärischenForschungen nach Kriegsendezielgerichtet weiter: Am 1. März1954 zündeten sie über dem Biki-ni-Atoll die erste Wasserstoffbom-be. Sie baut auf einer unkontrol-lierten Kettenreaktion, der thermi-schen Fusion leichter Atomkerne,auf und wird mittels kleiner Atom-bomben des Hiroshima-Typs ge-zündet.

Ziel der US-Atompolitik ab 1946war es, ihr atomares Monopol zuverteidigen. Weite Bereiche derKerntechnik unterlagen militäri-scher Geheimhaltung. Auch beider zivilen Nutzung der Atomkraftarbeiteten die USA nur sehr be-schränkt mit anderen Staaten zu-sammen. Dies betraf nun auchVerbündete wie Großbritannien.Doch die Sowjetunion zog nach:1949 zündete sie ihre erste Atom-bombe, 1953 - noch vor den USA- die erste Wasserstoffbombe.Großbritannien hatte 1952 eben-falls eine erste erfolgreiche Kern-waffenexplosion durchgeführt.

Daraufhin leitete der US-PräsidentDwight D. Eisenhower (1953-1961)eine radikale Kehrtwendung ein:Anstelle nationaler Alleinvertretungsollte nun eine kontrollierte Inter-nationalisierung stehen. In einerüberraschenden Ansprache vorder Generalversammlung der Ver-einten Nationen kündigte er am 8. Dezember 1953 das „Atoms forPeace“-Programm an. Es bot aus-ländischen Staaten weitreichendeUnterstützung bei der zivilen Nut-zung der Atomenergie an, wennsie sich der strikten Kontrolledurch die USA unterwarfen.11

Ebenso bestimmten wirtschaftli-che Interessen jene Kursänderung,

Dwight D. Eisenhower (1890 - 1969), US-Präsident von 1953 bis 1961

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hoffte man doch auf den Exportvon Kerntechnik. Gerade bei den„swimming pool“-Forschungsreak-toren, die die USA in mehr als 25Länder exportierten, sowie beiLeichtwasserreaktoren im Bereichder Leistungsreaktoren konntensich die Kunden nicht ohne weite-res selbständig machen, wurdendiese Reaktortypen doch mit an-gereichertem Uran betrieben.12

Die Exporterwartungen erfülltensich: Die US-Nuklearexporte belie-fen sich bis zum Dezember 1975auf 29 Milliarden US $.13

Die veränderte US-Politik mündeteim August 1955 in die ersten Gen-fer Atomenergiekonferenz, die denüberwiegenden Teil der Kerntech-nik - mit Ausnahme der Urananrei-cherung - für die zivile Nutzungfreigab. In einer spektakulären Ak-tion wurde ein „swimming pool“-Reaktor per Flugzeug nach Genftransportiert und dort zu Demon-strationszwecken in Betrieb ge-setzt.14 Die Daten für den Bau vonKernreaktoren wurden bekanntge-macht und die Forscher der Weltdiskutierten mit großem Enthusias-mus den aktuellen Stand von Wis-senschaft und Technik. DerSchock über die verheerendenWirkungen der Atombombe be-wirkte eine um so größere Begei-sterung bei Wissenschaftlern undTechnikern, nun die friedliche Nut-zung der Atomkraft in den Dienstder Menschheit stellen zu können.

Als weltweite Überwachungs-behörde wurde 1957 auf Initiativeder USA die „Internationale Atom-energie-Organisation“ (IAEO) inWien gegründet. Die Bemühungenzu atomarer Rüstungsbegrenzungführten schließlich 1968 zum Ab-schluß des zwei Jahre später inKraft getretenen Vertrages über dieNichtverbreitung von Kernwaffen(„Atomwaffensperrvertrag“, imEnglischen Non-Proliferation Trea-ty genannt). Er trennt zwischenKernwaffenstaaten und Nichtkern-waffenstaaten. Die Kernwaffen-staaten verpflichten sich, Kernwaf-fen und die entsprechende Tech-nologie nicht weiterzugeben sowieauf eine nukleare Abrüstung hinzu-arbeiten. Die Nichtkernwaffenstaa-ten verpflichten sich, weder Kern-waffen noch die Verfügungsgewaltdarüber zu erwerben. Ausdrücklich

fördert der Vertrag in Artikel IV dieweitestmögliche Zusammenarbeitder Vertragsparteien bei der friedli-chen Nutzung der Kernenergie.Damit ist eine kontrollierte Weiter-gabe von spaltbarem, auch hoch-angereichertem Material zu fried-lichen Zwecken gesichert.Zunächst auf 25 Jahre abge-schlossen, wurde der Nichtverbrei-tungsvertrag im Jahr 1995 unbefri-stet, bedingungslos und unverän-dert verlängert.15

1. Genfer Atomkonferenz im Jahre 1955 (1260 Delegierte aus 72 Staaten)

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Kernphysik im Westen Deutschlandszwischen 1945 und 1955

Die Besatzungszeit bedeuteteeinen wesentlichen Rückschlag fürdie hochentwickelte deutscheKernphysik, die vor dem ZweitenWeltkrieg führend gewesen war.Sie hatte eine Reihe von Nobel-preisträgern - Werner Heisenberg(1932), Erwin Schrödinger (1933),Max Born (1954), Walther WilhelmGeorg Bothe (1954) - hervorge-bracht.16 Nach Kriegsende warendie Laboratorien entweder zerstörtoder ausgeplündert. FührendeWissenschaftler wurden durch Ge-fangenschaft oder andere Hinder-nisse an der Wiederaufnahme ihrerArbeit gehindert. Ein Teil der Wis-senschaftler, Institute wie auch Ur-anvorkommen (so Annaberg imErzgebirge) befand sich unerreich-bar in der damaligen SowjetischenBesatzungszone (SBZ).

Außerdem durfte sich die deut-schen Wissenschaft nicht mehr mitangewandter Kernphysik beschäf-tigen. Sicherheitskommissionender Alliierten wachten über die Ein-haltung des Besatzungsstatutsund forderten regelmäßige Berich-te an. Fachleute wie Nachwuch-stalente gingen folglich ins Aus-land, vor allem in die USA undnach Großbritannien. Nur wenigeStudenten wandten sich dem FachKernphysik zu. Ende Februar 1947prangerten Professor Dr. OttoHahn und der Präsident der Uni-versität Göttingen, Professor Dr.Friedrich Rein, in einem gleichna-migen Zeitungsartikel den „Gelehr-tenexport nach Amerika“ an, derbei den Alliierten Befremden aus-löste.17 Professor Dr. Werner Heisenberg (1901-1976) zählte1955 nur 50-60 Kollegen in derBundesrepublik Deutschland.

Doch trotz aller Schwierigkeitensuchten die im Westen Deutsch-lands verbliebenen KernphysikerAnschluß an die neuen Entwick-lungen zu halten. Sie wurden dazubisweilen stillschweigend von US-Amerikanern und Briten ermuntert.So meinte der Begründer und spä-tere Leiter des ForschungsreaktorsMünchen (FRM), Professor Dr.Heinz Maier-Leibnitz von der da-maligen TH München, der jahre-lang mit den alliierten Sicherheits-

behörden zusammenarbeitete:„Wir aber haben gute Erfahrungenmit dieser Kontrolle, die bald Ver-trauen gewann und uns nach Kräf-ten half.“18

Professor Dr. Walther Bothe (1891-1957) nahm bereits vor 1948 daseinzige existierende Zyklotron inHeidelberg wieder in Betrieb. Erführte mit seinen Studenten kern-physikalische Experimente durchund stellte radioaktive Präparatefür die benachbarte Klinik her.19

Professor Dr. Werner Heisenbergbaute 1951 im von ihm geleitetenGöttinger Max-Planck-Institut fürKernphysik eine Arbeitsgruppe fürReaktorkonstruktion auf, die unterder Leitung von Professor Dr. KarlWirtz (1910-1994) stand. Die fran-zösische Feststellung aus demJahr 1955, die deutschen Wissen-schaftler würden verdächtigschnell Anschluß an den interna-tionalen Entwicklungsstand in derKerntechnik finden20, bestätigteletztlich den Erfolg jener schwieri-gen Bemühungen.

Prof. Dr. Werner Heisenberg (1901 - 1976)

Prof. Dr. Erwin Schrödinger (1887 - 1961) Prof. Dr. Max Born (1882 - 1970)

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Im Jahr 1951 wiesen führendedeutsche Physiker die Bundesre-gierung auf die Notwendigkeit hin,sich im Rahmen der Kontrollrats-gesetze mit kerntechnischen Fra-gen vertraut zu machen. Der Rück-stand Deutschlands gegenüberdem Ausland sei noch nicht sogroß, als daß man ihn nicht mehreinholen könne, bevor die Atom-energie ein bedeutender Faktordes Wirtschaftslebens gewordensei.21

Die von den Alliierten Hohen Kom-missionen oktroyierten gesetzli-chen Beschränkungen waren 1951bereits gelockert worden22.

Fünf Jahre später zeigte sich Pro-fessor Dr. Werner Heisenberg ent-täuscht darüber, daß die Bundes-regierung diesen Vorschlag nur zö-gernd aufgegriffen habe, da des-sen Umsetzung ihrer Ansicht nachmöglicherweise die Ratifizierungder Verträge mit den westeuropäi-schen Nationen erschwert haben

würde.23 Immerhin hatte Adenauerim März 1952 im Vertrag über eineEuropäische Verteidigungsgemein-schaft (EVG-Vertrag) erreicht, daßDeutschland pro Jahr 500 g „Kern-brennstoff“ erhalten dürfe, womitder Betrieb eines Reaktors mit 1,5MW möglich gewesen wäre. DerVertrag scheiterte allerdings am30. August 1954.24

Recht früh und zielstrebig beschäf-tigte sich die Bayerische Staatsre-gierung mit kerntechnischen Fra-gen - im kleinen Kreis und in gebo-tener Stille. So richtete sie 1951bei Weißenstadt im Fichtelgebirge,einer Uranoxid-Lagerstätte miteinem Versuchsschacht zur Förde-rung spaltbaren Materials ein.25 ImJahr 1953 nahm Professor Dr.Werner Heisenberg Verbindungenmit der Bayerischen Staatsregie-rung bezüglich des Umzuges desMax-Planck-Institutes für Kern-physik von Göttingen nach Mün-chen und des Baues eines Ver-suchsreaktors auf, der die Basisfür künftige kommerziell betriebe-ne Kernkraftwerke liefern sollte.

Die Euphorie des bayerischenWirtschaftsministers Hanns Seidel(CSU) mußte durch ein Schreibenvon Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) gebremst werden,der bis auf weiteres Zurückhaltunganmahnte.26

Insbesondere der Staatssekretärim Bayerischen Wirtschaftsmini-sterium, Dr. Willi Guthsmuths,setzte auf eine autarke Versorgungder bayerischen Reaktoren mitheimischem Uran. Die begrenztenbundesdeutschen Uranvorkom-men spielten beim späteren Be-trieb von Reaktoren allerdingskeine Rolle. Das für den Betriebder Reaktoren notwendige Uranwurde aus dem Ausland, vorwie-gend aus den USA bezogen. An-gereichertes Uran, wie es in einerReihe von Reaktoren wie z.B. demspäteren Garchinger Forschungs-reaktor benötigt wurde, konnte biszum Bau einer entsprechendenAnreicherungsanlage in Gronau imJahre 1985 ohnehin in der Bun-desrepublik Deutschland nichtselbst hergestellt werden.

Prof. Dr. Otto Hahn (1879 - 1968) und Prof. Dr. Lise Meitner (1878 - 1968)

Prof. Dr. Walther Bothe (1891 - 1957) Prof. Dr. Max Planck (1858 - 1947)

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Die deutsche Atompolitik in der Adenauer-Zeit

Zwei politische Ereignisse im Jahr1955 ebneten der BundesrepublikDeutschland den Wiedereinstieg inKernforschung und Kerntechnik:

• die Aufhebung des Besatzungs-statuts und Gewährung weit-gehender staatlicher Souve-ränität durch die am 23. Oktober 1954 unterzeichneten und am

5. Mai 1955 in Kraft getretenen „Pariser Verträge“ und

• die Freigabe der zivilen Nutzung der Kernenergie auf der 1. Gen-fer Atomenergiekonferenz im August 1955.

Die souveräne BundesrepublikDeutschland konnte sich nun auchoffiziell der friedlichen Nutzung derAtomkraft zuwenden. Erst ab dem5. Mai 1955 war es wieder mög-lich, Kerntechnik zu lehren undNachwuchskräfte in Industrieanla-gen und Forschungsinstituten aus-zubilden. In ihren diesbezüglichenBemühungen erfuhr die Bundesre-publik Deutschland tatkräftige Un-terstützung durch die USA undGroßbritannien. Nur das weiterhinrecht mißtrauische Frankreichwarnte vor „übertriebener Eile“.27

Unterzeichnung des FRM-Kaufvertrags durch Mi-nister Franz Josef Strauß (1956). Links Prof. Dr.Maier-Leibnitz, rechts ein Firmenvertreter

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Die Koalitionsregierung unterFührung von Bundeskanzler Konrad Adenauer von der CDUbetrieb nun zielstrebig ein kern-technisches Programm. Am 1. De-zember 1955 wurde das Bundes-ministerium für Atomfragen einge-richtet, das mit dem bis zum 17.Oktober 1956 amtierenden CSU-Politiker Franz Josef Strauß einenersten energischen Minister erhielt.Nachdem er sich in die Materieeingearbeitet hatte, äußerte er:„Ich habe mich theoretisch mit derFrage befaßt und weiß, daß dieAusnutzung der Atomenergie fürwirtschaftliche, für kulturelle undwissenschaftliche Zwecke densel-ben Einschnitt in die Menschheits-geschichte bedeutet wie die Erfin-dung des Feuers für die primitivenMenschen“. Das deutsche Volkwollte er „in wenigen Wochenatombewußt machen“.28

Als Beratungsgremium beriefStrauß die „Deutsche Atomkom-mission“ mit zunächst 25 Mitglie-dern aus Industrie und Wissen-schaft. Voraussetzung für die er-sten Projekte, die in enger Koope-ration mit den USA erfolgten, warder am 13. Februar 1956 unter-zeichnete bilaterale Vertrag übereine „Zusammenarbeit auf demGebiet der zivilen Verwendung derAtomenergie“.29 Er bildete dieGrundlage für die Lieferung vonspaltbarem Material. Am 28. Juni1956 bzw. am 1. Juli 1957 unter-zeichneten der Freistaat Bayernbzw. die Bundesrepublik Deutsch-land einen Unterpachtvertrag, derdie Weitergabe des spaltbaren Ma-terials vom Bund an das Land re-gelte.30

Alle Staaten Westeuropas sahen inzunehmender Abhängigkeit vonEnergieeinfuhren eine Bedrohungdes wirtschaftlichen Fortschrittes,der politischen Sicherheit und dessozialen Friedens. Ende der fünfzi-ger Jahre peilten die Mitglieds-staaten der „Europäischen Wirt-schaftsgemeinschaft“ (EWG) dieErzeugung von zusammen 15 000MW Atomstrom im Jahr 1967 an.Daneben versprach man sich zu-sätzliche Handelsmöglichkeitenbeim Export von Atomreaktoren.

Die zivile Nutzung der Atomenergiewurde eine gesamteuropäischeAngelegenheit. Mit Wirkung vom 1. Januar 1958 wurde parallel zur„Europäischen Wirtschaftsgemein-schaft“ (EWG) die „EuropäischeAtombehörde“ (EURATOM) ge-gründet. Sie erhielt die Zuständig-keit für Forschung und Aufstellungvon Strahlenschutzrichtlinien, fürdie Versorgung mit spaltbarem

Material, für Sicherheitskontrollensowie Regelung des Atommarktesauf gemeinschaftlicher Basis. Ähn-lich wie bei der 1951 gegründeten„Europäischen Gemeinschaft fürKohle und Stahl“ (EKGS), demVorläufer der EWG, war der Aspektder Kontrolle Deutschlands vonnicht unerheblicher Bedeutung.

Parallel zu den „Pariser Verträgen“war auch die Frage der deutschenWiederbewaffnung und des NATO-Beitritts geregelt worden. Die Bun-desrepublik Deutschland hatte je-doch im Rahmen ihrer neu aufzu-stellenden Streitkräfte auf die Her-stellung und den Besitz von „ABC-Waffen“ verzichtet.

Der Wiedereinstieg in die deutscheKerntechnik wurde von der Kon-troverse um die militärische Nut-zung der Atombombe überschat-tet. Die von der Opposition initiier-te „Kampagne gegen den Atom-tod“ erreichte 1957 ihren Höhe-punkt, als die US-Amerikaner dar-angingen, in der BundesrepublikDeutschland Atomwaffen zu sta-tionieren. Auch die Bundeswehrsollte mit entsprechenden Träger-systemen ausgerüstet werden.Zwischen 1955 und 1965 erreich-ten die von den Atommächtendurchgeführten Testexplosionen inder Atmosphäre ihren Höhepunkt.Die Auswirkungen, wie radioaktiverStaub und Regen aus Richtungder französischen Sahara, warenbis in die Bundesrepublik Deutsch-land meßbar.

Der Wunsch nach atomarer Abrü-stung und der Widerstand gegeneine entsprechende Aufrüstungder Bundeswehr wurde von breiten

Dr. Konrad Adenauer (1876 - 1967),Bundeskanzler von 1949 bis 1963

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Volksschichten getragen. Diegleichzeitige Einführung der friedli-chen Kerntechnik stieß daher aufeine gewisse Skepsis, wobei da-mals die Furcht vor einer potentiel-len militärischen Nutzung bzw. voreiner Gefährdung der Bevölkerunginfolge gegnerischer Angriffe imKriegsfall besonders herausge-stellt wurde. Es überwog jedochdie Euphorie über die erwartetenpositiven Auswirkungen der Kern-technik in Wirtschaft, Medizin,Chemie und sogar in der Landwirt-schaft. Kennzeichnend war in die-sem Zusammenhang die Haltungder SPD, die 1956 einen „Atom-plan“ verabschiedete, der mit denprogrammatischen Aussagen en-dete:

„Die Hebung des Wohlstandes, dievon der neuen Energiequelle alseinem Hauptfaktor der zweiten in-dustriellen Revolution ausgehenkann, muß allen Menschen zugutekommen. In solchem Sinne ent-wickelt und verwendet, kann dieAtomenergie entscheidend helfen,

die Demokratie im Inneren und denFrieden zwischen den Völkern zufestigen. Dann wird das Atomzeit-alter das Zeitalter werden von Frie-den und Freiheit für alle!“31 DieStationierung von Atomwaffenlehnte die SPD in den fünfzigerJahren jedoch strikt ab.

Auch der sozialdemokratischebayerische Ministerpräsident Dr.Wilhelm Hoegner (er führte von1954-57 eine Viererkoalition unterAusschluß der CSU) setzte sichdezidiert für die Errichtung einesAtomreaktors in Bayern ein undstufte ihn als „sehr bedeutungs-voll“ für die bayerische Wirtschaftein - unter der Voraussetzung, daß„Kriegs- oder Rüstungszweckenicht in Betracht kommen.“32

In seiner Regierungserklärung vom11. Januar 1955 hieß es: „Hier darfhervorgehoben werden, daß diegesamte bayerische Staatsregie-rung geschlossen dafür eintrat, inBayern die Voraussetzungen fürdie Errichtung eines besonders

wichtigen Forschungsinstituts zuschaffen: Der erste Atommeiler sollin Verbindung mit dem neu zu er-richtenden Max-Planck-Institut fürKernphysik in Bayern stehen. …Da der bedeutendste deutscheAtomphysiker, der Nobelpreisträ-ger Prof. Werner Heisenberg, alsgebürtiger Münchner seine wis-senschaftliche Laufbahn in Bayernbegonnen hat und da Bayern alseinziges deutsches Land in ausrei-chendem Umfang den wichtigstenRohstoff für die Atomforschung,das Uran, gewinnen könnte, er-höhen sich die Aussichten, daß dievon der bayerischen Regierunggemeinsam mit der Landeshaupt-stadt geführten Bemühungen umdie Errichtung dieser bedeutsamenForschungsstätte zu einem Erfolgführen.“33

Die Einführung der Kerntechnikwar ein integraler Bestandteil desMitte 1952 einsetzenden Wirt-schaftswunders. Nach allen Verbo-ten, Begrenzungen und Entbeh-rungen der Nachkriegszeit standender jungen Bundesrepublik nunalle Möglichkeiten offen. Verbes-serte Kommunikations- und Trans-portwege ließen die Welt zusam-menrücken, und die neuen techni-schen Möglichkeiten wie Automa-tion, Weltraumfahrt und Kernener-gie versprachen damals eine dau-erhafte Lösung der sozialen, wirt-schaftlichen und politischen Pro-bleme. Insbesondere die Bundes-republik Deutschland war daherMitte der fünfziger Jahre von einerbreiten Aufbruchsstimmung ge-prägt, einer „Gemeinsamkeit desGeistes und des Willens, der alleStände und Berufe erfaßte“.34

Dr. Hanns Seidel (CSU), Bayerischer Wirtschaftsminister von 1947 bis 1954Bayerischer Ministerpräsident von 1957 bis 1960

Dr. Wilhelm Hoegner (SPD),Bayerischer Ministerpräsidentvon 1954 bis 1957

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München oder Karlsruhe -wo das deutsche Kernforschungszentrum entsteht

Nach Unterzeichnung der „PariserVerträge“ begann ein Wettlauf derStandortbewerber für Atomreakto-ren, insbesondere nachdemzunächst die Vorstellung vor-herrschte, daß angesichts derGröße der BundesrepublikDeutschland und ihres wissen-schaftlichen und technischenRückstandes ein einziges Atom-zentrum ausreichend sei und diesinnvollste Lösung darstellenwürde.35 Die Bewerber verspra-chen sich von einem solchenAtomzentrum die Schaffung vonArbeitsplätzen und wesentlicheImpulse für Wissenschaft, Wirt-schaft und Industrie.

Als unabdingbare Voraussetzun-gen erachtete man folgende Stan-dortfaktoren:

• Nachbarschaft einer TechnischenHochschule und Universität,

• Vorhandensein von Industrie inder Region,

• günstige Verkehrslage,• ausreichende Grundwasserver-

sorgung,• Nähe von Uranvorkommen.

Als Leiter eines solchen Atomzen-trums war der Kernphysiker undNobelpreisträger Dr. Werner Heisenberg vorgesehen, der daseinst in Berlin beheimatete Max-Planck-Institut für Kernphysik pro-visorisch in Göttingen etablierthatte, jedoch einen Umzug plante.Heisenberg, der BundeskanzlerAdenauer in Atomfragen beriet,schwebte ein „Bundesatomlabora-torium“ nach dem Vorbild des briti-schen Atomzentrums Harwell oderder US-amerikanischen Großfor-schungsanlage Brookhaven vor.36

Insbesondere die Länder Bayern(Standort München) als auchBaden-Württemberg (StandortKarlsruhe) suchten ProfessorHeisenberg anzulocken. Auch Göttingen und das Ruhrgebietwaren zeitweise in der Diskussion,ohne allerdings ernsthaft in Be-tracht gezogen zu werden.

Gemäß einer Denkschrift von Dr.Willi Guthsmuths (1955), Staatsse-kretär im Bayerischen Wirtschafts-ministerium, sollte die Errichtungvon Reaktoren in drei Stadien ver-laufen:37

1. Forschungsreaktoren (für Forschungs- und Ausbil-dungszwecke),

2. Versuchsreaktoren (zur Erpro-bung von Leistungsreaktoren),

3. Leistungsreaktoren (für kommerzielle Produktion von Atomstrom).

In München plante man in einemersten Schritt die Errichtung einesbis 5 Mio. DM teuren Forschungs-reaktors der Technischen Hoch-schule München und eines bis 50Mio. DM teuren, luft- oder wasser-gekühlten Versuchsreaktors derMax-Planck-Gesellschaft, die inenger räumlicher Nachbarschaftzueinander angesiedelt werdensollten.

Die Bayerische Staatsregierungwar bestrebt, das Atomzentrumum jeden Preis nach München zuholen. Ministerpräsident Hoegneräußerte im Ministerrat, Karlsruhedürfe München nicht „den Rangablaufen“38, und Kultusminister August Rucker (1900-1978) mein-te, ein solches Atomzentrum sei

„von entscheidender Bedeutungfür Bayern als Kulturzentrum“.39

Bei diesen Bemühungen zogenalle involvierten Stellen (Staats-kanzlei, Wirtschaftsministerium,Ministerium für Unterricht und Kul-tus, Stadt München) an einemStrang.40 Andererseits genoß dasLand Baden-Württemberg Sympa-thien bei Bundeswirtschafts-minister Professor Dr. Ludwig Erhard (1897-1977), der zugleichbaden-württembergischer Bun-destagsabgeordneter war, sowiebei diversen Industrievertretern inder Standortkommission. AuchBundeskanzler Adenauer neigteanscheinend schon früh zu Karls-ruhe.41 In Baden-Württembergwarnte man vor einer „Balkanisie-rung“ der Bundesrepublik aufkerntechischem Gebiet und warbmit diesem Argument für ein zen-trales Atomzentrum im Südwest-staat.42 BundesatomministerStrauß hatte sich hingegen füreinen kerntechnischen Schwer-punkt München ausgesprochen43

und hatte sich im Auftrag der Lan-desgruppe der CSU in diesemSinne auch mit einem Schreibenan Bundeswirtschaftsminister Erhard gewandt.44 Grundsätzlichbefürwortete Strauß eine Föderali-sierung der Kernforschung, die beiden Universitäten und Hochschu-len der Länder respektive bei denIndustrieunternehmen angesiedeltsein sollte. Eine Zentralisierungnach britischem Vorbild lehnte erab.45 Der Freistaat setzte zudemauf die Stimme Heisenbergs, der inder Standortkommission die größ-te Bedeutung zugemessen wurde.Heisenberg befürwortete aufgrunddes Mangels an Fachleuten dezi-

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diert die Schaffung eines Atom-zentrums und hielt aufgrund derguten Standortfaktoren Münchenfür die beste Lösung. PersönlicheGründe mögen ebenfalls eine Rollegespielt haben: Er war gebürtigerMünchner, liebte das Voralpen-land46 und besaß zudem in derbayerischen Landeshauptstadt be-reits ein Haus.47 Neben einem Ver-suchsreaktor für das Max-Planck-Institut und einem Forschungsre-aktor für die Technische Hoch-schule dachte er mittelfristig, etwaum das Jahr 1959, auch an dieRealisierung eines Leistungsreak-tors bei München.

Im April 1955 versuchte diebaden-württembergische Landes-regierung mit Zuschüssen zu kö-dern: 7 Mio. DM wurden für eineVerlegung des Max-Planck-Institu-tes nach Karlsruhe, 3 Mio. DM fürdie Errichtung eines Reaktors ge-boten. Die bayerische Staatsregie-rung konterte mit entsprechendenZuschußangeboten. Nicht zuletztgaben auch strategische Erwägun-gen den Ausschlag: General AlfredGruenther, Nato-OberbefehlshaberShape, votierte eindeutig für Karls-ruhe.48 Zweifelsohne wäre im Falleeiner kriegerischen Auseinander-setzung zwischen Ost und WestMünchen mit größerer Wahr-scheinlichkeit in die Hände desFeindes gefallen, als das weiter imWesten liegende Karlsruhe.

Bundeskanzler Adenauer ent-schied am 29. Juni 1955 im Klei-nen Sitzungsaal des PalaisSchaumburg, daß kein deutschesAtomzentrum entstehen würde,sondern eine Teilung der Aufgabenerfolgen sollte: München sollte den

kleinen Forschungsreaktor nebstzugeordneten Instituten erhalten,Karlsruhe Kernforschungszentrumwerden und den größer dimensio-nierten, mit Natururan betriebenenund mit „schwerem Wasser“gekühlten und moderierten Ver-suchsreaktor (FR-2) erhalten. InBaden-Württemberg jubilierteman; sehr zu Unrecht - wie sichzeigen sollte - hielt Minister Farnyden für München bestimmten For-schungsreaktor für ein „Danaer-Geschenk“.49

Die Bayerische Staatsregierungund die im Landtag vertretenenParteien zeigte sich verstimmt darüber, daß ihnen diese BonnerEntscheidung erst mit Verspätungbekanntgegeben und die Atom-kommission bei der Standortwahlnicht angehört worden war.50

Heisenberg war maßlos entäuschtund kritisierte in einer Rede vordem Bayerischen Landtag, daß dieEntscheidung „aus Gründen, dienichts mit der Sache zu tun hätten,sondern anderen Einflüssen zuzu-schreiben seien“, jene Wendunggenommen habe.51

Der Freistaat Bayern konnte sichzwar freuen, daß der Senat derMax-Planck-Gesellschaft am 11. Oktober 1955 tatsächlich be-schloß, das Göttinger Max-Planck-Institut für Kernphysik nach Mün-chen zu verlegen. Dr. Heisenbergentschied nun konsequent - wenn-gleich mit Bedauern -, die gesamteArbeitsgruppe für Reaktorentwick-lung nach Karlsruhe abzugebenund selbst in München lediglichtheoretische Grundlagenforschungzu betreiben, wofür ein Reaktor

nicht nötig sei. Den dem Max-Planck-Institut 1955 quasi zurKompensation angebotenen„Schwimmbad-Reaktor“ überließer dem TH-Institut für technischePhysik von Professor Dr. HeinzMaier-Leibnitz. Dessen Instituthatte sich durch hervorragendeForschungsleistungen vor anderenausgezeichnet, so daß es den Re-aktor bekam. Weiterhin gab es1958/59 Überlegungen, im Freistaateinen zweiten Versuchsreaktorneben Karlsruhe in der Nähe desForschungsreaktors zu realisieren,doch die materiellen Möglichkeitenwaren dafür nicht gegeben.52

Zwar konnte der Freistaat Bayernschließlich die Inbetriebnahme desersten deutschen Atomreaktorsfeiern, doch betrachtete der dama-lige Ministerpräsident Hoegnerjene Entscheidung Adenauersnoch beim zehnjährigen Jubiläumdes Garchinger Forschungsreak-tors im Jahr 1967 seiner Meinungnach als eine BenachteiligungBayerns: „Man hatte uns damalseinen Reaktor in Aussicht gestellt,aber nur einen kleinen, da wir Bayern immer benachteiligt wer-den. Doch selbst eine kleine Anla-ge kann einen großen Nutzenhaben, wenn sie ausschließlich derAusbildung junger Wissenschaftlerdient. So stand von vornhereinfest, daß dieser Reaktor Bestand-teil der Technischen HochschuleMünchen werden sollte. Hinzukam der Ärger über den Satz, daßwir Bayern rückständig seien.Heute kann jeder Preuße, der ausdem Norden über die Autobahn zuuns kommt, gleich sehen, daß beiuns etwas los ist.“53

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Realisierung des Garchinger Forschungsreaktors

Mitte 1956 kam es zu einem Wett-lauf der Bundesländer bei der Rea-lisierung von Forschungsreakto-ren: In Frankfurt am Main, Ham-burg und Berlin waren Reaktorenin Bau. Aachen, Bonn und Darm-stadt bemühten sich um derartigeAnlagen.54 Doch der MünchnerReaktor sollte schließlich als ersterin Betrieb gehen.

Infolge des „Deutschland-Ver-trags“ waren die politischen Hin-dernisse für den Bau eines erstendeutschen Atomreaktors aus-geräumt. Bundeskanzler Adenauerhatte allerdings dem englischenAußenminister Anthony Eden am16. November 1954 die Zusagegegeben, vor Ablauf von zwei Jah-ren keinen Kernreaktor mit Lei-stung über 10 MW zu bauen.55

Damit war vorentschieden, daß dererste deutsche Reaktor ein For-schungsreaktor sein würde, da essich dabei um einen Reaktor mitniedriger Leistung handelte. DerWeg für die Verwirklichung desGarchinger Projektes war frei.

Nach Rückkehr von einer USA-Reise hielt Bundesminister FranzJosef Strauß am 6. Juni 1956einen Vortrag auf der dritten Sit-zung der „Bayerischen StaatlichenKommission zur friedlichen Nut-zung der Atomkräfte“ in derStaatskanzlei, bei der Ministerprä-sident Hoegner und zahlreiche Ka-binettsminister anwesend waren.Seinen Worten zufolge ermöglichtedas mit den USA am 13. Februar1956 abgeschlossene For-schungsabkommen zunächst dieLieferung von 6 kg angereichertem

Uran. Dies entsprach derjenigenMenge Brennstoff, die für den Be-trieb eines ersten Forschungsreak-tors notwendig war. Außerdem be-richtete Strauß von dem angekün-digten Zuschuß der USA in Höhevon 350000 $ (damals 1,4 Mio.DM) für jeden Staat, der von ihneneinen Forschungsreaktor kaufe -die Philippinen und Südkorea hät-ten das Angebot bereits angenom-men. Dasjenige deutsche Bundes-land, das sich als erstes für einenForschungsreaktor entscheide,werde die Summe erhalten.

Bundesminister Strauß machtedas Projekt des Forschungsreak-tors der bayerischen Regierungschmackhaft und empfahl eineschnellen Umsetzung; der Vertragmit dem US-amerikanischen Her-steller sollte schon in der nächstenWoche abgeschlossen werden.Strauß drängte auf den schnellenAbschluß von Kaufverträgen fürForschungsreaktoren, um eine nu-kleare Kooperation mit den USAauch auf dem Feld der Leistungs-reaktoren durch bilaterale Abkom-men zu institutionalisieren undsomit einer möglichen Monopol-stellung von EURATOM zuvorzu-kommen.56 Abschließend betonteStrauß noch einmal, daß die Ent-scheidung über die Vergabe desVersuchsreaktors für die Entwick-lung von Leistungsreaktoren nachKarlsruhe nicht rückgängig zu ma-chen sei.

Ministerpräsident Hoegner impro-visierte daraufhin mit den anwe-senden Ministern eine Kabinetts-sitzung. Als Hoegner bei neun sei-ner Minister Zustimmung konsta-tiert hatte, meinte er zufrieden:„G’langt scho!“57 Ohne größereDiskussion wurde beschlossen,daß Bayern den ersten „Schwimm-bad-Reaktor“ kaufen und Profes-sor Maier-Leibnitz mit den Ver-handlungen beauftragt werdensolle.58 Bereits sechs Tage später,am 12. Juni, flog Professor Dr.Maier-Leibnitz zu Kaufverhandlun-gen in die USA. Später resümierteHoegner: „Ich hatte fügsameLeute, das muß ich nachträglich zuihrem Ruhme sagen.“59

Sowohl von Seiten der Bundesre-gierung wie der bayerischen Re-gierung sah man im GarchingerForschungsreaktor auch eineKeimzelle für die Entwicklung vonLeistungsreaktoren. Damit wurdeihm eine nuklearpolitische Bedeu-tung zugeordnet, die weit über

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seinen eigentlichen Zweck hinaus-ging.60 Der Verwirklichung desBaus eines Forschungsreaktorsstanden noch einige Hindernisseentgegen; so fehlten noch die ge-setzlichen Grundlagen. Theore-tisch blieb nämlich das AlliierteKontrollratsgesetz Nr. 22, Art. 1,Ziffer 1 bis zum Inkrafttreten einesDeutschen Atomgesetzes über-gangsweise gültig. Es verbot expli-zit den Bau von Kernreaktoren.

Das in Vorbereitung befindlicheBundesatomgesetz scheiterteEnde Juni 1957 zunächst einmalim Bundestag, da es mit der De-batte um die Atombewaffnung ver-quickt wurde. Erst am 23. Dezem-ber 1959 wurde es verabschiedetund trat ab 1. Januar 1960 in Kraft.Schon im Herbst 1955 hatte Mini-sterpräsident Hoegner den schlep-penden atomrechtlichen Gesetz-gebungsprozeß auf Bundesebenekritisiert.61 Die Bayerische Staats-regierung mußte daher 1957 nachanderen Wegen einer Genehmi-gung für den Bau und Betrieb desForschungsreaktor suchen.

Die Juristen in der bayerischenLandeshauptstadt beschäftigtensich mit dieser Frage. Grundsätz-lich gab es drei Möglichkeiten derAuslegung: a) der Reaktorbau blieb bis auf

weiteres verboten;b) der Reaktorbau war mit Bezug

auf das neu in Kraft getretene Grundgesetz erlaubt, solangeman nicht die Rechte Dritter verletzte;

c) der Reaktorbau war mit Bezug auf die Forschungsfreiheit er-laubt.

Mehrheitlich neigten die Juristender Interpretation b) zu. Fraglichwar aber auch die Zuständigkeitbei einer behördlichen Genehmi-gung: Waren die BundesrepublikDeutschland (Bundesministeriumfür Atomfragen) oder das LandBayern, und hier welches Ministe-rium, zuständig?

Man kam schließlich mit Bezug aufArtikel 83 des Grundgesetzes zuder Entscheidung, daß die Lan-desbehörden zuständig seien; so-lange detaillierte Regelungen fehl-ten, solle die Regelung atomarerFragen in die Kompetenz des Mini-sterpräsidenten fallen. Den Res-sortstreit zwischen unterschiedli-chen bayerischen Ministerien -Staatsministerium für Arbeit undsoziale Fürsorge, Staatsministeri-um des Inneren, Staatsministeriumfür Unterricht und Kultus, Staats-ministerium für Wirtschaft und Ver-kehr - löste man in einer Bespre-

chung am 22. Januar 1957 dahin-gehend, daß letzterem die Feder-führung und die Genehmigungübertragen wurde.62

Auf ein formelles Genehmigungs-verfahren verzichtete man schließ-lich, da der Reaktor ja nicht voneinem Dritten, sondern vom Staatselbst betrieben werden sollte: DerReaktor wurde lediglich mittelseiner innerbehördlichen Zustim-mungserklärung durch das Bayeri-sche Staatsministerium für Wirt-schaft und Verkehr realisiert.63

Die Rahmenbedingungen wurdendurch das Bayerische Atomgesetzvorgegeben, das der Landtag am9. Juli 1957 verabschiedete. Das„Gesetz zur vorläufigen Regelungder Errichtung und des Betriebesvon Kernreaktoren und der An-wendung radioaktiver Isotope“sollte zur Überbrückung bis zumInkrafttreten des Bundesatomge-setzes Geltung haben. Es war ein-stimmig angenommen worden.Bayern hatte damit als erstes Bun-desland eine atomrechtliche

Deutscher Stand auf der 2. Genfer Atom-konferenz 1958

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Grundlage geschaffen, was unteranderem eine Voraussetzung dafürwar, daß der FRM als erster deut-scher Reaktor in Betrieb genom-men werden konnte.

Die Grundlage der nuklearen Ko-operation mit den USA bildete, wiebereits erwähnt, das am 13. Fe-bruar 1956 unterzeichnete „Ab-kommen zwischen der Bundesre-publik Deutschland und den USAüber Zusammenarbeit auf dem

Gebiet der zivilen Verwendung derAtomenergie“ für Forschungs-zwecke. Es wurde am 3. Juli 1957durch das von Franz Josef Straußerstrebte bilaterale „Leistungs-reaktorabkommen“ ergänzt.64

Anfang 1957 traten noch einmalSchwierigkeiten auf, wollten dochdie USA die Brennstäbe erst dannliefern, wenn ein bundesdeutschesAtomgesetz verabschiedet würde.Da das Land Bayern einen Vertrag

mit dem Hersteller Babcock & Wilcox Cy. geschlossen hatte,wären dennoch 70 Prozent desVertragspreises sofort fällig gewor-den. Zudem hätte das Land Bay-ern für die anfallenden Lagerko-sten in den USA aufkommen müs-sen.65 Nach einer diplomatischenIntervention konnten die Brennstä-be schließlich geliefert werden.

Planung, Standortwahl und Gelän-deerwerb

In der Literatur finden sich biswei-len Hinweise darauf, daß für denForschungsreaktor zunächst einStandort im Münchner Stadtgebietvorgesehen gewesen sei, nämlichauf einem Gelände der Techni-schen Hochschule66 bzw. desneuen Max-Planck-Institutes inFreimann in der Nähe des bekann-ten Biergartens „Aumeister“.67

Wahrscheinlich waren diese Stan-dorte aber nie vorgesehen. Dr. Hei-senberg, der das Projekt feder-führend seit Anfang der fünfzigerJahre vorantrieb, hatte schon Ende1952 geschrieben, daß der besteStandort in der Nähe einer Stadtliege; wegen des Problems derBeseitigung gesundheitsgefähr-dender Abfälle solle der Reaktorjedoch nicht unmittelbar im Stadt-gebiet erbaut werden, wenngleichdies technisch möglich sei.68

Ministerratsbeschluß zum Kauf des FRM (1956)

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Auch Professor Dr. Heinz Maier-Leibnitz wies darauf hin, daß inden USA Reaktoren in der Regel inmehreren Kilometern Abstand vonStädten gebaut würden.69 Hinzukam, daß es im Münchner Stadt-gebiet kaum mehr Platz für ein Re-aktorgelände gab, das allein auf-grund von Strahlenschutzerwä-gungen einen bestimmtenFlächenbedarf hatte. Die StadtMünchen war bereits früh in diePlanungen der Staatsregierung in-volviert, im Umkreis der Landes-hauptstadt ein Atomzentrum anzu-siedeln. Der Münchner Stadtratstimmte am 16. Februar 1954 beinur elf Gegenstimmen einer Reak-toranlage vor den Toren der Stadtzu.

Weil damals noch der Bau vonzwei Reaktoren im Raum Münchengeplant wurde, sollten der For-schungsreaktor und der Versuchs-reaktor für Energiegewinnung in di-rekter Nachbarschaft voneinanderim Norden der Stadt entstehen.70

Dort waren die Bodenverhältnisse

günstig (tiefe feste Kiesschicht),und es gab genügend Grundwas-ser.71 Die Gegend galt als erdbe-bensicher und war nur gut 10 kmvom vorgesehenen Standort desMax-Planck-Institutes in Mün-chen-Freimann entfernt. Grund-stücke bei Eching, Dietersheimund Garching wurden in Aussichtgenommen.72

Ursprünglich favorisierte man einzwischen der Autobahn und derFreisinger Landstraße liegendesGelände bei Dietersheim. Wegenzu großer Siedlungsnähe, derungünstigen Lage der neu zu bau-enden Autobahnausfahrt, des Feh-lens eines Vorfluters zur Wärmeab-gabe sowie der Ausweisung desGeländes zur Verwertung vonStadtabwässern nahm man abervon diesen Plänen Abstand.73 EinGelände in direkter Nachbarschaftder Autobahn wurde wegen derNähe zur Quellfassung für dieTrinkwasserversorgung ebenfallswieder verworfen.74

Bei einer von der Obersten Bau-behörde im Bayerischen Staatsmi-nisterium des Inneren veranlaßtenErkundungsfahrt am 14. Januar

Der Garchinger Bürgermeister Josef Amon mitHelmut Karl, seinem Nachfolger

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1956 fiel die Wahl schließlich aufein Gelände nördlich von Garchingin den Isarauen.75 Das Geländelag 16 km nordnordöstlich von derStadtmitte Münchens und 9 kmvom nördlichen Stadtrand entfernt.Etwa 1,5 km nördlich des Gelän-des lag der Ort Dietersheim, 2,5km südwestlich Garching und 4km südlich Ismaning. Es umfaßte50 ha; der Reaktor sollte 100 mvon der Geländegrenze errichtetwerden. Durch das Gelände floßder nordöstlich in die Isar münden-de Garchinger Mühlbach. Profes-sor Dr. Heinz Maier-Leibnitz setztesich mit seiner Anschauung durch,auch nach dem Verzicht auf denVersuchsreaktor des Max-Planck-Institutes bei der ursprünglich avi-sierten Geländegröße zu bleiben,um genügend Raum für spätereErweiterungen zu haben.76

Der Garchinger Gemeinderat be-fürwortete die Abtretung gemein-deeigener Grundstücke am 16. Ja-nuar 1956 in einer außerordentli-chen Sitzung einstimmig und ohnegrößere Diskussion.77 ProfessorDr. Heinz Maier-Leibnitz stimmteder Entscheidung mit Schreibenvom 3. Mai 1956 zu.78 Als auchdas Staatsministerium für Unter-richt und Kultus am 8. Mai 1956den Standort annahm, war dieEntscheidung endgültig. Möglichstlange war der genaue Standort ge-heim gehalten worden, um Speku-lationsgeschäfte zu verhindern.79

Denn für diverse Teilflächen mußteauch in Privatbesitz befindlichesLand aufgekauft bzw. enteignetwerden.

Dörfliches Leben in Garching Ende der 50er Jahre

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Angeboten wurden 1,00 DM/m2 fürforstwirtschaftlich genutztes bzw.1,50 DM/m2 für landwirtschaftlichgenutztes Gelände. Ohne größereSchwierigkeiten und in schnellerFrist wurden die Kauf- bzw. Ent-eignungsverfahren abgewickelt.

Diverse Widerstände waren zuüberwinden. Der Verein MünchnerBrauereien e.V. äußerte in einemSchreiben die Befürchtung, daßdas Brauereigewerbe durch Ver-seuchung des Grundwassers undeine Schädigung des Hopfen-wachstums in der nicht weit ent-fernten Hallertau mittelfristig ge-schädigt werden könne: „Für unseraltes und für Stadt und Land sobedeutsames Gewerbe könntendie Folgen besonders schwerwie-gend werden.“80 Die Nachbarge-meinde Ismaning fürchtete um dieradioaktive Verstrahlung ihrerKrautköpfe.81 Am hartnäckigstensetzte sich die Perutz Trockenplat-tenfabrik München GmbH zurWehr, die in der Nähe eine Ferti-gungsstätte von lichtempfindlichenPlatten unterhielt und Schädigun-gen auch durch geringe Mengenatomarer Strahlen befürchtete. Siebezifferte den möglichen Schadenim Falle einer notwendigen Verle-gung auf ca. 50 Mio. DM.82

Professor Heisenberg versicherteKultusminister Rucker, daß es beiEinhaltung der Vorsichtsmaßnah-men völlig ausgeschlossen sei,„daß die Errichtung eines Reaktorsin der Nähe von München irgend-einen Einfluß, jetzt oder in Zukunft,

auf die Herstellung des Biereshaben kann“, da das Grundwassererstens nicht verseucht sei undzweitens die Hopfenanbaugebietenicht erreichen würde. Dies habeauch ein Gespräch mit Sir JohnCockroft, dem Leiter der britischenAtomstation Harwell, bestätigt.Heisenberg räumte ein, daß licht-empfindliche fotografische Plattenbereits durch sehr geringe Mengenatomarer Strahlung geschädigtwerden könnten. Da sich die Fa-brik jedoch in 20 km Entfernungbefinde, sei keinerlei Schädigungzu befürchten.83

Die Staatsregierung weigerte sich,allfällige Schadensersatzan-sprüche im voraus zuzusichern,sondern verwies auf die entspre-chenden gesetzlichen Möglichkei-ten. Während sich der Brauereiver-band beruhigen ließ, blieb dieFirma Perutz noch eine Weile hart.Im Februar 1957 versuchte sie dieLegitimität des Baubeginns ohnevorheriges Bundesatomgesetz inFrage zu stellen84; man verzichtetejedoch auf eine Klage.

Nachdem die Standortwahl zumJahresende 1955 auf Garching ge-fallen war, beschwerte sichzunächst die Naturschutzbehörde,da sie um die Erhaltung des Land-schaftsbildes in den Isarauenfürchtete.85 Sie scheint ihren Wi-derstand aber sehr bald aufgege-ben zu haben. Auch der FKK-Klub„Osiris“, der in den Isarauen sei-nem Vereinszweck nachging, zeig-te sich anfangs nicht angetan vonden Veränderungen.86 Er unter-

nahm jedoch keine Schritte gegendas Projekt. Schließlich meldetesich noch die Stadt München zuWort, da man angrenzend an dasausgewählte Gelände seit 1943eine zweite Kläranlage plante undnun Mehrkosten im Falle einer not-wendigen Verschiebung fürchtete.Die Landeshauptstadt forderteeine Zusicherung, daß diese Klär-anlage zum vorgesehenen Zeit-punkt (um 1966) ohne Schädengebaut und betrieben werdenkönne bzw. daß andernfalls Scha-densersatz zu leisten sei.87 DochStadt und Regierung einigten sich.Die zweite Kläranlage wurdeschließlich an einem Standortnördlich von Dietersheim gebaut,während das ursprünglich vorge-sehene Gelände in Reaktornäheals Erweiterungsfläche für künftigewissenschaftliche Institute von derTechnischen Hochschule aufge-kauft wurde.

Als schließlich die Bauarbeiten am6. November 1956 in Garching be-gannen, protestierte die Nachbar-gemeinde Ismaning, hatte manzwischenzeitlich doch selbst ver-geblich gehofft, zum Standort aus-erkoren zu werden.88

Das Stammgelände der TUM hat in Münchenkeine Erweiterungsmöglichkeit mehr

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Die Verkehrsanbindung des Reak-torgeländes mit öffentlichen Ver-kehrsmitteln war aufgrund seinerRandlage nicht befriedigend. Vonder Technischen Hochschule inder Münchner Arcisstraße wurdedaher ein Dienstbusverkehr nachGarching eingerichtet. Im Jahr1959 führten eigene Busse vonMontag bis Freitag täglich achtFahrten in beide Richtungendurch. Die Fahrt dauerte etwa 30Minuten.89 Bereits früh machteman sich Gedanken über eine lei-stungsfähige Schienenanbindung.Im Rahmen des Unterpflaster-bahnkonzeptes plante man 1963den Bau einer Schnellstraßen-bahnlinie nach Garching. Die Linie6 sollte von Garching über Münch-ner Freiheit, Marienplatz, Sendlin-ger Tor zum Klinikum Großhadernführen, davon zwischen MünchnerFreiheit und Sendlinger Berg un-terirdisch.90

Nach dem Beschluß des Stadtra-tes über die Anlage eines konven-tionellen Untergrundbahnnetzes imJahr 1964 schwenkte man auf denBau einer U-Bahn-Linie ein. Am28. Oktober 1995 wurde die beste-hende Linie U6 oberirdisch vonFröttmaning nach Garching/Hoch-brück (3,8 km) verlängert. Es istdie erste Münchner U-Bahn-Linie,die die Stadtgrenzen verläßt. Der-zeit werden die Hochschul- undForschungseinrichtungen von derU-Bahn-Endstation mit der Busli-nie 291 angebunden; die U-Bahn-Verlängerung Garching-Hochbrück- Garching/ TU (ca. 4,6 km) ist inVorbereitung.

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Kauf des Reaktors in den USA

Im Juli 1955 wurden die drei TH-Professoren Gerlach, Joos undMaier-Leibnitz zu einer Unterre-dung mit dem Bayerischen Mini-sterpräsidenten in die Staatskanz-lei bestellt. Dort fragte Hoegner la-pidar: „Herr Professor Maier-Leib-nitz, wollen Sie einen Forschungs-reaktor haben?“ Geschwind ant-wortete der Professor: „Ja, wennwir auch ein Institut bekommen,um ihn ausnützen zu können.“Dies wurde ihm gerne zugesichert.

Ins Leben gerufen wurden darauf-hin eine „Bayerische StaatlicheKommission zur friedlichen Nut-zung der Atomkräfte“ sowie einePlanungsgruppe zur konkretenRealisierung des Vorhabens. An-gehörige dieser Planungsgruppeunternahmen diverse Studienrei-sen ins Ausland, denn die meistenBeteiligten, Politiker wie Wissen-schaftler, hatten selbst noch kei-nen Reaktor gesehen. Man war in-zwischen in der glücklichen Lage,Atomreaktoren aus dem Katalogkaufen zu können. StaatssekretärDr. Willi Guthsmuths und Kultusmi-nister Professor August Ruckerfuhren nach England, ProfessorMaier-Leibnitz in die USA. Nur derReaktor selbst sollte aus dem Aus-land bezogen werden: Alle sonsti-gen Einrichtungen sollten vondeutschen Firmen erstellt werden.

Auch die Engländer hätten gerneden Auftrag bekommen: Das briti-sche Generalkonsulat hatteStaatssekretär Dr. Guthsmuths

vorgeschlagen, einen Forschungs-reaktor im Pacht- und Leihsystemaus Großbritannien zu beziehen.91

Doch die USA waren technischführend und lockten zudem mithohen Zuschüssen. Vier US-Fir-men kamen schließlich mit ihrenAngeboten in die engere Wahl:92

• Bendix Aviation Corp., Detroit • North American Aviation, Inc.,

Canoga Park• General Electric Company,

Schenectady, N.Y.• American Machine & Foundry

Corporation, N.Y. (AMF)

Die Wahl fiel schließlich auf letztereFirma. Professor Maier-Leibnitzflog mit einem Ermächtigungs-schreiben in die USA, das folgen-den Inhalt aufwies: „Herr ProfessorMaier-Leibnitz ist berechtigt, inden USA einen Atomreaktor mitZubehör einzukaufen.“93

Die Kaufverhandlungen entwickel-ten sich erfolgreich: Der Reaktorsollte ohne Transport- und Ver-packungskosten sowie ohne Bren-nelemente 325000 $ (damals 1,3Mio. DM) kosten. Damit konnte derReaktorkauf zur Gänze aus demUS-Zuschuß finanziert werden. Ur-sprünglich war man von ca.1500000 DM ausgegangen.94 Alsder Vertrag vor der Unterzeich-nung stand, hatte Professor Dr.Maier-Leibnitz den Kaufpreis nocheinmal um 40000 DM herunterge-handelt.95 Gegenüber seinem Auf-traggeber bemerkte er: „Ich glau-be, daß ich sehr sparsam war undden niedrigsten Preis erreichthabe, den ich erreichen konnte.“96

Dies bestätigt die Reaktion derFirma AMF: Sie war von den Ver-

handlungskünsten des sparsamenSchwaben so angetan, daß sie ihmdie Europa-Vertretung für ihre Re-aktoren antrug!97

Am 20. Juni 1956 wurde der Ver-trag im deutschen Generalkonsulatin New York unterzeichnet. Er um-faßte die Projektierung und Be-triebseinrichtung durch die FirmaAMF einschließlich einer Funktions-garantie. Techniker aus den USAsollten den Reaktor aufstellen, dasdeutsche Personal einweisen, dieArbeitsvorschriften liefern, den Re-aktor mit einem ersten „kritischen“Experiment in Betrieb setzen unddann den Deutschen übergeben.Der Reaktor sollte am 1. Juni 1957fertig sein und einen Monat späterin Betrieb gehen.98

Vollmacht zum Kauf eines Reaktors

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Professor Maier-Leibnitz achtetedarauf, möglichst wenig Änderun-gen am AMF-Standard durchzu-führen, um die Kosten niedrig zuhalten. Zur Kostenersparnis schluger auch vor, gewisse Werkzeugeselbst zu bauen, statt diese in denUSA teuer zu kaufen.99 Wenn Zu-satzwünsche geäußert wurden, sokam Professor Dr. Maier-Leibnitzdiesen nur nach, wenn sie mit an-derweitigen Einsparungen finan-ziert werden konnten.

Die Brennelemente wurden vonder Firma Babcock & Wilcox Cy.bezogen und in Lynchburg/Virginiahergestellt. Die dreißig Brennstäbeenthielten zu 20 % 235U, zu 80%238U; hinzu kamen neun Kontroll-elemente. Sie kosteten zusammenca. 150000 DM zuzüglich einerjährlichen Leihgebühr von 4% desWertes des 235Uran (ca. 10000 DMim regelmäßigen Betrieb). Wenndie Brennstäbe am Ende ihrerNutzbarkeit angekommen waren,was bei der Erstausstattung 1960schon der Fall war, dann nahm siedie Firma zurück, wodurch kein ra-dioaktiver Abfall in Deutschlandanfiel.

Der Forschungsreaktor entsteht

8. 5. 56 Beschluß des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus über Standort Garching

6. 6. 56 Beschluß des Bayerischen Ministerrates über Ankauf eines Forschungsreaktors

25. 6. 56 Beauftragung des Landbauamtes München mit der Durch-führung der Baumaßnahme

2. 8. 56 Beginn der Erschließung des Baugeländes21. 8. 56 Beschluß Bayerischer Ministerrat über grundsätzliche

Billigung der vorläufigen Standortwahl15. 9. 56 Raumordnungsbescheid der Landesplanungsstelle im

Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr8. 10. 56 Beginn des Baues der Zufahrtsstraße zum Reaktorgelände 6. 11. 56 Beginn des Baues der Reaktorkuppel (Erdaushub für

Schalenfundamente und Tiefgründung) nach Teilgenehmi-gungen

16.11. 56 Beginn der Betonierungsarbeiten an der Halle17.11. 56 Baurechtlicher Zustimmungsbescheid der Regierung von

Oberbayern12. 1. 57 Richtfest für das im Rohbau fertiggestellte Reaktorgebäude22. 1. 57 Beschluß des Bayerischen Ministerrates: Übertragung der

Federführung in Atomangelegenheit sowie des Genehmi-gungsverfahrens an das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr

31. 1. 57 Zustimmung für den Bau des Reaktorgebäudes durch das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus

3. 6. 57 Einbau des Reaktors durch die AMF23. 8. 57 Eintreffen der Brennelemente aus den USA in München-

Riem9. 9. 57 Besichtigung der Reaktorbaustelle durch Vertreter der

Staatsregierung. Feierliches Auspacken der Brennele-mente. Beginn der Erprobung von Anlagenteilen

25.10. 57 Beschluß des Landratsamtes München im Wasserrecht-lichen Verfahren

31.10. 57 Aufbau des Reaktorkerns zur Durchführung eines ersten Experiments (20 % 235U) mit Erreichen der „Kritikalität“, danach Übergabe des Reaktors von der AMF an das Labo-ratorium für Technische Physik

31. 1. 58 Genehmigung für routinemäßigen Betrieb durch das Bayerische Staatsministerium des Inneren

3. 2. 58 Übergabe des Reaktors an das Laboratorium für Physik der TH mit einem Festakt

10.-11.7.58 Erste Operateurprüfung (bis dahin Messung und Unter-suchung wichtiger Eigenschaften bei niedriger Leistung, Heranbildung von Operateuren durch in den USA ausgebil-dete Reaktorfahrer). Bis dahin 0,77 MWh umgesetzt.

Ende 7. 58 Leistungsanhebung auf 1 MW5.- 8. 8.58 Erster Drei-Tage-Dauerversuch mit 1 MW

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Bauliche Realisierung und Inbetriebnahme

Der Bauauftrag für die Reaktorhal-le und die Institutsgebäude umfaß-te ein Volumen von 4,5 Mio. DM(inklusive 800000 DM für Grunder-werb, Bodenuntersuchung undBaugeländeerschließung). Hinzukamen ca. 1,9 Mio. DM für den Re-aktor, die Brennstäbe und diverseNebenkosten, die zu einem großenTeil aus dem US-Zuschuß finan-ziert werden konnten.

Bauherr war das Staatsministeri-um für Unterricht und Kultus, ver-antwortlich für die Baumaßnahmedas Landbauamt der Stadt Mün-chen. Der architektonische Ent-wurf, die Ausführungszeichnungenund die künstlerische Leitung wur-den Professor Dr. Gerhard Webervon der TH München übertragen.

Als Subunternehmer der AMF lie-ferte die MAN den maschinentech-nischen Teil. Die gesamten elektri-schen Anlagen wurden bei denSiemens-Schuckert-Werken bezo-gen. Diverse Ingenieurbüros wur-den mit der Planung von Spezialf-ragen beauftragt.

Die Baufirma Wayss & Freytag, diedie Erd-, Beton-, Stahlbeton- undMaurerarbeiten durchführte, betratin vielen Punkten Neuland. Bei-spielsweise hatte man mit der Ver-wendung von Barytbeton (Schwer-beton) in Deutschland noch kein-erlei Erfahrungen. Die Vorgabenwaren streng: So mußte die Beton-ausschalung auf 15 mm genauausgeführt werden. Aus derganzen Bundesrepublik hatte die

Firma die besten Stammarbeiterzusammengezogen, einen Mitar-beiter sogar von einer Baustelle imIrak heimgerufen. Der BauleiterSebastian Schapfl war erst 27Jahre. Die Statik der Schale wurdevon Dipl.-Ing Fritz Brosch in Ver-bindung mit dem diesbezüglichenSpezialisten Professor Dr. HubertRüsch von der TH München be-rechnet.100

Im Oktober 1956 wies bereits eineHolztafel mit der Aufschrift „Reak-tormittelpunkt“ auf die kommen-den Entwicklungen hin.101 Sehrbald sollte sich eine emsigeBautätigkeit bemerkbar machen.Wegen der strengen Kälte und desstarken Frostes im Winter 1956/57mußte das künftige Atom-Einachts mit 20-30°C heißem Dampfgewärmt werden; tagsüber heizteman mittels Ölöfen. Schwere Un-fälle gab es trotz des Termindruckskeine. Die Betonierungsarbeitenmußten nicht unterbrochen wer-den. Ein Grundwassereinbruch indie Baugrube verzögerte die Bau-ausführung. Dennoch konnte dasRichtfest bereits am 12. Januar1957, drei Wochen früher als avi-siert, gefeiert werden. 600 TonnenBeton und 38 Tonnen Stahl warenvon den 85 Arbeitern verbaut wor-den. Für den festlichen Anlaß hatteder Eisenflechter Albert Morgoteine vier Meter hohe Richtkronege-fertigt.102

Bilder von der FRM-Baustelle 1956/57

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Um die 200 Ehrengäste, darunterLandtagspräsident Dr. Hans Ehard,Ministerpräsident Dr. WilhelmHoegner, Innenminister Dr. AugustGeiselhöringer, Kultusminister August Rucker und MünchensOberbürgermeister Thomas Wimmer, sowie weit über 100 Be-legschaftsangehörige der FirmaWayss & Freytag waren anwesend.Nach den Ansprachen wurde eine„Atom-Mahlzeit“ gereicht, die „Ur-anstäbe“ (Weißwürste), „Vorfluter-brühe mit Kerneinlage“ (Leberknö-delsuppe), „Neutronenschlegel“(Kalbfleisch), „Fettisotop“ (Nach-speise), „Garchinger Gamma-dunst“ (Käse) und „radioaktivesKühlwasser“ (Bier) beinhaltete.„Atomgeschütze“ bayerischen Hu-mors wie Michl Ehbauer, SchorschBlädl und Liesl Karlstadt tratenauf.103

Vor der Lieferung der Brennele-mente gab es zunächst Schwierig-keiten. Zunächst waren, wie be-reits ausgeführt, politische Hinder-nisse zu überwinden, dann hattedie Herstellerfirma anscheinendSchwierigkeiten, die Brennstäbemit zu 20% angereichertem 235Uzu erzeugen, und bei den Konkur-renten sah es nicht besser aus.Professor Dr. Maier-Leibnitz schlugdaher vor, entweder die Brennstäbe direkt von der staatlichen„Atomic Energy Commission“(AEC) zu beziehen, die bekanntlichin Oak Ridge/Tennessee über eineWiederaufbereitungsanlage verfüg-te, oder mit zu 90% angereichertenBrennelementen zu beginnen, dieleichter herzustellen waren. Hierfürwäre aber eine Ausnahmegenehmi-gung notwendig gewesen.104

Richtfest am 12. Januar 1957

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Schließlich konnte Babcock & Wilcox Cy. die Brennelementedoch liefern, wenngleich mit ein-monatiger Verspätung. Sie trafenaus Virginia am 23. August 1957ein und wurden zunächst zumSchutz gegen Diebstahl oder Be-schädigung im Tresor der Bayeri-schen Staatsbank zwischengela-gert. Professor Maier-Leibnitz ver-sicherte, daß im unverbrauchtenZustand und unter Belassung inder Originalverpackung keinerleiGefahren von den Brennelementenausgingen.105

Anläßlich des Eintreffens der Bren-nelemente in Garching wurde am9. September 1957 eine kleineFeier veranstaltet. Ministerpräsi-dent Dr. Hoegner und viele Kabi-nettsmitglieder waren anwesendund öffneten unter dem Motto „Eslebe die Aktivität!“ die sieben Ki-sten mit insgesamt 39 Brennele-menten. In Ermangelung einesSchraubenziehers mußte man sichdabei mit Taschenmessern behel-fen! Bei dem ersten Satz Brennele-mente hatte man später noch di-verse Probleme mit Fertigungsfeh-lern zu lösen. Die defekten Ele-mente wurden daher Anfang 1958an den Hersteller zurückge-sandt.106

Im Jahr 1957 hatten die zuständi-gen Behörden noch keine Erfah-rung mit dem Betrieb von For-schungsreaktoren. Aber auch diedeutschen Sachverständigen be-saßen keinen wesentlichen Wis-sensvorsprung. Konkrete deutscheSicherheitsvorschriften existiertennoch nicht; man lehnte sichzunächst an US-amerikanischeStandards an.

Ministerpräsident Hoegner packt das erste Brennelement aus (9. September 1957)

Übergabe des Reaktors an das Laboratorium für Physik der TH am 3. Februar 1958

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Professor Maier-Leibnitz erinnertesich rückwirkend an jene Zeit: „Indiesem Frühstadium gab es nie-manden, der uns sagen konnte,welche Sicherheitsvorkehrungenwir treffen sollten. Dieselben Per-sonen, die die Arbeit machten,mußten auch für die Sicherheitsorgen. Wir schrieben Sicherheits-berichte und haben sie der Regie-rung vorgelegt, aber dort war kei-ner, der mehr wußte als wir, eherweniger.“107

Unter Anlehnung an die US-Vor-schriften erstellte Professor Maier-Leibnitz im März 1957 einen Si-cherheitsbericht, der um einenweiteren Sicherheitsbericht desHerstellers ergänzt wurde. BeideBerichte wurden, wie mit den USAvereinbart, der „Atomic EnergyCommision“ in den USA zur Prü-fung übergeben.

In Bayern wurde der Sicherheits-bericht einer Reihe von Stellen zurBegutachtung vorgelegt: der Ge-sundheitsabteilung des Staatsmi-nisteriums des Inneren, dem Mini-sterium für Arbeit und soziale Für-sorge sowie dem BayerischenLandesamt für Wasserversorgungund Gewässerschutz. Auch Kolle-gen anderer Fachgebiete von THund Universität wurden konsultiert;größere Bedenken wurden keineerhoben. Die enge Kooperationder Behördenvertreter ermöglichteeine schnelle Erteilung der Be-triebsgenehmigung, ohne dabeiAbstriche in puncto Sicherheit zumachen. So viele Meinungen alsmöglich wurden einbezogen.

Im Wasserrechtlichen Verfahrenwurden diverse Auflagen festge-setzt. Professor Maier-Leibnitzstimmte ihnen widerspruchslos zu,auch wenn er manche für mögli-cherweise „übertrieben“ hielt. Nurdie Forderung, die Körperaus-scheidungen der Mitarbeiter vorder Ableitung auf Radioaktivität hinzu untersuchen, lehnte er ab: „Ichmuß unterstellen, daß dem die An-nahme zugrundeliegt, wir könntenunsere Mitarbeiter in solchemMasse [sic!] mit radioaktiven Sub-stanzen vergiften, daß selbst ihreAusscheidungen im Abwassernoch schädlich sein könnten. Ichglaube nicht, daß wir diese Art vonMißtrauen verdient haben.“108

Auch holte man beim TÜV ein imZweifel verbindliches „Technisch-physikalisches Sicherheitsgutach-ten“ ein (abgeschlossen 23. De-zember 1957). Es kam zu dem Er-gebnis, daß ein sicherer Betriebunter Berücksichtigung des Si-cherheitsberichtes sowie der vomTÜV vorgeschlagenen Auflagengewährleistet sei.

Die Betriebsgenehmigung durchdas Staatsministerium des Innerenvom 31. Januar 1958 enthielt 33zusätzliche Sicherheitsauflagen(18 technische, 15 betriebliche).So wurden der Einbau eines (ausdamaliger Sicht nicht notwen-digen) Radioaktivfilters in der Ent-lüftungsanlage, zusätzliche Strah-lungsmeßgeräte sowie verbesserteBewachungsvorkehrungen ver-langt.109

Der FRM war die Keimzelle des Forschungs-Campus in Garching

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Insbesondere wegen dieser zu-sätzlichen Sicherheitsauflagenmußten im April 1957 über einenNachtragshaushalt weitere1360000 DM genehmigt werden,so daß die gesamte Baumaßnah-me (ausschließlich der Kosten fürden Reaktor) auf 5860000 DMkam. Im Jahr 1958 ergaben sichnoch einmal 641000 DM Mehrko-sten für ein zunächst nicht geplan-tes „heißes Labor“, in dem mit ra-dioaktivem Material gearbeitetwurde, sowie für zusätzliche Bau-und Strahlenschutzmaßnahmen.

Zunächst hatten lediglich die ausden USA zurückkehrenden Mitar-beiter Dr. Pollermann und Dr. Misenta den „Reaktorführerschein“besessen. Der künftige Leiter derReaktorstation, Dr. Pollermann, warein halbes Jahr in die USA ents-andt worden, um vor Ort die Reak-tortechnik eingehend zu studieren.

Das erste Experiment, mit dem derReaktor in Betrieb gesetzt wurde,wurde noch von den zwei US-Technikern der AMF vorbereitetund erfolgte am 31. Oktober 1957um 19.45 Uhr. Zu spontaner Feiergingen die Beteiligten am späterenAbend in den „Neuwirt“.110

Professor Dr. Maier Leibnitz überdie erste Kettenreaktion: „Am 30.Oktober 1957 hieß es dann: Heutenacht ist es so weit. Diesen Tagund diese Nacht werde ich nie ver-gessen. Ich wachte morgens mit

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fürchterlichen Zahnschmerzen aufund ging gleich zum Zahnarzt; derzog mir den Zahn. An diesem Tagwar ein Nebel, wie ich ihn nochniemals erlebt hatte. Der Nebel ver-schlimmerte sich tagsüber, erwurde immer dichter. Wir fuhrenhinaus zum Reaktor. Wir konntendie Hand nicht vor den Augensehen. Und dann standen wir paarLeute da im Reaktorgebäude. [Um19.45 Uhr, Verf.] kam der feierlicheMoment. Unser Reaktor wurde vonzwei Technikern der American Machine and Foundry in Betriebgenommen. Die ersten Neutronenließen die Meßinstrumente aus-schlagen. Ein Blick hinunter in dasWasserbecken des Schwimmba-dreaktors zeigte ein blaues Leuch-ten. Die erste Kettenreaktion inDeutschland hatte stattgefunden.Wir sind dann noch zum Neuwirtund haben dort gefeiert; die Wirtinhat uns Sekt spendiert. Mittagsflogen die Ingenieure der Lieferfir-ma nach New York zurück. Wirhaben nie wieder etwas von ihnengesehen und waren von da an aufuns selbst angewiesen.“111

Da Professor Dr. Maier-Leibnitz mitseinem Frankfurter Kollegen Pro-fessor Dr. Schopper vereinbarthatte, die Inbetriebnahme derneuen Forschungsreaktoren Mün-chen-Garching und Frankfurt amMain gemeinsam anzukündigen,ersuchte er die Bayerische Staats-kanzlei, mit der Bekanntgabe derNachricht noch zu warten112, dochdie Presse hatte bereits Winddavon bekommen. Der Schwester-reaktor FRF-1 der UniversitätFrankfurt am Main unter Leitungvon Professor Dr. Schopper gingerst einige Zeit später, nämlich am

10. Januar 1958, als zweiter deut-scher Reaktor in Betrieb. Er wurdeebenfalls mit zu 20% angereicher-tem 235U betrieben und mit leich-tem Wasser gekühlt und mode-riert; es handelte sich jedoch nichtum einen „swimming pool“-, son-dern um einen „water boiler“-Re-aktor. Wegen technischer Proble-me mußte er bereits 1968 stillge-legt werden. Als dritter For-schungsreaktor ging am 24. Juli1958 der ähnlich konzipierte BERam Hahn-Meitner-Insitut für Kern-forschung in Berlin in Betrieb.113

Am 31. Oktober 1957 übergabendie US-Amerikaner den GarchingerReaktor ihren deutschen Kollegen.Sie besuchten noch die „Wiesn“und flogen dann umgehend in dieUSA zurück, ohne die ursprünglichvorgesehene Einarbeitungsperiodeabzuwarten. In den folgenden zweiMonaten übernahm der Herstellereine Garantie für das Funktionierendes Reaktors.

Nach Erteilung der Betriebsgeneh-migung am 31. Januar 1958 wurdeder Reaktor am 3. Februar anläß-

lich eines Festaktes an die Techni-sche Hochschule München über-geben. Zu den Teilnehmern zähltenBundesatomminister SiegfriedBalke, Verteidigungsminister FranzJosef Strauß, Vertreter der Bun-desatomkommission und derStaatsregierung.114 Es war nichtnur der erste deutsche Reaktor,sondern auch der erste aus denUSA nach Europa verkaufte For-schungsreaktor, der in Betriebging. Entsprechend groß war dasMedienecho. Prof. Dr. Maier-Leibnitz war zuversichtlich undschrieb an den künftigen Leiter derReaktorstation Dr. Pollermann:„Wenn ich denke, daß solche Reaktoren auch in Indien oder Persien betrieben werden sollen,glaube ich, wir sollten uns da auchruhig etwas zutrauen. Auf jedenFall wollen wir recht vorsichtig seinund vor allem folgsam gegenüberallen Vorschriften, die Sie uns ma-chen.“115

Martin Oberhofer bei Strahlenschutz-instruktionen

Minister Strauß zu Besuch auf der Reaktorbrücke

Blick auf den Reaktorkern bei 2,5 MW thermi-scher Leistung. Im blauen Licht der Cerenkov-

Strahlung erkennt man schemenhaft die Strahlrohre unterschiedlicher Geometrie

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Reaktionen der Öffentlichkeit zum FRM

Der Forschungsreaktor Garchingwurde in der Öffentlichkeit miteiner Mischung aus Euphorie undSkepsis aufgenommen. Einerseitswaren der Bevölkerung die fürch-terlichen Auswirkungen der Atom-bomben noch frisch im Gedächt-nis. Mitte der fünfziger Jahre for-mierte sich in Deutschland und an-deren europäischen Staaten einebreite Bewegung gegen atomareWaffen. Andererseits setzte mangroße Hoffnungen in die segens-reichen Wirkungen einer friedli-chen Erforschung und Nutzungder Atomkraft. Eine Umfrage desAllensbacher Institutes für Demo-skopie ermittelte im Jahr 1955 eineZustimmung von 53% zur deut-schen Atomforschung. Nur 25%äußerten sich ablehnend. Auf dieFrage, in wessen Verantwortungdie deutsche Atomforschung ste-hen sollte, sprachen sich nur 18%für einen deutschen Alleingangaus; hingegen bevorzugten 51%der Befragten eine gemeinsameForschung mit anderen Staaten.116

Vor Ort gab es bei den künftigenNachbarn eines Atomreaktors da-mals wie heute Befürchtungen undÄngste. Doch Zuversicht und Stolzüberwogen in der Regel. In derPlanungsphase des Karlsruher Re-aktors erbrachte eine ebenfalls1955 durchgeführte EMNID-Um-frage unter ausgewählten Bürgernder Stadt eine Zustimmung von 43Prozent für das Vorhaben. Häufig-ste Begründung war, daß das Pro-jekt einen „Gewinn für die Stadt“darstelle. 34 Prozent hatten keineMeinung, nur 23 Prozent sprachensich dagegen aus. Letztere befürch-teten vor allem allgemeine Gefah-ren bzw. Gefahren im Kriegsfall.117

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Die Bezeichnungen „Reaktor“ oder„Kraftwerk“ hatten sich damalsübrigens noch nicht durchgesetzt.Viele verschiedene Namen warenin der ersten Hälfte der fünfzigerJahre noch im Umlauf: „Uranbren-ner“, „Uranofen“, „Uranmaschine“,„Atommeiler“, „Atomgenerator“,„Pile“. Die Vielzahl der Bezeich-nungen spiegelte eine gewisseVerunsicherung wider, wie siezunächst unter der Bevölkerungverbreitet war. So meinte die Eich-städter Volkszeitung im August1955: „Die weiß-blauen Staatsbür-ger aber schwanken, wenn sievom künftigen Atom-Meiler undvon Versuchsreaktoren reden, zwi-schen Angst, Stolz und Gleichgül-tigkeit. Vom Atom wissen sie leiderschon zu Schreckliches, von sei-nen friedlichen Möglichkeiten zuwenig.“118 Der verantwortlicheStaatssekretär im Wirtschaftsmini-sterium, Guthsmuths, klagte: „InKarlsruhe nimmt man den Baueines großen Atommeilers ruhigzur Kenntnis, bei uns gibt eswegen dieses kleinen Dinges soein Theater!“119

Die deutschen Physiker bemühtensich denn auch darum, immer wie-der den großen Unterschied zwi-schen militärischer und zivilerAtomforschung zu betonen. Sohatte Professor Dr. Werner Heisen-berg 1952 geschrieben: „Wir dür-fen nicht wie bisher bei dem WortAtom uns immer gleich die Bom-ben in den Sinn kommen lassen.Man muß sich vielmehr klar ma-chen, daß zwischen einemAtommeiler für radioaktive Produk-te und einer Atombombenfabrik

ungefähr der gleiche Unterschiedbesteht, wie zwischen einer Peni-cillinfabrik und einer Giftgasfa-brik.“120 Mitte November 1953warb Professor Dr. Werner Heisen-berg in einem Vortrag in Münchenfür das Reaktorprojekt und beton-te, „daß diese sog. Reaktoranlagefür Atomforschung mit Atombom-benproduktion nichts zu tunhat.“121 Das bayerische Staatsmi-nisterium für Wirtschaft und Ver-kehr konnte denn auch zum Jahre-sende 1953 zufrieden feststellen,daß die Pläne zu „keinerlei Beun-ruhigung in der Bevölkerung“ ge-führt hatten.122

In den örtlichen Zeitungen ent-spann sich eine vergleichsweisebegrenzte Leserbriefkontroverse.Die wesentlich größere Zahl vonBefürwortern des Projektes - einestatistische Befragung im RaumMünchen fehlt leider - trennte zwi-schen militärischer und friedlicherNutzung und hob die wirtschaftli-chen und wissenschaftlichen Vor-teile eines Versuchsreaktors fürden Standort wie für die Bundes-republik, hervor.

Grundlegend ablehnende Stimmenwie der im folgenden zitierte Le-

Telegramm der Studenten an Ministerpräsident Hoegner

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serbrief eines Ingenieurs aus Mün-chen-Neuaubing aus dem Jahr1954 waren hingegen die Ausnah-me: „Gegen die Errichtung einesAtommeilers in München oder beiMünchen protestierte ich mit allemNachdruck und erwarte von min-destens 500000 Münchnern, daßsie sich diesem Protest ansch-ließen. Zugegeben, daß derAtommeiler an und für sich harm-los ist, wenigstens zunächst, aberwas sich daraus mit der Zeit ent-wickelt, kann man sich denken.Wenn man schon unbedingtglaubt, ohne Atommeiler nichtauskommen zu können, dann ineine unbewohnte Gegend, wonicht fast eine Million Menschengefährdet werden kann.“123

Bei der kleineren Zahl der Skepti-ker klingt immer wieder das be-fürchtete Risiko eines militärischenMißbrauches des Reaktors an. Fürdie Seriosität des Projektes bürgtejedoch der Name des Verantwortli-chen Leiters der Reaktorstation,Professor Dr. Maier-Leibnitz. AlsMitglied einschlägiger Kommissio-nen war er mit entsprechenden mi-litärischen Planspielen vertraut undhatte schon früh aus seiner ableh-nenden Haltung keinen Hehl ge-macht. Am 12. April 1957 hatte erzusammen mit 17 weiteren deut-schen Professoren, darunter demMünchner Physiker Walter Gerlach,die „Göttinger Erklärung“ gegeneine atomare Bewaffnung der Bun-deswehr unterzeichnet und erklärt,sich an der Herstellung, der Erpro-bung und dem Einsatz von Atom-waffen in keiner Weise zu beteili-gen.124 Stets war er auch daraufbedacht, den Reaktor als „durch-aus unmilitärisches und nicht ge-

heimes Objekt“ zu präsentieren.125

Zur Vertrauensbildung bei der Be-völkerung trug auch seine Strate-gie bei, „alles, was wir falsch ge-macht haben, sofort zu veröffentli-chen. So konnte uns niemand ent-larven.“126

Aus wissenschaftlichen, aber auchaus psychologischen Gründenwurde eine breit angelegte Umge-bungsüberwachung (Grundwasser,Oberflächenwasser, Staub und Re-genniederschläge) durchgeführt.Der TÜV empfahl 1963 deren weit-gehende Einschränkung, was denreibungslosen Betrieb und die ge-schwundenen Ängste der Öffent-lichkeit widerspiegelt.

Auch die Studenten begrüßten dieAnlage des Forschungsreaktors.Wilhelm Joesch, der 1. Vorsitzen-de des AStA, sandte am 18. No-vember 1955 ein folgendes Tele-gramm an Ministerpräsident Dr.Hoegner: „In die verstaendlicheFreude mischt sich bei den Stu-denten die noch groessere Be-stuerzung ueber die Absicht denMeiler auf dem ohnehin knapp be-messenen Gelaende des Hoch-schulsportplatzes zu errichten“.127

Sie waren dem Gerücht aufgeses-sen, daß der Reaktor am Standortdes Max-Planck-Institutes beimAumeister angelegt würde. Auchdas Max-Planck-Institut bean-spruchte übrigens nur einen klei-nen Teil des Universitätsgeländes,so daß der Sportplatz bis heute er-halten blieb.

Von den politischen Parteienmachten lediglich die Bayernparteiund die KPD gegen den ReaktorFront. Der Vorsitzende der Bayern-

partei, Josef Baumgartner, wetter-te gegen eine mögliche radioaktiveVerseuchung Münchens und for-derte dazu auf, den „gefährlichenReaktor“ bei den Preußen in Bonnoder Berlin zu bauen. Auch dieKPD sah im Münchner Stadtrat indem Reaktor „eine ungeheure Ge-fahr für die 800000 EinwohnerMünchens“. Die friedliche Nutzungder Atomkernkraft könne man erstangehen, wenn Deutschland „wirk-lich ein neutrales friedliches Land“sei.128

Doch SPD, CSU, und andere Frak-tionen stützten im Stadtrat dasProjekt. Wiederaufbaureferent Fischer machte deutlich, daß der„Liliput-Meiler“ auch bei bösestemWillen nicht zu einer „Atombom-benfabrik“ tauge. Sein Schlußap-pell verhallte nicht ungehört: „Wirdürfen nicht immer den Kriegsehen, sondern auch den mensch-lichen Fortschritt! Wollen wir aufewig in unserer königlich-bayeri-schen Ruhe verharren?“129 Bei nur11 Gegenstimmen von BP, KPDund einem Stadtrat einer Splitter-gruppe wurde das Reaktorprojektam 16. Februar 1954 mit breiterMehrheit beschlossen. BeimRichtfest am 12. Januar 1957meinte der Münchner Oberbürger-meister Thomas Wimmer (SPD) zuseinem Garchinger Amtskollegen:„Der Meiler, des werd a saubereSache, da ham’s mir ja was Schö-nes weggeschnappt.“130

Aufbruchstimmung herrschte inGarching vor. Die Bürger erwarte-ten sich einen wirtschaftlichen Auf-schwung für die Gemeinde, Kritikwurde kaum hörbar. Vor der Inbe-triebnahme des Reaktors zitierte

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der Münchner Merkur den BauernSepp H. mit den Worten: „Washeißt da aufregend (...). Uns regt’smehr auf, daß der Garchinger Wirtfür’s Bier 45 Pfennig verlangt. An-derswo kostet’s immer noch40.“131 Auch die katholische Kir-che hatte keine Bedenken. DerOrtspfarrer nannte die Atomener-gie „ein Geschenk Gottes“132 undfragte lediglich an, wie groß diefreizuhaltende Fläche im Umkreisdes Reaktors sein werde, um dieseelsorgerische Planung entspre-chend ausrichten zu können.133

Der langjährige Erste Bürgermei-ster Josef Amon (CSU) stand vollund ganz hinter dem Projekt. Ineiner außerordentlichen Gemein-deratssitzung vom 16. Januar1956 wurde einstimmig beschlos-sen, daß Garching eine Fläche fürden Atommeiler in einem Ausmaßvon 7,390 ha abtritt.134 Zusammenmit Vertretern der Landesbehördenund der Stadt München fuhr Bür-germeister Amon im Oktober 1956in die Schweiz, um verschiedeneim Bau befindliche Nuklearanlagenzu besichtigen: das Kernfor-schungszentrum CERN bei Genfund den Forschungsreaktor inWürenlingen bei Zürich. Bei letzte-rem handelte es sich um einenebenfalls aus den USA gelieferten„Swimming pool“-Reaktor; er ent-sprach weitgehend dem MünchnerReaktortyp und war wie dieser füreine Nennleistung von 1 MW aus-gelegt.135 Nach seiner Rückkehrbestätigte Bürgermeister Amonnoch einmal, „daß irgendwelcheschwerwiegenden Nachteile fürdie Gemeinde durch die Errichtungeines Atomreaktors in Garchingnicht gegeben sind.“136

Stolz nahm Garching 1967 die Sil-houette der Reaktorhalle in dasneue Gemeindewappen auf.

Im ersten Halbjahr 1957 nahm dereiförmige Reaktorbau allmählichGestalt an und wurde schnell zueinem weit sichtbaren Wahrzei-chen und zu einem überregionalenSymbol für Forschung schlecht-hin.137

Seine Form hatte Professor Dr.Weber von den Zeiss-Planetarienabgeleitet: Die 30 m hohe, alumini-umverkleidete Halle mit einerGrundfläche von 30 m Durchmes-ser war in der ansprechendenForm eines Ellipsoids (halbes Ei)ausgeführt. Man hatte ästheti-schen Erwägungen den Vorzug vorbetrieblichen Rücksichten gege-ben, denn der Kran konnte dieRandzone der Kuppel nicht errei-chen. Professor Dr. Maier-Leibnitzhatte ursprünglich auf Vorschlagseines Vaters eine Halle mit ge-wölbtem Dach, beruhend auf demVorbild der Luftschiffhallen, einge-bracht.138

Der griffige Name „Atom-Ei“ führtesicherlich zur Popularität der Anla-ge. Beim Richtfest am 11. Januar1957 war der Begriff in vielenReden verwendet worden - derRektor der TH, Professor ErnstSchmidt, nannte das „Atom-Ei“ gardas „zweite Ei des Kolumbus“.139

In der lokalen und auswärtigenPresse wurde der Begriff begei-stert aufgegriffen und setzte sich„blitzschnell“140 durch.

Je mehr sich das Projekt seinerFertigstellung näherte, desto mehrverstummten die kritischen Stim-men. Rückschauend erinnerte sichProfessor Dr. Heinz Maier-Leibnitzanläßlich des 25jährigen Reaktor-jubiläums: „Öffentliche Aufregunggab es damals nicht. Die Zeit derOstermarschierer und Kernkraft-Stürmer war noch nicht gekom-men. Es war im Gegensatz dieZeit, als die Atomkraft freudig be-grüßt wurde.“141

Der neue Reaktor stieß auf großesInteresse in der Öffentlichkeit. Aneinem Tag der offenen Tür wurdeneinige tausend Besucher gezählt;für Laien fanden derartige Führun-gen außerhalb der Reaktorbe-triebszeiten (Montag-Freitagabends, Samstag) statt.142

Wappen der Stadt Garching

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Die Erwartungen in die atomareForschung und Energie hatten bis-weilen skurrile Formen angenom-men. So wurde 1956 ein Schwei-zer wegen Betruges zu über 20000Schweizer Franken Geldstrafe ver-urteilt. Er hatte große Gewinne miteiner „atomgetriebenen Pommes-Frites-Maschine“ gemacht.143

Professor Dr. Heinz Maier-Leibnitzerhielt 1958 den Brief eines Che-mieingenieurs, der ihn aufforderte,die mächtigen Atomstrahlen in sei-nem Reaktor auch zur Bekämp-fung von Gespenstererscheinun-gen einzusetzen.144 Doch auch ir-rationale Ängste waren noch nichtausgeräumt: So wurde einem jun-gen Mitarbeiter in der Umgebungdie Wohnung wieder gekündigt, dader Vermieter Atomstrahlen be-fürchtete.

Eine großangelegte Atomdebattesetzte erst in den siebziger Jahrenein. Als Wendepunkt kann manden Bau des KernkraftwerkesWyhl in Baden ansetzen, wo es inden Jahren 1975/76 erstmals zuheftigen, teilweise auch gewalttäti-gen Protesten kam. VerschiedeneReaktorunfälle in den siebzigerund achtziger Jahren (Harrisburg,Tschernobyl), das Auftreten derAtommüll-Problematik und die Ge-fahr der Proliferation sicherheitsre-levanter Atomtechnik in die DritteWelt taten ein übriges. Auch der imVergleich zu einem kommerziellenLeistungsreaktor kleine GarchingerForschungsreaktor blieb von Pro-testen nicht verschont.

Bereits der Widerstand gegen denschließlich nicht realisierten Baueines Protonen-Großbeschleuni-gers auf einem Viertel der Flächedes unter Landschaftsschutz ste-henden Ebersberger Forstes inden Jahren 1963/64 hatte gezeigt,daß bei einem Teil der Bevölkerungin der Region München eine tech-nik- und forschungskritische Hal-tung auf dem Vormarsch war.

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Die ersten Betriebsjahre

Beschreibung des Reaktors und seiner Sicherheitseinrich-tungen145

Das Reaktorgebäude hat die Formeines halben Rotationsellipsoidsmit einer Höhe von 30 Metern undeinem ebenso großen Durchmes-ser. Diese Form wurde rasch zummarkanten Wahrzeichen und hatspäter Symbolcharakter für dieForschung auf dem ganzen Gar-chinger Campus erworben. Außenist das Gebäude mit Aluminiumverkleidet. Innerhalb der Reaktor-halle steht das nach oben offeneReaktorbecken, das für einen„Schwimmbadreaktor“ typisch ist.Der Reaktorkern hängt an einerGitterkonstruktion 7,5 Meter unterWasser und wird zu allen Seitenhin durch 1,2 Meter Wasser und 2Meter dicke Schwerbetonwändeabgeschirmt.

Die Funktion des Kernreaktors be-ruht auf dem Prinzip von Kernspal-tung und Kettenreaktion. Dabeiwerden Atomkerne des Uraniso-tops der Massenzahl 235 durchden Einfang langsamer Neutronenin Bruchstücke gespalten. Gleich-zeitig werden pro Spaltung zweioder drei schnelle Neutronen frei,die ihrerseits wieder im Moderator(Wasser) abgebremst werden müssen, um neue Kernspaltungeninduzieren zu können. Durch daskontrollierte Einschieben von Ab-sorberstäben wird diese „Ketten-reaktion“ so geregelt, daß die Zahlder Kernspaltungen pro Sekundeimmer gleich bleibt.

Der erste Brennelementsatz besaßeinen Anreicherungsgrad desspaltbaren Uranisotops der Mas-senzahl 235 von ca. 20% (im Natururan ist diese Isotop zu 0,7%enthalten). Ab 1960 erfolgte eineUmstellung auf eine 90%ige Anrei-cherung, was zu dieser Zeit derStandardausführung entsprach.Dieses Uran ist in den Brennstoff-platten der Brennelemente zusam-men mit Aluminium dicht einge-walzt, so daß alle radioaktivenSpaltprodukte im Innern festgehal-

ten werden. Das Ausgangsmaterialwird aus den USA bezogen undunterliegt durch die Euratom-behörde in Luxemburg und die in-ternationale Atomenergiebehördein Wien einer strengen Kontrolle.

Zu Beginn waren alle Brennele-mente neu, so daß man mit 3,2 kg235U auskam. Im Rahmen des spä-teren routinemäßigen Betriebswurden nur die am stärksten abge-brannten Brennelemente gewech-selt und frische Brennelemente zu-geladen. 1982 wurde der Reaktor-kern verändert. Er bestand nunaus 23 Brennelementen mit einemgesamten Gehalt von ca. 3,5 kg235U. Hinzu kamen Reflektorele-mente, die dazu dienten, den Neu-tronenpegel auf die Uranzone zukonzentrieren. Die Leistungsstei-gerung von 1 MW über 2,5 MW auf4 MW wurde 1968 vollzogen.

Reaktor mit Wetterturm

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Um den Reaktor zu starten, wer-den die Trimmstäbe langsam ausdem Reaktorkern herausgezogen.Nach etwa einer halben Stunde istdie volle Reaktorleistung erreicht.Durch eine Vielzahl von Verriege-lungen und Grenzwerten ist sicher-gestellt, daß der Reaktor nur „ge-fahren“ werden kann, wenn alleBetriebswerte wie Leistung, Was-sertemperatur und Strahlungspe-gel im normalen Bereich liegen.Die Steuerung und Kontrolle desReaktors und seiner Nebeneinrich-tungen erfolgt von der Leitwarteaus, die sich auf der Reaktorplatt-form befindet. Das Überschreitenvorgegebener Grenzwerte führt zurautomatischen Schnellabschal-tung. Dabei löst sich eine Magnet-kupplung und die Trimmstäbe fal-len durch ihr Eigengewicht in Se-kundenbruchteilen in den Kern.

Bei einem Forschungsreaktor wer-den die bei der Kernspaltung frei-gesetzten Neutronen genutzt. AmFRM sind dazu 10 Strahlrohre in-stalliert, die die Neutronen durchdas Beckenwasser und dieBeckenwand nach außen zu denExperimenten führen. Darüber hin-

aus stehen eine Vielzahl von senk-rechten Bestrahlungskanälen inund dicht an der Uranzone zur Ver-fügung.

Um die gleichzeitig bei der Kern-spaltung entstehende Wärme ab-zuführen, wird Beckenwasser vonoben nach unten längs der Brenn-stoffplatten abgesaugt. Das er-wärmte Wasser strömt durch einenWärmetauscher im Keller und gibtdort sein Wärme an ein sekundä-res Kühlwasser ab. Während dasPrimärwasser wieder zum Reak-torbecken zurück fließt, strömt dasSekundärwasser über ein Zwi-schenbecken mit Kontrollmeßstel-le in die Isar. Primär- und Sekun-därwasser kommen an keiner Stel-le in Berührung. Dies wird perma-nent durch Meßeinrichtungen kon-trolliert. Das Wasser im Reaktor-becken enthält nur sehr wenige ra-dioaktive Verunreinigungen, weilSchwebeteilchen und gelösteStoffe ständig in einer Reinigungs-anlage entfernt werden.

Das Reaktorbecken läßt sich durchein Aluminiumtor in zwei Hälftenunterteilen. Der Reaktorturm kannin beide Becken gefahren werden,so daß es möglich ist, auf jeweilseiner Seite das Wasser abzupum-pen und an die dort installiertenEinrichtungen heranzukommen.Ganz allgemein ist der FRM durchsein einfaches Konzept, sein offe-nes Reaktorbecken und die leichteZugänglichkeit zu allen wesentli-chen Einrichtungen über all dieJahre ein flexibles und bewährtesInstrument gewesen.

Durch seine Zugehörigkeit zurTechnischen Universität Münchennimmt der FRM eine Sonderstel-lung ein. Von Anfang an wurde die

Urkunde zur Inbetriebnahme der Reaktorstation(Auszug)

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Schnittzeichnung durch das Reaktorbecken

1 Brennelementzone

2 Strahlrohre

3 Tor zum Trennen der Reaktorbeckenteile

4 Reaktorbrücke

5 Pumpenraum mit Wärmetauscher

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wissenschaftliche Leitung voneinem der experimentellen Lehr-stühle der Fakultät für Physikwahrgenommen. Anfangs war diesdas Laboratorium für technischePhysik, das später ein Teilinstitut des Physik-Departments wurde.

Erfolgreicher Betrieb eines Atomreaktors

Neben einer umfangreichen For-schungstätigkeit stehen vier Jahr-zehnte unfallfreien Reaktorbetrie-bes. An den Forschungsreaktorwurden von den Wissenschaftlernstets hohe Anforderungen gestellt.Die verschiedenartigsten Experi-mente erforderten eine flexible An-lagentechnik und große Fähigkei-ten des Betriebspersonals.

Das Zusammenwirken von allenBeteiligten, den Wissenschaftlern,der Betriebsmannschaft und denAufsichtsbeamten funktionierteeinwandfrei. Die Sicherheit desReaktors hatte immer Priorität. Eswar ein großes Verdienst aller Be-teiligten, daß nicht ein einzigessinnvolles Experiment aus Sicher-heitsgründen abgelehnt oder un-möglich gemacht werden mußte.

Jeder Mitarbeiter der Betriebs-mannschaft war sich seiner eige-nen Verantwortung bewußt. SeinWissen und sein Können, seineÜbersicht und seine Zuverlässig-keit waren die Garanten für den sicheren Betrieb. Dienlich wareneinschlägige Arbeitsvorschriften,die laufend angepaßt wurden. Diebehördlichen Auflagen und Forde-rungen des ersten Genehmigungs-

Konstruktions- und Betriebsdaten (1957)

Brennstoff: 20 % angereichertes 235U, (3,18 kg 235U)Leistung 1 Megawatt (Wärme)Brennstoffelemente UAl4 + Al-Legierung Gitter 54 Löcher in einem 6 x 9 Raster angeordnetFlußdichte 6,6 x 1012 n/cm2 sec. (Durchschnitt)Moderator H2OReflektor H2O (ab 1982 Beryllium)Abschirmung H2O, Blei, Barytbeton und NormalbetonKühlsystem Primäres System - Wärmeaustauscher -

Sekundäres System - Brunnenwasser Wasserreinigung Laufende Entsalzung eines Teils des primären

Systems an der PooloberflächeKontrolle Borkarbid-Sicherheitsstäbe, Regelstäbe

aus rostfreiem StahlExperimentelle Sechs 6-Zoll StrahlrohreEinrichtungen: ein quadratisches 12-Zoll Strahlrohr

ein durchgehendes 4-Zoll Rohrzwei schräg angeordnete Strahlrohreeine thermische Säule, 4x4 Fuß

bescheides haben dieses Systemder Eigenverantwortung gestütztund gerechtfertigt. Sie sichertenden Vollzug des Bundesatomge-setzes (Dezember 1959) und derjeweiligen Strahlenschutzverord-nung. Außerbetriebliche Überprü-fungen wurden von Fachleutendes TÜV Bayern durchgeführt.

In der ersten Jahreshälfte 1958wurden umfassende Messungenund Untersuchungen bei niedrigerLeistung durchgeführt und daskünftige Personal ausgebildet. Am10./11. Juli 1958 konnte die ersteOperateurprüfung stattfinden, dievom Leiter der Reaktorstation, Dr.Pollermann, abgenommen wurde.10 Prüflinge, darunter fünf Opera-teure, drei Wissenschaftler undzwei Gäste (ein Mitarbeiter desBayernwerkes und ein italieni-

scher Atomphysiker), unterzogensich erfolgreich der theoretischenund praktischen Prüfung. Sie er-hielten den begehrten „Atom-Füh-rerschein“, der nur in GarchingGültigkeit hatte, da jeder Reaktorandere Betriebsbedingungen auf-weist. Die künftigen Operateurehatte Dr. Pollermann aus zweiDutzend Bewerbern ausge-sucht.146 Im Juli wurde auch erst-mals die Nennleistung von 1 MWgefahren.

Zuverlässigkeit

In Garching herrschte eine glückli-che Situation. Das Personal konn-te an Ort und Stelle ausgebildetwerden. Viele Mitarbeiter stamm-ten aus der Umgebung, da die

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Technische Hochschule anfangs inder Region warb und heimischeBewerber bevorzugte. Den Be-wohnern des relativ armen Erdin-ger Mooses sollten neue Arbeits-plätze angeboten werden. Im Ge-gensatz zu anderen Reaktorstatio-nen legte man nicht so sehr aufmöglichst hohe akademische Ab-schlüsse, sondern auch aufmenschliche Qualitäten Wert, undführte in vielen Fällen das Personalselbst zur beruflichen Qualifikation.Techniker, Handwerker und Lkw-Fahrer, mitunter mit Hauptschulab-schluß, wurden in Reaktorphysikund Strahlenschutz unterrichtetund legten erfolgreich die Opera-teurprüfung ab. Manche brachtenes zum Schichtleiter. Einige konn-ten sogar erfolgreich die Ingenieur-sprüfung ablegen. Das Personalzeichnete sich durch große Zuver-lässigkeit, Korpsgeist undlangjährige Treue zum Arbeitgeberaus.

In den ersten Jahren des Garchin-ger Reaktors nützten auch anderekünftige Reaktorbetreiber dieMöglichkeit, ihr Personal in Gar-ching auszubilden. Es ergab sichzwangsläufig, daß auch in denAufsichtsbehörden und beim TÜVin den sechziger und siebzigerJahren nicht selten Fachkräftetätig waren, die in Garching ausge-bildet waren. Erster Leiter der Re-aktorstation war Professor Dr. MaxPollermann, der im Oktober 1960von Dr. Lothar Koester abgelöst

wurde. Zu Beginn des ersten Be-triebsjahres 1958 arbeiteten 20Mitarbeiter in der Reaktorstation.Mitte der sechziger Jahre waren esbereits rund 60, ergänzt durch andie 250 Experimentatoren. ImHerbst 1958 bestand das Personalaus folgenden Mitarbeitern:147

Bis heute gliedert sich der Reak-torbetrieb in drei Abteilungen auf:

• Betriebsabteilung mit Elektronik-gruppe,

• Projektabteilung mit Bestrah-lungsgruppe,

• Strahlenschutzabteilung.

Dr. Max Pollermann, Technischer Direktor von 1957 bis 1960

Prof. Dr. Lothar Koester, Technischer Direktor von 1960 bis 1987

Betriebsleitung

1 Direktor1 Direktor-Stellvertreter2 Strahlenschutz-

physiker1 Elektroingenieur1 Chemiker1 Physiker für Unter-

suchungen inwasserrechtlichen Verfahren

Techniker

1 Mechaniker2 Schlosser1 Tischler1 Maurer1 Elektriker2 Hilfsarbeiter

Verwaltung

1 Sekretärin1 Hausmeister2 Kraftfahrer4 Wachleute1 Heizer 4 Putzfrauen10 Operateure1 Laborant1 Chemotechniker1 Konstrukteur

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Die Reaktortechniker werden inder Operateurgruppe der Betriebs-abteilung zusammengefaßt. DerGruppenleiter trägt die Verantwor-tung für die sichere Bedienung desReaktors. Er teilt den Schicht-dienst ein und koordiniert die Ar-beiten der Operateurgruppe unddes Technischen Dienstes. Insbe-sondere obliegt ihm die Beaufsich-tigung und Kontrolle der Brenn-stoffelemente, des Reaktor-beckens und der Regelstabinstru-mentierung.

Zum Schichtpersonal gehören derSchichtleiter und der Reaktorope-rateur. Der Schichtleiter führt dieSchicht gemäß den Anweisungendes Betriebsprogrammes und derVorschriften. Er trägt die Verant-wortung für Betriebs- und Strah-lensicherheit.

Der Operateur steuert den Reaktorgemäß den Betriebsvorschriftenund trägt Meßwerte etc. in dasLogbuch ein. Jederzeit muß er denBetriebszustand übersehen undbei Auftreten von Unregelmäßig-keiten den Reaktor abschalten.

Die verbindlichen Grundlagen desReaktorbetriebes sind die Betrieb-sanweisung und die Betriebsord-nung. Ein Sicherheitsbeirat wachtüber die sicherheitstechnischenFragen grundsätzlicher Art undberät den Leiter der Reaktorstati-on. Vor wesentlichen Änderungenin der Betriebsweise, in der Nut-zung des Reaktors sowie an kern-nahen Einbauten ist er zu befra-gen. Dieser wichtigen Institutionobliegt die Kontrolle über die Ex-perimente, womit die Freiheit derForschung gewährleistet ist. Dieersten Mitglieder waren ProfessorDr. Maier-Leibnitz, Professor Dr.Pollermann, Professor Dr. Riehl,

Professor Dr. Born, Dr. Koester,Dipl. Phys. Oberhofer, OperateurMayer, Dr. Pohl von der Aufsichts-behörde sowie gastweise der me-dizinische Sachverständige Dr.Wittenzeller.148 Darüber hinauswurden alle Experimentiereinrich-tungen und Versuchsabläufe untersicherheitstechnischen Aspektenfrühzeitig von der Betriebsgruppegeprüft und dokumentiert und erstnach eventuell notwendigen Ver-besserungen freigegeben. Die Auf-sichtsbehörde beschränkt sich aufdie Überprüfung des Reaktorbe-triebes.

Zwischen Juli 1958 und Februar1959 wurden die Neutronen-flußverteilung, die Reaktivitätsko-effizienten und sonstigen Reaktor-konstanten gemessen. Es erfolgtedie kalorimetrische Leistungskali-brierung, d.h. die Einstellung derAnzeigewerte. Änderungen und Strahlenschutzelektronik in der

Reaktorschleuse

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Verbesserungen an der Instrumen-tierung für den Dauerbetrieb wur-den durchgeführt. Gleichzeitig wur-den das Strahlungsfeld in der Re-aktorhalle ausgemessen und dieAbschirmung überprüft. Das Perso-nal arbeitete von 1959 bis Septem-ber 1960 im Ein-Schicht-Betrieb.

Wie bei jeder neuen Anlage gab esam Anfang Schwierigkeiten, z.B.mit der Elektronik (damals noch inRöhrenbauweise). Nachbesserun-gen durch die Herstellerfirma wur-den erbracht. Die Betriebsgruppelernte rasch mit der neuen Technikumzugehen. Sicherheitsbedenkenrangierten stets an erster Stelle. ZuStörfällen kam es nicht.

Ab Januar 1958 waren Verfahrenfür Experimente entwickelt, dieEinrichtungen zur Bestrahlung vonProben überprüften und sonstigeEinrichtungen für den Experimen-tierbetrieb erprobten. Für denkünftigen Experimentierbetriebwurden im Laufe des Jahres nochverschiedene Änderungen undVerbesserungen an den Instru-menten vorgenommen. Im Novem-ber 1958 konnten die ersten wis-senschaftlichen Arbeiten begin-nen. Bis zum September 1960wurden 2380 MWh freigesetzt und124 g Uran (235U) verbraucht.

Im September und Oktober 1960wurde der Reaktor abgeschaltet,um einen neuen Satz Brennele-mente einzubauen. Auch wurdender Hauptwärmeaustauscher er-setzt, die Ionenaustauschanlageerweitert und verbessert.

Zwei neue Brennelementsätze wur-den von der Davidson ChemicalCompany, Erwin/Tennessee, USA,gekauft. Nun verwendete man alsBrennstoff auf 90% angereichertes235U; in den Brennelementplattenwar es in Aluminium fest einge-walzt. Auch mit diesen Brennele-menten war man nicht sehr zufrie-den. Erst beim nächsten, inDeutschland hergestellten Satzwar alles in Ordnung.

Der zweite Reaktorkern wurde am7. Oktober 1960 aufgebaut. DieZahl der Betriebsstunden, Experi-mente und Bestrahlungen erhöhtesich danach stark, und man gingauf einen Zwei-Schicht-Betriebüber. Bis zum 1. September 1962

wurden 4100 MWh erzeugt und214 g Uran (235U) abgebrannt. Diebetriebliche Nutzung verdeutlichtdie Grafik auf Seite 56.

Der Routinebetrieb lief reibungs-los. Sicherheitsprobleme gab eskeine - Gerüchte über angeblich„100 undichte Stellen“, die Ende1959 in der Presse hochgespieltworden waren und auch denBayerischen Landtag beschäftigthatten, erwiesen sich als „Ente“.Professor Dr. Maier-Leibnitz teilteder Abgeordneten Maria Günzl(SPD) mit, „daß der Betrieb unse-res Reaktors zu keiner irgendwiegearteten Beanstandung Anlaßgibt.“149 Penibel wurden die Aus-wirkung der Strahlung auf die Um-gebung wie die Strahlenexpositiondes Betriebspersonales über-wacht. Die Mitarbeiter wurdeneiner Strahlendosis von höchstenseinem Zehntel der zulässigenWerte ausgesetzt; in der ganzenGeschichte des Forschungsreak-tors erreichte sie nicht das zulässi-ge Maß. Ein Gesundheitsphysikerwar und ist ständig am Atom-Eitätig und besitzt faktisch ein Veto-recht.150

Gemessen am heutigen Standardwaren betriebliche Schwierigkeitenwegen kleiner Mängel der geliefer-ten Anlage relativ häufig. Alle lern-ten schnell aus den Fehlern; in derFolgezeit sank die Zahl auftreten-der Probleme deutlich. Die theore-tische Vorbereitung der Studentenund wissenschaftlichen Mitarbeiterwurde ausgeweitet. Vor ihren eige-nen Versuchen hospitierten sie

Am Schaltpult Hubert Mayer, einer der ersten Schichtleiter am FRM

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einige Tage bei der Betriebs- undbei der Strahlenschutzgruppe. BeiExperimenten wurde ein Strahlen-schutztechniker hinzugezogen. Ab1961 wurden Experimente durchvorherige schriftliche Anmeldungkoordiniert und dokumentiert.

Recht häufig war es zunächst zuautomatischen Abschaltungen(„Scram“) gekommen. Die Ursa-chen waren zumeist harmloser Art:Störspannungen oder Fehler anden elektronischen Geräten. Letz-tere wurden deswegen konstruktivverändert oder neu entwickelt.Eine sicherheitsrelevante Abschal-tung aufgrund zu schnellen Lei-stungsanstieges („Periodenab-schaltung“) kam nur einmal vor.Die Sicherheitseinrichtungenhaben dabei tadellos funktioniert.

Der TÜV äußerte im Jahr 1962 an-erkennend, daß sich die für die Re-aktoranlage getroffenen Sicher-heitsmaßnahmen im allgemeinenbewährt hätten. Viele der internenPrüfungs- und Überwachungs-maßnahmen am FRM hätten ande-ren Reaktorstationen als Vorbildgedient.

Bei der Generalüberholung 1962wurde auch eine Tieftemperatur-Bestrahlungsanlage mit flüssigemHelium eingebaut. Danach stiegdie Zahl der Betriebsstunden undExperimente stark an, und manging zum Drei-Schicht-Betriebüber.

Im September 1966 erfolgte eineLeistungsanhebung auf 2,5 MW,im Mai 1968 eine nochmalige An-hebung auf 4 MW. Dadurch solltedie Flußdichte der Neutronen er-höht werden, was aussagekräfti-gere Messungen ermöglichte. Im

Jahr 1982 wurden schließlich derReaktorkern mit Reflektorelemen-ten aus Beryllium umgeben unddadurch eine thermische Neutro-nenflußdichte von 8·1013 n/cm2s imBereich der Uranzone erreicht. Seit1960 hatte die Betriebsmannschaftbei notwendigen Änderungen derAnlage und beim Ersatz defekterTeile eine Aufrüstung mit dem Zielvorgenommen, eine höhere Lei-stung zu erreichen. Es spricht fürden Einsatz und die Tüchtigkeit derReaktortechniker, daß diese Maß-nahmen ohne besondere Kostenmöglich waren. Alle notwendigenreaktorphysikalischen, techni-schen und radiologischen Berech-nungen wurden von der Reaktor-gruppe durchgeführt. Sie erstellteden notwendigen Sicherheitsbe-richt und holte die Betriebsgeneh-migung ein.

Jahresbilanz an Betriebsstunden und Schnellab-schaltungen von 1958 bis 1972

Jahresbilanz von neuen Experimenten und Probenbestrahlungen von 1958 bis 1972

Aufbau der ersten Experimente

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Aufgaben undForschungsschwerpunkte

Das Besondere am GarchingerForschungsreaktor war von An-fang an, daß junge Wissenschaft-ler in enger Anbindung an zweiHochschulen sowie an andere wis-senschaftliche Institute selbstän-dig Forschungen betreiben konn-ten. Im ersten Jahr, 1958, experi-mentierten bereits 100 Wissen-schaftler ganztägig am Reaktor;1962 waren es ca. 210. Sie hattendort hautnahen Kontakt mit mo-dernster Technik und dem Betrieb-spersonal.

Die Hochschule ist ein Ort größt-möglicher Freiheit, der Reaktor einOrt größtmöglicher Ordnung undstrengster Vorschriften. Stets wur-den die erforderlichen Kompromis-se zwischen Wissenschaftlern undBetriebspersonal gefunden. Zugrößeren Differenzen kam es nicht.Meistens fand sich auch eineMöglichkeit, besondere Wünschein die Tat umzusetzen. Die Gar-chinger Bedingungen, die sich voneinem stärker reglementiertenKernforschungszentrum unter-schieden, wirkten befruchtend. InGarching war es überdies von An-fang an Brauch, daß Physiker undChemiker der Betriebsmannschaftwissenschaftlich arbeiten konnten.Von daher kam es zu Synergien.

An Ideenreichtum hat es den be-treuenden Professoren und denjungen Wissenschaftlern nicht ge-

fehlt. Wichtig war, das Wesentlichezu erkennen und in die Tat umzu-setzen. Wie zahlreiche bedeutendeForschungsleistungen bezeugen,ist dies gelungen. Stets war dieAnzahl der Ideen größer als die derumsetzbaren Arbeiten. Somit warstets die Möglichkeit gegeben,sich aus einer Mehrzahl von The-men das attraktivste herauszusu-chen.

Am Garchinger Forschungsreaktorhatten anfangs Kernphysik, Neutro-nenphysik, Festkörperphysik sowieBestrahlungstechnik und Radio-chemie Priorität. Reaktorphysikwurde nur insofern betrieben, wiesie zum Erkenntnisgewinn für denhauseigenen Reaktorbetrieb diente.Vom Betriebsablauf her wären reak-torphysikalische Arbeiten nurungünstig mit dem sonstigen For-schungsprogramm in Einklang zubringen gewesen. Denn hierfürbenötigt man in der Regel eine klei-ne und veränderliche Leistung undeinen flexiblen Reaktorbetrieb.Kern- und Neutronenphysik erfor-dern hingegen eine Neutronenquel-le mit konstanter Nennleistung undmöglichst vielen Neutronen jeFlächen- und Zeiteinheit.

Inspektion eines Strahlrohres durch Prof. Maier-Leibnitz und Dr. Pollermann

Lebensdaten von HeinzMaier-Leibnitz

28. 3.1911 Geb. in Esslingenab 1929 Studium der

Techn. Physikin Stuttgart und Göttingen

1935 Promotion unterProf. Walther Bothe

1943 Habilitation1952 Berufung auf den

Lehrstuhl für Techn. Physik bei der TH München

1956 Auftrag zum Kaufdes FRM (WichtigeRolle in derdeutschen Atom-politik und in zahl-reichen Kommis-sionen und Aus-schüssen)

bis 1967 Wissenschaftlicher Leiter des FRM

1967 Bau des Hoch-flußreaktors (HFR)

1967 - 72 Direktor des deutsch-franzö-sischen Gemein-schaftsinstituts Max von Laue/ Paul Langevinin Grenoble

1974 - 79 Präsident der DeutschenForschungsge-meinschaft (DFG)

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Professor Dr. Maier-Leibnitz unter-stützte den Bau von kommerziel-len Kernkraftwerken und sprachsich für eine eigene deutsche Reaktorentwicklung aus, da er Ex-portchancen für die deutsche In-dustrie sah. So befürwortete er dieErrichtung eines von der Industriefinanzierten Institutes auf dem Re-

aktorgelände, das den For-schungsreaktor für reaktorphysika-lische Untersuchungen nutzenkönnte.151 Dazu kam es in dieserForm nicht. Die Abteilung Reaktor-entwicklung der Firma Siemens inErlangen importierte jedoch 1958einen kleinen Modellreaktor „Argo-naut“ aus den USA und baute ihn

in direkter Nachbarschaft des Gar-chinger Geländes auf einer Außen-station auf.152

Professor Dr. Heinz Maier-Leibnitzförderte auch den Aufbau einerReaktorstudiengruppe an der THMünchen, wie sie Mitte 1956 unterLeitung von Professor Dr. ErnstSchmidt ins Leben gerufen wurde.Doch sollte der Forschungsreaktornach den Vorstellungen von Pro-fessor Dr. Maier-Leibnitz primärder Grundlagenforschung („weilich bei unserem Reaktor extremdie reine Wissenschaft bevor-zuge“153) und Nachwuchsschulungdienen aber kein technisches For-schungsprogramm wie in Karlsru-he betreiben. Auch persönlichwollte er zugunsten von Lehre undForschung sich nicht zu stark imBereich der Leistungsreaktorent-wicklung engagieren. So beab-sichtigte er 1958, sich aus derFachkommission III und dem Ar-beitskreis „Kernreaktoren“ derDeutschen Atomkommissionzurückzuziehen. Auf Bitten vonBundesatomminister Dr. Balke be-hielt er jedoch seinen Sitz, wenn-gleich mit zeitlich reduzierter Mit-arbeit.154

Blick durch die Dachluke auf das Reaktorbeckenund die ersten Experimente

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Mittelbar kamen die GarchingerForschungen aber auch der Kern-technik zugute. So wurden durchdie Neutronenphysik grundlegen-de reaktorphysikalische Erkennt-nisse gewonnen, da Reaktorbau-stoffe wie Uran, Graphit, Stahl etc.unter der Einwirkung von Strahlun-gen Strukturveränderungen erle-ben, die zur Lebenszeitverkürzungvon Baukomponenten führen kön-nen. Vor allem aber trug der For-schungsreaktor dazu bei, selbst-ändig arbeitende Physiker undTechniker auszubilden. Daranmangelte es damals in der Bun-desrepublik Deutschland beson-ders. Ausbildung war neben derForschung der zentrale Punkt des„1. Atomprogrammes“ (1956-1963) der Bundesregierung. DieNachwuchschulung lag ProfessorDr. Heinz Maier-Leibnitz denn auchbesonders am Herzen. Die Abwer-bung talentierter junger Wissen-schaftler durch die USA hielt an.Dort lockten damals wesentlichhöhere Gehälter. In den USA er-hielt im Jahr 1956 ein Assistent einJahresgehalt von rund 40000 US $(damals etwa 160000 DM) - vergli-chen mit 24000 DM in der Bundes-republik Deutschland.155 ProfessorDr. Maier-Leibnitz suchte daher zu-mindest das Ausbildungsniveau inGarching so attraktiv wie möglichzu gestalten.

Blick ins leere Reaktorbecken (ohne Brennelemente)

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Einen ständigen Kampf mußte erum ausreichende finanzielle Mittelführen. So klagte er im Jahr 1956:„Die Institutsdirektoren sind hoff-nungslos überlastet. Die Institutesind überfüllt, die Mittel für die ein-zelnen Arbeiten sind völlig unzurei-chend, und es wird sehr viel Zeitund Arbeitskraft damit verbraucht,zusätzliche Mittel zu beschaf-fen.“156 Ein Jahrzehnt später sahes nicht wesentlich besser aus:Professor Dr. Maier-Leibnitz be-klagte sich über Mittelkürzungen,die zu einer Einschränkung derForschungstätigkeit geführt hät-ten.157 Immerhin konnte er mit sei-nen Kollegen, den ProfessorenWild, Riehl und Brenig, 1964 Kul-tusminister Professor Dr. TheodorMaunz sechzehn Professorenstel-len für Physik an der TH München,darunter zahlreiche neu eingerich-tete, und einen Etat von 1,6 Mio.DM abtrotzen.158

Die Erfolge des Garchinger For-schungsreaktors sind untrennbarmit dem Namen seines Leiters,Professor Dr. Heinz Maier-Leibnitz,verbunden. So hatte er mit dem„swimming pool“-Typ einen idea-len Forschungsreaktor ausge-sucht. Er ist übersichtlich aufge-baut und kann innerhalb einer hal-ben Stunde auf seine Nennleistunggebracht werden. Der Reaktorkernkann im Becken vor- und zurück-gefahren werden und ist von allenRichtungen leicht zugänglich.Während der Reaktorkern im La-gerbecken „geparkt“ wird, könnenim Arbeitsbecken in aller Ruhe Ex-perimentiereinrichtungen aufge-baut werden. Während andere

„swimming pool“-Reaktoren wie inBraunschweig kein Lagerbeckenaufweisen, hatte Professor Maier-Leibnitz in weiser Voraussichtdiese Einrichtung gewählt. Strahl-rohre können nach außen durchdie Abschirmung geführt und rela-tiv einfach installiert werden. Ab-schirmprobleme treten nicht auf,

Versuchsanordnungen könnenauch im Wasser aufgebaut wer-den. Hervorzuheben ist außerdemder Ideenreichtum von ProfessorDr. Heinz Maier-Leibnitz, der zuvielen interessanten Experimentenund neuen Wegen bei deren Um-setzung führte.

Nicht unerwähnt bleiben soll seineBescheidenheit. 1958 schrieb eran den Export-Club München e.V.:„Ich halte es für einen Irrtum, wennSie glauben, daß es richtig ist,einen Empfang zu meinen Ehrenzu veranstalten. Ich hab nichtsgetan, was diese Ehre rechtferti-gen würde, außer daß ich einer ge-rade in Mode gekommenen For-schungsrichtung der Physik an-gehöre.“159

Zukunftsweisend war beispiels-weise seine Idee, Streukörper bzw.Proben (Targets) möglichst dichtam Reaktorkern, also am Anfangeines Strahlrohres bzw. einesStrahls, anzuordnen und nicht, wiebisher üblich, erst im Strahl in derNähe der Meßapparatur. Diese An-ordnung bringt experimentelle Vor-teile, weil so ein gut gebündelterStrahl der benötigten Sekundär-strahlung mit hoher Intensität ver-fügbar wird. Auf diesem Prinzipbauten mehrere Apparaturen auf,z. B. ein Massenspektrometer fürSpaltprodukte, ein Beta-Spektrumfür Elektronen nach Neutronenein-fang im Kern, später die Konver-teranlage für die Bestrahlungkrebskranker Patienten sowie di-verse Transmissionsmeßplätze, diedurch besondere Präzisionsmes-sungen bekannt wurden.

Schematischer Aufbau des Reaktorkerns

Erste Brennelementanordnung vom 30. Okt. 1957

Ioni-sations-kammer SI

Regel-stab KI

Spalt-kam-mer SK

Neutronen-quelle NQ

Trimmab-schalt-

stab

Elektro-magnet HM

Ionisations-kammer SI

Kompensierte Ionisationskammer KI

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Rudolf Mößbauer, ein Schüler vonProfessor Dr. Heinz Maier-Leibnitz,erhielt 1961 den Nobelpreis fürPhysik. Die Entdeckung war aller-dings noch nicht mit Hilfe des Reaktors erfolgt. Als Mößbauer imAuftrag seines Lehrers als Dokto-rand im Heidelberger Max-Planck-Institut mit Gammastrahlung vonIridium die Kernresonanzstreuunguntersuchte, kam er 1957 zu demüberraschenden Ergebnis, daß derWirkungsquerschnitt mit abneh-mender Temperatur stark ansteigtund erklärte dieses Phänomen alsrückstoßfreie Resonanzstreuung.Der nach Mößbauer benannte Effekt hatte bedeutende Auswir-kungen für die Festkörperphysik:So ermöglichte der Effekt präzise-re Experimente mit deutlich höhe-rer Energieauflösung.160

Professor Dr. Maier-Leibnitz äußerteanläßlich der Verleihung des Nobel-preises für Physik an seinen SchülerMößbauer: „Herr Mößbauer hattevon mir die Aufgabe bekommen,Resonanzfluoreszenz mit Hilfe derTemperaturabhängigkeit der Ab-sorption oder Streuung zu messen(...).

Dabei sollte er darauf achten, daßin Wirklichkeit die Atome nicht freisind, sondern daß Bindungseffekteauftreten müssen. Die rück-stoßfreie Linie haben wir allerdingsnicht vorhergesagt, sondern HerrMößbauer hat sie erst auf Grundseiner Ergebnisse durch Auswer-tung der Arbeit von Lamb er-schlossen.“161

Ab 1959 setzte Mößbauer seineArbeiten bei Professor Dr. Maier-Leibnitz in Garching fort. Der No-

forschung. Untersucht wurden derProzeß der Kernspaltung und dieWechselwirkung zwischen Neutro-nen und Atomkernen.

Auch hier bewährte sich der Auf-bau von Targets direkt am Reaktor-kern. Als der Physiker Armbrusterbeispielsweise den Auftrag erhielt,nukleare Spaltprodukte zu unter-suchen und die Ladungs- undMassenverteilung mittelschwererAtomkerne zu messen, installierteer hierzu eine Uranfolie dicht amReaktorkern. So entstand an denDetektoren ein gut gebündelterStrahl von Spaltprodukten. Seinein Garching erworbenen Erkennt-nisse wandte Armbruster spätererfolgreich am Schwerionen-Be-schleuniger der GSI in Darmstadtan. Damit konnte er neue super-schwere Elemente aus den Reak-tionsprodukten isolieren, die beimZusammenprall sehr energierei-cher schwerer Atomkerne (Wis-mut, Blei) entstehen. Grundlegen-de Erkenntnisse über die Strukturder Atomkerne wurden daraus ge-wonnen.

Ebenfalls mit Targets in Reaktor-kernnähe untersuchten Till vonEgidy die Energiespektren vonElektronen und Otto Schult dieSpektren von Gammastrahlen,welche in Kernreaktionen mit Neu-tronen ausgesandt werden. Diesehochpräzisen Messungen vonKernanregungen erschlossen da-bei viele Probleme der Kernstruk-tur. Das Garchinger Elektronen-spektrometer und das Gamma-Kri-stallspektrometer waren wegwei-send für die späteren Spektrome-ter „BILL“ und „GAMS“ am Greno-bler Hochflußreaktor.

Prof. Dr. Rudolf Mößbauer mit Studenten (1994)

belpreis trug wesentlich zur Popu-larität seines Lehrers, des von ihmgeleiteten Laboratoriums und For-schungsreaktors bei. Physiker invielen Ländern wurden auf Gar-ching aufmerksam, regten For-schungen an oder kamen sogarselbst als Gastforscher zum Reak-tor.

Zum stellvertretenden Institutsleiterberief Professor Dr. Maier-Leibnitzden im Bereich der Festkörperphy-sik versierten Kernphysiker Profes-sor Dr. Nikolaus Riehl.162 Daserste Forschungsprogramm hatteProfessor Dr. Maier-Leibnitz imFrühjahr 1957 bei einem Skiurlaubin Arosa entworfen.163

Die Zahl der Versuchsanmeldun-gen stieg in den ersten Jahren desRoutinebetriebes deutlich an.Zunächst konzentrierte man sichauf kernphysikalische Grundlagen-

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Ergebnis einer bahnbrechendentechnischen Entwicklung Anfangder 60er Jahre waren die Neutro-nenleiter. In spiegelnden Glas-kanälen im Innern von evakuiertenMetallrohren werden die Neutro-nen durch „Totalreflexion“ nahezuverlustfrei über größere Entfernun-gen geleitet. Durch eine schwacheKrümmung des Leiters wird eineSeparation der langsamen Neutro-nen von der Untergrundstrahlungerreicht. Der Vorteil von Neutro-nenleitern liegt im „sauberen“ Neu-tronenspektrum und in der Tatsa-che, daß in größerem Abstand vonder Neutronenquelle mehr Platz fürMeßapparaturen zur Verfügungsteht. Seither wurden Neutronen-leiter in großem Umfang und sehrerfolgreich im Grenobler Reaktorund in vielen anderen in- und aus-ländischen Forschungszentren ge-nutzt.

Am Ende treffen sie auf einen per-fekten Spiegel, an dem sie reflek-tiert werden. Messungen des Re-flexionsgrades ermöglichen letzt-lich äußerst exakt die Bestimmungder Wechselwirkung zwischenNeutronen und den Atomen desSpiegelmaterials. Das Instrumentwar derart empfindlich, daß manspäter sogar die Wechselwirkungdes Neutrons mit den Elektronender Atomhülle nachweisen undquantitativ bestimmen konnte.

Das Endfenster des Schwerkraftrefraktometers(Strahlrohr F2)

Schematischer Aufbau der Apparatur und Fall-kurve der Neutronen im Schwerefeld der Erde

Dr. Heidemann bei der Justierung von Neutronenleitern (Strahlrohr QR)

Spezielle kernphysikalische Meß-instrumente wurden am Garchin-ger Forschungsreaktor entwickelt.So z.B. das „Schwerkraftrefrakto-meter“, in dem langsame Neutro-nen auf einer horizontalen Weg-strecke von 100 m unter der Ein-wirkung der Schwerkraft fallen.

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Die nukleare Festkörperphysik be-schäftigt sich u.a. mit der Streuungvon Neutronenstrahlen beim Auf-treffen auf feste oder flüssige Kör-per. Durch Messung der Winkel-und Energieverteilung der gestreu-ten Neutronen werden wertvolleErkenntnisse über atomare Struk-tur und Dynamik gewonnen. Be-sonders interessant sind Materia-leigenschaften nahe von Phasen-umwandlungen. Diese Ergebnissewaren von maßgeblicher Bedeu-tung, beispielsweise für das Ver-ständnis mechanischer und elek-trischer Eigenschaften kristallinerStoffe.

Als eines der ersten Meßinstru-mente wurde 1958 in Garching ein„Zweiachsen-Diffraktometer“ ent-wickelt, bei dem aus einem Neu-tronenstrahl mit kontinuierlicherEnergieverteilung mittels Bragg-Reflexion an einem Blei-Einkristallmonoenergetische Neutronen aus-gefiltert werden. Die Einsatzmög-lichkeiten dieses Instrumentswaren so vielseitig, daß es heutenoch von der LMU betrieben wird.

In den frühen sechziger Jahrenentwickelte Professor Dr. Maier-Leibnitz die wegweisende Rück-streu-Methode. Dabei werden auseinem Strahl von Neutronen mitverschiedenen Energien solche miteiner vorgegebenen Energie sehrmonoenergetisch reflektiert. DasInstrument wird dazu eingesetzt,kleinste Energieänderungen des

Neutrons bei der Streuung an einerProbe zu vermessen, was wieder-um eine präzise Bestimmung aller-kleinster Bewegungen von Atomenin Festkörpern und Flüssigkeitenermöglicht.

Durch Kombination der Rückstreu-ung mit einem 150 Meter langenNeutronenleiter (übrigens der läng-ste der Welt) entstand das soge-nannte Flugzeit-Rückstreu-Diffrak-tometer. Der anfängliche kontinu-ierliche Neutronenstrahl wird durch„Chopper“ in kurze Pulse zerhackt.

Am Ende der Neutronenleiter-strecke, wo die Neutronen um fast180° rückgestreut werden, wirdderen Flugzeit zusätzlich auf einigeMikrosekunden genau gemessen.Mit dieser Methode wird eine unge-wöhnlich gute Auflösung erreicht,

Das Pulver-Diffraktometer (Strahlrohr P1) wurde1958 aufgebaut und ist heute immer noch in Betrieb

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so daß geringste Verzerrungen imAtomgitter (wie sie z. B. durch innere Spannungen nach Bearbei-tungsvorgängen auftreten) nach-gewiesen wurden.

Seit 1962 werden am Reaktorauch Bestrahlungen bei tiefer Tem-peratur (4 K = -269°C) durchge-führt - eine in der Welt einmaligeExperimentiermöglichkeit. Schnel-le Neutronen können Atome ausdem Kristallgitter „herausboxen“,die sich als Zwischengitteratomeirgendwo anlagern. Diese punkt-förmigen Gitterdefekte ändernwichtige makroskopische Eigen-schaften der Probe. Bei der tiefenTemperatur bleiben die durchStrahlung erzeugten Defekte „ein-gefroren“ und können über längere

Zeiträume untersucht werden. Beilangsamem Erwärmen der Probetritt weitgehend ein Ausheilen derDefekte durch Diffusion ein, wasfür viele technische Fragestellun-gen von großer Bedeutung ist. Mitdieser Anlage wurden viele grund-legenden Erkenntnisse über dieBildung sowie Ausheilung vonStrahlenschäden gewonnen.

Auch für anwendungsorientierteFragen wurde die von Professor Dr.Werner Schilling entwickelte Tief-temperatur-Bestrahlungsanlageeingesetzt (z. B. Untersuchung su-praleitender Stoffe oder Struk-turmaterial für Fusionsanlagen).

Schematische Darstellung der Bestrahlungs-anlage bei tiefer Temperatur (4 K)

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Ein spezielles Forschungsgebietder Neutronenphysik ist die Unter-suchung sehr langsamer, d. h. „ul-trakalter“ Neutronen. 1968 wurdensie erstmals am FRM nachgewie-sen. Seitdem läuft in Garching undanderen Laboratorien ein entspre-chendes Forschungsprogramm.Ultrakalte Neutronen haben eineGeschwindigkeit von typisch 5m/s; damit sind sie so langsam,daß sie nur wenige Meter gegendie Schwerkraft der Erde aufstei-gen können. Zur Herstellung be-sonders langsamer Neutronenwurden in Garching - wie bereitserwähnt - zwei Geräte entwickelt:das für langwellige Neutronen aus-gelegte Strahlrohr, das senkrechtnach oben gerichtet war, und spä-ter die effizientere „Neutronentur-bine“. Ultrakalte Neutronen lassensich hier zur Bestimmung funda-mentaler Größen (Halbwertszeitdes Neutrons, elektrisches Rest-Dipolmoment, ...) in „Flaschen“sperren. Weiter sind langsameNeutronen geeignet, neutronenop-tische Experimente (Strichgitter,Neutronenlinse, Neutronenmikro-skop) durchzuführen. Die Garchin-ger Entwicklungen kamen inhohem Maße am Hochflußreaktordes ILL in Grenoble zum Einsatz.

Wie viele andere methodischenEntwicklungen hat auch die Klein-winkelstreuung mit Neutronenihren Ursprung in Garching. Die er-sten Experimente gehen auf dendamaligen Doktoranden WernerSchmatz zurück.

Neutronen sind nicht nur massen-behaftete Teilchen, sondern habeneine von ihrer kinetischen Energieabhängige Wellenlänge. Mathema-tisch werden langsame Neutronenähnlich wie Lichtwellen behandelt.Wenn eine ebene Neutronenwelleauf ein Zentrum fällt, wird dieseszum Ausgangspunkt einerschwächeren, sekundären kugel-förmigen Neutronenquelle. DasZentrum kann ein Probenbestand-teil sein, wie z. B. ein komplexesMakromolekül. Die Sekundärwel-len vieler Streuzentren überlagernsich und „interferieren“ mit derPrimärstrahlung. In vielen Fällenschließt die resultierende Sekun-därstrahlung mit der einfallendenWelle nur einen kleinen Winkel ein,weil dann ihre Phasen noch nichtallzuweit voneinander entferntsind. Aus der Verteilung dieserkleinen Streuwinkel werden Rück-schlüsse auf Abstände und Formeinzelner Probenbestandteile ge-zogen. Bedeutungsvoll sind dieAnwendungen in der Biophysiksowie in der Chemie makromole-kularer Systeme.

Intensiv wurden zwei Jahrzehntelang die fundamentalen Größender Wechselwirkung von Neutro-nen mit Atomkernen erforscht. (Inphysikalischem Sprachgebrauchsind dies „Wirkungsquerschnitte“und „Streulängen“.) Hierzu warenMessungen mit äußerster Präzisi-on erforderlich, die zur Klärungeiner Vielzahl von Problemen bei-getragen haben. Hier nur drei Bei-spiele:1. Die Streuung langsamer Neu-

tronen an Protonen (Wasser-stoffkernen) läßt Rückschlüsseauf die Kernkräfte zu.

2. Aus exakten Streulängenwertenwird das „optische Modell“ zur Beschreibung von Atomkernen abgeleitet. Äußerst präzise Streulängen geben Aufschluß über eine mögliche Verteilung elektrischer Ladungen im Innern des Neutrons.

Die Neutronenturbine dient der Herstellung von„ultrakalten“ Neutronen

Arbeiten mit einem Manipulator im Institut für Radiochemie

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3. Darüber hinaus werden zuver-lässige Werte für Wirkungs-querschnitte und Streulängen bei zahlreichen Anwendungen der Neutronenstreuung im Be-reich der Kern- und Festkörper-physik sowie der Molekular-chemie dringend benötigt.

Medizinische Anwendungen

Zur klassischen Neutronenbe-strahlung zählt die Herstellung vonIsotopen für medizinische undphysikalische Anwendungen.Durch Bestrahlung von Proben mitNeutronen ist es möglich, Atom-kerne umzuwandeln und damitneue Isotope herzustellen.

Ein typischer Anwendungsbereichbestrahlter Proben ist die sog.„Aktivierungsanalyse“: Es könnenkleinste Spuren von Fremdstoffenerkannt werden, indem einige vonihnen in identifizierbare radioaktiveIsotope umgewandelt werden. MitAktivierungsanalysen werdenSchadstoffuntersuchungen, z.B. inder Umweltanalytik durchgeführt.Die Spurenanalytik ermöglicht bei-spielsweise auch die Zuordnungarchäologischer Funde zu ihrenHerkunftsorten durch präzise Be-stimmung winziger Restsubstan-zen.

„Highlights“ in der Frühzeit der Forschung am Atom-Ei

Jahr Entwicklung bzw. Ergebnis Bewertung

1958-60 (n,g)- und (n,e-)-Spektro- Präzisionsmessung (Weiter-skopie mit hoher Auflösung entwicklung für Geräte am

Höchstflußreaktor Greno-ble)

1958-60 Massenspektroskopie von • später hochaktuelles Spaltprodukten Forschungsgebiet

• Basis für Weiterentwick-lungen am Höchstfluß-reaktor

• Messung von kurzlebigenSpaltprodukten

um 1960 Stoßexperimente mit Bildung von schweren Quasiatomen Ionen bei adiabatischen

Stößenum 1960 Bau eines Interferometers Erstkonstruktionum 1960 Bau der Tieftemperatur- • lange Zeit weltweit ein

Bestrahlungsanlage malig • viele Resultate im Bereich

von Strahlenschädenum 1960 Geräteentwicklung zur Her- Technik gelangte später zu

stellung gepulster Neutronen- großer Blütestrahlen

um 1960 Entwicklung von Neutronen- Heutzutage in allen Reak-leitern toranlagen Standard

um 1961 Entdeckung der Kleinwinkel- Technik gelangte später zu streuung großer Blüte

1962 Bau einer schnellen Rohr- Messung kurzlebiger Radio-postanlage nuklide

um 1962 Bau des Schwerkraft- Weltbeste Genauigkeit beiRefraktometers Streulängenmessungen

um 1965 Entwicklung monoenerge- Präzisionsmessungen von tischer Detektoren Wirkungsquerschnitten

Auch in späteren Jahren erfolgtenherausragende Entwicklungen,von denen hier nur eines als Bei-spiel genannt werden soll. DieNutzung schneller Spaltungsneu-tronen für die medizinische Strah-lentherapie (Tumorbehandlung)wird seit 1985 am Atom-Ei prakti-

ziert. Hierfür wurde ein „Neutro-nenkonverter“ entwickelt, derebenfalls von der wegweisendenMaier-Leibnitz-Idee der direktenTargetanordnung am Reaktorkernprofitiert.

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Überblick über das TUM-Gelände 1997

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Der FRM als Motor für die Forschung

Beginnend mit dem Institut für Ra-diochemie (1964) siedelten sicheine Reihe von Instituten im Um-feld des Reaktors an, die ihn fürihre Arbeiten nutzten und somitzum Wachsen des Forschungs-geländes und dem Gedankenaus-tausch unter Wissenschaftlern we-sentlich beitrugen.

Unter den zahlreichen For-schungsreaktoren, die Ende der50er Jahre gebaut wurden, war derFRM wohl der erfolgreichste.164

Die Gründe dazu lagen überwie-gend in der damaligen Konstellati-on, dem Eifer und dem Weitblickder damaligen Entscheidungsträ-ger.

Bereits ab 1955 stieg die Anzahlder Studenten für das Fach Kern-physik enorm an. Eine neue inter-essante Fachrichtung mit Zu-kunftsmöglichkeiten zeichnete sichab. Zum Andrang wird auch dieAussicht beigetragen haben, inwenigen Jahren einen For-schungsreaktor zur Verfügung zuhaben. Wie sich Professor Dr.Heinz Maier-Leibnitz erinnert, gabes zeitweise an seinem Institut fürTechnische Physik unter der Be-treuung von ihm und Professor Dr.Riehl rund 200 Diplomanden undDoktoranden gleichzeitig. Ein sol-cher Umfang konnte jedoch nurbewältigt werden, wenn ein bishernicht übliches Organisationssche-ma aufgebaut wurde. Jeder jungeDoktorand betreute mehrere Diplo-manden. Ältere Doktoranden unddiejenigen, die bereits ihre Promo-tion abgeschlossen hatten, sorg-ten sich jeweils um mehrere jungeDoktoranden. Das funktioniertenur, wenn jeder jedem half und

das, ohne dazu bestellt und be-sonders bezahlt zu werden. An-fangs gab es im Institut vier „aus-gewachsene“ Assistenten. Spätererhöhte sich die Zahl auf zehn.165

Angesprochen auf diese Situationäußerte sich Professor Dr. Maier-Leibnitz in seiner ihm eigenen Be-scheidenheit: „Erwähnen Sie nichtso häufig meinen Namen. Ich habejeweils nur wenige Minuten mitden Kandidaten gesprochen; dieeigentliche Betreuung und Arbeithaben meine Doktoranden gelei-stet.“

Hinter allem stand die Devise: EinReaktor ist sehr schön; aber nurdie Versuche sind es, durch die erErfolg haben kann. Dabei wurdenExperimente gewählt, die woan-ders nicht gemacht wurden. Auchwurde stets darauf geachtet, daßder Aufwand für Versuche in einervernünftigen Relation zum Auf-wand für den Reaktor stand. Dieaus dieser Situation gewählteStruktur und die große Anzahl von

experimentellen Arbeiten zeigtenjedoch deutlich das Fehlen vonProfessoren für Forschung undLehre. Daraus resultierte der Vor-schlag nach Gründung eines Phy-sik-Departments. Dieses Vorhabenwurde vom Kultusministeriumsowie von der Fakultät und vomTH-Senat unterstützt. Das Finanz-ministerium genehmigte schließ-lich an die 250 Stellen.

Ziel war es, mit dem Departmenteine Institution zu finden, in deralle Professoren zusammenarbei-ten konnten. Dieser Zusammen-schluß erwies sich nicht nur vor-teilhaft für den wissenschaftlichenAustausch, sondern vereinfachteauch die Verwaltung. Das dazu-gehörige Gebäude wurde 1968 un-mittelbar angrenzend nördlich vomReaktor errichtet. Durch Änderungdes Hochschulgesetzes erfolgtespäter die Umwandlung in die Fa-kultät für Physik, die heute auszwölf Lehrstühlen für Experiment-alphysik, sieben Lehrstühlen für

Prof. Maier-Leibnitz erklärt den Aufbau des FRM

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Theoretische Physik, dem Walther-Meißner-Institut für Tieftempera-turforschung und drei Lehrstühlenim Walter Schottky-Institut be-steht.

Für die Zusammenarbeit mit demFRM wurde bereits 1964 der erstedeutsche Lehrstuhl für Radioche-mie gegründet. Das entsprechendausgestattete Laborgebäude ent-stand südlich nahe dem Reaktor,während die Fakultät für Chemie,Biologie und Geowissenschaftenzunächst auf dem Stammgeländein München verblieb (die Ansied-lung in Garching erfolgte erst imJahr 1976).

Der europäische Hochflußreaktoram Institut Laue-Langevin (ILL) inGrenoble geht zum großen Teil aufVorarbeiten in Garching zurück.Konsequent wurde das, was amFRM angefangen wurde, imgroßen Maßstab im Grenoble wei-tergeführt. Beispielhaft seien hierBau und Einsatz von Neutronenlei-tern oder Geräten zur Herstellungund experimentellen Nutzung von „ultrakalten Neutronen“ genannt.Durch die stets engen Verbindun-gen zum Hochflußreaktor wurdendie internationalen Kontakte, diebereits in den frühen Jahren aufge-baut waren, entsprechend vertieft.So gab es z.B. von Anfang an eineenge Zusammenarbeit mit demAtominstitut der ÖsterreichischenUniversität in Wien, mit ProfessorDr. Otto Harling und dem späterenNobelpreisträger Professor Dr. Clifford Shull vom MassachusettsInstitute of Technology (MIT) inCambridge, USA, und mit vielennationalen und internationalen For-schungszentren. Eine enge Zu-

sammenarbeit mit der Kristallogra-phie der LMU (Ludwig MaximilianUniversität München) gab es vonAnfang an bis heute.

Eine besondere Erwähnung ge-bührt den wechselseitigen Kontak-ten zum internationalen For-schungszentrum in Dubna (damali-ge UdSSR). Dank Initiativen vonProfessor Dr. Maier-Leibnitz, Pro-fessor Dr. Shapiro und Nobel-preisträger Ilja Frank erfolgten trotz„Eisernen Vorhangs“ gegenseitigeBesuche, Austausch von Publika-tionen und gemeinsame Bearbei-tung von wissenschaftlichen Pro-blemen (z.B. Bau einer Neutronen-flasche, Messung der Neutron-Elektron-Wechselwirkung). Darü-ber hinaus wurden interdisziplinäreKooperationen aufgebaut. Ein be-sonders intensiver Kontakt kamzwischen Professor Dr. LotharKoester und Professor Dr. KurtDecker von der Neurologie derLMU zustande, die über Fortbil-dungsseminare, gemeinsame ex-perimentelle Forschung in der Dia-gnostik bis zu radiologischen Ex-perimenten führten, aus denen dieSpaltneutronen-Therapie am FRMerwachsen ist. Nicht vergessenwerden dürfen Leistungen für dieIndustrie, wie Verschleißmessun-gen, Neutronen-Aktivierungsanaly-sen, Isotopenproduktion und Lö-sungen von Fragen zur Umwelt-analytik. Für Behörden gab es inähnlicher Art Amtshilfe.

Bedingt durch wissenschaftlicheErgebnisse und internationale An-erkennung zeigten sich Univer-sitätsleitung und Politiker zufriedenund rechtfertigten die hohen Inve-stitionen. Zufrieden waren auch

die Wissenschaftler, hatten siedoch die Möglichkeit, eine exzel-lente Ausbildung zu erfahren undfrei ihren wissenschaftlichen Arbei-ten nachzugehen. So war dieBasis dafür gelegt, daß junge Wis-senschaftler von Garching aus indie Welt gingen und bald eigeneLehrstühle hatten oder Leiter vonForschungseinrichtungen wurden.Auch die Gemeinde Garching warzufrieden, denn sie wuchs von da-mals ca. 2000 auf heute ca. 15500Einwohner. 1990 kam die Erhe-bung zur Stadt; und heute kannsich Garching als Universitätsstadtmit mindestens europaweit größ-tem Forschungscampus rühmen.Entsprechend wuchs auch die In-frastruktur (Gymnasium, U-Bahn-anschluß, Industrie- und Wohn-gelände) der Gemeinde zum Wohlaller Bürger.

Im Rückblick waren die Situationsowie die äußeren Bedingungenam Forschungsreaktor FRM ein-malig. Überall war die Bereitschaft,über das Normalmaß hinaus zu ar-beiten. Entschlüsse wurden z. T. inunkonventioneller Form getroffenund von vielen Instanzen gemein-sam getragen und umgesetzt. Die-ser Erfolg ist nicht das Werk einesEinzelnen. Hunderte von Studen-ten, viele junge Wissenschaftler,auch Politiker und Behördenvertre-ter haben zum Erfolg beigetragenund zusammengewirkt. Ideen wur-den in wissenschaftlichen Arbeitenformuliert; sie konnten zum großenTeil in Erkenntnisse einmünden.Genau das ist den Pionieren vor-trefflich gelungen. Allen damals Be-teiligten gilt auch heute Dank undAnerkennung für die großartigeLeistung.

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An der Schwelle zum neuen Forschungsreaktor FRM-II

In der Nacht zum 13. Juni 1996 er-reichte der FRM eine Zahl von500000 Megawattstunden - diesentspricht 163793 Betriebsstundenoder 6825 Tagen. Vierzig Jahre langwurde der Garchinger Forschungs-reaktor ohne Schäden an Personenoder Sachen problemlos betrieben.Und er ist weiterhin uneinge-schränkt funktionstüchtig. Mancherjüngere Reaktor wie z.B. die Ver-suchsreaktoren FR2 in Karlsruheund FRJ-1 in Jülich, der For-schungsreaktor FRF-2 in Frankfurtam Main oder der Schiffsreaktordes Forschungsschiffes NS „OttoHahn“ sind dagegen bereits früherabgeschaltet worden.166

Nicht technische Schwierigkeiten,sondern gestiegene wissenschaft-liche Anforderungen führten in denachtziger Jahren zur Planung einesNachfolgers. Um Garching interna-tional mit an der Spitze zu halten,wird ein wesentlich höherer Neu-tronenfluß als beim alten Reaktorbenötigt.

Bei einer fünfmal höheren Reaktor-leistung (20 MW) wird die künftigeHochfluß-Neutronenquelle FRM-IIeinen 50mal höheren Neutronen-fluß als der FRM ermöglichen.167

Lediglich ein einziges, zylinderför-miges Uran-Silizid-Brennelementmit einem Außendurchmesser von24 cm und einer Höhe von 70 cmbildet die Brennstoffzone; es ent-hält insgesamt ca. 8 kg Uran inhoher Anreicherung von 93%.

In einem Wasserbecken mit ca. 5 m Innendurchmesser und ca. 12 m Tiefe wird im Bereich um dieStrahlrohrnasen ein Moderatortankmit 2,5 m Durchmesser unterge-bracht. Die abschirmende Becken-wand wird aus Schwerbeton be-stehen und eine Dicke von 1,5 mhaben. Der Moderatortank wird mit„schwerem“ Wasser gefüllt, daseine gute Bremswirkung fürschnelle Neutronen besitzt, jedocheine geringe Absorption von ther-mischen Neutronen aufweist.

Zur Kühlung des Brennelementsund zur Abschirmung wird leichtesWasser aus dem Reaktorbeckenverwendet.

Ab 1981 entwickelte die TU Mün-chen das Konzept für die Hoch-fluß-Neutronenquelle FRM-II, diedie Zustimmung der BayerischenStaatsregierung und des Bundes-ministeriums für Forschung undTechnologie fand. Im August 1997erteilte die Europäische Kommissi-

on ihre Zustimmung. Das Konzeptdes Brennelements unter Verwen-dung von hochangereichertem Ur-ansilizid wurde erstmals 1981 inArgonne/USA öffentlich vorgestellt.

Das Raumordnungsverfahrenwurde im Herbst 1993 positiv ab-geschlossen. Ende Januar 1995gab der Garchinger Gemeinderatseine Zustimmung zum baurechtli-chen Teil im atomrechtlichen Ge-nehmigungsverfahren. Nach Ertei-lung der ersten Teilgenehmigungam 4. April 1996, die bereits einevorläufige positive Gesamtbeurtei-lung enthält, erfolgte der erste

1. Spatenstich am 1.8.1996:Von links nach rechts: Gesamtprojektleiter desFRM-II, Dr. Anton Axmann; Siemensvorstand, Adolf Hüttl; Staatssekretär, Fritz Schaumann;Präsident der TUM, Prof. Dr. Wolfgang A.Herrmann; Bayerischer Ministerpräsident,Dr. Edmund Stoiber; Bayerischer Kultusminister,Hans Zehetmair; Bürgermeister der StadtGarching, Helmut Karl

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Spatenstich am 1. August 1996unter reger Beteiligung von Politik,Wissenschaft, Wirtschaft und Öf-fentlichkeit. Zu den Gästen zählteneben vielen anderen der Bayeri-sche Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber.

Der FRM-II entsteht in direkterNachbarschaft des bisherigen Re-aktors. Aufgrund des größerenPlatzbedarfes hat die Reaktorhallenicht mehr eine runde Form be-kommen, sondern ist an der Basisals Viereck und in der Höhe alsAchteck ausgeführt. Der routi-nemäßige Betrieb wird voraussicht-lich im Jahr 2001 aufgenommen.

Beim alten Forschungsreaktorwaren nur knapp 17 Monate zwi-schen dem Beschluß des bayeri-schen Kabinetts und dem erstenExperiment vergangen! Angesichtswesentlich komplizierterer Geneh-migungsverfahren und Entschei-dungsprozesse sind solch kurzeRealisierungsfristen heute nichtmehr möglich.

Wenn zu Beginn des nächstenJahrtausend rund 600 Wissen-schaftler aus ganz Deutschlanddie neue Hochfluß-Neutronenquel-le nutzen, die im „Komitee For-schung mit Neutronen“ (KFN) or-ganisiert sind, wird das alte„Atom-Ei“ nicht in Vergessenheitgeraten. Als Technikdenkmal derfünfziger Jahre bleibt das Bauwerkerhalten. Und das Motto im FRM-IIwird das gleiche wie im FRM sein: Spitzenausbildung und Spitzenfor-schung mit Spitzentechnologie.

Baustelle des FRM-II am 11. April 1997

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Anmerkungen

[1] Maier-Leibnitz, Heinz: Erinnerungen an diefrühe Zeit des FRM. TUM-Mitteilungen 2/83[2] Beckurts, H.: Kernenergie in Deutschland.Atomwirtschaft, Januar 1985[3] Lehr: Die Aufgabenstellung der Großfor-schungseinrichtungen auf dem Gebiet der Kern-technik. In: Forschung für die Kerntechnik: DieRolle der Großforschung, hrsg. von Hans-Hen-ning Hennies, Thomas Roser[4] Koester, Lothar: Betriebserfahrungen mit demFRM, Atomwirtschaft, 1967[5] Broschüre FRM, Forschungsreaktor München.Juli 1973, Technische Universität München[6] Koester, Lothar: Wie wirkt Neutronenstrah-lung? TUM-Mitteilungen 2/85[7] Hierzu Müller, Wolfgang D.: Geschichte derKernenergie in der Bundesrepublik Deutschland.Anfänge und Weichenstellungen, Stuttgart 1990,S. 15-42[8] siehe hierzu: von Weizsäcker: Der Garten desMenschlichen, München/Wien, 1977, 3. Aufl., S.568; Der bedrohte Friede, München/Wien 1981,S. 32[9] Siegel, Karl: Energiegewinnung durch Kern-spaltung. In: Michaelis, Hans/Salander, Carsten(Hrsg.): Handbuch Kernenergie. Kompendium derEnergiewirtschaft und Energiepolitik, Frankfurta.M. 1995, S. 18f.[10] Siegel, Karl: Energiegewinnung durch Kern-spaltung. In: Michaelis, Hans/Salander, Carsten(Hrsg.): Handbuch Kernenergie. Kompendium derEnergiewirtschaft und Energiepolitik, Frankfurta.M. 1995, S. 21f.[11] Müller, Wolfgang D.: Geschichte der Kernen-ergie in der Bundesrepublik Deutschland. Anfän-ge und Weichenstellungen, Stuttgart 1990, S. 1-8;Häckel, Erwin/Kaiser, Karl: Internationale Nicht-verbreitungspolitik. In: Michaelis, Hans/Salander,Carsten (Hrsg.): Handbuch Kernenergie. Kompen-dium der Energiewirtschaft und Energiepolitik,Frankfurt a.M. 1995, S. 838f.[12] Eckert, Michael/Osietzki, Maria: Wissenschaftfür Macht und Markt. Kernforschung und Mikro-elektronik in der Bundesrepublik Deutschland,München 1989, S. 74; 77[13] Häckel, Erwin/Kaiser, Karl: InternationaleNichtverbreitungspolitik. In: Michaelis, Hans/Sa-lander, Carsten (Hrsg.): Handbuch Kernenergie.Kompendium der Energiewirtschaft und Energie-politik, Frankfurt a.M. 1995, S. 840[14] Eckert, Michael/Osietzki, Maria: Wissenschaftfür Macht und Markt. Kernforschung und Mikro-elektronik in der Bundesrepublik Deutschland,München 1989, S. 78[15] Häckel, Erwin/Kaiser, Karl: InternationaleNichtverbreitungspolitik. In: Michaelis, Hans/Sa-lander, Carsten (Hrsg.): Handbuch Kernenergie.Kompendium der Energiewirtschaft und Energie-politik, Frankfurt a.M. 1995, S. 842-846[16] hierzu Bagge, Erich: Die Nobelpreisträger derPhysik, München 1964 [17] Walker, Mark: Die Uranmaschine. Mythos undWirklichkeit der deutschen Atombombe, Berlin1990, S. 221

[18] Das weiß-blaue Atomzeitalter steht vor derTür. In: Münchner Merkur, 1./2. Oktober 1955[19] Koester, Lothar: Entwicklung der Kerntechnik.Festvortrag im Hahn-Meitner-Institut, Berlin, zumAusscheiden von Dr. Konrad Wasserroth am 28.April 1986 (unpubliziert)[20] Schallies, Walter: So brav ist ein Atomreaktor.Süddeutsche Zeitung, 20. September 1955[21] Heisenberg, Werner: Die nächsten Aufgabenunserer Atomtechnik und Atomforschung (= Redevor dem Bayerischen Landtag am 11. Juli 1956).In: Süddeutsche Zeitung, 12. Juli 1956[22] Gleitsmann, Rolf Jürgen: Im Widerstreit derMeinungen: Zur Kontroverse um die Standortfin-dung für eine deutsche Reaktorstation (1950 -1955). Ein Beitrag zur Gründungsgeschichte desKernforschungszentrums Karlsruhe und zu einemKapitel deutscher Kernenergiegeschichte, Karls-ruhe 1986, S. 10 (= KfK 4186)[23] wie Anm. 21[24] Müller, Wolfgang D: Geschichte der Kernen-ergie in der Bundesrepublik Deutschland,Stuttgart1990, S. 83-87[25] Das weiß-blaue Atomzeitalter steht vor derTür. In: Münchner Merkur, 1./2. Oktober 1955[26] wie Anm. 22, S. 11[27] Schallies, Walter: So brav ist ein Atomreaktor.Süddeutsche Zeitung, 20. September 1955[28] zit. nach Edingshaus, Anne-Lydia: HeinzMaier-Leibnitz - Ein Jahrhundert experimentellePhysik, München/Zürich 1986, S. 128[29] wie Anm. 24, S. 436f.[30] Unterpachtvertrag zwischen der Bundesrepu-blik Deutschland und Freistaat Bayern über Pachtvon besonderem spaltbaren Material, München,28. Juni 1957, Bonn 1. Juli 1957. Deutsches Mu-seum, NL 111/141 (Nachlaß Prof. Maier-Leibnitz).[31] Parteitag der Sozialdemokratischen ParteiDeutschlands, 10.-11. Juli 1956: Atomplan derSPD. Stadtarchiv München, Archiv Bloch (NLBloch), 133[32] Auszug aus dem Protokoll des Ministerrates,15. Dezember 1954. Bayerisches Hauptstaatsar-chiv, StK 114004[33] zit. nach Gleitsmann (wie Anm. 22), S. 58[34] Koester, Lothar: Entwicklung der Kerntechnik.Festvortrag im Hahn-Meitner-Institut, Berlin, zumAusscheiden von Dr. Konrad Wasserroth am 28.April 1986 (unpubliziert)[35] siehe hierzu Gleitsmann, Rolf-Jürgen (wieAnm. 22)[36] Eckert, Michael/Osietzki, Maria: Wissenschaftfür Macht und Markt. Kernforschung und Mikro-elektronik in der Bundesrepublik Deutschland,München 1989, S. 77[37] Bayerische Staatszeitung Nr. 46, 12. Novem-ber 1955[38] Auszug aus dem Protokoll des Ministerrates,15. Dezember 1954. Bayerisches Hauptstaatsar-chiv, StK 114004[39] Bayerisches Staatsministerium für Unterrichtund Kultus, V 17657, Staatsminister Rucker anden Bayerischen Ministerpräsidenten Hoegner,München 31. März 1955. Bayerisches Haupt-staatsarchiv, StK 114004

[40] Staatsrat Dr. Hans Meinzolt im Ministerium fürUnterricht und Kultus an Professor Dr. Heisen-berg, München, 2. Dezember 1954. BayerischesHauptstaatsarchiv, StK 114004 [41] Auszug aus dem Protokoll des Ministerrates,11. Januar 1955. Bayerisches Hauptstaatsarchiv,StK 114004[42] Westdeutsche Rektorenkonferenz. Rund-schreiben Nr. 70, an die Rektoren der Universitä-ten und Wissenschaftlichen Hochschulen in derBRD und Westberlin, Göttingen, 8. Nov. 1955. Ar-chiv der TU München, V 99, Bd. 1[43] wie Anm. 42[44] Strauß an Erhard, 15. Juni 1955, Bundesar-chiv Koblenz, B 102/40402[45] Edingshaus, Anne-Lydia: Heinz Maier-Leib-nitz - Ein Jahrhundert experimentelle Physik,München/Zürich 1986, S. 129[46] wie Anm. 22, S. 57[47] Ludwig Kastl, Rechtsanwalt bei dem Ober-landesgericht, an Ministerialdirigent Schwendt,Staatskanzlei, München, 9. Dezember 1954.Bayerisches Hauptstaatsarchiv, StK 114004[48] Generalleutnant Speidel a.D. an MdB Theo-dor Blank, 23. April 1955. Haupt-StaatsarchivStuttgart, EA 1/4, Nr. 1055[49] wie Anm. 22, S. 77 f.[50] Heisenbergs Rede alarmiert die bayerischeRegierung. In: Süddeutsche Zeitung, 13. Juli 1956[51] Heisenberg, Werner: Die nächsten Aufgabenunserer Atomtechnik und Atomforschung. In:Süddeutsche Zeitung, 12. Juli 1956[52] Das weiß-blaue Atomzeitalter steht vor derTür. In: Münchner Merkur, 1./2. Oktober 1955[53] zit. nach Müller, Wolfgang D.: Geschichte derKernenergie in der Bundesrepublik Deutschland.Anfänge und Weichenstellungen, Stuttgart 1990,S. 250f.[54] Wettlauf um amerikanisches Uran: In Süd-deutsche Zeitung, 16. Februar 1956[55] Bundesminister Strauß an MinisterpräsidentHoegner, Bonn, 21. September 1956. Bundesar-chiv Koblenz, B 138/4897, K 1263 - 9/56; Müller(wie Anm. 53), S. 114[56] Eckert, Michael/Osietzki, Maria: Wissenschaftfür Macht und Markt. Kernforschung und Mikro-elektronik in der Bundesrepublik Deutschland,München 1989, S. 79[57] Koester, Lothar: Garching wird „Atom-Dorf“und Wissenschaftszentrum. In: Garching beiMünchen. Aus Gouniriching wurde Garching. Ge-meindechronik II. Band, Garching 1979, S. 119.Dieser Satz ist wohl mündlich überliefert: Im amt-lichen Protokoll wird er nicht erwähnt.[58] 3. Sitzung der Bayerischen Staatlichen Kom-mission zur friedlichen Nutzung der Atomkräfteam Mittwoch, den 6. Juni 1956 in der BayerischenStaatskanzlei. Bayerisches Hauptstaatsarchiv,StK 114004[59] Das Atom-Ei wird zehn Jahre alt. Süddeut-sche Zeitung, 10. November 1967[60] Eckert, Michael/Osietzki, Maria: Wissenschaftfür Macht und Markt. Kernforschung und Mikro-elektronik in der Bundesrepublik Deutschland,München 1989, S. 80

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[61] Das weiß-blaue Atomzeitalter steht vor derTür. In: Münchner Merkur, 1./2. Oktober 1955[62] Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaftund Verkehr, Nr. 7265 A - III/30 - 12 039II, Mün-chen, 9. April 1957. Niederschrift (über Sitzungvom 8. März 1957). Bundesarchiv Koblenz B138/4897[63] wie Anm. 62[64] wie Anm. 60, S. 79[65] Bayerisches Staatsministerium für Unterrichtund Kultus an Bundesministerium für Atomfragen,Nr. III 18 616, München 13. März 1957. DeutschesMuseum, NL 111/141[66] so in FRM. Der Forschungs-Reaktor Mün-chen, München 1959, S. 10 [67] Davon ging beispielsweise der MünchnerAStA in seinem Telegramm vom 18. November1955 an Ministerpräsident Dr. Hoegner aus. (Wil-helm Joesch, 1. Vorsitzender AStA, an Minister-präsident Dr. Wilhelm Hoegner, Telegramm F179/168 18 1341, München, 18. November 1955.Bayerisches Hauptstaatsarchiv, StK 114004)[68] Heisenberg, Werner: Friedliche Atomtechnikin Westdeutschland. Süddeutsche Zeitung, 23.Dezember 1952. Am Pennsylvania State Collegeund in Stockholm waren Forschungsreaktoren inStadtmitte angelegt worden. [69] Professor Dr. Maier-Leibnitz an den Rektorder TH München Professor Dr. Dr. Sauer, Mün-chen, 7. Februar 1956. Archiv der TU München, V99, Bd. 1[70] Atomforschung zwischen Sportplatz und Ten-nisstadion. In: Münchner Merkur, 29. Mai 1956[71] Raumprogramm für die Errichtung einer Re-aktorstation zugehörig zum Laboratorium fürTechnische Physik der Technischen Hochschule.München, 31. Januar 1956. Bayerisches Haupt-staatsarchiv, MK 67135[72] wie Anm. 71[73] Oberste Baubehörde an Bayerische Staats-ministerium des Inneren, an Bayerisches Staats-ministerium für Unterricht und Kultus, 1. März1956; Nr. IV A3-9863 d 13. Deutsches Museum,NL 111/141 [74] Atomforschung zwischen Sportplatz und Ten-nisstadion. In: Münchner Merkur, 29. Mai 1956[75] FRM. Der Forschungs-Reaktor München,München 1959, S. 10[76] Professor Dr. Maier-Leibnitz an Staatsministerfür Unterricht und Kultus Rucker, New York, 19.Juni 1956. Bayerisches Haupt-Staatsarchiv, StK114004[77] Stadt Garching, Archiv. Beschlußbuch derGemeinde Garching, 1955 - 1957. Niederschriftüber die außerordentliche Sitzung des Gemeinde-rates vom 16. Januar 1956, S. 28[78] Professor Dr. Maier-Leibnitz an Rektor derTechnischen Hochschule Professor Dr. Dr. Sauer,München, 3. Mai 1956, Archiv der TU München, V99, Bd. 1[79] Der geschreckte Zeitgenosse vor dem Atom-Ei. Münchner Merkur, 21. August 1957

[80] Verein Münchner Brauereien e.V., K. Messner,an den Ministerpräsidenten des Freistaates Bay-ern Dr. Wilhelm Hoegner, München, 6. Mai 1955.Bayerisches Hauptstaatsarchiv, StK 114004.[81] Das Atom-Ei auf der Garchinger Heide, Süd-deutsche Zeitung, 12./13. Januar 1957[82] Perutz Trockenplattenfabrik München GmbH,Freiherr von Gumppenberg, an den Ministerpräsi-denten des Freistaates Bayern Dr. Wilhelm Hoeg-ner, München, 25. April 1955. Bayerisches Haupt-staatsarchiv, StK 114004[83] Professor Dr. Heisenberg an StaatsministerProfessor Dr. Rucker, Göttingen, 4. Juni 1955.Bayerisches Hauptstaatsarchiv, StK 114004[84] Direktion Otto Perutz TrockenplattenfabrikMünchen G.m.b.H. an Hoegner, München14.2.1957. Bundesarchiv Koblenz, B 138/4897[85] Im „Atom-Ei“ an die Grenzen der Wissen-schaft. Süddeutsche Zeitung, 10. November 1967[86] So fing es an. In: Stern, Hamburg (1977) 15,S. 80[87] Landeshauptstadt München, Baureferat/1,Reg.Nr. 7480, gez. Fischer, an Regierung vonOberbayern, München, 12. November 1956.Bayerisches Hauptstaatsarchiv, HMK 67135[88] Koester, Lothar: Garching wird „Atom-Dorf“und Wissenschaftszentrum. In: Garching beiMünchen. Aus Gouniriching wurde Garching. Ge-meindechronik II. Band, Garching 1979, S. 119[89] Professor Dr. Maier-Leibnitz an Rektor derTechnischen Hochschule, München 8. September1959. Archiv der TU München, V 99, Bd. 3[90] Mattiesen, Heinz: Vom Pferdeomnibus bis zurUntergrundbahn. In: Schattenhofer, Michael(Hrsg.): 100 Jahre Münchener Straßenbahn, 1876- 1976. Vom Groschenwagen zur Untergrund-bahn, München 1976, S. 140f.[91] Ministerrat 30. August 1955. BayerischesHauptstaatsarchiv, StK 114004[92] Staatsminister Rucker an BundesministerStrauß, München, 28. März 1956, Nr. III 22214.Bayerisches Hauptstaatsarchiv, HMK 67135[93] zit. nach: Das Atomei wird zehn Jahre alt.Süddeutsche Zeitung, 10. November 1967[94] Bayern bekommt seinen Atommeiler. Süd-deutsche Zeitung, 23. August 1955[95] nach: So fing es an. Stern, Hamburg (1977)15, S. 76[96] Professor Dr. Maier-Leibnitz an KultusministerRucker, New York, 19. Juni 1956. BayerischesHauptstaatsarchiv, MK 67135[97] Im „Atom-Ei“ an die Grenzen der Wissen-schaft. Süddeutsche Zeitung, 10. November 1967 [98] Professor Dr. Maier-Leibnitz an KultusministerRucker, New York, 19. Juni 1956. BayerischesHauptstaatsarchiv, MK 67135[99] Professor Dr. Maier-Leibnitz an Dr. Poller-mann, München, 12. Dezember 1956. DeutschesMuseum, NL 111/ 002[100] Weingläser zerschellen am Riesen-Ei. Süd-deutsche Zeitung, 14. Januar 1956[101] In Garchings Au hat die Zukunft begonnen.Münchner Merkur, 14. September 1956[102] Das Atom-Ei auf der Garchinger Heide, Süd-deutsche Zeitung, 12./13. Januar 1957

[103] Koester, Lothar: Garching wird „Atom-Dorf“und Wissenschaftszentrum. In: Garching beiMünchen. Aus Gouniriching wurde Garching. Ge-meindechronik II. Band, Garching 1979, S. 119[104] Professor Dr. Maier-Lebnitz an Rektor derTH Professor Dr. Dr.-ing. Ernst Schmidt, Mün-chen, 16. Oktober 1956. Archiv der TU München,V 99, Bd. 1[105] Professor Dr. Maier-Leibnitz an BayerischesStaatsministerium für Unterricht und Kultus, Mün-chen, 8. April 1957. Deutsches Museum, NL111/141[106] Professor Dr. Maier-Leibnitz an Bundesmini-ster für Atomfragen, München, 23. Januar 1958.Deutsches Museum, NL 111/106[107] Professor Dr. Maier-Leibnitz, zit. nach DerStern, Hamburg Hamburg (1977) 15, S. 80[108] Professor Dr. Maier-Leibnitz an Rektor derTechnischen Hochschule Professor Dr. Dr.-ingErnst Schmidt, München, 28. März 1957. Archivder TU München, V 99, Bd. 1[109] Bescheid Staatsministerium des Inneren,München, 31. Januar 1958. Bayerisches Haupt-staatsarchiv, MInn 92 009[110] Die skurrille Zeugung des Münchner Atom-Eis. Süddeutsche Zeitung, 4. November 1982[111] zit. nach Edingshaus, Anne-Lydia: HeinzMaier-Leibnitz - Ein Jahrhundert experimentellePhysik, München/Zürich 1986, S. 143f. Uhrzeitkorrigiert, da bei Edingshaus falsch.[112] Professor Dr. Maier-Leibnitz an BayerischeStaatskanzlei, München, 2. November 1957. Deutsches Museum, NL 111/ 003.[113] Müller, Wolfgang D. (wie Anm. 24), S. 666[114] Bayerns Atomreaktor übergeben. Süddeut-sche Zeitung, 4. Februar 1958 und Müller (wieAnm. 24), S. 666[115] Professor Dr. Maier-Leibnitz an Dr. Max Pol-lermann, München, 1. Februar 1957. DeutschesMuseum, NL 111/ 002[116] Institut für Demoskopie. Allensbach am Bo-densee. Die Stimmung im Bundesgebiet: Deut-sche Atomforschung - allein oder gemeinsam. 4.November 1955. Institut für Zeitgeschichte, MS1003.004[117] So brav ist ein Atommeiler. SüddeutscheZeitung, 20. September 1955[118] Oha, gleich zwei. Eichstädter Volkszeitung,29. August 1955[119] In Garchings Au hat die Zukunft begonnen.Münchner Merkur, 14. September 1956[120] Heisenberg, Werner: Friedliche Atomtechnikin Westdeutschland. Süddeutsche Zeitung, 23.Dezember 1952[121] Pressestelle im Bayerischen Staatsministeri-um für Wirtschaft und Verkehr, 18. Dezember1953: München als Zentrum der Atomforschung.Stadtarchiv München, Nachlaß Bloch (NL Bloch),135 [122] wie Anm. 121[123] Leserbrief von Ing. Paul. Wurmann, Neuau-bing. In: Süddeutsche Zeitung, 7. Januar 1954

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[124] In der Rückschau sah Maier-Leibnitz dieMitwirkung an dieser Erklärung sehr kritisch. ImJahr 1985 schrieb er in einem Aufsatz: „Die Er-klärung der 18 Atomphysiker ist in der Erinnerungeher ein Trauma. Wir hatten erklärt, daß die Atom-waffen sehr viel gefährlicher sind, als die Regie-rung zu glauben schien, und daß ein kleines Landwie die Bundesrepublik Deutschland keine Verfü-gung über solche Waffen haben sollte. Und alswir glaubten, daß die Regierung darauf nichthören wollte, sind wir an die Öffentlichkeit gegan-gen. Der Erfolg war vollkommen, was die Verfü-gung über die Atomwaffen betrifft, und das Echoin der Öffentlichkeit war ungeheuer, aber es lief ineine ganz andere Richtung als die von uns beab-sichtigte. Wir waren plötzlich Marionetten in unsfremden politischen Auseinandersetzungen, undwir konnten nur froh sein, daß wir bald als darinunbrauchbar wieder fallen gelassen wurden. DieAussage über die Gefährlichkeit der Atomwaffenwar eine, zu der wir durch unsere Fachkenntnisberechtigt waren, aber sonst hatten wir die Gren-ze dessen, was nur der Wissenschaftler beitragenkann, überschritten.“ (zit. nach Edingshaus, Anne-Lydia: Heinz Maier-Leibnitz - Ein Jahrhundert ex-perimentelle Physik, München/Zürich 1986, S.141)[125] Professor Dr. Maier-Leibnitz an Professor Dr.Karl Ackermann, ABC-Abwehr-Schule Sonthofen,München, 18. Januar 1957. Deutsches Museum,NL 111/001 [126] Die skurrille Zeugung des Münchner Atom-Eis. Süddeutsche Zeitung, 4. November 1982[127] Wilhelm Joesch, 1. Vorsitzender AStA, anMinisterpräsident Dr. Wilhelm Hoegner, Tele-gramm F 179/168 18 1341, München, 18. Novem-ber 1955. Bayerisches Hauptstaatsarchiv, StK114004[128] Stadtarchiv München, RP vom 16. Februar1954[129] wie Anm. 128[130] Der erste Schritt ins Atomzeitalter. Münch-ner Merkur, 14. Januar 1957[131] Der geschreckte Zeitgenosse vor dem Ato-mei. Münchner Merkur, 21. August 1957 [132] Zit. nach: So fing es an. In: Stern, Hamburg(1977) 15, S. 80[133] Professor Dr. Maier-Leibnitz an Pfarrer Dr.Josef Hogger, München 12. April 1960. Deut-sches Museum, NL 111/ 012.[134] Beschlußbuch der Gemeinde Garching1955-57. Niederschrift über die außerordentlicheSitzung des Gemeinderates vom 16. Januar 1956,S. 28. Archiv der Stadt Garching[135] In der Isarau entsteht ein Badewannen-Re-aktor. In: Süddeutsche Zeitung, 23. Oktober 1956[136] Beschlußbuch der Gemeinde Garching1955-57. Niederschrift über die Sitzung des Ge-meinderates vom 9. November 1956, S. 63. Ar-chiv der Stadt Garching[137] Selbst für energieerzeugende Atomkraftwer-ke wurde mit einem Bild des Münchner „Atom-Eis“ geworben. (Auskunft Professor Dr. LotharKoester)[138] wie Anm. 111, S. 135

[139] Der erste Schritt ins Atomzeitalter. Münch-ner Merkur, 14. Januar 1957[140] Der geschreckte Zeitgenosse vor dem Ato-mei. Münchner Merkur, 21. August 1957[141] Die skurrile Zeugung des Münchner Atom-Eis. Süddeutsche Zeitung, 4. November 1982[142] Professor Dr. Maier-Leibnitz an Rektorat derTechnischen Hochschule, München, 14. Juli1959. Archiv TU München, V 99, Bd. 3.[143] Bratkartoffelmaschine war Schwindel, Süd-deutsche Zeitung, 19. Januar 1956[144] Walter Schal an Professor Dr. Maier-Leib-nitz, Tegernheim bei Regensburg, 19. April 1958.Deutsches Museum, NL 111/ 008[145] Die Ausführungen in diesem und den fol-genden Kapiteln stützen sich auf Angaben vonProf. Dr. L. Koester und Dr. W. Waschkowskisowie auf Aufzeichnungen im FRM[146] Führerschein für den Atom-Reaktor. Süd-deutsche Zeitung, 12. Juli 1958[147] Vorläufige Betriebsanweisung für den For-schungsreaktor München. 4. September 1958.Archiv TU München, V 99, Bd. 2[148] wie Anm. 147[149] Professor Dr. Maier-Leibnitz an Frau Abge-ordnete Maria Günzl, Landtag, München, 30. No-vember 1959. Deutsches Museum, NL 111/ 008 [150] Am Garchinger Atom-Ei ist nichts faul.Bayerische Staatszeitung, 10.8.1957[151] Prof. Maier-Leibnitz: „Vorschläge betreffendeinen Plan zur Entwicklung eines großen Kern-kraftreaktors für Bayern und Nutzbarmachungdes Münchner Forschungsreaktors für Forschun-gen zur Reaktorentwicklung“. München, 10. Sep-tember 1956. Deutsches Museum, NL 111/003[152] wie Anm. 60, S. 82[153] Professor Dr. Maier-Leibnitz an Professor Dr.K. Küpfmüller, Institut für Allgemeine Nachrichten-technik Darmstadt, München, 16. März 1960.Deutsches Museum, NL 111/ 010[154] Professor Dr. Maier-Leibnitz an Minister Dr.Balke, München 10. November 1958; Minister Dr.Balke an Professor Maier-Leibnitz, Bonn, 29. No-vember 1958; Professor Dr. Maier-Leibnitz an Mi-nister Balke, München, 5. Dezember 1958. Deut-sches Museum, NL 111[155] In einem Jahr wird der Atom-Reaktor gelie-fert. Münchner Merkur, 21. Juni 1956[156] Professor Dr. Maier-Leibnitz an Ministerialdi-rektor Dr. Bachl, Bayerisches Staatsministeriumfür Unterricht und Kultus, München, 22. August1957. Deutsches Museum, NL 111/ 003[157] Professor Dr. Maier-Leibnitz an Dr. Schlitt,Deutsches Atomforum e.V., Garching, 14. Juli1965. Deutsches Museum, NL 111/133[158] wie Anm. 111, S. 155[159] Professor Dr. Maier-Leibnitz an Export-ClubMünchen e.V., München, 3. Nov. 1958. DeutschesMuseum, NL 111/ 008[160] Schmidt-Rohr, U.: Erinnerungen an die Vor-geschichte und die Gründerjahre des Max-Planck-Institutes für Kernphysik, Heidelberg o.J.,S. 103-110

[161] Professor Dr. Maier-Leibnitz an Professor Dr.Lüders, Institut für Theoretische Physik, Mün-chen, 20. Mai 1960. Der Student Lamb hatte eineVorgängerarbeit erstellt. [162] wie Anm. 60, S. 92[163] wie Anm. 111, S. 134f.[164] wie Anm. 1[165] wie Anm. 1[166] Eßmann, Jürgen/Salander, Carsten: Stille-gung von kerntechnischen Anlagen. In: Michaelis,Hans/Salander, Carsten (Hrsg.): Handbuch Kern-energie. Kompendium der Energiewirtschaft undEnergiepolitik, Frankfurt a.M. 1995, S. 128[167] Technische Universität München, Projekt-gruppe FRM-II, Öffentlichkeitsarbeit (Hrsg.): FRM-II. Forschungsreaktor München. Neue Neutronen-quelle Garching, August 1994

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ImpressumHerausgeber:Technische Universität MünchenProjektgruppe FRM-II,Öffentlichkeitsarbeit85747 GarchingTel.: 089/289-12147Fax: 089/289-12162e-Mail: [email protected]

Autoren:Kapitel: „Mensch und Technik im Atom-Ei“Prof. Dr. Lothar Koester, GarchingDer Autor war ab 1. Oktober 1958 stellvertreten-der Direktor und vom 1. März 1960 bis 31. März1987 Technischer Direktor des FRMWeitere Kapitel:Dr. phil. Martin Pabst, Historiker, München

Redaktion:Gert von HasselWolfgang Waschkowski

Gestaltung:Bernd R. Maier, Konzept & Design

Computergraphik: teleDesign, München

Satz: Britta Eriskat, München

Druck:Fränkischer Tag, Bamberg

Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier

Oktober 1997

QuellenBayerischer Landtag, MünchenStenographische Berichte der Verhandlungen desBayerischen Landtages, 1954 - 1958, 1958 - 1962 nebst Beilagen (StB)

Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München (HStA)Staatskanzlei (StK)Atomangelegenheiten, Atomkomission (112 939 - 965)Wissenschaft und ForschungAtomreaktor (114 004)Atomforschung (114 005 - 009)WirtschaftsministeriumKernenergie (114 666)Innenministerium (MInn)Errichtung Forschungsreaktor (92 008, 92 009)Kultusministerium (MK)Technische Universität MünchenReaktorstation Garching (66 922)Bau Atomreaktor, Personalwesen, Vorschriftenetc. (67 135ff.)

Bundesarchiv Koblenz (BA)Bundesministerium für Atomfragen (Bestand 138)

Deutsches Museum, München, ArchivNachlaß NL 80 GerlachAtomenergie und radioaktiver Fall-out (142)Atomenergie und Atombombe I (143)Desgl. II (144)Bundesministerium für Atomfragen, Sonderaus-schuß Radioaktivität (260)Zeitungsausschnitte, v.a. zur Atomfrage (341)Korrespondenz A - Z (401 - 437)Briefdurchschläge Gerlach (019, 028)NL 111 Maier-LeibnitzWissenschaftliche und persönliche Korrespon-denz (001 - 012)Schutzkommission, Bayerische Staatliche Kom-mission (102 - 105)Bundesminister für Atomfragen (106 - 124)Forschungsreaktor Grenoble (125)Bundesminister für Wissenschaft u. Forschung(126 - 131)Diverses zu Reaktoren, Geschichte des Versuchs-reaktors Garching (132 - 147)Reaktor-Sicherheitskommission (148 - 153)

Institut für Zeitgeschichte, München (IfZ)ManuskriptePressesammlungDruckschriftensammlung von Behörden, Parteienund VerbändenSchriftgutsammlung von Behörden, Parteien undVerbänden

Stadtarchiv GarchingProtokollbücher des Gemeinderates

Stadtarchiv München (StadtAM)Archiv Bloch (NL Bloch)Ratsitzungsprotokolle (RP)

Technische Universität, München ArchivForschungsreaktor Garching (V99, Bd. 1-3)

FotonachweisMünchner Illustrierte, 28.9.1957Seiten 19/55

Quick, 26.7.1958Seite 13

Bilderdienst Süddeutscher VerlagSeiten 18/19/22/23/34/50

Deutsches Museum, MünchenSeiten 17/20/21/37/38/40/41/42/53/57/58/70

Gemeindeverwaltung GarchingSeiten 30/31/47

TUMSeiten 34/51/52/53/55/56/59/60/62/66/67/68/69/70/73/74/75/76/77/78/79/80/81/84/85

„Die Bautechnik“ Jan. 1958Der Münchener Atomreaktor von F. BroschSeite 50

BMW AG, MünchenSeite 68/69

Jaeger & GoergenSeite 39

Presse- und Informationsdienst derBundesregierungDeutschland im Wiederaufbau 1958Seite 28

Stadtarchiv der Landeshauptstadt MünchenSeiten 39/78

Staatskanzlei, MünchenSeite 24

Bayerisches Hauptstaatsarchiv, MünchenSeite 45

Übrige BilderFRM, Reaktorstation Garchingund privat

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Ein Prosit auf die Zukunft