7 Magazin für Architektur, Bauen und Gesellschaft ... · die erste Computer-Diskette auf den...

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Das Jahr 1969 | Unser Gründungsjahr Gemeinsam immer besser werden | Wie Cluster wirken Raus mit euch! | Stadtentwicklung und die Mobilität der Zukunft Jubiläum! bau zeit Magazin für Architektur, Bauen und Gesellschaft | Frühjahr / Sommer 2019

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Das Jahr 1969 | Unser Gründungsjahr

Gemeinsam immer besser werden | Wie Cluster wirken

Raus mit euch! | Stadtentwicklung und die Mobilität der Zukunft

bau |

zeit

Jubiläum!

bau zeit

Magazin für Architektur, Bauen und Gesellschaft | Frühjahr / Sommer 2019

EditorialLiebe Leserinnen und Leser,

eigentlich wollten wir uns in dieser Ausgabe der „bau|zeit“ dem Thema „Mut“ widmen und auch die Berichte über unser 50-jähriges Unternehmensju-biläum unter dieses Motto stellen. Doch wir haben uns anders entschieden: „Mut“ folgt als Leitthema im Herbst – und die aktuelle „bau|zeit“ ist eine waschechte Jubiläumsausgabe.

Der Grund: Das Attribut „Mut“ allein wird unserer Unternehmensgeschichte nicht gerecht. Zwar gehörte für meinen Vater ganz sicher auch eine gehörige Portion Mut dazu, als er 1969 zum Unternehmensgründer wurde. Übrigens auch für meine Mutter, die mit ihrem Gehalt als Lehrerin für ihn bürgte.

Doch in den vergangenen fünf Jahrzehnten trugen auch viele andere Faktoren zum Wachstum des Unternehmens bei. Und ganz sicher zählte auch Glück dazu. Denn nicht alles liegt in unserer Hand – und wir tun gut daran, uns dessen hin und wieder zu erinnern.

Herzlichst

Jörg-Uwe Goldbeck

50Im Jahre 50 vor Christus ist ganz

Gallien von den Römern besetzt. „Ganz

Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen

Galliern bevölkertes Dorf hört nicht

auf, dem Eindringling Widerstand zu

leisten.“ So beginnen die Abenteuer

von Asterix, dem Gallier.

Was haben Dromedar, Fledermaus und Bär

gemeinsam? Sie erreichen eine Geschwin-

digkeit von 50 Kilometern pro Stunde. Der

Mensch schafft etwa 36.

In jeder Zelle unseres Körpers sorgen die Mitochondrien

wie Minikraftwerke für die nötige Energieproduktion –

mit bis zu 50 Grad Celsius Betriebstemperatur.

Tischtennis: Bei einem per-

fekten Topspin dreht sich der

Ball 50 Mal pro Sekunde um

die eigene Achse.

17 Minuten Yoga verbrennen

50 Kilokalorien.

Das Sammelgebiet eines

Bienenvolkes erstreckt sich auf

etwa 50 Quadratkilometer.

Vor 50 Jahren bringt IBM

die erste Computer-Diskette

auf den Markt.

Die Chinesin Liu Hong schafft

im März dieses Jahres als erste

Frau die 50 Kilometer Gehen in

weniger als vier Stunden.

Spätestens mit 50 Jahren

hat die Hälfte der Menschen

mindestens 50 Prozent

graue Haare auf dem Kopf.

Vor 50 Jahren betritt der erste Mensch

den Mond, wird der Berliner Fernsehturm

am Alexanderplatz eröffnet und spielen die

Beatles ihr letztes öffentliches Konzert auf

dem Dach der Apple-Studios in der

Londoner Savile Row.

Die Nashörner im Duisburger Zoo fressen

täglich 50 Kilogramm Heu, fünf Kilogramm

Hafer, drei Kilogramm Pellets, zwei Kilogramm

Möhren und ein Kilogramm Äpfel.

2 3E DI TO RI A L

6

Das Jahr 1969Unser Gründungsjahr

T I T E LT H E M A

26 Ein Geschenk für Bielefeld

Das Ortwin Goldbeck Forum

12 Ortwin Goldbeck

Ein Lebenswerk – und die

Persönlichkeit dahinter

14 Raus mit euch!

Stadtentwicklung und die Mobilität

der Zukunft

18

Hoch hinausFlächenmangel erfordert kreative Ideen in der Logistik

BAU E N

2250 Digitale Zwillinge –

Konzeption und Nutzen

Kommentar von Prof.

Dr. Reinhold Decker

34 Gemeinsam immer besser werden

Wie Wirtschaftscluster wirken

48

Die Super-Twins Was digitale Zwillinge möglich machen

G E S E L L SC H A F T

Barbarisch oder göttlich?

Die Gotik – kongeniale Architektur

und fortschrittlicher Baubetrieb

40

Happy birthday, Bauhaus!100 Jahre Bauhaus

A RC H I T E K T U R

44 Das Prinzip Goldbeck

Unsere Standorte Rhein-Neckar und

Wien stellen sich vor

30

EnergiewendeAuf den cleveren Mix kommt es an

M Ä R K T E

Inhalt4 5I N H A LT

DASJAHR1969

Als Ortwin Goldbeck vor 50 Jahren unser

Unternehmen gründete, war einiges los auf

der Welt. Die Mondlandung war wohl das

beeindruckendste Ereignis des Jahres. Im

deutschen Fernsehen liefen zum ersten Mal

die Hitparade und „Urmel aus dem Eis“, in

Woodstock feierte die Hippie-Bewegung ih-

ren Höhepunkt und Willy Brand war Bun-

deskanzler. Und in Ostwestfalen? Sehen Sie

selbst! Auf den kommenden Seiten heißen

wir Sie herzlich willkommen zu einer kleinen

Zeitreise in unser Gründungsjahr! ►Am 21. Juli 1969 betraten die ersten Menschen

den Mond: Neil Armstrong und Buzz Aldrin.

6 7T I T E LT H E M A

Willy Brandt bei seiner Vereidigung. Der SPD-Politiker war von 1969 bis 1974 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. In der sozialliberalen Ko-alition geht er den Weg der Versöhnung und Entspannung mit den Staaten des Warschauer Paktes.

Dafür gab’s ein Extrablatt: Die Universität Bielefeld wurde 1969 als sogenannte „Reformuniversität“ gegrün-det, an der interdisziplinär gearbeitet werden sollte. Das zeigt sich auch in der Architektur: Die zentrale Halle verbindet alle Fakultäten räumlich miteinander. Der Lehrbetrieb begann im November 1969 mit den drei Fakultäten Mathematik, Rechtswissenschaft und Soziologie.

Obwohl relativ dicht besiedelt, hat Ostwest-falen in den sechziger Jahren einen ländlich geprägten Charakter.

Der Jahnplatz im Herzen Bielefelds: Kaufhaus, Käfer und Konsum. Damals hatte Bielefeld etwa 170.000 Einwohner, heute sind es über 330.000. Zum rasanten Wachstum trugen vor allem Eingemeindungen bei.

1969 dauerte es noch genau ein Jahr, bis der DSC Arminia Bielefeld sich zum ersten Mal in die Bundesliga gekämpft hatte: Nach einem zweiten Platz in der Regionalliga setzte sich der Club in der Aufstiegsrunde gegen den Karlsruher SC, den SV Alsenborn, TB Berlin und den VfL Osnabrück durch.

8 9T I T E LT H E M A

Mut zum Mini, Mut zur Farbe: Die Mode Ende der 60er Jahre wurde immer bunter. Die Engländerin Mary Quant hatte 1962 den Minirock erfunden – er eroberte die Mode-welt im Sturm.

Sergio Leones Film „Spiel mir das Lied vom Tod“ traf den Nerv der Zeit und war in Deutschland der mit Abstand meistbesuchte Kinofilm des Jahres 1969. Henry Fonda spielt den eiskalten Killer Frank.

Kindheit in den 60er Jahren: Fast ein Drittel der Bevölkerung ist jünger als 20 Jahre. Der durchschnittliche Brut-tomonatsverdienst vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer liegt in der Bundesre-publik bei 513 DM. 61 Prozent aller Haushalte verfügen über eine Wasch-, zwei Prozent über eine Spülmaschine.

1969 flog sie zum ersten Mal: Die Aérospa-tiale-BAC Concorde 101/102 – kurz „Con-corde“ – war das erste Überschall-Passa-gierflugzeug im Linienflugdienst. Sie war von 1976 bis 2003 im Einsatz und schaffte die Strecke von Paris nach New York in etwa drei Stunden.

Die Anfänge des Unternehmens Goldbeck: Fertigung von Stahlkonstruktionen für den Hallenbau in der ersten Werkshalle.

Dieser junge Mann – frisch verheiratet, Unter-nehmensgründer – hat die Zukunft fest im Blick: Ortwin Goldbeck im Alter von 30 Jahren.

10 11T I T E LT H E M A

Ortwin Goldbeck

Ein Lebenswerk – und die Persönlichkeit dahinter

Sie verkörpern einen Unter-nehmer im vorbildlichen Sinne – den Menschen zu-gewandt, persönlich enga-giert in vielen gesellschaft-

lichen Bereichen und mit einem großen sozialen Verantwortungsbewusstsein“, so charakterisierte Rudolf-August Oetker seinen Bielefelder „Nachbarn“ Ortwin Goldbeck an dessen 70. Geburts-tag. Goldbeck war in seiner langen Kar-riere nicht nur Unternehmensgründer und -führer, sondern auch Verwaltungs-ratschef der von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, Vorsitzender der Westfälisch-Lippischen Universitäts-gesellschaft und Präsident der Biele-felder IHK – und das sind nur einige seiner Ehrenämter. Anlässlich seines 80. Geburtstags gratulieren wir ihm von Herzen – und werfen auch einen Blick auf den Menschen Ortwin Gold-beck. Wir haben ihn gebeten, sich eini-gen Punkten des Fragebogens, den die

„Frankfurter Allgemeine“ über Jahre von bekannten Persönlichkeiten ausfüllen ließ, zu widmen.

Wo möchten Sie leben?

In Bielefeld! Hier bin ich geboren, hier mag ich die Menschen und die Landschaft vom Teutoburger Wald bis zur Senne. Es ist mein Zuhause.

Was ist für Sie das vollkommene

irdische Glück?

Harmonie. In der Familie, im Un-ternehmen – wenn die Menschen friedlich zusammenleben. Außerdem: Freiheit im Denken und Handeln.

Was ist für Sie das größte Unglück?

Der Verlust eines nahestehenden Menschen, Krieg.

Wer ist Ihr Lieblingsmaler?

Die Expressionisten.

Wer ist Ihr Lieblingskomponist?

Ludwig van Beethoven.

Welche Eigenschaften schätzen

Sie an einer Frau am meisten?

Verständnis, Vertrauen, Mitmensch-lichkeit, Heiterkeit.

Welche Eigenschaften schätzen

Sie an einem Mann am meisten?

Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit, Fairness, Vertrauen.

Ihre Lieblingstugend?

Die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.

Ihre Lieblingsbeschäftigung?

Konstruieren, Nachdenken, Wandern.

Wer oder was hätten Sie

gern sein mögen?

Erfinder, Entdecker oder Unterneh-mer wie Robert Bosch oder Werner von Siemens.

Ihr Hauptcharakterzug?

Vertrauen in meine Mitmenschen, Verantwortungsbewusstsein.

Was schätzen Sie bei Ihren

Freunden am meisten?

Vertrauen und die Fähigkeit mitzufühlen.

Ihr größter Fehler?

Im Laufe meines Lebens hin und wieder jemanden ungerecht behandelt zu haben.

Ihr Traum vom Glück?

Frei und unabhängig reden und handeln zu können. Verantwortungs-voll mit Freiheit umgehen zu können. Innerer und äußerer Frieden.

Was möchten Sie sein?

Unternehmer!

Ihre Lieblingsfarbe?

Blau.

Ihre Lieblingsblume?

Rose.

Ihr Lieblingsvogel?

Amsel. Und Lerche.

Ihr Lieblingsschriftsteller?

Theodor Fontane.

Ihr Lieblingslyriker?

Theodor Fontane, Eduard Mörike, Joseph von Eichendorff, Johann Wolf-gang von Goethe, Friedrich Schiller.

Ihre Helden der Wirklichkeit?

Die Mütter, die im Zweiten Weltkrieg mit ihren Kindern flüchten mussten.

Ihre Lieblingsnamen?

Felix und Julia.

Was verabscheuen Sie am meisten?

Pessimismus, Mutlosigkeit, Unzuverlässigkeit.

Welche geschichtlichen Gestalten

verabscheuen Sie am meisten?

Hitler, Napoleon.

Welche Reform bewundern Sie am

meisten?

Die Reformation.

Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?

Positiv: Für mich ist das Glas immer halb voll.

Ihr Motto?

„Wer schaffen will, muss fröhlich sein.“ Und verantwortungsbewusst mit seiner Freiheit umgehen.

„Wer schaffen will, muss fröhlich sein.“Theodor Fontane

Ortwin Goldbeck am 1. 4. 2019, seinem

80. Geburtstag, am Unternehmens-

stammsitz in Bielefeld

12 13T I T E LT H E M A

Erste Modellstadtteile wer-den bereits geplant – zum Beispiel im Hamburger Bezirk Bergedorf. Im Südosten der Hansestadt

entsteht in den kommenden 15 Jahren rund um die S-Bahnstation Allermöhe der neue Stadtteil Oberbillwerder. Laut Masterplan werden auf dem etwa 120 Hektar großen Areal bis zu 7.000 neue Wohnungen errichtet. Zudem finden dort künftig Schulen, Parks für Erho-lung und Sport sowie Kindertagesstät-ten und soziale Einrichtungen Platz. Alle Gebäude sollen dann an einem Grüngürtel liegen und problemlos ohne Auto erreicht werden können.

Zur Waren- und Paketannahme richten die Stadtplaner City- und Mo-bilitätszentren ein, öffentliches und privates Parken ist dann in mehreren Quartiersgaragen möglich.

„Der Trend zur weitgehend autof-reien Innenstadt wird sich fortsetzen“, ist sich Stephan Pieper, Geschäftsführer der Goldbeck Parking Services GmbH (GPS) sicher. „Außerhalb der städti-schen ‚Naherholungsgebiete‘ wird der individuelle motorisierte Verkehr aber genauso weiterfließen wie bisher“, so Pieper und ergänzt: „Es spricht nichts dafür, dass Autos aus dem gesellschaft-lichen Leben verschwinden.“

Die 2018 veröffentlichte Studie „Mobilität in Deutschland 2017“ – in Auftrag gegeben vom Bundesministeri-um für Verkehr und digitale Infrastruk-tur (BMVI) – unterstützt diese These.

Seit 2002 hat sich die Verkehrsmit-telwahl der Deutschen nicht verändert, Abweichungen von wenigen Prozent-punkten ausgenommen. Dass die Ver-teilung in den kommenden 15 Jahren grundlegend auf den Kopf gestellt wird, erscheint unrealistisch.

Das hängt auch damit zusammen, dass der ländliche Raum von modernen In-frastrukturkonzepten (noch) weitge-hend ausgeschlossen ist. Denn genau dort fehlt der öffentliche Nahverkehr, zumindest einer, der als ernsthafte Al-ternative für den Automobilverkehr herhalten kann. „In den Innenstädten leben vor allem junge Leute, die oft kein Auto besitzen. Dasselbe gilt für Rentner, die in die Zentren ziehen, um von der besseren Infrastruktur zu pro-fitieren. Familien hingegen leben in der Regel am Stadtrand oder in den

„Speckgürteln“ der wirtschaftlich star-ken Regionen“, so Pieper. Für Niklas Merk, vormals Pressesprecher des Carsharing-Anbieters Drive Now und seit Kurzem des neuen Joint Ventures Share Now (dazu später mehr), ist die Quote der Autobesitzer auch in den Städten noch viel zu hoch: „Es gibt zudem viel zu viele Stadtbewohner, die zusätzlich ein Zweitauto besitzen. Die Vision muss sein, weniger Autos und damit weniger Parkraum in Anspruch zu nehmen. Wir brauchen mehr Grün-flächen und weniger Parkflächen.“

Zudem ist Merk davon überzeugt, dass sich die Anzahl von Privatautos auch auf dem Land reduzieren lässt, vor allem, sobald sich das autonome Fahren durchgesetzt hat. „Für Bewoh-ner, die am Stadtrand oder auf dem Land leben, könnte das vollautonome Fahren völlig neue Möglichkeiten er-öffnen. Sie könnten sich beispielsweise von einem vollautonomen Auto eines Carsharing-Anbieters abholen und wie-der nach Hause bringen lassen und somit auf ein eigenes Auto verzichten. Darüber hinaus gibt es auch heute schon Carsharing-Anbieter auf dem Land und erste Versuche mit Carpooling und Sam-melbussen.“ ►

Mobilität der Zukunft: Werden Autos in der City künftig zu Exoten?

Grüne Innenstädte, frische Luft, viel Raum für Bewegung und städtisches

Leben: Moderne Stadtentwicklungskonzepte kommen ohne motorisierte

Fahrzeuge in den Zentren aus.Raus mit euch!

14 15BAU E N

Zwar glaubt Pieper nicht, dass sich die Anzahl der Autos drastisch reduzieren lässt, doch er unterstützt den Ansatz Merks, die Frage nach der Mobilität der Zukunft eng mit dem Thema Parken zu verknüpfen. Sowohl der GPS-Geschäfts-führer als auch der Share Now-Presse-sprecher plädieren dafür, die Parkplatz-suche intelligenter zu machen. Was sie an dieser Stelle noch nicht verraten: Auch der Parkvorgang wird sich verän-dern. Doch dazu später mehr.

Konzentrieren wir uns zunächst noch einmal auf die Gegenwart. Denn auch in ihr steckt ein gewaltiges Stück Zukunft. Zum Beispiel in Wien. Für das Sonnenwendviertel im 10. Wiener Gemeindebezirk ist Goldbeck Parking an einem Mobilitätskonzept beteiligt, das es in sich hat. Grundlage ist die Kooperation vieler verschiedener (Mo-bilitäts-)Dienstleister - zum Beispiel Carsharing-Anbieter, Stadtentwickler, Landschaftsarchitekten, Parkflächen-betreiber, Parkhausbauer und Fahrrad-verleihe. Alle diese Dienste lassen sich

über eine gemeinsame Mobilitätskarte buchen. Ziel ist es, den Verkehr nach-haltig zu gestalten und Räume für neues städtisches Leben zu erhalten.

Ähnliches ist für ein weiteres Wie-ner Viertel geplant, die Leopoldau im Bezirk Florisdorf. Auch hier sollen Anwohner in naher Zukunft eine ge-meinsame Plattform – in diesem Fall eine App – nutzen, um Autos zu mieten, Parkplätze zu reservieren, eine digitale Straßenkarte zu nutzen oder Tickets für den öffentlichen Nahverkehr zu ordern. Außerdem werden Mobilitäts-hubs und Cruise-Stationen mit E-Bikes eingerichtet. Es gibt Vergünstigungen bei Car-Sharern, beim angebundenen Handel und sogar beim Erwerb von Einkaufstrolleys. Und wer den neuen Stadtteil bezieht, darf sich kostenlos einen Umzugstransporter leihen.

Apropos „eine Plattform für alles“: Ausgerechnet die beiden großen Wettbe-werber BMW und Daimler bündeln ihre Mobilitätsdienste und machen mit der Gründung von fünf Joint Ventures ge-meinsame Sache. Unter anderem wird aus Drive Now und Car2Go ein neu-er Carsharing-Anbieter namens Share Now. Der Verbund umfasst zudem die Unternehmen Reach Now (Multimo-dal), Charge Now (Charging), Free Now

(Ride-Hailing) und Park Now (Parking). Für den Kunden bedeutet dies bestmög-liche Vernetzung und geballte Expertise aus einer Hand. Relevante Ziele des Zusammenschlusses: den Parkplatz-mangel in den Innenstädten bekämpfen, die regionalen Umweltbelastungen ver-ringern und die nächsten Schritte für die Mobilität der Zukunft einläuten.

„Um die Bürger vom Verzicht auf das eigene Auto zu überzeugen und die Verkehrsprobleme in Städten zu lösen, brauchen wir umfassende Lösungen. Mit gemeinsamen Mobilitätsdienstleis-tungen geben wir Antworten auf die derzeitigen und künftigen Mobilitäts-ansprüche, insbesondere in Metropo-len“, erklärt Merk.

Die Planungen für Oberbillwerder, Sonnenwendviertel und Leopoldau sind zwar noch nicht abgeschlossen, aber in der Endphase. Dass diese neuen städtebaulichen (Mobilitäts-)Konzepte umgesetzt werden, steht außer Frage. Sie bestätigen den Trend zur autoredu-zierten Innenstadt.

Wir nehmen also endgültig an, dass der individuelle motorisierte Verkehr in der Stadt künftig zurückgehen wird. Ob wir dann Parkräume an den Stadträn-dern oder Mobilitätszentren in den Bal-lungsgebieten nutzen werden, ist noch

nicht absehbar. Vielleicht handhaben es manche Städte so und manche anders. Viel spannender ist allerdings das, was Stephan Pieper und Niklas Merk an vor-angegangener Stelle noch nicht verraten haben: dass sich der Parkvorgang grund-legend verändern wird – spätestens mit dem eigenen autonom fahrenden Auto.

Die Kooperation SynCoPark (www.syncopark.de), bestehend aus Wissen-schaftlern der TU Braunschweig sowie verschiedenen Industriepartnern, be-schäftigt sich intensiv mit dem Thema Parken der Zukunft. Als einer der nam-haften Projektpartner hat Goldbeck ei Testparkhaus realisiert, das nun nach und nach mit digitaler Infrastruktur aus-gestattet wird. Ziel des Projekts „SynCo-Park“: Parkvorgänge in verschiedenen Automatisierungsgraden zu standardi-sieren, um autonomes Parken flächen-deckend verfügbar zu machen. Dabei dient das neue Parkhaus als Testfeld für Parkvorgänge mit speziell ausgerüsteten Forschungsfahrzeugen.

Und so könnte sich das autonome Parken in der Zukunft gestalten: Der Autofahrer stellt sein Fahrzeug in einer Abholzone ab, beispielsweise an der Stadtgrenze. Während er in die Stadt pendelt, zum Beispiel mit dem ÖPNV oder einem autonom fahrenden Taxi,

bewegt sich der zuvor geparkte Wagen automatisch in ein Parkhaus. Bei der Einfahrt wird ihm angezeigt, welcher Parkplatz frei ist. Dort stellt er sich selbständig ab. In einer Abholzone hin-ter dem Parkhaus kann der Fahrer sein Auto später wieder in Empfang nehmen. Ein paar Hausaufgaben sind bis dahin noch zu erledigen, insbesondere was die Qualifizierung und Zertifizierung der digitalen Infrastruktur im Parkhaus und in den Fahrzeugen sowie die Kom-munikation untereinander angeht.

Wir dürfen also weiterhin gespannt sein, wie die Mobilität der Zukunft aus-sehen wird. Gibt es bereits in wenigen Jahren autofreie Innenstädte? Schaffen wir Naherholungsgebiete mitten in der Stadt? Und wie verändert sich Mobi-lität in ländlichen Regionen? Sicher ist – und da sind sich fast alle Experten einig: Autos werden in näherer Zukunft autonom fahren und parken (dürfen).

„Zwischen 2025 und 2030“, vermutet Pieper, wird es soweit sein und „wir sind dabei, diesen Trend für die Zu-kunft aktiv mitzugestalten.“ ■

„Es spricht nichts dafür,

dass Autos aus dem

gesellschaftlichen Leben

verschwinden.“

Stephan Pieper, Geschäftsführer der Goldbeck Parking Services

Wenn Parken wenig Fläche einnehmen soll, spielen

Parkhäuser eine wichtige Rolle. Immer mehr werden

mit Ladesäulen für E-Mobilität ausgestattet.

Verkehrsmittelwahl (Anteil an allen Wegen) Quelle: BMVI

Fahrrad

Auto (Mitfahrer)

Öffentlicher Verkehr

Auto

Zu Fuß

22%10%

14%

43%

11%

24%

8%

15%

43%

10%

23%

8%

16%

4 4 %

9%

2017

2008

2002

Das Sonnwendviertel: Auf rund 3,9 Hektar

im 10. Wiener Gemeindebezirk entlang der

Sonnwendgasse sollen 5.000 Wohnungen

entstehen – für Nachhaltigkeit sorgt auch

ein durchdachtes Mobilitätskonzept

16 17BAU E N

Flächen für Logistik sind knapp. Definieren wir einen Kreis mit einem Durchmesser von 80 Ki-lometern und teilen ihn

in vier Ringe, von denen Ring 1 (R1) die Innenstadt darstellt, Ring 2 (R2) das äußere Stadtgebiet, Ring 3 (R3) den Speckgürtel und Ring 4 (R4) eine Region weit außerhalb, so stellen wir wenig überraschend fest: Das Problem verschärft sich, je näher die Hallen mit-samt ihrer gesamten Infrastruktur an Ballungsräume rücken.

Der Innenstadtkern ist weitgehend logistikfrei, abgesehen von kleineren Paketverteilstationen. Großflächige Ver-teilerzentren befinden sich in der Regel dort, wo noch ausreichend Fläche vor-handen ist – in R4. Auf der Suche nach Gründen und (möglichen) Lösungen für den Flächenmangel begeben wir uns also auf eine Reise in Richtung R2 und R3. Und hier machen wir drei Parameter ausfindig:

1. Letzte Meile

Der Online-Versandhandel boomt. Nach Angaben des Bundesverbandes E-Com-merce und Versandhandel (bevh) stieg im Jahr 2018 der Brutto-Umsatz mit Waren im Online- und klassischen Ver-sandhandel um über elf Prozent auf 65,1 Milliarden Euro. Und das trotz nahen-dem Brexit, globaler Handelskonflikte und Koalitionskrach in Deutschland. Christoph Wenk-Fischer, Hauptge-schäftsführer des bevh, weiß, bei wem er sich für die Umsätze zu bedanken hat:

„Dass trotz dieser Zuwächse die Zustel-lung weitgehend problemlos funktio-nierte, ist der Leistung der Mitarbeiter in den Logistikzentren und Zustellor-ganisationen zu verdanken.“ Was er nicht erwähnt: Der Verbraucher erwartet besten Service – heute bestellt, morgen geliefert. Die sogenannte „letzte Meile“ gilt daher als Königsdisziplin der Lo-gistik, insbesondere der KEP-Dienste (Kurier-, Express- und Paketdienste) und seit Neuestem auch der Lebens-mittelhändler, die ihre Ware frisch in die Haushalte liefern. Gemeint sind die letzten Meter vom Verteilzentrum bis in die Privathaushalte. Lange, be-schwerliche Wege sind teuer und kos-ten Zeit. Daher heißt es für DHL, UPS, DPD, Hermes und Co.: Ab in die City! Am liebsten natürlich in R1. Noch ist hier der Platz allerdings nicht gege-ben, obgleich es durchaus Prognosen gibt, die besagen, dass der stationäre Handel weiter abnehmen wird und die frei gewordenen Warenflächen dann als Umschlagplätze für KEP-Dienste

genutzt werden können. Doch so weit sind wir noch nicht. Aktuell streiten sich die großen KEPs um die besten Flächen in R2, vier bis zwölf Kilome-ter vom Stadtkern entfernt, zwischen ebendiesem und dem Autobahnring. Die Logistikhallen dort sind in der Regel reine Umschlag- und keine Lagerplätze. Das große Problem: In Mischgebieten, in denen Industrie auf Wohnen trifft, sind die Flächen ohnehin knapp. Mit dem Erfolg der KEPs und dem daraus hervorgehenden Bedarf wird aus der Knappheit ein Mangel.

2. Wirtschaftlicher Aufschwung

So banal es klingt: Dank der guten wirtschaftlichen Lage in Deutschland wächst der Konsum, somit die Nach-frage und dementsprechend das An-gebot. Zahlen des Handelsverbandes Deutschland besagen, dass der deutsche Einzelhandel im Jahr 2018 90 Milliar-den Euro mehr Umsatz gemacht hat als zehn Jahre zuvor. Und wenn es mehr Angebot gibt, müssen noch mehr ►

Flächenmangel erfordert kreative Lösungen. Insbesondere in stadtnahen

Gebieten gibt es kaum noch freie Bauflächen. Für die boomende Logistik-

branche ist das eine echte Herausforderung. Was tun?

HOCH HINAUS

Ring 1 Stadtzentrum, Cityring

Ring 2 Äußeres Stadtgebiet, Autobahnring

Ring 3 Speckgürtel

Ring 4 Logistikregion außerhalb

Logistikregion

Autobahnen

R4

R1(Innen-) Stadtring

R2

R3

Durchmesser: 80 km

R1

R2

R3

R4

Doppelstöckige Logistikhalle

für beeline, Köln

1918 BAU E N

Waren gelagert und verteilt werden. „In R3 siedeln sich gerne die Einzel- und vor allem Lebensmittelhändler mit ihren Verteilzentren an“, erklärt Kevin Suplie, Produktmanager Hallen bei Goldbeck. „Also zum Beispiel die Aldis, Lidls oder Normas ohne Liefer-service.“ Die Speckgürtel sind insbeson-dere aufgrund der meist vorzüglichen Verkehrslage beliebt. Hier neue Flächen zu erschließen ist schwierig, aber (noch) nicht unmöglich. Dabei liegt das Prob-lem vor allem in der großen Konkurrenz – siehe wirtschaftlicher Aufschwung.

3. Erweiterungen

Wer anbauen möchte oder muss, der hat eigentlich Grund zur Freude. Denn das bedeutet ja, dass die Geschäfte lau-fen. Er hat allerdings auch ein Prob-lem. Denn in den seltensten Fällen sind rechts und links vom eigenen Grund-stück Freiflächen vorhanden. Während Logistiker im größten Notfall umziehen könnten, zum Beispiel nach R4, ist das für produzierende Unternehmen nicht so einfach. Der Aufwand, das gesamte Equipment inklusive schwerster und teilweise fest verankerter Maschinen fortzubewegen, wäre enorm.

Die Herausforderungen sind für Logistiker und produzierende Unter-nehmen gleichermaßen groß wie für Hallenbauer und Städteplaner. Vor al-lem in den Mischgebieten R2 und R3 gibt es neben der Flächenerschließung Parameter zu beachten, die in R4 so nicht zum Tragen kommen. Das betrifft insbesondere Schallschutz und Ver-

kehrsführung, aber auch Landschafts-gestaltung und Architektur. Denn längst haben es Stadt entwickler zur Bedin-gung gemacht, dass Hallen nicht nur funktional sein müssen, sondern auch architektonisch in die Umgebung pas-sen. Hier sind vor allem die Architekten der ausführenden Bauunternehmen gefragt, in Zusammenarbeit mit Bauher-ren und Landschaftsplanern geeignete Lösungen zu finden. Wer Logistik- und Produktionsstätten in stadtnahen Gebie-ten beobachtet, wird feststellen, dass bereits viele Hallen optisch in die je-weilige Umgebung integriert sind.

Also: Was tun gegen den Flächen-mangel? Resignieren, aufgeben? „Na-türlich nicht“, sagt Suplie, „wir müs-sen einfach kreative Lösungen finden.“ Wer auf die „letzte Meile“ und damit kurze Wege zum Endverbraucher an-gewiesen ist, wird nicht freiwillig aufs platte Land ziehen. „Wenn rechts und links kein Platz mehr ist, wenn vor-ne Bahnschienen langführen und sich hinten ein Fluss schlängelt, dann gibt es immer noch eine Richtung: nach oben.“ Mehrstöckige Gewerbehallen für einen oder sogar mehrere Kunden sind in den großen Metropolen Asiens schon Standard.

Und auch in Deutschland setzt sich die Idee immer mehr durch. Zu beob-achten unter anderem in Metzingen,

wo Goldbeck für Hugo Boss eine zwei-geschossige Logistikhalle realisiert hat. Oder in Köln für das Modeschmuck-unternehmen beeline. „Eine mehrge-schossige Halle zu bauen, ist durchaus mit Herausforderungen verbunden. Wir bilden das aber sehr gut in unserem System ab“, erklärt Suplie und ergänzt:

„Die Besonderheiten betreffen Brand-schutz und Tiefbau, vor allem aber die Erschließung der Stockwerke.“ Um das zu meistern, bietet Goldbeck je nach Kundenwunsch verschiedene Modu-le an. Es gibt Hublösungen für Waren und Fahrzeuge, Rampen, Krananlagen oder Lastenaufzüge. Baulich gibt es also keine Probleme. Und genau deswegen glaubt Kevin Suplie auch an die Erfolgs-geschichte mehrstöckiger Hallen: „Dort, wo Grundstücke zu klein geworden sind oder es kaum noch welche gibt, ist das Bauen in die Höhe die einzige Alter-native. Es gibt keinen Grund, das nicht zu tun.“ Im Übrigen gilt das nicht nur für Einzelnutzer, denn „warum sollten sich nicht kleinere Unternehmen eine Halle teilen? Unternehmen A ins Erd-geschoss, B in den ersten Stock und C in den zweiten. So sparen wir Fläche und die Nutzer bares Geld.“ ■

„Wenn rechts und links kein Platz mehr ist, wenn vorne Bahnschienen entlangführen und sich hinten ein Fluss schlängelt, dann gibt es immer noch eine Richtung: nach oben.“Kevin Suplie

Oben:

Auch unser Kunde Bohnenkamp aus

Osnabrück, Großhändler für Reifen, Räder

und Fahrzeugbauteile, setzt auf Zweige-

schossigkeit. Auf der unteren Ebene (Bild)

bewegen Stapler die Ware, auf der oberen

kommen Senkrechtförderer zum Einsatz.

Links:

Nochmals beeline: Die doppelstöckige

Halle ist optimal an Grundstücksver-

hältnisse und Unternehmensprozesse

angepasstsie aussehen.

Lasten- und Personenaufzüge

Krananlagen

Hubtische für Waren

Hublösungen für Fahrzeuge

Außen liegende Umfahrungen zum Andocken

an die obere Ebene

Rampenlösungen für Fahrzeuge (3,5 t)

20 21BAU E N

BARBARISCH

GÖTTLICH?

Im 13. Jahrhundert trifft kongeniale Architektur auf

einen fortschrittlichen Baubetrieb. Es ist die Geburts-

stunde der Gotik. Ihre hochragende, lichtdurchflutete

Sakralarchitektur fasziniert bis heute. Im Kölner Dom

findet sie ein triumphierendes Beispiel. Doch das sa-

hen nicht alle so: Das Urteil des italienischen Renais-

sance-Architekten Giorgio Vasari im 16. Jahrhundert

lautet: „Barbarisch!“

Die Gotik ist keine Erfindung der Goten. Sie entsteht in Frankreich. Genauer gesagt um 1140 in der Île-de-France. Aber woher kommt die Rückführung auf das Volk der Go-

ten? „Schuld“ ist das italienische Allroundgenie Vasari. Im 16. Jahrhundert setzt er die Bauweise mit dem Barbarischen gleich: Im Vergleich zur Kunst der Antike sei die Gotik schlechter Stil. Mit den Barbaren meint er die Goten nördlich der Alpen, die seiner Auffassung nach das Römi-sche Reich zerstört hatten. Vasaris eigentlich als Schimpfwort gemeinter Begriff setzt sich durch und bezeichnet bis heute eine überaus faszinie-rende Bauweise.

Es werde Licht!

Am Anfang steht die Idee eines hellen Gotteshau-ses. Bislang vollzieht sich die Liturgie in der dunk-len, mystischen Sphäre romanischer Architek-tur: mit schmalen Fenstern, dicken Wänden und niedrigen Raumhöhen. Mit den Lehren Thomas von Aquins wird jedoch der Wunsch nach einem sonnendurchfluteten Kirchenraum wach. Gott sei Licht, so der Theologe im 13. Jahrhundert, und dieses Licht diene dem menschlichen Verstand zur Erkenntnis der Wahrheit. Daraus folgern die Geistlichen, dass der Ort, an dem die Begegnung mit Gott stattfindet, hell und prächtig zu sein hat. Es bedarf also eines Kirchenraumes mit hohen Wänden und viel Glas. Damit das im Sinne der

Statik gelingt, ringen Baumeister um eine neue technische Lösung. Sie finden sie im sogenannten Strebewerk und im Kreuzrippengewölbe: Kreuz-weise angeordnete Rippen im Inneren bilden ein tragendes konstruktives Gerüst. So kann über Pfeiler an den Außenwänden, das Strebewerk, die Gewölbelast abgeleitet werden. Dicke tragen-de Wände sind nun überflüssig geworden. An ihre Stelle treten hohe Fenster aus funkelndem Buntglas. Im Inneren herrschen eine vorher nicht gekannte Lichtstimmung und leichte Atmosphäre. Ein wahrer Himmel auf Erden.

Die Kathedrale als integrales Projekt

Sakralbauten entstehen damals nicht auf der grü-nen Wiese. Vielmehr hüllt ein Neubau einen beste-henden Altbau wie ein neuer Mantel ein. Jeder Bau ist ein ungeheures Wagnis, das über Jahrhunderte besteht. Die Errichtung einer Kathedrale ist ein generationenübergreifendes Gemeinschaftswerk. Schnelle, zuverlässige Bauzeiten mit vorausseh-barem Ergebnis gibt es damals nicht.

Der Baubetrieb ist im 12. Jahrhundert ge-nauso wie heute hierarchisch organisiert und wird integral aufgefasst. An der Spitze steht der Finanzverwalter. Er ist Delegierter von Kirche und weltlichen Herrschern, die das neue Gotteshaus in Auftrag gegeben haben. Schriftquellen weisen ihn als magister fabrica aus. Er steht der fabrica, heute Bauhütte genannt, vor. Zur Seite steht ihm ein kreativer Architekt: der magister operis. ►

Der Kölner Dom und die

Hohenzollernbrücke

im Abendlicht

oder

22 23A RC H I T E K T U R

Seine Aufgaben umfassen den Entwurf, die Statik sowie die technische Bauleitung. Der magister caementarii setzt im Sinne eines heutigen Maurer-meisters die Entwürfe praktisch um. Unterstützt wird dieser vom magister lapicidae, dem Stein-metzmeister. Viele weitere Gewerke gewährleisten eine Rationalisierung der Arbeitsabläufe auf der gigantischen Großbaustelle rund um einen Sak-ralbau: Steinbrecher, Transporteure, Erdarbeiter, Mörtelmacher, Zimmerleute, Schmiede, Dachde-cker, Seiler und Glaser. Dokumente zum Bau von Westminster Abbey in London belegen im Jahr 1253 die gewaltige Zahl von 764 Arbeitern.

Bauen nach Plan

Heute ist das Bauen ohne digitale Schnittstellen der einzelnen Gewerke kaum denkbar. Doch wäh-rend Architekturzeichnungen seit der Antike be-legt sind, finden sich maßstabsgerechte Baupläne erst im frühen 13. Jahrhundert. Bis dahin existiert die Form des geplanten Gebäudes nur im Kopf des Baumeisters und Architekten. Der Grundriss wird unmittelbar auf den Bauplatz gezeichnet und

mit Pflöcken und Schnüren markiert. Erst aus der Mitte des 13. Jahrhunderts sind erste Pergament-zeichnungen, die als Baupläne gelten, überliefert: die sogenannten Reimser Palimpseste (1250). Sie sind jedoch keine Grundrisszeichnungen, sondern Planungsprotokolle, die dem damaligen Bau-meister Orientierung schaffen. Das Planen durch zeichnerisches Entwerfen wird zu einem großen Thema der gotischen Architektur.

Serielle Vorfertigung

Eine der wichtigsten Errungenschaften des Sakral-baus im 13. Jahrhundert ist die logistische Vorbe-reitung elementierter Serien von Bausteinen. Man baut zwar nicht nach einem perfekten Baukasten-system, aber fertigt normierte Elemente erstmals vor. Während Baustellen bis ins 12. Jahrhundert in den kalten Monaten ruhen, nutzt man nun den Winter, um in den geheizten Bauhütten durchsys-tematisierte Steinschnitte vorzuproduzieren. Im darauffolgenden Sommer gelangen die fertigen Systemelemente auf die Baustelle. Markierungen auf der Steinoberfläche, sogenannte Versetzzei-chen, sorgen dafür, dass sie an der richtigen Stelle verbaut werden. Individuelle Signaturen auf den Rückseiten der Steine offenbaren ein ausgeklügel-tes Abrechnungssystem der beteiligten Steinmetze.

Fundraising und das Spiel mit der Sünde

Der damalige Grundgedanke serieller Vorferti-gung bestimmter Bauteile ist mit der heutigen Bauphilosophie vergleichbar, die Finanzierung von Gebäuden jedoch grundlegend verschieden. Neben dem Privatvermögen der Bauherren, damals Kirche und weltliche Herrscher, fließt das Geld über Pfründe, Bußgelder, Geldspenden im Rahmen von Messfeiern oder Begräbnissen, die Beichte oder den Empfang der Sakramente in den Bau der Kirche. Überall dort, wo größere Menschenmengen zusammenkommen, wirbt man um Geld. Mehrere Jahrhunderte dienen Ablassbriefe als wichtige Ein-nahmequelle. Nicht von ungefähr kritisiert Martin Luther zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Baufi-nanzierung des Petersdomes zu Rom, Meisterwerk der Renaissance, aus Ablässen. Die Kirche gaukelt den Gläubigen vor, sich mittels Geldspenden von ihren Sünden befreien zu können. Damit ist dank Luther Schluss. Doch ohne diese Praxis wären die gigantischen Kirchen heute nicht zu bestaunen. ■

Gotteshaus im Stil der

französischen Hochgotik:

Westminster Abbey,

London

Alles ist Licht, und

alles strebt nach oben –

Blick in das Langhaus

des Kölner Doms

24 25A RC H I T E K T U R

Als die Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe zu Biele-feld ihren bisherigen Sitz im Herzen Bielefelds zum Ver-kauf stellte, erwarb Ortwin

Goldbeck das Gebäude. Er wusste: Schon lange wünschten sich der Hermann Stenner Freundeskreis e. V. und Stenner-Sammler Prof. Dr. Hermann-Josef Bunte einen Ort, an dem das faszinierende Werk des jungen Künstlers in seiner Heimatstadt Bielefeld stärker gewürdigt würde. Ein Ausstellungs-haus für die Gemälde und Zeichnungen, die Stenner in seiner ungemein kreativen, nur fünf Jahre währenden Studien- und Schaf-fenszeit malte, bevor er mit nur 23 Jahren zu Beginn des Ersten Weltkriegs als Soldat fiel. Die „Villa Weber“, wie das Handwerks-kammergebäude genannt wurde, bot dafür beste Voraussetzungen. Am Tor zur Altstadt, in Sichtweite der Bielefelder Kunsthalle ist sie nicht nur stadtbildprägend, sondern auch der ideale Standort für dieses Projekt. „Mir war wichtig, das markante Gebäude für die Bielefelder offen zu halten und nicht etwa in eine private oder kommerzielle Nutzung gehen zu lassen“, sagt Goldbeck heute. Denn das Haus hat eine spannende Geschichte – lesen Sie mehr dazu auf Seite 29. Goldbeck fügte ihr ein neues Kapitel hinzu und machte aus ihm das Kunstforum Hermann Stenner. ►

Alt und neu in perfekter Harmonie:

das Ortwin Goldbeck Forum in Bielefeld

Ein Geschenk für Bielefeld

Das Ortwin Goldbeck Forum: Kunst und (Start-up-) Kultur

Wenn eine Stadt lebt und pulsiert, dann hat das meist mit dem Engagement ihrer

Bürger zu tun. Ihre Ideen und Visionen machen sie attraktiv und lebenswert.

Noch wichtiger aber ist es, dass jemand diese Ideen anpackt und umsetzt.

In Bielefeld ist das jetzt gelungen – dank Ortwin Goldbeck.

Im historischen Gebäudeteil präsentiert sich das Kunstforum

26 27T I T E LT H E M A

Start-up-Geist trifft Kunstsinn

Inzwischen wurde die historische Villa um einen modernen Anbau ergänzt und bildet gemeinsam mit diesem – als Gebäudeensemble – das Ortwin Goldbeck Forum. Im Anbau hat die Founders Foundation – eine 2016 geschaffene Initiative der Bertelsmann Stiftung – ihr Zuhause gefun-den. Sie berät Unternehmensgründerinnen und -gründer und hilft mit Ausbildungsangeboten, Workshops und einem soliden Netzwerk Start-ups auf die Sprünge. Und das sehr erfolgreich: Nach eigenen Angaben wurden dank des Engagements der Founders Foundation bisher über 170 Stellen geschaffen und zehn Millionen Euro Umsatz ge-neriert. Positiv fürs Kunstforum Hermann Sten-ner: Die Mieteinnahmen aus dem Neubau fließen direkt ins Ausstellungshaus. Diese Kombination aus Kulturangebot und Wirtschaftsförderung ist einzigartig in der Region.

Auftakt geglückt

Noch bis zum 18. August 2019 ist im Kunstforum Hermann Stenner die viel gelobte Eröffnungs-ausstellung „Hermann Stenner und seine Zeit“ zu sehen. Neben den Werken Stenners zeigt sie Bilder seiner zeitgenössischen Künstlerkollegen,

zum Beispiel Oskar Schlemmer und Ida Kerkovius, sowie seiner Lehrer Adolf Hölzel und Christi-an Landenberger. Viele Bilder stammen aus der Sammlung des Juristen und Kunstsammlers Prof. Dr. Hermann-Josef Bunte und sind dauerhaft an das Kunstforum Hermann Stenner verliehen. Er-gänzt werden sie durch hochrangige Leihgaben aus privaten und öffentlichen Sammlungen, darunter die Kunsthalle Bielefeld, das LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster sowie das Kunst-museum und die Staatsgalerie Stuttgart.

Der Bielefelder Oberbürgermeister Pit Clau-sen war voll des Lobes: „Bielefeld erhält einen zusätzlichen Besuchermagneten – ein großartiges Geschenk.“ Die Besucherzahlen bestätigen das: Allein in den ersten sechs Wochen kamen mehr als 6.000 Menschen in die Ausstellung. Interesse geweckt? Weitere Informationen finden Sie unter: www.kunstforum-hermann-stenner.de

Von links:

Joachim Goldbeck,

Jörg-Uwe Goldbeck,

Hildegard Goldbeck,

Ortwin Goldbeck und

Jan-Hendrik Goldbeck

Das genaue Aufnah-

medatum dieses Fotos

der „Villa Weber“ ist

unbekannt, lag aber

vor 1929

„Bielefeld erhält einen zusätzli-

chen Besuchermagneten – ein

großartiges Geschenk.“

Pit Clausen, Oberbürgermeister Bielefeld

Die „Villa Weber“

1836. Charles Darwin kehrt von seiner Weltumseg-lung zurück. In Paris wird der Arc de Triomphe eingeweiht. Und in Bielefeld baut der wohlhaben-de Leinenkaufmann Karl August Weber ein herr-schaftliches Domizil für seine Familie: die „Villa Weber“. Zu diesem Zeitpunkt hat Bielefeld schon eine lange Tradition als Stadt des Leinenhandels: Seit dem 17. Jahrhundert wird in der Region Flachs angebaut, Garn gesponnen und Leinen gewebt. Leinen aus Bielefeld ist ein Qualitätsbegriff, und eine starke Kaufmannschaft exportiert es bis nach Skandinavien und ins Baltikum. Noch heute erin-nert das Leineweber-Denkmal in der Bielefelder Altstadt an diese Tradition. Karl August Weber ist Mitinhaber des Handelsgeschäftes „Weber, von Laer & Niemann“, der bedeutendsten Leinenhan-delsfirma in Bielefeld. Als jedoch im Zuge der Industrialisierung billige Baumwollstoffe auf den Markt kommen, ist die große Zeit des Leinenhan-dels vorbei. Die handgewebten Stoffe können nicht mehr konkurrieren – 1860 verkauft die Familie das säulengeschmückte Haus.

Nach einer bewegten Geschichte mit mehreren Besitzerwechseln erwirbt schließlich die Hand-werkskammer Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld 1930 das Gebäude. Ein Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg zerstört zwar die Holzdecken und das Dach, lässt aber die massive Bausubstanz unver-sehrt – die Mitarbeiter der Handwerkskammer packen selbst bei den Aufräumarbeiten mit an. 1967 kommt ein junger Mann namens Ortwin Goldbeck ins Haus – er absolviert hier seine Meis-terprüfung als Schlosser. Nach 85 Jahren stellt die Handwerkskammer das Gebäude im Jahr 2015 schließlich zum Verkauf und zieht in ein größeres Domizil – der Startschuss für das Ortwin Goldbeck Forum ist damit gefallen. ■

28 29T I T E LT H E M A

ENERGIE- WENDE

Auf den cleveren Mix kommt es an.

Sinkende Kosten und innovative Technik öffnen neue Wege der nachhaltigen

Energieversorgung. Der Anteil der erneuerbaren Energien steigt – im vergan-

genen Jahr lag er erstmals bei über 40 Prozent. Dank der rasanten technischen

Entwicklung ist inzwischen denkbar, unseren gesamten Energiebedarf über

Sonne, Wind und Biomasse zu decken. ►

Solaranlage in Bodmin,

Großbritannien

30 31M Ä R K T E

Die letzten Sommer halfen der Pho-tovoltaik dabei, mehr grünen Strom zu erzeugen. 2018 mit seinen vielen Sonnenstunden war ein PV-Rekord-jahr. Und auch generell nimmt der

Anteil des nachhaltig erzeugten Stroms gegenüber der Energie aus Kohle- und Kernkraftwerken mas-siv zu. Versorgungssicherheit bietet aber vor allem der sinnvolle Energiemix. Smarte Speichersysteme und Ladeinfrastruktur helfen dabei, Strom haltbar zu machen.

Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesys-teme ISE verzeichnete im vergangenen Jahr 16 Prozent mehr Solarenergie – das größte Plus vor der Wind- und Wasserenergie und dem Strom aus Biomasse. „Grund für das Hoch der Erneuerbaren sind die stetig sinkenden Herstellkosten für Pho-tovoltaik-Anlagen“, beobachtet Joachim Goldbeck, Geschäftsführer der Goldbeck Solar GmbH. Sein Unternehmen verzeichnet eine wachsende Nach-frage nach Photovoltaik-Anlagen. Die Hirschberger werden Mitte des Jahres das Auftragsvolumen von einem Gigawatt überschreiten. Da Strom aber auch zu Zeiten benötigt wird, bei denen die Sonne wenig oder gar nicht scheint, ist eine gesunde Mischung aus unterschiedlichen erneuerbaren Energieträgern, Energiespeichern, Vernetzung und smarter Energienutzung wichtig. Konventionelle Energiequellen können dann in fortschreitendem Maße reduziert werden.

„Immer häufiger setzen wir bei der Planung von Energiekonzepten für Gebäude auf einen energeti-schen Baukasten, bei dem die PV-Anlage auf dem Dach durch Batterien, ein Blockheizkraftwerk, ei-ne Wärmepumpe und ein smartes Energiemanage-mentsystem ergänzt wird. Mit neuen Speicher-konzepten kann die Sommersonne bereits heute genügend Wärme für den Winter zur Verfügung stellen“, erläutert Goldbeck die Möglichkeiten.

Dass wir von konventioneller Stromversor-gung noch nicht ganz loskommen bleibt so, bis Lager- und Speichermöglichkeiten ausgereift sind. Erst wenn sie industriell gefertigt und somit kos-tengünstig produziert werden können, kann Strom aus erneuerbaren Energien jederzeit wirtschaftlich abgerufen werden. „Klassische Speichermodelle, ähnlich wie eine Powerbank fürs Gebäude, werden zwar täglich effizienter und günstiger, sind bis dato allerdings für einige Kunden noch nicht wirt-schaftlich genug“, sagt Goldbeck. Alternativ dazu wird auch mit Eis-, Gas- und Wasserspeichern experimentiert, die elektrische oder thermische Energie für später aufheben. Ebenso gibt es erste größere Elektrolyse-Anlagen, die reinen Wasser-stoff aus nachhaltigem Strom herstellen. Dann kann das sogenannte Synthesegas in die reguläre Gasversorgung eingespeist werden. Gasspeicher wiederum sind günstig und skalierbar zu bauen. Mit diesen Energiespeichern kann perspektivisch auch die gefürchtete Dunkelflaute überbrückt

werden. „Wir spüren eine steigende Nachfrage bei Energiespeichersystemen. Die ‚Early Adopters‘ helfen natürlich auch dabei, diese Systeme im Markt zu etablieren und günstiger zu machen. Bei Industriegebäuden werden sie zurzeit noch selten genutzt – anders als bei Privathäusern“, sagt der Geschäftsführer, dessen Firma bereits seit 2001 am Markt besteht.

„Seit 2014 haben sich die Kosten für Speicher halbiert. Gelingt es, die Produktionskosten für Speicher weiterhin signifikant zu senken und damit die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, werden erneuerbare Energiequellen die konven-tionellen Energieträger sehr schnell ersetzen“, ist sich Goldbeck sicher. „Der dynamische Mix aus Gas-, Strom-, Wärme-/Kälte-, Druckluft- und weiteren Speichern wird den wirtschaftlichsten Weg finden.“

Eine andere spannende und kombinierbare Möglichkeit für ein zukunftsfähiges Gebäude-Ener-giemanagement ist die clevere Lastenverschiebung. Dem Gebäudenutzer wird bewusst gemacht, dass es sinnvoll ist, den eigenerzeugten Solarstrom tagsüber selbst zu verbrauchen und dafür seinen Energieverbrauch nach Solarstromverfügbarkeit zu steuern. Für dieses Lastmanagement („Demand Side Management“) gibt es eine Reihe intelligenter Ideen.

In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass Solarenergie vor allem für die weltweite Ver-

sorgung mit Strom der wichtigste Faktor ist. Ein jüngst abgeschlossenes Goldbeck-Projekt – eine Freiflächenanlage in Kasachstan – zeigte, wie wichtig die stabile Versorgung und eine verbesserte Infrastruktur beispielsweise in Zentralasien sein können. Solarkraftwerke wurden im vergangenen Jahr weltweit um 97 Gigawatt erweitert, die Hälf-te davon entstand in China. Das Wachstum von Onshore-Windkraft und Wasserkraft verlangsamte sich dagegen. Bis 2023 rechnen die Experten der Internationalen Energieagentur (IEA) mit zusätz-lichen 600 Gigawatt an Photovoltaik-Anlagen auf der ganzen Welt. Eine starke Rolle komme der dezentralen Stromerzeugung zu. Die Gesamt-kapazität werde in den kommenden Jahren auf ein Terawatt steigen, 40 Prozent davon werden in China stehen. Deutschland werde innerhalb von fünf Jahren 13,7 Gigawatt an zusätzlichen Solaranlagen zur Stromerzeugung errichten – weit mehr als im vergangenen Jahr noch angenommen. Die Europäische Union werde die USA in diesem Zeitraum überholen, so die Experten der IEA. Dann stehe sie bei der weltweiten Nutzung von Solarstrom auf dem zweiten Platz. ■

Primärenergieverbrauch in Deutschland 2017*

Mineralöl 34,6 %

Steinkohle 11,0 %

Erdgas 23,7 %

Windkraft 2,8 %

Abfälle / Deponiegas 1,0 % Solarthermie

0,2 %Geothermie 0,085 %

Photovoltaik 1,1 %

Wärmepumpe 0,3 %

Wasserkraft 0,5 %

Biokraftstoffe 0,9 %

Biomasse fest /gasförmig

6,2 %

Andere 0,4 %

Kernenergie 6,1 %

Braunkohle 11,0 %

Erneuerbare 13,2 % 13,2 %

Erneuerbare

Die Mischung macht’s: Die Kombination unterschiedlicher

erneuerbarer Energieträger ist wichtig. Strom wird nicht

nur dann gebraucht, wenn die Sonne scheint.

* Quelle: Arbeitsgemeinschaft

Energiebilanzen (AGEB),

Arbeitsgruppe Erneuerbare

Energien-Statistik (AGEE-Stat)

3332 M Ä R K T E

Gemeinsam immer besser

werden

Wie Cluster wirken – und wo ihre Grenzen liegen

Konkurrenz hin oder her: In unserer sich gerade technologisch

immer schneller entwickelnden Welt ergibt es vielfach Sinn,

dass Wettbewerber ihre Kompetenzen punktuell miteinander

verbinden, um große Herausforderungen gemeinsam zu meistern.

Eine Möglichkeit dazu bietet der Zusammenschluss in Clustern,

die häufig durch staatliche Programme gefördert werden.

In der Wirtschaftswelt versteht man unter einem Cluster (engl. für „Ansammlung, Bündel“) eine regionale Ansammlung von Produzenten, Zulieferern, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und anderen

Organisationen, die durch ein gemeinsames Tä-tigkeitsgebiet verbunden sind und zu einer Wert-schöpfungskette gehören. Ein solcher Cluster kann infolge bestimmter Faktoren nahezu ungeplant entstehen, wie etwa das Ruhrgebiet, das aufgrund seiner immensen Kohlevorräte zu einem indus-triellen Ballungsgebiet wurde. Clusterinitiativen bilden sich dagegen geplant: Die Akteure tun sich gezielt zusammen, um ihre gemeinsamen Interessen voranbringen und im globalen Wett-bewerb bestehen zu können – selbst wenn sie im

„Tagesgeschäft“ Konkurrenten bleiben.

Kräfte bündeln, Wissen teilen

Wenn es Clustern gelingt, gemeinsame strategi-sche Ziele und künftige Entwicklungsvorhaben klar zu definieren, ist ihr Potenzial groß. Was ein Clustermitglied allein nicht auf die Beine stellen kann, etwa weil die Forschungskapazität fehlt, ist durch die Bündelung der Kräfte und den Wis-sensaustausch über die Unternehmens- und Ins-titutionsgrenzen hinweg besser erreichbar. Einen nicht zu unterschätzenden Vorteil bildet hierbei die örtliche Nähe. Selbst im Zeitalter von Skype und Co. ist sie die beste Voraussetzung, dass sich

die involvierten Personen persönlich kennenler-nen, intensiv austauschen, Vertrauen aufbauen und eine gute Basis für die Clusterzusammenarbeit herstellen.

So können beispielsweise kleinere Unterneh-men mit intelligenten Ideen, größere Unternehmen mit einer entsprechenden Infrastruktur sowie Forschungseinrichtungen mit einer inhaltlich passenden Expertise in einem Cluster zueinander-finden und kooperieren. Gelingt es ihnen, die Idee gemeinsam bis zur wettbewerbsfähigen Marktreife auszuarbeiten, ist nicht nur der ökonomische Erfolg greifbar nahe, sondern auch das Renom-mee des Clusters erhöht sich. Der Effekt: In der Clusterregion siedeln sich weitere Unternehmen aus derselben Branche an, um die Synergieeffekte des Clusters zu nutzen und eigene Kompetenzen einzubringen. Gleichzeitig strömen mehr Fach-kräfte in die Region.Doch Vorsicht! Warten die meisten Mitglieder eines Clusters nur darauf, Nutznießer der For-schungs- und Innovationsergebnisse anderer zu sein, ohne selbst etwas beizusteuern, wird der Sinn des Bündnisses verfehlt. Dies ist auch dann der Fall, wenn die für eine intensive Kooperation notwendige Transparenz ausgenutzt wird oder wichtige Mitarbeiter eines Clusterpartners offen-siv abgeworben werden. Solche Verletzungen der Vertrauensbasis können für einen Cluster eine enorme Belastungsprobe sein. ►

34 35G E S E L L SC H A F T

Clusterförderung in Deutschland

In Deutschland ist die Unterstützung von Clus-terinitiativen, deren Zahl sich gegenwärtig auf etwa 450 beläuft, auf Bundes- und Landesebene seit Mitte der 1990er-Jahre ein wichtiges Instru-ment der Wirtschaftsförderung. Die Ziele sind klar: Durch die Umsetzung regionaler Innovati-onspotenziale sollen langfristig Wachstum und Arbeitsplätze geschaffen und gesichert werden. Zu den dafür eingesetzten Programmen gehört zum Beispiel der 2007 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gestartete „Spit-zencluster-Wettbewerb“. 15 besonders forschungs-basierte Cluster aus den Bereichen „Energie- und Ressourceneffizienz“, „Mobilität und Logistik“,

„Digitalisierung, Produktion und Kommunikation“ und „Gesundheit“ gingen als Sieger daraus hervor, dürfen sich seither als Spitzencluster bezeichnen und wurden jeweils für fünf Jahre mit maximal 40 Millionen Euro unterstützt. In der Gesamtlaufzeit bis Ende 2017 haben die Spitzencluster ihre Ziele mit über 3.000 Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen in mehr als 1.600 Inno-vationsprojekten mit einem Gesamtvolumen von über 1,1 Milliarden Euro umgesetzt. Das BMBF

erwartet, dass sich die gesamtwirtschaftlichen Effekte dieser Leistungen über viele Jahre weiter entfalten werden. Kritische Stimmen beklagen allerdings, dass Clustererfolge häufig nicht aus-reichend mit harten Fakten auf solider Datenbasis belegt werden können.

Mit einem weiteren Förderprogramm, der Innovationsinitiative „Unternehmen Region“, möchte das BMBF technologische, wissenschaft-liche und wirtschaftliche Kompetenzen speziell in den ostdeutschen Regionen auf- bzw. ausbauen, um dort gute Voraussetzungen für die Entstehung von Clustern zu schaffen. Der Hintergrund: Selbst fast 30 Jahre nach der Wiedervereinigung bestehen noch große strukturelle Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Mit vielen aktuellen Einzelprogrammen setzt die seit 1999 laufende Maßnahme bei den individuellen Bedürfnissen der Akteure an. Besonders die Entwicklungsperspek-tiven talentierter Fachkräfte und Wissenschaftler sollen dabei verbessert werden.

Doch ob in Ost-, in West- oder in Gesamt-deutschland: Längst ist es gerade für Unternehmen in zukunftsträchtigen Branchen unerlässlich, inter-national zu denken. Das gilt nicht nur für Märkte, sondern auch für Kooperationen, die die Teilha-be an modernstem Know-how sichern. Deshalb hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) 2012 das Programm „go-cluster – EXZELLENT VERNETZT!“ ins Leben gerufen. Es konzentriert sich insbesondere auf die Förde-rung und Professionalisierung des Managements von derzeit 86 Innovationsclustern, um deren Erfolg, Attraktivität und Sichtbarkeit zu steigern – weltweit. Dies ist wichtig, damit die Cluster international von Netzwerken als kompetente Partner wahrgenommen werden, die bei globalen Innovationsprojekten eine maßgebliche Rolle spielen können – nach dem Motto: Gemeinsam immer besser werden!

Weitere Informationen rund um nationale und internationale Cluster, Clusterförderungen und Clusterkooperationen finden Sie hier: www.clusterplattform.de und www.clustercollaboration.eu ■

Win-win für alle!

WIEGAND GmbH

Die 1990 gegründete WIEGAND GmbH in Schlot-heim beschäftigt über 600 Mitarbeiter und pro-duziert Metall- und Kunststoffteile für führende Automobilhersteller. Sie gehört dem Cluster au-tomotive thüringen e. V. (at) an, dessen Ziel die Stärkung der Thüringer Automobilzulieferun-ternehmen ist. Er umfasst momentan 89 Mitglie-der mit etwa 30.000 Arbeitnehmern. Dipl.-Ing. Andreas Wiegand trat 2000 in zweiter Generation in das Familienunternehmen ein und ist seit 2003 Geschäftsführer für Vertrieb und Technik.

bau|zeit: Wann und warum sind Sie dem at beigetreten?

Andreas Wiegand: Wir sind seit den frühen Nuller-jahren dabei, weil der at die Vernetzung der KMU in Thüringen untereinander fördert sowie eine wichtige Verbindung zur Landesentwicklungsge-sellschaft und zur Thüringer Aufbaubank darstellt. Außerdem konnten wir über den at von wichtigen Förderungen profitieren.

bau|zeit: Mit welchen Themen beschäftigt sich der at vor allen Dingen?

Andreas Wiegand: Der Cluster ist ein gutes Forum, um sich zum Beispiel mit anderen Unternehmen in Workshops zu allen möglichen Themen – von

„Führung“ und „Technologie“ über „QM“ bis zu „IT-Sicherheit“ und „Industrie 4.0“ – zu treffen und seine Erfahrungen auszutauschen. Jeder Teilneh-mer bringt etwas ein, nimmt aber auch wichtige Ideen und Impulse mit nach Hause.

bau|zeit: Wie bewerten Sie die Arbeit des Clusters insgesamt?

Andreas Wiegand: Mir gefällt, dass der at politische Verantwortung übernimmt, sich als Sprachrohr der Unternehmen gegenüber den Institutionen versteht und durchaus ein Wörtchen mitzureden hat. Er ist innovativ und kooperiert auch mit anderen Clustern – das bringt uns Mitglieder enorm voran.

Hamburg Aviation

BioEconomy Cluster

Solarvalley Mitteldeutschland

Medical Valley EMN

BioM – Münchner Biotech Cluster

MAI Carbon

Elektromobilität Süd-West

Software-Cluster

Cluster für Individualisierte ImmunIntervention (Ci3)

BioRN NetworkForum Organic Electronics

microTEC Südwest

Cool Silicon

It's OWL Intelligente Technische

Systeme OstWestfalenLippe

EffizienzCluster LogistikRuhr

Deutschlands

Spitzencluster

Quelle: Bundesministe-

rium für Wirtschaft und

Energie

Zahlreiche Goldbeck-Kunden haben sich für die Teilnahme

an einem Cluster entschieden. Was waren ihre Gründe?

Wir haben nachgefragt.

WIEGAND stellt Strukturteile,

Leisten und Exterieur-Blen-

den für die Automobilindustrie

her und arbeitet erfolgreich

mit führenden Automobilher-

stellern zusammen

36 37G E S E L L SC H A F T

SENTECH Instruments GmbH

Die in Berlin ansässige SENTECH Instruments GmbH wurde ebenfalls 1990 gegründet und wid-met sich mit über 80 Mitarbeitern der Entwicklung und Produktion hoch qualitativer Geräte für die Plasmaprozesstechnologie, die Dünnschichtmess-technik und die Photovoltaik. Das Unternehmen gehört seit über zehn Jahren zu den insgesamt etwa 100 Mitgliedern des Clusters Optec-Berlin-Bran-denburg (OpTecBB) e.V. Dr. Albrecht Krüger ist gemeinsam mit Dr. Helmut Witek Geschäftsführer der SENTECH GmbH.

bau|zeit: Warum sind Sie dem OpTecBB beige-treten?

Dr. Albrecht Krüger: Das Kompetenznetzwerk Op-TecBB wurde unter anderem gegründet, um Un-ternehmen und Forschungseinrichtungen zur ge-meinsamen Erschließung und Nutzung optischer Technologien zusammenzubringen. Das ist genau unser Weg, denn als kleines Unternehmen können wir es uns zum Beispiel gar nicht leisten, Wissen-schaft zu betreiben, und sind auf die Kooperation mit Forschungsinstituten angewiesen. Ein gutes Beispiel: Gerade eben haben wir ein gemeinsames Projekt mit dem ISAS – Leibniz-Institut für Analy-tische Wissenschaften e.V. abgeschlossen, bei dem ein einzigartiges Messgerät für eine biologische Anwendung entstanden ist.

bau|zeit: Wie bewerten Sie die Arbeit des Clusters insgesamt?

Dr. Albrecht Krüger: Die Arbeit von OpTecBB, die dankenswerterweise von einem sehr engagierten hauptamtlichen Geschäftsführer organisiert und vorangetrieben wird, bringt Win-win-Situatio-nen für alle Beteiligten mit sich: Unternehmen kommen nicht nur auf technologischem Gebiet zu wertvollen Ergebnissen, sondern befruchten sich auch in anderen Bereichen durch ein Geben und Nehmen, und Hochschulen machen in der Grundlagenforschung wichtige Fortschritte. Und selbst die Politik profitiert von unserem Cluster, wenn der ihr praxisnahe Empfehlungen für ein zukunftsweisendes wirtschaftspolitisches Handeln in Berlin und Brandenburg an die Hand gibt.

WAGO-Gruppe

Die WAGO-Gruppe zählt zu den international richtungweisenden Anbietern der Verbindungs- und Automatisierungstechnik sowie der Interface Electronic. Im Bereich der Federklemmtechnik ist das Unternehmen Weltmarktführer. Seit seiner Gründung 1951 ist WAGO stetig gewachsen und beschäftigt heute weltweit mehr als 8.500 Mitar-beiter, davon mehr als 3.900 in Deutschland am Stammsitz im ostwestfälischen Minden und im thüringischen Sondershausen. Im Jahr 2018 betrug der Umsatz 932 Millionen Euro. Sven Hohorst ist Chief Executive Officer des in dritter Generation familiengeführten Unternehmens.

bau|zeit: Wann und warum hat sich Ihr Unterneh-men dem Cluster it’s OWL angeschlossen?

Sven Hohorst: Wir sind als Gründungsmitglied des Spitzenclusters it’s OWL von Anfang an da-bei. Dieser Zusammenschluss von starken Mit-telständlern mit Forschungseinrichtungen und Hochschulen aus der Region war für uns aus zwei Gründen attraktiv. Zum einen haben wir hier in OWL einen Technologiestandort mit zahlreichen Weltmarktführern, von denen viele – so wie WAGO auch – eher noch als Hidden Champions gelten. Der Cluster steigert die Bekanntheit der Region, macht ihre Stärken publik und davon können alle Beteiligten nur profitieren, auch vor dem Hintergrund des steigenden Fachkräftemangels. Zum anderen entstehen hier Forschungskoope-

rationen, die Innovationen auf den Weg bringen und in der Zusammenarbeit mit den Hochschulen einen Zugang zu qualifizierten Nachwuchskräften ermöglichen. Seit dem Start 2012 it’s OWL eine Erfolgsgeschichte, die entscheidend zu einem starken Wirtschaftsstandort OWL und zu neuen Lösungen im „Industrie 4.0“-Umfeld beigetragen hat.

bau|zeit: Wie haben Sie sich in den Cluster einge-bracht und was haben Sie dort (für Ihr Unterneh-men) erreicht?

Sven Hohorst: Wir haben uns bisher an zwei For-schungsprojekten beteiligt. Aktuell arbeiten wir beim Thema „Digital Business“ an der Erschlie-ßung von Potenzialen im Bereich „Digitale Platt-formen“. Langfristig wollen wir digital vernetzte Wertschöpfungsketten mit neuen Services gene-rieren, deren Bausteine auch kleinere Unterneh-men auf ihrem Weg zum Business 4.0 inspirieren können. ■

„Unternehmen kommen nicht

nur auf technologischem Gebiet

zu wertvollen Ergebnissen,

sondern befruchten sich auch

in anderen Bereichen durch

ein Geben und Nehmen.“

Dr. Albrecht Krüger, SENTECH Instruments GmbH

Sven Hohorst,

WAGO-Gruppe

38 39G E S E L L SC H A F T

Jahr 1919. Der Erste Weltkrieg ist vor-bei, das Kaiserreich Vergangenheit. Armut und Elend in weiten Teilen der Bevölkerung stehen Lebenshunger und Aufbruchstimmung gegenüber. Umwäl-

zungen ziehen sich durch alle Lebensbereiche. In den Künsten, der Philosophie, der Pädago-gik und Politik – in Deutschland brodelt es vor neuen Ideen. Als der Architekt Walter Gropius 1919 das Bauhaus als interdisziplinär arbeitende Kunstschule in Weimar gründet, hat er dabei auch das drängende Wohnungsproblem vor Augen. Er sucht Alternativen zu den herkömmlichen Groß-stadtstrukturen und den traditionellen Bauformen. Standardisierung und Funktionalität prägen seine Entwürfe und die seiner Mitgestalter. Doch das Bauhaus ist mehr: Als Schule für Architekten, Künstler und Designer steht es für eine zeitgemä-ße Formensprache und Modernität – bis hin zur Entwicklung neuer Produktionsformen. Das Ziel: Kunst, Architektur und Handwerk zu verbinden und den Bau zum Gesamtkunstwerk zu machen. Kurze Zeit – große Wirkung

Gerade mal 14 Jahre existiert das Bauhaus. Und doch beeinflusst es bis heute Kunst, Design und Architektur. Die ersten Unterrichtseinheiten finden in einem Weimarer Jugendstilgebäude nach den Plänen Henry van de Veldes statt. Mit dem Umzug nach Dessau im Jahr 1925 erhält die Ausbildungs-stätte einen adäquaten Raum: Das weltbekannte Schulgebäude nach den Plänen von Gropius „über-windet“ die Ornamentik des Jugendstils. Heute ist

es eine Ikone der Moderne und aufgrund seiner radikalen Formensprache UNESCO-Welterbe. In Glas aufgelöste Wände und zurückgesetzte Stüt-zen schaffen eine transparente Monumentalität. Die Bauhausarchitektur lässt erstmals alle herr-schenden Vorstellungen von Ästhetik hinter sich. Ziel ist es, Leben und Arbeiten miteinander zu verbinden. Diese Maxime der Bauhausmitglie-der spiegelt sich in den von Gropius kreierten

„Meisterhäusern“ wider. Nach dem Baukasten-prinzip errichtet, dienen sie den Lehrenden als Wohnhäuser und Ateliers – ganz in der Nähe des Kunstschulgebäudes. Doch konservativ gesinnten Lagern ist die revolutionäre Schule ein Dorn im Auge. Mit der Wahl der NSDAP zur stärksten Partei im Dessauer Gemeinderat entwickeln sich 1931 politische Debatten: Man fordert den Abriss des Bauhauses, Zuschüsse sollen gestrichen werden. Im Jahr 1932 sieht der damalige Direktor Ludwig Mies van der Rohe eine Lösung darin, die Schule als Privatinstitution in Berlin weiterzuführen. Im Jahr 1933 zwingen die Nationalsozialisten die interdisziplinäre Ideenwerkstatt zur Selbstauflö-sung. Zahlreiche Bauhausmitglieder emigrieren und verbreiten die Bauhausideen im Ausland. ►

Happy

birthday,

Bauhaus!

Alles Bauhaus:

Frau im Clubsessel B3

von Marcel Breuer, mit

einer Maske von Oskar

Schlemmer und einem

Kleid von Lis Beyer

Links:

Das Bauhaus-Archiv in Berlin.

Es besitzt die weltweit größte

Sammlung zur Geschichte des

Bauhauses und wird zurzeit

saniert.

Oben rechts:

Das von Walter Gropius entwor-

fene Bauhausgebäude in Dessau:

Die vor das tragende Skelett

gehängte Glasfassade gibt den

Blick auf das Innenleben frei.

Unten:

Ateliergebäude des Bauhaus-

gebäudes Dessau (Prellerhaus),

Walter Gropius 1925/26

40 41BAU E N

Bauen mit Stahl und Glas

Nicht nur bei Möbeln – etwa Marcel Breuers berühmtem Freischwinger Stahlclubsessel B3 –, sondern auch bei Häusern setzt man auf Stahl und Stahlbeton. Zum Beispiel beim 1927 entstehen-den „Stahlhaus“ nach Plänen von Georg Muche und Richard Paulick in Dessau. Zwei große, zu-sammengeschobene Kuben charakterisieren das Äußere des 90 Quadratmeter großen Gebäudes. Dadurch entstehen zwei Raumhöhen; Fenster und Türen sind raumhoch. Charakteristisch für Bauhausgebäude ist die sogenannte Skelettbau-weise mit einer Stahlbetonkonstruktion, ergänzt um eine vorgehängte Glasfassade. Ebenso kubis-tische Formen und „Über-Eck-Fenster“. Gropius ist davon überzeugt, dass „gesunde, gut belichtete Arbeitsplätze die Leistung steigern“. Dennoch: Den einen Bauhausstil gibt es nicht, zu unterschiedlich sind die Schwerpunkte, die die Architekten setzen. Beim Gründer und ersten Bauhausdirektor Walter Gropius ist es das flexible und kostensparende Bauen mit Fertigbauteilen, bei seinem Nachfolger Hannes Meyer die vollkommene Ausrichtung der Bauten auf die Bedürfnisse ihrer Bewohner. Und Ludwig Mies van der Rohe, dem dritten Direktor des Bauhauses, geht es vor allem darum, die Gren-zen zwischen Innen- und Außenraum aufzulösen.

Die moderne Architektur ist ohne die Ein-flüsse des Bauhauses nicht denkbar. Und auch bei GOLDBECK sind sie spürbar: Kein anderes Bauunternehmen in Deutschland hat den Gedan-ken des Bauens mit vorproduzierten Elementen bei Gewerbebauten so weit perfektioniert. Doch auch ästhetisch gibt es Reminiszenzen. Beim Bau des ersten Verwaltungsgebäudes am Stammsitz des Unternehmens in Bielefeld entscheidet sich Ortwin Goldbeck 1974 für ein Tragwerk und ei-ne Fassade aus Stahl. Bodentiefe Fenster schaf-fen Transparenz nach innen und außen. Bei der Wahl dieser besonderen Glasfassade geht es dem Unternehmensgründer nicht nur um ästhetische Gesichtspunkte, sondern auch um Werte: „Wir öffnen unseren Blick nach außen, zur Gesellschaft. Doch das gilt auch umgekehrt: Die Menschen können auch zu uns hineinschauen. Wir leben eine Kultur der Offenheit.“ ■

„Ein Ding ist bestimmt durch

sein Wesen. Um es so zu

gestalten, dass es richtig

funktioniert – ein Gefäß,

ein Stuhl, ein Haus –, muss

sein Wesen zuerst erforscht

werden; denn es soll sei-

nem Zweck vollendet dienen,

das heißt seine Funktion

praktisch erfüllen, haltbar,

billig und ‚schön‘ sein.“

Walter Gropius, 1925

Meisterhaus in Dessau

Walter Gropius in New York 1943 Das Bauhausgebäude in Dessau aus

anderer Perspektive. Weil auf eine

optische Verstärkung der Ecken ver-

zichtet wurde, entsteht der Eindruck

von Leichtigkeit.

Pendelleuchte von Alfred

Schäfter, 1931/32

42 43BAU E N

DAS PRINZIP GOLDBECK

… bewährt sich seit vielen Jahren.

Es bedeutet, direkt vor Ort zu sein,

aber die Stärke der gesamten

Goldbeck-Gruppe zu nutzen.

So wie unsere Niederlassungen

Rhein-Neckar und Wien.

Wien

Rhein-Neckar

Schlossgarten Schwetzingen

Schloss Schwetzingen diente den pfälzischen

Kurfürsten im 18. Jahrhundert als Sommer-

residenz. Kurfürst Carl Philipp legte 1731 den

Grundstein für den heutigen Schlossgarten.

Sein Nachfolger, Carl Theodor, ließ den Garten

im französischen Barockstil erweitern und

mit zahlreichen Skulpturen und Gebäuden

ausstatten – darunter eine Moschee und ein

Naturtheater mit Apollotempel. Ein in England

auf Kosten des Kurfürsten ausgebildeter Gar-

tenkünstler realisierte den Landschaftsgarten.

Heute zählt der Schlossgarten zu den Meis-

terwerken europäischer Gartenkunst. Schloss

und Garten samt Moschee und Badhaus sind

das ganze Jahr über zu besichtigen.

Zehn der 100 weltweit stärks-ten börsennotierten Unter-nehmen haben ihren Sitz in der Rhein-Neckar-Regi-on. Neben Weltkonzernen

wie BASF, SAP oder Roche sind auch viele mittelständische Unternehmen, Hidden Champions und innovative Start-ups hier zu Hause. Die Schwer-punkte reichen vom Anlagen- und Ma-schinenbau über Automotive, Chemie und Informationstechnologie bis hin zu Energie, Biotechnologie, Lifesciences und Gesundheit.

Wichtige Bestandteile des Wissen-schaftsstandorts sind die 23 staatli-chen und durch den Wissenschaftsrat akkreditierten privaten Universitäten und Hochschulen. Hinzu kommen mehr als 30 namhafte Forschungsein-richtungen, darunter das Europäische Laboratorium für Molekularbiologie, vier Max-Planck-Institute, das Deut-sche Krebsforschungszentrum und das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirt-schaftsforschung.

Am Goldbeck-Standort in Hirsch-berg arbeiten derzeit 450 der insge-samt rund 6.500 Beschäftigten, davon 75 in der Niederlassung Rhein-Neckar, die seit 1998 besteht. „Wir sprechen die Sprachen des Südwestens“, sagt Dominik Stumpf, der die Niederlas-sung seit fast drei Jahren leitet. Das Gebiet, für das Stumpf und seine Kol-legen zuständig sind, geht vom Saar-

land über die Metropolregion bis in den Breisgau durch vier Bundesländer. Der Bauingenieur schätzt die regionalen Unterschiede: „Ein Lörracher ist ein anderer Mensch als ein Saarbrücker“, gibt er ein Beispiel. Dass es neben Städ-ten wie Mannheim oder Ludwigshafen mit mehr als 160.000 beziehungsweise 300.000 Einwohnern auch ländliche Gebiete gibt, in denen teils weniger als 100 Menschen pro Quadratkilome-ter leben, sieht der 43-Jährige als eine Stärke der Region.

Das Team der Niederlassung Rhein-Neckar realisierte im vergan-genen Jahr 25 Projekte. Einen Schwer-punkt gibt es dabei nicht. „Wir bilden fast das gesamte Goldbeck-Portfolio ab“, so Stumpf. Zu den jüngsten Ge-bäuden gehört ein sechsgeschossiges Bürogebäude für die Kaiserslauterer PRE Gruppe. Für Bobshop, einen welt-weit agierenden Online-Versender von Radsportbekleidung und -zubehör, bau-te das Unternehmen in Wiesloch eine Logistikhalle und ein Bürogebäude. ■

Rhein-NeckarIn Deutschland gibt es elf „Europäische Metropolregionen“. Eine davon

ist die Region Rhein-Neckar. Der Ballungsraum mit 2,4 Millionen Einwoh-

nern erstreckt sich vom Pfälzerwald im Westen bis zum Odenwald und

Kraichgau im Osten sowie von der französischen Grenze im Südwesten

bis zum Hessischen Ried im Norden.

Die Moschee im Schwetzinger

Schlossgarten wurde 1778 von

Nicolas de Pigage erbaut und

hat ihr Vorbild in den Londoner

„Gardens of Kew“

Der obere Neckar bei Mannheim

Der Ehrenhof von Schloss Schwetzingen

44 45M Ä R K T E

Durch den EU-Beitritt mit-tel- und osteuropäischer Länder ist Wien in die Mitte der Europäischen Union gerückt. Rund

1.200 internationale Konzerne haben ihre Osteuropa-Zentrale hier errichtet, darunter Siemens, Henkel oder Beiers-dorf. Die Stadt liegt strategisch günstig an der Wasserstraße Donau, die Wien mit neun Ländern verbindet.

Mit mehr als 195.000 Studierenden an zehn öffentlichen und fünf privaten Universitäten sowie vier Fachhoch-schulen stellt Wien einen der Top-Uni-versitätsstandorte Mitteleuropas dar. Fast 44.000 Personen sind in der For-schung und Entwicklung beschäftigt.

Im Nordwesten der Stadt befindet sich eines von weltweit vier Haupt-quartieren der Vereinten Nationen. In dessen unmittelbarer Nähe steht der Saturn Tower, ein 90 Meter hohes Bürohochhaus. Hier sitzt im siebten Stock die Niederlassung Wien. Sie ge-hört zum deutsch-österreichischen Joint Venture Goldbeck Rhomberg, zu dem sich Goldbeck und das österreichische Familienunternehmen Rhomberg Bau zusammengeschlossen haben.

„Neben Wien sind wir für das Bur-genland und Niederösterreich zustän-dig“, sagt Martin Pfitzner, der die Nie-derlassung seit knapp drei Jahren leitet. Mit 25 Mitarbeitern hat der 57-Jährige

im vergangenen Geschäftsjahr einen Umsatz von 45 Millionen Euro erzielt. „Seit der Ost-Erweiterung der EU hat vor allem der Logistikbereich sehr an Fahrt aufgenommen“, berichtet der Bauingenieur.

Das zeigt sich auch an den jüngs-ten Projekten der Niederlassung. Dar-unter ein 18.000 Quadratmeter großes Postverteilzentrum nahe Hagenbrunn in Niederösterreich, dessen Fertigstel-lung für diesen Sommer geplant ist. Für die österreichische Dependance der Deutschen Logistik Holding, einer Tochtergesellschaft der Zech Group, entstanden vergangenes Jahr am Flug-hafen Wien-Schwechat fünf Hallen mit einer Gesamtfläche von 30.000 Quad-ratmetern. In einer zweiten und dritten Bauphase soll die Hallenfläche bis Ende 2021 auf insgesamt 130.000 Quadratme-ter erweitert werden – was einer Fläche von etwa 18 Fußballfeldern entsprechen würde. Bis dahin sind am Industrial Campus Vienna East, wie Österreichs größtes Logistik- und Industriezentrum benannt wurde, rund 800 neue Arbeits-plätze geplant.

„Die Realisierung von Büroimmobi-lien wollen wir zukünftig noch weiter ausbauen“, betont Pfitzner. Ein 4.000 Quadratmeter großes Bürogebäude ent-stand jüngst in Wiener Neudorf für den global führenden Technologieanbieter ABB. ■

Mit mehr als 1,8 Millionen Einwohnern ist Wien eine der sechs größten

Städte der Europäischen Union. Die Hauptstadt Österreichs konnte sich

gerade zum zehnten Mal in Folge als Stadt mit der weltweit höchsten

Lebensqualität behaupten. Zu diesem Ergebnis kommt ein Ranking,

das die Beratungsgesellschaft Mercer jährlich erstellt.

Schloss Schönbrunn

Schloss Schönbrunn wurde in seiner heutigen

Form im 18. Jahrhundert als Sommerresidenz

für Erzherzogin und Kaisergattin Maria The-

resia errichtet. Als kultureller und politischer

Mittelpunkt des Habsburgerreiches waren

die Gebäude bis zum Ende des Ersten Welt-

krieges fast durchgehend von einem Hofstaat

bewohnt, der mehrere Hundert Personen

umfasste. Heute ist Schönbrunn eines der

bedeutendsten und meistbesuchten Kulturgü-

ter Österreichs. Mit seinem rund 160 Hektar

großen Park ist Schloss Schönbrunn Teil des

UNESCO-Weltkulturerbes. Eine Hauptattraktion

des Parks ist der Tiergarten, der älteste noch

bestehende Zoo der Welt. Schloss und Park

sind für Besucher ganzjährig geöffnet.

Wien

Romantische Altstadt:

Blick über Wien im

Abendlicht

Schloss Schönbrunn, Großes Rosa Zimmer

Najadenbrunnen im Schönbrunner Schlosspark

46 47M Ä R K T E

DIE SUPER- TWINS

Was wie Science-Fiction klingt, ist dank Big Data längst Realität: Mithilfe von digitalen Zwillin-gen kommen wir künftigen Er-eignissen auf die Spur. „Digital

Twins“ sind digitale Abbilder der Realität. Als hochkomplexe virtuelle Modelle von Produkten oder Prozessen spielen sie blitzschnell unter-schiedliche Szenarien durch und ersetzen so teure Prototypen und lange Versuchsketten. Mit dieser beschleunigten „Zeitreise“ helfen sie, ihr reales Vorbild günstiger und effizienter zu machen.

Genauso wie bei menschlichen Zwillingen das identische Erbgut für gleiche Voraussetzungen sorgt, ist auch das Design des digitalen Zwillings so nah wie möglich an den Determinanten des Originals. Sensoren – zum Beispiel an Maschi-nen – „füttern“ ihn zudem mit aktuellen Daten. Rechnet er diese hoch, kann er zum Beispiel vor Ausfallzeiten warnen, bevor sie eintreten. Die virtuelle Maschine meldet: „Wenn ich in gleichem Maße weitergenutzt werde, fällt übermorgen Kom-ponente C aus.“ Zeit genug, um Ersatzteil und Techniker für das reale Gegenstück zu bestellen. Doch nicht nur auf der Produktebene, auch bei der Unterstützung von Prozessen wie Produktion, Instandhaltung, Lagerwesen, Controlling oder Ein-kauf spielt das digitale Abbild seine Vorteile aus.

Ob ein digitaler Zwilling eingesetzt werden kann, hängt von drei Bedingungen ab. Erstens: Die Eigen-schaften eines Objekts oder Prozesses müssen digi-tal erfassbar sein. Zweitens: Sie müssen sich durch Daten und Algorithmen beschreiben lassen. Und drittens: Der Datenschutz muss gewährleistet sein. Das gilt insbesondere, wenn der digitale Zwilling personenbezogen eingesetzt wird – zum Beispiel im Gesundheitswesen. Hier geht es zum Beispiel darum, Krankheiten vorzubeugen, sie frühzeitig zu erkennen oder maßgeschneiderte Therapien anzuwenden. Noch steckt die Umsetzung der Idee, einen „digitalen Patienten“ anhand seiner realen DNA zu erschaffen, in den Kinderschuhen. Eines Tages aber könnte sie zu einer höchst individuali-sierten Medizin führen, bei der Therapien gezielter als je zuvor eingesetzt werden.

Wie weit ein digitaler Zwilling in das Le-benszyklus-Management und bis in die Prozess-welt agieren kann, zeigt das Building Information Modeling (BIM). Als kooperative Arbeits- und Planungsmethode erstellt es den digitalen Zwil-ling eines Gebäudes, der von der Planung bis zum Bau mit relevanten Daten gefüttert wird. Transparenter kann ein Projekt nicht gestaltet werden, denn alle Gewerke haben so Einblick auf den realen Baufortschritt. Noch beschränkt sich BIM auf planerische Aspekte, doch Ziel ist der lebenszyklusumfassende digitale Zwilling, der auch Gebäudemanagement und Baurecycling berücksichtigt. Goldbeck zählt auf diesem Gebiet zu den Vorreitern der Branche und verknüpft über BIM schon heute Architektur, Dach- und Wandkonstruktion, Betonelemente, Stahltrag-werk und technische Gebäudeausstattung. ■

Digitale Zwillinge testen alles aus, um uns zu helfen.

Vernünftige Entscheidungen treffen wir meist auf der Basis

von Erfahrungen. Was aber, wenn es keine Möglichkeit gibt,

diese zu sammeln, zum Beispiel weil die Zeit nicht reicht?

Dann schicken wir einen virtuellen Doppelgänger in die

Zukunft – den „digitalen Zwilling“.

48 49G E S E L L SC H A F T

Hamburg

Göteborg

Kiel

Bremen

Hannover

Magdeburg

BerlinMünster

Bielefeld

Düsseldorf

BochumHamm

KölnKassel

Erfurt

Leipzig

Dresden

Koblenz SuhlPlauen

FrankfurtMannheim

Nürnberg

Stuttgart

Regensburg

Ulm

München

Rosenheim

Rostock

Kutná Hora

Tovačov

Krakau

Posen

St. GallenBregenz

SalzburgBratislava

Wien

Linz

Prag

Bodensee

Arnheim

GießenRakowice Małe Łódź

Toruń

Birmingham

Karlsruhe

Kompetenz vor Ort – immer in Ihrer Nähe

Gut, wenn ein Ansprechpartner immer in der Nähe ist. Noch besser, wenn er die regionalen Gegebenheiten kennt. Am besten aber ist es, wenn bei ihm alle Fä-den zusammenlaufen und er kompetent all Ihre Fragen beantworten kann. Unser Niederlassungsnetz macht’s möglich! www.goldbeck.de

Lob oder Anregungen,

Kommentare oder Kritik?

Ihre Meinung ist uns wich-

tig! Schreiben Sie uns an:

[email protected]

Schon in der letzten Ausgabe

der bau|zeit hatten wir das

Leitthema „Mut“ angekün-

digt, es dann aber zugunsten

unseres Jubiläums verscho-

ben. Jetzt holen wir es nach!

Und widmen uns spannenden Fragen rund um muti-

ge Menschen, mutige Entscheidungen – und natürlich

auch um die Grenzen des Muts. ImpressumHerausgeber und verantwortlich für den Inhalt: Geschäftsleitung GOLDBECK GmbH, Ummelner Straße 4–6, 33649 Bielefeld, Tel. 0521 9488-0

Redaktionsleitung: Katrin Borcherding | Editori-al: Jörg-Uwe Goldbeck | Texte: Katrin Borcher-ding, Silke Blumenröder, Paul Kaltefleiter, Thierry Krauser, Dr. Judith Venjakob | Gestaltung: deteringdesign.de Bildnachweise: NASA / unsplash (S. 2, 4, 7), Stadtar-chiv Bielefeld (S. 8, 29), akg-images (S. 8), Werner Ot-to / Alamy Stock Photo (S. 8), Panther Media GmbH / Alamy Stock Photo (S. 9), Westfalen-Blatt (S. 9), Helmut Orwat / LWL-Medienzentrum für Westfalen (S. 11), Pan Asia / picture alliance (S. 11), DutchScenery / iStock (S. 11), United Archives GmbH / Alamy Stock Photo (S. 11), Philip Lethen (S. 12), Nikada / iStock (S. 14), YEWO LANDSCAPES e.U. (S. 17), Thomas Rabsch / laif (S. 22), Charles Postiaux / unsplash (S. 24), Matz und Schenk / Hohe Domkirche Köln / Dombauhütte Köln (S. 25), Moritz Goette (S. 29), Suganth / unsplash (S. 32), DragonImages / iStock (S. 34), Tadashi Okochi / Pen Magazine / Stiftung Bauhaus Dessau (S. 40, 43), Tillmann Franzen / Bauhaus-Archiv e.V. (S. 40), Yvonne Tenschert / Stiftung Bauhaus Dessau (S. 40), Marcel Breuer / Bauhaus-Archiv e.V. (S. 41), Pictorial Press Ltd / Alamy Stock Photo (S. 42), Doreen Ritzau / Stiftung Bauhaus Dessau (S. 43), Gunter Binsack / Stiftung Bauhaus Dessau (S. 43), Leonid Andronov / Alamy Stock Photo (S. 44), Thomas Wagner / Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg (S. 44), Günther Bayerl / Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg (S. 45), Sascha Rieger / Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges m.b.H. (S. 46), Jacek Dylag / unsplash (S. 47), Alexander Eugen Koller / Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges m.b.H. (S. 47), OSTILL / iStock (S. 48), FOTOKITA / iStock (S. 48), Austin Neill / unsplash (S. 51)

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Vorschau

Ein „digitaler Zwilling“ kann, der Gesell-schaft für Informatik folgend, als digitales Abbild eines Objek-

tes aus der realen Welt verstanden werden. In formaler Hinsicht ist er eine Kombination aus Daten und Algorithmen. Die Daten beschrei-ben das Objekt in seiner Struktur und seinen Zuständen, während die Algorithmen seine Funktio-nalität und die damit verbunde-nen Prozesse abbilden. Die auf diese Weise modellierten Objekte können sowohl physischer Natur sein, z.B. in Form von Maschinen

oder Gebäuden, als auch nicht-physischer Na-tur, z.B. in Form von Produktionsprozessen. Die zugrundeliegende datenbasierte Kopplung von realer und virtueller Welt ermöglicht die Analyse des modellierten Objektes, z.B. zur frühzeitigen Erkennung sich abzeichnender Funktionsdefizi-te oder gar -ausfälle, und die hierauf aufbauen-de, simulationsgestützte Funktionsoptimierung.

Gegenwärtig zählen Industrie 4.0 und das Gesundheitswesen zu den Bereichen, in denen dem Konzept der digitalen Zwillinge das größte Potenzial zugesprochen werden kann. Im Kontext von Industrie 4.0 reichen die Einsatzmöglichkeiten von der Produktentwicklung bzw. -verbesserung über die prädiktive Wartung bis hin zum Quali-tätsmonitoring in der Produktion. Der Entwicklung kommt dabei zugute, dass in den letzten Jahren große Fortschritte auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz, Stichwort „Deep Learning“, gemacht wurden. Dies ermöglicht die effiziente Entdeckung von Mustern in den vom realen Zwilling gelie-ferten Daten (z.B. systematische Veränderungen bestimmter Maschinenparameter). Der digitale Zwilling kann damit in die Lage versetzt werden, aus den identifizierten Mustern zu lernen (z.B. ab

welchen Parameterwerten ein Maschinenausfall droht). Die gleichzeitige Weiterentwicklung spezi-fischer Modellierungsansätze, wie etwa das Buil-ding Information Modeling in der Bauindustrie, wirken sich hierbei förderlich aus. Aber auch als Werkzeug der prädiktiven Medizin, z.B. zur prä-ventiven Früherkennung von sich entwickelnden Krankheiten, können digitale Zwillinge sowohl für den einzelnen Patienten als auch für das Gesund-heitssystem als Ganzes von großem Nutzen sein.

Die Komplexität der zu modellierenden Ob-jekte, man denke hier etwa an das Beispiel eines Bürogebäudes, bringt es allerdings mitunter mit sich, dass die Anwendung des Konzepts der di-gitalen Zwillinge eine Zerlegung des Objekts in seine wesentlichen Komponenten erfordert. Für jede Komponente wird dann ein eigener digita-ler Zwilling erstellt, z.B. für die Gebäudehülle, das Heizungssystem und das Computernetz. Die besondere Herausforderung besteht dann darin, die Analysen und Simulationen in diesem unter Umständen aus vielen digitalen Zwillingen beste-henden digitalen Ökosystem zu einer Simulation bzw. einem Bild des gesamten Bürogebäudes zusammenzuführen. Nicht minder anspruchs-voll, aber gleichermaßen vielversprechend, ist die Anwendung des in Rede stehenden Konzepts auf Geschäftsprozesse entlang der Wertschöp-fungskette zum Zwecke einer prozessorientierten Unternehmenssteuerung.

Neben diesen objektbedingten Herausforde-rungen müssen für die erfolgreiche Implemen-tierung eines digitalen Zwillings aber auch einige grundsätzliche Kriterien erfüllt sein. An erster Stelle ist hier die Akzeptanz von Modellen als Erkenntnisquelle zu nennen. Darüber hinaus lohnt der mit einer Objektdigitalisierung verbundene Aufwand nur dann, wenn der digitale Zwilling repetitiv zum Einsatz kommt. Und last but not least kann er sein Potenzial nur dann entfalten, wenn seitens der ihn nutzenden Menschen ent-sprechendes Know-how vorhanden ist. ■

DIGITALE ZWILLINGE Konzeption und

Nutzung

Prof. Dr. Reinhold Decker,

Professor für Betriebswirt-

schaftslehre und Marketing

und Prorektor für Informa-

tionsmanagement an der

Universität Bielefeld

50 51KO M M E N TA R