Änderung notwendiger Hangsicherungsmaßnahmen für den Betrieb der Eisenbahn mittels...

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DOI: 10.1007/s10357-014-2647-y Änderung notwendiger Hangsicherungs- maßnahmen für den Betrieb der Eisenbahn mittels Planfeststellungsbeschlusses AEG § 18; EBO § 4 Abs. 1; VwVfG § 75 Abs. 1 Die zur Genehmigung gestellten Fels- und Hang- sicherungsmaßnahmen unterfallen dem Planfeststel- lungsvorbehalt gemäß § 18 AEG. – Nichtamtlicher Leitsatz – OVG Koblenz, Urteil vom 4. 7. 2013 – 8 C 11278/12.OVG – Die Beteiligten streiten darüber, ob notwendige Hangsicherungs- maßnahmen zur Gewährleistung des Eisenbahnverkehrs im Mittel- rheintal dem Planfeststellungsvorbehalt in § 18 Allgemeines Eisen- bahngesetz (AEG) unterfallen. Nachdem es seit 2002 im Rheintal vermehrt zu Hangrutschun- gen gekommen war, ließ die Klägerin das Gefährdungspotential geotechnisch untersuchen. Für den hier umstrittenen Bereich des Schlossbergs in der Nähe von Kamp-Bornhofen (Bahn-km 103,250 bis 103,905) ergab sich eine mittlere bis starke Gefährdungssituation, in einem Bereich zwischen Bahn-km 103,560 bis 103,630 sogar eine akute Gefährdungslage. An dieser Stelle wurde – nach vorheriger Abstimmung mit der Oberen Naturschutzbehörde – eine sogenannte Sofortmaßnahme für notwendig erachtet und im Juni 2009 durchge- führt. Sie bestand aus einer Bodenvernagelung auf einer Fläche von 800 m² zur Stabilisierung der dort festgestellten Schuttrinne sowie der Errichtung eines ca. 40 m langen Fangzaunes. Im August 2010 beantragte die Klägerin beim Eisenbahn-Bun- desamt – Außenstelle Frankfurt/Saarbrücken – die Erteilung einer planungsrechtlichen Zulassungsentscheidung für Fels- und Hang- sicherungsmaßnahmen im Bereich Schlossberg. Die Planung bein- haltet vor allem die Errichtung von insgesamt 12 zwischen 3 m und 5 m hohen Fangzäunen, überwiegend im trassennahen Bereich, zum Teil aber auch etwas weiter hangaufwärts in einem Abstand von bis zu ca. 50 m Luftlinie zum Gleis. Darüber hinaus ist neben der be- reits erwähnten Bodenvernagelung zwischen Bahn-km 103,560 und 103,640 eine weitere Bodenvernagelung zwischen Bahn-km 103,450 und 103,500 vorgesehen. Schließlich sollen an zwei Stellen Stein- schlagschutznetze auf einer Fläche von 100 m² bzw. 200 m² ange- bracht werden. Aus dem landespflegerischen Begleitplan geht hervor, dass die naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen zum Teil im Bereich Schlossberg, im Übrigen in St. Goarshausen vorgenommen werden sollen. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Entscheidung vom 3. 12. 2012 ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Das Eisen- bahn-Bundesamt sei für die begehrte Zulassungsentscheidung nicht zuständig. Der Planfeststellungsvorbehalt nach § 18 AEG setze vo- raus, dass es sich bei der genehmigten Maßnahme um eine Betriebs- anlage einer Eisenbahn handele. Voraussetzung hierfür seien nach der Legaldefinition in § 4 Abs. 1 der Eisenbahn-, Bau- und Betriebs- ordnung (EBO) die Eisenbahnbetriebsbezogenheit der Maßnahme, wofür ein räumlicher Zusammenhang zur Bahnstrecke sowie eine Verkehrsfunktion nötig seien. An beidem fehle es hier. Es sei näm- lich zu unterscheiden zwischen Maßnahmen, die an einem „künst- lich“, d. h. für die Errichtung der Bahnstrecke hergerichteten Hang erfolgten und solchen Maßnahmen, die an einem ursprünglichen Hang vorgenommen werden sollten. Bei künstlich entstandenen Hängen, wie den durch Einschnitte entstandenen Dämmen oder Böschungen, seien auch die dort beabsichtigten Hangsicherungs- maßnahmen von § 18 AEG erfasst. Auch bei den dem Urteil des Se- nats vom 16. 7. 2004 – 8 C 10152/04.OVG – zugrundeliegenden Si- cherungsmaßnahmen in der Gemarkung Boppard habe es sich um solche an einem künstlichen Hang gehandelt. Maßnahmen an einem natürlichen Hang, der zur Errichtung der Bahnstrecke unangetastet geblieben sei, stellten hingegen keine Betriebsanlagen dar. Für die von diesen Hangbereichen ausgehende Steinschlaggefahr sei der je- weilige Grundstückseigentümer verantwortlich. Die Erfüllung von dessen Unterhaltungspflicht wirke sich nur mittelbar günstig auf den Schienenverkehr aus, weshalb es an der gebotenen unmittelbaren Verkehrsfunktion fehle. Dass es sich bei den beantragten Maßnah- men nicht um Betriebsanlagen handele, habe die Antragstellerin in ihren Antragsunterlagen auch selbst mitgeteilt. Im Bauwerksver- zeichnis (Bl. 22 der Planungsakte) sei die Fels- und Hangsicherung nicht als Betriebsanlage, sondern als „andere Anlage“ bezeichnet worden. Auf die Finanzierungsmöglichkeit der Maßnahme von Seiten des Bundes habe die fehlende Zuständigkeit des Eisenbahn- Bundesamtes keine Auswirkungen. Selbst wenn man eine Bahnbe- triebsbezogenheit bejahen wolle, entfalle die Planfeststellungspflicht für das Vorhaben jedenfalls deshalb, weil es sich um bloße Unterhal- tungsmaßnahmen handele. Aus den Gründen: I. Die Klage ist zulässig. II. Die Klage ist auch begründet. Die zur Genehmigung gestellten Fels- und Hangsiche- rungsmaßnahmen unterfallen dem Planfeststellungsvorbe- halt gemäß § 18 AEG. 1. Bei den Sicherungsmaßnahmen handelt es sich um die Errichtung von Betriebsanlagen einer Eisenbahn einschließ- lich der hierzu zwingend erforderlichen Vorkehrungen. Für die Auslegung des Anlagenbegriffs in § 18 Satz 1 AEG ist die Legaldefinition in § 4 Abs. 1 Eisenbahn-, Bau- und Betriebsordnung (EBO) heranzuziehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27. 11. 1996 – 11 A 2.96, BVerwGE 102, 269; OVG Koblenz, Urt. v. 16. 7. 2004 – 8 C 10152/04. OVG, [Hangsicherung Boppard], juris, Rdnr. 28). Nach § 4 Abs. 1 EBO sind Bahnanlagen alle Grundstücke, Bau- werke und sonstige Einrichtungen einer Eisenbahn, die unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse zur Abwicklung oder Sicherung des Reise- oder Güterver- kehrs auf der Schiene erforderlich sind. Entscheidendes Kriterium für die objektive Zugehörigkeit einer Einrich- tung zur Bahnanlage ist deren Eisenbahnbetriebsbezo- genheit, die sich durch deren Verkehrsfunktion und den räumlichen Zusammenhang mit dem Eisenbahnbetrieb ausdrückt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. 11. 1996, a. a. O., Rdnr. 21). Diese Voraussetzungen hat der Senat für die Hangsiche- rungsmaßnahmen u. a. in der Gemarkung Boppard mit Ur- teil vom 16. 7. 2004 – 8 C 10152/04.OVG – bejaht (vgl. juris, Rdnr. 29). Der Senat sieht keinen Grund, von die- ser Entscheidung für die hier umstrittenen Hangsiche- rungsmaßnahmen im Bereich des Schlossbergs abzuwei- chen. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelte es sich bei den Maßnahmen in der Nähe von Boppard nicht bloß um Sicherungsmaßnahmen an künstlich hergestellten Dämmen und Böschungen im Nahbereich der Trasse. Viel- mehr sind dort neben zahlreichen Fanggittern und -zäunen hangaufwärts großflächig Betonrippen zur Stabilisierung des gesamten Hangs auf einer Fläche von 1,46 ha ange- bracht worden. Für die Bewertung einer Maßnahme als Betriebsanlage der Eisenbahn ist deren technisch-funktionale Eisenbahn- betriebsbezogenheit maßgeblich (vgl. Vallendar , in: Her- mes/Sellner, AEG, 2006, § 18 Rdnr. 43). Hierzu gehören neben der Gleisanlage als dem Anlagenkern alle sonstigen Einrichtungen, die dazu dienen, einen sicheren Eisenbahn- verkehr zu ermöglichen (vgl. Vallendar , ebenda). Bei den hier vorgesehenen Fels- und Hangsicherungsmaßnahmen handelt es sich um solche sonstigen Einrichtungen der Ei- senbahn im Sinne von § 4 Abs. 1 EBO (so: OVG Koblenz, Urt. v. 16. 7. 2004, a. a. O., juris, Rdnr. 29), die ebenso wie die Gleisanlage selbst zur Gewährleistung eines sicheren Ei- senbahnverkehrs beitragen. Sofern die Klägerin im Bau- werksverzeichnis die Hangsicherungsmaßnahmen nicht als Betriebsanlagen, sondern als „andere Anlagen“ bezeichnet hat, dürfte dies auf dieser Unterscheidung zwischen dem Schienenweg als Anlagenkern und den sonstigen notwen- digen Nebenanlagen beruhen. Dass die von der Klägerin am Schlossberg geplanten Si- cherungsmaßnahmen zur Erhaltung der Verkehrssicherheit auf der rechtsrheinischen Eisenbahnstrecke im Rheintal notwendig sind, also eine Verkehrsfunktion erfüllen, wird auch von der Beklagten nicht bestritten. Die Verkehrsfunk- tion der Hangsicherungsmaßnahmen wird auch nicht da- durch in Frage gestellt, dass die Grundstückseigentümer ih- rerseits zur Hangsicherung verpflichtet sein mögen, zumal NuR (2014) 36: 377–378 377 Rechtsprechung 123

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DOI: 10.1007/s10357-014-2647-y

Änderung notwendiger Hangsicherungs­maßnahmen für den Betrieb der Eisenbahn mittels Planfeststellungsbeschlusses

AEG § 18; EBO § 4 Abs. 1; VwVfG § 75 Abs. 1

Die zur Genehmigung gestellten Fels- und Hang-sicherungsmaßnahmen unterfallen dem Planfeststel-lungsvorbehalt gemäß § 18 AEG.

– Nichtamtlicher Leitsatz – OVG Koblenz, Urteil vom 4. 7. 2013 – 8 C 11278/12.OVG –

Die Beteiligten streiten darüber, ob notwendige Hangsicherungs-maßnahmen zur Gewährleistung des Eisenbahnverkehrs im Mittel-rheintal dem Planfeststellungsvorbehalt in § 18 Allgemeines Eisen-bahngesetz (AEG) unterfallen.

Nachdem es seit 2002 im Rheintal vermehrt zu Hangrutschun-gen gekommen war, ließ die Klägerin das Gefährdungspotential geotechnisch untersuchen. Für den hier umstrittenen Bereich des Schlossbergs in der Nähe von Kamp-Bornhofen (Bahn-km 103,250 bis 103,905) ergab sich eine mittlere bis starke Gefährdungssituation, in einem Bereich zwischen Bahn-km 103,560 bis 103,630 sogar eine akute Gefährdungslage. An dieser Stelle wurde – nach vorheriger Abstimmung mit der Oberen Naturschutzbehörde – eine sogenannte Sofortmaßnahme für notwendig erachtet und im Juni 2009 durchge-führt. Sie bestand aus einer Bodenvernagelung auf einer Fläche von 800 m² zur Stabilisierung der dort festgestellten Schuttrinne sowie der Errichtung eines ca. 40 m langen Fangzaunes.

Im August 2010 beantragte die Klägerin beim Eisenbahn-Bun-desamt – Außenstelle Frankfurt/Saarbrücken – die Erteilung einer planungsrechtlichen Zulassungsentscheidung für Fels- und Hang-sicherungsmaßnahmen im Bereich Schlossberg. Die Planung bein-haltet vor allem die Errichtung von insgesamt 12 zwischen 3 m und 5 m hohen Fangzäunen, überwiegend im trassennahen Bereich, zum Teil aber auch etwas weiter hangaufwärts in einem Abstand von bis zu ca. 50 m Luftlinie zum Gleis. Darüber hinaus ist neben der be-reits erwähnten Bodenvernagelung zwischen Bahn-km 103,560 und 103,640 eine weitere Bodenvernagelung zwischen Bahn-km 103,450 und 103,500 vorgesehen. Schließlich sollen an zwei Stellen Stein-schlagschutznetze auf einer Fläche von 100 m² bzw. 200 m² ange-bracht werden. Aus dem landespflegerischen Begleitplan geht hervor, dass die naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen zum Teil im Bereich Schlossberg, im Übrigen in St. Goarshausen vorgenommen werden sollen.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Entscheidung vom 3. 12. 2012 ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Das Eisen-bahn-Bundesamt sei für die begehrte Zulassungsentscheidung nicht zuständig. Der Planfeststellungsvorbehalt nach § 18 AEG setze vo-raus, dass es sich bei der genehmigten Maßnahme um eine Betriebs-anlage einer Eisenbahn handele. Voraussetzung hierfür seien nach der Legaldefinition in § 4 Abs. 1 der Eisenbahn-, Bau- und Betriebs-ordnung (EBO) die Eisenbahnbetriebsbezogenheit der Maßnahme, wofür ein räumlicher Zusammenhang zur Bahnstrecke sowie eine Verkehrsfunktion nötig seien. An beidem fehle es hier. Es sei näm-lich zu unterscheiden zwischen Maßnahmen, die an einem „künst-lich“, d. h. für die Errichtung der Bahnstrecke hergerichteten Hang erfolgten und solchen Maßnahmen, die an einem ursprünglichen Hang vorgenommen werden sollten. Bei künstlich entstandenen Hängen, wie den durch Einschnitte entstandenen Dämmen oder Böschungen, seien auch die dort beabsichtigten Hangsicherungs-maßnahmen von § 18 AEG erfasst. Auch bei den dem Urteil des Se-nats vom 16. 7. 2004 – 8 C 10152/04.OVG – zugrundeliegenden Si-cherungsmaßnahmen in der Gemarkung Boppard habe es sich um solche an einem künstlichen Hang gehandelt. Maßnahmen an einem natürlichen Hang, der zur Errichtung der Bahnstrecke unangetastet geblieben sei, stellten hingegen keine Betriebsanlagen dar. Für die von diesen Hangbereichen ausgehende Steinschlaggefahr sei der je-weilige Grundstückseigentümer verantwortlich. Die Erfüllung von dessen Unterhaltungspflicht wirke sich nur mittelbar günstig auf den Schienenverkehr aus, weshalb es an der gebotenen unmittelbaren Verkehrsfunktion fehle. Dass es sich bei den beantragten Maßnah-men nicht um Betriebsanlagen handele, habe die Antragstellerin in ihren Antragsunterlagen auch selbst mitgeteilt. Im Bauwerksver-zeichnis (Bl. 22 der Planungsakte) sei die Fels- und Hangsicherung nicht als Betriebsanlage, sondern als „andere Anlage“ bezeichnet worden. Auf die Finanzierungsmöglichkeit der Maßnahme von Seiten des Bundes habe die fehlende Zuständigkeit des Eisenbahn-

Bundesamtes keine Auswirkungen. Selbst wenn man eine Bahnbe-triebsbezogenheit bejahen wolle, entfalle die Planfeststellungspflicht für das Vorhaben jedenfalls deshalb, weil es sich um bloße Unterhal-tungsmaßnahmen handele.

Aus den Gründen:

I. Die Klage ist zulässig.…II. Die Klage ist auch begründet.Die zur Genehmigung gestellten Fels- und Hangsiche-

rungsmaßnahmen unterfallen dem Planfeststellungsvorbe-halt gemäß § 18 AEG.

1. Bei den Sicherungsmaßnahmen handelt es sich um die Errichtung von Betriebsanlagen einer Eisenbahn einschließ-lich der hierzu zwingend erforderlichen Vorkehrungen.

Für die Auslegung des Anlagenbegriffs in § 18 Satz  1 AEG ist die Legaldefinition in § 4 Abs.  1 Eisenbahn-, Bau- und Betriebsordnung (EBO) heranzuziehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27. 11. 1996 – 11 A 2.96, BVerw GE 102, 269; OVG Koblenz, Urt. v. 16. 7. 2004 – 8 C 10152/04.OVG, [Hangsicherung Boppard], juris, Rdnr. 28). Nach § 4 Abs. 1 EBO sind Bahnanlagen alle Grundstücke, Bau-werke und sonstige Einrichtungen einer Eisenbahn, die unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse zur Abwicklung oder Sicherung des Reise- oder Güterver-kehrs auf der Schiene erforderlich sind. Entscheidendes Kriterium für die objektive Zugehörigkeit einer Einrich-tung zur Bahnanlage ist deren Eisenbahnbetriebsbezo-genheit, die sich durch deren Verkehrsfunktion und den räumlichen Zusammenhang mit dem Eisenbahnbetrieb ausdrückt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. 11. 1996, a. a. O., Rdnr. 21).

Diese Voraussetzungen hat der Senat für die Hangsiche-rungsmaßnahmen u. a. in der Gemarkung Boppard mit Ur-teil vom 16. 7. 2004 – 8  C 10152/04.OVG – bejaht (vgl. juris, Rdnr. 29). Der Senat sieht keinen Grund, von die-ser Entscheidung für die hier umstrittenen Hangsiche-rungsmaßnahmen im Bereich des Schlossbergs abzuwei-chen. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelte es sich bei den Maßnahmen in der Nähe von Boppard nicht bloß um Sicherungsmaßnahmen an künstlich hergestellten Dämmen und Böschungen im Nahbereich der Trasse. Viel-mehr sind dort neben zahlreichen Fanggittern und -zäunen hang auf wärts großflächig Betonrippen zur Stabilisierung des gesamten Hangs auf einer Fläche von 1,46 ha ange-bracht worden.

Für die Bewertung einer Maßnahme als Betriebsanlage der Eisenbahn ist deren technisch-funktionale Eisenbahn-betriebsbezogenheit maßgeblich (vgl. Vallendar, in: Her-mes/Sellner, AEG, 2006, § 18 Rdnr. 43). Hierzu gehören neben der Gleisanlage als dem Anlagenkern alle sonstigen Einrichtungen, die dazu dienen, einen sicheren Eisenbahn-verkehr zu ermöglichen (vgl. Vallendar, ebenda). Bei den hier vorgesehenen Fels- und Hangsicherungsmaßnahmen handelt es sich um solche sonstigen Einrichtungen der Ei-senbahn im Sinne von § 4 Abs. 1 EBO (so: OVG Koblenz, Urt. v. 16. 7. 2004, a. a. O., juris, Rdnr. 29), die ebenso wie die Gleisanlage selbst zur Gewährleistung eines sicheren Ei-senbahnverkehrs beitragen. Sofern die Klägerin im Bau-werksverzeichnis die Hangsicherungsmaßnahmen nicht als Betriebsanlagen, sondern als „andere Anlagen“ bezeichnet hat, dürfte dies auf dieser Unterscheidung zwischen dem Schienenweg als Anlagenkern und den sonstigen notwen-digen Nebenanlagen beruhen.

Dass die von der Klägerin am Schlossberg geplanten Si-cherungsmaßnahmen zur Erhaltung der Verkehrssicherheit auf der rechtsrheinischen Eisenbahnstrecke im Rheintal notwendig sind, also eine Verkehrsfunktion erfüllen, wird auch von der Beklagten nicht bestritten. Die Verkehrsfunk-tion der Hangsicherungsmaßnahmen wird auch nicht da-durch in Frage gestellt, dass die Grundstückseigentümer ih-rerseits zur Hangsicherung verpflichtet sein mögen, zumal

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die Notwendigkeit zu den hier beabsichtigten Maßnahmen wesentlich aus der Eröffnung eines gefahrträchtigen Ver-kehrs am Fuß der Rheinhänge herrührt.

Ferner ist auch der räumliche Zusammenhang der Siche-rungsmaßnahmen mit dem Eisenbahnbetrieb gewahrt. Die geplanten Sicherungsmaßnahmen sollen entlang der Bahn-trasse errichtet werden, und zwar überwiegend – so bei der Mehrzahl der Fangzäune – im Abstand von wenigen Me-tern zu den Gleisen. Sofern darüber hinaus weitere Maß-nahmen hangaufwärts geplant sind, sollen diese auch nur in einem Abstand von ca. 20–30 m – in einem Fall bis zu 50 m – Luftlinie zu den Gleisen ausgeführt werden.

Für die von der Beklagten vorgenommene Unterschei-dung zwischen Maßnahmen an einem künstlichen und sol-chen an einem natürlichen Hang gibt § 18 AEG i. V. m. § 4 Abs. 1 EBO nichts her. Maßgeblich ist vielmehr die tech-nisch-funktionale Eisenbahnbetriebsbezogenheit (vgl. Val-lendar, a. a. O., § 18 Rdnr. 43).

Zu Recht hat die Beklagte eingeräumt, dass hangauf-wärts (d. h. am natürlichen Hang) angebrachte Sicherungen bei Neuerrichtung der Bahnstrecke als notwendige Folge-maßnahmen Gegenstand der Planfeststellung sein könnten. Der Gegenstand der Planfeststellung wird in diesem Fall um die zur Errichtung und zum gefahrenfreien Betrieb des Eisenbahnvorhabens notwendigen Schutzvorkehrungen und Folgemaßnahmen erweitert, einschließlich der natur-schutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21. 12. 1995 – 11 VR 6.95, DVBl. 1996, 676; Urt. v. 23. 8. 1996 – 4 A 29.95, DVBl. 1997, 68; Vallendar, a. a. O., § 18 Rdnr. 45 f.).

Sofern die für dauerhafte Schutzvorkehrungen oder etwa die naturschutzrechtlichen Ersatzmaßnahmen benö-tigten Grundstücke nicht im Eigentum des Vorhabenträ-gers stehen (vgl. zu dieser Möglichkeit: Nr. 1 Abs. 6 des Anhangs 2 der Richtlinien für den Erlass planungsrechtli-cher Zulassungsentscheidungen für Betriebsanlagen der Ei-senbahn des Bundes [PF-RL] vom Januar 2012), bedarf es hierfür der Begründung einer Dienstbarkeit oder des Ei-gentumserwerbs (vgl. Vallendar, a. a. O., § 18 Rdnr. 35). Dies gilt auch im Fernstraßenrecht. Die von der Beklagten er-wähnte Duldungspflicht von Grundstücksnachbarn in § 11 FStrG bezieht sich nur auf vorübergehende Schutzeinrich-tungen, wie zum Beispiel Schneefangzäune gegen Verwe-hungen oder Sandsäcke gegen Hochwasser (vgl. Grupp, in: Marschall, FStrG, 6. Aufl. 2012, § 11 Rdnr. 2). Für einen eventuell notwendigen zwangsweisen Zugriff auf fremde Grundstücksflächen entfaltet die planungsrechtliche Zu-lassungsentscheidung enteignungsrechtliche Vorwirkung (§ 22 Abs.  2 AEG; vgl. für naturschutzrechtliche Aus-gleichsmaßnahmen: BVerwG, Urt. v. 21. 12. 1995 und vom 23. 8. 1996, jeweils a. a. O.).

Wären die hier umstrittenen Hangsicherungsmaß-nahmen auch nach Auffassung der Beklagten bei einer (hypothetischen) Neuerrichtung der rechtsrheinischen Eisenbahnstrecke ohne weiteres Gegenstand der Plan-feststellung, spricht nichts dafür, den Gegenstand der Planfeststellung bei nachträglichen Änderungen der An-lage enger zu fassen. Denn der Planfeststellungsvorbehalt in § 18 AEG bezieht sich sowohl auf den Bau als auch auf die spätere Änderung der Betriebsanlagen. Erstreckt sich der Gegenstand der Planfeststellung über die Gleis-anlage hinaus auch auf die zum sicheren Betrieb der Ei-senbahnstrecke erforderlichen Sicherungsvorkehrungen gegen Hangrutschungen, ist es sachgerecht, wenn auch die als notwendig erkannten Änderungen an dem Schutz-konzept den planfeststellungsrechtlichen Kontrollzustän-digkeiten unterfallen. Gerade weil die Rechtfertigung geänderter Schutzvorkehrungen wesentlich von der Be-urteilung eisenbahntechnischer Umstände abhängt, liegt es fern, diese Bewertung allein einem baurechtlichen oder naturschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu überantworten.

2. Die Planfeststellungspflicht entfällt auch nicht deshalb, weil es sich bei den beantragten Schutzvorkehrungen um bloße Unterhaltungsmaßnahmen und damit nicht um eine „Änderung“ im Sinne von § 18 AEG handeln würde.

Unterhaltungsmaßnahmen beschränken sich auf die Si-cherung des vorhandenen (Ist-)Bestandes (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. 9. 1997 – 11 C 10.96, NVwZ 1998, 1075); Vallendar, a. a. O., § 18 Rdnr. 59). Gemeint sind Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung durch Beseitigung des gewöhnlichen Verschleißes, Vornahme von Reparatu-ren sowie die Auswechslung abgenutzter oder schadhafter Anlagenteile (vgl. BVerwG, Urt. v. 14. 5. 1992 – 4 C 28.90, juris, Rdnr.  16 [Austausch der Stützen einer Eisenbahn-überführung ist wegen substantieller Qualitätsverbesserun-gen keine bloße Erhaltungsmaßnahme]).

Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um die Repa-ratur vorhandener Sicherungseinrichtungen, sondern um die Errichtung neuer Schutzvorkehrungen. Dass diese zum Teil in ihrer Funktion die alten Schutzmaßnahmen erset-zen, ändert nichts daran, dass es sich um eine Neuerrich-tung auf bisher nicht in Anspruch genommenen Flächen handelt.

3. Schließlich entfällt die Planfeststellungspflicht auch nicht gemäß § 74 Abs. 7 VwVfG in Verbindung mit § 18 b Nr. 4 AEG wegen ei-nes Falles von unwesentlicher Bedeutung. Denn die geplanten Maß-nahmen berühren andere öffentliche Belange im Sinne von 74 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 VwVfG, etwa dadurch, dass sie naturschutzbehördlich zu beurteilende Eingriffe in Natur und Landschaft auslösen. Da-rüber hinaus beeinflussen sie Rechte anderer (§ 74 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 VwVfG), weil sie – zumindest teilweise – fremde Grundstücke für Zwecke des Bahnverkehrs in Anspruch nehmen und von den Eigen-tümern zumindest Duldungen der Schutzeinrichtungen erfordern.

Naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht

NNatG § 48 Abs. 2 und 5; BGB § 463 ff., § 1093 ff.

1. Der Vorrang des naturschutzrechtlichen Vorkaufs-rechts nach § 48 Abs. 2 Satz 2 NNatG gegenüber rechts-geschäftlichen Vorkaufsrechten erstreckt sich auch auf Vorkaufsrechte, die vor Inkrafttreten des Niedersächsi-schen Naturschutzgesetzes rechtsgeschäftlich begrün-det worden sind.

2. Unter die nachrangigen rechtsgeschäftlichen Vor-kaufsrechte im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 2 NNatG fal-len sowohl schuldrechtliche Vorkaufsrechte nach den §§ 463 ff. BGB als auch dingliche Vorkaufsrechte nach den §§ 1094 ff. BGB.

3. § 48 Abs. 2 Satz 2 NNatG entfaltet keine echte, son-dern eine verfassungsrechtlich unbedenklich unechte Rückwirkung.OVG Lüneburg, Beschluss vom 14. 1. 2013 – 4 LA 171/11 –

Aus den Gründen:

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das erstinstanzliche Ur-teil zuzulassen, hat keinen Erfolg, weil die von dem Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO nicht vorliegen.

Entgegen der Auffassung des Klägers bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung, mit der das Verwaltungsgericht die Klage mit der Begründung abgewie-sen hat, der angefochtene Bescheid über die Ausübung des Vorkaufs-rechts begegne keinen rechtlichen Bedenken.

Der Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe nicht be-rücksichtigt, dass die erforderliche Interessenabwägung von dem Beklagten nicht durchgeführt worden sei und daher ein Ermessen-sausfall vorliege, greift nicht durch. Dem Kläger ist zwar einzuräu-men, dass die Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 48 NNatG im behördlichen Ermessen steht, so dass der Be-

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