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Flüchtlingskrise: dbb Bundesvorstand fordert mehr Unter-stützung für Länder und Kommunen

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Dr. Maria Flachs-barth, Bundes-ministerium für Ernährung und Landwirtschaft

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mit dbb Seiten

Oktober 2015 – 66. Jahrgang

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< Schwerpunkt: Anders leben im Alter

Editorial

< Häusliche Pflege: Rente für Pflege? 4

Nachgefragt

< Dr. Maria Flachsbarth, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 5

Standpunkt

< Reform der Pflegeversicherung: Langer Atem erforderlich 6

Kompakt

< dbb Bundesvorstand verabschiedet Resolution: Mehr Unterstützung in der Flüchtlingskrise gefordert 8

< Pflichtmitgliedschaft in der KVdR: Besser informieren 9

< Flüchtlingszustrom: Auch Senioren gefordert 10

< „Mütterrente“ für Beamtinnen: Kein Finanzproblem 10

Vorgestellt

< Ralf Keber alias Jack Hunter: Offizier und Gentleman 12

Medien

< Computerspiele: Opa im Krieg mit Mordor 14

Blickpunkt

< Zigarettenmafia: Illegal rauchen schadet nicht nur der Gesundheit 16

Aus den Ländern

< BRH Hamburg: Hamburg bekennt Farbe 18

< BRH Sachsen: Internetbetrug an Senioren 18

< BRH NRW: Sturzfolgen oft dramatisch 21

Satire 22

Gewinnspiel 24

dbb

< Bürgerbefragung 2015: Leistungsstarke Verwaltung 25

< dbb Medienkonferenz: Kein Service ohne Gebühren? 30

< Digitale Infrastruktur: Gezerre ums Breitband 40

< die andere meinung: Mit Sicherheit: Nicht sicher! 44

< Interview mit Martin Seiler, Telekom Deutschland 46

Impressum:AiR – Aktiv im Ruhestand. Magazin des dbb für Ruhestandsbeamte, Rentner und Hinterbliebene. Herausgeber: Bundesleitung des dbb beamtenbund und tarifunion, Friedrichstraße 169/170, 10117 Berlin. Telefon: 030.4081-40. Telefax: 030.4081-5599. Internet: www.dbb.de. E-Mail: [email protected]. Chefredakteur: Dr. Walter Schmitz (sm). Redak tion: Christine Bonath (cri), Jan Brenner (br) sowie Carl-Walter Bauer (cwb). Redaktionsschluss: 10. jeden Monats. Beiträge, die mit dem Namen des Verfassers gekennzeichnet sind, geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. „AiR – Aktiv im Ruhestand“ erscheint zehnmal im Jahr. Titelbild: Jan Brenner Einsendungen zur Veröffent lichung: Manuskripte und Leserzuschriften müssen an die Redaktion geschickt werden mit dem Hinweis auf Veröffentlichung, andernfalls können die Beiträge nicht veröffentlicht werden. Bezugsbedingungen: Preis des Ein-zelheftes 3,90 Euro inkl. Versandkosten. Jahresabonnement für Nichtmitglieder 36,90 Euro inkl. Porto und Versand. Für Mitglieder der BRH-Landesorganisationen ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten. Adressänderungen und Kündi-gungen bitte schriftlich an den dbb verlag. Die Kündigungen des Jahresabonnements müssen bis zum 10. Dezember beim dbb verlag eingegangen sein, andernfalls muss der Bezugspreis für das nächste Jahr bezahlt werden. Layout: Patrick Boetselaars, FDS, Geldern. Verlag: dbb verlag gmbh. Internet: www.dbbverlag.de. E-Mail: [email protected]. Verlagsort und Bestell anschrift: Friedrichstraße 165, 10117 Ber-lin. Telefon: 030.7261917-0. Telefax: 030.726191740. Anzeigenverkauf: dbb verlag gmbh, Mediacenter, Dechenstraße 15 a, 40878 Ratingen. Telefon: 02102.74023-0. Telefax: 02102.74023-99. E-Mail: [email protected]. Anzeigenleitung: Petra Opitz-Hannen, Telefon: 02102.74023-715. Anzeigenverkauf: Panagiotis Chrissovergis, Telefon: 02102.74023-714. Anzeigendisposition: Britta Urbanski, Telefon: 02102.74023-712. Anzeigentarif Nr. 56 (dbb magazin) und Aktiv im Ruhestand Nr. 43, gültig ab 1.10.2014. Druckauflage: dbb magazin 591.777 Exemplare (IVW 2/2015). Druckaufl age AiR – Aktiv im Ruhestand 14.833 Exemplare (IVW 2/2015). Anzeigenschluss: 6 Wochen vor Erschei-nen. Herstellung: L.N. Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien, Marktweg 42–50, 47608 Geldern. Gedruckt auf Papier aus elementar-chlorfrei gebleichtem Zellstoff.Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird der Einfachheit halber nur die männliche Form verwendet. Sämtliche Personen- und Berufsbezeichnungen gelten jedoch glei-chermaßen für alle Geschlechter. ISSN 1438-4841

Alternative Lebensform 1845„Ich zog in die Wälder, weil ich den Wunsch hatte, mit Überlegung zu leben (…), zu er-gründen, ob ich nicht lernen könnte, was ich lehren sollte, um beim Sterben vor der Entdeckung bewahrt zu bleiben, dass ich nicht gelebt hatte. Ich wollte nicht das Le-ben, was kein Leben war. Das Leben ist so kostbar. Auch wollte ich keine Entsagung üben – höchstens im Notfall. Ich wollte tief leben, alles Mark des Lebens aussaugen, so herzhaft und spartanisch leben, dass alles, was nicht Leben war, aufs Haupt geschla-gen würde. Ich wollte mit großen Zügen knapp am Boden mähen, das Leben in die Enge treiben und es auf die einfachste For-mel bringen.“

Henry David Thoreau (1817–1862) reflektiert in seinem be-kanntesten Werk „Walden oder Leben in den Wäldern“, Bos-ton 1854, über seine Abkehr von den Errungenschaften des modernen Amerika. Zwischen Juli 1845 und September 1847 lebte er 26 Monate lang in einer selbst gebauten Waldhütte

am Walden-Teich, wenige Meilen vom nächsten Ort entfernt, den er regelmäßig besuchte, um Kontakte zu pflegen. Er jag-

te, fischte und betrieb Ackerbau. Thoreau gilt heute als einer der Vordenker der sogenannten Aussteigerbewegung.

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Häusliche Pflege:

Rente für Pflege?Das Bundeskabinett hat am 12. August 2015 be-schlossen, die Pflege in Deutschland zu stärken. Das entsprechende Gesetz wird am 1. Januar 2016 in Kraft treten. Das neue Be-gutachtungsverfahren und die Umstellung der Leis-tungsbeträge der Pflege-versicherung sollen zum 1. Januar 2017 wirksam werden. Was ändert sich für wen? Statt der bisher geltenden drei Pflegestu-fen gibt es fünf Pflegegra-de und in Zukunft werden körperliche, geistige und psychische Einschränkun-gen gleichermaßen erfasst und in die Einstufung ein-bezogen. Mit der Begut-achtung wird der Grad der Selbstständigkeit in sechs verschiedenen Bereichen gemessen und – mit unter-schiedlicher Gewichtung – zu einer Gesamtbewer-tung zusammengeführt. Daraus ergibt sich die Ein-stufung in einen Pflege-grad. Die sechs Bereiche

sind Mobilität, kognitive und kommunikative Fähig-keiten, Verhaltensweisen und psychische Problemla-gen, Selbstversorgung, Be-wältigung von und selbst-ständiger Umgang mit krankheits- oder thera-piebedingten Anforde-rungen und Belastungen sowie Gestaltung des Alltagslebens und so - zialer Kontakte.

Nach der erfolgten Festle-gung eines Pflegegrades erhält der Pflegebedürf-tige künftig mehr finan-zielle Unterstützung. Sie reicht in der Gruppe 1 von 125 Euro für ambulante Geldleistungen (ambulante Pflegeleistungen ab 698 Eu-ro in der Stufe 2) bis hin zum Pflegegrad 5, der für die stationäre Betreuung 2005 Euro als Monatsleis-tung vorsieht. Das ist durch-aus begrüßenswert und richtig und wird insbeson-dere demenzkranken Men-schen zugute kommen, die

bislang weitgehend durch die Beurteilungsraster ge-fallen sind, weil als Maß-stab ihre noch vorhandene Mobilität zähle und nicht ihre kognitiven Defizite.

Dass dafür viel Geld in die Hand genommen werden muss, steht außer Frage, doch die beschlossene Bei-tragsanhebung um 0,2 Pro-zentpunkte zum 1. Januar 2017 – sie soll bis 2022 die Mehrkosten decken – dürf-te angesichts der allgemei-nen demo grafischen Ent-wicklung und der zusätz-lichen so zialen Probleme nicht reichen. Aber vor der Bun destagswahl 2017 wird daran wohl kaum etwas ge ändert. Und ein Weite-res: Die nahezu alle Men-schen betreffende Lebens-situation Pflege ist noch längst nicht in den Köpfen angekommen, Pflegebe-dürftig werden andere. Die Beschäftigung mit dem Thema erfolgt erst mit der persönlichen Be-troffenheit. Deshalb ist seitens der Leistungs -träger wesentlich mehr grundsätz liche Informa-tions- und Aufklärungs-arbeit notwendig als derzeit be trieben wird.

Außerdem versucht die neue Pflegegesetzgebung, durch mehr Differenzie-rung mehr Betroffenen und deren Angehörigen

gerecht zu werden. Soweit, so gut. Doch dadurch ent-steht aufseiten der An-tragsteller, ob Familien-mitglieder oder ambulante Pflegedienste, ein wesent-lich höherer bürokratischer Aufwand. Ohne Antrag-stellung geht bekanntlich gar nichts, aber wie einen Antrag stellen, wenn nicht genau bekannt ist, was im einzelnen beansprucht werden kann und erstattet oder subventioniert wird? Das ist sicherlich keine gu-te Option für die Patien-ten, in ihrer gewohnten Häuslichkeit zu bleiben und Pflege durch Familien-angehörige in Anspruch zu nehmen. Eine länderüber-greifende Vereinfachung der Antrag- und Bewilli-gungspraxis täte not.

Viel zu wenig bekannt ist es auch, dass die Krankenkas-sen der Pflegebedürftigen Rentenbeiträge für den Pflegenden leisten, der be-ruflich zurückstecken muss. Wenn die Krankenkassen den Anspruch auf „Pflege-rente“ transparenter ma-chen würden, könnten vie-len Menschen die Entschei-dung für häusliche Pflege leichter treffen. Werfen Sie dazu – mehr als einen Blick – in die Broschüre der Deut-schen Rentenversicherung „Rente für Pflegepersonen: Ihr Einsatz lohnt sich“. sm

< ... und die mit dem Pflegestärkungsgesetz beschlossene Einrich-tung eines Pflegefonds, der in den kommenden 20 Jahren auf-gebaut werden soll, um der Gefahr einer Beschränkung des Leistungs niveaus der Pflegeversicherung zu begegnen, dürfte spätestens ab dann nicht mehr ausreichen.

< Ab 2035 werden die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer-Generation ins Pflegealter kommen ...

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?Dr. Maria Flachsbarth, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft

Den Jahren Leben geben statt dem Leben JahreDie Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt ei-ne vollwertige, dem Ener-giebedarf angepasste Er-nährung sowie ausreichend Bewegung. Der Speiseplan sollte vielfältig und ab-wechslungsreich sein: Brot, Nudeln, Reis sowie Milch-produkte, Obst und Gemü-se gehören ebenso zu einer gesunden Ernährung wie Fisch und Fleisch. Und na-türlich gehört auch der Ge-nuss – in Maßen nicht in Massen – zu einem gesun-den Lebensstil. Die Ernäh-rungsweise hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert, ist immer individueller geworden. Und seit einigen Jahren stellen wir fest: Immer mehr Verbraucher ernäh-ren sich vegetarisch. Das gilt auch für Seniorinnen und Senioren. Das Nationa-le Ernährungsmonitoring des Max Rubner-Instituts belegt, dass sich in den Jah-ren 2012/13 rund zwei Pro-zent der 20- bis 80-Jährigen vegetarisch ernährten. Zwar liegen keine neueren Zahlen vor, aber Schätzun-gen zufolge ist der Anteil seither gestiegen. Klar ist, dass das Weglassen tieri-scher Lebensmittel nicht automatisch eine gesunde Ernährungsweise bedeutet. Es kommt auf die richtige Lebensmittelauswahl an!

Forschungen haben erge-ben: Vegetarier sind selte-ner übergewichtig und wei-sen für Herz-Kreislauf-Er-krankungen und Diabetes Typ 2 ein geringeres Risiko auf. Auch für bestimmte Krebserkrankungen wurde

ein leicht verringertes Risi-ko festgestellt. Die gesund-heitlichen Vorteile haben aber ihre Grenzen. Für Os-teoporose und dem nach-folgenden Risiko eines Kno-chenbruchs besteht bei Ve-ganern ein höheres Risiko. Es ist ja auch einleuchtend: Je mehr Lebensmittelgrup-pen aus der Ernährung aus-geschlossen werden, desto eher kommt es zur Unter-versorgung mit in diesen Lebensmitteln besonders reichlich enthaltenen Nähr-stoffen, denken Sie zum Bei-spiel an Kalzium in Milch.

Das erfordert besonders mit zunehmendem Alter eine sorgfältige Ernäh-

rungsplanung. Denn im Laufe des Lebens verän-dern sich die Stoffwechsel-vorgänge im Körper: Statt um Wachstum geht es dann um Erhalt oder Repa-ratur. Damit geht ein Rück-gang des Energiebedarfs einher, während aber wei-terhin ein hoher Bedarf an Nährstoffen besteht. Des-halb liegt die Herausforde-rung darin, Lebensmittel mit einem hohen Nähr-stoffgehalt zu verzehren und dabei gleichzeitig auf den Energiegehalt zu ach-ten. Das trifft grundsätzlich für alle Senioren zu, unab-hängig davon, ob sie sich vegetarisch, vegan oder mit gemischter Kost ernähren.

In der Praxis heißt das, viel Gemüse, Obst, Vollkornpro-dukte und Hülsenfrüchte als nährstoffdichte Lebens-mittel zu verzehren. Nüsse, Saaten und pflanzliche Öle wie Rapsöl, Olivenöl oder Sojaöl sorgen ergänzend für die Bedarfsdeckung mit wichtigen Fettsäuren. Für die Vitamine B12 und D, für Kalzium, Zink, Jod und bestimmte Fettsäuren, die vor allem in tierischen Le-bensmitteln vorkommen oder dort in einer leichter vom Körper zu verwerten-den Form vorliegen, wird bei manchen Senioren mit vegetarischer oder veganer Ernährung ein Mangel fest-gestellt. Deshalb sind ärzt-liche Kontrollen der Blut-werte sinnvoll sowie gege-benenfalls eine Ergänzung der fehlenden Nährstoffe über Supplemente.

Gesunde Ernährung und Bewegung zu fördern ist auch das Ziel der vom BMELF und dem Gesund-heitsministerium getrage-nen Initiative IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung. Denn ge-sunde Ernährung und Be-wegung leisten einen wich-tigen Beitrag zur Präventi-on von ernährungsmitbe-dingten Krankheiten, auch im Alter. IN FORM umfasst deshalb auch viele Angebo-te für Seniorinnen und Se-nioren, die zu einem gesun-den Lebensstil motivieren. Denn mit dem Fortschrei-ten der Jahre wird es im-mer wichtiger, den Jahren Leben zu geben und nicht nur dem Leben Jahre.

Eine Frage an

< Dr. Maria Flachsbarth, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMELF)

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AiR:Zu den alternativen Lebensformen zählt auch die vegetarische, beziehungsweise konsequenter, die vegane Ernährung. Über sechs Millionen Deutsche sind überzeugt, dass das Leben ohne Fleisch und Fisch gesünder ist. Stimmt das tatsächlich, und vor allem: Was gilt für Senioren?

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Reform der Pflegeversicherung:

Langer Atem erforderlich Das Thema „Pflege, Pflegeversicherung und deren Reform“ ist seit Jahren ein Dauerbrenner. Ein langer Atem ist erforderlich, um dringend notwendige Korrekturen beispielsweise bei der Feststellung der Pflegestufe, aber auch bei der täglichen Pflege durchzusetzen.

Ein gutes Beispiel hierfür ist das Pflegestärkungsge-setz II. Dieses Gesetz wird uns seit circa zehn Jahren in Aussicht gestellt. Es be-durfte zweier Experten-beiräte von zwei Bundes-regierungen und einer Praktikabilitätsstudie, damit nun endlich ein Gesetz entwurf vorgelegt wurde. Dessen zentrale Punkte sind die Neudefini-tion des Pflegebedürftig-keitsbegriffs sowie eine Reform des Begutach-tungsverfahrens. Bundes-gesundheitsminister Her-mann Gröhe hat ausdrück-lich erklärt, man wolle durch diese Reform alten und kranken Menschen besser gerecht werden.

< Mehr Hilfe für Demenzkranke

Der Gesetzentwurf setzt, wenn auch mit Änderun-gen, die Empfehlungen des Beirates zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeits-begriffs um. Die bisherigen drei Pflegestufen sollen durch fünf Pflegegrade ersetzt werden. Die neue Definition des Pflegebe-dürftigkeitsbegriffs bezieht kognitive und kommuni-kative Fähigkeiten, psychi-sche Problemlagen und die jeweils mögliche Gestal-tung des Alltagslebens deutlich stärker als bisher in die Beurteilung ein. Damit sollen von Demenz betroffene Menschen, die

in ihrer Alltagskompetenz eingeschränkt sind, bei der Überprüfung ihrer Pflege-bedürftigkeit profitieren. Diese Neuregelung, mit der die Überbewertung der As-pekte der Mobilität, Selbst-versorgung und Haushalts-führung beendet wird, ist grundsätzlich positiv zu werten. Allerdings bleibt abzuwarten, ob tatsächlich wie angestrebt Menschen mit eingeschränkter All-tagskompetenz in dem er-warteten Maße profitieren werden. Dies hängt ganz wesentlich von dem neuen Begutachtungsverfahren

ab. In diesem Rahmen ist besonders wichtig, dass nicht nur auf die Selbstaus-künfte der pflegebedürfti-gen Personen abgestellt wird, sondern pflegende beziehungsweise betreu-ende Angehörige, andere Pflegepersonen und be-handelnde Ärzte automa-tisch in die Begutachtung eingebunden werden. Dies wird hoffentlich zu einem Begutachtungsergebnis führen, mit dem die Situa-tion pflegebedürftiger Menschen tatsächlich ver-bessert und ihre Einschrän-kungen, seien sie körperli-

cher oder seien sie geisti-ger Art, bei der Begutach-tung zur Feststellung eines Pflegegrades so berück-sichtigt werden, dass die Betroffenen nicht auch noch ein Widerspruchs- oder gar Klageverfahren führen müssen.

< Mehr Teilhabe erreichen

Auch die Pflege selbst muss den Bedürfnissen der Pflegebedürftigen ent-sprechen. Die Überführung der Leistungen der Pflege-versicherung in die Syste-matik der Pflegegrade wird sicher dazu beitragen. Dies gilt auch für die vorgese-hene Vereinheitlichung der Eigenanteile bei stationä-rer Unterbringung, wo-durch vermieden werden kann, dass die Feststellung eines höheren Pflegegra-des zu einem unkalkulier-baren Risiko wird. Der Rechtsanspruch auf zu-sätzliche Betreuungs- und Aktivierungsleistungen wird hoffentlich zu mehr Teilhabe der Pflegebedürf-tigen führen.

Ganz wichtig ist die sozia-le Absicherung pflegender Angehöriger. Hier lässt der Gesetzentwurf jedoch Wünsche offen. Die häu- fig bestehende Doppelbe-lastung wird rentenrecht-lich immer noch nicht be-rücksichtigt. Auch wenn der Entwurf des Pflege-stärkungsgesetzes II ein Schritt in die richtige Rich-tung ist, müssen wir kri-tisch prüfen, ob nicht noch Verbesserungen notwendig sind.

< Wolfgang Speck, Vorsitzender der dbb bundesseniorenvertretung

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dbb Bundesvorstand verabschiedet Resolution:

Mehr Unterstützung in der Flüchtlingskrise gefordertAngesichts des Flüchtlingszustroms brauchen vor allem Länder und Kom-munen zusätzliche Unterstützung, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können. Das hat der Bundesvorstand des dbb in einer Resolution unter der Über-schrift „Menschen in Not – eine Herausforderung für Deutschland und Europa“ klargemacht, die er auf seiner Sitzung am 15. September 2015 in Berlin einstimmig beschlossen hat.

„Das gilt kurzfristig für die Registrierung und Unter-bringung, langfristig für die Integration Asylberech-tigter.“ Die Politik müsse mit den zuständigen Ver-waltungen Verfahrens-abläufe vereinfachen und dabei den dbb und seine Mitgliedsgewerkschaften mit ihrer Kompetenz ein-beziehen, heißt es in der Entschließung.

Deutschland könne die Probleme nicht allein lö-sen. „Wenn die Europäi-sche Union ihrem An-spruch gerecht werden will, nicht nur eine Wirt-schaftsgemeinschaft, son-dern auch eine Wertege-meinschaft zu sein, die So-lidarität als Grundlage für ihr Handeln betrachtet, dann sind alle Mitglied-staaten nach ihrer Leis-tungskraft gefragt. Obers-tes Ziel müsse es sein, für Flüchtlinge europaweit ei-ne menschenwürdige Un-terkunft und Versorgung zu garantieren.

< Öffentlicher Dienst zeigt Leistungsfähigkeit

Wie bei vergangenen gro-ßen Herausforderungen auch, zeige der öffentliche Dienst in Deutschland sei-ne Leistungs fähigkeit, wird in der Resolution hervor-gehoben: „Auf allen staat-lichen Ebenen – in der Lan-

des- und Bundesverwal-tung, vor allem beim Bun-desamt für Migration und Flüchtlinge, in den Städten und Gemeinden, bei der Polizei, in Kindergärten und Schulen, in Gesund-

heitsämtern, in der Sozia-len Arbeit, in Jobcentern und in der Sozialversiche-rung – setzen sich die Kol-leginnen und Kollegen an-gesichts der täglich stei-genden Flüchtlingszahlen bis an die Grenze ihrer Be-lastbarkeit ein und leisten eine großartige und hoch motivierte Arbeit. Sie dür-fen dabei nicht alleingelas-sen werden.“

Zugleich werde angesichts dieser Herausforderungen deutlich, wie sich der seit

Jahren herbeigeführte Personalmangel jetzt aus-wirkt. „Die Politik muss Prioritäten setzen und für eine aufgabengerechte Personalausstattung sor-gen“, fordert der Bundes-

vorstand des dbb. „Erste Entscheidungen zur Perso-nalverstärkung sind zu be-grüßen, kommen aber zu spät und lassen ein drin-gend erforderliches und dauerhaft tragfähiges Ge-samtkonzept vermissen.“ Die zu erwartenden Kos-ten könnten begrenzt wer-den, wenn Entscheidungen zeitnah vollzogen und In-formationen zwischen den beteiligten Institutionen ausgetauscht würden. Die Finanzierungsdiskussion müsse auch eine Neuge-

staltung der Finanzbezie-hungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden einbeziehen.

< System vor dem Kollaps

Der dbb Bundesvorsitzen-de Klaus Dauderstädt machte auch im Gespräch mit der „Rheinischen Post“ (Ausgabe vom 15. Septem-ber 2015) auf die kritische Situation in Teilen der öf-fentlichen Verwaltung auf-merksam: „In manchen Kommunen, wo die Behör-den unmittelbar den Zu-strom bewältigen müssen, steht das System vor dem Kollaps“, sagte Dauder-städt. Auch an manchen Schulen wachse die „Ge-fahr kollabierender Ver-hältnisse“. Dauderstädt verwies auf die vielen vom Krieg traumatisierten Kin-der und Jugendlichen, die integriert werden müss-ten. Wenn der dbb noch vor einem Monat mindes-tens 10 000 weitere Stellen gefordert hatte, brauche man die nun schon allein an den Schulen, sodass ins-gesamt mehr als 20 000 zusätzliche Mitarbeiter im öffentlichen Dienst not-wendig seien. Dauder-städt: „Überall wird die Funktions fähigkeit der Strukturen auf eine harte Probe gestellt.“

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< dbb Web-Tipp

Die Resolution „Men-schen in Not – eine Herausforderung für Deutschland und Euro-pa“ des dbb Bundes-vorstandes im Wort-laut: http://goo.gl/PJ0S5p

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Pflichtmitgliedschaft in der KVdR:

Besser informierenAm 24. September 2015 trafen der Vorsitzende der bundesseniorenvertretung, Wolfgang Speck, und der Bundestagsabgeordnete Peter Meiwald (Bündnis 90/Die Grünen) in Berlin zu einem Mei-nungsaustausch zusammen. Hauptthema war die Voraussetzung für eine Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR).

Betroffene Frauen müssen mindestens 9/10 der zwei-ten Hälfte des Zeitraums zwischen der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbs-tätigkeit und der Stellung des Rentenantrags Mit-glied in der gesetzlichen Krankenkasse (GKV) oder familienversichert gewe-sen sein. Viele Frauen er-füllen diese Voraussetzung

wegen Kindererziehung und Pflege Angehöriger nicht, erfahren dies jedoch erst, wenn der Rentenan-trag bereits gestellt wur-de. Zwar können sie sich freiwillig in der KVdR ver-sichern, jedoch sind die Beiträge deutlich höher als bei einer Pflichtmit-gliedschaft. Der Forde-rung von Wolfgang Speck,

dass die Betroffenen auf dieses Problem hingewie-sen werden müssten, wenn sie noch erwerbs-tätig sind, um die Versi-cherungszeit gegebenfalls noch erfüllen zu können, stimmte Peter Meiwald zu. Den weiteren Vor-schlag von Speck, die Zei-ten der Kindererziehung und Pflege von Angehöri-gen aus dem Gesamtzeit-raum der Erwerbstätigkeit herauszurechnen, nahm

Meiwald als Mitglied im Petitionsausschuss mit Interesse zur Kenntnis. Er sagte eine Prüfung des Vorschlags zu. Über das Thema, zu dem eine Viel-zahl von Petitionen beim Deutschen Bundestag ein-gereicht worden sind, wird demnächst ein Berichter-stattergespräch zwischen Mitgliedern des Petitions-ausschusses und dem Bun-desgesundheitsministeri-um stattfinden.

< Peter Meiwald (Bündnis 90/Die Grünen) im Gespräch mit dem Chef der dbb bundesseniorenvertretung, Wolfgang Speck (links).

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„Mütterrente“ für Beamtinnen:

Kein FinanzproblemAnfang September 2015 trafen sich die stellvertre-tenden Vorsitzenden der dbb bundesseniorenver-tretung und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Max Schindlbeck und Dr. Georg Nüßlein, zu einem Gedankenaustausch.

Schindlbeck plädierte drin-gendst dafür, die im Ren-tenbereich geltende Müt-terrente für die vor 1992 geborenen Kinder auch auf den Beamtenbereich zu übertragen. Er wisse zwar, dass eine 1:1-Übertragung systembedingt nicht mög-lich sei, dennoch könne hier eine gerechte Lösung gefunden werden, wie es in Bayern schon geschehen

sei. Es sei nicht einzuse-hen, dass Beamtenkinder weniger wert seien als Kin-der von Rentnerinnen. Hier müsse eine Gerechtigkeits-lücke geschlossen werden, betonte der Vertreter der dbb bundesseniorenver-tretung. Georg Nüßlein gab zu bedenken, dass ei-ne Lösung für Bund und Länder natürlich auch eine finanzielle Belastung sei,

die die öffentliche Hand zurzeit nicht stemmen könne. Diesem Argument widersprach Schindlbeck und verwies darauf, dass vor allem der Bund derzeit sehr hohe Steuereinnah-men habe, die eine Finan-zierung zuließen. Beide

Gesprächspartner waren sich einig, dass das bayeri-sche Modell durchaus übertragbar sei. Nüßlein versprach, das Anliegen an Bundesinnenminister Tho-mas de Maizière weiterzu-leiten und die Problematik im Auge zu behalten.

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< Dr. Georg Nüßlein (rechts) und Max Schindlbeck

Flüchtlingszustrom:

Auch Senioren gefordertWohl eine der größten Herausforderungen, welche Deutschland seit Kriegsende bewältigen muss, ist das derzeitige Flüchtlingsdrama. Mit kaum vorhersehbarer Wucht sprengen die täglich steigenden Asylantenzahlen jede Prognose.

Solche großen Probleme können nur gemeistert werden, wenn wir alle zu-sammen helfen. Schon einmal ist es Deutschland gelungen, aus einer unvor-stellbaren Katastrophe ge stärkt herauszukommen, und zwar nach 1945. Auch damals konnten sich die wenigsten vorstellen, dass das völlig verwüstete Land wieder auf die Beine kommt und sogar ein Wirt-schaftswunder schafft.

Dies war aber nur möglich, weil alle zusammen gehol-

fen und von Jung bis Alt kräftig angepackt haben. Wenn wir es schaffen, dass vom Schulkind bis zum so-genannten Ruheständler alle mit ihren Möglichkei-ten helfen, können wir auch diese Herausforderung be-wältigen, und Deutschland wird am Ende gestärkt sein. Gerade hier gilt der Satz: Gemeinsam sind wir stark!

Und was können wir Seni-oren dazu beitragen? Ich meine, viel! Eine große Zahl Rentnerinnen und Rentner sowie Pensionä-

rinnen und Pensionäre sind ehrenamtlich tätig, und dies vor allem in sozialen Bereichen. Hier ließen sich – oft problemlos – Flücht-linge integrieren. Auch Kleinigkeiten können hel-fen, zum Beispiel Beglei-tung bei Einkäufen, Hilfe bei Behördengängen, Or-ganisation von Freizeitan-geboten und vieles mehr. Pensionierte Lehrer aller Schularten könnten sich im Deutschunterricht en-gagieren, Handwerker im Ruhestand könnten beim Einrichten der Unterkünfte

ihr Wissen einbringen, alle Ruheständler könnten ihre beruflichen Erfahrungen weitergeben und so vielen Asylanten den Einstieg in die deutsche Berufswelt erleichtern.

Ich bin sicher, dass jede Seniorin und jeder Senior einen Bereich findet, wo er mithelfen kann. Und ich bin auch sicher, dass viele dies tun werden. So kann Deutschland gestärkt aus der Krise herausgehen.

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< Eine Bereicherung für beide: Ein Ruheständler gibt seine berufli-chen Erfahrungen an einen Asylbewerber weiter; ein Beispiel, das Schule machen sollte.

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AiR-Leser stellen vor:

Mein HobbyIn der vorherigen Ausgabe haben wir unsere Leserinnen und Leser nach ihren liebsten und viel-leicht auch außergewöhnlichen Hobbys gefragt. Hier stellen wir Ihnen das erste Beispiel vor.

Jürgen Sauer, 24594 Mörel, Schleswig-Holstein

Vor 67 Jahren in Köln ge-boren, mittlerweile Pen-sionär aus dem höheren Staatsdienst, lebe ich hier in Schleswig-Holstein in ei-nem 270-Seelen-Dorf. An kalten Tagen heize ich in meinem Blockbohlenhaus viel mit dem Speckstein-ofen. Das Holz von Birke, Buche, Eiche und Esche spalte, säge und stapele ich mit Begeisterung selbst. Dabei finde ich im-mer wieder Aststücke mit besonderer Maserung oder mit Baumlöchern, oder es fallen beim Spalten Holz-stücke in besonderer Form oder mit besonderer Ma-serung ab. Diese Ast- und Holzstücke sammele ich, um aus ihnen mittels Sä-gen, Schleifen, Polieren, Verleimen oder Verdübeln besondere Geschenke herzustellen. Auf diese Weise ergeben sich zum

Beispiel Bilderständer oder Blumenschalen. Des Wei-teren sammele ich alte harte Zweige aus Wäldern oder aus Seen. Daraus wer-den ebenfalls Geschenke gebastelt. Die gesäuberten Zweige werden auf kleine Holzplatten oder -würfel aus Eiche gedübelt. Das er-gibt zum Beispiel schöne Schlüssel- oder Schmuck-aufhänger.

Die Holzteile öle ich mit Olivenöl ein. Das hat unter anderem den Vorteil, dass die Maserung besonders gut zu sehen ist. Diese Geschenke kosten außer Ideen und Arbeitszeit (und davon hat ein Pensionär, wenn er will, genug vorrä-tig) eigentlich nur Freude bei der Herstellung und beim Verschenken. Und wenn Material und Her-stellung von den Adressa-ten auch noch richtig er-kannt werden, dann ist man als Hersteller und Geber selbst beschenkt.

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Ralf Keber alias Jack Hunter:

Offizier und GentlemanWenn Ralf Keber die acht Kilometer zurückgelegt hat, die sein Zuhause in Falkensee am Rande Berlins von Texas trennen, ändert sich nicht nur seine Umgebung, sondern auch sein Name. Sobald der frühere Vermessungsinge-nieur die von einem Palisadenzaun umschlossene „Old Texas Town“ betritt, ist er Jack Hunter. Ein Offizier und Gentleman, der als Bürgermeister und Armee-Offizier die Geschicke seiner Stadt fest in Händen hält. Ganz wie es um 1865 im Wilden Westen von Amerika Sitte war.

Von Weitem wirkt das Holz-konstrukt mit seiner von zwei überdachten Wehr-türmen flankierten Palisa-denfront wie eine Sinnes-täuschung. Wie sollte eine Westernstadt, über deren Wehr die alte, mit nur ei-nem Stern geschmück te Flagge des „Lone-Star- State“ Texas flattert, an den Rand eines Discounter-Park-platzes im Nordwesten von Berlin gekommen sein? Doch die Erscheinung verschwindet auch beim Näherkommen nicht und erweist sich als real exis tie-ren der Ort mit Hausnum-mer (18) an der Paul stern- straße in 13629 Berlin (Span-dau). Es gibt auch einen Briefkasten mit der Auf-schrift „Cowboy Club Old Texas Berlin 1950 e. V.“ – und eine Klingel, deren lau-tes „Krr“ in die Stille hinter den blickdichten, über drei Meter hohen Zaun krächzt.

Eine Weile passiert nichts. Dann öffnet sich eine kleine Tür, und als die sich hinter den Besuchern schließt, rei-ben sie sich verwundert die Augen: Das Szenario, das sich ihnen bietet, weckt vertraute Erinnerungen. Die staubige Straße, die verlas-sen in der Mittagssonne liegt, lenkt ihren Blick in die Schatten der „Porches“, der säulengefassten Veranden vor den Häusern. Verbergen sich dort bewaffnete Män-ner, die das Geschehen be-obachten?

Die Main Street von Old Texas Town sieht aus wie Hauptstraßen in den klassi-schen Western aussehen: Kirche, Saloon, Schmiede, (Sarg-)Tischlerei. Zeitungs-druckerei, Bank, Postkut-schenstation, Sheriffbüro mit Gefängniszellen, Hotel und Bürgermeisterhaus. „Außer mir ist niemand

hier“, beschwichtigt der Gentleman im grauen Geh-rock und tippt höflich an die breite Krempe seines Hutes. „Willkommen in der ältesten, nicht kommerziell geführten Westernstadt Deutschlands“, fügt Ralf Keber lächelnd hinzu und beginnt mit seinem Rund-gang durch Old Texas Town.

Hier drin ist der erste Vor-sitzende des Cowboy Club Old Texas (CCOT) Berlin Jack Hunter und lenkt als Bür-germeister die Geschicke der Stadt. Und die ist kei-neswegs aus Pappmaché: Alle 22 Häuser, die auf dem knapp 11 000 Quadratme-ter großen Gelände des CCOT von der Bautradition des Westens künden, sind Vorbildern aus der Zeit um 1865 nachempfunden. „Zwei Häuser sind komplett aus Holz, die anderen 20 ha-ben wir aus Stein gemauert

und teilweise mit Holz ver-kleidet“, sagt Jack Hunter.

< Mit dem Planwagen zum Discounter

„Wir“ bezeichnet allen vor-an die 32 Mitglieder des CCOT, die sich in ihrer Frei-zeit den Vereinszielen „Stu-dium von Land und Leuten in Nordamerika, insbeson-dere der Sitten und Ge-bräuche der Cowboys und Indianer“ widmen. „Wir sind zwar nur ein kleiner Verein, aber mit keinem anderen zu vergleichen“, sagt Hunter und berichtet von den Zusammenkünf-ten seiner „Bürgerinnen und Bürger.“ Zum Beispiel, dass sie sich – selbstredend in der historisch korrekten Kleidung – regelmäßig im „Haus des Siedlers“ treffen, dessen einziger, mit histo-rischen Utensilien ausge-statteteter Wohnraum von einem gusseisernen Ofen aus der amerikanischen Bürgerkriegszeit beheizt wird. Oder vom letzten Ausflug mit dem Planwa-gen: „Vor Kurzem sind wir in Westernmontur mit unserem Küchenwagen rüber zum Discounter ge-fahren und haben, sehr zur Verblüffung der anderen Kunden, Vorräte einge-kauft und aufgeladen. Dann haben wir hier ein Lager errichtet und auf of-fenem Feuer gekocht“, be-richtet Hunter vergnügt.

Die Mitglieder des seit 1950 in der bestehenden Form existierenden CCOT – eine 1939 gegründete Vorgängerinstitution war während des Dritten Rei-ches von den Nationalsozi-alisten seinem Zweck ent-fremdet und von den Alli-ierten schließlich aufgelöst worden – beschränken ihre Aktivitäten aber nicht auf

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die interne Brauchtums-pflege. Sie wollen den Spaß an ihrem Hobby teilen und laden deshalb traditionell Gäste ein, die „Schätze“ ih-rer Stadt kennenzulernen und das Leben im Wilden Westen zu genießen. Seit 1973 „Mary’s Saloon“ seine Pforten öffnete, haben zahlende Gäste auf 200 Sitzplätzen und rund 150 Stehplätzen zehnmal im Jahr an jedem ersten Sams-tag im Monat Gelegenheit zum Tanzen und Feiern im Westernambiente.

< Der Song für Texas Town wird zum Hit

„Der Saloon wurde nach der Frau des ersten Club-vorsitzenden benannt, der von 1951 bis zu seinem Tod 2008 Bürgermeister der Texas Town war“, er-klärt Jack Hunter. Wenn er von seinem Vorgänger Ben Destry spricht, der im „richtigen“ Leben auf den Namen Fritz Walter hörte, schwingt große Sympathie in seiner Stimme. „Ben Des try hat jede Minute sei-ner freien Zeit investiert, er hat Texas Town gestal-tet und bekannt gemacht. 1980 hat uns die deutsche Country Band Truck Stop in ihrem Hit ,Old Texas Town, die Westernstadt, liegt mitten in Berlin‘ verewigt. Hinzu kommt, dass Ben mich hier hereingebracht hat“, erzählt Hunter. „Ich kam 2000 beruflich in die Town, wie Old Shatter-

hand, der schließlich auch Landvermesser war.“

Hunters Stern in Texas Town stieg schnell. Noch im Jahr seiner „Ankunft“ wurde er Sheriff, 2008 folgte er auf Ben Destry als Bürgermeister. Glücklicher-weise teilt auch seine Frau Karin die Leidenschaft für den Wilden Westen. Die Lehrerin betreut an den Tagen der offenen Tür das kleine aber feine Indianer- Museum, bastelt mit den Besucherkindern und wid-met sich gemeinsam mit anderen „Western-Frauen“ der Herstellung und Pflege der zum Teil wertvollen und seltenen Exponate und Einrichtungsgegen-stände in den Häusern.

< John Wayne zurück in El Alamo

Jack und die Männer arbei-ten weiter an der Vollen-dung von Ben Destry's

Traum, die Wildwest-At-mosphäre in Texas Town zu verdichten. Sie bauten unter anderem eine voll funktionstüchtige Postkut-sche, und erst vor Kurzem wurde nach Planungen des Vermessungsingenieurs Hunter, der in alten Wes-tern und historischen Bü-chern unermüdlich nach „Vorbildern“ fahndet, ein Nachbau von El Alamo fer-tiggestellt. Die ehemalige Missionsstation nahe der (heute texanischen) Stadt San Antonio, bei der die te-xanischen Freiheitskämp-fer von den Mexikanern bis zum letzten Mann getötet wurden, ist seit dem 1960 gedrehten John-Wayne-Film auch vielen deutschen Westernfans bestens be-kannt „Unser Bau ist nur 2,40 Meter schmaler und 90 Zentimeter niedriger als das Original“, sagt Hunter stolz. „Aber das wird John Wayne nicht stören“, er-gänzt er und deutet auf

einen nur wenige Meter entfernt liegenden Ge-denkstein. „John Wayne war 1968 zu Besuch in Texas Town und ist unser Ehrenbürger.“

Der gut vernetzte Ralf Ke-ber treibt die Entwicklung der Texas Town klug voran und verbringt jede freie Minute dort. Sein Wahl-spruch lautet: „Man muss zwei Leute kennen, und die heißen Hinz und Kunz.“ Hunter bereitet die Aben-de im Saloon maßgeblich vor, kümmert sich um das Speisenangebot („Kochen für bis zu 200 Leuten kann ich“) und gibt an den Fest-abenden den Offizier und Gentlemen der alten Wes-ternschule „Wir haben ja nicht nur unsere Tage der offenen Tür, auch Firmen und Gruppen können uns für ihre Veranstaltungen mieten. Wir sorgen dann für ein Westernunterhal-tungsprogramm."

Finanziell zahlt sich Hun-ters Engagement aller-dings in keiner Weise aus. Der 57-Jährige arbeitet ehrenamtlich und bezieht nicht einmal eine Auf-wandsentschädigung. Dennoch reisen die Kebers gern in die Vereinigten Staaten: 2013 sind sie durch die Südstaaten ge-reist. Und 2016 fliegen sie zum ersten Mal nach Te-xas. „Dort werde ich dem Gouverneur meine Auf-wartung machen“, sagt Jack Hunter. cri

Weitere Informationen über Old Texas Town Berlin sowie die Termi-ne für Besuchs- und Tanzabende: www.old-texas-town.de

< Der erste Vorsitzende des Cowboy Club Old Texas CCOT erklärt als Bürgermeister Jack Hunter die Exponate des Bürgerkriegsmuseums der Texas Town (links) und „bewacht“ als Major Jack der Kon-föderierten Armee den Zugang zu El Alamo (oben).

< Einmal im Monat lädt der Cowboy Club zum Tag der offenen Tür mit Stadtbesichtigung, Speisen, Getränken und Tanz im pracht-vollen Saloon.

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Computerspiele:

Opa im Krieg mit MordorComputerspiele sind nur etwas für Kinder und Jugendliche – denken viele und fehlen weit. Mit neuen technischen Möglichkeiten erschließen sich bun-te Spielwelten allen Altersgruppen vom Kleinkind bis zum Greis. Auch wenn die Zahl „echter“ Computerspieler über 60 nicht gewaltig ist, könnte sich das schnell ändern, denn die erste Generation von Spielern kommt langsam in die Jahre.

Aber was ist eigentlich ein echter Computerspieler oder „Gamer“, wie das im Szenejargon heißt? Gamer spielen keine angegrauten Spielchen wie Pac-Man oder Donkey Kong. Sie be-wegen sich durch riesige virtuelle Spielwelten, die auf extra dafür eingerich-teten Servern im Internet existieren. Das können epi-sche Fantasy-Rollenspiele sein wie „Herr der Ringe Online“ oder „World of Warcraft“, oder auch Kriegsspiele wie „Battle-field“, die historische und fiktive Szenarien zur virtu-ellen Realität werden las-sen. Dort ziehen Gamer gemeinsam mit anderen Spuren der Verwüstung über das Land, lassen das Gute über das Böse siegen oder andersherum und schreiben innerhalb ihres Spiels Geschichte. Gemein-sam mit ihren Freunden bilden sie Allianzen und Gilden, kämpfen zusam-men oder einzeln und sor-

gen damit für Mitglieder-schwund beim örtlichen Kegelverein.

Online-Gaming muss kein einsames Hobby für das stille Kämmerlein sein. Mittlerweile haben sich zahlreiche Vereine gebildet, die sich am Wochenende nicht nur virtuell treffen, sondern physisch, um ihre Rechner mit dem Internet zu verbinden und das Spiel zum gesellschaftlichen Er-lebnis werden lassen.

Spielertyp 1: Hardcore-Gamer

Zeitgenossen, die sich mit dieser Königsdisziplin der Computerspiele auseinan-dersetzen, gelten in der Szene schon mit 40 Jahren als „Senior“. Spielerinnen und Spieler zwischen 40 und 55 gibt es dennoch viele. Sie geben ihren Gil-den und Vereinen Namen wie „Rollatorboys“ oder „Prähistorische Allianz“

und vergnügen sich am liebsten kollektiv in ihren Onlinespielwelten. Eine Spielparty mit Grillfest für die ganze Familie hat so gar nichts vom bleichge-sichtigen Nerd, der im Kel-ler allein vor einem Com-puterbildschirm kauert.

Gerade in der Altersklasse bis 50 erklärt sich die bis ins Erwachsenenalter er-halten bleibende Faszinati-on für das Computerspiel dadurch, dass viele mit den Anfang der 80er-Jahre auf-kommenden Computer-spielen aufgewachsen sind und eigentlich nie ganz aufgehört haben, zu spie-len. Ebenso wie ein junger Rockfan später wahr-scheinlich keine Schlager hören wird, spielen diese Spieler, weil sie immer schon Spaß daran hatten.

Aber es gibt durchaus Spie-lerinnen und Spieler, die äl-ter sind als 60, 70 oder gar 80. Wie Günter Eckert, der

mit seinen 80 Jahren einen stolzen Level-70-Jäger in World of Warcraft verkör-pert. Günter hatte zwar schon in den 60er-Jahren mit Computern zu tun. Die Spielbegeisterung kam aber erst später über sei-nen Enkel, dem er öfter über die Schulter geschaut und es irgendwann auch selbst probiert hat. „Meine Töchter finden es toll, dass ich das mache“, gab Eckert dem Onlinemagazin „Ga-mona“ zu Protokoll. „Insbe-sondere spiele ich Strate-gie- und Aufbauspiele; die halten mich geistig ganz schön fit.“ In World of Warcraft löst Günter aber lieber auf eigene Faust Quests – so heißen die He rausforderungen, vor die einen das Spiel immer wieder stellt, und an denen man die Stärke seines Spiel-charakters nach und nach steigert. Spielabschnitte in Echtzeit mit mehr als drei Spielern gleichzeitig seien ihm aber oft zu stressig.

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Darin steckt ein positiver Effekt für die geistige Fit-ness bis ins hohe Alter, den mittlerweile auch medizi-nische Studien belegen. Moderne Onlinespiele sind sehr komplex. Sie erfor-dern die volle Aufmerk-samkeit des Geistes, um in der Spielwelt bestehen zu können. Gamerinnen und Gamer müssen unzäh-lige Parameter des Spiels gleichzeitig im Auge behal-ten, blitzschnell reagieren und strategisch denken. Anders als bei jugendli-chen Dauerspielern, denen eine aktuelle US-Studie die körperliche Konstitution eines 60-jährigen Ketten-rauchers attestiert, kann wohl dosiertes Spiel im Alter also durchaus ein Jungbrunnen fürs Gehirn sein.

< Spielertyp 2: Casual-Gamer

Senioren müssen sich aber nicht gleich in unüber-schaubare Onlinewelten begeben, um Spielpaß zu erleben. Gelegenheitsspie-le, sogenannten „Casual Games“ eroberten mit der Smartphone-Revolution den Spielemarkt und wer-den immer beliebter. Es gibt Tausende dieser klei-nen Spiele für das Smart-phone. Viele von ihnen sind kostenlos oder für sehr kleines Geld ab 99 Cent zu haben. Die Genre-vielfalt kennt ebenfalls keine Grenzen, gleich, ob Denkspiel, Arcade, Puzzle, Strategie-, Baller- oder Rol-lenspiel. Viele der kleinen Spielchen haben sich mitt-lerweile Kultstatus erwor-ben und so verwundert es kaum, dass Menschen quer durch alle Generationen die Pause zwischendurch oder die U-Bahn-Fahrt mit einem flotten Spiel ver-

bringen. Das Gute daran: In der Regel gehen Spieler keine Verpflichtung ein, sich intensiv oder regelmä-ßig mit dem Spiel befassen zu müssen, um am Ball zu bleiben. Man spielt, wenn es passt und so lange, wie es passt. Ebenso erklären sich die Spiele von selbst und steigern ihren Schwie-rigkeitsgrad langsam, wäh-rend ausgewachsene Com-puterspiele dem Laien oft eine mehrstündige Ein-spielphase abverlangen. Auch technische Barrieren gibt es nicht, denn fast alle Spiele laufen auf so gut wie jedem aktuellen Smartphone.

Casual Gaming ist ein preiswerter Zeitvertreib für zwischendurch, der je nach Spiel trotzdem an-spruchsvoll sein kann. Ge-rade die einfachsten Spiel-ideen entwicklen dabei oft das größte Begeisterungs-potenzial. Zwar gibt es in vielen kommerziellen Spie-len sogenannte „In App Käufe“, die es zum Beispiel erlauben, benötigte Ener-giepunkte oder virtuelle Gegenstände zu kaufen und neue Level gegen Geld freizuschalten. In der Regel ist das aber nicht nötig, um Spaß zu haben. Spieler mit Facebook können sich

zudem von ihren Freunden Leben schicken oder sich im Spiel helfen lassen, wenn die Energie mal knapp wird.

< Typ 3: Medical-Gamers

Spielekonsolen wie die Nintendo Wii, die Sony Playstation oder die Microsoft Xbox finden sich nicht nur in Kinder-zimmern, sondern auch in so manchem Altenheim. Der Grund: Sie verfügen über eine Bewegungssteu-erung. Man steuert die Konsole nicht mehr passiv mit einem normalen Gamecontroller, sondern mit dem ganzen Körper. Dabei nimmt ein Sensor die Position der Spieler im Raum wahr, während diese die Konsole mit Bewegun-gen steuern und damit ihre Spielfiguren zum Leben erwecken. Spiele wie Tennis, Bowling oder Geschicklichkeitsspiele gewinnen damit einen

Aspekt, dem Ärzte mitt-lerweile sogar wichtige Re-habilitationsfunktionen zusprechen. Sportspiele fördern die Körperkoordi-nation, bringen den Kreis-lauf auf Trab oder sorgen mit ausgeklügelten Fit-nessprogrammen, die sich altersgerecht anpassen las-sen, dafür, dass körperliche Aktivität in jedem Alter spielend unterstützt wird. Das ersetzt zwar keine Physiotherapie, wirkt sich aber unterstützend auf die Gesundheit aus. Außer-dem durchbricht das ge-meinsame Computerspiel den oft langweiligen All-tag und macht spielende Senioren zu glücklicheren Menschen.

In so mancher Seniorenre-sidenz haben sich bereits Teams zum einen oder an-deren Spieletitel gebildet. Für Titel wie „Wii Sports“ gibt es sogar Senioren-meisterschaften. Ein Trend, den die Spieleindustrie gern aufgreift. Branchen-riese Electronic Arts zum Beispiel steckt gezielt Mit-tel in die Entwicklung von Seniorenspielen.

Wer als Oma oder Opa also mal so richtig cool sein möchte, begleitet die Enkel zur nächsten Spiele-messe – und entdeckt da-bei vielleicht sogar den Spieler in sich. Gandalf, der Magier aus „Herr der Rin-ge“, ist schließlich auch nicht mehr der Jüngste. br

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< ... oder Sportspiele mit Bewegungsfunktion: Gaming im Alter hat viele Vorteile.

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Zigarettenmafia:

Illegal rauchen schadet nicht nur der Gesundheit

Die demografische Entwicklung stellt den öffent-lichen Dienst zunehmend vor das Problem, Nach-wuchs- und Fachkräfte zu gewinnen. Der dbb hat deshalb angesichts seiner gesamtgesellschaftli-chen Verantwortung die Kampagne „Die Unver-zichtbaren“ gestartet, um junge Menschen für den Staatsdienst zu werben. Die Bundesregierung freut die Schützenhilfe, wie allenthalben zu hören ist. Ob ähnliche Motive hinter der Initiative des Tabakkonzerns Philip Morris gegen Schmuggel-kippen steht, sei dahingestellt: In Berlin und im Ruhrgebiet lächeln Senioren von großflächigen Plakaten Bahnfahrer und Passanten an und be-kennen, Rattenkot zu rauchen. Ja sind denn un - sere Senioren von allen guten Geistern verlassen oder neutral gefragt, was ist „drin“ – im illegalen blauen Dunst?

Alle drei Monate ist für Erna und Willi Schuppke aus Berlin-Hellersdorf die „Polentour“ angesagt. Vom Berliner Ring geht es über die A12 bis Frankfurt/Oder und durch das Nadelöhr der ehemaligen Grenzbrü-cke über die Oder nach Slu-bice. Nach knapp 100 Kilo-metern sind die beiden Se-nioren am Ziel. Bis zum

Grenzübergang Hohen-wutzen wären es zwar nur 60 Kilometer, aber die Fahrt geht über Land und die Straßen sind gespickt mit mobilen und stationä-ren Blitzanlagen. Da Ange-bote und Preise aber hier wie dort gleich sind, was auch für den Einkauf im polnischen Küstrin-Kiez gilt, fahren die beiden

lieber ihre gemütliche Slu-bice-Tour. Da kennen sie sich mittlerweile auch bes-tens aus.

Auf dem Parkplatz vor der Zelt- und Budenstadt des sogenannten Polen-Mark-tes kaum 300 Meter hinter der Grenze stehen – wie immer – fast nur Pkws mit deutschen Kennzei-chen. Alle Verkäufer spre-chen fließend Deutsch, alle Preisschilder sind auf deutsche Kundschaft aus-gerichtet. Die Schuppkes kaufen acht Stangen Ziga-retten mit polnischer Steu-erbanderole – vier Stangen oder 800 Stück pro Person sind zollfrei – und sparen im Vergleich zu den deut-schen Preisen insgesamt 152 Euro. Anschließend de-cken sie sich mit Obst und Gemüse ein, das etwa halb soviel kostet wie zu Hause. Und auch einige Pakete Kaffee nehmen die beiden mit – Ersparnis pro Kilo-gramm: drei Euro. Die er-laubte Höchstmenge von

zehn Kilogramm pro Person schöpfen sie gar nicht aus. „Dafür kommen wir zu oft“, erklärt Erna Schuppke, „und alt muss der Kaffee ja nicht wer-den.“ Vor der Rückfahrt wird getankt (1,20 Euro statt 1,45 Euro pro Liter) und der Reservekanister – 20 Liter sind erlaubt – gefüllt.

< Teure Schnäppchen

„Manche füllen ungeniert zehn Reservekanister und nehmen 20 Stangen Ziga-retten mit. Darum küm-mert sich hier niemand“, erklärt Willi Schuppke, „aber wenn die in Deutsch-land vom Zoll erwischt werden, wird es richtig teuer.“ Und besonders der Zigarettenschmuggel, bei dem am meisten zu sparen – oder beim (zu-sätzlich illegalen) Weiter-verkauf an Freunde und Kollegen zu verdienen ist, weckt so manche krimi -nelle Energie.

„Auf die Tipps von beson-ders schlauen Händlern an Stammkunden, dass keine Kontrolle über Handy ge-meldet ist“, fügt Schuppke kopfschüttelnd hinzu, „würde ich mich nicht ver-lassen.“ Eine Bekannte von ihm ist mit sieben statt der erlaubten vier Stangen Zi-garetten erwischt worden und hat 100 Euro Bußgeld und 19 Cent Steuernach-zahlung für jede einzelne Zigarette bezahlt. „Ein minder schwerer Fall von Steuerhehlerei“, kommen-tiert der pensionierte Poli-zeihauptkommissar, „aber das sind nur Peanuts im Vergleich zu den riesi - gen Mengen, die die Zigarettenmafia am Zoll vor bei nach Deutschland schleust. Und die Zigaret-

< In Deutschland rauchen Erhebungen des Statisti-schen Bundesamtes zufolge knapp 15 Millionen Menschen ab 15 Jahren. Etwa 20 Prozent der Raucher sind zwischen 55 und 75 Jahre alt.

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ten sind nicht mal aus Po-len, sondern gefälschter Dreck aus Russland oder China.“

So meldete das Zollfahn-dungsamt Berlin-Branden-burg beispielsweise am 17. August 2015, dass bei einer Routinekontrolle auf der A12 ein polnischer Lkw ins Netz gegangen sei, der knapp zwei Millio-nen unversteuerter Ziga-retten an Bord hatte. Sein Ziel: Dortmund im Ruhr-gebiet; seine offizielle La-dung: zwölf Paletten Mö-belteile; der verursachte Steuerschaden: 309 000 Euro. Insgesamt beläuft sich Schätzungen des Deut-schen Zigarettenverbandes zufolge der Steuerschaden durch geschmuggelte und gefälschte Zigaretten auf jährlich über 1,5 Milliar -den Euro. Allein in Berlin und Brandenburg werden weit über die Hälfte aller Zigaretten am deutschen Fiskus vorbei geraucht – und damit auch vorbei an den Einnahmen der Zigarettenindustrie.

Der größte Kokurrent von Reemtsma ist nämlich kei-neswegs Philip Morris mit der Trendmarke Marlboro, sondern die Baltische Ta-bakfabrik, die legal und nur für den Schwarzmarkt bestimmt die Marke Jin Ling produziert und ab

Werk verkauft. In Berlin werden die an Camel er-innernden gelben Packun-gen an etwa 400 illegalen „Verkaufsstellen“ an S- und U-Bahnhöfen sowie vor Supermärkten von Stra-ßenverkäufern der viet-namesischen Zigaretten-mafia zum Preis von et - wa 2,50 Euro pro Schachtel verkauft. Die Verdienst-spanne liegt bei weit über 1 000 Prozent. Ein lohnen-des Geschäft für das orga-nisierte Verbrechen, so loh-nend, dass Jin Ling und an-dere illegale Marken unter primitivsten Herstellungs-bedingungen auch „ge-fälscht“ werden, um noch mehr Profit aus dem eher teerschwarzen als tabak-blauen Dunst zu schlagen. Nutznießer der Milliarden-gewinne sind das organi-sierte Verbrechen und Ter-rororganisationen wie al-Qaida, Hamas und Hisbol-lah, die Ausbildungscamps und Anschläge aus dem Zigarettengeschäft finan-zieren.

< Rattenkot im Tabak

Entspechen die Qualitäts-kontrollen der Baltischen Tabakfabrik kaum europäi-schen Normen, so gibt es für die Fälschungen aus Asien gar keine Kontrolle der Inhaltsstoffe: Nachge-wiesen wurden Fell- und Schwanzteile von Mäusen,

Rattenkot, Plastikstreifen von geschredderten CDs, Nylonfäden, Metallsplitter, Milben, Insekteneier und Reste von Autoreifen. Au-ßerdem enthalten die To-deskippen weitere hoch-giftige Zusatzstoffe wie Kohlenmonoxid, Arsen, Cadmium und Formalde-hyd in Konzentrationen jenseits aller für die Ziga-rettenindustrie geltenden Normen. Und genau hier, bei der doppelten persön-lichen Betroffenheit der Raucher, setzt die Aufklä-rungskampagne der Ziga-rettenindustrie gegen die illegalen Schmuggelkippen an. Sympathische Senioren – lediglich ein Mittvierzi-ger ist dabei – appellieren über drastische Botschaf-ten an ihre Altersgenossen, weder Terror noch Mafia zu finanzieren und ihr Le-ben nicht durch das Inhal-lieren von Gift und Kot aufs Spiel zu setzen. „Ille-gale Zigaretten. Kriminel-ler, als man denkt“ lautet der Kampagnenslogan.

Die Fakten erfahren In-teressierte auf www.schmuggelkippe.de. Die Handlungsempfehlung lautet: „Wer illegale Ziga-retten bei Verdacht der Po-lizeiinspektion oder dem zuständigen Zollamt mel-

det, erleichtert nicht nur den Strafverfolgungsbe-hörden die Arbeit, sondern schützt zugleich potenziel-le Opfer vor den künftigen Auswirkungen von organi-sierter Kriminalität und Terrorismus.“ Auch die ent-sprechenden Forderungen an die Politik fehlen nicht: „Die Beseitigung des Ta-bakschmuggels könnte den Regierungen weltweit zusätzliche Steuereinnah-men von mehr als 30 Milli-arden US-Dollar einbringen – sofern die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine wirksame Bekämp-fung des illegalen Ziga-rettenhandels geschaffen werden: strengere Strafen für An- und Verkauf ge-schmuggelter oder ge-fälschter Zigaretten; bes-sere Zusammenarbeit von Polizei und Zoll; Bereitstel-lung von Steuermitteln zur personalen Aufstockung der zuständigen Zollämter; Beschleunigung der inter-nationalen Amts- und Rechtshilfeersuchen.“ Das Hauptmotiv der Kampag-ne, der enorme Einnah-meverlust der Zigaretten-industrie durch illegale Konkurrenz, bleibt unaus-gesprochen. Aber das mag im Kampf gegen die Schmuggelkippen zu vernachlässigen sein. sm

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BRH Hamburg:

Hamburg bekennt FarbeGut 10 000 Unterstützer des Bündnisses „Ham-burg bekennt Farbe“ ver sammelten sich am 12. September 2015 zur zentralen Kundgebung auf dem Rathausmarkt. Zu den Initiatoren des Bünd-nisses gehören der dbb hamburg mit seinen Mit-gliedsgewerkschaften, darunter auch der Senio-renverband BRH Hamburg.

Ziel des Bündnisses ist es, ein deutliches Zeichen gegen rechte Ideologien zu setzen, es tritt ein für Demokratie, Toleranz und Zivilcourage. Neben fast allen politisch und gesell-schaftlich relevanten Grup-pen hatten sich auch alle hamburgischen Radiosen-der dieser Aktion ange-schlossen und im Vorfeld unisono für sie geworben.Anlass der Kundgebung war der von Rechtsradika-len ausgerufene Tag der Patrioten, an dem Neo-nazis aus dem gesamten Bundesgebiet durch Ham-burg ziehen wollten.

Nach einer Begrüßung der Kundgebungsteilnehmer

durch die Präsidentin der Hamburgischen Bürger-schaft, Carola Veit, wurde der Kreis der Erstunter-zeichner des Bündnisses, zu denen auch der dbb hamburg mit dem Kollegen Rudolf Klüver gehört, ein-zeln aufgerufen und auf die Bühne gebeten. Anschließend sprach der Erste Bürgermeister Olaf Scholz und zog einen gro-ßen Bogen um die gesamte Flüchtlingsbewegung, an-gefangen 1945 bis zu den heutigen Geschehnissen.

Der dbb hamburg war während der Aktion auf dem Rathausmarkt mit vielen Mitgliedern aus den Einzelgewerkschaften ver-

treten. An der Spitze des BRH unser stellvertreten-der Landesvorsitzender Jibben Großmann. Für ein besonders buntes Bild sorgten die 500 vom dbb bereitgestellten Helium-luftballons. Eine Traube dieser Ballons schaffte es sogar auf die Bühne, die dort von der Rundfunkmo-deratorin Maren Bockholdt (Alsterradio) in Empfang genommen wurde.

Gänsehaut überzog die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, als das Lied „Imagine“ von John Lennon angestimmt und von fast allen Kundgebungsteilneh-mern vielstimmig mitge-sungen wurde. Danach stiegen die dbb Luftballons in den Himmel und sorgten für ein beeindruckendes, wunderschönes und friedli-

ches Bild. Damit stand der dbb hamburg im Mittel-punkt des Interesses, und Landesvorsitzender Rudolf Klüver konnte anschlie-ßend mit zahlreichen TV-Interviews bis zu einem Live-Stream von Radio Hamburg das bunte Image unserer Organisation unter Beweis stellen. Befriedi-gung erfasste uns, nach-dem bekannt wurde, dass das von der Hamburger Polizei erteilte Verbot des Aufzugs der Neonazis in al-len drei Instanzen bis hin zum Bundesverfassungs-gericht bestätigt wurde. Für uns steht fest: Neonazis sind asozial, sie haben in der Freien und Hansestadt Hamburg keine Basis.

Hermann-J. Friederich, Vorsitzender des

BRH Hamburg

< Die magentafarbenen dbb Luftballons setzten bei der Kundge-bung auf dem Hamburger Rathausmarkt fröhliche Farbtupfer.

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BRH Sachsen:

Internetbetrug an SeniorenMehr als zehn Millionen Senioren in Deutschland sind zumindest gelegent-lich „online“. Tendenz stark steigend. Sie nutzen das Internet als Ratgeber und Nachschlagwerk, zum Einkaufen und Informieren. Aber sind sie auch vorsichtig genug?

In zunehmendem Maße sind immer wieder auch negative Tendenzen durch Missbrauch zu verzeich-nen. Was passiert, wenn sich ein Virus in unserem Computer eingeschlichen hat oder die bestellte und

bezahlte Ware nie bei uns eintrifft? Die Straftäter passen sich zusehends dem Internetzeitalter an. Die unerwünschte E-Mail-Flut ist sicher nervend, aber gehört noch zu den eher harmloseren Aus-

wüchsen. Gemeint sind die Straftaten im Internet und im Bereich der Com-puterkriminalität. Hier geht es um die Online-abzocke, die missbräuch-liche Nutzung von Kredit-karten, das illegale Ein-

dringen in unseren Rech-ner und das Ausspähen von Daten. Was müssen wir dazu wissen und wie können wir einem Scha-den begegnen? Das sind Fragen, die unsere Mitglie-der an uns richten.

Vom 9. bis 14. November 2015 findet eine europa-weite Präventionsmaß-nahme zum Thema: „Ge-fahren im Internet und die

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BRH NRW:

Sturzfolgen oft dramatischMeldungen von Mitgliedern, die einen Unfall erlitten haben, liefen im Lan-desbüro des Seniorenverbandes BRH NRW mehrfach ein. Die BRH-Aufgabe wird es jetzt sein, ältere Menschen über die Problematik zu informieren.

Ärzte berichten immer wieder: Stürze sind offen-sichtlich ein gesellschaftli-ches Problem in Deutsch-land. Eine große Anzahl der Betroffenen erleiden dabei einen Knochen-bruch, groß ist die Zahl der Mehrfachfrakturen. Nicht nur die Folgen sind körper-lich und psychisch mit krankheitswertigen Stö-rungen oft dramatisch, es gibt auch in der Folge eine große Angst, erneut zu stürzen. Nicht wenige Be-troffene ziehen sich des-halb zurück und bewegen sich kaum noch. Am Ende steht dann der Verlust der Alltagskompetenz, und es

droht die Pflegebedürftig-keit. Die Krankenversiche-rung bestätigt das aus ih-rer Erfahrung: Zu den fi-nanziellen Folgen eines Unfalls kommen häufig Einbußen an Selbststän-digkeit und die Notwen-digkeit, fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Der BRH NRW möchte mit-helfen diese Situation in Form einer Prävention ab-zumildern. Deshalb hat er sich unter anderem mit der Debeka in Verbindung gesetzt und sucht eine Ko-operation mit der Landes-seniorenvertretung und dem Apothekerverband.

Gemeinsam will man über ein Empfehlungspapier nachdenken, Vorsichts-maßnahmen einzuplanen, Trainingsmöglichkeiten zur Sturzprävention zu öffnen und über richtiges Verhal-ten bei der Anforderung von Rettungskräften zu informieren. Bedeutsam scheint auch die sachgemä-ße Nutzung eines Notruf-systems, das automatisch die Notrufnummer wählt.

So gibt es für die älteren Menschen immer wieder Situationen, in denen man sich äußerst risikoreich be-wegt. Da sind schon kleine Dinge von großer Bedeu-tung: Zu hohes Bett, keine geeignete Fußbekleidung, Verzicht auf den Gebrauch von Hilfsmitteln wie Geh-stock, glatter Boden und eingeschränktes Sehver-mögen. Der BRH in NRW möchte auch in diesen Dingen aufklärende Hilfe anbieten.

Hans Burggraf, Vorsitzender des BRH NRW

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Phänomene der Internet-kriminalität“ statt. Sie wird von den Polizeibehör-den in Zusammenarbeit mit Europol (Europäisches Polizeiamt) initiiert. An-lässlich dieser Aktions-woche beteiligt sich auch der BRH Sachsen in Zu-sammenarbeit mit der Polizei Sachsen mit einem entsprechenden Themen-tag an drei Standorten in Chemnitz, Dresden und Leipzig.

Der BRH Sachsen lädt ganz herzlich am Don-nerstag, 12. November 2015, ab 9:30 Uhr zu dieser Präventionsveran-staltung ein. In der Zeit von 10 bis 15 Uhr werden uns Referenten Rede und Antwort stehen. Im Rah-men dieses Thementages werden durch verschiede-ne Präventionspartner, wie die Verbraucherzen-trale Sachsen, dem Sächsi-schen Datenschutzbeauf-

tragen und der Polizei (Landeskriminalamt Sach-sen) Vorträge und praxis-orientierte Arbeitsgrup- pen (Workshops) angebo-ten, dessen inhaltlicher Schwerpunkt auf einen technisch-präventiven Umgang mit neuen Medi-en gelegt werden. Zudem werden an den Standorten durch die Präventionspart-ner thematisch relevante Präsenta tionsstände mit Präven tionsmaterialien für

weiterführende Informati-onen rund um das Thema „Internetkriminalität“ ein-gerichtet.

Vorabinfos und Anmel-dungen: Seniorenverband BRH Sachsen, Strehlener Straße 14, 01067 Dresden; oder telefonisch unter 0351.4716831.

Rita Kiriasis-Kluxen, Landesvorsitzende BRH

Sachsen

< Versorgungsbezüge in Bremen 2013/2014

Im Bremischen Gesetz zur Neuregelung der Anpassung der Besoldungs- und Versorgungsbezüge 2013/2014 war eine Besonderheit enthalten, die Auswirkungen auf die Versorgung hat. Anders als bei Bund und den anderen Ländern werden die jeweiligen Bezügeanpas-sungen in Bremen ausschließlich für Versorgungsemp-fänger rechnerisch um 0,2 Prozentpunkte vermindert. Die Differenzbeiträge sollen der Versorgungsrücklage zugeführt werden. Dies geschieht nicht über spezielle Tabellenwerte, sondern einen Verminderungsfaktor. Bereits mit dem Gesetzentwurf zur Besoldungs- und Versorgungsanpassung 2015/2016 hat die Freie Han-sestadt Bremen dieses Vorgehen allerdings nicht mehr weitergeführt.

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Rückspiegel

Sehr geehrter Dr. Zauderstein, lieber Korbinian,

deiner Anregung auf der letzten Redaktionskonferenz folgend (schön, dass du sie nach langer Zeit mal wieder mit deiner Anwesenheit be-ehrt hast) haben wir unsere Leserinnen und Leser nach ihren alterna-tiven Lebensformen im Alter befragt. Das Ergebnis hat uns verblüfft: Da werden keine Bierdeckel oder Briefmarken mehr gesammelt, ge-malt, gesungen oder musiziert oder mit dem Hund Gassi gegangen. Nein: Die Damen und Herren Pensionäre donnern mit schweren Mo-torrädern durch die Gegend, treffen sich regelmäßig zum Kuhfladen-Bingo auf ländlichen Wiesen oder zum Gartenzwergewerfen auf dem heimischen Rasen. Es gibt monatliche Treffen von Lack- und Lederfreunden und wieder andere belegen mittelalterliche Kochkur-se. Aber ich bin da ja auch nicht ganz „normal“ mit meinem eigenen Hobby: Statt Spazierengehen betreibe ich Geocaching. Schon mal davon gehört? Das ist eine moderne Art der Schnitzel-jagd, bei der Verstecke gefunden werden müssen in der freien Natur wie in der Stadt. Du brauchst dafür nur ein GPS-Gerät, einen Navigator, der dich an einen bestimmten Punkt führt. Dort ist dann ein Behälter versteckt mit weiteren Informationen. Zuvor hast du im Internet geschaut, wo in deiner Nähe Geocaches versteckt sind. Ein wunderschöner, aufregender Spaß; für einen Zöllner wie mich ist das Schmuggelgutsuche einmal andersherum! Übrigens: Wusstest du, dass die Rubenweit einer Bauchtanztruppe angehört? Das steht aber nicht im Heft. Bloß von dir, lieber Korbinian, weiß ich kein Hobby. Klärst du mich bitte mal auf? Ich verrate es auch nicht weiter. Ehrenwort!

Allerfreundlichst dein

Harry

Lieber Harry,

da hat man mal einen guten Einfall und was passiert? Man wird mit den Abgründen des menschlichen Lebens konfrontiert! Aber wie sag-te schon Klaus Mann so treffend: „Das Alter geht mit dem Laster eine falsche Verbindung ein und macht sich zum Gespött.“ Wenn ich jetzt die Rubenweit sehe, muss ich sicher permanent auf ihren Bauch star-ren und mir vorstellen, wie er wohlneckisch entblößt wackelt. Brrrr! Hättest du ihr „Hobby“ nicht für dich behalten können? Warum singt die Frau nicht im Kirchenchor oder töpfert? Hoffentlich hat sich im Magazin niemand als Jogger geoutet, weiß doch schon Karl Lager-feld, dieser irre Kleiderfritze: „Wer Jogginghosen trägt, hat die Kon-trolle über sein Leben verloren.“ Du aber wohl auch, Harry Schnitzeljä-ger! Rennt da durchs Dickicht oder die Fußgängerzone, um irgend ein billiges und nutzloses Stück Blech oder sonst was zu finden und sich darüber wie ein Schoßhund zu freuen! Da fiel mir doch sofort mein geliebter Geheimrat Goethe ein, der einmal meinte, dass es nicht gut gehen könne, wenn man versuche, im Alter seine Jugendträume zu erfüllen. Aber genau das machst nicht nur du, sondern auch die anderen Verrückten, von denen du geschrieben hast. Ich jedenfalls werde das Heft nicht lesen, darauf kannst du dich verlas-sen. Ich will aber trotzdem deine Neugier befriedigen, was mein Hobby angeht: Ich löse Kreuzworträtsel! Das ist der Bildungsauftrag, den ich mir selbst verordnet habe und der meinen Geist wach hält, wovon im Übrigen unser Verein und letztlich auch du profitierst.

In diesem Sinne mach et jut

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Zolloberamtsrat a. D. Harry Haffka • Medienbeauftragter des Vereins Perfekte Pensionäre e. V. • Havelufer 93, 10777 Berlin

ORR i. R. Dr. Korbinian Zauderstein, Erster Vorsitzender des Vereins Perfekte Pensionäre e. V. • Fliederweg 17 a • 50555 Hoppenstädt

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Lesetipp:

Vom Reichtum des Deutschen …... kündet das Buch „Edelsteine“. Es lädt ein, „107 Sternstunden deutscher Sprache“ wiederzuent-decken oder ganz neu zu lesen. Die sorgfältig aus gewählten Texte aus 1 200 Jahren deutscher Schriftsprache werden nicht „pur“ präsentiert, sondern von wechselnden Autoren vorgestellt und unterhaltsam in ihren Kontext gesetzt.

Die Zeitreise entlang der Meilensteine deutschen Sprachschaffens beginnt mit dem „Atta Unsar“, dem ersten „Vaterunser“, das Bischof Wulfila um 370 nach Christi Geburt ins Deutsche übertragen hat. Nach wei-teren Stationen althoch-

deutscher Sprachkunst bie-tet sich Gelegenheit, anno 1198 Walther von der Vo-gelweide, den bekanntes-ten mittelhochdeutschen Dichter „uf eime steine“ sitzend zu belauschen. Wei-ter geht es unter an derem zu Immanuel Kants „Was

ist Aufklärung“, zu Emanu-el Schikaneders Libretto für Mozarts „Zauberflöte“ und Schillers „Ode an die Freu-de“. Aufnahme in die Sammlung fanden aber auch bedeutende Sachtex-te wie zum Beispiel Carl Benz’ „Patentanmeldung des ersten Automobils“ oder Einsteins „Zur Elektro-dynamik bewegter Körper“. Gegenwart und jüngste

Vergangenheit sind unter anderem durch Frisch, Grass und Loriot vertreten. Alle Autoren zu nennen, fehlt der Raum und schürt (hof-fentlich) die Vorfreude auf ein Lesevergnügen der ganz besonderen Art. cri

< Info

Edelsteine. 107 Stern-stunden deutscher Spra-che vom Nibelungen-lied bis Einstein, von Mozart bis Loriot. Dr. Reiner Pogarell, Prof. Dr. Walter Krämer, Dr. Max Behland (Her-ausg.). 671 Seiten, 25 Euro. ISBN 978-3-942-409-31-5

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dt. ArztundPhilo-soph

griech.Göttinder Mor-genröte

Atom-meiler

eng-lischePrin-zessin

Sport-kleidung(engl.)

Bundes-staatder USA

Schwert-lilie

Bezeich-nung

Ober-flächen-strömung(Meer)

Stamm-vater ei-nes Ge-schlechts

Essen,Speise

Wider-wille,Ab-neigung

Zeitalterfranzö-sischerBildhauer(Auguste)

Haus-errich-tungs-abschnitt

StadtaufBorn-holm

Halb-inselVorder-asiens

lang-weilen(ugs.)

Demüti-gung,Schande,Schmach

Schall,dröhnen-der Klang;Echo

Hühner-vogel

Behält-nis fürFeinback-waren

Kurz-wort fürJugend-liche(r)

von einembestimm-ten Zeit-punkt an

Erde,Lebens-raum desMenschen

Pferd

Camping-artikel

Ab-schwei-fung(lat.)

nord-deutschfür Ried,Schilf

Bohle,Planke

Glaube,Bekennt-nis

Fern-sehen

FlusszurRhone

Teil-strecke

Schluss

enthalt-sam le-benderMensch

Klatsch,Tratsch

WortderAbleh-nung

Fisch-atmungs-organ

eineZahl

altesApothe-ker-gewicht

Kreuzes-inschrift

Ersatz-anspruch

InsektmitStachel

kochen Art undWeise

VulkanbeiNeapel(Italien)

Volks-auf-wiege-lung

nordi-scheMünze

aus-genom-men,frei von

Gebirgein Nord-west-afrika

Gesetz-geber der Israeliten im A. T.

linkerNeben-fluss derDonau

Staatin Süd-amerika

Kauf-oderLeihfilm(Kzw.)

FischfettfrüheresLanddes Dt.Reiches

wieder zuKräftenkommen(sich ...)

je, für(latei-nisch)

Sing-vogel

Sport-fischer

Pflanzen-keim,Saatkorn

tiefesBedauern

sichtäuschen

Kern-frucht

Beste,Siegerin

Rauch-fang,Schorn-stein

AuslesederBesten

„GroßerGeist“(india-nisch)

bargeld-loserZahlungs-verkehr

unbe-stimmt,ungewiss

BruderKains

Vorbe-deutung

Fisch-,Vogel-fang-gerät

RomanvonÉmileZola

Kraft-fahrzeug,Wagen

germa-nischeGottheit

US-Box-legende(Muham-mad)

dieAcker-krumelockern

Pflicht;Funktion

Noma-denvolkin Ost-afrika

Hastinner-licherfüllt

von dortnach hier

Loch-vor-stecher,Pfriem

augen-blicklicheStim-mung

zukeinerZeit

Lösungswort:

Frische Vitamine: Entsafter gewinnen

Für die richtige Lösung des Oktober- Rätsels bedankt sich die Redaktion mit einem Entsafter von Philips: Er liefert noch mehr Saft aus Früchten und Ge-müse. Die Reinigung dauert nur eine Minute, ein Vorschneiden der Früchte ist nicht nötig. Der Entsafter kann bis zu zwei Liter Saft in einem Durchgang pressen. Senden Sie einfach das Lö-sungswort bis zum 30. Oktober 2015 per E-Mail an [email protected], per Fax an 030.40815599 oder per Post an dbb beamtenbund und tarifunion, Redaktion AiR, Friedrichstraße 169/170, 10117 Berlin. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Die Redaktion wünscht viel Glück!

Den Funk-Kopfhörer aus AiR magazin 9/2015 hat gewon-nen: Egon Schulz aus Jatznick. Herzlichen Glückwunsch! Das Lösungswort lautete „Aktienfonds“.

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Bürgerbefragung 2015:

Leistungsstarke VerwaltungDer öffentliche Dienst in Deutschland genießt bei der Bevölkerung hohes Ansehen. Das geht aus der am 4. September 2015 in Berlin vorgestellten neunten „Bürgerbefragung öffentlicher Dienst“ hervor, die das Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag des dbb beamtenbund und tarifunion durch geführt hat.

Entgegen weiterbestehender Vorurteile sei das Umfragefazit auch 2015 eindeutig, erklärte der dbb Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt: „Die Bürger vertrauen dem öffentlichen Dienst und der Verwaltung. Sie ist bürgerfreundlich, leistungs-fähig und – für die ganz über-wiegende Mehrheit der Deut-schen – unverzichtbar. Das positive Image der staatlichen Institutionen hat sich gefes-tigt. Wenn eine Dreiviertel-mehrheit Jahr für Jahr weitere Privatisierungen ablehnt und jedes Jahr mehr Bürgerinnen und Bürger die Ausgaben für den öffentlichen Dienst ange-messen finden, sind dies eben-so Belege für hohes Ansehen der ‚Staatsdiener‘ wie deren Spitzenplätze im Berufe- und Institutionenranking.“

< Digitale Verwaltung kommt nicht an

In Sachen E-Government schei-nen die Deutschen noch eher skeptisch zu sein. Obwohl eine Mehrheit der Befragten zusätz-liche Onlinedienstleistungen der Verwaltung begrüßen wür-de (56 Prozent), sind die Nut-zungsgewohnheiten weiterhin ziemlich analog. Selbst bei den jüngeren Kunden werden die Onlineangebote des Staates eher zur Kenntnis genommen als aktiv gesucht. Dauderstädt: „Hier gibt es in Deutschland noch jede Menge Entwick-lungspotenzial, auch im Ver-gleich zu anderen europäischen Ländern. Eine erweiterte Ange-botspalette staatlicher Online-dienstleistungen entlastet Mit-arbeiter und Bürger, verkürzt Wartezeiten, setzt Ressourcen

frei und kann so zu einer noch weitergehenden Imageverbes-serung des öffentlichen Diens-tes beitragen.“

Im jährlich abgefragten Beru-feranking dominieren auch 2015 die Kolleginnen und Kol-legen des öffentlichen Diens-tes die Top 10, von Feuerwehr-leuten mit 95 Prozent („hohes oder sehr hohes Ansehen“), Pflegeberufen (90 Prozent), Erzieherinnen und Erziehern (85 Prozent) über Polizistinnen und Polizisten (84 Prozent) und Richtern sowie Hochschulleh-rer (79 und 77 Prozent) bis zu Lehrkräften mit 71 Prozent.

< Streiks zwiespältig beurteilt

Dass viele Menschen aus den beliebtesten Berufen gleichzei-tig Beamte sind, scheint aller-dings nicht fest im Bewusst-sein der Bevölkerung verankert zu sein, denn nur 37 Prozent

der Befragten gestehen den unter dem Überbegriff „Beam-ter“ versammelten Beschäftig-ten hohes Ansehen zu. „Hier gibt es weiterhin Aufklärungs-bedarf über die Struktur des öffentlichen Dienstes in Deutschland“, so Dauderstädt.

Dass vor allem das Ansehen der Lokführer gegenüber dem Vorjahr gelitten habe, sei den umfangreichen Streikmaßnah-men im Zusammenhang mit dem mittlerweile beendeten Bahnkonflikt geschuldet, der sich aufgrund seiner spürbaren Auswirkungen im Bewusstsein der Menschen festgesetzt habe: „Es ist logisch, dass Ar-beitsniederlegungen in einem Bereich, von dem überpropor-tional viele Menschen direkt betroffen sind, besonders weh-tun.“ Um aber grundlegende Arbeitnehmerrechte durchzu-setzen, machten Streiks, von denen niemand Notiz nehme, keinen Sinn, so Dauderstädt.

Das Ansehen der Erzieherinnen und Erzieher sei dagegen trotz Streikmaßnahmen gestiegen. „Hier haben die Streiks die wichtige Bedeutung dieser Be-rufsgruppe vielen Bürgerinnen und Bürgern erst ins Bewusst-sein gebracht“, erklärte der dbb Chef. „Ich bin mir sicher, dass auch unsere Lokführerin-nen und Lokführer im Ansehen seitens der Bevölkerung zule-gen, seit die Züge wieder plan-mäßig rollen. Immerhin ma-chen sie die Bahn mit ihrer Arbeit zu einem der zuverläs-sigsten und sichersten Ver-kehrsmittel in der Bundesrepu-blik. Das wissen die Menschen durchaus zu schätzen.“

< Bürgerbefragung online

Eine kostenlose PDF-Varian-te der Bürgerbefragung öf-fentlicher Dienst 2015 kann im Internet unter http://goo.gl/0vruLs heruntergela-den werden.

< dbb Chef Klaus Dauderstädt (rechts) und Prof. Manrfed Güllner (forsa) stellten die Bürgerbefragung 2015 in Berlin vor.

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Demografiestrategie der Bundesregierung:

Alternsgerechte Stellenpolitik Für das im Rahmen der Demografiestrategie der Bundesregierung diskutierte Modell der demo-grafievorsorgenden Stellenpolitik hat sich der dbb Vize und Fachvorstand Beamtenpolitik, Hans-Ulrich Benra, beim Demografiestrategie-Kongress der Bundesregierung am 22. September 2015 in Berlin starkgemacht.

Um dem demografischen Wandel, der in den kommen-den Jahren zu massiven Ruhe-standsabgängen beim Personal von Bund, Ländern und Kom-munen führen wird, zu begeg-nen, soll ein zentraler Stellen-pool eingerichtet werden, aus dem den Bundesressorts tem-

porär Planstellen und Stellen zur Einstellung von qualifizier-tem Nachwuchs- und Fachper-sonal in Mangelbereichen zur Verfügung gestellt werden können. Diese Stellen sollen automatisch in den zentralen Stellenpool zurückfallen, nach-dem die Nachwuchskraft auf die durch den dann regulären Altersabgang frei gewordene Stelle überführt worden ist. Diese Stellen sind so wieder für andere Ressorts verfügbar, ohne dass es zu einem dauer-haften Stellenaufwuchs kommt. „Ein solcher personal-wirtschaftlicher Ansatz trägt

auch dazu bei, dass umfassen-des, häufig auch informelles Wissen von älteren Kollegin-nen und Kollegen kontinuier-lich an die jüngeren weiterge-geben werden kann“, so Benra.

Der dbb Vize machte deutlich, vor welch großen Herausforde-

rungen das Personaltableau des Staates steht: Der Alters-durchschnitt im öffentlichen Dienst liege bei 45,1 Jahren. Selbst wenn die Altersgrenze ausgeschöpft werde, gingen in den nächsten zehn Jahren beim Bund knapp 29 Prozent und bei den Ländern knapp 26 Prozent der Beschäftigten in den Ruhestand. „Große Teile der öffentlichen Verwaltung brechen damit in einer ver-gleichsweise kurzen Zeitspan-ne weg. Und das in einer Si-tuation, die – für den Bürger spürbar – schon heute von ei-ner Mangelwirtschaft geprägt

ist.“ Insbesondere unter den Auswirkungen der aktuellen Flüchtlingskrise werde „deut-lich, dass die Verwaltung nach ständigen Kürzungen und Wie-derbesetzungssperren mittler-weile überall auf Kante genäht ist: Es gibt keinerlei Reserven mehr“, so Benra.

Gleichwohl sehe der dbb ne-ben Risiken und Belastungen durchaus auch Chancen in der Demografie, betonte der stell-vertretende dbb Bundesvorsit-zende: „Chancen, dort zu Ver-änderungen zu kommen, wo es ohne diesen Druck vielleicht nicht so leicht wäre. Über viele Jahre haben wir im öffentli-

chen Dienst erlebt, dass ein Zu-sammenhang zwischen Aufga-ben und Personalausstattung politisch mehr oder weniger geleugnet wurde. Das führte zu Arbeitsverdichtung bei den Beschäftigten und zu Leistungs-einschränkungen und langen Bearbeitungszeiten bei den Bürgern. Diese mit den Jahren angewachsenen Personaldefi-zite lassen sich nun auch durch noch so viele politische Forde-rungen und Appelle nicht mehr wegargumentieren. Wenn wir als Staat und Gesellschaft handlungsfähig bleiben und die Herkulesaufgabe Integrati-

on bewältigen wollen, müssen wir in Menschen investieren“, forderte Benra.

Im Kongress-Workshop „Wohl-stand durch hohe Beschäfti-gung und solide Finanzen sichern“ wies die stellvertre-tende dbb Bundesvorsitzende Kirsten Lühmann darauf hin, dass „ein funktionsfähiger öf-fentlicher Dienst wesentlicher Standortfaktor für Deutsch-land ist. Eine aufgabengerech-te Personalausstattung sowie notwendige finanzielle Res-sourcen sind unerlässlich, denn ohne Rechtsstaatlichkeit und eine verlässliche Infrastruktur können wir die weitgehend vergleichbaren Lebens- und Wirtschaftsbedingungen in unserem Land schlicht nicht mehr gewährleisten. „Gera- de angesichts der aktuellen gesamtgesellschaftlichen He rausforderung durch die Flüchtlingsströme wird deut-lich, wie sich der seit Jahren herbeigeführte Personalman-gel im öffentlichen Dienst nun an allen Ecken und Enden ne-gativ bemerkbar macht“, fügte Lühmann hinzu.

Der Strategiekongress Demo-grafie „Wohlstand für alle Generationen?“ wurde am 22. September 2015 von Bun-desinnenminister Thomas de Maizière in Berlin eröffnet und bildet gemeinsam mit den De-mografiegipfeln das zentrale Forum für den Dialogprozess zur Demografiestrategie der Bundesregierung, der die un-terschiedlichen Ebenen und Initiativen zur Gestaltung des demografischen Wandels zu-sammenführt und an dem der dbb in verschiedenen Arbeits-gruppen beteiligt ist. Im Zent-rum des Kongresses stand die Diskussion der Ergebnisse, die im Dialog- und Arbeitsgrup-penprozess gemeinsam erar-beitet wurden.

< dbb Vize und Fachvorstand Beamtenpolitik, Hans-Ulrich Benra (Zweiter von rechts), diskutierte auf dem Podium des Demografiestrategie-Kongresses der Bundesregierung in Berlin.

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Treffen mit Bundestagsinnenausschuss:

Flüchtlingsproblematik bestimmte das GesprächDer Zufall wollte es, dass die traditionelle jährliche Zusam­menkunft zwischen der dbb Spitze und den Obleuten aller Fraktionen im Innenausschuss des Bundestags mit dem Amts­antritt des neuen Vorsitzenden zusammenfiel. Denn just an diesem Tage endete die Amts­zeit von Wolfgang Bosbach (Mitte), der den Ausschuss seit 2009 geführt hatte.

So begrüßte der neue Vorsitzen­de Ansgar Heveling (Vierter von links) die dbb Delegation unter Leitung von dbb Chef Klaus Dau­derstädt (Zweiter von rechts). Im Mittelpunkt des Gedanken­austauschs stand zunächst die Flüchtlingsproblematik. Der dbb berichtete von der hohen Moti­

vation und bis an die Grenzen gehenden Einsatzbereitschaft in den betroffenen Verwaltun­gen, forderte zugleich aber ver­besserte Personalausstattung und verstärkte Bemühungen, zeitnah beruflichen Nachwuchs zu gewinnen, ohne Qualitäts­einbußen zu riskieren. Dies ver­lange Anerkennung des Diens­tes, aber auch dessen materielle Würdigung. Dafür seien befris­tete Korrekturen im Dienstrecht

sinnvoll, etwa bei den Hinzuver­dienstgrenzen für Kolleginnen und Kollegen im Ruhestand, die aktiviert werden können. Aller­dings dürften dabei nicht Kern­prinzipien des Beamtenrechts ausgehöhlt oder Fehlanreize in der Personalentwicklung ge­setzt werden.

Weitere Themen waren die Demografiestrategie der Bun­desregierung, die Zukunft von

Beihilfe und Beamtenversor­gung, die Auswirkungen der Föderalismusreform auf Besol­dung, Versorgung und Lauf­bahn strukturen sowie die Einkommensrunde 2016 mit Bund und Kommunen. Der dbb erinnerte dabei an die „ungelösten“ Problemfelder der Wochenarbeitszeit für Bundes beamte und der ver­sorgungsrechtlichen Parallele zur Mütterrente.

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10. Demografie­Kongress „Best Age“:

An Lebensphasen orientierenAuf die Herausforderungen, die mit dem Flücht­lingsstrom nach Deutschland für die Gesellschaft und den öffentlichen Dienst verbunden sind, hat der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende und Fachvorstand Beamtenpolitik, Hans­Ulrich Benra, hingewiesen.

„Deutschland ist sich seiner Ver­antwortung sehr bewusst und unternimmt auf allen Ebenen in Bund, Ländern und Kommunen enorme Anstrengungen, um die Menschen, die zu uns kommen, adäquat zu versorgen, unter­zubringen, zu betreuen“, sagte Benra am 8. September 2015 auf dem 10. Demografie­Kon­gress „Best Age“ des Behörden Spiegel in Berlin.

Wie schon zu Zeiten der deut­schen Einigung demonstriere die Verwaltung an großen

gesamtgesell schaft lichen He­rausforderungen ihre eigentli­che Stärke: „Da sind die Kolle­ginnen und Kollegen der vielen Stellen in Bund, Ländern und Kommunen, die für die Aufnah­me und Betreuung der Flücht­linge zuständig sind, es sind die Kollegen im Bundesamt für Mi­gration und Flüchtlinge, bei der Bundespolizei und den Länder­polizeien, da sind die Kollegen der medizinischen und sozial­therapeutischen Betreuung, da sind die Sozialarbeiter und die Lehrer, die im jetzt neu begin­

nenden Schuljahr auch viele Kinder aus Flüchtlingsfamilien unterrichten und begleiten werden.“ In vielen Behörden gebe es „eine große Bereit­schaft, an dieser Herausforde­rung mitzuarbeiten“. Allerdings fehle das Personal dann an sei­ner bisherigen Stelle.

Der Altersdurchschnitt im öffentlichen Dienst liege bei 45,1 Jahren – davon beim Bund bei 46,9, bei den Ländern bei 44,7 Jahren, in den IT­Bereichen sogar noch höher. „Demografi­sche Vor sorge bedeutet, dass wir uns mit den verschiedenen Lebensphasen beschäftigen müssen“, sagte Benra mit Blick auf das Motto des Demografie­Kongresses „Gut versorgt und selbst bestimmt – Eine mo­derne Gesellschaftspolitik für Jung und Alt“. Es gehe um be­

rufliche Perspektiven und Fort­bildung für ältere Beschäftigte, um flexible Beschäftigungsbe­dingungen und Vereinbarkeit von Karriere und Familie in der mittleren beruflichen Phase und um attraktive Bedingun­gen für Berufseinsteiger im öffentlichen Dienst. Benra bekräftigte die Forderung des dbb nach einer demogra­fievorsorgenden Stellen politik.

Der dbb Vize und komba Bun­desvorsitzende Ulrich Silber­bach würdigte die besonderen Anstrengungen der kommuna­len Beschäftigten im Zusam­menhang mit dem Flüchtlings­ansturm. Silberbach sagte auf der Abschlussdiskussion des Kongresses, künftig gehe es vor allem um angemessene Personalausstattung in den Kommunen.

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dbb vorteilswelt:

Bis 60 Prozent Rabatt in über 160 Markenshops Informieren, Vergleichen und Einkaufen im Inter-net wird immer beliebter. Der Umsatz im soge-nannten E-Commerce wächst in Deutschland mit über 20 Prozent pro Jahr und wird 2015 Schätzun-gen des Einzelhandels zufolge rund 43,6 Milliar-den Euro betragen. Kleidung, Schuhe, Elektronik, Bücher, Hobby- und Freizeitartikel führen die Be-liebtheitsrangliste an.

Dabei geben die Deutschen aktuellen Studien zufolge pro Einkauf im Internet durch-schnittlich 63,76 Euro aus. Bei neunzehn Onlineshopping-touren pro Jahr addiert sich der jährliche Onlineeinkauf auf über 1 200 Euro.

Vor diesem Hintergrund wurde zu Jahresbeginn die dbb vor-teilswelt an den wachsenden Bedarf angepasst und die da-zugehörige Onlineshopping-plattform weiterentwickelt. Die dbb vorteilswelt ist für Mitglieder der Landesbünde und Mitgliedsgewerkschaften des dbb und ihre Angehörigen kostenlos. Sämtliche Rabatte werden direkt beim Onlinekauf abgezogen und entlasten so-

fort die Haushaltskasse. In über 160 Markenshops aus den Bereichen Auto, Finanzen, Rei-sen, Mode, Freizeit, Medien, Kultur, Wohnen, Technik, DSL & Handy und regionalen Ange-boten gibt es Rabatte von bis zu 60 Prozent, im Durchschnitt betragen die Rabatte dank dbb Mitgliedschaft circa 22 Pro-zent! Bei einem „durchschnitt-lichen“ Onlineeinkaufsverhal-ten würde ein dbb Mitglied durch die Nutzung der dbb vorteilswelt rechnerisch circa 264 Euro im Jahr sparen.

Die wachsende Akzeptanz bei Mitgliedern und Angehörigen zeigt, dass die Weiterentwick-lung der Shoppingangebote der dbb vorteilswelt auf dem

richtigen Weg ist. Neben vie- len positiven Zuschriften und Feedbacks ist die Zahl der Neu-registrierungen seit Januar 2015 bereits um rund 45 Pro-zent angestiegen. Zu wün-schen übrig lässt allerdings der Anteil derer, die sich nicht für den zweimal im Monat ver-schickten E-Mail-Newsletter registriert haben – vielleicht aus Sorge, weitere Werbe- E-Mails zu erhalten. „Die Sorge ist unbegründet“, so Dr. Alex-ander Schrader, Geschäftsfüh-rer des dbb vorsorgewerk, Be-treiber der dbb vorteilswelt. „Die Newsletter-Anmeldung greift nur für Angebote der dbb vorteilswelt. Die Inhalte werden von den Kolleginnen und Kollegen des dbb vorsor-gewerk erstellt beziehungs-weise vorab geprüft, vor Ver-sand schauen wir auch noch einmal genau drüber. Wer auf das Newsletter-Abo verzichtet, riskiert, neue und zeitlich be-fristete Angebote zu verpassen – so hatten wir nur im März bei Zalando einen Rabatt von 15 Prozent.“ Für die Newslet-ter der jeweiligen Onlineshops, in denen dann gekauft wird,

ist jeweils ein gesonderter sogenannter Opt-in erforder-lich. Dies obliegt dem Kun- den; diese Newsletter wer- den direkt von den einzelnen Shops versandt und haben keinen Bezug zur dbb vorteils-welt, insbesondere informie-ren sie auch nicht über die speziellen dbb Rabatte. Wer also aktuelle Angebote per E-Mail-Newsletter nicht ver-passen will, sollte bei der Neu-anmeldung auf der Einkaufs- und Erlebnisplattform einfach ein Häkchen unter „Jetzt neu registrieren“ beziehungsweise als bereits angemeldeter Nut-zer unter „Meine Daten“ set-zen.

Überzeugen Sie sich selbst un-ter: www.dbb-vorteilswelt.de

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Trotz der anhaltenden Debatte um die Finanzie-rung muss die Qualität des Programmangebots des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch künftig gesichert sein. Das sagte der dbb Bundesvorsit-zende Klaus Dauderstädt zum Auftakt der 10. Me-dienkonferenz, zu der der dbb am 10. und 11. Sep-tember 2015 nach Berlin eingeladen hatte. Die Tagung stand unter dem Motto „Programmge-staltung und Finanzierung – Die Zukunft der Öf-fentlich-Rechtlichen“. Zur öffentlichen Auftaktver-anstaltung im dbb forum berlin konnte der dbb Chef eine ganze Reihe prominenter Vertreter aus dem Medienbereich als Gäste begrüßen.

Bei aller kritischen Bewertung des Rundfunkbeitrags, die seit der Einführung 2013 laut ge-worden sei, dürfe nicht aus den Augen verloren werden, dass dessen eigentlicher Zweck „die Ermöglichung einer unab-hängigen, von wirtschaftlichen und politischen Interessen frei-en Berichterstattung in ARD, ZDF und Deutschlandradio“ sei, sagte Klaus Dauderstädt zur Eröffnung. Dafür habe sich der dbb immer starkgemacht.

Zwei Schwerpunktthemen standen im Mittelpunkt der öffentlichen Veranstaltung. Zu-nächst informierte der Inten-dant der Deutschen Welle

(DW), Peter Limbourg, über die einschneidenden Veränderun-gen beim Auslandsrundfunk der Bundesrepublik und über dessen Perspektiven.

Zur längst nicht immer sachlich geführten Diskussion rund um den Rundfunkbeitrag bezog Dr. Hermann Eicher vom Verwal-tungsrat des „ARD ZDF Deutsch-landradio Beitragsservice“ in seinem Vortrag unter dem Motto „Der Rundfunkbeitrag – Dichtung und Wahrheit“ Stel-lung. „Dazu gibt es Anlass, nicht nur, weil die Einnahmen des Beitragsservice allein 2014 im Vergleich zum Vorjahr um 643 Millionen Euro auf 8,324 Milliar-

den Euro gestiegen sind und solche Summen natürlich Fan-tasien über deren Verwendung beflügeln“, hatte Klaus Dauder-städt zuvor festgestellt. So be-zeichneten einige Kritiker den Rundfunkbeitrag als „Zwangs-abgabe“, Firmen sähen sich überproportional belastet. Hin-zu komme, dass ein Bearbei-tungsstau im Beitragsservice bei vielen privaten und nicht privaten Beitragszahlern zu Unmut führe.

< Intendant über die neue Deutsche Welle

Peter Limbourg, Chef von 2 400 Mitarbeitern der Deutschen Welle an den Standorten des Auslandsrundfunks in Berlin und Bonn, machte zu Beginn seines Vortrags deutlich, dass die „Welle“ – obwohl steuerfi-nanziert – sich nicht als Sprach-rohr der Bundesregierung ver-steht, sondern das gesamte deutsche Meinungsspektrum darstellt. Manchmal eine „Grat-wanderung“, machte der Inten-dant am Beispiel der Bericht-erstattung über die jüngsten Entwicklungen im Zusammen-hang mit dem Flüchtlingszu-strom nach Deutschland deut-lich: zwischen dem starken Bild vom Münchner Hauptbahnhof, wo die Ankömmlinge mit Bei-

fall empfangen wurden, und Berichten von gewalttätigen Übergriffen auf Asylbewerber-unterkünfte. Aufklärung, so Limbourg, sei ein Kernanliegen der Berichterstattung, mit der die Deutsche Welle dank Sen-dungen in 30 Regionalsprachen Menschen in aller Welt erreicht. Es gebe im Programm auch Ser-vice für Flüchtlinge, etwa einen „Grundkurs Deutschland“ und Sprachkurse. „Und wir wollen nicht nur über Flüchtlinge re-den, sondern auch mit ihnen“, sagte Limbourg. Wie gut das funktioniert, belegte er mit ei-nem Einspieler aus „Shabab Talk“. In der arabischsprachigen (deutsch untertitelten) Talksen-dung für Jugendliche, die allein in Ägypten wöchentlich vier Millionen Zuschauer hat, disku-tiert der libanesische Modera-tor mit jungen Leuten aus Deutschland und den arabi-schen Ländern über aktuelle gesellschaftspolitische The-men, direkt, offen und ohne Tabus – in diesem Fall mit jun-gen Flüchtlingen in Berlin.

Zum zweiten Schwerpunkt sei-ner Ausführungen machte Lim-bourg die Behandlung des Kon-flikts Russland/Ukraine. Dabei habe es die Deutsche Welle mit einer Zunahme von Sen-dern zu tun, die einseitig be-

10. Medienkonferenz des dbb zur Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen:

Kein Service ohne Gebühren?

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< Gelöste Stimmung nach streitbarer Debatte: Klaus Dauderstädt, Dr. Susanne Pfab, Dr. Christine Bergmann, Prof. Kai Konrad, Steffen Grimberg, Dr. Hermann Eicher, Prof. Norbert Schneider, Ute Wiegand-Fleischhacker (von rechts)

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richteten und „erhebliche Pro-paganda verbreiten“. Auch hier gehe es der DW aber nicht um Gegenpropaganda, sondern um Aufklärung. So gibt es in-zwischen eine tägliche TV-Sen-dung in der Ukraine und die DW habe viele Partner gewon-nen, die seriös über und in Russland senden. Zudem sei mit Zhanna Nemzowa, der Tochter des ermordeten Kreml-Kritikers Boris Nemzow, eine profilierte Journalistin als Ver-stärkung zur Russisch-Redak-tion des Auslandssenders ge-stoßen. In Kürze werde ein Korrespondent seine Arbeit für die DW in Moskau aufnehmen. „Wir wollen Brücken bauen, im Dialog bleiben“, so Limbourg.

Der Intendant ging auch auf das Kernstück des Senderum-baus zur „neuen Deutschen Welle“ ein: den Aufbau des englischsprachigen TV-Kanals und dessen Start im Juni dieses Jahres. Das ehrgeizige Projekt konnte in Angriff genommen werden, nachdem die Politik ihre Finanzzusagen für die Deutsche Welle aufgestockt hatte. Um Botschaften und Werte einem möglichst breiten Publikum zu vermitteln, sei Englisch die Sprache, mit der die meisten Menschen erreicht werden können. Dies bringe auch der neue Claim „Made for Minds“ zum Ausdruck: Das Pro-gramm solle kritische Geister ansprechen, die auf der Suche nach umfassenden Informatio-nen, Hintergründen und Ana-lysen sind. Zwar sei man mit dem neuen Angebot „noch nicht nah dran an BBC und CNN“, aber eine deutliche Stei-gerung der Publikumsresonanz sei bereits erreicht.

< Rundfunkbeitrag: Kein Geld auf Bäumen

Über den Rundfunkbeitrag, der seit 2013 vom Nachfolger der GEZ, dem ARD ZDF Deutsch-landradio Beitragsservice, erho-ben wird, war von Anfang an kontrovers diskutiert worden. Und das, obwohl er nach dem Grundsatz „eine Wohnung, ein

Beitrag“ eingefordert wird, egal wie viele Personen dort leben und unabhängig von der Zahl der TV-Geräte, Radios und Computer. Die Boulevardpresse schrieb von einer „Wutwelle gegen die GEZ“ und der „Jagd von ARD und ZDF auf vier Milli-onen Haushalte“, anderswo war die Rede von „Geld, das auf den Bäumen wächst“. Gegen solche „Skandalisierung“ ver-wahrte sich Dr. Hermann Ei-cher, bereits seit 1998 Justiziar des Südwestrundfunks und ei-ner der „Väter“ des neuen Fi-nanzierungsmodells, in seinem Vortrag. Ein paar Fakten: Der Rundfunkbeitrag ist hierzulan-de seit 2009 nicht erhöht, 2015 auf 17,50 Euro abgesenkt wor-den. Die Beitragseinnahmen

pro Jahr liegen derzeit bei 8,3 Milliarden Euro. Der Mammut-teil fließt bei Fernsehen und Radio in die Berichterstattung über Politik und Gesellschaft, auch für die Bereiche Unterhal-tung, Kultur und Wissenschaft, Sport, aber auch für die Finan-zierung von Orchestern wird Geld bereitgestellt. „Fragen Sie 100 Leute nach ihren Wün-schen für die Verteilung des Geldes und Sie bekommen 200 Antworten“, sagte Eicher dazu. Seit der Einführung des neuen Beitrags haben sich 1,7 Millio-nen Beitragszahler abgemeldet (bisher Zahler von Mehrfach-beiträgen in einer Wohnung). Nach einem einmaligen Ab-gleich mit Daten der Einwoh-nermeldeämter wurden 8,1

Millionen Bürgerinnen und Bür-ger angeschrieben, die zuvor nicht im Bestand waren, aber nur 1,2 Millionen von ihnen ha-ben sich angemeldet. Für 4,1 Millionen, die sich nicht zurück-meldeten, hat der Beitragsser-vice Konten eingerichtet (Direk-tanmeldung). Davon sind aber laut Eicher derzeit nur 35 Pro-zent „ertragswirksam“. Den-noch lassen sich die Mehrein-nahmen des Jahres 2014 – immerhin 643 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr – fast ausschließlich auf diese Direkt-anmeldungen zurückführen. Dieses Ergebnis ist nur möglich, weil der Beitragsservice konse-quent die Forderungen verfolgt – mit Mahnungen und bis hin zur Zwangsvollstreckung –

dazu ist er von der KEF (Kom-mission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunk-anstalten) verpflichtet.

Auch das kritische Thema Bearbeitungsrückstand beim Service, das viele Bürgerinnen und Bürger verärgert, sprach Eicher (der Mitglied im Verwal-tungsrat ist) an und verwies auf das Volumen der Reform: Zum Start 2013 gab es bis zu 250 000 Vorgänge und bis zu 400 000 Anrufe täglich beim Beitragsservice. 2014 sind rund 23 Millionen Vorgänge einge-gangen und es gab circa 4,5 Millionen angenommene An-rufe. Inzwischen werden 44,5 Millionen Beitragskonten ge-führt. Allein die Zahl von

Mahnmaßnahmen ist von 13 090 731 im Jahr 2009 auf 20 209 754 im Jahr 2014 ge-klettert, die Zahl der Vollstre-ckungsersuchen erhöhte sich in diesem Zeitraum um über 250 000. Hinzu kommt der Per-sonalabbau. 2013 waren beim Beitragsservice 1 284 Kollegin-nen und Kollegen tätig, 2015 nur noch 1 076 – und der Stel-lenabbau soll 2016 weiterge-hen. Drei bis vier Monate müs-se derzeit auf Antwort warten, wer sich mit einem Anliegen (zum Beispiel einem Wider-spruch) an den Beitragsservice wendet. Im Januar 2016 will man laut Eicher wieder „bei der Tagfertigkeit landen“ – das würde immerhin eine Antwort innerhalb von zwei Wochen bedeuten.

< Nudelmesse und Spaghettimonster

Auch Kurioses aus der Debatte um den Rundfunkbeitrag spar-te Eicher nicht aus, etwa die Ini tiative eines Klägers, der sein Büro mit Nudelwasser „geweiht“ hatte, angeblich der „Gottheit des fliegenden Spa-ghettimonsters“ huldigte und eine Befreiung vom Rundfunk-beitrag verlangte, da der Raum „gottesdienstlichen Zwecken“ gewidmet sei. Das VG Mün-chen wies die Klage ab. Mit seinem letzten Thema leitete Eicher inhaltlich bereits zur an-schließenden Podiumsdiskussi-on über. Denn er griff Inhalte des Gutachtens auf, das der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium 2014 zu Aufgaben und Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erstellt hat. Eicher kritisierte die „Sicht der Ökono-men“, die unter anderem ein strenges Subsidiaritätsprinzip für die Öffentlich-Rechtlichen gefordert hatten. „Am Drei-klang von Recht, Ökonomie und Soziologie kommt man nicht vorbei“, machte Eicher die medienrechtliche Sicht auf das Thema deutlich. „Es steht nicht weniger als der Bestand von Meinungsvielfalt auf dem Spiel.“ Zudem stünden die Vor-

< Einblicke in neue Deutsche Welle: Intendant Peter Limbourg

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schläge nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bun-desverfassungsgerichts. Eichers Fazit: Der Rundfunkbeitrag ist kein Selbstzweck. Zuschauer und Hörer bekommen für rela-tiv wenig Geld ein großes, viel-fältiges Leistungspaket. „Die Legitimation für den Rundfunk-beitrag kann nur das Programm leisten. Mehr denn je ist hier hohe Qualität gefordert.“ Und noch eine gute Nachricht gab es zum Schluss: Im privaten Bereich werden künftig auch rückwirkende Befreiungen vom Rundfunkbeitrag zugelassen.

< Kontroverse um Gelder und Inhalte

Unter dem Motto „Kein Service ohne Gebühren?“ wurden ab-schließend auf dem Podium weiter Zusammenhänge zwi-schen Finanzierung und Pro-grammgestaltung hinterfragt. Zur Diskussion begrüßte Mo-derator Steffen Grimberg (Grimme-Institut) neben Dr. Eicher die ARD-Generalsekretä-rin Dr. Susanne Pfab, Prof. Nor-bert Schneider (von 1993 bis 2010 Direktor der Landesan-stalt für Medien Nordrhein-Westfalen), Prof. Kai Konrad (Direktor am Max-Planck-Insti-tut für Steuerrecht und Öffent-liche Finanzen in München), Dr. Christine Bergmann (Vorsit-zende des Programmausschus-ses Programmdirektion des ZDF-Fernsehrats) und Ute Wie-gand-Fleischhacker (Landes-vorsitzende des dbb Hessen und stellvertretendes Mitglied im ARD-Programmbeirat).

Das erste Wort hatte Prof. Kon-rad. Der Experte für Steuer-recht und öffentliche Finanzen war Vorsitzender des Wissen-schaftlichen Beirats beim Bun-desfinanzministerium, als das Gremium aus 32 Wissenschaft-lern im Jahr 2014 das Gutach-ten „Öffentlich-rechtliche Medien – Aufgabe und Finan-zierung“ erarbeitet und damit für heftige Diskussionen ge-sorgt hatte. So war etwa die Aussage, dass es angesichts der technischen Entwicklung kaum

noch Gründe gebe, „warum der Rundfunkmarkt wesentlich an-ders organisiert werden sollte als der Zeitungsmarkt“ auf Wi-derspruch gestoßen, ebenso wie der Vorschlag, „die öffent-lich-rechtlichen Anbieter soll-ten nur da auftreten, wo das privatwirtschaftliche Angebot klare Defizite aufweist“ und die Forderung, im Programm der Öffentlich-Rechtlichen sol-le „auf die Werbefinanzierung komplett verzichtet werden“.

Das Gutachten sei legitim, die aufgeworfenen Fragen seien berechtigt, stellte die ARD- Generalsekretärin dazu fest. „Die rein ökonomische Be-trachtung greift aber zu kurz, denn es geht auch um den ge-sellschaftspolitischen Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen“, sagte Dr. Susanne Pfab. Auch Dr. Christine Bergmann plä-dierte dafür, das ZDF und die anderen Öffentlich-Rechtlichen nicht unter rein wirtschaft-lichen Gesichtspunkten zu betrachten, sondern „vom Auftrag her“. So müssten mög-lichst alle Zuschauerinteressen mit gleichbleibend hoher Qua-lität abgebildet werden. „Das Fernsehen genießt in der Be-völkerung nach wie vor einen sehr hohen Stellenwert, dem öffentlich-rechtlichen Rund-funk wird generell eine hohe Seriosität attestiert“, so Berg-mann. Sie lobte den mit 40 Prozent hohen Informations-anteil im ZDF-Programm. „Das Fernsehen beweist dieser Tage wieder seine Stärke, unabhän-

gige Hintergrundinformation zu leisten. Es erfüllt damit eine Grundaufgabe für unsere de-mokratische Gesellschaft. Die Menschen müssen sich eine eigene Meinung bilden kön-nen“, sagte Bergmann.

„Wenn es um die Gebührende-batte geht, trifft die Kritik der ‚veröffentlichten Meinung‘ die Falschen. Das wiederum hängt damit zusammen, dass die Presse den Öffentlich-Rechtli-

chen nicht gewogen ist. Eine sehr alte Geschichte, die nach meinem Gefühl bis auf die Schöpfungsgeschichte zurück-geht“, kommentierte Prof. Nor-bert Schneider den Streit um Für und Wider des Rundfunk-beitrags. Man müsse die Dis-kussion viel rationaler führen. Der ARD empfahl er, ihre Au-ßendarstellung zu renovieren: „Sie überzeugen als System nicht besonders“, wandte sich Schneider an Eicher. Jeder der Sender-Oberen erkläre sich für sich selbst, so Schneiders Kritik. Er persönlich finde die Diskussi-on um die Gebühren „nicht be-sonders spannend“. Wirklich interessant sei, ob eine Gesell-schaft sich den Rundfunk gibt, den sie sich leisten kann: „Unter diesem Gesichtspunkt kann Deutschland sich wahrhaftig einen hervorragenden öffent-lich-rechtlichen Rundfunk leis-ten – und die Konkurrenz zu den privaten Anbietern dazu“, zeigte sich Scheider überzeugt. Die Frage des Moderators, ob der Beitragszahler seine Stim-

me hörbar machen könne, um direkten Einfluss auf die Pro-grammgestaltung zu nehmen, sei kaum zu beantworten, so Schneider. „Ich bin skeptisch.“ Rundfunkräte seien „Einzeltä-ter, die bestimmte gesellschaft-liche Gruppen vertreten“.

Auch das Verhältnis zwischen Öffentlich-Rechtlichen und Pri-vaten war – nicht zuletzt ange-stoßen durch das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats – Gegenstand der Debatte. „Öffentlich-Rechtliche und Private sind keine Kopien von-einander“, sagte die ARD-Ge-neralsekretärin. „Beide senden beispielsweise Fiktionales – aber mit unterschiedlichen Ansätzen. Während die Priva-ten eher US-Produktionen einkaufen, setzen die Öffent-lich-Rechtlichen auf Eigenpro-duktionen, die die deutsche Gesellschaft widerspiegeln“, so Pfab.

Prof. Konrad verteidigte die ökonomische Perspektive des Gutachtens. „Finanzwissen-schaftler können sagen: Da werden sieben Milliarden Euro per Zwangsabgabe eingenom-men, das entspricht in etwa dem Jahresetat des Bundes-wirtschaftsministeriums und ist also eine signifikante Grö-ße.“ Die Bevölkerung habe ein Recht darauf, darüber zu disku-tieren, meinte Konrad. Er sehe die Öffentlich-Rechtlichen im „Legitimationszwang“. Konrad stellte aber auch richtig, dass das Gutachten nicht – wie von einigen Medien berichtet – für eine Abschaffung des öffent-lich-rechtlichen Rundfunks plä-diert habe. Ein Nachdenken über andere Finanzierungsmo-delle würde aber zugleich Wi-derstände in der Bevölkerung gegen den Rundfunkbeitrag verringern oder sogar auflösen, zeigte sich der Finanzexperte überzeugt. „Sie bekämen ein Feedback dazu, was die Zu-schauer wirklich wollen“, sagte Konrad. „Derzeit kann der Zu-schauer sich nicht einbringen, auch nicht aussteigen. Er muss zahlen.“

< Klischees zum Rundfunkbeitrag ausgeräumt: Dr. Hermann Eicher

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„Information, Bildung, Kultur, Unterhaltung – Vielfalt als we-sentliche Grundlage für eine freie und unabhängige Mei-nungsbildung kann nicht gewährleistet werden, wenn immer nur die Kosten-Nutzen-Frage entscheidet.“ Das gab Ute Wiegand-Fleischhacker, dbb Landesvorsitzende in Hes-sen, Mitglied im Rundfunkrat des Hessischen Rundfunks und stellvertretendes Mitglied im ARD-Programmbeirat, zu be-denken. Der besondere Pro-grammauftrag der Öffentlich-Rechtlichen sei eben nicht mit einem reinen Primat des Öko-nomischen zu realisieren. Des-halb lehne sie auch den Begriff der „Zwangsabgabe“ ab, so Wiegand-Fleischhacker. Es gebe nicht nur eine hohe Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sondern auch für die Rundfunkräte als kritische Begleiter der Programme.

< ARD-Programmchef: Wir haben die Inhalte

Mit einem herzlichen Glück-wunsch an die in der VRFF – Die Mediengewerkschaft organi-sierten Kolleginnen und Kolle-gen beim Beitragsservice konn-te dbb Chef Klaus Dauderstädt die traditionelle interne Runde der „dbb Medienpolitiker“ am 11. September eröffnen. Sie hatten dort nicht nur erfolg-reich eine Personalratsneuwahl durchgesetzt, sondern diese am Vortag auch klar gegen den gewerkschaftlichen Konkurren-ten gewonnen, wie die VRFF-Betriebsgruppenvorsitzende Anke Ben Rejeb berichtete. Im Mittelpunkt des regen Mei-nungsaustauschs der Rund-funk- und Medienräte, an dem neben Klaus Dauderstädt auch die dbb Vizes Willi Russ und Astrid Hollmann teilnahmen, ging es zunächst um aktuelle Probleme in den öffentlich-rechtlichen Sendern und bei den Landesmedienan stalten – etwa um Sparmaßnahmen, Personalabbau und Aufgaben-verdichtung, Ausrichtung auf Trimedialität (also enge redak-

tionelle und technische Zusam-menarbeit zwischen Radio, Fernsehen und Online).

Interessante Einblicke in die Programmgestaltung der ARD gewährte dann Volker Herres, seit 2008 Programmdirektor des Ersten Deutschen Fernse-hens. Trotz aller Veränderungen der vergangenen Jahre und trotz digitaler Zukunft dürfe man die Gegenwart nicht ver-spielen. „Das lineare TV ist un-angefochtenes Leitmedium, hat mit 80 Prozent die höchste Reichweite, gefolgt vom Radio. Das Internet liegt bei 46 Pro-

zent.“ Darauf, dass die „Zeitsou-veränität“ bei der Fernsehnut-zung zunehme, stelle sich die ARD bereits ein. So seien dem letzten „Tatort“ vor der Som-merpause („Der Inder“ vom SWR) über neun Millionen Zu-schauer gefolgt, was einem Marktanteil von 28,5 Prozent entsprach. Mit noch einmal 200 000 Abrufen im Netz habe der Krimi alle Erwartungen er-füllt. Um noch mehr Nutzer un-ter den Jüngeren, nicht nur via Youtube, zu erreichen, „basteln wir an einer ‚Tatort-App‘ “, ver-riet Herres. Die „Tagesschau-App“ mit acht Millionen Down-loads nehme bereits eine führende Position ein. „Aber Plattformen existierten ja nicht ohne Inhalte. Und wir haben jede Menge Content, bis hin zu Nischenprodukten“, sagte Her-res. Der Auffassung mancher User, angesichts eines überbor-denden Internetangebots, „kommt der Inhalt zu mir, ich muss gar nicht mehr danach suchen“, erteilte Herres eine Absage: Im Netz gebe es unkla-

re Quellen, Seriosität und Un-abhängigkeit fehlten oft. „Wir als ARD müssen stärker auf journalistische Tugenden set-zen, uns nicht nur von Hypes treiben lassen und auch exklu-siv mit eigenen Geschichten aufwarten.“ Angesichts rasch wechselnder Themen wie Uk-raine, Griechenland und jetzt Flüchtlinge fragte Herres: „Wo bleibt die Wiedervorlage?“ ARD-Themenwochen oder ein ganzer Abend im Zeichen eines Themas seien geeignete Mittel, so der Programmdirektor. So werde es am 5. Oktober über zwölf Stunden eine „Echtzeit-

doku“ geben, für die – vor dem Hintergrund von 25 Jahren Einheit – 60 Kamerateams Momentaufnahmen aus dem Deutschland von heute liefern.

Mehr Mut, Risikobereitschaft und Experimentierfreude – dar-um sei auch die ARD bemüht. So bereite man eine Serie über einen Kommissar im Berlin der 1920er-Jahre vor, die auf der Bestsellerreihe „Babylon Berlin“ von Volker Kutscher basiert und – das ist eine Premiere – von ARD, X-Filme, Sky und Beta Film gemeinsam entwickelt wird. Auch eine als fortlaufende Ge-schichte erzählte Serie über die Geschichte der Berliner Charité ist in Vorbereitung. Herres outete sich als „großer Freund einer Kombination von Fiktio-nalem, Dokumentarischem und Talk“ im TV-Programm, wie es sie unter anderem rund um die neue Staffel der Erfolgspro-duktion „Weissensee“ geben wird. Unverzichtbar bleibe die Übertragung großer Live-Ereig-nisse, sagte Herres. So sei die

Relevanz der Öffentlich-Recht-lichen ohne Berichterstattung über Spitzensport (für die Olympischen Spiele liegen die Rechte ab 2018 bei Privaten) nicht zu halten. „Wir haben im-mer auch Hintergrundinforma-tionen und kritische ‚Begleit-stücke‘ mitgeliefert“, sagte Herres. Für die Zusammenar-beit im Senderverbund ARD wünsche er sich, dass „weniger hasenherzig“ in die Zukunft ge-gangen und „etwas mehr in eine Richtung gezogen“ werde. In der lebhaften Diskussion wurde zudem angeregt und von Volker Herres aufgenom-

men, „das Ich-Marketing der ARD, ihre Darstellung nach außen“ zu verbessern (VRFF-Vorsitzender Ulrich Eichbladt), anstelle der immer gleichen Po-litiker mehr Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft in die Talkshows zu holen (Ast-rid Hollmann) und die Fülle von Wiederholungen im Sommer-programm einzudämmen (Willi Russ). Dies sei allerdings vor allem eine finanzielle Frage, machte Herres klar – für mehr Eigenproduktionen fehle der ARD schlicht das Geld.

dbb Chef Klaus Dauderstädt verknüpfte den Abschluss der „Jubiläums-Medienkonferenz“ mit der Ankündigung, die „spannenden Debatten über die Programmqualität“ im nächsten Jahr fortzusetzen. Sein Fazit: „Wir können uns den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht nur leisten, sondern haben ein großes In-teresse an der hochwertigen Information und Unterhaltung, die er tagtäglich bietet.“ cok

< ARD auf Zukunftskurs: Programmdirektor Volker Herres (Mitte) berichtete.

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Nachgefragt bei ...... Steffen Kollmann, Personalrat beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF):

„Absoluter Ausnahmezustand“Als Kompetenzzentrum für Migration und Inte-gration in Deutschland ist das Bundesamt für Mi-gration und Flüchtlinge (BAMF) nicht nur zustän-dig für die Durchführung von Asylverfahren und den Flüchtlingsschutz, sondern auch Manager und Motor der bundesweiten Integrationsarbeit. Zur Bandbreite der Aufgaben gehört auch die Migra-tionsforschung. Normalerweise. Aktuell jedoch herrscht „Land unter“ in der Behörde mit Haupt-sitz in Nürnberg und Außenstellen in allen Bun-desländern: Die rund 3 000 Mitarbeiter werden überrollt von der Flüchtlingswelle – bis zu einer Million Asylbewerber erwartet Deutschland in diesem Jahr. Das dbb magazin hat die aktuelle Situation mit Steffen Kollmann, Vorsitzender der „Fachgruppe BAMF“ im Verband der Beschäftig-ten der obersten und oberen Bundesbehörden (VBOB) und Mitglied im Hauptpersonalrat beim Bundesministerium des Innern, erörtert.

Das BAMF rotiert seit Monaten weit jenseits des Limits, die Be-lastung der Beschäftigten durch die enormen Flüchtlingszahlen ist so hoch wie nie zuvor. Wie ist die Stimmung?

Kollmann: Es herrscht absolu-ter Ausnahmenzustand – und das mit Ansage. Das BAMF hat als Behörde, die es wissen muss, die Politik seit Jahren vor seinen Kapazitätsgrenzen an-gesichts kontinuierlich steigen-der Flüchtlingszahlen gewarnt, aber nichts ist geschehen. Wer meint, jetzt herrsche große Re-signation bei uns, täuscht sich allerdings: Die Kollegen kön-nen zwar nur so viel schaffen wie sie arbeiten können, aber genau das tun sie: arbeiten, ar-beiten, arbeiten. Alle sind hoch motiviert und entschlossen, diese Mammutaufgabe zu be-wältigen. Wir brauchen jedoch dringend Unterstützung ...

Dieses und nächstes Jahr soll das BAMF nun jeweils 1 000 zu-sätzliche Stellen bekommen. Findet man überhaupt so viele neue Kolleginnen und Kollegen auf einen Schlag?

Kollmann: Zunächst ist der Stellenaufwuchs zu begrüßen. „Endlich!“, möchte man rufen, denn wir fordern seit Jahren mehr Personal. Die Personalge-winnung im BAMF läuft derzeit auf Hochtouren. Mittlerweile haben wir in einem Kraftakt über 600 neue Mitarbeiter für diese Stellen ausgewählt, bis Ende November sollen die ers-ten 1 000 besetzt sein. Darun-ter sind sowohl Asylentschei-der als auch neue Kollegen für die Erfassung der Asylbewer-ber. Für die Einarbeitung wur- de in Nürnberg ein Qualifizie-rungszentrum eingerichtet. Dort werden Beschäftigte in der Aktenanlage in wenigen

Wochen, Asylentscheider binnen drei Monaten einge-arbeitet.

Wer hilft außerdem?

Kollmann: Vorübergehend un-terstützt wird das BAMF durch Ministerien und Behörden. So werden ab Oktober 150 Kolle-gen des Bundesinnenministeri-ums und seiner Geschäftsbe-reichsbehörden eingesetzt. Die Zollverwaltung hat Unterstüt-zung durch 210 Mitarbeiter zu-gesagt, auch das Bundesminis-terium der Verteidigung wird rund 400 Beschäftigte entsen-den. Zudem hat die Telekom ihre Hilfe angeboten. Auch lie-gen Angebote ehemaliger Mit-arbeiter des Bundesinnenmi-nisteriums und des BAMF zur vorübergehenden Unterstüt-zung vor, zudem Hilfsangebote einiger Bundesländer. Dafür sind wir einerseits sehr dank-

bar. Andererseits muss aber ganz klar gesagt werden, dass dies kein Dauerzustand sein darf. Das BAMF muss seine Aufgaben aus eigener Kraft erfüllen können, ebenso wie jede andere Behörde auch. Die unterstützenden Kollegen hin-terlassen in ihren Dienststellen gravierende Personallücken mit der Folge, dass dann dort die Arbeit liegenbleibt. Die aktuelle Krise offenbart, wie eklatant die Personaldecke des öffentlichen Dienstes auf Kante genäht ist. Jetzt kracht es im Gebälk, und wenn hier nicht schnell und entschieden gegengesteuert wird, ist die Funktionsfähigkeit des Staats tatsächlich gefährdet.

Reicht dieser Zuwachs um 2 000 Stellen aus?

Kollmann: Mit dem neuen Per-sonal stärkt das Bundesamt

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< Steffen Kollmann

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seine bestehenden Dienststel-len und stellt den Betrieb neuer Dienststellen sicher. In enger Abstimmung mit den Ländern errichten wir neue Außenstel-len, an denen die Länder ihrer-seits neue Erstaufnahmeein-richtungen mit mindestens 500 Plätzen einrichten. Sieben neue Dienststellen wurden bereits eröffnet, bis Jahresende wer-den voraussichtlich 25 weitere hinzukommen. Bis zum 1. No-vember nehmen darüber hin-aus alle vier Entscheidungszen-tren des Bundesamts in Berlin, Nürnberg, Mannheim und zu-nächst übergangsweise in Bonn, dann in Unna ihren Be-trieb auf. In diesen neuen Ein-richtungen werden von jeweils rund 60 Mitarbeitern entschei-dungsreife Asylver fahren ent-schieden. Mit diesen zusätzli-chen Anlaufstellen werden wir die Zahl der beim Bundesamt noch offenen Verfahren schnell deutlich reduzieren können. Aber angesichts der Prognosen müssen wir davon ausgehen, dass 2 000 zusätzliche Kollegen mittel- und langfristig nicht ausreichen werden, um das ge-samte Aufgabenspektrum des BAMF, zu dem ja vor allem auch die wichtigen Funktionen in der Integrationsarbeit zählen, für

die massiv gestiegenen und weiter steigenden Fallzahlen abdecken zu können. Nicht vergessen werden darf, dass der extreme Personalaufwuchs natürlich auch entsprechend in der Personalverwaltung abge-bildet werden muss.

In dieser äußert schwierigen Lage kommt es jetzt zu einem Wechsel des Präsidenten …

Kollmann: Das hat uns in der Tat überrascht. Wir haben

einen ausgezeichneten Präsi-denten verloren. Dr. Manfred Schmidt hat sich trotz des wachsenden Drucks stets für die Belange der Mitarbeiterin-nen und Mitarbeiter eingesetzt und ihre Interessen verteidigt. Jetzt aber gilt es, nach vorne zu schauen.

BA-Chef Frank-Jürgen Weise soll das BAMF nun in der fachlichen Weiterentwicklung leiten und will Berater von McKinsey mit-bringen …

Kollmann: Wir sind gespannt. Das BAMF hat in den letzten Jahren bereits unzählige Vor-schläge zur Verfahrensverein-fachung gemacht. Die konnten jedoch nicht umgesetzt wer-den, weil die verantwortlichen Politiker Rechtsänderungen abgelehnt haben. Es wäre zu begrüßen, wenn wir das nun gemeinsam mit der neuen Lei-tung tatsächlich erreichen könnten.

Wenn die Beschäftigten des BAMF drei Wünsche frei hätten, dann …

Kollmann: ... brauchen wir Entlastung, Entlastung, Ent-lastung. Anerkennende, wert-schätzende Worte tun gut, aber nur konkrete Taten brin-gen uns weiter. Ohne kurzfris-tige, durchgreifende gesetzli-che Verfahrensänderungen, ohne eine gesamteuropäische Politik im Umgang mit Asyl-suchenden und Flüchtlingen, wird unser System kolla bieren. Gleichzeitig müssen wir zu-sehen, dass der Moti vation der Kollegen auf dem langen Weg, der vor uns liegt, nicht die Luft ausgeht – dazu braucht es geeignete Anreize und Angebote, finanzieller wie inhaltlicher Art.

(Die Fragen stellte Britta Ibald.)

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< Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg

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Kitas:

Bevölkerung für LohnplusEine deutliche Mehrheit von 79 Prozent der Bevölkerung spricht sich für höhere Gehälter der Erzieherinnen und Erzieher aus. Das ist das Ergebnis des ifo-Bildungsbarometers 2015, das Anfang September vorgestellt wurde.

„Das ist ein klares Signal an die Arbeitgeber, endlich auf unse-re Forderungen einzugehen“, sagte Andreas Hemsing, der für den dbb die Verhandlun-gen im Sozial- und Erziehungs-dienst führt, am 3. September

2015 in Berlin. Seit Monaten verhandeln die Gewerkschaf-ten mit der Ver einigung der kommunalen Arbeitgeberver-bände (VKA) über eine höhere Eingruppierung der Beschäf-tigten, zuletzt mithilfe von

Schlichtern. „Unsere Kolle-ginnen und Kollegen sind mit den Ergebnissen noch nicht zu frieden. Und sie stehen damit nicht alleine, wie die Umfrage einmal mehr zeigt“, sagte Hemsing. „In der Be-

völkerung gibt es die feste Überzeugung, dass gute Arbeit in der frühkindliche Bildung entsprechend ho-noriert werden muss. Dem können sich die Arbeitgeber nicht verschließen.“

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Zeit für Familie:

Wunsch und Wirklichkeit„Familien wünschen sich mehr gemeinsame Zeit. Das bedeutet, wir brauchen flexible Arbeitsbedingungen, um die Vereinbarkeit von Familie und Karriere im Beruf zu verbessern“, stellte Helene Wildfeuer, Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung, am 31. August 2015 in Berlin mit Blick auf die im August veröffentlichte Studie „Zeitverwendung in Deutschland“ fest.

Die Studie, die das Bundesfa-milienministerium gemeinsam mit dem Statistischen Bundes-amt veröffentlicht hat, ergab, dass 32 Prozent der Väter und 19 Prozent der Mütter bemän-geln, nicht ausreichend Zeit für ihre Kinder zu haben. Nahezu 80 Prozent der Väter möchten sich intensiver um ihre Kinder kümmern und hätten dafür gerne mehr Zeit zur Verfügung.

Ein weiteres interessantes Er-gebnis der Studie ist, dass im

Vergleich zu den Jahren 2001/ 2002 grundsätzlich die Stun-denzahl bei Männern und Frauen in Bezug auf die Er-werbstätigkeit gestiegen ist. Gleichzeitig haben aber Mütter und Väter auch mehr Zeit dar-auf verwendet, sich um Kinder zu kümmern und sich aktiv mit ihnen zu beschäftigen. Er-werbs tätige Mütter verbrach-ten dabei ähnlich viel Zeit mit Aktivitäten wie Vorlesen oder Gesprächen mit den Kindern wie nicht erwerbstätige Mütter.

Helene Wildfeuer unterstrich, dass jedoch insbesondere die Eltern, die in Vollzeit arbeiten, laut der Studienergebnisse ger-ne ihre Stundenzahl etwas sen-ken wollen, Mütter mit gerin-ger Arbeitszeit jedoch gerne mehr arbeiten möchten: „Aus Sicht der dbb bundesfrauen-vertretung ist die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Karrie-re nach wie vor die zentrale Voraussetzung für eine ge-schlech tergerechte Gesell-schaft. Die Studie zeigt, dass sich die Arbeitgeber bewegen müssen, um in Zeiten des de-

mografischen Wandels qualifi-zierte Fachkräfte zu werben und zu halten. Hier liegt auch der Schlüssel, mit dem der öffent liche Dienst als größter Arbeitgeber Deutschlands dem demografischen Wan- del begegnen kann.“ seb

Verbesserungen im Steuerrecht angemahnt

Die Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung Helene Wildfeuer ist am 4. September 2015 in Berlin mit der Frauenpolitischen Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Ulle Schauws (links), zusammengetroffen.

„Eltern wollen ihre Kinder partnerschaftlich aufziehen, das derzeitige Steuerrecht spiegelt das jedoch nicht wider“, sagte Helene Wildfeuer. „Ein gender- und familiengerechtes Steuerrecht würde sich stärker daran orientieren, wo Kinder aufwachsen, als daran, in welcher Beziehung die Eltern zueinander stehen. Es würde so mit der gesell-schaftlichen Entwicklung mithalten. Zurzeit werden insbesondere Alleinerziehende steuerlich benachteiligt und die größte Gruppe der Alleinerziehenden sind Frauen – jetzt geht es auch darum, dass deren Leistungen gesellschaftspolitisch anerkannt werden und sie die not-wendige Unterstützung erfahren.“

Helene Wildfeuer und Ulle Schauws waren zusammengekommen, um über die steuerrechtliche Situation von Ehepaaren, Familien und Alleinerziehenden zu sprechen. „Wichtig ist der dbb bundesfrauenver-tretung, dass wir in Deutschland in Zukunft ein geschlechtergerechtes Steuerrecht haben“, machte Helene Wildfeuer deutlich. „Dazu werden wir mit Ulle Schauws und ihrer Partei im Gespräch bleiben.“

Die dbb bundesfrauenvertretung setzt sich dafür ein, eine verfassungs-gemäße Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu schaffen, die die Bedarfe der Kinder angemessen berücksichtigt und deren Existenzmi-nimum steuerfrei lässt. Gleichzeitig müssen aber bestehende Ehen gleichmäßig steuer- und sozialrechtlich gefördert werden. seb

< Info

Mehr zur Studie „Zeitver-wendung in Deutschland 2012/2013“ unter: https://www.destatis.de

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Zeit für Familie:

Wunsch und Wirklichkeit„Familien wünschen sich mehr gemeinsame Zeit. Das bedeutet, wir brauchen flexible Arbeitsbedingungen, um die Vereinbarkeit von Familie und Karriere im Beruf zu verbessern“, stellte Helene Wildfeuer, Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung, am 31. August 2015 in Berlin mit Blick auf die im August veröffentlichte Studie „Zeitverwendung in Deutschland“ fest.

Die Studie, die das Bundesfa-milienministerium gemeinsam mit dem Statistischen Bundes-amt veröffentlicht hat, ergab, dass 32 Prozent der Väter und 19 Prozent der Mütter bemän-geln, nicht ausreichend Zeit für ihre Kinder zu haben. Nahezu 80 Prozent der Väter möchten sich intensiver um ihre Kinder kümmern und hätten dafür gerne mehr Zeit zur Verfügung.

Ein weiteres interessantes Er-gebnis der Studie ist, dass im

Vergleich zu den Jahren 2001/ 2002 grundsätzlich die Stun-denzahl bei Männern und Frauen in Bezug auf die Er-werbstätigkeit gestiegen ist. Gleichzeitig haben aber Mütter und Väter auch mehr Zeit dar-auf verwendet, sich um Kinder zu kümmern und sich aktiv mit ihnen zu beschäftigen. Er-werbs tätige Mütter verbrach-ten dabei ähnlich viel Zeit mit Aktivitäten wie Vorlesen oder Gesprächen mit den Kindern wie nicht erwerbstätige Mütter.

Helene Wildfeuer unterstrich, dass jedoch insbesondere die Eltern, die in Vollzeit arbeiten, laut der Studienergebnisse ger-ne ihre Stundenzahl etwas sen-ken wollen, Mütter mit gerin-ger Arbeitszeit jedoch gerne mehr arbeiten möchten: „Aus Sicht der dbb bundesfrauen-vertretung ist die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Karrie-re nach wie vor die zentrale Voraussetzung für eine ge-schlech tergerechte Gesell-schaft. Die Studie zeigt, dass sich die Arbeitgeber bewegen müssen, um in Zeiten des de-

mografischen Wandels qualifi-zierte Fachkräfte zu werben und zu halten. Hier liegt auch der Schlüssel, mit dem der öffent liche Dienst als größter Arbeitgeber Deutschlands dem demografischen Wan- del begegnen kann.“ seb

Verbesserungen im Steuerrecht angemahnt

Die Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung Helene Wildfeuer ist am 4. September 2015 in Berlin mit der Frauenpolitischen Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Ulle Schauws (links), zusammengetroffen.

„Eltern wollen ihre Kinder partnerschaftlich aufziehen, das derzeitige Steuerrecht spiegelt das jedoch nicht wider“, sagte Helene Wildfeuer. „Ein gender- und familiengerechtes Steuerrecht würde sich stärker daran orientieren, wo Kinder aufwachsen, als daran, in welcher Beziehung die Eltern zueinander stehen. Es würde so mit der gesell-schaftlichen Entwicklung mithalten. Zurzeit werden insbesondere Alleinerziehende steuerlich benachteiligt und die größte Gruppe der Alleinerziehenden sind Frauen – jetzt geht es auch darum, dass deren Leistungen gesellschaftspolitisch anerkannt werden und sie die not-wendige Unterstützung erfahren.“

Helene Wildfeuer und Ulle Schauws waren zusammengekommen, um über die steuerrechtliche Situation von Ehepaaren, Familien und Alleinerziehenden zu sprechen. „Wichtig ist der dbb bundesfrauenver-tretung, dass wir in Deutschland in Zukunft ein geschlechtergerechtes Steuerrecht haben“, machte Helene Wildfeuer deutlich. „Dazu werden wir mit Ulle Schauws und ihrer Partei im Gespräch bleiben.“

Die dbb bundesfrauenvertretung setzt sich dafür ein, eine verfassungs-gemäße Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu schaffen, die die Bedarfe der Kinder angemessen berücksichtigt und deren Existenzmi-nimum steuerfrei lässt. Gleichzeitig müssen aber bestehende Ehen gleichmäßig steuer- und sozialrechtlich gefördert werden. seb

< Info

Mehr zur Studie „Zeitver-wendung in Deutschland 2012/2013“ unter: https://www.destatis.de

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Glosse:

Der blanke WahnsinnMit großem Aufwand werden im Fernsehen, auch von den Sendern, bei denen wir angeb-lich in der ersten Reihe sitzen, Produkte beworben, von deren Benutzung zum Schutz von Leib und Leben nur abgeraten werden kann. Da gibt es zum Beispiel jede Menge Haar-shampoos, die die Haare fül-liger, dicker, bauschiger ma-chen, und das schon nach einer Anwendung. Das fehlte noch, denn schließlich ist besonders morgens jede Minute kostbar. Nicht auszudenken, wie die Lebensplanung bereits zu nachtschlafender Zeit ob der Wirkung eines schnöden Haar-waschmittels aus den Fugen geraten würde. Doch dieses Beispiel gehört noch in die Ka-tegorie ‚harmlos‘. Aber es geht

auch schlimmer. Seit einiger Zeit wer-den offenbar so-gar Drogen beworben: Ein Ex-komiker, Nachfolger eines Ex-talkmas-ters, be-sucht eine Vernissage und steckt, Kunstwerke be-trachtend, bunte Pillen in den Mund. Nahezu zeitgleich stößt er spitze Schreie aus und sieht psychedelisch Buntes in trist schwarzen Kunstobjekten. Wenn so was erlaubt ist, be-sonders bei den öffentlich-

rechtlichen Grundver-sorgern, dann ist

Hopfen und Malz verlo-

ren.

Manche Reklame-botschaft hält aller-dings in

keiner Wei-se, was sie

verspricht: Ein älteres Ehe-

paar sitzt bei-spielsweise übellau-

nig beim Abendessen. Sie setzt aus heiterem Himmel die Blicke-können-töten-Miene auf und blafft, ob er den Mietwa-gen bestellt habe. Daraufhin mutiert der 08/15-Gatte lä-

chelnd zum Superhelden im giftgrünen Satinstrampelan-zug, der triumphierend in ein Laptop tippt und selbstver-ständlich den billigen Miet-wagen bestellt hat. Der Blick der Göttergattin klart auf, und sie fragt: „Nachtisch?“ Was im-mer damit gemeint sein mag, ob Tiramisu oder Pflaumen-kompott, es klappt im richtigen Leben nicht: Abend für Abend, so war aus dem Bekanntenkreis zu erfahren, bestellen Männer beim Abendessen billige Miet-wagen, doch weder die grüne Kluft noch die Frage nach Nachtisch stellt sich ein. Alles in allem also der blanke Wahn-sinn, oder heißt es Irrsinn? Viel-leicht können das die Zuschau-er entscheiden. sm

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Digitale Infrastruktur:

Gezerre ums Breitband

Bis 2018 soll jeder Bundesbürger die Möglichkeit haben, mit mindestens 50 Megabit pro Sekunde online zu gehen. Um dieses mit hohen Investitio-nen verbundene Ziel zu erreichen, hat die Bundes-regierung eigens eine „Netzallianz“ ins Leben gerufen. Der Zusammenschluss von Bundesminis-terium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Bun-desnetzagentur, großen deutschen Telekommu-nikationsunternehmen und Verbänden aus der Telekom-Branche soll die Maßnahmen koordinie-ren und flankieren. Doch die Allianz wird brüchig.

Grund ist ein im Februar 2015 eingereichter Antrag der Deut-schen Telekom, die regulatori-schen Rahmenbedingungen für den Zugang zur Teilneh-mer anschlussleitung, die so-genannte „letzte Meile“, zu ändern: Der Bonner Konzern möchte die Übergabepunkte, die das Internetsignal vom Verteilerkasten auf der Straße in die Haushalte leitet, mit der neuen Technologie „Vectoring“ ausbauen – und zwar exklusiv.

Vectoring ermöglicht höhere Internetgeschwindigkeiten über die vorhandenen Kupfer-leitungen des Telefonkon-zerns, und ihm gehören vor-wiegend in Ballungsräumen immerhin rund 8 000 solcher Übergabepunkte in die Haus-halte. Die Telekom gestattet anderen Anbietern deren Nutzung bisher im Rahmen der Verträge zur Deregulie-rung des Telekommunika-tionsmarktes.

Die Vectoring-Technik redu-ziert die gegenseitige Störung benachbarter Kupferdoppel-adern eines Kabels. Nach dem derzeitigen Stand der Technik ist dafür allerdings nur der Zu-griff eines einzigen Unterneh-mens auf alle Kupferdoppel-adern am Verteiler möglich. Ein entbündelter Zugriff – so-fern es um den Einsatz von VDSL-Technik geht – aber nicht mehr. Konkurrierende Inter-netanbieter würden damit ausgesperrt.

Die Telekom führt rein techni-sche Gründe für ihren Vorstoß ins Feld, rund 5,9 Millionen Haushalte exklusiv mit Vecto-ring bespielen zu dürfen: Im Nahbereich um einen Internet-hauptverteiler, an dem die „letzte Meile“ endet, dürfen aus technischen Gründen VDSL-Signale bisher nur dort einge-speist werden und nicht auch an den in diesem Bereich ste-henden Kabelverzweigern, also den grauen Verteilerkästen am

Straßenrand. Damit sollen ge-genseitige Beeinträchtigungen der VDSL-Signale infolge der Einspeisung an zwei nahe beiei-nander liegenden Punkten ver-hindert werden. Die Einführung von Vectoring auch im Nahbe-reich erfordert nach den Vor-stellungen der Telekom daher eine Beschränkung der aktuell bestehenden Zugangsmöglich-keiten der Wettbewerber zur Teilnehmeranschlussleitung am Hauptverteiler.

< Allianz könnte bersten

Während der Präsident der Bundesnetzagentur (BnetzA), Jochen Homann, diese Idee zu-nächst begrüßt hatte, regte sich bei anderen Mitgliedern der Netzallianz Widerstand, denn sie befürchten Wettbe-werbsnachteile. So haben unter anderem der Bundesverband Glasfaseranschluss (BUGLAS), die Westerwälder 1&1 Internet AG und der Verband der Anbie-ter von Telekommunikations-

< Moderne Wohnzimmer werden mehr und mehr zu Multimediazentralen mit kombinierten Fernseh- und Internetangeboten ...

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und Mehrwertdiensten (VATM) entsprechende Stellungnah-men bei der Bundesnetzagen-tur eingereicht. Die Glasfaser-lobby zum Beispiel sieht bereits verlegte schnelle Glasfaserstre-cken brachliegen, weil sie im Falle von Vectoring über Kup-ferkabel von „schlechterer Technik“ entwertet würden. Der weitere Glasfaser ausbau werde gebremst, Investitionen alternativer Anbieter würden ausgehebelt.

Einer der schäfsten Telekom-Konkurrenten, die 1&1 Inter-net GmbH, wirft der Telekom sogar eine „vielschichtige Ver-drängungsstrategie“ vor und verlangt von der Bundesnetz-agentur dafür zu sorgen, dass konkurrierende Unternehmen einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Internetkunden erhalten, wie ihn auch die EU vorsehe.

VATM zeigt sich unter anderem unzufrieden mit der Schweig-

samkeit der Telekom bezüglich ihrer Technik: Das derzeitig be-stehende Informationsgefälle führe zu Wettbewerbsverzer-rungen zulasten der Telekom-Wettbewerber. Wollten diese die Leitungen der Telekom für eigene Angebote nutzen, müs-se ihnen Zugang zu den Netz- und Leitungsinformationen der Telekom gewährt werden.

Nachdem die BnetzA bereits im August 2013 in einer Grund-satzentscheidung grünes Licht für den Einsatz der Vectoring-Technik an Kabelverzweigern außerhalb der Nahbereiche gegeben hatte, sind jetzt die Nahbereiche dran: „Die Bun-desnetzagentur steht allen technischen Möglichkeiten und neueren Entwicklungen, die zu einer Verbesserung der Breit-bandversorgung beitragen kön-nen, aufgeschlossen gegenüber. Für den Erfolg des Breitband-ausbaus ist es wichtig, dass alle Unternehmen faire und verläss-liche Rahmenbedingungen für ihre Investitionen in moderne Breitbandnetze vorfinden“, so die Regulierer. Bestärkt in ihrer Haltung fühlen sie sich durch ein Rechtsgutachten des Re-gensburger Jura-Professors Jürgen Kühling, das zu dem Schluss kommt, dass ein öffent-lich-rechtlicher Vertrag zwi-schen der Bundesnetzagentur und einem regulierten Unter-nehmen zur verbindlichen Ab-sicherung eines Investitions- und Ausbauversprechens prinzipiell möglich sei.

Die BnetzA beabsichtige, mit der Telekom in nächster Zeit den Abschluss eines öffentlich-

rechtlichen Vertrages zu erör-tern. Sofern sich das Unterneh-men verpflichte, seine bereits im Verfahren angekündigte Ausbau- und Investitionsab-sicht verbindlich zu erklären, sei diese Verpflichtung ein Ab-wägungskriterium, das in der späteren Regulierungsent-scheidung, ob und inwieweit die Vectoring-Technik von der Telekom in allen Nahbereichen eingesetzt werden könne, be-rücksichtigt werde, heißt es aus Bonn. Die Telekom habe eine verbindliche Investitions-zusage gegenüber der Bundes-netzagentur in Aussicht ge-stellt, zur Unterstützung der Breitbandziele bundesweit alle Hauptverteiler-Nahbereiche bis Ende 2018 mit der Vecto-ring-Technik zu erschließen. Sie erwarte allerdings, dass die aus ihrer Sicht erforderlichen regu-latorischen Rahmenbedingun-gen, insbesondere ein für sie exklusives Erschließungsrecht aller Nahbereiche mit Vec to-ring, geschaffen werden. Jochen Homann betonte, dass die letzte Entscheidung noch nicht getroffen sei.

< Neutralität in Gefahr?

Nach dem Gutachten weht der Bundesnetzagentur der Gegen-wind noch schärfer ins Gesicht: Mitglieder der Netzallianz drohten damit, das Bündnis zu verlassen, sollte die Bundesre-gierung die Pläne der Telekom nicht stoppen. In dem Schrei-ben an Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und den auch für digitale Infrastruktur zuständigen Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CDU)

warnten die Verbände Breko, BUGLAS und VATM, dass ein Abkommen zwischen der Tele-kom und der Bundesnetzagen-tur Konsequenzen für den Markt haben werde. Es drohe eine Re-Monopolisierung des Breitbandmarktes. Das exklusi-ve Ausbaurecht für die lukrati-ven Gebiete um die Hauptver-teiler würde den Wettbewerb aushebeln. Außerdem sei die Neutralität der Bundesnetz-agentur gefährdet.

Die Frage, ob eine starke Regu-lierung des inländischen Tele-kommunikationsmarktes heu-te vor dem Hintergrund der Marktmacht insbesondere der amerikanischen Konkurrenz überhaupt noch zeitgemäß ist, steht derzeit noch hinten an. Im Hier und Jetzt geht es um Geld, Kunden und den An-spruch der Bundesregierung, ein Versprechen einzulösen. Immerhin rangiert die Bun-desrepublik mit einer durch-schnittlichen Internetge-schwindigkeit von 8,7 Mbit/s derzeit nur auf Rang 31 der schnellsten Netznationen. Am flottesten sind die Südkoreaner mit im Schnitt 25,3 Mbit/s un-terwegs, gefolgt von Hong-kong mit 16,3 Mbit. In Europa surfen die Schweizer am schnellsten durchs Netz und belegen mit 14,5 Mbit Platz vier im internationalen Ran-king, gefolgt von den Schwe-den mit 14,1.

Flächendeckend schnelles In-ternet ist teuer. Insider schät-zen die Gesamtkosten des Ziels „50 Mbit/s für alle“ auf bis zu 80 Milliarden Euro – ein Betrag,

< ... die dafür benötigten hohen Bandbreiten kommen immer öfter über Glasfaserkabel ins Haus.

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den die Unternehmen nicht al-lein schultern können, zumalsie nach den Prinzipien von An-gebot und Nachfrage arbeiten.Nur, wo sich der Ausbau derInfrastruktur lohnt, nur dort,wo genügend Kunden sind,lohnen sich auch Investitionen.

< Kommunen könnenselbst handeln

Während sich die Anbieter inBallungsräumen um Kundenbalgen, sieht es auf dem plat-ten Land anders aus. Hier lohntder Breitbandausbau aus reinbetriebswirtschaftlicher Sichtkaum. Nach Informationen der„FAZ“ sollen Regionen mit In-ternet-Unterversorgung daherbis zu 50 Prozent an Bundeszu-schüssen für den Ausbau erhal-ten. Mit 2,7 Milliarden Euro willDobrindt weiße Flecken auf derVersorgungskarte tilgen. Dabeisollen sich Kommunen ent-weder mit Zuschüssen undeigenen Mitteln an den Aus-baukosten der Telekommu-nikationsunternehmen be-teiligen, oder in Form von„Betreibermodellen“ agieren,indem sie zum Beispiel Stadt-werke die Leitungen legen las-sen, um diese dann an die In-ternetanbieter zu verpachten.Möglich soll überdies auch dieNutzung von Mobilfunk sein– ein Bereich, in dem ebenfallsder Datenturbo mit möglichenGeschwindigkeiten von bis zu300 Megabit Einzug gehaltenhat.

Doch auch die Bundesländerbeginnen gegen die 50-Mbit-Pläne Dobrindts zu rebellieren:Nach Informationen des Han-delsblattes vom 17. September2015 haben Brandenburg,Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen,Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Sachsen das Vor-haben kritisiert. „Der Entwurfdes Bundes wird den Heraus-forderungen des Breitband-ausbaus in Deutschland nichtgerecht“, heißt es in einer ent-sprechenden Stellungnahme.Die Länder hätten oftmalsbereits Zielgebiete und Markt-

erkundungen auf Basis des EU-Ziels von 30 Mbit/s vorgenom-men. Der 50-Mbit-Plan sorgefür kostenaufwendige Neupla-nungen und erhebliche Verzö-gerungen. Stattdessen wollendie acht Länder Zwischenzielefür die Erschließung der Flächedurchsetzen und die Erschlie-ßung extrem abgelegenerGebäude aus Kostengründenvermeiden.

Für die Telekom dürfte derVectoring-Vorstoß nebenbetriebswirtschaftlichen In-teressen auch die logischeKonsequenz aus politischenEntwicklungen sein: Seit derBonner Konzern sein bestehen-des TV-Kabelnetz Anfang desJahrtausends auf politischenDruck hin verkaufen musste,fehlt ihm ein grundlegenderWettbewerbspfeiler, denn diegroßen Kabelnetzbetreibermüssen aufgrund technischerVoraussetzungen nicht nur

weitaus weniger Geld für dieBeschleunigung ihrer Leitun-gen ausgeben als die Telekom,sie können auch viel schnellersein. Während es für den Laienso wirkt, als beschlüge dieTelekom lediglich alte Pferdemit neuen Eisen, um sie zuGaloppern zu machen, stecktdahinter ein harter Konkur-renzkampf. Denn die Kabelkon-zerne fackeln nicht lange undlegen flugs eigene Leitungenmit bis zu 500 Mbit/s in dieKeller der städtischen Wohn-anlagen und bieten HD-TV,Highspeed-Internet und Tele-fon zum günstigen Preis auseiner Hand, während die Tele-kom in den kommenden Jah-ren rund sechs Milliarden Euroausgeben muss, allein um Kup-ferkabel auf 100 Megabit zubringen. Kunden, die einenschnellen Internetzugang wün-schen, warten aber nicht aufden Magenta-Konzern, sonderngreifen dann zu, wenn endlichein entsprechendes Angebotbestellt werden kann. Und werseine Heimtechnik erst einmalauf einen bestimmten Anbieterumgestellt hat, wechselt soschnell nicht mehr.

< Harte Konkurenz

Die Telekom kontert mit demweiteren Ausbau ihres eigenenGlasfasernetzes, das vor allemin Ballungsräumen zu habenist. Zwar bietet der Konzernhier bislang „nur“ 200 MbitDownloadgeschwindigkeit,punktet aber mit Uploadge-schwindigkeiten von bis zu 50Mbit/s. Da wiederum könnendie Kabelnetzbetreiber nichtmithalten und gestatten denUpload, also das Laden vonDaten ins Internet, technischbedingt mit nur rund sechsMbit. Sie werden nachziehenmüssen, denn in Zeiten voninteraktiven Multimediainhal-ten wird auch die Upload-geschwindigkeit für Nutzerimmer wichtiger.

Trotzdem schielt die TelekomAG eifersüchtig auf die Kabel-netzbetreiber. Ein Zukauf indieser Richtung wird immer

wahrscheinlicher, wie TelekomDeutschland-Vorstand NiekJan van Damme schon im Au-gust 2014 dem Nachrichten-magazin Focus sagte: „Wirschauen uns den TV-Kabel-Markt genau an und haltenuns Kaufoptionen offen. Aberes muss passen.“ Der britischeTelefonkonzern Vodafonehat bereits vorgemacht, wie’sgeht und kaufte 2013 KabelDeutschland. Ein Anbieter, der2014 den ostdeutschen Kon-kurrenten Tele Columbusschlucken wollte, von der Re-gulierungsbehörde aber darangehindert wurde. Tele Colum-bus wiederum kaufte 2015 diekleineren Konkurrenten Prima-com sowie Pepcom und siehtsich selbst im Fokus von Über-nahmefantasien durch dengrößten Kabelanbieter derWelt, Liberty Global aus Groß-britannien, der weltweit agiert.

Gleich, wie das Gezerre um denBreitbandausbau letztlich aus-geht: Wirtschaft und Privat-kunden können nur profitieren,denn für beide werden schnel-le Datenleitungen immer mehrzum Grundpfeiler der Daseins-vorsorge. Keine Firma kann essich heute noch leisten, vomBreitbandnetz abgeschnittenzu bleiben. Und auch privateHaushalte möchten immer sel-tener auf Multimediaangeboteaus dem Netz verzichten. Wernicht bis 2018 warten möchte,kann es dem britischen BauernRichard Guy gleichtun: Dieserhatte sich auf die Zusage derbritischen Regierung verlassen,bis zu den Olympischen Som-merspielen 2012 ans Breit-bandnetz angeschlossen zuwerden – die schnelle Leitungerreichte seinen abgelegenenHof allerdings nie. Also schrittder gelernte IT-Fachmannselbst zur Tat und errichteteeinen mit Solarmodulen sowieFunkelementen ausgestatte-ten eigenen Mobilfunkemp-fangsmast und zog ein Glas-faserkabel von der Weide bisins Haus. Statt mit einem Mbitsurft der findige Bauer jetztmit immerhin knapp zehn Mbitdurchs Netz. br

< Erdkabel allein werden nichtgenügen, um das 50-Mbit-Ver-sprechen der Bundesregierungumzusetzen. Auch Mobilfunkmit schnellen Übertragungs-standards wird eine Rollespielen.

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die andere meinung:

Mit Sicherheit: Nicht sicher!Bittere Ironie des Augenblicks: Während Mitte Juni der Bundestag mit dem IT-Sicherheitsgesetz vor allem die Wirtschaft zu mehr Anstrengun- gen in der IT-Sicherheit verdonnerte, wurde die Parlaments-IT von einem Hacker angriff schwer getroffen. Der Cyberangriff richtete den bislang größ-ten Schaden innerhalb einer Bundesinstitution an. Teile der IT des Bundes-tages mussten neu aufgesetzt werden, und eine große Datenmenge war abgeflossen – Empfänger unbekannt. Der Vorfall beweist, dass IT-Sicherheit in der Verwaltung immer noch nicht ernst genommen wird!

Immer öfter kommt es zu kri-tischen Cyberangriffen auf deutsche Behörden, und es trifft nicht nur den Bund: Erst vor Kurzem wurde das Inter-netportal der Stadt Bonn ge-hackt. Entdeckt wurde der An-griff erst spät – nicht unüblich bei Cyberattacken. Und vor ein paar Monaten wurde die ge-meinsam genutzte Software von rund 60 Kfz-Zulassungs-stellen in Rheinland-Pfalz und Hessen angegriffen. Im Visier der Hacker stand offenbar ein Tool, mit dem Bürger Online-Wunschkennzeichen reser-vieren können. Die Kfz-Zulas-sungsstellen mussten einen Tag lang schließen, Hunderte Bürger nach Hause gehen.

Das genaue Ziel solcher Angrif-fe ist oft unklar. Von jugendli-chen „Skript-Kiddies“, die ihre Fähigkeiten ausprobieren wol-len, über Cyberkriminelle, die

an Profit interessiert sind und Hacktivisten, die ein politi-sches Ziel erreichen wollen, bis hin zu staatlicher Cyberspi-onage ausländischer Geheim-dienste reicht das Spektrum. Auch „Nebelbomben“ sind im Einsatz, also offensichtliche Angriffe an einer bestimmten Stelle, die den eigentlichen Angriff an anderer Stelle ver-decken sollen. Darüber hinaus ändern sich die Angriffsmuster permanent und die eingesetz-te Technologie entwickelt sich atemberaubend schnell weiter.

Bund, Länder und Kommunen laufen dieser Entwicklung hin-terher. Zwar sind die Bundes-länder mittlerweile verpflich-tet, Computer Emergency Response Teams (CERT) aufzu-bauen. Diese IT-Notfallteams fungieren als einheitlicher An-sprechpartner bei IT-Vorfällen, sie sollen über IT-Bedrohungen

informieren, im Schadensfall helfen und im Idealfall auch präventive Maßnahmen zum Schutz der IT übernehmen, wie zum Beispiel Überwachung des Datenflusses im Netzwerk. Je-doch bleiben viele Bundeslän-dern sogar noch unter der von der Europäischen Agentur für Netz- und Informationssicher-heit (ENISA) als Mindestaus-stattung genannten Stellenzahl von drei Vollzeitäquivalenten. Ein-Mann-CERTs oder reine „Türschildlösungen“, wobei ei-ner vorhandenen Personalstelle das CERT mit aufgedrückt wird, sind keine Seltenheit. Die unter-geordnete Rolle der IT-Sicher-heit im öffentlichen Dienst zeigt sich auch in der Hierar-chiestufe der IT-Sicherheitsbe-auftragten: Einzig im Bund und in Sachsen sind es Referatslei-ter. In den anderen Bundeslän-dern ist die IT-Sicherheit einem IT-Referat untergeordnet.

Angesichts der potenziellen und schon gezeitigten Gefah-ren von Cyberangriffen auf die Verwaltung ist diese unterge-ordnete Bedeutung ein gefähr-liches Spiel! IT-Sicherheit und IT gehören in Bund, Ländern und Kommunen (oder kommu-nalen Dienstleistern) gleichbe-rechtigt nebeneinander. Eine Notwendigkeit, die von der Wirtschaft bereits erkannt wurde: Neben dem Chief In-formation Officer (CIO) steht dort oftmals der Chief Infor-mation Security Officer (CISO) auf derselben Hierarchiestufe und berichtet direkt an den Chief Executive Officer (CEO). Diese Struktur kann zwar nicht eins-zu-eins in die Verwaltung übernommen werden. Den-noch: Der IT-Leiter, der für den operativen Betrieb der IT zuständig ist, sollte nicht gleichzeitig über das Maß an IT- Sicherheit entscheiden, da sich die Ziele widersprechen können.

Es gehört zu den wichtigsten Botschaften in der IT-Sicher-heit, dass es 100-prozentige Sicherheit nicht gibt. Dies darf aber nicht als Entschuldigung dafür genutzt werden, es nicht wenigstens zu versuchen!

Carsten Köppl

< Info

Der Autor (37) ist Leiter der Berliner Redaktion des Be-hörden Spiegel und schreibt seit zehn Jahren über Ver-waltungsmodernisierung. Er ist Programmleiter der jähr-lichen Kongresse „Effizienter Staat“ zu IT und E-Govern-ment und „Public-IT-Secu-rity (PITS)“ zu IT-Sicherheit in der öffentlichen Verwal-tung. Zu diesen Themen twittert er auch unter @government2020.

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Interview mit Martin Seiler, Geschäftsführer Personal der Telekom Deutschland:

Digitalisierung wird Arbeitsplätze verändern< dbb magazin

Als Geschäftsführer Personalsind Sie seit Juni 2015 für diemehr als 68 000 Beschäftigtender Telekom DeutschlandGmbH zuständig. Worin sehenSie die größten Herausforde-rungen für eine erfolgreichePersonalpolitik im deutschenTelekom-Sektor?

< Martin Seiler

Nun, wenn wir uns anschauen,was sich heute an Verände-rung in der Gesellschaft ab-zeichnet, dann stellt sich dieFrage, wie wir mit einer sichimmer weiter digitalisierendenund komplexeren Gesellschaftumgehen werden. Das betrifftnicht nur unser privates Um-feld, sondern natürlich auchunsere Arbeitsweise und-umgebung.

Als Unternehmen überlegenwir, wie wir unsere Belegschaftmit auf die Reise nehmen, fürdie neuen Anforderungen fitmachen und bei der digitalenTransformation begleiten kön-nen. Wir brauchen digitaleKompetenz, die Fähigkeit, im-mer wieder neu zu lernen, unddie Bereitschaft, Verantwor-tung zu übernehmen. Nebeneiner Qualifizierung der Mitar-beiter hinsichtlich zukünftigerBedarfe müssen wir auch unse-re internen Strukturen über-prüfen und uns effizient auf-stellen. Wir reagieren aufBusiness-Erfordernisse, dabeimüssen wir flexibler undschneller werden. Wir denkenverstärkt über die Etablierungvon Projektarbeit und Poolor-ganisationen nach. Das hatdann viel mit einer Verände-rung der Führungskultur zutun. Zuhören und Empathie-fähigkeit werden wichtiger,die Bedeutung virtueller Füh-rung nimmt zu.

Gleichzeitig müssen wir aberauch vorhandene Herausforde-rungen in der Personalarbeitstemmen, wie den unter Hoch-druck laufenden Breitbandaus-bau und die Umstellung aufein All-IP-Netz, die unsereTechniker zu bewältigen ha-ben. Sehr wichtig ist mir dabeidie richtige Balance: Wir müs-

sen Kundenanforderungen,Unternehmenserfordernisseund Mitarbeiterbedürfnisseim Blick behalten.

< dbb magazin

Als Sprecher der Geschäftsfüh-rung Telekom Ausbildung ist eszudem Ihre Aufgabe, geeignete

Nachwuchswuchskräfte zurekrutieren und auszubilden.Jetzt hat die Telekom erklärt,die Ausbildungsquote imnächsten Jahr von derzeit2,9 Prozent der Beschäftigtenauf dann 1,8 Prozent abzusen-ken. Konterkariert die Reduzie-rung der Ausbildungsquotenicht den Anspruch der Tele-kom, „Leading European Telco“zu werden?

< Martin Seiler

Selbstverständlich messen wirunserer Ausbildung auch wei-terhin eine hohe Bedeutungund Innovationskraft bei. Mitgut 8 600 Auszubildenden unddual Studierenden gehört dieTelekom heute zu den größtenAusbildungsbetrieben inDeutschland und nimmt miteiner Ausbildungsquote voninsgesamt 8,7 Prozent (gemes-sen an der Zahl der in Deutsch-land beschäftigten Mitarbei-ter) einen Spitzenplatz unterden DAX-Unternehmen ein.Der Durchschnitt liegt dort beirund 5 Prozent. Zum 1. Sep-tember haben wir gerade wie-der 3 100 neue Kolleginnenund Kollegen bei uns begrüßenkönnen. Das lässt sich dochsehen.

Natürlich machen wir unsgleichzeitig auch Gedankenin welchen Berufen wir in Zu-kunft ausbilden wollen. Wobrauchen wir mehr junge Men-schen als bisher – so zum Bei-spiel bei der IT-Sicherheit oderin der Netztechnik für soft-waredefinierte Netze – und wohaben moderne Großunter-nehmen womöglich wenigerBedarf als heute? Daher arbei-ten wir derzeit an einem neuenzukunftsgerichteten Konzeptfür unsere Ausbildung und dis-kutieren mit unserem Sozial-partner darüber. Die künftigeAusbildungsquote wird dann

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< Martin Seiler

_0S630_dbb magazin_Oktober 2015_4.pdf; s1; (210.00 x 297.00 mm); 05.Oct 2015 10:59:05; PDF-CMYK ab 150dpi für Prinergy; L. N. Schaffrath DruckMedien

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am Ende eines Gesamtprozes­ses stehen. Das ist ein ganznormales Vorgehen.

< dbb magazin

Die Ankündigung, Beamte ausdem Personalpool der Telekoman das Bundesamt für Migrati­on und Flüchtlinge (BAMF) zuentsenden, um die Prüfung derAsylanträge bei der hohen Zahlankommender Flüchtlinge zubeschleunigen, hat im Septem­ber überwiegend positive Re­aktionen hervorgerufen. Wieviele Beamtinnen und Beamtesind zwischenzeitlich für dasBAMF im Einsatz, und sehenSie hier Möglichkeiten, dieBeamten, die in der privat­wirtschaftlich aufgestelltenTelekom lange schon zu denExoten gehören, zurück inden klassischen öffentlichenDienst zu bringen?

< Martin Seiler

Die positiven Reaktionen inder Öffentlichkeit freuen unsnatürlich. Unser Engagementfür die Flüchtlinge nimmt gera­de rapide an Fahrt auf; die ers­ten Beamtinnen und Beamtender Telekom sind schon im Ein­satz. Aktuell läuft darüber hin­aus eine große Bewerbungs­offensive. Hier haben bereitsmehrere Hundert unserer Be­schäftigten und Beamten Inte­resse bekundet, die sich gernedieser Herausforderung mithoher gesellschaftlicher Rele­vanz und Verantwortung an­nehmen wollen.

Unsere Mitarbeiterinnen undMitarbeiter sind es seit derPrivatisierung der Telekomgewohnt, neue umfassendeTätigkeiten aufzunehmen undsich schnell einzuarbeiten, seies innerhalb unseres Konzernsoder auch bei einem Wechselin den öffentlichen Dienst. Dieöffentlichen Verwaltungenspiegeln uns zurück, dass siedie Arbeit, das Engagementund die Kundenorientierungder Telekom­Beamten sehrschätzen. Ein weiterer Plus­punkt ist ihre fundierte Ver­

waltungsausbildung und ­er­fahrung. Unsere Beamten sinddaher, wie ich finde, geradezuprädestiniert für neue Aufga­ben im öffentlichen Dienst,wenn sie das selbst wünschen.

< dbb magazin

Die Telekom hat Anfang Au­gust 2015 eine Zwischenbilanzmit Glanz vorgelegt und hin­sichtlich Umsatz und Gewinnzweistellige Zuwächse ausge­wiesen. In welchen Bereichensehen Sie aus der Perspektivedes Personalmanagers denwichtigsten Investitionsbedarffür die deutsche Konzerntoch­ter?

< Martin Seiler

Nun, da gilt der bekannteLieblingssatz aller Personal­verantwortlichen: Was Zu­kunftssicherung schafft, istsehr willkommen! Ich bin sehrfroh, dass wir durch die hohenInvestitionen in unsere Netzeund das große Interesse un­serer Kunden an unseren Pro­dukten und Services in derTelekom Deutschland heutegute Zukunftsperspektivenhaben. Aber wir müssen unsnatürlich auch überlegen, waswir machen, wenn zum Bei­spiel die Umstellung auf unserAll­IP­Netz erfolgreich abge­schlossen ist.

Ich sprach es zu Beginn an, dieDigitalisierung wird die Ar­beitsplätze weiter verändern.Zunächst können einfache,dann immer komplexere Pro­zesse automatisiert werden.Das bedeutet, dass Arbeit imRahmen der Digitalisierungneu organisiert werden muss.Die gute Nachricht ist, dass dieAutomatisierung von Arbeitendlich ist, da Kreativität bis­lang nicht substituierbar ist.Das bedeutet für uns, dass die„Extra­Meile“, die wir demKunden gegenüber gehen, in­dem wir beispielsweise unsereProdukte genau kennen undihn ganzheitlich beraten, exzel­lenten Service bieten und als„Eine Telekom“ agieren, auch

zukünftig unser Differenzie­rungsmerkmal bleibt. So posi­tionieren wir uns als PremiumAnbieter im Markt. Dabei müs­sen wir uns verstärkt auf eingemeinsames Kultur­ undMindset sowie eine noch stär­kere Vernetzung und Zusam­menarbeit in der TelekomDeutschland konzentrieren.

Gleichzeitig rücken Jobper­spektiven aus dem Aufbauneuer Geschäftsfelder, wie derVernetzung von Fahrzeugen,Haushalten und vieler Elektro­geräte, noch stärker als heutein den Fokus. Auf der Funkaus­stellung in Berlin und der IAAin Frankfurt wurden dazujüngst zahlreiche Innovationenvorgestellt, die durchaus viel­versprechend sind.

< dbb magazin

Die Bundesregierung willDeutschland bis 2018 flächen­deckend mit schnellem Inter­net von mindestens 50 Mega­bit pro Sekunde versorgen.Bis heute gibt es selbst inBallungsräumen Gebiete, dienicht über sechs Megabit hin­auskommen, vom ländlichenBereich ganz zu schweigen.Wie kann das Ziel in nur dreiJahren realisiert werden?

< Martin Seiler

Der Ausbau der Breitband­infrastruktur ist die Basis für

die Digitalisierung und Ver­netzung unserer Gesellschaft.Wir investieren kontinuierlicherheblich in den Breitband­ausbau für Deutschland undhaben das auch für die kom­menden Jahre angekündigt.Allein bis 2018 wollen wir80 Prozent aller Haushalte mitGeschwindigkeiten von über50 Mbit/s versorgen, vorbe­haltlich der entsprechendenregulatorischen Rahmenbe­dingungen. Mit Vectoring er­reichen wir Geschwindigkei­ten von bis zu 100 Mbit/s imDownload und sogar 40 Mbit/sim Upload. Dafür brauchen wiraber schnell grünes Licht fürden Vectoring­Ausbau in densogenannten Nahbereichenum die Hauptverteiler, den wirim Februar beantragt haben.

Die weiteren Gebiete könnenüber Mobilfunklösungen mitLTE, Hybrid­Anschlüssen ausFestnetz und Mobilfunk sowieüber Förderprogramme deröffentlichen Hand versorgtwerden. Die Fördermittelbraucht es, wenn der Ausbauin bestimmten Kommunen fürdie Unternehmen nicht wirt­schaftlich ist. Die Kommuneschreibt dann Projekte aus unddie Unternehmen können sichdafür bewerben. Unser Unter­nehmen hat bisher mehr als6 000 dieser Kooperationen imRahmen von „Mehr Breitbandfür Deutschland“ vereinbarenkönnen.

< Martin Seiler ...

... Jahrgang 1964, ist seit dem 1. Juni 2015 Geschäftsführer Perso­nal der Telekom Deutschland GmbH und Sprecher der Geschäfts­führung Telekom. Er startete seine Karriere im Konzern 2010 alsGeschäftsführer Personal und Arbeitsdirektor der DeutschenTelekom Kundenservice GmbH (DTKS) sowie stellvertretenderSprecher der Geschäftsführung der DTKS. Anfang 2013 übernahmMartin Seiler zusätzlich die gesellschaftsübergreifende HR­Verant­wortung für den Kundenservice als HR Executive Business Partnerin der Telekom Deutschland und im Oktober 2014 die Funktion desGeschäftsführers Personal und Arbeitsdirektor Vivento CustomerService GmbH (VCS). Vor seiner Zeit in der Telekom war MartinSeiler in verschiedenen Managementfunktionen mit dem Schwer­punkt Personal im Konzern Deutsche Post DHL tätig. Darüber hin­aus war Martin Seiler mehrere Jahre Mitglied des „Social Dialogue“der Europäischen Kommission sowie diverser internationaler Ko­mitees für Postdienste.

_0S6D1_dbb magazin_Oktober 2015_5.pdf; s1; (210.00 x 297.00 mm); 05.Oct 2015 11:06:22; PDF-CMYK ab 150dpi für Prinergy; L. N. Schaffrath DruckMedien

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