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aktuell Juni 2017 12. Jahrgang Inhalt Editorial: Anzeichen einer Wende 1 ____________________________________________ Im Brennpunkt: Reflexionspapiere zu Europas Zukunft: Was geschieht mit dem sozialen Europa?/ Wie geht es mit der Globalisierung weiter?/ Was wird aus der Währungsunion? 2-4 ____________________________________________ Europa im Ticker: Brexit-Verhandlungen können beginnen/ Wachstums- gewinne gerechter verteilen/ Kritik an zu geringen In- vestitionen in Deutschland/ EU richtet Verteidigungs- fonds ein/ Mehr Zusammenarbeit in der Verteidigung/ Europas Nachbarschaft: Eine Frage der Sicherheit/ Neu- er Konsens über die Entwicklungspolitik/Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus/ Dialog über Kompetenzen und Migration/ Besserer Datenaustausch für mehr Si- cherheit/ Strafrechtliche Bekämpfung von Geldwäsche/ Europäische Migrationsagenda/ Zypries spricht über Digitalunion/ Tajani im Dialog mit dem EWSA 5-9 ____________________________________________ dbb in Europa: Weniger Bürokratie bei EU-Fördermitteln und mehr Geld für europäische Städtepartnerschaften/ Für eine gemeinsame europäische Asyl- und Migrationspolitik/ Für mehr Rechtsklarheit und Rechtssicherheit in Europa/ 26. Europäischer Abend „Demokratie in Gefahr?“ 10-12 ____________________________________________ Neues von der CESI: Belgische Mitgliedsgewerkschaft gewinnt Rechtsstreit zum Gewerkschaftspluralismus/ Tagung des Berufsrats Bildung (EDUC): Lehrerberuf aufwerten!/ CESI Youth Mitglied im Europäischen Ausbildungsnetzwerk 13/14 ____________________________________________ Ausblick: Von der Sonntagsrede zum Montagshandeln 15-17 ____________________________________________ Im Gespräch: Laura Garavini, Abgeordnete im Italienischen Parlament 18-20 ____________________________________________ Impressum: dbb beamtenbund und tarifunion Friedrichstraße 169 10117 Berlin Tel.: +49 (0)30/4081-40 Fax: +49 (0)30/4081-4999 ViSdP Christian Moos, Isabella Schupp Für die Inhalte der in den dbb europathemen gelinkten Internetseiten übernimmt die Redaktion keine Verantwortung. Kontakt/ Abonnement: [email protected] Editorial Anzeichen einer Wende Beruhigende Wahlausgänge, anziehendes Wirtschafts- wachstum, steigende Beschäftigung. Aus Europa kommen dieser Tage erfreuliche Nachrichten. Das ist ungewohnt, aber willkommen nach so vielen düsteren Prognosen und Katastrophenmeldungen, über die jedoch zumeist überse- hen wurde, dass die Institutionen auch in schwierigen Zei- ten ihren Job machten und nicht selten einen guten. Dass die Roaminggebühren nun in der EU der Vergangenheit ange- hören, mag selbstverständlich erscheinen, eine Petitesse zu- dem angesichts vielfältiger sonstiger Herausforderungen. Die ist es aber ebensowenig wie die Reisefreiheit, der stabile Euro oder die hohen Standards für die Sauberkeit von Bade- gewässern. Die EU leistet vieles, was verlorenginge, wenn es sie nicht gäbe. Aber das schützt auch Brüssel vor Irrtümern nicht. Immerhin hat die Union, sieht man sehr großzügig vom Brexit ab, die durch Banken und Spekulation, Über- schuldung und mangelhafte Außen- und Sicherheitspolitik ausgelösten Krisenschocks bis heute überlebt. Und die An- zeichen einer Wende zum Besseren sind da. Stand Frühsommer 2017 zeichnet sich ein robustes, Be- schäftigung schaffendes Wirtschaftswachstum nicht mehr nur in Deutschland, sondern in weiten Teilen Europas ab. Einzelne Ökonomen sagen bereits ein „goldenes Jahrzehnt“ für die Eurozone voraus. Aber davon auszugehen, wäre si- cher noch verfrüht, wenn nicht leichtfertig. Denn es bleibt viel zu tun, um die Währungsunion weiter abzusichern und dauerhaft zu stabilisieren. Die Kommission hat mit ihrem Weißbuch über die Zukunft Europas und den dieses beglei- tenden Reflexionspapieren wichtige Fragen aufgeworfen, die es nun zu beantworten gilt. Dabei sind nicht nur die Mit- gliedstaaten gefragt, die ja zusammen mit ihren Bürgern die Union bilden. Auch die Sozialpartner und die organisierte Zi- vilgesellschaft müssen Farbe bekennen, welches Europa sie in Zukunft wünschen und welches nicht. In dieser Ausgabe betrachten wir drei dieser Reflexionspa- piere. Das soziale Europa, die Globalisierung und die Wäh- rungsunion sind ihr Gegenstand. In unserem „Ausblick“ be- schreibt ein Mitglied der „Arbeitsebene“ des politischen Be- triebs weitere Dilemmata im Umgang mit Europa. Dabei geht es auch um die Frage, wie wir mit diesem Europa um- gehen, wie wir seine Erfolge feiern und seine Fehler beheben oder auch mal aushalten wollen. Dass das alles auch mit De- mokratie zu tun, liegt auf der Hand. Am 26. Juni beschäftigt sich deshalb der „Europäische Abend“ im dbb forum mit ebendieser Frage. Eine interessante Facette der Demokratie verkörpert unsere Interviewpartnerin Laura Garavini, denn sie vertritt alle europäischen Auslandsitalienerinnen und – italiener in der Abgeordnetenkammer in Rom. Zudem kämpft die fließend Deutsch sprechende Politikerin des Par- tito Democratico seit vielen Jahren gegen die Mafia. Auch in dieser Auseinandersetzung kann europäische Zusammenar- beit, auf Ebene der Politik wie der Sicherheitsbehörden und der Verwaltung, vieles leisten. Wenden zum Guten sind und bleiben möglich, wenn nur alle genug dafür tun. Die Redaktion wünscht eine spannende Lektüre und freut sich über Kritik und Anregungen.

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Inhalt

Editorial:

Anzeichen einer Wende 1

____________________________________________

Im Brennpunkt:

Reflexionspapiere zu Europas Zukunft: Was geschieht mit dem sozialen Europa?/ Wie geht es mit der Globalisierung weiter?/ Was wird aus der Währungsunion? 2-4

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Europa im Ticker:

Brexit-Verhandlungen können beginnen/ Wachstums- gewinne gerechter verteilen/ Kritik an zu geringen In- vestitionen in Deutschland/ EU richtet Verteidigungs- fonds ein/ Mehr Zusammenarbeit in der Verteidigung/ Europas Nachbarschaft: Eine Frage der Sicherheit/ Neu- er Konsens über die Entwicklungspolitik/Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus/ Dialog über Kompetenzen und Migration/ Besserer Datenaustausch für mehr Si- cherheit/ Strafrechtliche Bekämpfung von Geldwäsche/ Europäische Migrationsagenda/ Zypries spricht über Digitalunion/ Tajani im Dialog mit dem EWSA 5-9

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dbb in Europa:

Weniger Bürokratie bei EU-Fördermitteln und mehr Geld für europäische Städtepartnerschaften/ Für eine gemeinsame europäische Asyl- und Migrationspolitik/ Für mehr Rechtsklarheit und Rechtssicherheit in Europa/ 26. Europäischer Abend „Demokratie in Gefahr?“ 10-12

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Neues von der CESI:

Belgische Mitgliedsgewerkschaft gewinnt Rechtsstreit zum Gewerkschaftspluralismus/ Tagung des Berufsrats Bildung (EDUC): Lehrerberuf aufwerten!/ CESI Youth Mitglied im Europäischen Ausbildungsnetzwerk 13/14

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Ausblick:

Von der Sonntagsrede zum Montagshandeln 15-17

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Im Gespräch:

Laura Garavini, Abgeordnete im Italienischen Parlament 18-20

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Impressum:

dbb beamtenbund und tarifunion

Friedrichstraße 169 10117 Berlin Tel.: +49 (0)30/4081-40 Fax: +49 (0)30/4081-4999

ViSdP Christian Moos, Isabella Schupp

Für die Inhalte der in den dbb europathemen gelinkten Internetseiten übernimmt die Redaktion keine Verantwortung.

Kontakt/ Abonnement: [email protected]

Editorial

Anzeichen einer Wende

Beruhigende Wahlausgänge, anziehendes Wirtschafts-wachstum, steigende Beschäftigung. Aus Europa kommen dieser Tage erfreuliche Nachrichten. Das ist ungewohnt, aber willkommen nach so vielen düsteren Prognosen und Katastrophenmeldungen, über die jedoch zumeist überse-hen wurde, dass die Institutionen auch in schwierigen Zei-ten ihren Job machten und nicht selten einen guten. Dass die Roaminggebühren nun in der EU der Vergangenheit ange-hören, mag selbstverständlich erscheinen, eine Petitesse zu-dem angesichts vielfältiger sonstiger Herausforderungen. Die ist es aber ebensowenig wie die Reisefreiheit, der stabile Euro oder die hohen Standards für die Sauberkeit von Bade-gewässern. Die EU leistet vieles, was verlorenginge, wenn es sie nicht gäbe. Aber das schützt auch Brüssel vor Irrtümern nicht. Immerhin hat die Union, sieht man sehr großzügig vom Brexit ab, die durch Banken und Spekulation, Über-schuldung und mangelhafte Außen- und Sicherheitspolitik ausgelösten Krisenschocks bis heute überlebt. Und die An-zeichen einer Wende zum Besseren sind da.

Stand Frühsommer 2017 zeichnet sich ein robustes, Be-schäftigung schaffendes Wirtschaftswachstum nicht mehr nur in Deutschland, sondern in weiten Teilen Europas ab. Einzelne Ökonomen sagen bereits ein „goldenes Jahrzehnt“ für die Eurozone voraus. Aber davon auszugehen, wäre si-cher noch verfrüht, wenn nicht leichtfertig. Denn es bleibt viel zu tun, um die Währungsunion weiter abzusichern und dauerhaft zu stabilisieren. Die Kommission hat mit ihrem Weißbuch über die Zukunft Europas und den dieses beglei-tenden Reflexionspapieren wichtige Fragen aufgeworfen, die es nun zu beantworten gilt. Dabei sind nicht nur die Mit-gliedstaaten gefragt, die ja zusammen mit ihren Bürgern die Union bilden. Auch die Sozialpartner und die organisierte Zi-vilgesellschaft müssen Farbe bekennen, welches Europa sie in Zukunft wünschen und welches nicht.

In dieser Ausgabe betrachten wir drei dieser Reflexionspa-piere. Das soziale Europa, die Globalisierung und die Wäh-rungsunion sind ihr Gegenstand. In unserem „Ausblick“ be-schreibt ein Mitglied der „Arbeitsebene“ des politischen Be-triebs weitere Dilemmata im Umgang mit Europa. Dabei geht es auch um die Frage, wie wir mit diesem Europa um-gehen, wie wir seine Erfolge feiern und seine Fehler beheben oder auch mal aushalten wollen. Dass das alles auch mit De-mokratie zu tun, liegt auf der Hand. Am 26. Juni beschäftigt sich deshalb der „Europäische Abend“ im dbb forum mit ebendieser Frage. Eine interessante Facette der Demokratie verkörpert unsere Interviewpartnerin Laura Garavini, denn sie vertritt alle europäischen Auslandsitalienerinnen und –italiener in der Abgeordnetenkammer in Rom. Zudem kämpft die fließend Deutsch sprechende Politikerin des Par-tito Democratico seit vielen Jahren gegen die Mafia. Auch in dieser Auseinandersetzung kann europäische Zusammenar-beit, auf Ebene der Politik wie der Sicherheitsbehörden und der Verwaltung, vieles leisten. Wenden zum Guten sind und bleiben möglich, wenn nur alle genug dafür tun.

Die Redaktion wünscht eine spannende Lektüre und freut sich über Kritik und Anregungen.

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Reflexionspapiere zu Europas Zukunft Was geschieht mit dem sozialen Europa?

„Es gibt gute wirtschaftliche, gesellschaftliche und poli-tische Argumente für ein soziales Europa“, sagt Valdis Dombrovskis, Vizepräsident der Europäischen Kommis-sion, im Vorwort des am 26. April veröffentlichten Refle-xionspapiers zur sozialen Dimension Europas. Die Wirt-schaftskrise habe tiefe Spuren hinterlassen. Die Men-schen fragten sich, ob die Vorteile und Herausforderun-gen, die mit der Öffnung der Märkte und Gesellschaften sowie mit Innovation und technologischem Wandel ein-hergehen, gleichmäßig verteilt sind. „Ihr Vertrauen in die Fähigkeit Europas, die Zukunft zu gestalten und ge-rechte und prosperierende Gesellschaften hervorzubrin-gen, ist erschüttert.“ Das Reflexionspapier ist im Kontext der Debatte zu sehen, die Anfang März mit dem Weiß-buch über die Zukunft Europas eröffnet wurde. Tatsäch-lich ist die europäische Sozialpolitik gefährdet; sie könnte schon bald auf einer Streichliste für eine EU-Re-form stehen.

Dabei hatten die Staats- und Regierungschefs der EU erst am 25. März in ihrer „Erklärung von Rom“ aus Anlass der Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Römischen Ver-träge erklärt, sie wollten sich für ein soziales Europa ein-setzen. Eben dieses soziale Europa zählt aber zu den Poli-tikbereichen, in denen die EU nur überschaubare Kompe-tenzen hat. Zuständig für Beschäftigungs- und Sozialpo-litik sind ihre Mitgliedstaaten. Bisher unterstützt und er-gänzt die EU deren Sozialpolitik. Sie tut dies zum Beispiel über den Europäischen Sozialfonds, mit dem seit 60 Jah-ren Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen gefördert werden, um Benachteiligungen am Arbeitsmarkt abzu-bauen. Ziel all dessen ist, den regionalen und sozialen Zu-sammenhalt in Europa zu stärken. Trotz großer Anstren-gungen - die Mittel für die Regional- und Kohäsionspoli-tik („Kohäsion“ bedeutet Zusammenhalt) belaufen sich für 2014 bis 2020 auf knapp 352 Milliarden Euro - wer-den die sozialen Unterschiede in den EU-Mitgliedstaaten wie auch zwischen ihnen seit Jahren größer.

Die EU ist vor allem für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit zuständig, damit Beschäftigte, die von einem EU-Land in ein anderes wechseln, ihre erwor-benen Sozialansprüche nicht verlieren. Sie unterstützt und ergänzt die Sozialpolitik der Mitgliedstaaten, indem sie deren Zusammenarbeit untereinander fördert und in ausgewählten Bereichen Mindeststandards setzt. Stets sind dabei die Mitgliedstaaten oder die Sozialpartner über den europäischen sozialen Dialog beteiligt. So grün-det der Arbeitsschutz inzwischen weitgehend auf euro-päischem Recht, das in geteilter Zuständigkeit von der EU und ihren Mitgliedstaaten erarbeitet wurde. Die EU selbst kann aber nur in begrenztem Umfang Sozialpolitik

betreiben. In vielen wichtigen Bereichen wie etwa der so-zialen Sicherheit (Gesetzliche Sozialversicherung) und der Arbeitsmarktpolitik hat sie lediglich eine koordinie-rende Funktion. Für die Höhe von Renten oder die Orga-nisation und Finanzierung der Gesundheitssysteme oder die Regelung der Arbeitslosenversicherung ist die EU nicht zuständig.

Während die EU also seit jeher nur begrenzte Hand-lungsmöglichkeiten in der Beschäftigungs- und Sozialpo-litik hat, erleben die Menschen spätestens seit den 1990er Jahren tiefgreifende und häufig als negativ er-lebte Veränderungen ihrer sozialen Wirklichkeit. Für diese machen sie die Globalisierung verantwortlich, teil-weise zu Recht – die negativen Folgen dieses Wandels sind jedoch vor allem auf die technologische Entwick-lung und speziell die Digitalisierung zurückzuführen und nur teilweise auf die Öffnung der Märkte. Die Menschen verbinden den beschleunigten Wandel aber mit Europa. Dabei bietet die EU die Chance, die Kräfte ihrer Mitglie-der so zu bündeln, dass diese widerstandsfähiger gegen die Negativfolgen der Globalisierung werden.

Im Berlaymont, Brüsseler Hauptsitz der Kommission, wird über Europas Zukunft nachgedacht

© Grecaud Paul – Fotolia.com

Viele Menschen, die sich am unteren Ende der sozialen Skala wiederfinden oder befürchten, dorthin abzurut-schen, zweifeln aber an der EU. Sie sehen diese eher als Ausdruck einer die sozialen Unterschiede verstärkenden Globalisierung und weniger als ein Mittel zu deren Mäßi-gung und positiven Gestaltung. Diese Wahrnehmung macht die EU angreifbar.

Das Versteckspiel, zu dem alle EU-Regierungen mehr oder weniger stark neigen, wenn sie sich in Brüssel an-ders verhalten als sie es in ihren Hauptstädten darstellen, trägt nicht dazu bei, die EU in einem besseren Licht er-scheinen zu lassen. Vielmehr wird diese auch noch von vielen Politikern als ein Bürokratiemonster bezeichnet, das sich aus sozialpolitischen Fragen herauszuhalten habe. Dabei ist das einigermaßen paradox. Denn das

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Grundprinzip der EU, eine Vielzahl nationaler büro-kratischer Regeln durch eine einzige gemeinsame zu er-setzen, ist doch eigentlich ein großes Entbürokratisie-rungsprogramm, von dem sowohl die Bürger als auch die Unternehmen profitieren, aber auch die staatliche Ver-waltung und die gesetzliche Sozialversicherung.

Das Strategiepapier zur sozialen Dimension Europas folgt dem Aufbau des Weißbuchs zur Zukunft Europas. Mit anderen Worten werden Szenarien vorgestellt, die bei realistischer Betrachtung darauf hinauslaufen, dass die EU in Zukunft noch weniger als bisher in der Sozial-politik unternehmen wird. Denn die EU-Staaten sind sich überhaupt nicht einig, was die weitere Entwicklung in diesem Politikbereich angeht und selbst ausgesprochen proeuropäische Regierungen neigen eher zur Zurückhal-tung, wenn es um Integration in sozialen Fragen geht.

Kann die EU nach dem Austritt der euroskeptischen Briten sozialer werden?

© pixs:sell – Fotolia.com

Dabei müsste Europa eigentlich sozialer und damit auch in der Beschäftigungs- und Sozialpolitik handlungsfähi-ger werden, wenn sich die tatsächlich auseinanderge-hende Schere zwischen Arm und Reich wieder etwas schließen soll. Zwar gibt es im Reflexionspapier auch das Szenario, weit mehr als in der Vergangenheit gemein-sam zu machen. Angesichts der großen Differenzen zwi-schen den 27 EU-Mitgliedern (ohne Großbritannien) muss dieses aber als sehr unwahrscheinlich gelten. Die wahrscheinlichste Variante ist eben die einer Konzentra-tion auf „wichtige“ gemeinsame Aufgaben – wie die Au-ßen- und Sicherheitspolitik, der Schutz der Außengren-zen, das Funktionieren des Binnenmarkts. Das soziale Eu-ropa droht durch den Rost zu fallen.

Tatsächlich hat die Europäische Kommission sich in den letzten Jahren schon genau so verhalten. Die Mutter-schutzrichtlinie wurde zurückgezogen, die eigentlich an-stehende Überarbeitung der Arbeitsschutzrichtlinie auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben. Es wurden weit weniger Rechtsakte initiiert als in früheren Jahren. Der

Beispiele wären mehr. Allerdings hat Kommissionspräsi-dent Jean-Claude Juncker gleichzeitig immer wieder er-klärt, wie wichtig ihm das soziale Europa sei. Dement-sprechend hat die Kommission Ende April auch ihre „eu-ropäische Säule der sozialen Rechte“ veröffentlicht. Da-rin sollen alle bereits vorhandenen sozialen Rechte und Regelungen zusammengefasst und – wo erforderlich – aktualisiert werden. Mehr Vertiefung oder gar eine Aus-weitung der europäischen Zuständigkeiten in der Sozial-politik bedeutet diese „Säule“ aber nicht.

Die öffentliche Debatte, die mit dem Weißbuch und dem Strategiepapier zur sozialen Zukunft Europas eingeleitet wurde, bietet die Chance, den bestehenden Widerspruch zwischen den hohen Erwartungen (und Befürchtungen) an die EU und ihren überschaubaren Möglichkeiten in der Sozialpolitik endlich aufzulösen.

Reflexionspapier zur sozialen Dimension Europas

Drei Szenarien für europäische Sozialpolitik Begrenzung der „sozialen Dimension“ auf den freien Personenverkehr intensivere Zusammenarbeit der „Willigen“ im so-zialen Bereich gemeinsame Vertiefung der sozialen Dimension mit allen 27 Mitgliedstaaten

Dieser Beitrag ist im GDS Magazin 6/2017 erschienen.

Wie geht es mit der Globalisierung weiter?

Das am 10. Mai veröffentlichte Reflexionspapier „Die Globalisierung meistern“ sieht nur ein Szenario vor: Die technologische Entwicklung wird sich vor allem in Ge-stalt der Digitalisierung weiter beschleunigen. Eine Al-ternative dazu ist kaum denkbar. Die Globalisierung, also eine offene, vernetzte Welt, die Handel miteinander treibt, soll nach dem Willen der Kommission auch weiter gehen. Die Alternative zur Offenheit wären Isolationis-mus und Abschottung. Die Kommission lehnt diesen Weg ab und zeigt auf, dass Phasen des Protektionismus und des Strebens nach weitgehender Autarkie, also der Unabhängigkeit von internationalen Handelsbeziehun-gen mit den beiden Weltkriegen einhergingen. Die Sor-gen vieler Menschen, für die Globalisierung Entlassun-gen, soziale Ungerechtigkeit und niedrigere Schutzstan-dards bedeutet, will Brüssel aber ernst nehmen.

Das Reflexionspapier zeigt auf, dass die Armut in den Phasen der politischen und weltwirtschaftlichen Öff-nung weltweit signifikant zurückgegangen ist. Es betont aber auch, und das ist in dieser Deutlichkeit neu, dass es

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auch Verlierer der Globalisierung gibt. „Die Fakten bele-gen, dass die Wirtschaft, die Unternehmen und die Bür-gerinnen und Bürger Europas nach wie vor enorm von der Globalisierung profitieren. Doch geschieht dies nicht automatisch und die Vorteile kommen nicht allen europäischen Regionen und Bürgerinnen und Bürgern im gleichen Maße zugute.“ Die Kommission erkennt die Notwendigkeit einer „ausgewogeneren und gerechteren Wohlstandsverteilung“. Eine stärker vernetzte Welt biete zwar viele Chancen, sie berge aber auch zuneh-mende Bedrohungen wie etwa den internationalen dschihadistischen Terrorismus.

Die Kommission setzt weiter auf Handel und Multilate-ralismus, die partnerschaftliche Politikkoordinierung möglichst vieler Staaten. „Wenn wir unsere Grenzen schließen, tun andere das Gleiche und alle wären Verlie-rer“, heißt es im Reflexionspapier. „Dies gilt besonders für Europa, das in hohem Maße in die globalen Wert-schöpfungsketten integriert ist.“ Die EU soll sich für eine Globalisierung mit fairen Regeln stark machen, so die Kommission. Marktöffnung und technologischer Fort-schritt seien mit der „Förderung von Rechten und menschlichem Wohlergehen“ in Einklang zu bringen. Dies zu erreichen, will die Kommission das soziale Europa stärken. Gleichzeitig hat sie aber im Reflexionspapier zur sozialen Dimension Europas Szenarien entworfen, die auch ein Weniger an sozialer Orientierung bedeuten würden.

Reflexionspapier: Die Globalisierung meistern

Aufgaben der Europäischen Union

Handelsabkommen/ weltweite Steuertranspa-renz/ höhere globale Regulierungsstandards/ han-delspolitische Schutzinstrumente/ Förderung aus dem EU-Haushalt - Fonds und Programmen - für die Anpassung an die Globalisierung/ Investitionen in Drittländer/ Entwicklungshilfe/Produkt- und Lebens-mittelsicherheit

Auf Ebene der Mitgliedstaaten

Bildung und Berufsbildung/ Arbeitsmarktpolitik/ soziale Gerechtigkeit durch Steuerpolitik/ Entwick-lungshilfe/ Nationale Investitionspläne/ Infrastruk-turausgaben/ Forschung und Entwicklung

Auf regionaler Ebene

moderne Infrastruktur/ Cluster und Spezialisie-rung/ Logistiknetze/ Nutzung der EU-Fonds/ Bildung und Berufsbildung

Auf lokaler Ebene

„Smart City“-Lösungen/ Integration von Migran-ten/ Innovations- und Existenzgründerzentren

Was wird aus der Währungsunion?

340 Millionen Europäer zahlen mit dem Euro. 175 Millio-nen Menschen außerhalb der Eurozone haben ihre Wäh-rungen eng an den Euro gekoppelt. In ihrem dritten Re-flexionspapier „Vertiefung der Wirtschafts- und Wäh-rungsunion“ zeigt die Kommission auf, wie es mit der Gemeinschaftswährung weitergehen soll. Das am 31. Mai veröffentlichte Papier zeichnet nur ein einziges Sze-nario. Es sieht keine Alternativen vor. Bis 2025 soll die WWU vertieft und vervollständigt sein. Wichtige Zwi-schenschritte werden für 2019 in den Blick genommen. Das Reflexionspapier behandelt eine schwierige, sehr technische Materie, wie die Kommission selbst ein-räumt.

Bis 2019 sieht die Kommission vor allem die Notwendig-keit, weitere Risiken einzudämmen. Die Weltfinanzkrise hatte nach 2008 Schwächen der Gemeinschaftswäh-rung offengelegt. „Eine europäische Strategie für notlei-dende Kredite könnte dabei helfen, eine der schädlichs-ten Altlasten der Krise anzugehen und in den betreffen-den Ländern nationale Maßnahmen zu unterstützen. Brüssel will die Bankenunion vollenden. Dazu muss unter anderem noch ein europäisches Einlagenversicherungs-system geschaffen werden, was in Deutschland die Spar-kassen und die Genossenschaftsbanken kritisch sehen, weil sie über eigene hochwertige Sicherungssysteme verfügen und zusätzliche Belastungen befürchten. Zu-dem gilt es die Abwicklung schlechter Banken so zu ge-stalten, dass von ihnen kein Systemrisiko mehr ausgehen kann. Die Aufsicht über die europäischen Finanzinstitute ist ein weiteres zentrales Thema, das unter der Über-schrift „Kapitalmarktunion“ steht.

Für die Zeit nach 2019 will die Kommission gemeinsame Anlagen in den Blick nehmen. Sie ist sich bewusst, wie umstritten dieser Schritt wäre und meidet das Wort An-leihe oder Eurobonds, beschreibt aber genau dies. Insbe-sondere die Vergemeinschaftung von Schulden, räumt die Kommission ein, werde kritisch diskutiert. Über neue Regeln für Staatsanleihen wird gleichfalls nachgedacht. Schließlich will Brüssel mehr wirtschaftliche und soziale Konvergenz in der WWU erreichen. So sollen langfristig überall in der Eurozone die „Voraussetzungen für einen hohen Lebensstandard und ein ähnliches Einkommens-niveau“ geschaffen werden. Brüsseler Experten denken an eine „Stabilisierungsfunktion“, zum Beispiel in Form eines Rückversicherungsfonds für die nationalen Ar-beitslosenversicherungen, oder einen „Schlecht-Wetter-Fonds, mit dem ökonomische Schocks in einzelnen Mit-gliedstaaten gedämpft würden. In Deutschland sind viele dieser für die Zeit nach 2019 angedachten Schritte noch höchst umstritten.

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Brexit-Verhandlungen können beginnen

Großbritannien hat gewählt: Keine der Parteien er-reichte bei den Neuwahlen vom 8. Juni die absolute Mehrheit. Das Ergebnis ist ein „hung parliament“, das die Brexit-Verhandlungen nicht einfacher machen dürfte. Eine Minderheitenregierung zeichnet sich ab. Zuvor hatte der Rat der Europäischen Union am 22. Mai die Aufnahme der Austrittsverhandlungen mit dem Verei-nigten Königreich genehmigt. Die Regierungen der Mit-gliedstaaten beschlossen erste Verhandlungsrichtlinien und bevollmächtigten die Europäische Kommission, diese Verhandlungen zu führen. Die EU setzt klare Priori-täten in den Verhandlungen: Die Wahrung der Rechte Bürgerinnen und Bürger – sowohl jener der EU-27 wie auch derjenigen des Vereinigten Königreichs – und ihrer Familien steht an erster Stelle. Besonders umstritten sind die finanziellen Verpflichtungen der Briten, etwa für die Pensionen ihrer EU-Beamten. Verhandlungen über die künftigen Beziehungen sollen erst beginnen, wenn die-ses Problem gelöst ist. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Bewahrung des Friedens in Nordirland. Die EU spielte im Friedensprozess eine maßgebliche Rolle; die Kommission will vermeiden, dass auf der irischen Insel eine „harte“ Grenze entsteht. Die Verhandlungen sollen mit großer Transparenz geführt werden, wichtige Verhandlungsdo-kumente werden veröffentlicht. Der EU-Chefunterhänd-ler, der Franzose Michel Barnier, erklärte: „Wir sind be-reit, uns mit dem Vereinigten Königreich an den Ver-handlungstisch zu setzen. Unser Ziel ist es, in den Punk-ten, die der Rat heute vorgebracht hat, zeitnah eine Eini-gung zu erzielen.“

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Wachstumsgewinne gerechter verteilen

Die EU-Kommission präsentierte am 22. Mai ihre jährli-chen Empfehlungen für Wirtschafts- und Sozialrefor-men in den EU-Mitgliedstaaten. Diese im Rahmen des „Europäischen Semesters“ ausgesprochenen Empfeh-lungen müssen am 22./23. Juni von den Staats- und Re-gierungschefs gebilligt werden. Die EU betrachtet den wirtschaftlichen Aufschwung, der in allen EU-Staaten zu verzeichnen ist, als Chance für weitere Strukturreformen und eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik. EU-Vize-präsident Valdis Dombrowskis, zuständig für den Euro und den sozialen Dialog, erklärte: „Wir sollten diesen Rü-ckenwind nutzen, um unsere Volkswirtschaften wettbe-werbsfähiger und innovativer zu machen. Dabei sollten Reformen vorangestellt werden, die die Wachstumsge-winne auf mehr Schultern verteilen und der Produktivi-tät neue Dynamik verleihen.“ Auch EU-Sozialkommissa-rin Marianne Thyssen betonte, dass die Bekämpfung der Ungleichheiten im Mittelpunkt der diesjährigen Empfeh-lungen stehe. „Jetzt, wo es wirtschaftlich aufwärts geht,

müssen wir in allgemeine und berufliche Bildung von ho-her Qualität investieren, damit diejenigen, die abge-hängt zu werden drohen, wieder eine Perspektive ha-ben.“ Produktivitätsgewinne müssten sich in höheren Löhnen niederschlagen. Tatsächlich befindet sich die Ar-beitslosigkeit, trotz weiterhin hoher Raten in einzelnen Mitgliedstaaten, auf dem niedrigsten Stand seit 2009. Die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den EU-Staaten bleiben aber sehr groß.

Globalisierungsgewinne gerechter verteilen © phongphan5922 – Fotolia.com

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Kritik an zu geringen Investitionen in Deutschland

Die diesjährigen länderspezifischen Empfehlungen für Deutschland kritisieren, sofern Rat und Europäischer Rat dies so annehmen, zu wenig deutsche Investitionen in Deutschland und Europa. Die wirtschaftliche Entwick-lung Deutschlands wird als robust bewertet, es sei von fortgesetztem Wirtschaftswachstum auszugehen. Der EU-Kommission und den meisten EU-Partnern sind aber die deutschen Überschüsse in Haushalt und Handelsbi-lanz ein Dorn im Auge. Das Land müsse mehr in seine Inf-rastruktur investieren, heißt es in Brüssel und nicht nur dort. Deutsches Kapital fließt vor allem an Standorte au-ßerhalb Europas. Zu wenig werde im Land selbst oder in anderen EU-Staaten investiert. Dies gefährdet in den Au-gen der Kommission die Zukunft des deutschen Wirt-schaftsstandorts und erschwert die wirtschaftliche Erho-lung in anderen EU-Staaten. Hindernisse für mehr Inves-titionsbereitschaft sieht Brüssel zudem in einem zu schwachen Dienstleistungsmarkt und der Unterneh-mensbesteuerung. Insbesondere gebe es zu wenig Inves-titionen auf lokaler Ebene, zu wenig Geld fließe in die Energie-, Telekommunikations- und Verkehrsinfrastruk-tur. Eine stärkere Binnennachfrage und mehr öffentliche Investitionen in Deutschland würden das Wirtschafts-wachstum in der EU insgesamt beleben, heißt es in den länderspezifischen Empfehlungen für Deutschland. In der Umsetzung der Empfehlungen des Vorjahres gebe es

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nur geringe Fortschritte. Insbesondere mangele es an öffentlichen Investitionen für Bildung, Forschung und In-novation. Auch im Ausbau digitaler Netze hinke Deutsch-land hinterher.

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EU richtet Verteidigungsfonds ein

Die Kommission hat am 7. Juni den im September 2016 angekündigten Verteidigungsfonds ins Leben gerufen. Dieser soll gemeinsame Rüstungsprojekte der Mitglied-staaten ermöglichen, um unnötige Ausgaben zu vermei-den und für Europa insgesamt eine bessere Verteidi-gungsfähigkeit zu erreichen. Mit dem Fonds werden die Investitionen, die auf nationaler Ebene in die Verteidi-gungsforschung, die Entwicklung von Prototypen und die Beschaffung von Verteidigungsgütern und -techno-logien fließen, koordiniert, ergänzt und verstärkt. Jyrki Katainen, Vizepräsident der Kommission, erklärte: „Der Fonds dient als Triebfeder für eine leistungsfähige euro-päische Verteidigungsindustrie, die vollständig kompa-tible Spitzentechnologe und hochmoderne Ausrüstun-gen entwickelt.“ Die Mitgliedstaaten blieben dabei be-stimmend, könnten aber mehr aus ihren Geldern ma-chen. Der forschungsbezogene Teil des Fonds ist bereits wirksam. 2017 wird die EU erstmals Fördermittel für die gemeinsame Forschung anbieten. Bis Ende 2019 stehen 90 Millionen Euro zur Verfügung. Nach 2020 sollen dies jedes Jahr 500 Millionen Euro sein, womit die EU zu ei-nem der größten Investoren in die Verteidigungsfor-schung wird. Für 2019 und 2020 stehen zudem 500 Mil-lionen Euro für Entwicklung und Beschaffung zur Verfü-gung. Nach 2020 soll dies jährlich eine Milliarde Euro sein. Diese Mittel, durch nationale Beiträge bereitge-stellt, sollen eine Hebelwirkung entfalten, so dass effek-tiv fünf Milliarden Euro pro Jahr in die Entwicklung der europäischen Verteidigungsfähigkeit fließen. Der EWSA verabschiedete hierzu Ende Mai eine Stellungnahme.

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Kommission begründet mehr Zusammenarbeit in der Verteidigung

Die Europäische Kommission betrachtet mehr Zusam-menarbeit in der Verteidigung als dringend erforderlich. Sie unterstreicht dies in ihrem Reflexionspapier zur Zu-kunft der europäischen Verteidigung. Sie kann dabei zu-nehmend auf die Unterstützung der Mitgliedstaaten zählen, obwohl die Sicherheitspolitik nach wie vor ein Kernbereich staatlicher Souveränität ist. Brüssel und die Hauptstädte sehen aber die immer größeren gemeinsa-men Herausforderungen wie Terrorismus, Instabilität in Europas unmittelbarer Nachbarschaft, Cyberattacken, Klimawandel und Unsicherheit in der Energieversor-gung. „Auch wenn die Mitgliedstaaten weiterhin das

Steuer in der Hand haben und im Bedarfsfall die Verant-wortung für den Einsatz von Sicherheits- und Streitkräf-ten tragen werden, lassen sich neue Formen von Bedro-hungen am besten durch gemeinsames Handeln verhin-dern und bekämpfen“, so die Kommission. Die Mitglied-staaten beschlossen am 18. Mai im Rat, die EU-Gefechts-verbände zu verstärken und die europäische Verteidi-gung im Wege der sogenannten Ständigen Strukturier-ten Zusammenarbeit (PESCO), die der Lissabon-Vertrag ermöglicht, zu vertiefen. Die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, sagte dazu am 24. Mai: „Sicherheit und Verteidigung haben für die Europäische Union Priorität, da sie für alle Bürgerin-nen und Bürger Priorität haben.“ Die EU baue die euro-päische Verteidigung zu einem wirksamen Sicherheits-garanten „inner- und außerhalb unserer Grenzen“ aus. Die Zusammenarbeit mit der NATO werde intensiviert. Die Kommission betonte am 7. Juni aus Anlass der Akti-vierung des Verteidigungsfonds den besonderen Charak-ter des europäischen Ansatzes: „Durch eine einzigartige Mischung aus ‚weicher‘ und ‚harter Macht‘, bei der der neben Diplomatie, Sanktionen, Entwicklungszusam-menarbeit und Handel auch sicherheits- und verteidi-gungspolitische Instrumente zum Einsatz kommen, ver-folgt die EU einen integrierten und umfassenden Ansatz zur Erreichung nachhaltiger Sicherheit.“

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini will, dass mehr geht in der gemeinsamen Verteidigungspolitik

© European Commission, 2017

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Europas Nachbarschaft: Eine Frage der Sicherheit

Am 18. Mai präsentierte die Kommission die Ergebnisse ihrer 2015 begonnenen Überprüfung der europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP). Der Bericht behandelt also die europäische Außenpolitik, wo sie Staaten betrifft, die an Europas Grenzen oder in deren Nähe liegen. Die Kom-mission fasst ihre Ziele mit den Worten „Stabilisierung, Resilienz und Sicherheit“ zusammen. Resilienz bedeutet so viel wie Widerstandsfähigkeit. Die Hohe Vertreterin

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der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, erklärte anlässlich der Veröffentlichung des Berichts, die EU habe sehr viel investiert, um ihre östliche und südliche Nachbarschaft zu stabilisieren. „Eineinhalb Jahre nach der Überprüfung der Europäischen Nachbar-schaftspolitik können wir ein maßgeschneidertes Kon-zept für jedes einzelne Land vorweisen, das einer echten partnerschaftlichen Zusammenarbeit zu verdanken ist.“ Die Nachbarschaftspolitik wird seit Jahren von den Ent-wicklungen in den Beziehungen zu Russland und im Na-hen und Mittleren Osten geprägt. Krieg, Bürgerkrieg und Staatszerfall bestimmen das europäische Umfeld. Laut Kommission bestätigt der Bericht, dass die ENP bei den Bemühungen um mehr Stabilität in den an Europa an-grenzenden Weltregionen eine zentrale Rolle spielt. Im-merhin hätten einige außereuropäische Staaten Maß-nahmen für gute Regierungsführung, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie die Einhaltung der Menschen-rechte ergriffen. Die Folgewirkungen einer unsicheren, instabilen Nachbarschaft Europas werden insbesondere in der Flüchtlingskrise greifbar, zeigen sich aber auch im Ukrainekonflikt.

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Neuer Konsens über die Entwicklungspolitik

Die EU und ihre Mitgliedstaaten unterzeichneten am 7. Juni ein „strategisches Konzept“, in dem die Zukunft der europäischen Entwicklungspolitik skizziert wird. Die EU ist der größte entwicklungspolitische Geber weltweit. Der „Neue Europäische Konsens über die Entwicklungs-politik“ besteht aus einer neuen gemeinsamen Vision davon, wie die Armut beseitigt und eine nachhaltige Ent-wicklung verwirklicht werden können. Das strategische Konzept wird von einem Aktionsplan mit konkreten Maßnahmen begleitet. Die Staats- und Regierungschefs vereinbarten den Aufbau „bedarfsgerechter Partner-schaften“. Dabei sollen die Partnerländer und deren Zivil-gesellschaften stärker einbezogen werden als bisher. Der „Neue Europäische Konsens“ soll dazu beitragen, die Ziele der „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ zu erreichen, die im September 2015 verabschiedet wurde. Die EU und ihre Mitgliedstaaten suchen nach neuen, in-novativen Formen der Finanzierung und der Zusammen-arbeit mit den Partnerländern. Die Zusammenarbeit soll umfassend angelegt sein, eigene Kräfte der Partnerlän-der aktivieren und eine bessere Abstimmung der EU-Staaten untereinander ermöglichen. „Zum ersten Mal gelten die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung gleich-ermaßen für alle Länder und die EU ist entschlossen, eine Vorreiterrolle bei ihrer Umsetzung zu übernehmen.“

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Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus

Am 22. Mai trat die Europäische Ermittlungsanordnung in Kraft. Sie soll den nationalen Justizbehörden die Suche nach Beweisen in anderen EU-Mitgliedstaaten erleich-tern. Die neue Regelung zielt darauf ab, grenzübergrei-fende strafrechtliche Ermittlungen zu vereinfachen und zu beschleunigen. So sollen die Behörden anderer Mit-gliedstaaten auf Bitte einer Justizbehörde Vernehmun-gen von Zeugen oder Hausdurchsuchungen durchfüh-ren. Justizkommissarin Vera Jourová erklärte: „Kriminelle und Terroristen machen nicht an den Grenzen halt. Mit der Europäischen Ermittlungsanordnung sind die Justiz-behörden besser für die Zusammenarbeit im Kampf ge-gen organisierte Kriminalität, Terrorismus, Drogenhan-del und Korruption gerüstet.“ Die Justizbehörden könn-ten damit überall in der EU rasch auf Beweismittel zu-greifen. Jourová rief die Mitgliedstaaten dazu auf, die Er-mittlungsanordnung sobald als möglich einzuführen. Die Kommission will auch mit den Mitgliedstaaten erör-tern, wie die Erhebung und der Austausch elektronischer Beweismittel vereinfacht werden können. „Die den Jus-tizbehörden für ihre Ermittlungen zur Verfügung ste-henden Instrumente müssen endlich vollumfänglich modernisiert werden.“ Die Europäische Ermittlungsan-ordnung basiert auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung. Jeder Mitgliedstaat muss eine solche An-ordnung eines anderen Mitgliedsstaats genauso aner-kennen und vollstrecken wie eine Entscheidung seiner ei-genen Behörden.

Vera Jourová © European Commission, 2017

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Dialog über Kompetenzen und Migration

Am 23. Mai startete die EU-Kommission auf dem Europä-ischen Wirtschaftsgipfel eine Initiative zur Förderung der Integration von Flüchtlingen und anderen Migranten in den Arbeitsmarkt. Die EU-Kommissare Dimitris Avramopoulos (Inneres) und Marianne Thyssen (Sozia-les) stellten die Initiative „Arbeitgeber gemeinsam für

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Integration“ in Anwesenheit von Sozialpartnern und zahlreichen Industrievertretern vor. Avramopoulos er-klärte, das Engagement der Arbeitgeber für die Integra-tion sei unverzichtbar. „Nur bei einer erfolgreichen In-tegration aller Migranten in der EU bietet die Migration Chancen für alle – für die Betroffenen wie auch für die europäische Gesellschaft und Wirtschaft.“ Thyssen fügte hinzu, der Wirtschaftsgipfel stelle die Entschlossenheit der Kommission unter Beweis, durch die Zusammenar-beit mit den Arbeitgebern die Kräfte zu bündeln. Ein Vor-standsmitglied der Deutschen Telekom, Birgit Klesper, erklärte: „Die wichtigste Voraussetzung für eine erfolg-reiche gesellschaftliche Integration ist die Integration in den Arbeitsmarkt. Dies gilt für ganz Europa und kann nur durch Einbeziehung vieler Interessenträger gelingen.“ Alle gesellschaftlichen Akteure müssten an einem Strang ziehen. Die Initiative erfolgt im Rahmen des 2016 ins Le-ben gerufenen Europäischen Dialogs über Kompetenzen und Migration.

Integration steht und fällt mit dem Arbeitsmarkt © Bounlow-pic- Fotolia.com

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Besserer Datenaustausch für mehr Sicherheit

Die EU-Kommission stellte am 16. Mai den siebten Fort-schrittsbericht für eine Sicherheitsunion vor. Der Bericht beschäftigt sich vor allem mit Maßnahmen zur Verbes-serung des Informationsmanagements beim Grenz-schutz und bei der inneren Sicherheit. Bis 2020 sollen die Informationssysteme der nationalen Sicherheitsbehör-den miteinander vernetzt sein. Angesichts der jüngsten weltweiten Cyberattacke – in Deutschland war unter an-derem die Bahn durch das Schadprogramm „WannaCry“ betroffen – will die Kommission zudem ihre Cybersicher-heitsstrategie beschleunigt überarbeiten. Der für die Si-cherheitsunion zuständige Kommissar Julian King sagte, die jüngsten Terroranschläge hätten wieder gezeigt, wie wichtig ein wirksamer Informationsaustausch zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten sei. „Das von uns

heute vorgestellte Konzept zeigt auf, wie die vorhande-nen Daten gezielt, intelligent und bestmöglich genutzt werden können.“ King sprach von einem „Umbruch“ in der Art der Verwaltung dieser Daten. Die Kommission versichert, der Datenschutz und die Grundrechte wür-den mit einem solchen vernetzten Datenverwaltungs-konzept gewahrt. Wichtige Bausteine der angestrebten Sicherheitsunion sind ein gemeinsames System zum Ab-gleich biometrischer Daten und ein gemeinsamer Spei-cher für Identitätsdaten.

Julian King © European Commission, 2017

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Strafrechtliche Bekämpfung von Geldwäsche

Der Rat der Europäischen Union einigte sich am 8. Juni auf seinen Standpunkt zur vorgeschlagen Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung von Geldwäsche. Diese Richtlinie steht im Zusammenhang mit dem Aktionsplan gegen Terrorismusfinanzierung und Finanzkriminalität. Um die Einnahmequellen terroristischer Organisationen weiter auszutrocknen und Terroristen anhand von Gel-strömen besser aufspüren zu können, einigte sich der Rat auf folgende Ziele: das Festlegen von Mindestvorschrif-ten für die Definition von Straftatbeständen und Sankti-onen, den Abbau von Hindernissen bei grenzüberschrei-tender justizieller und polizeilicher Zusammenarbeit, die Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straf-taten sowie das in Einklang bringen der Vorschriften der EU mit internationalen Verpflichtungen, insbesondere der „Warschauer Konvention“ über Geldwäsche, Terro-rismusfinanzierung und Ermittlung. Der Maltesische Ratsvorsitz hatte sich dieses Thema zur Priorität gesetzt und wartet nun auf den Standpunkt des Europäischen Parlaments, um mit diesem in Verhandlung treten zu können.

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Europäische Migrationsagenda

In ihren vier Fortschrittsberichten zur Europäischen Mig-rationsagenda fordert die Kommission die Mitgliedstaa-ten zu weiteren Anstrengungen auf, die Migrations-ströme zu stabilisieren und die Außengrenzen wirksa-mer zu schützen. Die Europäische Kommission appelliert insbesondere an diejenigen Mitgliedstaaten, die ihren Verpflichtungen im Rahmen der Umverteilungsregelung noch nicht nachgekommen sind und kündigt die Einlei-tung von Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen, Ungarn und die Tschechische Republik an. Insgesamt zeigt die Kommission sich aber zwei Jahre nach dem Start der Migrationsagenda mit den Ergebnissen zufrie-den. Insbesondere durch die EU-Türkei-Erklärung und den Ausbau der Europäischen Grenz- und Küstenwache seien deutliche Fortschritte bei der Umverteilung und der Neuansiedlung von Flüchtlingen erzielt worden. Auch der Migrationspartnerschaftsrahmen, der vor ei-nem Jahr in Zusammenarbeit mit Schlüsselländern in Af-rika eingeführt wurde und auf die Eindämmung der Mig-rationsströme entlang der zentralen Afrikaroute abzielt, habe im Kampf gegen Schleuser zu Fortschritten ge-führt. Die Kommission arbeitet noch an einem Standard-verfahren für die freiwillige Aufnahme aus humanitären Gründen und unterstützt die Türkei bei der Umsetzung der Vorgaben zur Visaliberalisierung.

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Zypries spricht über Digitalunion

In der Juni-Ausgabe des dbb magazin spricht Brigitte Zypries, Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, in einem Interview über die europäischen Aspekte der Digi-talisierung. Zypries betont die gemeinsame Zielsetzung der Mitgliedstaaten, verbliebene Hemmnisse und Barri-eren für den Digitalen Binnenmarkt zu beseitigen. „Hier-für unerlässlich ist ein gemeinsamer Ordnungsrahmen, der Innovationen und Investitionen fördert und die rich-tigen Leitplanken für die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft in der ganzen Europäischen Union setzt“, so die Ministerin. Hohe Wettbewerbs-, Sicher-heits-, Verbraucher- und Datenschutzstandards sollen damit einhergehen. „Gemeinsam mit unseren europäi-schen Partnern arbeiten wir deshalb mit Hochdruck da-ran, die Vollendung des Digitalen Binnenmarkts mög-lichst rasch zu verwirklichen.“ Zypries spricht von einer erheblichen Kraftanstrengung, die erforderlich sei, alle in Brüssel gemeinsam beschlossenen Maßnahmen umzu-setzen. „Dabei handelt es sich um nicht weniger als 16 Maßnahmen, die insgesamt 35 Legislativvorschläge, also Richtlinien und Verordnungen und politische Initiativen beinhalten.“ Betroffen seien zahlreiche Bereiche wie etwa e-Commerce, das Urheberrecht, der europäische Rechtsrahmen für die elektronische Kommunikation,

Datenschutz, Cybersicherheit, audiovisuelle Medien, Verbraucherschutz und Mehrwertsteuer. Mit der Anpas-sung von Gesetzen und Verordnungen sei es jedoch nicht getan. „Diese müssen durch die Anwendung dann erst mit Leben gefüllt werden. Das betrifft alle Unternehmen und Bürger – vor allem aber die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst.“

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Tajani im Dialog mit dem EWSA

„Wir müssen stärker zusammenarbeiten, um die Arbeits-losigkeit vor allem junger Menschen zu bekämpfen“, er-klärte der Präsident des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani, am 1. Juni vor dem Plenum des Europäischen Wirt-schafts- und Sozialausschusses. Weiterhin dringlich sei der Abbau der öffentlichen Schulden in Europa und die Ankur-belung der Wirtschaft. Es brauche solide Haushaltsfüh-rung und gezielte öffentliche Investitionen, um beides zu erreichen. Ohne eine gesunde Wirtschaft könne es auch kein soziales Europa geben. Die europäischen Unterneh-men brauchten gut ausgebildete junge Menschen, wes-halb auch die Bildung eine zentrale Aufgabe der Europäer sei. Tajani bedauerte die protektionistischen Tendenzen in der Welt, zeigte sich aber erfreut über die jüngsten Signale aus Washington, dass die Verhandlungen über das trans-atlantische Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA wiederaufgenommen werden könnten. Gleichzeitig gelte es, weitere Handelsabkommen unter anderem mit asiatischen Partnern zu schließen. Tajani kri-tisierte aber die chinesische Handelspolitik, die durch staatliche Subventionen den Wettbewerb verzerre. „Ich hätte gerne weniger chinesischen Stahl und stattdessen mehr chinesische Touristen in Europa“, so der Präsident des Europäischen Parlaments in seinem Lagebericht. Tajani dankte dem EWSA für die stets gute Zusammenar-beit. Auch zu seiner Zeit als EU-Kommissar seien ihm die Stellungnahmen des Ausschusses sehr nützlich gewesen.

Tajani mit EWSA-Präsident Georges Dassis (Bildmitte) © Bounlow-pic- Fotolia.com

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Weniger Bürokratie bei EU-Fördermitteln und mehr Geld für europäische Städtepartnerschaften

„Bürokratielasten werden auf allen staatlichen Ebenen produziert, nicht nur von der Europäischen Union“, sagt der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende und Chef der komba Gewerkschaft Ulrich Silberbach. Den-noch gebe es bei den EU-Fördermitteln so hohe Anfor-derungen an die Antragsteller, dass die Verwaltungs-lasten den Nutzen der Fördermittel inzwischen teil-weise in Frage stellten. „Das betrifft vor allem die Städte und Gemeinden und dort die Kolleginnen und Kollegen in den Kommunalverwaltungen. Die Europäi-sche Kommission sollte prüfen, ob eine Vereinfachung der Verfahren ohne Kontrollverlust und höhere Miss-brauchsanfälligkeit möglich ist“, so Silberbach.

dbb Vize Ulrich Silberbach © Brenner, 2017

„Zu viele bürokratische Vorschriften und Erfordernisse belasten nicht nur die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen, sondern auch die Verwaltung und ihre Mitarbeiter“, sagt Silberbach, dessen komba gewerk-schaft sich auch im Netzwerk der Europäischen Bewe-gung Deutschland für die Belange der Beschäftigten der Städte und Gemeinden einsetzt. Silberbach begrüßt daher einen Ende Mai gefassten Beschluss des Bundes-kongresses der überparteilichen Europa-Union Deutschland, die aktuell auch ein kommunalpolitisches Netzwerk ins Leben gerufen hat. In diesem Beschluss „Europa der Kommunen“ wird unter anderem ein Ab-bau von europäischen Bürokratielasten für die kommu-nalen Verwaltungen gefordert. „Wir brauchen weniger und dafür klare Vorgaben, wenn wir unsere Kommu-nalverwaltung und insbesondere kleinere Gemeinden nicht überlasten wollen. Das gilt für EU-Förderpro-gramme, aber auch für europaweite Ausschreibun-gen“, so der komba Bundesvorsitzende.

Silberbach betrachtet die europäische Integration als hohes Gut, das es zu bewahren und fortzuentwickeln gilt. „Europa muss aber näher an die Menschen heran-

kommen. Überkomplizierte Förderrichtlinien helfen da-bei nicht.“ Vielmehr gelte es, die Städtepartnerschaften wieder mit mehr Leben zu erfüllen. Dazu brauche es auch Mittel, aus europäischen wie aus nationalen Quel-len. Die komba fordert auch über die EBD neue finanzi-elle Programme für die Städte- und Gemeindepartner-schaften. Auch die Europa-Union hat dies jüngst in ih-ren Forderungskatalog aufgenommen, was Silberbach ausdrücklich begrüßt. Die Europa-Union ist langjähri-ger Partner des dbb. Gemeinsam veranstalten die Spit-zenorganisation für den öffentlichen Dienst und der größte proeuropäische Bürgerverein Deutschlands re-gelmäßig die Berliner Konferenz „Europäischer Abend“.

Für eine gemeinsame europäische Asyl- und Migrationspolitik

Der dbb Bundeshauptvorstand verabschiedete am 12. Juni eine Entschließung, in der sich der dbb für ein ge-meinsames Asyl- und Migrationssystem in der Europä-ischen Union ausspricht. In der Entschließung heißt es, die Politik stehe in der Verantwortung, alles ihr Mögli-che zu tun, „damit sich eine Situation wie im Herbst 2015 nicht wiederholt“. Der dbb fordert mehr Personal für die mit der Integration befassten öffentlichen Dienste. Der Vorsitzende der Grundsatzkommission für Europa des dbb, der Vorsitzende des Landesbundes Mecklenburg-Vorpommern, Dietmar Knecht, betonte die Leistungen der öffentlich Bediensteten in der Flüchtlingskrise.

Der dbb geht davon aus, dass der Migrationsdruck be-stehen bleibt. Die Politik müsse der Größe der Heraus-forderung gerecht werden. „Die EU braucht sowohl re-guläre Zugänge für ausgewählte Arbeitsmigranten als auch Kapazitäten, verfolgten und von Krieg und Ver-treibung betroffenen Menschen vorübergehend oder erforderlichenfalls auch dauerhaft Schutz zu gewäh-ren.“ Zwischen Arbeitsmigration und Flucht müsse da-bei strikt unterschieden werden. Die gemeinsame Asyl-politik der EU müsse solidarisch sein, fordert der dbb. Sie dürfe zu keiner ungleichen Lastenverteilung zwi-schen den Mitgliedstaaten führen, weshalb der dbb das bisherige Dublin-System skeptisch sieht. „Der dbb spricht sich für die Verteilung Schutzbedürftiger nach Quoten aus, die sich aus einer Reihe von wirtschaftli-chen und sozialen Faktoren ergeben und somit die Leis-tungsfähigkeit der Mitgliedstaaten abbilden.“

Die Integration der Migranten sei eine gesamtgesell-schaftliche Aufgabe, bei der dem öffentlichen Dienst besondere Bedeutung zukomme. Das gelte vor allem für die lokale und die regionale Ebene und für viele Ver-waltungsbereiche von den Ausländerbehörden über die Schulen bis zur Polizei. „Der öffentliche Dienst kann

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auf lokaler und regionaler Ebene auch als Arbeitgeber einen aktiven Beitrag zur Integration leisten.“ Aller-dings brauch es für diese Aufgabe auch mehr Personal, eine bessere materielle Ausstattung und geeignete mo-derne Infrastruktur für alle mit der Erstaufnahme, der Integration und der inneren Sicherheit betrauten öf-fentlichen Dienste.

Dietmar Knecht, Mitglied im Berufsrat Lokal- und Regionalverwaltung der CESI

© Brenner, 2017

Die zuständigen Behörden der EU-Staaten müssten auf europäischer Ebene besser zusammenarbeiten, heißt es in der Entschließung. Im Hinblick auf Erstaufnahme und Integration sollten bewährte Praktiken im Sinne ei-nes kontinuierlichen Optimierungsprozesses ausge-tauscht werden. „Die Erfassung der Migrantinnen und Migranten muss so erfolgen, dass die in den EU-Staaten befassten Behörden in Echtzeit Zugang zu den Daten haben.“

Dietmar Knecht unterstrich, nicht allein die vielen eh-renamtlichen Helfer, auch die Kolleginnen und Kolle-gen hätten Großartiges in der Flüchtlingskrise geleistet. Sie seien bis an ihre Belastungsgrenzen gegangen, um den ankommenden Menschen Schutz zu geben und die Ausnahmesituation zu bestehen. „Dafür gebührt den Kolleginnen und Kollegen Dank und Anerkennung.“

In der Entschließung wird daran appelliert, das gel-tende Recht uneingeschränkt anzuwenden. Ausnah-mesituationen dürften nicht zu rechtlosen Zuständen führen. „Europa muss an der Herrschaft des Rechts festhalten.“ Dazu gehöre neben der Rechtsstaatlichkeit im Inneren auch die uneingeschränkte Beachtung und Befolgung internationalen Rechts. „Der dbb fordert die strikte Beachtung der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention, auch und insbesondere bei der Aushandlung von Abkommen mit sicheren Drittstaaten.“

Für mehr Rechtsklarheit und Rechtssicherheit in Europa

In einer weiteren europapolitischen Entschließung sei-nes Bundeshauptvorstandes begrüßt und unterstützt der dbb die Bemühungen der Europäischen Kommis-sion, ihre Initiativen für neue Rechtsakte auf wichtige Fragen gemeinsamen europäisches Interesses zu kon-zentrieren und überflüssige Regelungen abzuschaffen. Gleichzeitig anerkennt der dbb, dass auch die Untätig-keit des europäischen Gesetzgebers zu politischen und gesellschaftlichen Kosten führen kann. Daher gelte es die Balance zu wahren. Der dbb fordert gute Rechtset-zung auf allen Ebenen, auch in Europa.

„Rechtsklarheit ist eine wichtige Voraussetzung für Rechtssicherheit“, heißt es in der Entschließung. Für rechtsklare europäische Regelungen seien sowohl die EU als auch ihre Mitgliedstaaten in der Verantwortung. Das Tätigwerden des europäischen Gesetzgebers müsse auf festen Grundsätzen beruhen. Hierzu zählten neben dem Vorhandensein einer eindeutigen Rechts-grundlage in den Verträgen insbesondere die Grunds-ätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit. Rechtsetzung müsse einen Mehrwert erzeugen, der Nutzen der jeweiligen Regelung müsse ihre Kosten übersteigen.

Insbesondere mit Blick auf die gesellschaftlichen Spal-tungen innerhalb der EU fordert der dbb die Wahrung einer Balance zwischen wirtschafts- und sozialpoliti-schen Zielen in der europäischen Rechtsetzung und die strikte Beachtung der Werte und Ziele, wie sie im EU-Vertrag niedergelegt sind. Der dbb erwartet von der Bundesregierung und den anderen EU-Regierungen, dass sie sich vertragstreu verhalten und europäisches Recht innerhalb der vorgesehenen Fristen umsetzen und exakt anwenden. „Erweitern die nationalen Ge-setzgeber bei der Umsetzung europäischer Richtlinien deren Vorgaben, sollten sie dies transparent machen und nicht die EU dafür verantwortlich halten.“

Besonders kritisch sieht der dbb das beschleunigte Rechtsetzungsverfahren auf europäischer Ebene im so-genannten Trilog – Absprachen zwischen Kommission, Rat und Parlament, die zur Verabschiedung von Rechts-akten nach nur einer einzigen Lesung in Parlament und Rat führen. Dieses Verfahren sei eilbedürftigen Fällen vorzubehalten, dürfe nicht die Regel sein. Es sei intrans-parent und schwäche die Kontrollfunktion des Parla-ments. Der dbb betrachtet es zudem als fehleranfälli-ger als das vertragsmäßige ordentliche Rechtsetzungs-verfahren in drei Lesungen. Gesetzesfolgenabschät-zungen auf europäischer Ebene, um Bürokratielasten zu überprüfen, begrüßt der dbb ausdrücklich.

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26. Europäischer Abend

Demokratie in Gefahr?

Montag, 26. Juni 2017 ab 17:30 Uhr

dbb forum berlin Friedrichstraße 169 | 10117 Berlin

Twitter: #EURAbend

mit

Jean-Claude Tribolet, Ministre Conseiller, Frankreich, Manfred Weber MdEP, Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Manuel Sarrazin MdB, Europapolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion

Bündnis 90/ Die Grünen, Vorsitzender der interfraktionellen Parlamentariergruppe der Europa-Union Deutschland, Kirsten Lühmann MdB, Stellvertretende dbb Bundesvorsitzende, EBD-Vorstandsmitglied, Prof. Dr. Ulrike

Guérot, Politologin und Publizistin, Gerhart Baum, Bundesminister des Innern a.D., Krzystof Balon, Mitglied im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA)

Moderation: Tanja Samrotzki

© Pict Rider – Fotolia.com

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Belgische CESI-Mitgliedsgewerkschaft gewinnt Rechts-streit zum Gewerkschaftspluralismus

Am 18. Mai 2017 entschied das belgische Verfassungs-gericht in einem Grundsatzurteil, die Rechte der klei-nen unabhängigen Gewerkschaften zu stärken und sprach sich damit für den Gewerkschaftspluralismus aus. Geklagt hatte die belgische Gewerkschaft Syndi-cat Indépendant pour Cheminots (SIC), Mitglied der CESI-Mitgliedsorganisation UNSP (Union Nationale des Services Publics). Das belgische Verfassungsgericht fällte sein Urteil nach der Klage der SIC gegen be-stimmte Regelungen der belgischen Gesetzgebung, nach deren Anwendung kleineren unabhängigen Ge-werkschaften das Recht entzogen worden war, sich an sozialen Konsultationsprozessen zu beteiligen und Streikvorhaben anzukündigen.

Die CESI befürwortet die Aufhebung dieses Gesetzes, das laut CESI Generalsekretär Klaus Heeger schwerwie-genden und irreversiblen Schaden für kleine unabhän-gige Gewerkschaften wie die SIC bedeutet hätte. „Das belgische Verfassungsgericht erkennt mit diesem Ur-teil das Streikrecht für alle Gewerkschaften als funda-mentale Existenzberechtigung und als Hauptinstru-ment für Druckausübung in Verhandlungen an.“ Das derzeitige Verfahren, bei dem Gewerkschaften in zwei Klassen geteilt werden, sei weder rechtens noch mit dem Koalitionsrecht oder dem Recht auf Tarifverhand-lungen vereinbar. „Als europäischer Dachverband, der zahlreiche kleinere und unabhängige Gewerkschaften vertritt, begrüßen wir das Urteil des belgischen Verfas-sungsgerichts und danken unseren Mitgliedsorganisa-tionen UNSP und SIC für ihre Bemühungen", so Heeger.

Das Gericht stellte außerdem fest, dass das Verbot der Benennung von Kandidaten für die Sozialwahlen sowie der Ausschluss von Mitgliedsgewerkschaften eines Dachverbandes von den Sozialwahlen nicht rechtens seien. Diese Bestimmungen hatten zur Folge, dass viele kleinere Gewerkschaften sich nicht mehr an demokra-tischen Prozessen beteiligen konnten und es den Ar-beitnehmern verweigert wurde, ihre Vertreter in die Gremien zu wählen.

Das Urteil markiert einen wichtigen Schritt für den Ge-werkschaftspluralismus. Die im belgischen Recht be-troffenen Absätze wurden vom Gericht als rechtswidrig aufgehoben, wodurch unabhängige Gewerkschaften ihr Recht auf Beteiligung an Sozialwahlen und ihren An-spruch auf Streikmeldungen wiedererlangt haben.

CESI Tagung des Berufsrats Bildung (EDUC): Lehrerberuf aufwerten!

Am 23. Mai 2017 fand die nach dem CESI-Kongress an-stehende konstituierende Sitzung des CESI-Berufsrats „Bildung, Ausbildung und Forschung“ (EDUC) statt. Nach den Wahlen des Vorsitzes und der Vizepräsident-schaft für die Legislaturperiode bis 2020 erörterte der Berufsrat, dem Pädagogen und sonstige Beschäftigte im Bildungssektor angehören, die Positionierung der CESI zu bildungspolitischen Themen auf europäischer Ebene und ihre Prioritäten für die kommenden Jahre.

Claude Heiser von der luxemburgischen Mitgliedsge-werkschaft Confédération Générale de la Fonction Publique (CGFP) wurde einstimmig als Präsident wie-dergewählt. Ebenso sein Vizepräsident Salvatore Pi-roscia von der italienischen Confederazione Generale die Sindacati Autonomi die Lavoratori (CONF.S.A.L.). Für Horst Günther Klitzing vom Deutschen Philologenver-band (DPHV), der aus Altersgründen nicht wieder zur Wahl stand, wurde Mario Gutiérrez von der spanischen Mitgliedsgewerkschaft Central Sindical Independiente y de Funcionarios (CSI-F) als Vizepräsident gewählt.

Claude Heiser von der luxemburgischen CGFP © CESI, 2017

CESI-Generalsekretär Klaus Heeger sagte: „Ich bin froh, dass wir wieder eine sehr kompetente Führung in unse-rem Berufsrat EDUC haben. Claude Heiser, Salvatore Pi-roscia und Mario Gutiérrez sind alle langjährige Ge-werkschafter, die eine Fülle von Fachwissen aus dem Bildungssektor mit einbringen. Sie können auf der er-folgreichen Arbeit der CESI für besser koordinierte eu-ropäische Bildungssysteme aufbauen.“

Auf der Agenda stand unter anderem die Rolle der Bil-dung bei der Integration von Migranten, die die Mitglie-der des Berufsrats mit Kristina Cunningham von der Generaldirektion Bildung und Kultur der Europäischen Kommission diskutierten. Während die Kommission europäische Initiativen für Langzeitinvestitionen zur

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Unterstützung der Schulen, Lehrer und Pädagogen zur Integration von Migranten und Flüchtlingen vorstellte, konnten die Mitglieder des Berufsrats ihre Sicht und Er-fahrungen bezüglich Multikulturalität in Schulen und Ausbildungsstätten zum Ausdruck bringen. Die CESI for-dert bei den Bemühungen der Kommission vor allem eine Aufwertung des Lehrerberufs, Möglichkeiten zur Durchsetzung von europäischen Werten und mehr In-vestitionen in Bildung.

Vizepräsident Piroscia stellte das Projekt „Neue Genera-tion & Mobilität von Kompetenzen“ (nGeMS) vor, das von der italienischen Mitgliedsorganisation CONF.S.A.L. durchgeführt wurde. Die Initiative bringt junge Men-schen als digitale Experten in Kontakt mit Arbeitgebern, um ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermögli-chen. Gemeinsam mit Ana Maria Nogueira aus dem Sek-retariat des Ausschusses für Kultur und Bildung des Eu-ropäischen Parlaments diskutierten die CESI-Mitglieder darüber, wie die EU den Mitgliedsorganisationen der CESI dabei helfen kann, zusätzliches Bewusstsein für das Projekt zu entwickeln, es zu erweitern und neue Partner zu finden. Armindo Cancelinha vom portugiesischen Lehrerverband Associacao Nacional de Professores (ANP) sprach über die Notwendigkeit eines Ethik- und Verhal-tenskodex für Lehrende. Die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei Vorgaben für den Lehrerberuf seien gravierend. Der Berufsrat EDUC einigte sich darauf, in Anlehnung an den portugiesischen Berufskodex eben-falls Vorschläge für andere Mitgliedstaaten zu entwer-fen.

CESI-Youth Mitglied im Europäischen Ausbildungsnetzwerk (EAN)

Bei einer hochrangigen Konferenz, die am 31. Mai in Zu-sammenarbeit mit der Europäischen Kommission und dem Maltesischen Ratsvorsitz auf Malta stattfand, fei-erte die Europäische Allianz für Ausbildungsplätze (EAfA), der seit September 2016 auch die Europäische Union Unabhängiger Gewerkschaften (CESI) angehört, ihr vierjähriges Bestehen. Die Konferenz diente ebenfalls als Auftaktveranstaltung für das neu gegründete Euro-päische Ausbildungsnetzwerk (EAN), für das der CESI Youth Representative (Vorsitzende) Matthäus Fandre-jewski an der Konferenz teilnahm.

Die EAfA ist eine Allianz von Unternehmen, Behörden, Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, die sich in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommis-sion für eine qualitativ hochwertige Ausbildung und ge-rechte Rahmenbedingungen für Auszubildende einsetzt. Um den Sachstand der EAfA zu erweitern, hat die Gene-raldirektion Beschäftigung der Kommission mit dem Eu-

ropäischen Ausbildungsnetzwerk nun eine Experten-gruppe eingesetzt, die sich aus neun jungen Erwachse-nen mit eigenen Ausbildungserfahrungen aus neun eu-ropäischen Mitgliedstaaten zusammensetzt. Das erste Arbeitstreffen fand Ende April statt, mit der Konferenz in Malta gab es das erste offizielle Zusammentreffen des EAN mit der EAfA. „Ich freue mich sehr auf die Arbeit mit dem EAN, aber es wird keine leichte Aufgabe. Schon zwi-schen Ländern wie Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es große Unterschiede in den Ausbildungs-systemen. Europaweit hochwertige Standards für Aus-bildungen zu schaffen, die gegenseitig anerkannt wer-den, setzt viel Hintergrundwissen und Verständnis vo-raus“, sagte Fandrejewski. „Aber für uns junge Leute ist das ein sehr wichtiges Thema. Vielerorts in Europa herrscht immer noch eine hohe Jugendarbeitslosigkeit und wir müssen die Möglichkeit haben, mit unseren Aus-bildungen überall in Europa einen Job zu finden“, so Fandrejewski weiter.

Das EAN hatte sich in seinem ersten Treffen auf sieben Prioritäten geeinigt, an deren Umsetzung es in den kom-menden Monaten arbeiten wird: Die Sicherstellung qua-litativ hochwertiger Ausbildung, die Absicherung und die Festlegung von Rechten im Ausbildungsverhältnis, rechtsverbindliche Ausbildungsverträge und Ausbil-dungsinhalte, eine repräsentative Vertretung der Auszu-bildenden, die Imageverbesserung der Ausbildung ge-genüber einem Studium, aktives Vorgehen gegen Diskri-minierung und zugängliche Informationen insbesondere für Schülerinnen und Schüler. Fandrejewski kündigte an, neben seinen Erfahrungen als Mitglied in der Jugend- und Auszubildendenvertretung der komba Gewerk-schaft insbesondere die Positionen der dbb jugend und des Berufsrats Bildung der CESI in die Arbeit des EAN ein-fließen zu lassen.

Mitglieder des Europäischen Ausbildungsnetzwerks (EAN) in Malta, hinten links der CESI Youth Vorsitzende Fandrejewski

© Matthäus Fandrejweski, 2017

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Von der Sonntagsrede zum Montagshandeln

von Sebastian Gröning von Thüna

Seit neun Jahren steckt die Europäische Union in der Krise. Auf die Pleite der Banken folgte die Krise der Staatshaushalte. Dann folgte die Flüchtlingskrise und dann kam der Brexit. Wer es noch düsterer mag, der kann ergänzen, dass die EU auch davor schon in einer Krise steckte: spätestens seit dem Scheitern des EU-Verfassungsvertrages in den Referenden in Frankreich und den Niederlanden 2005. Nun entdecken einige aber zum Glück den Segen Europas wieder. Menschen gehen für Europa auf die Straße, verbinden sich zum Pulse of Europe. Macron gewinnt mit einem pro-euro-päischen Wahlkampf die französische Präsident-schaftswahl. Es scheint wieder die Sonne durch, wo eben noch düstere Sturmwolken am Himmel waren.

So oder ähnlich klingt es oft, wenn es um Europa geht, am Stammtisch oder auf dem Marktplatz. Es ist die Grob- analyse der Europäischen Union, bei des es in der Regel nur zwei mögliche Befunde gibt: es geht bergab oder es geht bergauf mit der EU. Europa zerfällt oder es er-starkt. Bei den Meinungen zur EU geht es in der Regel ähnlich undifferenziert um Pro oder Contra europäi-sche Integration. Nicht das Wie, sondern das Ob wird diskutiert. Es geht eher um das grundsätzliche Bekennt-nis zur EU, um eine Glaubensfrage, als um die differen-zierte Abwägung der Varianten. In den Sonntagsreden reicht es, so grundsätzlich an die EU-Politik heran zu ge-hen. Aber was ist von Montag bis Freitag mit dem Glau-ben an das Vereinte Europa?

Politik ist die Kunst des Machbaren, nicht des Wün-schenswerten, heißt es immer wieder. Und so gehört es wohl zu den charakterlichen Grundvoraussetzungen für all jene, die sich tagein tagaus in Ministerien, Ver-bänden, Parlamenten und sonstigen politiknahen Insti-tutionen bewegen, dass sie das Spannungsverhältnis zwischen Wunsch und Ergebnis, zwischen Ideal und Re-alität aushalten müssen. Sonntagsreden sind eben Sonntagsreden. Und von Montag bis Freitag hallt die Sonntagsrede wie ein leises Echo nach - als Vision, als Orientierungshinweis oder als Warnung der Politik für die sogenannte „Arbeitsebene“.

Diese Differenz zwischen Sonntagsrede und dem Han-deln im Alltag – dem „Montagshandeln“ – gilt für die Europapolitik vielleicht noch mehr als für andere politi-sche Ebenen. Nicht umsonst gilt „Brüssel“ ja als große Kompromissmaschine. Wer den europäischen Konsens sucht (oder auch nur eine Qualifizierte Mehrheit), der kann nicht beim Ideal verharren.

Umso mehr erstaunt es, dass sich die Sonntagsreden gerade mit Blick auf die Europapolitik gerne auf grund-sätzliche Fragen versteifen. Wer käme schon auf die Idee, den Fortbestand der Bundesrepublik zum Thema einer Anne Will Sendung zu machen, wenn es bei der Verteilung von Flüchtlingen auf die unterschiedlichen Bundesländer hakt? Oder wer würde die Legitimität der kommunalen Politik wegen der niedrigen Wahlbeteili-gung anzuzweifeln? (Im Gegenteil: Gerade die kommu-nale Ebene wird gerne als besonders „nah bei den Men-schen“ bezeichnet, obwohl die Wahlbeteiligung ebenso gering ist wie bei Europawahlen, zuletzt bei knapp 50 Prozent. Bezogen auf die EU ist das gang und gäbe.

Demonstranten für Europa © Photographee – Fotolia.com

Sei’s drum! mag man sich sagen. Für die Alltagseuro-päer, für die „Arbeitsebene“ im politischen Betrieb ergibt sich aus der ständigen grundsätzlichen Kritik an der EU aber ein Dilemma. Denn damit wird fortwäh-rend die Arbeitsgrundlage aller Europareferenten in Ministerien, Parlamenten und Verbänden infrage ge-stellt. Was tun, wenn die Ministerin am Sonntag das Hohe Lied der EU-Integration singt, am Montag aber gegen die gemeinsame europäische Lösung eines grenzübergreifenden Problems wettert? Wie damit umgehen, dass einerseits die hohe Arbeitslosigkeit in vielen (den meisten) EU-Mitgliedstaaten regelmäßig als gemeinsames Problem beschrieben wird, anderer-seits aber jedwede gemeinsame Maßnahme mit Ver-weis auf das Subsidiaritätsprinzip abgelehnt wird? Nennenswerte Ausnahmen in diesem Zusammenhang: die EU-Jugendgarantie und die EU-Jungendbeschäfti-gungsinitiative, auf die sich die EU-Staats- und Regie-rungschefs 2013 einigten (an einem Freitag!). Die EU-Mitgliedstaaten verpflichteten sich mit der Jugendga-rantie dazu, dass allen jungen Menschen unter 25 Jah-ren innerhalb von vier Monaten, nachdem sie die Schule verlassen haben oder arbeitslos geworden sind, eine hochwertige Arbeitsstelle angeboten wird, die ih-rer Ausbildung, ihren Fähigkeiten und ihrer Erfahrung entspricht, oder dass sie im Wege einer Lehre, eines

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Praktikums oder einer Weiterbildung, die Ausbildung absolvieren bzw. die Fähigkeiten und die Erfahrung er-werben können. Durch die EU-Beschäftigungsinitiative wurden den am stärksten von der Jungendarbeitslosig-keit betroffenen Mitgliedstaaten sechs Milliarden Euro zur Verfügung gestellt.

Die Zuständigkeit für die Umsetzung der Beschäfti-gungspolitik liegt aber bei den Mitgliedstaaten. Die Folge war, dass es bei der Umsetzung der Beschäfti-gungsgarantie und der Beschäftigungsinitiative zu er-heblichen Verzögerungen kam, denn in vielen Staaten existierten die notwendigen Strukturen nicht oder sie waren nicht für die Aufgabe vorbereitet. Dies bot für unzählige Sonntagsreden dann wieder ein willkomme-nes Beispiel für das „Scheitern der EU“, die es noch nicht einmal schaffe, den arbeitslosen Jugendlichen die zuge-sagte Hilfe zu erteilen und Beschlüsse umzusetzen.

Scheitern der EU? © robsonphoto – Fotolia.com

Das Beispiel zeigt, wie fachpolitische Themen in der EU-Politik gerne auf die Ebene des Grundsätzlichen erhöht werden - mehr, als dies für Fragen der Landespolitik, der innerstaatlichen Ordnung oder der Kommunalpolitik der Fall zu sein scheint. Zahlreiche andere Beispiele fin-den sich: sei es die oben bereits angesprochene Flücht-lingskrise, die Bekämpfung von Steuerumgehung be-ziehungsweise Steuerdumping, die Schaffung des EU-Energiebinnenmarktes oder auch die Bankenunion.

Diese Erhöhung auf das Grundsätzliche wird bei euro-papolitischen Fragen nicht zuletzt durch die Komplexi-tät einer gesamteuropäischen fachlichen Analyse be-günstigt. Nehmen wir nochmal das Beispiel der Jugend-garantie und der Jugendbeschäftigungsinitiative, so wäre ein naheliegendes Kriterium für die fachliche Be-urteilung der Vorschläge gewesen, ob diese dazu bei-tragen, junge Menschen in Beschäftigung zu bringen. Die wenigsten deutschen Fachleute für Beschäfti-gungspolitik verfügen aber über ausreichende Kennt-nisse über die Voraussetzungen und Strukturen der Ar-beitsmärkte und der Jugendarbeitslosigkeit in anderen

EU-Mitgliedstaaten. Schon innerhalb Deutschlands gibt es zu dem Thema Übergang Ausbildung – Beruf ja sehr unterschiedliche Meinungen und Empfehlungen. Sie können lediglich auf der Grundlage ihrer deutschen Erfahrungen extrapolieren: Gute Erfahrung hat man hier mit der dualen Bildung, der Kooperation mit den Unternehmen. Nur: die deutsche Kultur der Zusam-menarbeit von Berufsschulen und Unternehmen in der Ausbildung gibt es in vielen EU-Mitgliedstaaten nicht.

Jenseits dieser Wissensproblematik hätte man sich tat-sächlich auch fragen können, ob die EU für die Lösung des (in jedem Mitgliedstaat durchaus unterschiedlich gelagerten) Problems der Jugendarbeitslosigkeit über-haupt der richtige Akteur sei. Man hat diese Erwägung in diesem Fall aber hintangestellt, wohl aus Gründen der politischen Opportunität. Denn wer will schon da-gegen sein, etwas Gutes für die arbeitslosen Jugendli-chen zu tun?

Oder rettet Europa seine Jugend? © shootingankauf – Fotolia.com

Die Kritik an dem Verfahren wurde erst laut, als die er-hofften schnellen Erfolge ausblieben. Bei dem Beschäf-tigungsgipfel der EU im Herbst 2014 wurden insbeson-dere die besonders betroffenen südeuropäischen Staa-ten kritisiert, denn die bereitgestellten Mittel flossen nicht ab. Gerade einmal drei Programme waren EU-weit im Oktober 2014 zur Umsetzung der Jugendga-rantie genehmigt worden.

Inzwischen hat sich das Blatt gewendet. In ihrer Drei-jahresbilanz der Jugendgarantie und Jugendbeschäfti-gungsinitiative vom Oktober 2016 stellt die EU-Kom-mission fest: „Die Jugendgarantie ist EU-weit Wirklich-keit geworden. 14 Millionen junge Menschen haben seit Januar 2014 an Jugendgarantie-Programmen teilge-nommen.“ Die Jugendarbeitslosigkeit ist in der EU ins-gesamt gesunken und in den meisten Mitgliedstaaten sogar schneller als die der erwachsenen Bevölkerung insgesamt. Die Einführung der Jugendgarantie hat in vielen Mitgliedstaaten substanzielle Strukturreformen bei der Arbeitsvermittlung, im Bereich der beruflichen

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Bildung und beim Übergang von der Ausbildung in den Beruf nach sich gezogen.

Das Beispiel zeigt, dass eine rein fachliche Beurteilung europäischer Politik alleine an der Verfügbarkeit von Wissen aus der nationalen oder regionalen Perspektive eine Herausforderung darstellen kann. Hinzu kommt, dass die Zustimmung zur Jugendgarantie und zur Ju-gendbeschäftigungsinitiative auch eine bejahende eu-ropapolitische Grundhaltung erforderte, die nicht selbstverständlich ist. Im Gegenteil. Der Status Quo be-günstigt in den meisten Fällen eher die Beibehaltung der bestehenden nationalstaatlichen Regelungen. Än-derungen schaffen grundsätzlich Unsicherheit und Argwohn, zumal wenn sie aus der EU angestoßen wer-den.

In einem solchen Kontext Offenheit für neue Impulse oder neue Anforderungen aus der EU zu schaffen, erfor-dert ein gewisses Rückgrat beziehungsweise eine grundsätzlich europafreundliche Haltung. Und damit wären wir wieder bei dem Grundsätzlichen im Alltag der Europapolitik. Wer nicht auf jeden zweiten Vor-schlag der EU-Kommission mit dem Hinweis auf einen Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip reagieren will, der muss bereit sein, sich darauf einlassen, bewusst den europäischen Mehrwert eines Vorschlages in seine Beurteilung einfließen zu lassen und sich nicht auf die Auswirkungen in Deutschland zu beschränken. Zu-gleich erfordert dies eine verstärkte Vernetzung mit eu-ropapolitischer Expertise, um auch nach Möglichkeit die oben dargestellte Wissensproblematik zu überwin-den.

Einer solchen Vernetzung dient Europa-Professionell, die sogenannte „Hauptstadtgruppe“ der Europa-Union Deutschland, die im Mai 2009 ins Leben gerufen wurde und seitdem pro-europäische Menschen zusammen-führt, die in Deutschland (mit Schwerpunkt in der Bun-deshauptstadt Berlin) beruflich mit Europapolitik be-fasst sind. „Wir Europa-Experten sitzen alle häufig in ei-ner gewissen Isolation in unserer jeweiligen Organisa-tion und werden dort nicht selten als „die Europäer“ misstrauisch betrachtet. Mit Europa-Professionell wol-len wir uns durch die Vernetzung gegenseitig den Rü-cken stärken, damit Europa nicht im Alltag unter die Rä-der kommt.“ so drückte es einer der Initiatoren damals aus. Diese Funktion und diese Aufgabe sind heute nach wie vor gültig. Dabei darf eine europafreundliche Grundhaltung nicht mit der Naivität früherer „Hurra-Europäer“ verwechselt werden. Nicht jeder Legislativ-vorschlag der EU-Kommission ist mit Weihwasser ge-segnet. Nicht immer ist die europäische Ebene die rich-tige Handlungsebene, um ein Problem zu beheben. Aber es gibt in unserem politischen System – gerade in

einem großen Mitgliedstaat wie Deutschland – immer ein institutionell bedingtes Bias, das sich gegen eine Eu-ropäisierung richtet. Dabei ist es sowohl europapoli-tisch als auch innenpolitisch geboten, dass Deutsch-land nicht nur von anderen Mitgliedstaaten Reformen fordert, sondern gelegentlich auch den eigenen Status Quo kritisch überprüft.

Zumal sich im Nachhinein manch ein europäischer Vor-stoß als brauchbarer entpuppt, als dies auf den ersten Blick erscheint. Beispielsweise das europäische Schulo-bstprogramm, das mit Mitteln der EU-Agrarmarktpoli-tik die Ausgabe von Obst in Schulen fördert. Lange von der Bundesregierung als bürokratische, sinnlose Zweckentfremdung von EU-Haushaltsmitteln be-kämpft, schmückt sich die Politik inzwischen auch in Deutschland gerne mit dem Segen des vergünstigten Obsts für die Kinder und Jugendlichen. Das Programm wurde mittlerweile auch erfolgreich auf Milch ausge-weitet.

Europapolitik bedarf also nicht immer einer Grundsatz-diskussion. Manchmal liegt die Lösung vielmehr in der nüchternen, gut informierten Auseinandersetzung mit Details. Grundsätze sind dennoch wichtig, als Orientie-rung und gelegentlich, um Haltung zu zeigen. Gerade Europa braucht diese Haltung, die Unterstützung der Expertinnen und Experten in den Hauptstädten und in den Ländern – nicht nur sonntags, sondern eben auch von Montag bis Freitag, wenn es darum geht, unsere gemeinsamen Interessen im Konkreten voran zu brin-gen.

Sebastian Gröning-von Thüna ist Leiter des Fachbereichs Europa an der Landesvertretung Nordrhein-Westfalens

beim Bund. Ehrenamtlich ist er Ko-Sprecher von Europa-Professionell, einem Netzwerk europapolitsicher

Experten in der Europa-Union Deutschland.

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Gespräch mit Laura Garavini, Abgeordnete im italienischen Parlament

© Laura Garavini, 2017

Laura Garavini, aufgewachsen als Kind von Kirschbauern in Vignola, in der italienischen Provinz Modena, studierte Politikwissen-schaften an den Universitäten von Bologna und Rom. Unmittelbar nach der Wende zog Garavini nach Deutschland, um Italienisch an der Universität Kiel zu unterrichten. Sie blieb fast 20 Jahre, leitete ein Integrationsprojekt in Köln, arbeitete in einer italienischen Sozialberatungsstelle und für den Verein „Union der Italiener in der Welt“ (UIM). Aufsehen erregte Garavini 2007, als sie im Zuge der Mafiamorde von Duisburg die Organisation „Mafia? Nein Danke!“ gründete, wodurch es zur größten Rebellion gegen Schutz-geld-Erpressung in Deutschland kam. Seit 2008 sitzt Garavini als Abgeordnete der Demokratischen Partei für den Wahlkreis Europa der Auslandsitaliener im italienischen Parlament und ist dort zuständig für Europa und Außenpolitik. Zudem gehört sie dem Anti-mafia-Ausschuss des Parlaments an. Während der italienischen EU-Ratspräsidentschaft 2014 leitete sie die Kommission zur Be-kämpfung der organisierten Kriminalität auf europäischer und internationaler Ebene. Bundespräsident Joachim Gauck verlieh ihr 2016 das Große Verdienstkreuz des Bundesordens der Bundesrepublik Deutschland.

Europathemen: Sie sind über den Wahlkreis Europa als Ab-geordnete in das italienische Parlament gewählt worden. Was ist der Wahlkreis Europa?

Garavini: Die italienische Verfassung sieht vor, dass zwölf Abgeordnete und sechs Senatoren als Vertreter der im Ausland lebenden Mitbürger ins italienische Parlament gewählt werden. Es gibt vier Wahlkreise weltweit. Europa ist einer davon und umfasst circa 2,5 Millionen Italiener, die außerhalb Italiens in Europa wohnen. Die Kandidaten müssen im Ausland ihren Wohnsitz haben, die Wähler können sie per Präferenzstimme aus einer Liste vorge-schlagener Kandidaten direkt wählen.

Europathemen: Sie vertreten also alle außerhalb Italiens in der EU lebenden Italiener. Wie vereinen Sie deren Interessen?

Garavini: Die Interessen sind so unterschiedlich, dass sie relativ schwer zu „vereinen“ sind. Denn es geht um die Be-lange von jungen Wissenschaftlern, die an Universitäten im Europa arbeiten, genauso wie um die Sorgen von Rent-nern, die in den 60er Jahren nach Deutschland gekommen sind. Ich bin sehr in den sozialen Medien aktiv, um den

Kontakt zu möglichst vielen Wählern zu halten, reise aber auch fast jedes Wochenende zu italienischen Communi-ties in Europa, um mich über die Ansichten, Probleme und Bedürfnisse der Menschen direkt zu informieren.

Europathemen: Wo in Europa leben, abgesehen von Italien, die meisten Italiener?

Garavini: In Deutschland. Hier wohnen circa 680.000 Itali-ener. Zusammen mit der Schweiz, in der fast ebenso viele Italiener leben, ist Deutschland damit das wichtigste Land im italienischen Wahlkreis Europa.

Europathemen: Sie sind Mitglied im Fraktionsvorstand des Partito Democratico und zuständig für Europa und Außen-politik. Welche Linie verfolgt Italien in der Europapolitik?

Garavini: Die Haltung zu Europa hat sich in Italien stark verändert. Früher war Italien immer in allen Umfragen das europafreundlichste Land in Europa. Das hat sich seit eini-gen Jahren leider geändert. Wir haben jetzt auch in Italien viele Parteien und politische Bewegungen, die europakri-tisch bis antieuropäisch sind: die Lega Nord, die Fünf Sterne Bewegung, Forza Italia. Diese Parteien haben den

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Hang, Europa als Sündenbock für alle Probleme darzustel-len. Pro-europäisch sind der Partito Democratico und die Partei Neue Rechte Mitte, die zusammen die Regierung stellen. Auch eine Linksabspaltung des Partito De-mocratico ist europafreundlich. Wir vom Partito De-mocratico machen bei aller Kritik, die auch wir am aktuel-len Zustand Europas haben, stets deutlich: Europa ist nicht das Problem, Europa ist die Lösung. Also: Eine klare pro-eu-ropäische Haltung, in Abgrenzung zu einer antieuropäi-schen Opposition.

Europathemen: Wie wird die deutsche Europapolitik heute von Regierung und Opposition in Italien beurteilt?

Garavini: Das Urteil der einzelnen politischen Kräfte im Land ist unterschiedlich. Für uns als Regierungskoalition ist Deutschland unser strategischer Partner: Trotz aller Un-terschiede arbeiten wir gemeinsam für bestimmte Ziele, um die europäische Integration voranzubringen. Aller-dings sagen wir auch klar, dass wir – bei aller Wertschät-zung der deutsch-französischen Freundschaft – es für wichtig halten, dass sich alle Partner in Europa auf Augen-höhe begegnen. Eine ausgeprägt anti-deutsche Stim-mung dagegen beobachte ich bei den Oppositionspar-teien. Hier gibt es sehr stark die Tendenz, generell „die Deutschen“ für die Probleme in Europa, die Probleme in Südeuropa verantwortlich zu machen. Ich persönlich ver-suche immer deutlich zu machen, dass es von den unter-schiedlichen politischen Kräften in Deutschland unter-schiedliche Positionen beispielsweise zur Austerität oder einer Politik für Wachstum und Arbeitsplätze gibt. Es är-gert mich, wenn generell von einer Politik „der Deutschen“ die Rede ist, manchmal aber auch nur ganz speziell die Po-litik eines speziellen Finanzministers gemeint ist.

Europathemen: Sie engagieren sich im Kampf gegen die Mafia und Korruption, gehören dem Anti-Mafia-Ausschuss an. Wie groß ist das Problem heute in Italien?

Garavini: Mafia und Korruption, gehören leider weiterhin zu den Problemen Italiens. Aber in den letzten drei Jahren haben wir mit den letzten zwei Mitte-Links-Regierungen von Renzi und Gentiloni wichtige Gesetze im Kampf gegen die Korruption und gegen die organisierte Kriminalität be-schlossen. Dazu gehört zum Beispiel das Gesetz zum „Voto di scambio“, mit dem es der Mafia schwerer gemacht wird, auf Entscheidungen von öffentlichen Institutionen, zum Beispiel Stadträten, Einfluss zu nehmen. Außerdem haben wir die Bilanzfälschung wieder als Straftat einge-führt, was Berlusconi abgeschafft hatte. Die Bilanzfäl-schung ist unter anderem eine beliebte Methode, um in ei-ner Firma Schwarzgeld zu „produzieren“, das dann als Schmiergeld für Korruption verwendet wird. Dazu kom-men noch viele andere Gesetze, über die teilweise seit 30 Jahren diskutiert wurde, die nie im Parlament durchge-setzt werden konnten und jetzt beschlossen wurden. Ich

denke, wir können schon sagen, dass wir eine neue Saison der Anti-Mafia-Bekämpfung begonnen haben.

Europathemen: Wie schützt sich die öffentliche Verwaltung gegen Korruption und Einflussnahme durch die Mafia?

Garavini: Die genannten Gesetze sind auch in diesem Zu-sammenhang wichtig. Außerdem haben wir eine unab-hängige und erfolgreiche Anti-Korruptionsbehörde, der wir in den vergangenen drei Jahren umfangreiche Kompe-tenzen übertragen haben.

Europathemen: 2007 gründeten Sie auch in Deutschland eine Initiative gegen die Mafia. Was war der Anlass?

Garavini: Das war eine Reaktion auf die Mafiamorde von Duisburg im August 2007. Damals habe ich die Initiative „Mafia? Nein Danke!“ gemeinsam mit prominenten Gast-ronomen in Berlin ins Leben gerufen. Es war eine Initiative, die schon bald sehr konkrete Erfolge erzielen konnte. Denn „Mafia? Nein Danke!“ war entscheidend an der größten Rebellion gegen Schutzgeld-Erpressung außerhalb Italiens beteiligt, die es zur Jahreswende 2007/2008 in Berlin gab. Damals hatten zwei Mitglieder der neapolitanischen Ca-morra mehrere Restaurantbesitzer in der Stadt erpresst, dabei unter anderem ein Restaurant und ein Auto ange-zündet. Mit Unterstützung von „Mafia? Nein Danke!“ ha-ben sich dann zahlreiche der erpressten Gastronomen an die Polizei gewandt und Anzeige erstattet. Und das mit Er-folg: Aufgrund der Hinweise der Gastronomen konnten die beiden Camorra-Mafiosi festgenommen werden. Sie wurden später zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Und die Berliner Polizei lobte uns italienische Community in der Hauptstadt für unser Engagement im Kampf gegen die organisierte Kriminalität.

Europathemen: Wie stark ist die Mafia in Deutschland und Europa aktiv?

Garavini: Die Mafia ist ein international agierendes Unter-nehmen. Die Mafia geht immer dahin, wo Geld zu verdie-nen ist. Deutschland als reichstes Land Europas ist daher für die Mafia natürlich attraktiv. Und wir wissen aus diver-sen Ermittlungen, dass die Mafia in Deutschland in vielen Bereichen aktiv ist, von der Geldwäsche über den Drogen-handel bis zur Finanzkriminalität. In einigen Städten ha-ben Clans der Cosa Nostra, der Camorra und der ̀ Ndrang-heta ihre Gefolgsleute und Statthalter. Weil die Mafia ein international agierendes Unternehmen ist, muss sie auch grenzübergreifend bekämpft werden.

Europathemen: Wird das Problem in Europa allgemein un-terschätzt?

Garavini: Es gibt eine Neigung, die Mafia zu unterschät-zen, solange sie nicht tötet – und diese Tendenz gibt es auch in Europa. In Norditalien ist die Mafia aus diesem Grund ebenfalls lange unterschätzt worden. Mit dem Er-gebnis, dass sie sich über Jahre eingeschlichen hat und

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jetzt auch in Norditalien ein Problem ist. Alle sollten aufpassen: Gesetzeslücken in den einzelnen Staaten wer-den von der Mafia gezielt genutzt. Dort fühlt sich die Mafia weniger gefährdet und wird dort aktiv. Weil sie die Ge-wissheit hat, dass sie dort ihre Geschäfte vorantreiben kann und mutmaßlich straffrei bleibt. Auch landesspezifi-sche Rechtsvorschriften werden teilweise ausgenutzt. In Deutschland ist es zum Beispiel die seit über einem Jahr-hundert bestehende Einrichtung der GmbH. Für die GmbH haftet vor allem der Geschäftsführer, die Gesellschafter agieren im Hintergrund. Für Mafiosi eine ideale Konstruk-tion, um eine Firma in Deutschland zu gründen, durch ei-nen Strohmann leiten zu lassen und selbst im Hintergrund zu bleiben. Auch weil das Vermögen einer GmbH nicht be-schlagnahmt werden kann, wenn einer der Gesellschafter in Italien wegen Mafiamitgliedschaft verurteilt wird. Es gibt auch Fälle, in denen Mafiosi in Deutschland eine GmbH gegründet haben, nur um damit für Projekte in Ita-lien leichter an Fördergelder der EU heranzukommen.

Europathemen: Wo können die europäischen Mitgliedstaa-ten besser zusammenarbeiten, um die Mafia und Korrup-tion besser zu bekämpfen?

Garavini: Eine zentrale europäische Antimafia-Staatsan-waltschaft wäre sinnvoll, da sie die Ermittlungen besser koordinieren kann, wenn es beispielsweise gegen einen `Ndrangheta-Clan geht, der seinen Sitz in Kalabrien hat, der Rauschgift und Menschen über Nordafrika nach Spa-nien schleust, sein Geld mit einer Scheinfirma in Deutsch-land wäscht und sein Geld an der Börse in London und in Immobilien in Paris investiert. Mit dem internationalen Agieren sind nationale Staatsanwaltschaften häufig über-fordert, die gegenseitige Unterstützung und der Informa-tionsaustausch sind nicht immer reibungslos. Hier könnte eine zentrale europäische Staatsanwaltschaft effektiver arbeiten und die Mafia erfolgreicher bekämpfen.

Europathemen: Macron ist der neue französische Präsident. Deutschland wählt im Herbst eine neue Regierung. Welche Erwartungen haben Sie an eine neue deutsch-französische Achse in Europa?

Garavini: Die deutsch-französische Achse ist richtig und wichtig. Aber ich glaube, es nutzt Europa – und damit auch Deutschland und Frankreich – wenn beide Länder ihre Ini-tiativen immer möglichst rechtzeitig mit anderen europä-ischen Partnern abstimmen. So wertvoll die deutsch-fran-zösischen Beziehungen sind, sowohl historisch als auch aktuell, dürfen sie nicht zu einem Exklusiv-Club werden. Das Gefühl vieler Menschen in Europa, dass die Europapo-litik von Deutschland und Frankreich gelenkt wird, tut Eu-ropa nicht gut.

Europathemen: Auch Italien wählt spätestens Anfang 2018. Welche Rolle kann und sollte Italien Ihrer Meinung nach in der europapolitischen Entwicklung spielen?

Garavini: Altiero Spinelli hat auf Ventotene, im faschisti-schen Gefängnis, sein Manifest für Europa geschrieben. In Italien, genauer in Rom, steht die Wiege Europa – hier wur-den die Verträge unterzeichnet, die die Grundlage der heu-tigen Europäischen Union sind. Italien hat also eine sehr stolze Europa-Tradition. Und ich denke, dass Italien als drittgrößtes Land der EU für die Zukunft Europas eine wichtige Rolle nicht nur spielen kann, sondern spielen muss. Denn Italiens Erfahrungen für die aktuellen Politik Europas sind wichtig – sei es, wenn es um die Themen Migration und Einwanderung geht oder auch um den Blick auf die Probleme und Sorgen der strukturschwäche-ren Mittelmeerländer. Italien möchte gerne mit in der ers-ten Reihe stehen, wenn es darum geht, Europa stark und zukunftsfähig zu machen – damit antieuropäische Popu-listen keine Chance haben.

Europathemen: Sie wären 2013 fast Europaministerin in ei-nem deutschen Bundesland geworden. Wie kam es dazu?

Garavini: Ich bin von Thorsten Schäfer-Gümbel, dem Vor-sitzenden der hessischen SPD, angesprochen worden – und ich habe mit Freude zugesagt. Es war ein starkes Zei-chen für Europa, für eine moderne Politik, die auch den Blick über den Tellerrand nicht scheut. Ich habe den Wahl-kampf in Hessen mit großer Freude gemacht. Dass ein Landespolitiker aus dem deutschen Bundesland x in das deutsche Bundesland y wechselt, ist etwas, das als normal empfunden wird. Ich glaube, Europa ist dann in den Köp-fen der Menschen angekommen, wenn es nichts Besonde-res ist, dass eine italienische Parlamentarierin mit Familie in Deutschland auch hier politische Verantwortung über-nimmt. Das ist Europa!

Europathemen: Sie sind außerdem Trägerin des Deutschen Bundesverdienstkreuzes. Wofür wurden Sie ausgezeichnet?

Garavini: Ich bin davon überzeugt, dass die Politik Brücken bauen soll. Als Mitglied des italienischen Parlaments und dort als Vorsitzende der Deutsch-Italienischen Parlamen-tariergruppe habe ich immer versucht, die Beziehungen zwischen Italien und Deutschland zu stärken und zu ver-bessern. Bevor ich ins italienische Parlament gegangen bin, habe ich in Deutschland unter anderem in Integrati-onsinitiativen gearbeitet. Über die Anerkennung in Form des Bundesverdienstkreuzes freue ich mich sehr.

Europathemen: Was verbindet Sie mit Deutschland?

Garavini: Ich liebe dieses Land und seine Kultur. Ich bin vor über 25 Jahren nach Deutschland gekommen, wenige Wochen nach dem Fall der Mauer. Seitdem hat sich Deutschland sehr gewandelt. Auch durch Migranten ist es ein weltoffeneres, modernes, bunteres Land geworden. Das gefällt mir sehr. Ich bin stolz darauf nicht nur Europä-erin, sondern Italienerin und Deutsche zu sein.

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