Albert Reiterer 2015 Euro als Falle - Leseprobe

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  • 7/23/2019 Albert Reiterer 2015 Euro als Falle - Leseprobe

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    DER EURO ALS FALLEKann die EU Griechenland retten?

    Schon die Frage ist purer Neokolonialismus. Da gibt es ein Land, das von seiner politischen Klasse durch einenun- und wahnsinnigen Beitritt zu einer strukturell fr es ganz unpassenden Whrungsunion (WU) in die tiefsteKrise seiner Geschichte schlitterte. Nun versucht seine Bevlkerung, sich aus dem Schlamassel heraus zu

    arbeiten. Aber die herrschenden Gruppen der WU tun Alles, was in ihrer Macht steht, es daran zu hindern. Undnun stellt man die Frage: Wie knnenwirdas Land retten? Des weien Mannes Brde besteht halt diesmal nichtaus farbigen Menschen. Aber die Griechen haben ohnehin auch oft einen dunklen Taint und schwarze Haare.

    Doch der Reihe nach.

    Fr den Blick auf die Auseinandersetzungen der letzten Monate, Wochen und Tage knnen wir zweiPerspektiven whlen.

    Beginnen wir mit der nationalen! Das "Griechenlandproblem" hat sich, mittlerweile fr Alle erkennbar, zueinem Machtkampf zwischen zwei Politik-Modellenentwickelt. Das griechi sche, neo-keynesianische Modelllegte Varoufakis in seinem "Bescheidenen Vorschlag" ausfhrlich dar. Ihm diametral gegenber steht dasneoliberale Modell von Deutschland und seinen Vasallen. Wie bei diesem wirtschaftlichen wie politischen Krfte-

    Verhltnis der Ausgang im Rahmen der EU und ihrer Institutionen sein wird, kann sich jeder Mensch selbstausrechnen.

    Schwenken wir nun zu einer strker strukturellen, supra- und internationalen Perspektiveber!

    Euro und WU wurden als Automatismus einer neoliberalen Zentrum-Peripherie-Struktur in Europaentworfen. Das sollte stndige politische Eingriffe zu Gunsten des Grokapitals und der Finanz-Oligarchieberflssig machen. Alle, die lesen knnen und wollen, knnen dies in der Debatte seit Anfang der 1970er nach

    verfolgen, im Werner- und Tindemans-Plan, im Delors-Bericht; auch im gescheiterten EWS der Prgung vonHelmut Schmidt und V. Giscard d'Estaing.

    Der Kern ist: Nicht mehr Abwertungen mit ihrer vergleichsweise schonenden Verteilung der Lasten sollen zumAusgleich von Produktivitts-Differenzen zwischen den Starken und den Schwachen eingesetzt werden. An ihre

    Stelle soll die "Innere Abwertung" treten, der sinkende Lebens-Standard ausschlielich fr die Arbeitenden. Undvor allem: Eine WU macht jede selbstndige Wirtschaftspolitik, die etwa vom Pfad der neoliberalen Tugendabweichen wollte, unmglich. Das ist denn auch das zentrale Ziel, der Whrungsunion wie speziell auch dergriechischen Anpassungs-Programme. Dass nebenbei auch die griechische Demokratie vor die Hunde geht, ist

    vermutlich beabsichtigt. Wie sagte doch Juncker: Es gibt keine Demokratie gegen die Vertrge. Um das auchwirklich sicher zu stellen, hat die EU einen "unabhngigen" Finanz-Sekretr installiert, der auch in seinerAmtszeit nicht abgelst werden kann. Und jetzt glaubten die Griechen, sie knnten demokratisch entscheiden.Das muss man ihnen ein- fr alle Male austreiben.

    Die Ironie an der Geschichte mit dem Euro war: Deutschland musste zu seinem Glck gezwungen werden.Mitterand stellte Kohl vor die Wahl: deutsche Einigung und WU, oder keines von beiden. Denn die deutscheRegierung zgerte, aus dogmatischen Grnden, wegen ihrer eigenen Ideologemen. Auch traute sie den Anderennicht. Doch Delors brachte mit dem Eifer des Neubekehrten nach dem Fehlschlag des franzsischen Konsum-und Import-Keynesianismus seinen Vorschlag vor, und Mitterand drckte ihn durch.

    Die Italiener, die Spanier, die Griechen, die Osteuroper wollten auch "dazu gehren". Sie wollten "Europer"sein. Das politische Symbol mit seiner positiven Semantik siegte ber die politkonomische Vernunft. DieBevlkerung untersttzte es weitgehend. Die Brsseler Brokratie aber griff mit beiden Hnden nach diesemGottesgeschenk und ntzte die Selbstaufopferung der Schwachen.

    Und nun ist der Euro zum Kfig und zur Falle geworden. Der Eintritt in die Whrungsunion wurde ber Jahrevorbereitet. Der Austritt wre nun die einzig rationale politkonomische Lsung fr die Schwachen. Aber er wirdchaotisch ablaufen so er denn abluft , dem entsprechende Folgen haben und kurzfristig schweren Schadenanrichten. Denn die EU und die EZB wollen verhindern, dass ein solcher Austritt in eine neue selbst bestimmte

    Politik zu einem Erfolg wird. Der Vorgang ist einfach: Man stranguliert das betreffende Land und schneidet ihmden Zugang zum Bargeld ab. Bargeld ist aber in einer akuten Krisen-Situation eine strategische Ressource, wenndas betroffene Land nicht anderweitig vorsorgt. Die griechische Regierung hat dies nicht getan, weil sie in ihrergrenzenlosen Naivitt vom guten Willen der EU ausging.

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    Warum diese Erstickungspolitik? Inzwischen ist der Euro zum zentralen Symbol fr die Politik der Elitengeworden. Aber fr sie, korrigieren wir uns, ist diese Politik nicht verfehlt. Sie ist gewollt. Merkel hat in ihremSinn durchaus Recht, und mit ihr jene, wenn sie uns stndig in die Ohren murmeln: Fllt der Euro, dann fllt dieEU ihre EU.

    Darber hinaus haben die Strkeren, die Lnder des ehemaligen DM-Blocks, begriffen: Der Euro ist einGeschenk fr sie und ihre Export-Wirtschaft. Sinkt sein Kurs, wie in der letzten Zeit, dann sprudeln die Profitebesonders ppig. Steigt er aber fr eine Zeitlang, dann wirkt er kurzfristig wieder als Produktivitts-Peitsche im

    Vergleich mit der Dollar-Struktur der brigen Welt. Das tut zwar einigen Exporteuren ein bisschen weh, und sieschreien laut. Aber es kann langfristig der Wirtschaft nur ntzen. Dieses Instrument wollen sich das ZentrumDeutschland, sterreich, die Niederlande, usf., die Scharfmacher gegen Griechenland neben den Konservativenim Sden und im Osten, deren berleben dran hngt, nicht so einfach wieder entwinden lassen.

    Griechenland sitzt in der Falle. Und nicht nur die Regierung, auch die Bevlkerung zgert, diese Falle zuzerbrechen. Denn langsam begreifen sie: Auch der Austritt aus der Eurozone reicht nicht. Was wrde passieren?Es wrde bzw. wird nach dem Austritt einen zwar kurz fristigen, aber in dieser Zeit scharfen Knick nach untengeben, bevor die Erholung beginnt. Nicht nur ein Schuldenschnitt von bisher ungekanntem Ausma wirdnotwendig. In dieser Zeit wrden die griechischen Banken kollabieren. Sie mssen also verstaatlicht werden. Der

    Auenhandel muss nach den Prioritten des Landes und nicht einfach nach der Kaufkraft der Wohlhabendenorganisiert werden. Dies Alles steht diametral gegen die Regeln der EU. Im Rahmen des Imperiums lsst sich

    dies nicht machen, oder nur, wenn es die Brokratie von oben befiehlt, siehe Zypern. Der Austritt aus derEurozone hat entweder einen Zusammen bruch zur Folge. Oder aber er muss Konsequenzen haben: denAustritt aus der EUnmlich.

    Tsipras wurde nicht "gezwungen". Das ist immer noch das schonende Mrchen seiner Bewunderer, welche dieWirklichkeit nicht sehen wollen und ihren Helden weiter anhimmeln mchten. Er wagte diesen politischenSchritt nicht. Verantwortlich ist somit nicht Merkel und Holland, nicht einmal Schuble. Die agierten ganzselbstverstndlich in ihrem eigenen Sinn.

    Verantwortlich ist einzig und allein Tsipras, und zwar auf eine persnliche Weise, die kaum je so deutlich wirdwie hier. Denn mit der Volksabstimmung hatte er dazu das Mandat. Man soll die Bevlkerung nicht fr so dummhalten, wie es die Journalisten gern tun. Die berwltigende Mehrheit, welche am 5. Juli mit NEIN stimmte,

    wusste recht genau, was sie tat. Mit seiner Politik hat sich Tsipras und die Mehrheit der SYRIZA-Abgeordnetenselbst in die Kompradoren-Gruppe gestellt, aus der die griechische Politik seit je weitgehend besteht. Und jetzt

    hat er noch die Stirn zu sagen: Es ist zwar falsch, aber bitte stimmt trotzdem dafr.In der Euro-Falle sitzen auch Spanien, Italien, Slowenien, in Krze wohl auch Frankreich. Aber ihre Regierungensind bereit, die langfristige Stagnation in Kauf zu nehmen, zum Vorteil ihrer Eliten. Die meisten dieser Politikersehen dies ja ohnehin als Tugend. Die spanische Regierung hat ihr Strangulierungs-Programm schlielich selbstentworfen und nach Brssel geschickt. Zu Hause aber hat sie erzhlt: Brssel zwingt uns dazu.

    Der Euro ist ein hchst effektives Instrument der Gesellschaftsspaltung. Fr alle sichtbar, gilt dies fr dieLnder der sdlichen und stlichen Peripherie. Es gilt aber auch fr das Zentrum. Es gibt nicht wenige, welchedie Fehler der frheren und jetzigen deutschen Regierungen beklagen, ihre Politik der Lohnsenkung und derforcierten Exporte Flassbeck wird nicht mde, dies zu wiederholen. Aber das sind keine Fehler. Es ist dasProgramm des Euro. Es ist die DNA der Whrungsunion. In der Euro-Falle sitzen somit auch wir in den

    Lndern des Zentrums, zumindest, soweit wir nicht der Oberschicht und den wenigen Gewinnern aus der Politikdes Imperiums angehren.

    Text aus:

    Albert F. Reiterer: Denkwende. Zur Schlacht um den Euro, pad-Verlag, Bergkamen 2015, S 5 ff.

    77 Seiten, 5 Euro: Bezug: pad-verlag, Am Schlehdorn 6, 59192 Bergkamen

    e-Mail: [email protected]

  • 7/23/2019 Albert Reiterer 2015 Euro als Falle - Leseprobe

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    Neuerscheinung

    Albert F. Reiterer

    Denkwende -

    Zur Schlacht um den Euro

    77 Seiten, 5 Euro

    INHALT:

    Der Euro als Falle / Denkumkehr. Die "gute" EU, der unddie Folgen: Flassbeck, Lapavitsas und ihre Grundlagen / Neuerlicher Paradigmen-

    Wechsel oder was man da so nennt. Die Konservativen, die Sozialdemokratie undPiketty / "Refeudalisierung"? Finanzialisierung: Die Rckkehr des Kapitals - Aus Anlasseiner Arbeit von Piketty/Zucman / Der Euro, die EU, Griechenland und Wir / DieGewerkschaften und die EU - Ein Buch des DGB-"Instituts fr Makrokonomie undKonjunkturforschung" ?

    Der Euro ist inzwischen zum zentralen Symbol fr die Politik der Eliten und zu einemhchst effektiven Instrument der Gesellschaftsspaltung geworden: er hat die Gegenstze

    vergrert, die Konflikte verschrft und die wirtschaftlichen Grben vertieft. Anstelledes Ausgleichs des Wohlstandsgeflles steht Europa vor den Trmmern des Projektesseiner Eliten.

    Nicht mehr Abwertungen mit ihrer vergleichsweise schonenden Verteilung der Lasten sollen zumAusgleich von Produktivitts-Differenzen zwischen den Starken und den Schwachen eingesetzt werden.An ihre Stelle soll die 'Innere Abwertung' treten, der sinkende Lebens-Standard ausschlielich fr dieArbeitenden. Und vor allem: Eine Whrungsunion macht jede selbstndige Wirtschaftspolitik, die etwavom Pfad der neoliberalen Tugend abweichen wollte, unmglich. Das ist denn auch das zentrale Ziel, der

    Whrungsunion wie speziell auch der griechischen Anpassungs-Programme. Dass nebenbei auch diegriechische Demokratie vor die Hunde geht, ist vermutlich beabsichtigt. In der Euro-Falle sitzenauch Spanien, Italien, Slowenien, in Krze wohl auch Frankreich. Aber ihre Regierungen sind bereit,die langfristige Stagnation in Kauf zu nehmen, zum Vorteil ihrer Eliten. (aus dem einleitendenBeitrag Der Euro als Falle)

    Die vorliegende Verffentlichung ist ein weiterer Beitrag zur Durchmusterung derIllusionen, Trugbilder und Scheinlsungen des europischen Selbstbetruges und derdahinter liegenden Interessen.

    pad-verlag Am Schlehdorn 6 59192 Bergkamen / [email protected]