Wohnen im Alter Gemeindeversammlung Kriegstetten 9. Dezember 2010.
Allianz Wohnen im Alter
-
Upload
christoph-buecheler -
Category
Documents
-
view
216 -
download
0
description
Transcript of Allianz Wohnen im Alter
Allianz Dresdner Economic Research
Working Paper Nr.: 70, 2. Oktober 2006
Autor: David F. Milleker _________________________________________________________________
Wohnen im Alter: Bestandsaufnahme und Marktpotenziale
Einleitung und Zusammenfassung 2 Die „neuen Alten“: Finanzstark und mit lebensbejahender Einstellung 3 Wohnsituation der Älteren 6 Ältere überdurchschnittlich zufrieden mit ihrer Wohnsituation 10 Hauptwunsch: Selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden 11 Potenzial im Top-Segment: Smart City Housing 12 Pflegeimmobilien: Bedarf nicht überschätzen 13 Erschließung von Marktpotenzialen setzt geeignete Finanzierungsinstrumente voraus 15 Literatur 19
1
Einleitung und Zusammenfassung Der demographische Wandel ist auch für den deutschen Wohnimmobilienmarkt ein Megathema.
Das zeigt sich schon allein daran, dass der Anteil der Haushalte mit Personen über 65 Jahren von
heute knapp unter 30 % an der Gesamtheit auf über 40 % im Jahr 2035 ansteigen wird. Allzu häu-
fig wird jedoch der Fehler gemacht, dies als Bedrohung anzusehen. Zwar ist nicht zu leugnen, dass
insbesondere der ländliche Raum in Deutschland hinsichtlich seiner Bevölkerung erheblich aus-
dünnen wird. Doch schon für die Ballungsgebiete gilt das nicht uneingeschränkt. Auch darf das
Thema der Alterung nicht beständig mit Krankheit und Senilität in Verbindung gebracht werden. Im
Gegenteil – die Generation der „neuen Alten“ ist heute gesünder, materiell besser ausgestattet und
lebensfreudiger als jede ihrer Vorgängergenerationen.
Zahl und Alterszusammensetzung der deutschen HaushalteMillionen
0
10
20
30
40
50
1990
1995
2000
2005
2010
2015
2020
2025
2030
2035
2040
2045
2050
bis 65 Jahre ab 65 JahreQuelle: Statistisches Bundesamt, Allianz Dresdner Economic Research Schätzung
Der demographische Wandel hat somit das Potenzial auf mittlere Sicht einer der großen Treiber für
die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in Deutschland zu werden. Mit Bezug auf die Wohnraumnut-
zung zeigen Befragungen ein eindeutiges Bild: Die überwiegende Mehrheit der heutigen Rentner-
generation ist mit ihrer Wohnsituation überaus zufrieden und will nach Möglichkeit in der derzeit
genutzten Immobilie bleiben. Fast alle tun dies auch, selbst wenn dies mit zunehmendem Lebens-
alter beschwerlicher werden sollte. Neben dem enger werdenden Finanzierungsgerüst für die ge-
setzliche Pflegeversicherung ist dies der Hauptgrund dafür, weshalb der Bedarf an Pflegeimmobi-
lien mit großer Wahrscheinlichkeit erheblich überschätzt wird.
Gefragt sind vielmehr solche Leistungen, die einen möglichst langen Verbleib in den eigenen vier
Wänden ermöglichen. Befragungsdaten deuten darauf hin, dass einer hohen individuellen Be-
2
darfseinschätzung allerdings eine nur sehr beschränkte Inanspruchnahme gegenübersteht. Dies
deutet auf bislang unerschlossene Marktpotenziale in diesem Bereich hin. Die Gesellschaft für
Konsumforschung (GfK) quantifiziert diesen auf rund 15 Mrd. EUR/Jahr im Bereich von Moderni-
sierungs- und Instandhaltungsleistungen sowie auf rund 26 Mrd. EUR/Jahr im Bereich der ergän-
zenden Service- oder Assistance-Leistungen. Derartige Finanzvolumina dürften sich jedoch aus
dem laufenden Einkommen kaum mobilisieren lassen, so dass es spezifischer Finanzierungs- oder
Vorsorgeinstrumente bedürfen wird.
Die „neuen Alten“: Finanzstark und mit lebensbejahender Einstellung Man kann kaum einen größeren Fehler machen, als die heutige Rentnergeneration mit den gängi-
gen Altersklischees von Armut und Krankheit zu belegen. Nach Auswertung des Soziökonomi-
schen Panels des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) lag das mittlere äquivalenz-
gewichtete* Einkommen von Personen über 65 Jahren im Jahr 2002 bei 18.533 EUR, d.h. bei 91 %
des deutschen Durchschnittswertes. Seit den achtziger Jahren hat sich die Relation des Einkom-
mens von Haushalten der Generation über 65 Jahren gegenüber dem deutschen Durchschnitts-
wert um rund 8 Prozentpunkte verbessert. Hieraus erklärt sich vielleicht auch, warum faktische
Zustandsbeschreibung und öffentliche Wahrnehmung so deutlich auseinanderfallen. Zudem liegt
die Inzidenz von Einkommensarmut bei der Generation von über 65 Jahren mit unter 13 % unter-
halb des deutschen Durchschnitts. Bei entsprechenden Zwei-Personenhaushalten liegt sie mit 8 %
sogar deutlich unterhalb des Durchschnitts.
Gleichwohl darf bei der Betrachtung nicht übersehen werden, dass es innerhalb der betreffenden
Generation eine erhebliche Spannbreite gibt. Insbesondere alleinstehende Frauen dieser Alters-
gruppe weisen sowohl eine deutlich geringere relative Einkommensposition als auch ein deutlich
höheres Armutsrisiko auf (Grabka 2004, 2005). Zudem lässt sich auch feststellen, dass die jeweils
älteren Generationenkohorten ein etwas niedrigeres Einkommensniveau aufweisen als die jünge-
ren Generationenkohorten. Dies reflektiert in hohem Maße den im Zeitablauf gestiegenen Ein-
kommens- wie auch Vermögenswohlstand, der den jüngeren Jahrgängen sowohl eine höhere Aus-
gangsbasis für den individuellen Rentenbezug aus gesetzlichen Systemen als auch für Kapitalein-
künfte sichert.
* Die Äquivalenzgewichtung bei der Beschreibung von Einkommenssituationen dient der besseren Vergleichbarkeit in Bezug auf die Angemessenheit des Einkommens mit Blick auf die Realisierung von Konsumbedarf. Einzelnen Personen eines Haushaushalts werden bestimmte Gewichte zuge-wiesen, etwa um Fixkosten der Haushaltsführung besser abzudecken. Nach der vom DIW verwen-deten einheitlichen OECD-Skala wird etwa dem Haushaltsvorstand ein Gewicht von 1, jeder weite-ren erwachsenen Person ein Gewicht von 0,5 und jedem Kind unter 14 Jahren ein Gewicht von 0,3 zugewiesen.
3
Alterseinkommen auf hohem NiveauDurchschnittliches Pro Kopf Monatseinkommen nach Altersklassen
1528
1346
15361615
0
500
1000
1500
2000
Gesamt 70 bis 85 55 bis 69 40 bis 54
Quelle: Deutsches Institut für Altersvorsorge, Alterssurvey 2002
Der überwiegende Teil der Alterseinkommen wird nach wie vor aus den gesetzlichen Rentensys-
temen gespeist. In der Bedeutung folgen Vermögenseinkommen und Betriebsrenten. Mit der Flexi-
bilisierung der Arbeitswelt gewinnen jedoch zunehmend auch ergänzende Einkünfte aus Erwerbs-
arbeit an Bedeutung.
Zusammensetzung des Einkommens eines RentnerhaushaltsDurchschnittlicher Rentnerhaushalt nach EVS 2003
Quelle: Deutsches Institut für Altersvorsorge
4% 1%
19%
72%
4%
unselbstständige Arbeit
selbstständiger Arbeit
Vermögen
GesetzlicheRentenversicherungBetriebsrenten
4
Ebenfalls bemerkenswert ist die Tatsache, dass die heutige Rentnergeneration in erheblichem
Umfang weiterhin Ersparnisse bildet und darüber hinaus auch noch in erheblichem Umfang Trans-
ferleistungen an Familienangehörige außerhalb des eigenen Haushalts abgibt. So sind rund 64 %
aller Rentnerhaushalte Netto-Sparer mit einer durchschnittlichen Sparquote von 9,5 %. Fast 16 %
leisten eine durchschnittliche Einkommensübertragung an Angehörige mit einem monatlichen
Durchschnittswert von 347 EUR oder 2,5 % ihrer verfügbaren Einkommen (Grabka 2004).
Auch die Vermögenssituation der Älteren ist beachtlich. Vom Gesamtgeldvermögen im Jahre 2002
in Höhe von 1.200 Mrd. EUR entfielen 35 % auf die Generation der über 60-Jährigen. Fasst man
die Gruppe weiter und rechnet alle über 50-Jährigen hinzu, so entfallen sogar 61 % des gesamten
Geldvermögens auf die älteren Mitbürger (Cirkel/Hilbert/Schalk 2004).
Altersvermögen können sich sehen lassenDurchschnittliches Bruttogeldvermögen eines Haushalts in 1.000 EUR nach Alter
0,010,020,030,040,050,060,070,0
unter 25 25 bis35
35 bis45
45 bis55
55 bis65
65 bis70
70 bis80
80+
Baupar- und Sparguthaben sonstige Anlagen bei BankenAktien RentenwerteAktienfonds sonstige VermögensbeteiligungenVersicherungsguthaben
Quelle: Deutsches Institut für Altersvorsorge
Die bislang dargestellten Daten und Fakten belegen, dass bei den Älteren ein erhebliches Potenzi-
al an Kaufkraft besteht. Das bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass dieses auch automatisch ge-
nutzt wird. Allerdings zeigen Befragungsdaten, dass es sich bei den Älteren um eine in zunehmen-
dem Maße konsumorientierte Altersschicht handelt. Im Gegensatz zu den ökonomischen Daten,
die bei Älteren nahezu ausschließlich auf die Generation 65+ abstellen, liegen die meisten Befra-
gungsdaten wahlweise für die Generation 50+ oder 55+ vor. Das erschwert zwar manchmal die
unmittelbare Vergleichbarkeit, ohne Zugriffsmöglichkeit auf die Primärdaten muss man mit dieser
Schwierigkeit jedoch auskommen.
5
Zunehmend hedonistische Selbsteinschätzung„Generation 50plus“
Angaben in Prozent
6
21
37
25
11
38
18
6
12
33
36
14
5
10
29
0,0 5,0 10,0 15,0 20,0 25,0 30,0 35,0 40,0
trifft völlig zu
trifft eher zu
teils/teils
trifft eher nicht zu
trifft überhaupt nicht zu
1992 1999 2002
Quelle: Institut für Arbeit und Technik
Wie die vorangegangene Grafik zeigt, hat sich in den vergangenen zehn Jahren die Selbstein-
schätzung der Generation 50+ deutlich verschoben. Das gilt insbesondere für die Einschätzung, ob
eine hedonistische Lebenseinstellung als „überhaupt nicht“ oder als „völlig“ zutreffend charakteri-
siert wird. Die erste Einschätzung hat sich mehr als halbiert, letztere genau verdoppelt.
Welche Konsumkraft in der Generation 50+ gebündelt ist, zeigen etwa auch folgende Beispiele
(zitiert nach Cirkel/Hilbert/Schalk 2004). So kaufen Menschen über 50:
• 45 % aller Neuwagen und 80 % der Neuwagen der Luxusklasse
• 50 % aller Gesichtspflegemittel
• 55 % des Kaffees
• 35 % aller Pauschalreisen und 80 % aller Kreuzfahrten
Da die Generation 50+ etwa über die Hälfte der frei disponiblen Einkommen in Deutschland ver-
fügt, zeigt sich an den oben genannten Daten ein etwa mit dem Einkommen proportionaler Kon-
sumanteil – jedoch mit deutlichen Abweichungen hin ins Segment des qualitativ höherwertigen
Konsums.
Wohnsituation der Älteren Wie für die deutsche Bevölkerung insgesamt ist der Status des Mieters die dominierende Wohn-
form der Rentnergeneration. Gemessen an der Gesamtzahl der Haushalte der Altersgruppe 65+
wohnen rund 41 % der Rentnerhaushalte im Eigenheim. Dies liegt geringfügig unterhalb des natio-
nalen Durchschnitts einer Eigentümerquote von 42 %. Dies ist sowohl national als auch internatio-
6
nal charakteristisch und lässt sich dadurch erklären, dass im Zeitablauf mit steigendem materiellen
Wohlstand auch zunehmend Wohneigentum gebildet wird. Dabei findet die Eigentumsbildung
meist zwischen dem dreißigsten und fünfzigsten Lebensjahr statt. Bei unseren europäischen
Nachbarn eher an der unteren, in Deutschland eher an der oberen Grenze. Somit ist es als normal
anzusehen, dass die unmittelbar jeweils nachfolgende Generation eine etwas höhere Eigentümer-
quote aufweist als ihre Vorgängergeneration (Beyerle/Milleker 2005a). In einigen Fällen wie bei
den Niederlanden oder Großbritannien ist dies aufgrund der Liberalisierung des Hypothekenmark-
tes sogar besonders ausgeprägt (Beyerle/Milleker 2005b).
Wohnstatus der RentnergenerationProzent der Haushalte
EU15
64,6
31
4,4
EigentümerMieterandere (z.B. Mitbewohner)
Deutschland
40,7
52,7
6,6
EigentümerMieterandere (z.B. Mitbewohner)
Quelle: Eurostat
Der Unterschied zwischen Eigentümer und Mieter fällt sowohl in Deutschland als auch in Westeu-
ropa eng zusammen mit der dominanten Wohnform. Eigentümer wohnen zumeist in einem Haus,
während die dominante Wohnform unter den Mietern die Wohnung darstellt.
Im Falle der Rentnerhaushalte sind aber auch zwei alternative Wohnformen in verhältnismäßig
starker Ausprägung anzutreffen, die in anderen Alterskohorten so gut wie nicht vorkommen. So ist
die Klasse der Wohnformen jenseits von Mieter- und Eigentümerstatus mit immerhin 6,6 % vertre-
ten. Diese 6,6% teilen sich wieder etwa hälftig auf in einerseits das Bewohnen von Häusern oder
Wohnungen und andererseits in andere Formen des Wohnens (z.B. Heim, Pflegeinrichtung). Hierin
spiegelt sich nach unserer Einschätzung die Wohnsituation von pflege- oder betreuungsbedürftigen
älteren Menschen wider. Denn es ist immer noch der Normalfall, dass die Betreuung dieser Perso-
nengruppe nicht in erster Linie in Altenheimen, sondern in der Verwandtschaft stattfindet – etwa
indem im Haus der Kinder eine entsprechende Einliegerwohnung eingerichtet wird. Der Grundtrend
geht jedoch in Richtung des vermehrten Einsatzes von professionellen Einrichtungen.
7
Wohnarten der Rentnergeneration nach StatusProzent der jeweiligen Haushalte
EU15
69,1
26,3
58,3
23,9
67,821,7
7 5,415,6
0%10%20%30%40%50%60%70%80%90%
100%
Eigentümer Mieter andere (z.B.Mitbewohner)
andere (z.B. Heim)WohnungHaus
Quelle: Eurostat
Deutschland
63,2
14,1
43,7
15
70 9,1
21,8 15,8
47,3
0%10%20%30%40%50%60%70%80%90%
100%
Eigentümer Mieter andere (z.B.Mitbewohner)
andere (z.B. Heim)WohnungHaus
Hinsichtlich der Ausstattung des Wohnraums der Rentnergeneration zeigen die statistischen Daten
zunächst einmal einen vordergründigen Widerspruch. Auf der einen Seite ist die zur Verfügung
stehende Zimmerzahl im Schnitt um fast einen halben Raum größer als in der Gesamtbevölkerung.
Auf der anderen Seite ist die Pro-Kopf zur Verfügung stehende Zahl an Quadratmetern kleiner.
Rentner mit überdurchschnittlicher Raumausstattung Zimmerzahl pro Kopf
EU15
2,0
2,4
1,8
1,9
2,0
2,1
2,2
2,3
2,4
2,5
Gesamtbevölkerung Rentner
Quelle: Eurostat
Deutschland
1,9
2,3
0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
Gesamtbevölkerung Rentner
8
Wohnfläche verändert sich mit dem Alter- Durchschnittliche Wohnfläche in Quadratmeter pro Haushalt nach Alter-
40
50
60
70
80
90
100
110
25 28 31 34 37 40 43 46 49 52 55 58 61 64 67 70 73 76 79 82 85 88
West Ost
Quellen: SOEP, Durchschnitt der Jahre 1991 – 2001.
Dieser scheinbare Widerspruch löst sich indes auf, wenn man dem „kohortenspezifischen Wohn-
raumbesatz“ Rechnung trägt. Darunter ist zu verstehen, dass im Zeitablauf die genutzte Wohnflä-
che im Trend immer weiter zugenommen hat. Jede Generation hat sich an eine größere Wohnflä-
che gewöhnt als ihre jeweilige Elterngeneration. Wohnraumvergrößerungen je Haushalt finden
jedoch meist nur bis zu einem bestimmten Lebensalter statt und erreichen kurz nach der Familien-
gründung ihren Höhepunkt. Umzüge danach sind die Ausnahme. Der aktuell genutzte Wohnraum
wird danach selbst bei einer veränderten familiären Situation wie dem Auszug der Kinder oder bei
Scheidungen beibehalten. Das gilt selbst dann, wenn dies – wie im Falle von Scheidungen – an die
finanzielle Schmerzgrenze oder in Einzelfällen sogar darüber hinausgeht. Letzteres wird etwa dar-
aus ersichtlich, dass ein beträchtlicher Teil der in den letzten Jahren vollzogenen Zwangsvollstre-
ckungen darauf zurückzuführen ist, dass eine überdimensionierte Immobilie zu lange gehalten
wurde (Beyerle/Milleker 2005a).
Per saldo ergibt sich für Deutschland das Bild einer zwar unter den heute Älteren hohen Persistenz
des Wohnraums, allerdings mit ansteigender Fläche im Durchschnitt der Älteren, da die nachrü-
ckenden Rentnergenerationen zwar wiederum in ihrer Wohnsituation eine Persistenz aufweisen,
allerdings einen höheren Flächenverbrauch pro Haushalt mitbringen.
9
Ältere überdurchschnittlich zufrieden mit ihrer Wohnsituation Schon die Tatsache, dass die Umzugsbereitschaft in der Rentnergeneration unterdurchschnittlich
ausgeprägt ist, spricht für eine grundsätzlich hohe Zufriedenheit mit der persönlichen Wohnsituati-
on. Dies wird durch repräsentative Umfragen des europäischen Statistikamtes noch weiter unter-
strichen. So geben etwa nur knapp über 5 % aller Rentnerhaushalte an, dass sie Probleme mit der
Wohnfläche hätten. In der Gesamtbevölkerung sind es dagegen fast dreimal so viele. Auch wenn
man die Befragungsgrundlage neben der Fläche auf Faktoren wie Lärm, Dunkelheit, unzureichen-
de Heizung, unzureichende Isolierung, Verschmutzung und Kriminalität ausdehnt, geben unter den
Rentnerhaushalten in Deutschland nur gut 6 % an mit drei oder mehr dieser Problemfelder kon-
frontiert zu sein. Im Bevölkerungsmittel gibt dagegen jeder Zehnte eine entsprechende Auskunft.
Rentnerhaushalte mit eigener Wohnsituation überdurchschnittlich zufrieden
Problem mit Wohnfläche
14,3
5,2
0,0
2,0
4,0
6,0
8,0
10,0
12,0
14,0
16,0
Gesamtbevölkerung Rentner
Quelle: Eurostat
mehr als drei genannte Problemfelder*
10,3
5,8
0,0
2,0
4,0
6,0
8,0
10,0
12,0
Gesamtbevölkerung Rentner
* Fläche, Lärm, Dunkelheit, unzureichende Heizung, Isolierung, Verschmutzung, Kriminalität
Zur überdurchschnittlichen Zufriedenheit der Rentnerhaushalte mit ihrer individuellen Wohnsituati-
on trägt auch bei, dass die Belastung durch Ausgaben für Wohnraum generell geringer einge-
schätzt wird als im Mittel der Gesamtbevölkerung. Dieser Einschätzungsunterschied ist bei Rent-
nern, die gleichzeitig Eigentümer ihrer Immobilie sind, in besonderer Weise ausgeprägt. Nur 5,1 %
der Gruppe Eigentümer/Rentner sehen eine schwere Belastung durch Wohnausgaben – gegen-
über 8,3 % in der Eigentümer/Gesamtbevölkerung-Gruppe, 15,9 % in der Mieter/Rentner-Gruppe
und 19,1 % in der Mieter/Gesamtbevölkerung-Gruppe. Dagegen schätzen 54,7 % der Eigentü-
mer/Rentner-Gruppe die Ausgaben für Wohnraum als gering ein, im Vergleich zu 48,8 % in der
Eigentümer/Gesamtbevölkerung-Gruppe, 38,4 % in der Mieter/Rentner-Gruppe und 34,9 % in der
Mieter/Gesamtbevölkerung-Gruppe.
10
Rentnerhaushalte sehen relativ geringe Belastung durch Wohnausgaben
Eigentümerhaushalte
8,3
43,348,4
54,7
5,1
40,2
0,0
10,0
20,0
30,0
40,0
50,0
60,0
SchwereBelastung
MittlereBelastung
GeringeBelastung
Gesamtbevölkerung Rentner
Quelle: Eurostat
Mieterhaushalte
19,1
46,0
34,938,4
15,9
45,7
0,05,0
10,015,020,025,030,035,040,045,050,0
SchwereBelastung
MittlereBelastung
GeringeBelastung
Gesamtbevölkerung Rentner
Hauptwunsch: Selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden Angesichts überdurchschnittlicher Wohnraumausstattung wie auch überdurchschnittlicher Zufrie-
denheit mit Wohnraumsituation und –kosten kann es kaum verwundern, dass das selbstbestimmte
Leben in den eigenen vier Wänden auch mit deutlichem Abstand die präferierte Wohnform der
Generation 55+ für den eigenen Lebensabend ist. Die nachfolgenden Angaben einer Befragung
des InWIS-Instituts an der Ruhr Universität Bochum (Eichener 2006) unterstreichen dies deutlich.
Eine besonders reichhaltige Interpretation lassen die Daten dann zu, wenn man eine klare Unter-
scheidung zwischen der Antwort auf vorstellbare Wohnformen mit „ja“ und „eventuell“ trifft und
ersterer eine höhere Präferenz zuordnet als letzterer. In diesem Fall ändert sich nämlich die Abfol-
ge der von den Befragten als vorstellbar genannten Wohnform. Die klare Präferenz geht dann hin
zu einem eigenständigen Verbleib in der eigenen Wohnung, gegebenenfalls unter Zukauf von
Dienstleistungen oder dem altersgerechten Umbau. Dann folgt das Zusammenziehen mit den Kin-
dern, wobei die Präferenz hier bei einer weitgehenden Beibehaltung von Autonomie (Wohnung im
Haus der Kinder gegenüber Wohnung mit Kindern) liegt. Erst danach folgen Seniorenresidenz oder
Altenwohnheim. Wohnformen wie die Senioren-WG oder Hausgemeinschaft sind dagegen sowohl
in der präferenzdifferenzierten wie der -undifferenzierten Betrachtung am wenigsten begehrt.
11
Vorstellbare Wohnformen im Alter- Mieter Westdeutschland, älter als 55 Jahre -
Angaben in Prozent
40,9
23,6
27,1
26,3
12,1
24,8
8,9
15,9
6,0
6,1
37
33,5
44,3
29,5
35
22,7
29,8
19,3
29,9
42,6
0,0 10,0 20,0 30,0 40,0 50,0 60,0 70,0 80,0
normale Wohnung
Wohnung mit Dienstleistung
Service-Wohnen
jetzige Wohnung umbauen
Seniorenresidenz
Wohnung im Haus der Kinder
Altenwohnheim
Wohnung mit Kindern
Hausgemeinschaft
Wohngemeinschaft
ja eventuell
Quelle: InWIS
Potenzial im Top-Segment: Smart City Housing Obwohl der Verbleib im Wohnraum des aktiven Lebensabschnitts mit Sicherheit nicht nur
Wunschwohnform der meisten älteren Mitbürger ist und bleiben dürfte, darf nicht übersehen wer-
den, dass insbesondere im gehobenen Einkommenssegment der „Silver Ager“ nicht nur eine stark
hedonistische Lebensauffassung vorherrscht, sondern auch eine hohe Experimentierfreude und
Mobilitätsbereitschaft. Unsere Kollegen von der Deutschen Gesellschaft für Immobilienfonds (Degi)
weisen etwa auf einen steigenden Anteil der Generation 55+ hin, die nach eigenen Angaben ins-
besondere auf eine starke Nähe zu kulturellen Angeboten Wert legt und deshalb gerne innenstadt-
nah leben möchte. Dabei wolle man auf den Komfort von ein wenig Garten sowie Autostellplätzen
nicht verzichten. Entsprechende Angebote für ein „Smart City Housing“, die noch dazu mit gebün-
delten Dienstleistungsangeboten wie Wohnungsreinigung oder Einkaufsservice („Concierge Servi-
ces“) zusammengefasst sind, werden bislang jedoch kaum offeriert. Selbst wenn bei der Stadtpla-
nung entsprechend Wert auf eine Heterogenität der Quartiersentwicklung zwischen Lebens- und
Geschäftsraum gelegt wird, wird die Generation der Best Ager hier kaum explizit berücksichtigt
(Beyerle 2006).
Versucht man das sicherlich nicht übermäßig große Potenzial für eine derartige Wohnform etwa in
Zahlen zu übertragen, so bietet es sich an, etwa die Einteilung in sogenannte Sinus-Milieus zu
Grunde zu legen. Bei den Sinus-Milieus handelt es sich um die Erfassung einer Gesellschaft nach
Einkommen (Oberschicht, Mittelschicht, Unterschicht) und Grundorientierung: Traditionelle Werte,
Modernisierung I (Konsum-Hedonismus), Modernisierung II (Patchworking/Virtualisierung). Es
entsteht eine 3x3-Matrix, der bestimmte Zielgruppen quantitativ zugeordnet werden können. Nach
12
unserer Einschätzung kommt für eine Wohnform wie das Smart City Housing im Alter eigentlich nur
die Grundorientierungsgruppe Modernisierung II mit einem überdurchschnittlichen Einkommen in
Frage. Nach der etwa von Cirkel, Hilbert und Schalk (2004) dargestellten Aufteilung der Generation
50+ in Sinus-Milieus läge das ableitbare Potenzial für entsprechende Wohnformen bei zwischen
0,5 und 1,5 Millionen Haushalten. Bezogen auf die Grundgesamtheit sind dies aber immerhin bis
zu 5 % dieser Generation. Mit anderen Worten eine kleine, aber sicherlich nicht unlukrative Markt-
nische.
Pflegeimmobilien: Bedarf nicht überschätzen Ein steigender Bedarf an Pflegeimmobilien dürfte mit zu dem Ersten gehören, was gemeinhin ein-
fällt, wenn man über das Altern der Gesamtbevölkerung und Wohnen spricht. Und in der Tat steigt
mit zunehmendem Alter das Pflegerisiko deutlich an, wie die nachfolgende Grafik veranschaulicht.
Pflegefallrisiko nach Alter und Geschlecht
Prozent der jeweiligen Altersklasse
0,0 10,0 20,0 30,0 40,0 50,0 60,0 70,0
< 60
60 - 64
65 - 69
70 - 74
75 - 79
80 - 84
85 - 90
90-94
95+
Männer Frauen
Quelle: Statistisches Bundesamt
Allerdings gibt es eine Reihe von stichhaltigen Gründen, weshalb der Bedarf an Pflegeeinrichtun-
gen nicht überschätzt werden darf. Dazu zählt nicht zuletzt, dass gesündere Lebensweise und
insgesamt steigende Lebenserwartung auch die Altersgrenzen für die Pflegebedürftigkeit immer
weiter hinausschieben.
Ein weiterer – gewiss nicht zu unterschätzender – Parameter, der der Entwicklung des Marktes
Grenzen setzt, ist die gegenwärtige Konstruktion der gesetzlichen Pflegeversicherung. Im gegen-
wärtigen System sind die nominalen Beträge, die in den einzelnen Pflegestufen gezahlt werden,
festgeschrieben. Angesichts der steigenden Preise für Pflegeleistungen führt dies zu einer bestän-
digen Verminderung des realen Leistungsniveaus, das in jeder Pflegestufe bezogen werden kann.
13
Selbst bei einem nur sehr moderaten Preisanstieg von 2,5 % pro Jahr, würden sich im Status quo
die realen Leistungen bis 2050 annähernd halbieren. Man könnte somit zynisch auch davon spre-
chen, dass sich die gesetzliche Pflegeversicherung schleichend selbst abschafft.
Pflegeversicherung: Reale Leistungsentwertung bei fehlender Dynamisierung
Nominales und reales Leistungsniveauder gesetzlichen Pflegeversicherung
0,0
10,0
20,030,0
40,0
50,060,0
70,0
80,090,0
100,0
1995 2005 2015 2025 2035 2045
Fortschreitende Entwertung (Realwert 1995 normiert auf 100) Realwert in Preisen von 1995
Quelle: Allianz Dresdner Economic Research
Annahme: Kostensteigerung um 2,5% pro Jahr
Selbst wenn man realistischerweise davon ausgeht, dass der Defekt einer fehlenden Dynamisie-
rung der Pflegeleistungen in dieser Form nicht weiterbestehen wird, so ist es doch zumindest plau-
sibel, davon auszugehen, dass die öffentliche Hand eine klare Präferenz auf die ambulante statt
die stationäre Versorgung der Pflegefälle legen wird. Schon allein aus dem Grund, um die Kosten
im Griff zu behalten. Die jüngste Initiative der Bundesregierung zur Stärkung der häuslichen Pflege
geht ja genau in diese Richtung.
Die nachfolgende Grafik zeigt den Anstieg der Pflegefälle nach Art der Betreuung unter Maßgabe
der eingangs dargestellten Pflegefallwahrscheinlichkeiten sowie der demographischen Projektion
des Statistischen Bundesamtes. Auch hier wird deutlich, dass wir es zumindest bis 2030 mit einem
zwar wachsenden, aber nach wie vor durchaus überschaubaren Markt zu tun haben. Im Bereich
der stationären Pflege liegt der Zuwachs gegenüber heute bei gerade einmal 300.000 Personen.
Bei fast der Hälfte aller Pflegefälle ist dagegen weiterhin mit einer Versorgung durch die Angehöri-
gen zu rechnen.
Zudem sollte nicht vergessen werden, dass es sich aufgrund der gesetzten Annahmen wohl eher
um die Obergrenze der Bedarfsentwicklung handelt, da weder eine Verbesserung der Lebensquali-
tät noch die voraussichtliche stärkere politische Fokussierung auf ambulante Pflegeleistungen be-
rücksichtigt worden ist.
14
Pflegefallfälle nach Art der Betreuung
Millionen Personen
0,97 1,01 1,12 1,31 1,47
0,43 0,45 0,490,58
0,650,60 0,630,69
0,810,91
0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
3,5
2002 2005 2010 2020 2030
durch Angehörige ambulant stationär
Quelle: Allianz Dresdner Economic Research
Damit soll der Wachstumsmarkt Pflegeimmobilien nicht klein geredet werden. Es wäre jedoch nicht
zweckmäßig, die in diesem Bereich vorhandenen Risiken für die Objektrentabilität, die sich aus
veränderlichen Rahmenbedingungen, zu denen neben der Politik auch eine bessere Gesundheit
zählt, ergeben, nicht adäquat zu benennen. Auch andere Studien (etwa Just 2005) weisen auf
diese Risiken hin.
Erschließung von Marktpotenzialen setzt geeignete Finanzierungsinstrumen-te voraus Das Gros der älter werdenden Bevölkerung hat den Hauptwunsch eines Verbleibs in den eigenen
vier Wänden bis ins hohe Lebensalter hinein. Allenfalls für zwei – allerdings zahlenmäßig nicht
unbedeutende – Randgruppen wie die einkommensstarken und hoch experimentierfreudigen Ru-
heständler auf der einen, sowie stationäre Pflegefälle auf der anderen Seite ist eine deutliche Ab-
weichung von diesem Muster entweder erstrebenswert oder erzwungen. Mit anderen Worten ist
eine starke Umzugsbewegung im Zuge des demographischen Wandels in Deutschland hieraus
nicht zu erwarten.
Das bedeutet hinwieder in keiner Weise, dass die Alterung der Bevölkerung auch mit Blick auf die
Immobilie nicht in einem hohen Maße ein attraktiver Markt mit hohen Potenzialen wäre. Im Gegen-
teil: Selbstbestimmtes Wohnen bis ins hohe Alter hinein in einer Immobilie, die ursprünglich etwa in
der Phase der Familiengründung bezogen wurde, setzt erhebliche Anpassungen voraus. Begin-
nend mit einer altersgerechten Instandhaltung wie auch Bewirtschaftung. So dürfte die körperlich
anstrengende Gartenarbeit im freistehenden Einfamilienhaus in fortgeschrittenem Alter nicht mehr
15
so leicht zu bewerkstelligen sein. Und aufgrund der zunehmenden räumlichen Dispersion von Fa-
milien, die heute durch die Mobilitätsanforderungen des Arbeitsmarktes erzwungen wird, ist ein
Rückgriff auf die eigenen Kinder für solche Tätigkeiten auch nicht ohne weiteres möglich.
Hoher subjektiver Bedarf an künftigen Dienstleistungen
Angaben in Prozent
4,4
4,9
4,1
2,9
4,3
2,1
2,9
1,7
1,1
41,5
32,4
27
19
15,8
10,3
8,2
54,2
53,2
0,0 10,0 20,0 30,0 40,0 50,0 60,0
Putzen & Aufräumen
Einkaufen
Behördengänge
Wäsche waschen
Artzbesuche
Kochen
Körperpflege
Spaziergänge
Besuch kult. Veranstaltungen
tatsächlich, heute Einschätzung zukünftiger Bedarf
Quelle: InWIS
Die obere Grafik stellt Wunsch und Wirklichkeit des Dienstleistungsbezuges im Alter einander ge-
genüber. Besonders auffällig ist dabei, wie stark beide auseinander klaffen. Besonders ausgeprägt
ist der Wunsch von Älteren nach kleineren Hilfstätigkeiten, die das tägliche Leben erleichtern. Doch
nur knapp ein Zehntel aller älteren Mitbürger setzt ihren Wunsch auch in faktische Nachfrage um.
Dies wirft unmittelbar die Frage nach den Gründen dieses Verhaltens auf.
Eine häufig vertretene These in diesem Zusammenhang ist der qualitative Angebots-
/Nachfragemismatch (Cirkel et al. 2004). Danach sind die am Markt verfügbaren Dienstleistungen
nicht so ausgestaltet, dass sie zur Nachfrage passen. Da es sich bei den geäußerten Wünschen
jedoch meist um verhältnismäßig einfache Tätigkeiten handelt, erscheint uns dies nicht unmittelbar
plausibel. Barrieren kann es natürlich dadurch geben, dass die entsprechenden Dienstleistungen
zumeist nicht traditionell am Markt bezogen werden können, sondern meist auf einer direkten in-
terpersonellen Beziehung fußen. D.h. bei der Suche nach einer Reinigungskraft oder Begleitung
zum Arzt kommt es zu wesentlich höheren individuellen Such- und Transaktionskosten als etwa
beim Kauf einer Theaterkarte oder der Inanspruchnahme von Krankengymnastik.
Last but not least darf auch die Kostenfrage nicht vollkommen außer Acht gelassen werden. Es ist
ein hinreichend bekanntes Problem in Deutschland, dass insbesondere einfache Tätigkeiten – so
sie im Rahmen einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit ausgeführt werden – durch die Sozi-
alabgabenbelastung überdurchschnittlich teuer sind. Die effektiv vorhandene Nachfrage wird so auf
16
den Schwarzmarkt abgedrängt. In der Tat bestätigen empirische Studien eine hohe Preissensitivi-
tät der Nachfrage nach einfachen Dienstleistungen. Ein Vorschlag des DIW (Brück et al. 2002) zur
aktiven Arbeitsmarktpolitik besteht etwa darin, derartige Angebote in Dienstleistungsagenturen
gekoppelt mit einer Lohnsubvention zu bündeln. Hiervon verspricht sich das DIW nicht nur eine
Reduktion der Kostenschwelle, sondern auch eine Verminderung von Such- und Transaktionskos-
ten.
Erhebliche Potenziale bietet unbestritten auch der Markt für altersgerechte Wohnraumsanierung.
Wie die nachfolgende Grafik veranschaulicht, ist das Gros des deutschen Wohnimmobilienbestan-
des in den ersten drei Nachkriegsjahrzehnten entstanden. Die mittlere – im Sinne von am häufigs-
ten vertretene oder Median – deutsche Wohnimmobilie ist rund 40 Jahre alt. Zum Vergleich: das
mittlere Alter einer in Deutschland lebenden Person liegt bei 42 Jahren.
Baujahr des deutschen WohnimmobilienbestandesProzent des Gesamtbestandes
14,612,6
47,3
10,914,6
0
10
20
30
40
50
<1919 1919 bis 1948 1949 bis 1978 1979 bis 1986 > 1986
Quelle: Housing Statistics in the European Union 2004
Nun ist die Feststellung sicherlich nicht überraschend, dass zum Höhepunkt der Wohnungsbauak-
tivität (in Westdeutschland), altersgerechte Bauweisen wie niederschwellige Wohnungen nicht an
der Tagesordnung waren. Entsprechend ist davon auszugehen, dass mit einem stark steigenden
Anteil an Rentnerhaushalten in der deutschen Wohnbevölkerung der Immobilienbestand entspre-
chend nachzurüsten ist. Das gilt natürlich in besonderer Weise für die Wohnungen der annähernd
700.000 Personen, die bis zum Jahr 2030 zusätzlich zu heute in ambulanter oder familiärer Pflege
zu versorgen sein werden. Hier werden Investitionen etwa in Haltegriffe oder Hebewannen getätigt
werden müssen.
Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hat sowohl für den Bereich der personennahen
Dienstleistungen für Ältere wie auch für den Bedarf an altersgerechten Modernisierungsleistungen
17
aus Befragungen ungefähre Potenzialabschätzungen vorgenommen. Danach gibt es im Bereich
der Altersdienstleistungen ein noch nicht erschlossenes Potenzial in der Größenordnung von
26 Mrd. EUR/Jahr, im Bereich der Haushaltsmodernisierung ein Potenzial von 15 Mrd. EUR (zitiert
nach Cirkel et al. 2004).
Diese Zahlen erscheinen nicht nur auf den ersten Blick, sondern auch bei genauerer Prüfung hoch.
So würden diese Zahlen eine Steigerung im Marktvolumen für personennahe Dienstleistungen um
rund 25 % bedeuten, im Bereich der Gebäuderenovierungen um immerhin 30 %. Hinzu kommt,
dass die Ersparnisbildung der Generation 50+ bei zwischen 70 Mrd. und 80 Mrd. EUR/Jahr liegt.
Das jährlich geschätzte Marktpotenzial würde mithin einer Umwidmung der Hälfte (oder mehr) der
Gesamtersparnis der Altersgruppe in Dienstleistungs- und Modernisierungsnachfrage bedeuten.
Die wirklich frei verfügbaren Mittel aus der Gesamtersparnis – sprich solche die nicht in Versiche-
rungen oder Sparplänen gebunden und somit auch problemlos umzuwidmen sind – liegen sogar
nur bei rund 10 Mrd. EUR. Gemessen an dieser Größe läge das geschätzte Marktpotenzial sogar
um den Faktor vier höher als die kurzfristig mobilisierbaren Mittel.
Mit Blick auf die bauliche Modernisierung der Objekte wird diese Betrachtung dagegen dadurch ein
wenig relativiert, dass das Gros des Bestandes nicht in individuellem, sondern entweder in öffentli-
chem oder in Unternehmensbesitz ist. Entsprechend würden diese Leistungen nicht – oder zumin-
dest nicht in vollem Umfang – auch individuell bezahlt werden müssen.
Die volle Realisierung des von der GfK avisierten Marktpotenzials wäre somit in hohem Maße da-
von abhängig, dass auf Nachfragerseite auf entsprechende Anspar- und/oder Finanzierungsmodel-
le zurückgegriffen werden kann. Dies ermöglichte eine Ausgabenglättung über die Zeit, um die
Lücke zwischen Wunsch und Realität des Wohnens im Alter zu schließen oder wenigstens mög-
lichst gering zu halten. Hierzu bedarf es jedoch sowohl eines erhöhten Grades an Problembe-
wusstsein als auch entsprechender Instrumente von Seiten der Finanzdienstleister.
18
Literatur Beyerle, Thomas (2006): Smart City Housing, Degi Thema des Monats 6/2006.
Beyerle; Thomas/Milleker, David F. (2005a): Die private Wohnimmobilie in 2030: Phönix aus der Asche?, Allianz Dresdner Economic Research Working Paper Nr. 40.
Beyerle, Thomas/Milleker, David F. (2005b): Wohnimmobilien in finanzwirtschaftlicher Hinsicht, Allianz Dresdner Economic Research Working Paper Nr. 53.
Brück, Tilmann/Haisken-DeNew, John/Zimmermann, Klaus F. (2002): Förderung von Agenturen für haushaltsnahe Dienstleistungen schafft Arbeitsplätze für Geringqualifizierte, DIW-Wochenbericht, 23/2002.
Cirkel, Michael/Hilbert, Josef/Schalk, Christa (2004): Produkte und Dienstleistungen für mehr Le-bensqualität im Alter – Expertise für den 5. Altenbericht der Bundesregierung, Institut für Ar-beit und Technik, Gelsenkirchen.
Deutsches Institut für Altersvorsorge: Internet Infopool, www.dia-vorsorge.de.
Eichener, Volker (2006): Zukunft des Wohnens – Konsequenzen des demographischen Wandels für die Immobilienmärkte, Vortrag auf dem Bauseminar 2006 der Kalksandsteinindustrie West.
Engel, Heike/Engels, Dietrich (1999): Service-Wohnen als zukunftsorientiertes Wohnkonzept, Do-kumentation des vierten Workshops im Rahmen des Modellprogramms „Selbstbestimmt Wohnen im Alter“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 14. und 15. September 1999 in Halle/ Saale.
Grabka, Markus M. (2004): Einkommen, Sparen und intrafamiliäre Transfers von älteren Men-schen, DIW Wochenbericht 6/2004, Berlin.
Grabka, Markus M. (2005): Einkommen und Armut von Familien und älteren Menschen, DIW Wo-chenbericht 9/2005.
Just, Tobias (2005): Mehr Pflegeimmobilien für eine alternde Gesellschaft, DB Research Aktuelle Themen 334.
19