Anforderungen an die Sanierung der Euro-Staaten

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    cepStudie

    Anforderungen an die Sanierung der Euro-Staaten

    Schuldenbremse plus Nebenbedingungen

    Autoren:

    Prof. Dr. Lder Gerken

    Dr. Bert Van Roosebeke

    Dr. Jan S. Vowinkel

    19. September 2011

    Erstellt im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft

    Centrum fr Europische Politik (CEP)Kaiser-Joseph-Strae 266 | 79098 Freiburg

    Telefon 0761 38693-0 | www.cep.eu

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    Kernpunkte

    Die wesentlichen Ursachen fr die Euro-Krise liegen in einer unverantwortlichen Verschul-dungspolitik der betroffenen Euro-Staaten sowie in realwirtschaftlichen Strukturen, die die

    Kreditfhigkeit nicht nur dieser Staaten, sondern ganzer Volkswirtschaften bedroht. Eine nachhaltige Lsung der Euro-Krise ist nur mglich, wenn

    -die Euro-Staaten ihre Staatsfinanzen sanieren,-die Euro-Staaten realwirtschaftliche Reformen durchfhren,-die Too-big-to-fail-Problematik bei Finanzinstituten gelst wird und-die Kreditvergabe gerade auch an Staaten risikogerecht erfolgt.

    Der Stabilitts- und Wachstumspakt (SWP) hat bei der Sicherstellung solider Staatsfinanzenversagt. Die vorgesehene grundlegende Reform des SWP, die die Staaten zur Sanierung ih-

    rer Staatsfinanzen zwingen wrde, ist gescheitert. Eine Alternative ist die Einfhrung vonSchuldenbremsen auf nationaler Ebene.

    Die Verankerung von Schuldenbremsen in der jeweiligen nationalen Verfassung ist grund-stzlich geeignet, die Staaten zu einem Abbau nicht nachhaltiger Schulden zu veranlassen.

    Sie ist aber keine hinreichende Bedingung. Wichtiger als die konkrete Gestaltung verfas-sungsrechtlicher Schuldenbremsen ist ihre Akzeptanz im politischen Tagesgeschft.

    Schuldenbremsen knnen nur wirken, wenn sie flankiert werden:-Insolvenzbedrohte Staaten mssen dringend realwirtschaftliche Reformen beschlieen,

    um ihre Wettbewerbsfhigkeit zu steigern und dadurch ihre Leistungsbilanzdefizite ab-

    zubauen. Nur so lsst sich der gesamtwirtschaftliche Kreditbedarf von dem der staatli-che nur ein Teil ist auf ein tragfhiges Niveau reduzieren. Erforderlich sind die Senkungberhhter Lohnstckkosten sowie der Abbau von Brokratie und berregulierung.

    -Das Risiko, dass systemrelevante Finanzinstitute vom Staat gerettet werden mssen, un-tergrbt die Fhigkeit zur Einhaltung von Schuldenbremsen. Es ist daher, insbesonderedurch ausreichende Eigenkapitalanforderungen und europische Regeln zur Abwicklunginsolventer Institute, zu minimieren.

    -Die Kreditvergabe durch Finanzinstitute muss sich am Risiko orientieren. Die Kapital-hinterlegungsregeln mssen so gendert werden, dass Finanzinstitute auch bei Investiti-onen in Staatsanleihen das Ausfallrisiko mit Eigenkapital hinterlegen.

    Der Bundestag sollte seine Zustimmung zu Auszahlungen von Finanzhilfen im Rahmen derEuropischen Finanzstabilisierungsfazilitt (EFSF) und des Europischen Stabilittsmecha-nismus (ESM) davon abhngig machen, dass der um Hilfe bittende Staat bereits vor Bean-tragung der Hilfe eine Schuldenbremse in seiner Verfassung verankert hat und ernsthafterealwirtschaftliche Reformen in die Wege geleitet hat.

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    Inhaltsverzeichnis

    Kernpunkte ............................................................................................................................................................................ 21.Entwicklung der aktuellen Krise in der Euro-Zone ............................................................................................. 42.

    Problembeschreibung: Ursachen der Krise ........................................................................................................... 5

    2.1 Staatsberschuldung ........................................................................................................................................... 52.2 Erosion der Kreditfhigkeit der Volkswirtschaften insgesamt .................... ...................... ..................... 6

    3.Sanierung der insolvenzbedrohten Euro-Lnder ............................................................................................... 63.1 Konsolidierung der Staatsfinanzen ................................................................................................................. 7

    3.1.1 Automatische Sanktionen im Stabilitts- und Wachstumspakt? .................... ..................... ....... 73.1.2 Nationale Schuldenbremsen ................................................................................................................... 8

    3.1.2.1 Schuldenbremsen mit Verfassungsrang in der Eurozone ............................. ................... 93.1.2.2 Schuldenbremsen mit Verfassungsrang auerhalb der Eurozone................. ............ 103.1.2.3 konomische Bewertung .......................................................................................................... 113.1.2.4 Kriterien fr den Erfolg ............................................................................................................... 12

    3.2 Nebenbedingungen fr die Schuldenbremse ......................................................................................... 123.2.1 Realwirtschaftliche Reformen zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfhigkeit der

    Volkswirtschaften ...................................................................................................................................... 123.2.2Lsung der Too-big-to-Fail-Problematik im europischen Finanzsektor ................... .......... 13

    3.3 Risikogerechte Kreditvergabe auch an Staaten ....................................................................................... 144.Fazit: Schuldenbremse und notwendige Nebenbedingungen ...................... ..................... ...................... . 15Literatur ............................................................................................................................................................................... 17

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    1. Entwicklung der aktuellen Krise in der Euro-ZoneDie Euro-Krise begann am 20. Oktober 2009, als die griechische Regierung das Haushaltsdefizitdrastisch nach oben korrigierte. Die Ratingagenturen Fitch und Standard & Poor's senkten im De-zember das Rating fr Griechenland von A- auf BBB+.1 Damit war das Vertrauen der Finanzmrkte

    in die Solvenz Griechenlands an den Finanzmrkten erschttert. Die Eurogruppe erklrte sich am25. Mrz 2010 bereit, Griechenland notfalls bilaterale Kredite zu gewhren, um die unterstelltenSpekulationen gegen Griechenland zu beenden. Hiervon erhoffte man sich ein Beruhigungssignalan die Finanzmrkte, das zu fallenden Risikoaufschlgen fr griechische Staatsanleihen fhre sollte.Bestenfalls msste Griechenland diese Hilfen gar nicht in Anspruch nehmen. Diese Wirkung bliebaus. Die griechische Regierung beantragte am 23. April 2010 die Auszahlung der Hilfsgelder. Am 2.Mai einigten sich der Internationale Whrungsfonds, die Europische Zentralbank (EZB), die EU-Kommission, die Euro-Gruppe und die griechische Regierung ber Umfang, Dauer und Bedingun-gen des Rettungspakets fr Griechenland. Danach erhlt der griechische Staat bis zum 30. Juni2013 Kredite in Hhe 110 Mrd. Euro von den anderen Euro-Staaten sowie vom IWF. Vorgesehen

    war, dass Griechenland 2012 an den Kapitalmarkt zurckkehrt. Darber hinaus wurde die Auszah-lung der Hilfsgelder an die Bedingung geknpft, dass Griechenland die im Rettungspakt vereinbar-ten Sparziele einhlt. Der Bundestag beschloss das entsprechende Gesetz am 8. Mai 2010.

    Die Staats- und Regierungschefs befrchteten, dass die Griechenland-Krise kein Einzelfall bleibt,sondern auf andere Euro-Staaten berspringt. Daher vereinbarten sie in der Nacht vom 8. auf den9. Mai 2010 zudem einen Rettungsschirm mit einem Volumen von 750 Mrd. Euro einzurichten, dendie Finanzminister am 10. Mai 2010 frmlich beschlossen.2 Er soll bis zum 30. Juni 2013 gelten undspeist sich aus Kreditlinien des Internationalen Whrungsfonds (250 Mrd. Euro), der EuropischenUnion (60 Mrd. Euro)3 und der Euro-Staaten (440 Mrd. Euro). Abermals war mit dem Rettungsschirmdie Hoffnung verbunden, dass seine schiere Existenz Spekulationen beendet und die Mittel, gerade

    weil sie bereitstehen, nicht in Anspruch genommen werden mssen. Beides trat nicht ein.Die Europische Zentralbank begann ebenfalls im Mai 2010 damit, auf dem Sekundrmarkt grie-chische Staatsanleihen aufzukaufen. Ziel dieser Ankufe ist es, das Zinsniveau dieser Papiere zusenken. Spter wurden die Ankufe auf irische, portugiesische, spanische und italienische Staatsan-leihen ausgeweitet. Trotz Ankufen in Hhe von mittlerweile 100 Mrd. (Stand Mitte August 2011)sind die Renditen dieser Anleihen nicht wie erhofft gesunken.

    Als erstes Land beantragte Irland am 21. November 2010 Hilfe aus dem Rettungsschirm und erhielt85 Milliarden Euro. Erneut wollte man hiermit die Spekulationen an den Finanzmrkten beendenund hoffte, dass kein weiteres Land Hilfen bentigen werde. Wiederum blieb die erhoffte Beruhi-gung der Mrkte aus. Daher vereinbarten die Euro-Staaten am 16. Dezember 2010, einen greren

    und dauerhaften Rettungsschirm zu schaffen, den Europischen Stabilittsmechanismus (ESM).Dessen Ausgestaltung wurde in den Grundzgen am 24. Mrz 2011 beschlossen. Er soll ab Juli2013 750 Mrd. Euro ausleihen knnen.

    Nach Irland beantragte am 6. April 2011 auch Portugal Hilfsgelder aus dem vorlufigen Euro-Rettungsschirm. Am 8. Mai 2011 wurden 78 Milliarden Euro gewhrt. Griechenland hat in der Zwi-schenzeit die gesetzten Sparauflagen nicht erfllt und wird 2012 auch nicht an den Kapitalmarktzurckkehren knnen. Am 21. Juli 2011 wurde deshalb ein zweites Rettungspaket fr Griechenland

    1 Siehe Gerken, Kullas (2011).2 Siehe dazu Jeck, Van Roosebeke, Vowinkel (2010).3 Diese Summe wird in der ffentlichkeit immer wieder genannt. Tatschlich findet sie sich im Regelwerknicht wieder. Vgl. Jeck (2010).

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    beschlossen, das ffentliche Beitrge von 109 Milliarden Euro sowie freiwillige Beitrge der Bankenund Versicherungen in Hhe von 37 Milliarden Euro vorsieht.4

    Da man bersehen hatte, dass der vorlufige Rettungsschirm, der bis zum 30. Juni 2013 Finanzhil-fen gewhrt, nicht die vorgesehene Summe von 750 Milliarden Euro verleihen kann, ohne seine

    AAA-Bonitt einzuben, wurde am 21. Juli 2011 beschlossen, den Anteil der Euro-Staaten amRettungsschirm (440 Milliarden Euro) entsprechend aufzustocken. Der Deutsche Bundestag solldarber am 29. oder 30. September 2011 abstimmen.

    Ebenfalls steht der Deutsche Bundestag vor der Entscheidung, dem ESM zuzustimmen. Mit derEinrichtung dieses dauerhaften Rettungsschirms wird der finanzielle Beistand der Euro-Staateninstitutionalisiert. Dies ndert die Bedingungen der Haushaltsplanung und der Wirtschaftspolitik inallen Euro-Staaten dauerhaft.5 Es ist eine Abkehr von der bei der Einfhrung des Euro hochgehalte-nen Maxime, dass jeder Mitgliedstaat fr seine Haushaltspolitik selbst verantwortlich ist und es keinHerauspauken (bail-out) durch andere Euro-Staaten geben darf.6

    Es darf nicht bersehen werden, dass die krisenhafte Zuspitzung in den betroffenen Staaten nicht

    das Ergebnis einer Naturkatastrophe ist, die einige Staaten zufllig getroffen hat und andere nicht,sondern die Folge wirtschafts- und haushaltspolitischer Entscheidungen in der Vergangenheit.

    Bislang ist es durch diverse Manahmen und das Bereitstellen erheblicher finanzieller Mittel nichtgelungen, eine Perspektive auf ein Ende der Rettungsmanahmen zu entwickeln. Der ESM mussdaher zwingend mit weiteren Manahmen verbunden werden, die auf eine Lsung der zugrundeliegenden Probleme abzielen.

    2. Problembeschreibung: Ursachen der Krise2.1 StaatsberschuldungDie berschuldung der Staatshaushalte wird gemeinhin als Ursache der europischen Verschul-dungskrise gesehen. Die hohe Verschuldung betrifft jedoch nicht nur Griechenland, Irland undPortugal. 2010 gelang es nur Finnland, Luxemburg und Estland, das Staatsdefizit unterhalb derSchwelle von 3% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu halten, die vom Stabilitts- und Wachstums-pakt vorgegeben wird. Die Staaten, deren Zahlungsfhigkeit in Frage steht, weisen ein besondershohes aktuelles Defizit aus. Irland ist mit einem Defizit von 32,4% des BIP besonders auffllig. Aberauch die Staatsdefizite Griechenlands (10,5%), Spaniens (9,2%) und Portugals (9,1%) bertreffendie im Stabilitts- und Wachstumspakt vorgesehene 3%-Schwelle um mehr als das Dreifache.

    Der Zusammenhang zwischen Schuldenstand und Risikoeinschtzung an den Kapitalmrkten istweniger eng. Spanien z.B. hat mit 60,1% einen vergleichsweisen geringen Schuldenstand, wirdaber als risikoreicher eingeschtzt als Euro-Staaten mit einem deutlich hheren Schuldenstand.Neben der vergangenen und aktuellen Verschuldungspolitik der Staaten spielen fr die Einscht-zung der Kreditfhigkeit also noch andere Faktoren eine Rolle.

    4 Council of the European Union, Statement by the Head of State or Government of the Euro Area and EU

    Institutions, 21. Juli 2011.5 Vgl. fr die Ausstrahlung genderter Bedingungen auf politische Entscheidungen und Regelwerke, die poli-tische Entscheidungen kanalisieren sollen, Vowinkel (2011), insb. S. 9-13 und 54-58.6 Vgl. aktuell Herrmann (2011).

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    2.2 Erosion der Kreditfhigkeit der Volkswirtschaften insgesamt

    Die erodierende Kreditfhigkeit der Staatshaushalte und die aktuellen krisenhaften Zuspitzungenin der Euro-Zone sind nicht allein auf verantwortungslose Schuldenaufnahmen der nationalen Re-gierungen und Parlamente zurckzufhren.7 Sie hngen auch damit zusammen, dass die betroffe-

    nen Staaten die Fhigkeit eingebt haben, sich durch Besteuerung der nationalen Volkswirtschaftausreichend zu finanzieren. Grundlage fr die Kreditvergabe an Staaten ist die Annahme, dass siedurch Steuererhebung ausreichend Finanzmittel aus der nationalen Volkswirtschaft aufbringenknnen, um die aufgenommenen Kredite zu bedienen. Allerdings stt die Mglichkeit von Staa-ten, Kredite aufzunehmen, irgendwann an eine Grenze.8 Jenseits dieser Grenze vertrauen Kredit-geber nicht mehr auf die vertragsgeme Bedienung der Kredite. Dies fhrt zu steigenden Risiko-aufschlgen und im Extremfall zu so hohen Kosten fr den Staat, dass er de facto vom Kreditmarktabgeschnitten ist. Diese Grenze ist abhngig von der Entwicklung der Steuerquellen. Wenn dieseinfolge einer schwachen Entwicklung der realwirtschaftlichen Basis versiegen, entfllt mangelsSicherheiten die Grundlage fr die Einschtzung des betroffenen Staates als kreditwrdig insbe-

    sondere durch auslndische Kreditgeber.9

    Regelmig geht die Staatsverschuldung in den betroffenen Lndern mit einer hohen Auslands-verschuldung auch groer Teile der Privatwirtschaft einher, insbesondere der Banken. Ursachehierfr sind Leistungsbilanzdefizite, die ber Verschuldung gegenber dem Ausland finanziertwerden mssen. Dauerhaft kann diese Auslandsverschuldung nur durchgehalten werden, wenndie aufgenommenen Kredite fr Investitionen verwendet werden, die das Produktionspotenzialder Volkswirtschaften erhhen. Aus den Ertrgen der zustzlichen Produktion knnen dann auchdie Kredite bedient werden.

    Allerdings ist dies in vielen Staaten der Euro-Zone, nicht nur in den aktuellen Krisenstaaten, geradenicht der Fall. Die Kredite werden stattdessen fr Konsum verwendet, so dass die realwirtschaftli-

    che Grundlage fr die dauerhafte Bedienung der Kredite verloren geht. 10

    3. Sanierung der insolvenzbedrohten Euro-LnderEs muss vermieden werden, dass weitere Finanzhilfen fr taumelnde Euro-Staaten zu einem dau-erhaften Transfermechanismus fhren, ohne dass die grundlegenden Probleme dieser Mitglied-staaten gelst werden. Die Lsung dieser Probleme setzt voraus:

    - eine Sanierung der Staatsfinanzen der Euro-Staaten, sei es durch europische Vorgaben oderdurch nationale Schuldenbremsen,

    - realwirtschaftliche Reformen, durch die die Leistungsbilanzdefizite maroder Staaten abge-baut werden knnen,

    - die Lsung der Too-big-to-fail-Problematik bei Banken und Versicherungen sowie- eine risikogerechte Kreditvergabe auch an Staaten.

    7 Zum folgenden s. Gerken, Kullas (2011).8 Vgl. auch Sargent, Wallace (1985).9 Probleme der systematischen Steuererhebung grundstzlich vorhandener Bemessungsgrundlagen durch

    gravierende Steuerhinterziehung und Schwche der Steuerbehrden mgen dieses Problem verschrfen.Das Problem fehlender Bemessungsgrundlagen ist allerdings viel gravierender und schwieriger zu behebenals ein Defizit bei der Steuereintreibung.10 Vgl. Gerken, Kullas (2011).

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    3.1 Konsolidierung der Staatsfinanzen

    Absolute Voraussetzung fr eine Beruhigung der Whrungskrise ist die nachhaltige Sanierung derStaatsfinanzen der Euro-Staaten. Nur wenn Investoren von der langfristigen Tragbarkeit der ffent-lichen Haushalte berzeugt sind, werden die Renditen fr Staatsanleihen sinken. Dies verringert

    nicht nur die Gefahr einer Schuldenspirale in den betroffenen Mitgliedstaaten, sondern ermglichtauch eine unabhngige Geldpolitik der Europischen Zentralbank.11

    Drei Manahmen sind fr die Sanierung nationaler Haushalte unumgnglich: ein glaubwrdigerStabilitts- und Wachstumspakt, die Einfhrung nationaler Schuldenbremsen sowie eine Lsungfr das Too-big-to-fail-Problem im europischen Finanzsektor.

    3.1.1 Automatische Sanktionen im Stabilitts- und Wachstumspakt?

    Der Stabilitts- und Wachstumspakt (SWP) sollte durch Begrenzung des Schuldenstandes sowie derDefizitaufnahme eine krisenhafte Zuspitzung, wie wir sie derzeit erleben, verhindern und die Ei-genverantwortlichkeit der Euro-Staaten fr ihre Staatsfinanzen dauerhaft absichern. Dies ist nichtgelungen. Das wesentliche Problem besteht darin, dass eine Verletzung der im SWP niedergeleg-ten Kriterien bislang nicht sanktioniert werden kann oder nicht sanktioniert worden ist: Im Rahmender prventiven Komponente, die Vorgaben fr die mittelfristige Haushaltspolitik der Staaten ent-hlt, sind Sanktionen bislang nicht vorgesehen. Im Rahmen der korrektiven Komponente (sog. De-fizitverfahren) sind, wenn ein Staat die Vorgaben, insbesondere das 3-%-Defizitkriterium, nichteinhlt, zwar Sanktionen mglich; sie wurden aber nie verhngt, weil sie nicht (quasi-)automatischerfolgen, sondern einen politischen Prozess voraussetzen, mit dem sie sich geradezu systematischverhindern lassen.

    Erheblich beschdigt wurde der SWP durch Deutschland und Frankreich. Diese erreichten im Jahr2003, dass die gegen sie anhngigen Verfahren wegen eines bermigen Defizits im Finanzminis-terrat ausgesetzt wurden. In einem anschlieenden EuGH-Verfahren wurden diese Ratsbeschlssefr nichtig erklrt, da sie auerhalb des vorgeschriebenen Verfahrens gefllt wurden (C-27/04).Dennoch war der Schaden fr den SWP irreparabel.12

    Um eine solche Entwicklung in Zukunft auszuschlieen, msste die berwachung des SWP denMechanismen politischer Tauschgeschfte weitestgehend entzogen werden.13 An die Stelle einerZustimmung zu Sanktionsmanahmen msste bei Verletzung der SWP-Kriterien eine (qua-si-)automatische Sanktionierung stehen, die allenfalls durch eine qualifizierte Mehrheit im Rat auf-gehalten werden kann. Hierdurch wrden politische Tauschgeschfte nicht vollstndig unmglich,allerdings wrden sie gegenber der derzeitigen Situation entscheidend erschwert, indem an dieStelle von Sperrminoritten qualifizierte Mehrheiten treten.

    Da der Schuldenstand der Euro-Staaten fr ihre Krisenanflligkeit eine hohe Bedeutung besitzt,msste eine berschreitung der 60%-Schwelle zur Einleitung eines sanktionsbewehrten Verfahrensfhren, in welchem ein Pfad zur Rckfhrung des Schuldenstandes verbindlich eingehalten wer-den muss. So wrden Euro-Staaten mit einem hohen Schuldenstand zu einer Rckfhrung desSchuldenstandes gezwungen. Ein niedriger Schuldenstand erlaubt in konjunkturell schwierigenZeiten Flexibilitt, da dann eine temporre Erhhung der Staatsverschuldung nicht so schnell andie Grenzen der Solvenzvermutung fhrt.

    11 Vgl. Sargent, Wallace (1985).12 Vgl. Jeck, Van Roosebeke, Vowinkel (2010a).13 Vgl. Kullas, Koch (2011).

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    Um den Euro-Staaten eine gewisse Flexibilitt ihrer Finanzpolitik zu erlauben, ohne dass die Kriteri-en des SWP verletzt werden, darf nicht nur die Obergrenze fr Budgetdefizite von 3% in den Blickgenommen werden. Unverzichtbar ist eine Regel (im Rahmen der sogenannten prventiven Kom-ponente), die mittelfristige Haushaltsziele in den Blick nimmt, ein verbindliches Zurckfhren desSchuldenstandes in konjunkturell gnstigen Zeiten verlangt und ein strukturelles Defizit vonhchstens 1% zulsst. Ein Versto gegen diese Ziele muss zu Sanktionen, etwa in Form von unver-zinslichen Einlagen bei der Kommission fhren, die in Strafzahlungen umgewandelt werden kn-nen. Entscheidend ist auch hier, dass bereits die Einleitung eines entsprechenden Verfahrens (qua-si-)automatisch erfolgt, also nicht durch eine Sperrminoritt blockiert werden kann. NormaleSchwankungen des Konjunkturverlaufs gehen dann nicht mehr automatisch mit Defiziten ober-halb der 3%-Schwelle einher.

    Das Verfahren im Rahmen der korrektiven Komponente bei Verletzung des 3%-Defizitkriteriumsund des 60%-Schuldenstandkriteriums, und insbesondere der darin geforderte Beschluss des Ra-tes, ob ein bermiges Defizit besteht, sind primrrechtlich in Art. 126 AEUV geregelt. EtwaigeSanktionen knnen erst nach einem solchen Beschluss greifen. Eine Verschrfung des Verfahrensdurch nderung des AEUV ist in absehbarer Zeit politisch nicht zu erwarten, da diese nderungEinstimmigkeit der Mitgliedstaaten voraussetzt. Einzig Sanktionen bei Versto gegen die im Rah-men der prventiven Komponente vorgegebenen mittelfristigen Haushaltsziele lassen sich in deroben beschriebenen Weise automatisieren, da diese Regeln nicht im Primrrecht verankert sind.Die am 15. September 2011 erzielte politische Einigung auf eine Reform des SWP14 bleibt erheblichhinter den beschriebenen Mindestanforderungen zurck und ist daher nicht geeignet, die Euro-Staaten zu einer Sanierung ihrer Staatshaushalt zu zwingen.

    Die Reform des SWP sieht auch eine makrokonomische berwachung vor. Hierdurch sollenrealwirtschaftliche Probleme in der Euro-Zone frhzeitig angegangen werden knnen. Dies istgrundstzlich eine geeignete Ergnzung der bisherigen Regeln. Bedenklich ist aber, dass auf Drn-gen des Parlaments nicht nur Leistungsbilanzdefizite, sondern auch Leistungsbilanzberschsseder berwachung und damit potenziell der Aufforderung zu ihrem Abbau unterliegen. SoweitLeistungsbilanzberschsse auf realwirtschaftliche Reformen mit dem Ziel einer Steigerung derWettbewerbsfhigkeit zurckzufhren sind, entspricht dies der Aufforderung, die eigene Wettbe-werbsfhigkeit zu senken. Die vorgesehene Reform des SWP droht daher unmittelbar zu einer Ni-vellierung der wirtschaftlichen Leistungsfhigkeit der Euro-Lnder auf ein Mittelma zu fhren. Freine Europische Union, die sich vor einigen Jahren das Ziel setzte, zum wettbewerbsfhigstenWirtschaftsraum der Welt zu werden, ist diese Entwicklung grotesk.

    3.1.2 Nationale SchuldenbremsenDie politischen Hindernisse einer nderung des Stabilitts- und Wachstumspakts, die Inhalte deram 15. September 2011 politisch vereinbarten Reform desselben und die Erfahrungen der Vergan-genheit mit seiner Anwendung oder eben Nichtanwendung bieten keine Grundlage fr dieHoffnung, dass der SWP die Staaten zu einer Konsolidierung ihrer Haushalte zwingen kann. Einealternative Manahme sind Regeln zur Begrenzung der Staatsverschuldung in den Verfassungender Euro-Staaten.15 Regelungen auf konstitutioneller nationaler Ebene sind europischen Paketge-schften entzogen.

    14 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 16. September 2011, S. 1 u. 13.15 Dies forderte bereits der italienische Budgetminister Masera 1995. Vgl. Folkers (1999), S. 29 f.

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    3.1.2.1Schuldenbremsen mit Verfassungsrang in der EurozoneSchon heute gibt es in der Eurozone eine Vielzahl nationaler Regeln, welche die ffentliche(Neu-)Verschuldung bremsen sollen. In fast allen Euro-Staaten sind diese Regeln jedoch in einfa-chen Gesetzen aufgenommen. Lediglich in Deutschland und Spanien gibt es Schuldenbremsen mit

    verfassungsrechtlichem Rang.Bei den bestehenden Regeln kann grob unterschieden werden zwischen16

    - Ausgabenregeln, welche die ffentlichen Ausgaben deckeln (in Belgien, Finnland, Frank-reich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, sterreich und Slowakei),

    - Schuldenregeln, welche den Gesamtschuldenstand begrenzen (in Luxemburg und Slowe-nien) und

    - Saldoregeln, welche das jhrliche Defizit deckeln (in Deutschland, Finnland, sterreich undSpanien).

    Am 16. August 2011 forderten Nicolas Sarkozy und Angela Merkel fr alle Euro-Staaten die Einfh-rung von finanzpolitischen Regeln fr einen ausgeglichenen Haushalt in ihr innerstaatlichesRecht bis Sommer 2012. Diese Schuldenbremsen sollten verfassungsrechtlich oder in Recht glei-chen Ranges verankert werden und so schnell wie mglich zu ausgeglichenen Haushalten fh-ren.17

    Als Beispiel der Gestaltung einer Schuldenbremse wird dabei oft die Saldoregel in Deutschland alsVorbild herangezogen. Die deutschen Regelungen, die in Art. 109 Abs. 3 und Art. 115 Abs. 2 GGverankert wurden und damit Verfassungsrang haben, sehen vor, dass die Haushalte von Bund undLndern grundstzlich strukturell ausgeglichen sein mssen. Whrend die Bundeslnder ohneHaushaltsdefizite auskommen mssen, wird es dem Bund gestattet, eine jhrliche Neukreditauf-

    nahme in Hhe von 0,35 % des BIP einzugehen.Befindet sich die Konjunktur allerdings nicht in einer Normallage, kann der Bund eine hhereVerschuldung eingehen. In solchen Phasen des Abschwungs knnen kreditfinanzierte Konjunktur-pakete zur Sttzung der wirtschaftlichen Entwicklung beschlossen werden (deficit spending). Vor-gesehen ist, dass diese hhere Neuverschuldung durch berschsse im Aufschwung wieder kom-plett kompensiert wird. Dazu wird ein Kontrollkonto eingerichtet, auf dem ein Defizit unter (bzw.ber) der Grenze von 0,35 % des BIP als Gutschrift (bzw. als Belastung) verbucht wird. Saldieren sichdiese Buchungen zu einem negativen Kontostand des Kontrollkontos von mehr als 1 % des no-minalen Bruttoinlandsprodukts, muss der berschssige Anteil konjunkturgerecht reduziert wer-den. Konjunkturgerecht bedeutet, dass nur in Phasen des wirtschaftlichen Aufschwungs eine Re-

    duktion erfolgen muss. Als hchstzulssiges Negativsaldo ist 1,5 % des BIP festgeschrieben. Finan-zielle Transaktionen (z.B. Privatisierungserlse) drfen nicht mehr zur Einhaltung der Schulden-grenzen herangezogen werden.18

    Die deutschen Schuldenbegrenzungsregeln mssen ab 2016 vom Bund und ab 2020 von den Ln-dern vollstndig erfllt werden. Bei Versten gegen die deutsche Schuldenbremse drohen

    16 Quelle: Heinen (2010).17 Gemeinsamer Deutsch-Franzsischer Brief an EU-Ratsprsident Herman Van Rompuy vom 17.08.2011;verfgbar unter: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Pressemitteilungen/BPA/2011/08/2011-08-17-dt-franz-brief-rompuy.html. Zuletzt abgerufen am 13.09.2011.18 Abweichungen der Schuldenbremse sind fr Notsituationen oder Naturkatastrophen vorgesehen. Diese

    Notsituationen mssen allerdings auergewhnlich sein, sich der Kontrolle des Staates entziehen und dieFinanzlage des Staates erheblich beeintrchtigen. Der Beschluss hherer Kreditaufnahme aufgrund einerNotsituation muss mit einem Tilgungsplan versehen werden, der die Rckfhrung der zustzlichen Schuldenin einem angemessenen Zeitraum vorschreibt.

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    generell keine Sanktionen (sofern kein Bruch des SWP vorliegt). Der Stabilittsrat, als die auf Einhal-tung der Vorgaben prfende Kontrollinstanz (vgl. Art. 109a GG), darf zwar bei von ihm festgestell-ter drohender Haushaltsnotlage in einem Bundesland bzw. im Bund Konsolidierungsmanahmenin Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Land bzw. dem Bund beschlieen. Diese sind allerdingsweder verbindlich umzusetzen, noch wird eine unzureichende Umsetzung in irgendeiner Formbestraft.

    Anfang September 2011 hat Spanien eine vergleichbare Schuldenbremse als Saldoregel in dienationale Verfassung aufgenommen. Die spanischen Regeln sehen eine Hchstgrenze fr dasstrukturelle Defizit von 0,4 % des BIP ab 2020 vor, wovon 0,26 % auf die Zentralregierung und0,14 % auf die Regierungen der Regionen entfallen sollen. Die konkreten Defizitgrenzen sollen al-lerdings nicht in der Verfassung festgeschrieben werden, sondern in einem Ausfhrungsgesetzgeregelt werden.

    Portugal, Italien und Frankreich planen derzeit die Einfhrung von verfassungsrechtlichen Ver-schuldungsgrenzen. Whrend eine Konkretisierung in Portugal und Italien noch aussteht, will die

    franzsische Regierung bereits im Herbst ber verbindliche Verschuldungsregeln mit Verfassungs-rang abstimmen lassen. Dabei ist die Festlegung einer goldenen Regel (Pflicht zum ausgegliche-nen Haushalt) vorgesehen. Allerdings ist in Frankreich fr eine nderung der Verfassung eineVolksabstimmung oder eine 2/3-Mehrheit im Kongress19 notwendig, die aufgrund des Widerstandsder Sozialisten als nicht gesichert angesehen wird.

    3.1.2.2Schuldenbremsen mit Verfassungsrang auerhalb der EurozoneDie Schweiz hat sich fr eine Schuldenbremse in Form einer Ausgabenregel entschieden, die be-reits2003 in der Schweizer Bundesverfassung verankert wurde, nachdem in einem Volksentscheid

    2001 85% der Abstimmenden dafr votierten. Bei dieser Ausgabenregel dienen die Gesamtausga-ben als die relevante Zielgre. Danach mssen sich die maximal zu bewilligenden Gesamtausga-ben an den geschtzten Einnahmen unter der Bercksichtigung der Wirtschaftslage orientieren.hnlich wie in Deutschland werden Abweichungen ber ein Kontrollkonto geregelt. Die SchweizerAusgabenregel erweist sich als sehr belastbar. Die Bundesschuld fr die die Ausgabenregel greift sank seit Einfhrung der Schuldenbremse 2003 von 28 % auf 21 % im Jahr 2010.

    Polen legte bereits 1997 verfassungsrechtlich fest, dass der Staat ab einem Schuldenstand von60% des Bruttoinlandsprodukts keine weiteren Kredite aufnehmen darf (Schuldenregel) und be-reits Konsolidierungsschritte vor Erreichen dieser Obergrenze einleiten muss. Die Schuldenregelkann allerdings nur als mig erfolgreich eingestuft werden. In Polen stieg die Staatschuld seit

    2001 von 37 % auf 55 % im Jahr 2010 an.Bulgarien beschloss im August 2011 eine verfassungsrechtliche Schuldenbremse, die ab 2012gelten soll, und die als Kombination von Schulden- und Saldoregel gestaltet ist. Danach darf derSchuldenstand nicht ber eine Grenze von 40% des BIP steigen und das Haushaltsdefizit nichtmehr als 2% betragen.

    In Ungarn hat die Regierung im Zuge der Verabschiedung einer neuen Verfassung Anfang 2011eine Schuldenbremse beschlossen, die ein Verbot fr einen Anstieg der Schuldenstandsquote und

    19 Der franzsische Kongress setzt sich aus den Abgeordneten der Nationalversammlung und des Senatszusammen.

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    eine Reduktion dieser Quote bei berschreiten der Schwelle von 50% vorschreibt. Im Falle einesanhaltenden und erheblichen Rckgangs der Wirtschaftsttigkeit ist ein Anstieg der Schuldenquo-te aber zulssig.20

    3.1.2.3konomische BewertungDie Wirksamkeit von Schuldenbremsen ist Gegenstand einer umfangreichen Literatur. So kommteine jngst verffentlichte Studie zu dem Schluss, dass Lnder, die sich einer Schuldenbremse un-terworfen haben, sofern diese konstitutiv verankert war, tatschlich erkennbar weniger ausgebenals Lnder ohne eine solche Begrenzungsregel.21 Andere Studien stellen fest, dass starke Finanzmi-nister und schwache Parlamente22 oder auch die Einbindung der Bevlkerung ber Referenden zuniedrigeren Verschuldungsquoten fhren.23 Gleiches gilt fr Schuldenbremsen, die in die Verfas-sung (statt in einem einfachen Gesetz) aufgenommen wurde und von politisch unabhngigen Ge-richten berprft werden.24

    Schuldenbremsen knnen demnach zur Sanierung der Staatshaushalte beitragen. Vor allem eineVerankerung im nationalen Verfassungsrecht kann die Verbindlichkeit von Schuldenbremsen imVergleich zum SWP erhhen. Der Vorteil funktionierender Schuldenbremsen und einem niedrige-ren Verschuldungsgrad wren nicht zuletzt fr das Wiedererlangen der Unabhngigkeit der Euro-pischen Zentralbank (EZB) hchst willkommen. Bei nachhaltigen Schulden sinken die Renditender Staatsanleihen; die EZB wre damit freier in ihrer Zinssetzung und knnte den Kauf von Staats-anleihen einstellen.

    Auch wenn der Sinn aktiver staatlicher Konjunkturpolitik bezweifelt werden darf, sollten Schulden-bremsen nicht prozyklisch wirken. Vor allem bei starren Saldoregeln besteht die Gefahr eines zuhohen Defizits in Zeiten des Aufschwungs. Die Einrichtung von Kontrollkonten wie in Deutschland

    und der Schweiz ist daher zu empfehlen.Die dnne Datenlage in Europa25 erlaubt derzeit noch keine Empfehlungen, ob Schuldenbremsenals Saldo-, Schulden- oder Ausgabenregel eingefhrt werden sollten. Erst in einigen Jahren kanndie Belastbarkeit der Schuldenbremsen in Bulgarien, Deutschland, Spanien und Ungarn beurteiltwerden. Wichtiger als die Gestaltung der Schuldenbremsen, erscheint jedoch ihre politische Ak-zeptanz.

    Die Diskussion ber nationale Schuldenbremsen macht im brigen deutlich, dass Eurobonds keineLsung fr die hohe Staatsverschuldung sein knnen. Eurobonds verbilligen die Kreditaufnahmefr hoch verschuldete Lnder und verstrken daher sogar noch die Anreize zur weiteren Schulden-aufnahme. Gleichzeitig sollen aber Schuldenbremsen den Verschuldungsgrad reduzieren. Beide

    Instrumente sind nicht miteinander kompatibel.

    20 Vgl. Art. XXXVI, Abs. 6 der ungarischen Verfassung.21 Voigt, Blume (2011)., The Economic Effects of Constitutional Budget Institutions (2011).22 Van Hagen (1992).23 Kiewiet, Szakaly (1996).24 Bohn und Inman (1996).25 Nennenswerte Erfahrungen mit verfassungsrechtlichen Schuldenbremsen gibt es lediglich in der Schweizund in Polen.

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    3.1.2.4Kriterien fr den ErfolgDie bloe Einfhrung einer Schuldenbremse wird nicht zwangslufig zu einer verantwortungsvol-len Fiskalpolitik fhren. Dies gilt selbst dann, wenn sie was unverzichtbar ist, damit sie nicht je-derzeit bei Opportunitt von vernderten politischen Mehrheiten wieder aufgehoben oder

    aufgeweicht werden kann Verfassungsrang erhlt. Zwar ist das Bekenntnis zum Schuldenabbaueine politische Willenserklrung. Entscheidend sind aber die politische berzeugung von der Not-wendigkeit der Haushaltssanierung in der praktischen Tagespolitik sowie glaubhafte Institutionenzu ihrer Umsetzung und Durchsetzung.26

    Dass es letztendlich darauf ankommt, inwieweit sich die Politik wirklich von der (verfas-sungs)rechtlichen Norm binden lassen will, illustriert auch das Scheitern des Stabilitts- undWachstumspakts (SWP), der sogar im europischen Recht verankert ist, welches gegenber natio-nalem Recht grundstzlich vorrangig ist. Entscheidend fr dieses war das Fehlen einer unabhngi-gen Kontrollinstanz, was im Ministerrat schlielich zu einem politkonomischen Anreizsystem dergegenseitigen Rcksichtsnahme fhrte.

    Ob die Verankerung von Schuldenbremsen in den jeweiligen nationalen Verfassungen dieses Prob-lem vollends beheben kann, muss abgewartet werden. Die gerichtliche berprfbarkeit, ob Haus-haltsentwrfe mit der vorgeschriebenen Schuldenbremse konform sind, kann das Problem ent-schrfen, ist jedoch kein Allheilmittel. Abgesehen von einer erheblichen Zeitverzgerung bis zurUrteilsverkndung ist auch die politische Unabhngigkeit nationaler Verfassungsgerichte unter-schiedlich ausgeprgt.

    Auch prozedurale Fragen, wie etwa die Frage, ob auch Brger klageberechtigt sind, werden berden Erfolg nationaler Schuldenbremsen entscheiden. Nicht in allen Euro-Staaten drfte die politi-sche Klagebereitschaft etwa in der parlamentarischen Opposition stark ausgeprgt sein.

    3.2 Nebenbedingungen fr die Schuldenbremse

    Nationale Schuldenbremsen mit Verfassungsrang sind zwar grundstzlich geeignet, Staaten zueiner Sanierung der Staatshaushalte anzuhalten. Sie allein reichen aber nicht aus. Hinzukommenmssen

    - grundlegende realwirtschaftliche Reformen zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfhig-keit der maroden Volkswirtschaften,

    - die Lsung der Too-big-to-Fail-Problematik im europischen Finanzsektor und-

    Regeln fr eine risikogerechte Kreditvergabe auch an Staaten.

    3.2.1 Realwirtschaftliche Reformen zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfhigkeitder Volkswirtschaften

    Schuldenbremsen knnen nur wirksam sein, wenn die von Insolvenz bedrohten Staaten parallelzu einer Sanierung des Staatshaushaltes konsequent realwirtschaftliche Reformen durchfhren.Die eigentliche Ursache der verloren gegangenen Kreditfhigkeit liegt nmlich in der abhandengekommenen Wettbewerbsfhigkeit der betroffenen Volkswirtschaften insgesamt.

    Urschlich dafr sind vor allem zu hohe Lohnstckkosten und zu geringe Innovationsttigkeiten,

    verbunden mit berregulierung und Brokratie. So stiegen die griechischen Lohnstckkosten

    26 Vgl. Lienert (2010).

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    innerhalb von acht Jahren um 25 %. In Deutschland nahmen die Lohnstckkosten im gleichen Zeit-raum ab, die Eurozone insgesamt wies ein Wachstum von 12 % auf.27

    Nur realwirtschaftliche Reformen knnen die Wettbewerbsfhigkeit dieser Volkswirtschaften erh-hen, was in der Folge zu Wachstum und fr die Einnahmenseite des Haushalts entscheidenden

    Steuereinnahmen fhrt.Ein Schuldenerlass oder auch die Umschuldung von Schulden knnen realwirtschaftliche Refor-men nicht ersetzen. Sie ndern nichts an dem eigentlichen Problem der fehlenden Wettbewerbs-fhigkeit der Volkswirtschaft. Vielmehr handelt es sich dabei um Einmaleffekte, die nicht beliebigwiederholbar sind.28

    Beleg fr die fehlende Wettbewerbsfhigkeit sind die durchweg hohen und seit Jahren bestehen-den Leistungsbilanzdefizite der betroffenen Lnder: Die Importe bersteigen kontinuierlich dieExporte. Die resultierenden Leistungsbilanzdefizite haben ber viele Jahre die Lnder mit Export-berschssen finanziert, indem sie Kredite gewhrt haben. Fr die Rckzahlung dieser Kreditemssten diese Lnder letztlich ihre Importberschsse in Exportberschsse verwandeln. Dazu

    sind sie aber nicht in der Lage, weil die dortigen Unternehmen in der Summe nicht die erforderli-che Wettbewerbsfhigkeit im Vergleich zur nordeuropischen Konkurrenz aufweisen.

    Solange die Leistungsbilanzdefizite fortbestehen, bentigen diese Lnder immer hhere Kredite.Die Finanzkrise hat dazu gefhrt, dass die Auslandsglubiger zu Recht Zweifel an deren Fhig-keit bekommen haben, die Kredite auch weiterhin ordnungsgem zu bedienen. Der Abbruch derKreditversorgung aber fhrt zur Zahlungsunfhigkeit.

    Die Mitgliedschaft in der Whrungsunion macht es zwingend, dass diese Anpassungen durch realenderungen erreicht werden. Nominalenderungen, d.h. eine Abwertung der eigenen Whrungim Vergleich zu den Whrungen der wichtigsten Handelspartner, sind nicht lnger mglich. Insbe-sondere mssen Lhne und Preise flexibler werden. Nur eine massive Absenkung der Lhne und

    Preise kann die Attraktivitt griechischer oder portugiesischer Produkte steigern.29

    Vor allem Arbeitsmrkte tendieren aber zu einer Lohnstarrheit nach unten. Nominale Lohnsenkun-gen gelten als schwer durchsetzbar. Sie sind aber unvermeidbar, wenn sie nicht durch eine Produk-tivittssteigerung als Folge massiver Innovationen vermieden werden.

    Der Handlungsbedarf ist erheblich: Die Arbeitsmrkte Griechenlands, Spaniens, Portugals undFrankreichs sind (mit Luxemburg) die fnf am strksten regulierten Arbeitsmrkte der Euro-Zone.30

    3.2.2 Lsung der Too-big-to-Fail-Problematik im europischen Finanzsektor

    Die Eurozone braucht schnellstmglich Regeln, die eine geordnete Abwicklung systemrelevanterFinanzinstitute erlaubt. Durch die momentane Abwesenheit solcher Regeln droht die Insolvenzeines systemrelevanten Finanzinstituts smtliche Bemhungen zur Reduzierung der Staatsver-schuldung zunichte zu machen.31 Grund dafr ist die befrchtete Kettenreaktion bei der Insolvenz

    27 Vgl. Jeck, Van Roosebeke, Vowinkel (2010a).28 Vgl. Gerken, Kullas (2011): Griechenland wrde nicht einmal der Erlass smtlicher Staatsschulden helfen.Denn in diesem Fall htte sich das griechische Staatsdefizit 2010 noch immer auf 4,9% des BIP belaufen, sodass sofort neue Auslandskredite htten aufgenommen werden mssen. Mangels Kreditfhigkeit wre diesnicht mglich gewesen.29 Die Alternative, dass umfangreiche Innovationen die Qualitt der Produkte und damit Zahlungsbereit-schaft potentieller Kufer ansteigen lassen, ist kurz- bis mittelfristig nicht realistisch.30 OECD (2008).31 Vgl. Van Roosebeke (2010).

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    eines wichtigen Finanzinstituts, weswegen Finanzinstitute de facto mit einem Bail-out mittelsSteuergeldern rechnen knnen.

    Auch aus ordnungspolitischen Grnden ist die Lsung dieses Problems dringend: Eigenverantwor-tung beinhaltet auch die uneingeschrnkte Haftung fr eingegangene Risiken und damit die

    Bereitschaft, negative Auswirkungen eigenen Handelns vollstndig auf sich zu nehmen. Die ber-wlzung von Risiken auf andere Marktakteure brdet ihnen nicht zu rechtfertigende Kosten aufund fhrt ber die Fehlallokation von Kapital zu Effizienzverlusten, indem die implizite Garantie desStaates, Finanzinstitute im Notfall zu retten, dafr sorgt, dass die Finanzwirtschaft den Anreiz er-hlt, bermige (ohne Rettungsgarantie nicht tragfhige) Risiken einzugehen.

    Dringend geboten sind daher vor allem Manahmen auf der prventiven Ebene. Notwendig sindhier insbesondere hhere Kapitalanforderungen fr systemrelevante Finanzinstitute oder Vor-schriften ber die Zwangsbeteiligung von Glubigern an der Rekapitalisierung insolventer Institu-te, etwa ber contingent convertible bonds (CoCos). Im Rahmen der Arbeit der Europischen Fi-nanzaufsichtsbehrden sollte die Aufsicht ber systemrelevante Institute gestrkt werden.

    Fr den Fall der drohenden Insolvenz eines systemrelevanten Instituts sind auerdem europischeRegeln zur Abwicklung des Instituts notwendig. Nationale Regeln sind zwar lblich (etwa das Ban-kenrestrukturierungsgesetz in Deutschland); eine europische Regelung ist jedoch unumgnglich.Denn systemrelevante Institute sind typischerweise in mehreren Lnder der EU ttig.

    Dass die Abwicklung eines insolventen systemrelevanten Instituts vllig ohne Nutzung von Steu-ergeldern erfolgen kann, erscheint auch nach Einfhrung der hier geforderten Regeln unwahr-scheinlich. Wahrscheinlichkeit und Ausma des Einsatzes ffentlicher Gelder und damit das Risi-ko fr die Staatsfinanzen lassen sich aber mit diesen Regeln erheblich reduzieren und damit dieWahrscheinlichkeit deutlich erhhen, dass eine Schuldenbremse auch wirklich eingehalten werdenkann.

    3.3 Risikogerechte Kreditvergabe auch an Staaten

    Die hohen Leistungsbilanzdefizite einzelner Volkswirtschaften der Euro-Zone etwa Griechenlands sind Ausdruck einer mangelnden Wettbewerbsfhigkeit. Sie sind aber durch Kredite an dieseVolkswirtschaften berhaupt erst mglich geworden. Das Ausma der berschuldung Griechen-lands (sowohl was ffentliche als auch private Schulden angeht) macht deutlich, dass die Kreditge-ber nach Wegfall des Wechselkursrisikos das Ausfallrisiko der vergebenen Kredite massiv unter-schtzt haben.

    Regulatorische nderungen (in etwa der Eigenkapitalrichtlinie fr Banken) knnen die Kreditver-gabe zwar steuern. Ein pauschales EU-weites Heraufsetzen der Risikogewichte etwa fr Bankkre-dite an Unternehmen ist aber angesichts unterschiedlicher Ausfallrisiken in den Euro-Staatennicht angemessen. Besser wre es, die kreditvergebenden Finanzinstitute prften aus Eigeninteres-se intensiver als bisher, welches Risiko jede einzelne Position mit sich bringt.

    Bei der Kreditvergabe an Staaten sind nderungen der Kapitalhinterlegungsregeln dringend not-wendig: Die bisherige Regel, wonach Finanzinstitute fr den Ankauf von Staatsanleihen kein Ei-genkapital hinterlegen mssen, ist nicht mehr hinnehmbar. Sie gibt ihnen den Anreiz, in Anleihenvon Staaten mit hherem Risiko (und dementsprechend hheren Renditen) zu investieren, ohnediese Risiken mit Eigenkapital hinterlegen zu mssen. Dies fhrt zu einer Anhufung von Risiken

    und erhht die Wahrscheinlichkeit weiterer Bail-outs (sowohl von Staaten als von Finanzinstituten).Eine Orientierung am Rating des jeweiligen Emittenten ist geboten und erhht im brigen dieAnreize jedes Mitgliedstaates, eine nachhaltige Verschuldungsquote anzustreben.

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    4. Fazit: Schuldenbremse und notwendige Nebenbedingungen

    Mit dem angestrebten finanziellen Beistand im Rahmen der Rettungsschirme soll Zeit gewonnenwerden, um die Ursachen der krisenhaften Zuspitzung zu bekmpfen. Gelingt dies nicht, gewinnendie Euro-Staaten keine Zeit, sondern verlieren sie und dazu noch viel Geld.

    Euro-Staaten, die Finanzhilfen erhalten, mssen durch eine Reform ihrer Finanzverfassung einedauerhafte bermige Schuldenaufnahme glaubhaft ausschlieen. Eine in der Verfassung veran-kerte Schuldenbremse kann dafr ein geeignetes Mittel sein, wenn sie so ausgestaltet wird, dass sieauch tatschlich angewendet wird.

    Gleichzeitig mssen, um die Kreditfhigkeit der Staaten und ihrer Volkswirtschaften insgesamtwiederherzustellen, realwirtschaftliche Reformen durchgefhrt werden, die die Wettbewerbsfhig-keit der Volkswirtschaft steigern und so zu einem Abbau der Leistungsbilanzdefizite fhren. Parallelist die Too-big-to-fail-Problematik fr Finanzinstitute zu lsen, insbesondere ber hhere Eigenka-pitalanforderungen. Ebenfalls erforderlich sind Vorschriften fr eine risikogerechte Kreditvergabe

    von Finanzinstituten; dazu gehrt insbesondere die Pflicht zur Eigenkapitalhinterlegung auch beiAnkauf von Staatsanleihen.

    Nur wenn auch diese drei Probleme behoben werden, verlieren die betroffenen Staaten ihre Kri-senanflligkeit. Auch Schuldenbremsen knnen nur dann nachhaltige Wirkung entfalten.

    Dies ist fr die betroffenen Volkswirtschaften keinesfalls eine einfache bung. Erwartungen derbetroffenen Bevlkerungen auf einen hheren Wohlstand werden dadurch vorbergehend ent-tuscht.32 Groe Teile der Volkswirtschaften mssen sich neu orientieren. Der Druck auf politischeInstitutionen, die die notwendigen Reformen durchsetzen sollen, drfte enorm sein und damitauch der Druck, eine vorhandene Schuldenbremse flexibel zu handhaben.

    Allerdings lassen sich nur so wirtschaftspolitische Handlungsspielrume zurckgewinnen. Die Al-ternative bestnde darin, die maroden Euro-Lnder dauerhaft mit jhrlichen Zahlungen im hohenzweistelligen, unter Umstnden im dreistelligen Milliardenbereich zu entlasten und sie so von derPflicht zu grundlegenden Reformen zu entlasten.

    Dies wrde allerdings die Erwartungen derjenigen enttuschen, die sich fr eine eigenverantwort-liche Wirtschafts- und Finanzpolitik der Euro-Staaten einsetzen. Die Beziehung zwischen Whlern,Parlamenten und Regierungen wrde so nachhaltig geschwcht: Parlamentarier wren immer we-niger in der Lage, ihrer Verantwortung gegenber den Whlern gerecht zu werden. Regierungenentzgen sich unter Verweis auf internationale Verhandlungen, den bestehenden Zeitdruck unddie nochmals drohende Zuspitzung der Willensbildung in den nationalen Parlamenten. Es wrdealso die Erwartung auf eine nachvollziehbare, demokratische Wirtschafts- und Finanzpolitik in derEuro-Zone enttuscht.

    Gelingt es nicht, wirtschaftspolitische Handlungsspielrume zurckzugewinnen, ist die europi-sche Einigung ernsthaft gefhrdet. Der Erfolg der europischen Einigung beruhte in der Vergan-genheit nicht zuletzt darauf, dass die Brger Europas untereinander in Kontakt treten konnten,ohne dass sie die Mitgliedstaaten dabei behindern. Die aktuelle Entwicklung luft eher darauf hin-aus, dass die Mitgliedstaaten bei ihren Absprachen von den Brgern mglichst wenig gestrt wer-den. Dies wird die Bevlkerung voraussichtlich nicht dauerhaft akzeptieren und die europischeEinigung in Frage stellen. Dies wre ein zu hoher Preis.

    Sowohl fr die Durchfhrung der realwirtschaftlichen Reformen als auch fr die Einhaltung von

    Schuldenbremsen ist eine europaweite Stabilittskultur ntig. Nur dann knnen Politiker, die

    32 Vgl. zur Funktion der Besttigung und Enttuschung von Erwartungen Hayek (2003), S. 105-113.

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    dagegen verstoen, von ihren Whlern wirksam abgestraft werden. Nur dann lassen sich dieschmerzhaften Anpassungsprozesse in den reformbedrftigen Lndern politisch durchsetzen. Die-se Kultur kann nicht verordnet werden. Sie kann nur vorgelebt werden.

    Ohne die Einhaltung der genannten Bedingungen sollte der Deutsche Bundestag weiteren Finanz-

    hilfen fr Krisenstaaten, etwa im Rahmen der einzeln zu gewhrenden Finanzhilfen des EFSF undESM, nicht zustimmen, da diese dann gerade nicht zu einem Ausweg aus der Krise fhren. Das er-hebliche finanzielle Risiko wird uferlos, wenn nur die Symptome gelindert werden, statt tatschlichdie Ursachen zu bekmpfen. Der Deutsche Bundestag darf sich nicht darauf verlassen, dass in denbetroffenen Mitgliedstaaten nach Lsungen fr die angesprochenen Probleme nur gesuchtwird.Er sollte seine Zustimmung zur Auszahlung von Finanzhilfen daran knpfen, dass der um Hilfe er-suchende Staat diese Bedingungen erfllt, also bereits vor Beantragung der Hilfe eine Schulden-bremse in seiner Verfassung verankert hat und ernsthafte realwirtschaftliche Reformen in die Wegegeleitet hat. Dies ist ein Ausweis dafr, ob es den brigen Euro-Staaten mit der notwendigen Stabi-littskultur in der Realwirtschaft und der Haushaltspolitik ernst ist. Politische Gemeinschaftengrnden immer auf Hoffnung. Es geht nun darum, dieser Hoffnung durch Substanz ein Fundamentzu verleihen.

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    Centrum fr Europische PolitikDas Centrum fr Europische Politik (CEP) in Freiburg ist der europapolitische Think Tank der ge-meinntzigen Stiftung Ordnungspolitik. Es ist ein Kompetenzzentrum zur Recherche, Analyse undEvaluierung der EU Politik. Seine Analysen beruhen auf den Grundstzen einer freiheitlichen undmarktwirtschaftlichen Ordnung. Vorstand des CEP ist Prof. Dr. Lder Gerken. Dem Kuratorium desCEP gehren Bundesprsident a.D. Prof. Dr. Roman Herzog, der ehemalige polnische Finanzminis-ter und Notenbankprsident Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Leszek Balcerowicz, der frhere EU-KommissarProf. Dr. h.c. Frits Bolkestein sowie der ehemalige Prsident der Deutschen Bundesbank Prof. Dr.Hans Tietmeyer an.