Antiberliner 13

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  • 8/9/2019 Antiberliner 13

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    K a m p f b l a t t f r H a s c h r e b e l l e n / / N r. 1 3 / / A u g u s t / Se p t e m b e r 2 0 0 7

    2 FEINDBILDER GESTERN.Ex-Stadtguerillero RonnieFritzsch im Interview zurBewegung 2. Juni

    6 FEINDBILD ANTIFA.Ermittler von BKA nutzenGummiparagraf zur Durch-leuchtung der Antifaszene

    4 FEINDBILDER HEUTE.Deutschland sucht denSuperterrorist. ber dieWandlung eines Begriffs

    ANTIBERLINER

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    In eigener SacheDer Anti-

    berliner ist

    eine Zei-

    tung fr

    linke Politik

    und Kultur, die alle

    zwei bis drei Monateerscheint und kosten-

    los in Berlin verteilt

    wird. Oft werden wir

    verstndnislos nach

    unserem Namen ge-

    fragt und was wir

    denn gegen die Berli-

    ner htten. Dabei le-

    ben wir sogar sehr

    gern in Berlin. Ihren

    Namen hat die Zeitungvom ehemaligen Berli-

    ner CDU-Brgermeister

    Eberhard Diepgen, der

    die Kreuzberger als

    Antiberliner brand-

    markte, nachdem sie

    am 1. Mai 1987 nach-

    drcklich darauf be-

    standen hatten, den

    Tag der Arbeit ohne

    Polizei zu feiern. EinEhrentitel also fr an-

    stndige Berliner ...

    Impressum: V.i.S.d.P.: E. Diepgen,

    Fasanenweg 30,10123 Berlin

    Redaktionskontakt:

    [email protected]

    Untersttzer: Antifa-schistische Linke Berlin

    Namentlich gekenn-zeichnete Artikel spie-geln nicht unbedingtdie Position des Redak-tionskollektivs wider

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    Die spektakulrste Aktion

    der Bewegung 2. Juni wardie Entfhrung des CDU-Po-litikers Peter Lorenz. Er ver-brachte fnf Tage im Volks-gefngnis der Bewegung 2.Juni. Es ist die einzige Ent-fhrung in Deutschland, dieeine Befreiung von Gefange-nen zur Folge hatte

    W er hat mehr Ban-

    ken berfallen,die Bewegung 2. Juni

    oder die Rote Armee Fraktion? Keine Ahnung.

    Wie viel Banken habt ihr berfal-len?

    Da muss ich mal in der Ankla-geschrift gucken, ich glaub eswaren zehn.

    Was habt ihr mit dem Geld ge-macht?

    Im Wesentlichen haben wir dieIllegalen und deren Strukturenfinanziert. Dane-ben wurden aber auch mehrere le-gale Projekte fi-nanziell unter-sttzt. Es ging al-les in einen Topf,ob es eine Bankoder sonst was

    war. Jeder hatte150 DM die Woche, dazu dieMiete.Das war nicht viel,aber eswar ausreichend.Es konnte sichdadurch kein Lebensstil entwik-keln, wo Leute auf die Ideekommen knnten, deswegenBanken zu berfallen.

    Was fr Schlussfolgerungen kannman heute aus der Erfahrung der verschiedenen bewaffneten Gruppen

    und der gesamten Linksradikalen inDeutschland in der Zeit zwischen

    den siebziger Jahren und dem Fallder Mauer ziehen?

    Dafr reicht hier der Platz nicht.Da mte man den Antiberliner

    um ein paar Seiten erweitern.Eine bewaffnete Linke kann nur

    mit dem Hinter-grund einer starkenLinken existieren.Die RAF hat sicham Ende davon ver-abschiedet, indemsie gesagt hat, ihr Bezugspunkt seinicht die deutsche

    Linke oder die Be-vlkerung hier, sondern die Vl-ker des Trikonts, da es um dieweltweite Befreiung gehe. Dasmacht es natrlich einfach,dannbraucht man hier keine politischeRcksichtsnahme zu ben.

    Bei uns war das anders.Wennes keine Linke gibt, die das po-litisch trgt, gibt es auch keineLeute, die das praktisch tragen.

    Dann gibt es auch keine illega-len Gruppen. Jeder Illegale

    braucht Leute,die legal sind,die

    Wohnungen besorgen, die Autosbesorgen, die Papiere besorgenoder ihre Papiere zur Verfgungstellen.Dadurch, dass ein groer Teil von den Aktiven Mitte der Siebziger eingefahren ist und einanderer Teil, der noch drauenwar, sich die RAF-Positionenimmer mehr angeeignet hat, istganz viel von der Untersttzungweggefallen.

    Eure Politik im Knast hat sich jaauch deutlich unterschieden.

    Die RAF hat ab 1977 fr sichgefordert,nach der Genfer Kon-vention den Kriegsgefangenen-status zu erhalten.Danach woll-ten sie behandelt, zum Beispielzusammengelegt, werden. Wir haben den Knast als einen ande-ren Lebensraum gesehen,in demwir unfreiwillig sind.Wir haben

    nicht so zwischen sozialen undpolitischen Gefangenen unter-schieden.Wir haben gesagt, der Kampf geht hier weiter und zwar gemeinsam mit den sozialenGefangenen.

    Was war der politische und soziale Kontext, in dem die Bewegung 2.

    Juni entstand? Die Bewegung war Ende der Sechziger Anfang der Siebziger

    sehr vielschichtig. Es gab kultu-relle Vernderungen, es war einAufbegehren, auch in den Le-bensformen. Es gab viele Versu-che von selbstverwalteten Ju-gendzentren, Betriebsgruppen,Stadtteilgruppen, Kinderlden.

    Gab es irgendwelche Vorflle, war-um sich diese Szene politisch radi-kalisierte?

    Die Radikalisierung war in er-

    ster Linie eine politische,also dieAblehnung des Kapitalismus und

    Vietnam und die Altnaziswaren ein groes Thema

    T V- H e u l b o j e Ti l lS c hw e i ge r s p ie l ted e n H a s c h r e b e l l i n Wa s t u n , w e n n sb r e n n t

    I nt e r v i e w m itR o n a l d R o n -n i e Fr i t z s c h .E r w a r i n d e rB ew eg un g 2 .J u n i u n d s a a l s p o l i t i s c h e rH f t l i n g i m G e -f n g n i s

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    W enn ich vor meinem Computer sitze, frage ich mich neuerdings, wer wohl staatlicher-seits gerade in meinen Musikdateien whlt oder das vielleicht schon lnger macht. Und vielleicht habe ich ja auch nicht nur Musik, sondern auch private Dinge auf meinem PC gespeichert. Dinge, die ich auch nicht meinem groen Bruder zeigen mchte. Die Onlinedurchsuchung erinnert an Gesetze, die den US-Behrden seit dem 11.9. erlauben, Huser in

    Abwesenheit der Bewohner zu durchsuchen, ohne nach-trgliche Benachrichtigung und mit der Verpflichtung zumSchweigen fr zufllige nachbarliche Beobachter.

    Eigentlich schon ein alter Hut, aber neuerdings kom-men mir dabei Gedanken, die ich eigentlich fr mich

    behalten wollte. Kann man ja keinem erzhlen, dachte ich. Lasst es mich so verpacken: Funny van Dannen hat mal ein Lied geschrieben, das spter auch von den TotenHosen verffentlicht wurde. Das hatte den provokativenTitel: Auch lesbische schwarze Behinderte knnentzend sein.Meine bsen Gedanken in letzter Zeit gin-

    gen jedenfalls in die Richtung, jemanden mal so richtig aus dem Rollstuhl zu schubsen. Huch, hab ich s jetzt tatschlich gesagt? Aber es geht ja auch um eine bestimm-te Person, nicht einfach irgendjemanden. Und die Personist sowas von aufdringlich tzend, dass in ihren eigenenGedanken gesprochen, man wohl von gezielter Ttung reden msste. Huch! Jetzt gehts aber wirklich zu weit, ichschaue lieber mal nach den Downloads.

    Tante Kthe plaudert aus dem Nhkstchen

    Gedankenverbrechen

    des Imperialismus.Vietnam war ein groes Thema, ein anderesgroes Thema waren die Altna-zis, die die Bundesrepublik auf-gebaut hatten. Natrlich gab es

    das Attentat auf Rudi Dutschke,aber ich wrde das nicht an ein-zelnen Anlssen festmachen. Ichwrde das als eine alltglicheEntwicklung beschreiben, indem Sinne, dass man im Alltageinen politischen Standpunkthat und an Grenzen stt. ZumBeispiel war das der Fall bei denLeuten, die in Betriebsgruppengegangen sind. Das waren Stu-

    denten oder Leute, die sowiesodort gearbeitet haben.Da war esviel schwieriger Vernderungendurchzusetzen.Da warst du ganz

    schnell wieder drauen.Einige sagen, die Konsequenz ausden Jahren des bewaffneten Kamp-

    fes ist auch, dass der brgerliche Staat sein Waffenarsenal aufgerstet

    hat und nun mit verschrfter Re- pression gegen Protest vorgehenkann.

    Das wrde ich anders sehen.Alsdas Handgranatengesetz verab-schiedet wurde, ist noch nichtein Schuss gefallen.Als die Not-standsgesetze verabschiedetwurden, ist noch nicht einmalein Stein geflogen. Wenn wir uns anschauen, was in den letz-

    ten 15 Jahren fr Gesetzesver-schrfungen stattgefunden ha-ben, gerade auf dem Gebiet der inneren Sicherheit, da ist nichts

    passiert, was das rechtfertigenwrde.

    Natrlich fhren politischeFehler wie zum Beispiel dieEntfhrung der Landshut nachMogadischu zu einem Klima,in dem die Leute,die du eigent-

    lich erreichen willst, auf einmalVerstndnis dafr entwickeln,wenn der Staat radikalere Ein-schnitte vornimmt. Sie fhlensich selbst bedroht. Es gab poli-tische Fehler, die dazu beigetra-gen haben, aber die waren mitSicherheit nicht die Ursache.

    Was ist dann die Ursache fr Re- pression?

    Die Ursache sind die Ausbeu-

    tungsverhltnisse. Wenn ich je-mand fr mich arbeiten lasseund dem alles wegnehme, dafr dass der arbeitet,dass es ihm we-sentlich schlechter geht als mir.Und wenn ich von dem profi-tiere, was er arbeitet, dann be-ruht das immer auf einem Ge-waltverhltnis, das ich nur mitGewalt aufrechterhalten kann.Wenn ich jemand so abziehe,

    dann hab ich auch Angst vor dem. Natrlich habe ich Angst,dass der irgendwann mal dieSchnauze voll davon hat.

    Herbst 77Der Deutsche Herbstbegann mit der Entfh-rung von Arbeitgeber-prsident Hanns-MartinSchleyer im September

    1977. Die Entfhrungwar Teil der sogenann-ten Offensive 77 derRoten Armee Fraktion,die die Freiheit der RAF-Gefangenen zum Zielhatte. Im Oktober wurdedie Lufthansa-MaschineLandshut von einempalstinensischen Kom-mando entfhrt, um die

    Forderungder RAF zubekrfti-gen. Auf

    dem Flughafen Mogadi-schu in Somalia strmtedie Polizei-Einheit GSG 9das Flugzeug. Drei dervier Entfhrer wurdengettet. An dem Morgenwurden auch die RAF-

    Gefangenen AndreasBaader, Gudrun Ensslinund Jan-Carl Raspe inihren Stuttgarter Ge-fngniszellen tot aufge-funden. Was in der To-desnacht von Stamm-heim geschah, ist nachwie vor unklar. EinenTag spter fand manSchleyers Leiche.

    Der Begriff DeutscherHerbst leitet sich ausdem 1978 gezeigtenFilm Deutschland imHerbst ab. Darin setzensich elf Regisseure desso genannten NeuenDeutschen Films darun-ter Rainer Werner Fass-binder und VolkerSchlndorff kritisch mit

    der Reaktion des Staatesauf die RAF auseinander.

    R o n a l d Ro n n i e Fr i t z s ch u n d R a lf R e i n d er s( v. l . n . r . ) w h r e n d i h r e s P r o z e s s e s

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    Terror und Staatsterror was ist nun eigentlich Terror?

    Eine Person in die Nhe von Terrorismus zu rk-ken, ist die Drohung, bereits auf Verdacht mit n-tigenfalls extralegalen Mitteln gegen ihn vorzuge-hen.Die Zuschreibung Terrorist ffnet die Bch-se der Pandora: Killfahndung, Isolationshaft undphysische Folter statt rechtsstaatlicher Verfahren.Murat Kurnaz kann

    das bezeugen.Sieht sich der Staat bedroht, wird die Rebarbarisie-rung des Politischen zum Ehrenzeichen einer kmpferischen Zi-vilisation (Sebastian Scheerer). Diese Rebarbarisierung kannStaatsterror sein,der aber bergesetzlicher Notstand,Ausnahme-zustand oder Sicherheitsmaname heit, oder das Regierenmittels der Angst vor Terror.

    Damit Politik mit der Angst vor dem Terror funktionieren kann,muss Terror inszeniert werden, er will und braucht ein Publikum,also Massenmedien und irgendein Drehbuch.

    Das kann mit Falschmeldungen geschrieben werden (wie die1974 verbreiteten Erkenntnisse, dass die RAF WM-Fuballsta-

    dien mit Raketen angreifen wolle), oder auch mit gesteuerten At-tentaten siehe die Massaker der 1970er und 1980er Jahre durchfaschistisch-geheimdienstliche Bomben im Rahmen der Strategieder Spannung in Italien und die Oktoberfestbombe 1980, die der Linken in die Schuhe gescho-ben werden sollte was nur des-halb nicht klappte, weil der Nazi,der sie legte,beim Bom-benznden umkam. Sicher-heitsbedrohungen durchstaatlichen Terrorismus zu er-

    zeugen,um dadurch eine Re-barbarisierung zu legitimie-ren, ist ungeheuer zynisch,aber funktional.

    In einem Krieg fhrendenLand muss die Unterschei-dung zwischen staatlicher le-galer und nicht-staatlicher il-legaler Gewalt gegen alle Rea-litt behauptet und durchge-setzt werden. Es ist ein politi-

    sches Problem, einerseitsKrieg zu fhren,also tdliche

    Gewalt als Mittel staatlicher Politik zu nutzen,und andererseits Ge-walt als Mittel gesellschaftlicher Auseinandersetzungen zu chten.Immerhin muss es in dieser Konstellation den Staatsmacht ausben-den und vorstzlich ttungsbereiten Soldaten ebenso geben wie dengewaltfreien Oppositionellen. Beide mssen im Rahmen desselbenSystems gewaltfhig, bzw. gewaltlos gehalten werden. Die Unter-

    scheidung zwischen einem Luftwaffeneinsatz,der womglich zivi-le Kollateralschden" verursacht und Bombenanschlgen auf mi-litrische Einrichtungen, von denen diese Einstze ausgehen, mussunbedingt behauptet werden, entsprechend die Unterscheidungzwischen guten Opfern (z.B. Bundeswehrsoldaten in Afghanistan,die ein Staatsbegrbnis bekommen) und schlechten Opfern (z.B.durch NATO-Bomben gettete serbische Zivilisten, deren Ange-hrige keine Entschdigung erhalten).Der staatsterroristische War on Terror ttet afghanische, libanesische oder irakische Zivilistenund verletzt die Grundrechte der einheimischen Staatsbrger.

    Dieses grundstzliche Dilemma soll durch einen propagandisti-

    schen Terror-Begriff, der staatliche Gewalt und Staatsterror aus-blendet, abgefedert werden.Diese Aufgabe erfllt der Terrordiskurs.Er ist gesellschaftlichen Einflssen wie denen einer konkurrieren-den Presse ausgesetzt,aber unterm Strich hat er eine unstrittige Ge-

    meinsamkeit:Kein Angriff auf das staatliche Gewaltmono-pol, keine Revolution. Mitanderen Worten, der Terror-diskurs richtet sich gar nichtgegen Terror, er soll vielmehr das Terrormonopol des Staa-

    tes schtzen.

    Ein Gespenst geht um ...Der Terrordiskurs darf natr-lich auf gar keinen Fall Grn-de fr militanten Kampf transportieren. Die altenRAF- und RZ-Anschlge auf US-Militrbasen sind wegender heutigen CIA-Folter-und Nachschubflge fr den

    Irakkrieg von eben diesenSttzpunkten ganz tabu.Ak-

    SCHWERPUNKT

    Der alte Brockhaus definierte Terror als eine gewaltttige Form des politischen Machtkampfes, insbesondere der

    brutalen Regierung eines Diktators zur Aufrechterhaltung seiner Herrschaft, sprich: Staatsterror. Der moderne Ter-rorismusexperte Waldmann sieht Terror anders: Planmig vorbereitete, schockierende Gewaltanschlge gegeneine politische Ordnung aus dem Untergrund. In diesem staatlichen Verstndnis verkrpert Terror die Unmg-lichkeit der Integration, wo Dialog und zivilisierte Mittel nicht helfen

    0 4 / / / A n t i b e r l i n e r 1 3 / 2 0 0 7

    P ol i ze i e i n h ei te n a uf d e r S u ch e n a ch

    Te r r o r i s t e n b e i d e n B l o c k - G 8 - A k t i v i s te n i mJ u n i i n H e i l i g e n d a m m

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    tionen wie die Sprengung des Knastes von Weiterstadt oder dieglcklich gelaufene Lorenz-Entfhrung der Bewegung 2. Juni oder die internationalistischen Aktionen der Roten Zora gegen die Aus-beutung von Frauen in Weltmarktfabriken,bzw. die militante Soli-daritt der RZ mit Flchtlingen und das Umlegen von Stromma-sten nach Tschernobyl durch Anti-AKW-AktivistInnen usw. wer-den tunlichst wenig erwhnt.

    Die Begnadigungsdebatte um Christian Klar belegte brigensauch, auf wen der aktuelle Terrordiskurs zielt. Seine verratslose Di-stanzierung von der vergangenen RAF reichte nicht.Er blieb im Knast,

    weil er antikapitalistische Gre an die heutige Linke schickte.Dass der Terrordiskurs viel mit der heutigen Linken zu tun hat,

    zeigt auch der Kommentar von Frank Jansen im Berliner Tagesspie- gel am 27.5.07: Revolution und Kommunismus, das ist eine zen-trale Lehre der Geschichte,haben der Nachkriegslinken schwer ge-schadet.Das SED-Regime und die RAF [...] verkrpern auf ewigdas Scheitern der deutschen Modelle totalitrer linker Ideologie.[...]Schluss mit dem Quatsch. Die wahrenLinken von heute sind nicht Fidel Ca-stro oder Untote [sic!] wie Che Gue-vara,Mao, Lenin,Stalin,Trotzki,Baku-

    nin,Marx. [...] Die echten Linken hei-en zum Beispiel Heiner Geiler undAl Gore. Und dann,mit Bezug auf denG-8 in Heiligendamm: Die extremeLinke scheint im Kampf um die Bilder vorne zu liegen.Und sie knnte ihn ge-winnen, sollte in Rostock oder amZaun schwere Randale gelingen. [...]Gewaltfreie, nicht-extremistische Lin-ke mssen sich von den Revolution-ren absetzen. Da ist aber jemand

    ziemlich besorgt, dass Revolutionre nicht tot zu kr iegen sind,unddas alte linke Gespenst wieder in Europa und nicht nur da um-geht. Zu Recht?

    2007 geht es wie 1967 oder 1977 um die Wahrung der Staatsr-son: Soziale Unruhen verhindern oder unterdrcken und fehlen-den gesellschaftlichen Konsens bertnchen. Konkreter gesagt: zuverhindern, dass ein entnervter pauperisierter Pbel die Vorortvil-len der Reichen niederbrennt so formulierte es ein Oberstleut-nant krzlich in einem Interview mit der Tageszeitung junge Welt .

    Solidaritt gegen Rebarbarisierung Die Asymmetrie der Auseinandersetzung ist 1967 oder 1977 oder 2007 hnlich: Die Linken kmpfen ganz grundstzlich gegen Aus-

    beutung und Umweltzerstrung, fr weltweite Gerechtigkeit undEgalitt, die Staatsorgane gegen formale Ordnungsstrungen undzur Verteidigung des Gewaltmonopols. In dieser Konstellation wur-de und wird Solidaritt und die solidarische Kultur, die fr Linkelebensnotwendig sind, vom staatlichen universalen Terror-Ver-dacht bedroht.Zwar sind die meisten globalisierungskritischen Ak-tionen friedlich und werden es auch bleiben es gibt aber die staat-liche Erinnerung an die ersten RAF-AktivistInnen, die die zivilenProtesttaktiken der APO von 1967-69 als zu wirkungslos kritisier-ten und ab 1970 den bewaffneten Kampf propagierten. Und wie

    wirkungsvoll sind eigentlich die heutigen zivilen Proteste? Wer dazweifelt, gert ins Visier des universalen Terrorverdachts.

    Allerdings: ber gewisse Fallstricke des Terrordiskurses stolper-te die Staatsagentur BAW mit ihren wortwrtlichen Schnffeleienim Mai im Vorfeld des G8. Die Massenmedien sind auch bei der zur Terror-Inszenierung gehrenden Inszenierung antiterroristi-scher Manahmen unverzichtbar.Dummerweise hatten sie aber die

    Latte der Terrordefinition vor demHintergrund des Jahrestags des Bu-back-Attentats gerade auf RAF-77-Hhe gelegt. Und niemand, der noch

    seine Sinne beieinander hat,vergleichtFarbanschlge mit tdlichen Salvenaus einer automatischen Waffe. Abge-brannte Autos oder Sachschden anFirmen sind keine erschossenen Bun-desanwlte, Bankiers oder Politiker und anonyme Herausgeber eines auto-nomen Geschichtsbuchs sind nicht dieRAF. Der Terrordiskurs funktioniertnicht gegen jede Rationalitt undRealitt, und wenn auer der durch-

    geknalltenBILD niemand Berlin in Terrorangst sieht,wirkt staat-licher Antiterrorismus ganz hllenlos wie das, was er ist: ein Angriff auf oppositionelle Strukturen.

    Der Terrordiskurs setzt auf Entpolitisierung, Einschchterungund Zerstrung der kollektiven Zusammenhnge.Wenn die Linkewie immer auf Emanzipation, Mobilisierung und Solidaritt setzt,wird sie ihm nicht auf den Leim gehen.

    P.S.: Rostock/Heiligendamm war wahrlich nicht der DeutscheHerbst 1977 und es war ein wesentlicher Erfolg, dass die Basis ihreSprecher links berholt hat. Dennoch wurde die Drohung mit demAusnahmezustand bei diesem G 8 aktualisiert. Hinter dem Zaun

    lauerte die Rebarbarisierung und wie sehen Blockaden gegen sieaus? Klaus Viehmann

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    I n f o l a d e n F u s i o n i n B e r l i n w h -r e n d d e r R a z zi a ge g e n G 8 - G e g-n e r Ter r or -A n gs t ! ( B I L D )

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    Schubles Welt

    Bundesinnenminister

    Wolfgang Schublereicht 129a nicht aus.Er will den Paragrafenum 129c und 129d er-weitern. Damit stndenknftig schon Terror-vorbereitungen unterStrafe wie die Ausbil-dung in einem so ge-nannten Terror-Camp,das Sammeln von Geld

    fr Anschlge sowie derBesitz und die Verbrei-tung von Bomben-Bau-anleitungen. Von demParagrafen sollen auchpolitisch motivierte Ein-zeltter erfasst werden.Bisher konnte 129a nurfr Gruppierungen abdrei Mitgliedern heran-gezogen werden.

    Nach SchublesWunsch soll darber

    hinaus auch eine

    Rechtsgrundlage fr

    eine gezielte Ttung von

    Terroristen erarbeitet

    werden. Im Spiegel -In-

    terview sagte er: Wr-

    de etwa Osama Bin La-

    den aufgesprt und

    stnde eine derartige

    Entscheidung an, wrendie Rechtsfragen in

    Deutschland vllig un-

    geklrt.

    Anti-Schuble-Aktion

    Am Samstag den 22.September wir es inBerlin eine bundesweiteAnti-Schuble-Demogeben. Auftaktort ist

    der Pariser Platz. freiheitstattangst.de

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    hnlich wie in der BRD, istauch in Italien das Jahr 1977ein Kristallisationspunkt lin-ker Bewegung. Was in derBRD als Deutscher Herbstins kollektive Bewusstseingerckt ist, ist in Italien engmit den Roten Brigaden(Brigate Rossa BR), der Au-tonomia und der Reaktionder Staatsmacht verbunden

    D ie Wurzeln der 77er Bewegung liegen impostfaschistischen Ita-lien der fnfziger und sechziger

    Jahre: Durch die voranschreitendeIndustrialisierung, besonders inNorditalien,sowie die zunehmen-de Herausbildung einer Konsum-gesellschaft, traten konomische,soziale und kulturelle Widerspr-

    che offen zu Tage. Die Kommuni-stische Partei Italiens (PCI) war nicht in der Lage, die Bedrfnisseeiner neuen Generation zu erken-nen, so dass diese sich neuen Poli-tik- und Organisationsformen zu-wendete.

    Wir wollen allesDie neu entstandene Bewegungerhielt Zulauf und Untersttzung

    von breiten Teilen der Bevlke-rung. Im Fokus ihres politischenDenkens und Handeln stand dasSubjekt.Grundlage des politischenVerstndnisses war die Autonomiedieses Subjektes, das nicht lnger warten will,sondern sich kollektivzusammenschliet, um sich zunehmen, was ihm zusteht. Amdeutlichsten spiegelte sich diesesin der Parole Wir wollen Alles

    wieder.Die Bewegung lebte von ihrer

    Breite,den Stadtteilinitiativen,denFabrikgruppen, den Hausbeset-zungen,den feministischen Grup-pen, sowie den unzhligen Zei-tungs- und Radioprojekten.NeueThemen fanden sich in den Dis-kussionen der Linken wieder,ge-

    nauso wie neue Kommunikati-ons- und Organisationsformen.

    Schon bei den Auseinanderset-zungen in den sechziger Jahren,kam es zur Radikalisierung der Bewegung. Es entstanden Grup-pen wie 22. Oktober (oder diePartisanengruppe GAP), die mitAnschlgen auf Autos oder Ma-schinenzerstrungen, die Forde-rungen der Bewegung radikali-

    siert widerspiegelten. Dabei ope-rierten die Gruppen teilweise of-fen, was ihnen eine hohe Legiti-mitt in der Bewegung sicherte.

    In den siebziger Jahren neh-men die Spannungen zwischender neuen linken Bewegung undder etablierten Herrschaft zu.Im

    Jahre 1977 fanden bereits ber 2.000 bewaffnete Aktionen statt,Gruppen wie die 1970 entstande-

    nen BR hatten groen Zulauf,und auch in den folgenden Jahrenkam es immer wieder zu bewaff-neten Aktionen.

    Unbekannte Militanzqualitt Nach dem die Spannungen zunahmen und die staatliche Seiteeng mit faschistischen Organisa-tionen gegen die linke Bewegungvorgingen, wurde auch das Ni-

    veau der Auseinandersetzungenimmer hrter. So wurde die be-

    setzte Universitt von Bologna1977 militrisch gerumt. ImZuge dieser Auseinandersetzungwurde ein Jugendlicher von ei-nem Carabinieri erschossen.Dieanschlieenden Demonstratio-nen in verschiedenen italieni-

    schen Stdten fanden ihren Aus-druck in einer unbekanntenQualitt an Massenmilitanz. MitWaffen und Molotowcocktailsausgerstet,wurden Polizeirevie-re,Kasernen und Parteibros an-gegriffen. Es kam zu Schieerei-en mit der Polizei, sowie der an-schlieenden militrischen Be-setzung mehrerer Stdte wieRom, Bolgna und Mailand.

    Flucht ins Exil Eine Repressionswelle brachber die Bewegung herein. Lin-ke Zentren und Treffs wurdengestrmt und zerstrt, Massen-verhaftungen fanden statt, denenber 15.000 Linke zum Opfer fielen.Eine der bekannesten Per-sonen war Antonio Negri. Akti-visten wie Negri mussten ins Exil

    fliehen und leben teilweise heu-te noch dort.

    Die Bewegung war zerstrt,dasie nicht in der Lage gewesen war auf die Repressionen eine Ant-wort zu finden. Nur langsam ge-lang es in Italien eine radikaleLinke wieder aufzubauen. Diegesellschaftspolitischen Ereignis-se in Italien 1977 sind nicht nur fr die italienische Linke ein

    wichtiger Bezugspunkt,der Fra-gen aufwirft und Inspiration gibt.

    Italienund dasJahr 1977

    S t u d e n t e n p r ot e s t e 1 9 7 7 i n R o m

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    Antifa-SpionDiesmal zeigen wir Euchauf der Antifaseite, wieman ganz einfach Nazisber wachen kann undso ihren Handlungs-

    spielraum eingrenzt

    RichtmikroRichtmikros kann manmittlerweile ohne Pro-bleme kaufen. So growie der gute alte Walk-man und mit enormerAkkulaufzeit. Einfachsich neben die lokaleNazikneipe setzen und

    den Kameradschafts-abend abhren. Kosten: ca. 210 Euro

    Handy ortenDein Mitschler ist Neo-nazi? Du willst wissen,zu welchem Naziauf-marsch er diesmalgeht? Mit Handy trak-king kannst Du ihn

    metergenau orten. Dumut den Service in derHofpause heimlich vonseinem Handy frei-schalten. Vom Compu-ter kannst Du genausehen, wo er und seineKameraden diesmal ge-stoppt werden.

    Um die Ecke schaun

    Wer kennt noch dasPapp-Periskop? Gibtes alle zwei Jahre inder Mickey Maus im De-tekitv-Special. Ein Spie-gel mit Knick, mit demman um die Ecke guk-ken kann. So knnt ihraussphen, wie vielNazis an der Bushalte-stelle stehen, ohne er-

    kannt zu werden. Kosten: 2,10 Euro

    Neben den Verfahrengegen Globalisie-rungskritiker,die we-

    gen einer Grorazzia im Vorfelddes G8-Gipfels im Mai in Berlin,Brandenburg und Hamburg be-kannt wurden, sind nun elf weite-re Personen ins Visier der Terror-Ermittler gerckt. Ihnen wird vor-geworfen,seit 2002 vier Brandan-schlge auf Fahrzeuge der Bundes-

    wehr und auf eine Rstungsfirmain Glinde,Bad Oldesloe und Ber-lin verbt zu haben.

    Die Behrden nahmen es mitder Begrndung bei diesem Ver-fahren nicht so genau. Mit Blickauf Hausdurchsuchungen im Juniin Berlin, Hamburg und Schles-wig-Holstein sprachen die Vertei-diger der Betroffenen sogar voneiner verfassungswidrigen Auf-

    weichung von Durchsuchungs-voraussetzungen.

    X kennt Y Wie die Ermittler auf einen der Berliner Beschuldigten kamen,liest sich wie folgt:Der Beschul-digte Y ist der engste Vertraute desBeschuldigten X.Y unterhlt dar-ber hinaus auch Kontakte zu denweiteren Beschuldigten und hlt

    sich zeitweilig in Bad Oldesloeauf. (...) Neben der Antifa-Arbeittritt Y auch aktiv als Globalisie-rungs- und Militarismusgegner inErscheinung. Seine politischenAktivitten entsprechen uneinge-schrnkt dem Bettigungsfeld der vorliegenden terroristischen Verei-nigung.Es ist daher davon auszu-gehen,dass Y neben dem Beschul-digten X als weiteres Mitglied der

    Vereinigung in Berlin agiert (...).Die Verteidiger hielten dage-

    gen: Mit der vorliegenden Kon-struktion der Durchsuchungsbe-schlsse knnte eine Vielzahl der im Norddeutschen Raum akti-ven Antifaschisten und Kapitalis-musgegner ins Visier der Bundes-

    anwaltschaft geraten. Die Anwl-te verwiesen zugleich darauf, dassdas Bundesverfassungsgerichtfestgeschrieben habe,dass zumin-dest tatschliche Anhaltspunktefr die Wahrscheinlichkeit einer begangenen Straftat vorliegenmssen.

    Viele Ermittlungsinstrumente Doch der Einsatz von 129a

    lohnt sich. Denn mit dem Para-grafen,der mit Freiheitsstrafen biszu zehn Jahren geahndet werdenkann, steht den Ermittlern einebreite Palette an Instrumenten zur Verfgung. Dazu gehren Tele-fon- und Raumberwachung,der Einsatz von verdeckten Ermitt-lern und Durchsuchungen. Dar-ber hinaus knnen die BehrdenErmittlungen zeitlich und perso-

    nell besonders weit ausdehnen,denn schlielich muss auch das

    Umfeld der Terrorverdchtigenausgeleuchtet werden.

    Nach Einschtzung des Ge-schftsfhrers des Republikani-schen Anwltinnen und Anwlte-vereins (RAV),Hannes Honecker,

    wollen Bundeskriminalamt undBundesanwaltschaft mit dem Ein-satz von 129a Informationen be-kommen, die sie auch ffentlichnutzen und auswerten knnen.Das kann man bei Ermittlungs-verfahren,aber mit geheimdienst-lichen Erkenntnissen geht esnicht, sagte er der jungen Welt .Gleichzeitig wird der Paragraf ge-nutzt,um soziale Bewegungen zu

    kriminalisieren, sie dabei wie inden aktuellen Fllen ffentlichzu diskreditieren und in die Nhedes Terrorismus zu rcken. Vor Gericht hat der Paragraf hingegenselten Bestand: Etwa 97 Prozentaller Verfahren werden laut RAVnach erheblichen Datenerhe-bungen ohne Prozess eingestellt.

    mehr Infos: soligruppe.blog-

    sport.de und soligruppe-nord.blogsport.de

    129a kann jeder sein. So sieht es zumindest die Bundesanwaltschaft, die jngst unter An-wendung dieses Paragrafen in einem Verfahren gegen rund elf Personen aus Berlin undNorddeutschland ermittelt. Der Vorwurf lautet Grndung oder Mitgliedschaft in einer Ter-roristischen Vereinigung (Paragraf 129 a)

    Terroristenkeule trifft Antifa

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    N i c ht g e ra d e mi t S a mt h an d s ch u h en a n g ef a t .A n t i f a s a u s B e r l i n u n d N o r d d e u t s c h l a n d

  • 8/9/2019 Antiberliner 13

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