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Arbeits- und Lebensbedingungen um 1850 Varieties of Capitalism Lukas Limacher Disposition • Arbeitswandel durch Fabrikarbeit • rechtliche und soziale Stellung der Arbeiter • Arbeitszeit • Einkommensverhältnisse • Ernährung und Hygiene • Wohnverhältnisse

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Arbeits- und Lebensbedingungen um 1850

Varieties of Capitalism

Lukas Limacher

Disposition

• Arbeitswandel durch Fabrikarbeit

• rechtliche und soziale Stellung der Arbeiter

• Arbeitszeit

• Einkommensverhältnisse

• Ernährung und Hygiene

• Wohnverhältnisse

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Arbeits- und Lebensbedingungen um 1850

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Allgemeines

• keine homogene Arbeiterschaft

• Branchen

• Arbeiterklassen

• Regionen

• Mischformen

• Schätzungen variieren für 1850: Gesamthaft 215‘000 bis 350‘000 Industriearbeiter (Quelle: swiss economic and social history database)

• Textilindustrie als grösster Zweig

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Arbeits- und Lebensbedingungen um 1850

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„Arbeitswandel“ durch das Fabrikensystem

• Qualitäts- und Autonomieverluste -> „Dequalifizierung“ der Arbeit

• Bruch mit alten Arbeitsgewohnheiten

• Zwang zur Disziplin

• Trennung von eigenen Produktionsmitteln

• Trennung der Arbeits- von der Wohnstätte -> „Freiheitsverlust“

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Arbeits- und Lebensbedingungen um 1850

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Rechtliche und soziale Stellung

• Diskrepanz zw. formalrechtlicher Freiheit und faktischer Abhängigkeit

• zwar rechtliche Gleichstellung (Zivilrechtsordnungen)

• de facto Schaffung Abhängigkeitsverhältnis

• kaum gesetzliche Schutzbestimmungen

• „Arbeitererziehung“ durch Fabriksystem (Unpünktlichkeit, Unzuverlässigkeit)

• teilweise drakonische Strafen

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Arbeitszeit 1, Facts

• keine gesetzliche Regelung der Arbeitszeit für Erwachsene (Fabrikgesetz ab 1877)

• schwierige Einschätzung der absoluten Zahlen: - Arbeitswege - Pausen

- Präsenzzeit ≠ Arbeitszeit - differenzieren je nach

Branche

• Quellen sprechen von 14h – 15h/Tag Mitte 19. Jh. –> mehr als zuvor

• Ferien gibt es nicht

• viele gesetzliche Feiertage, „blauer Montag“

„Es ist vielen leichter Geld zu verdienen, als selbes nützlich zu verwenden; haben sie Geld, so sind sie über sich nicht Meister, und der letzte Batzen muss am Sonntag, als am Zahltage durchgebracht sein; sie vergessen, dass derselbe mit viel Schweiss verdient werden musste. Die erste Folge ist, dass am Montag von solchen nicht gearbeitet […] wird.“ (Solothurner Blatt, 05.02.1853)

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Arbeitszeit 2, Wandel

• Abkehr vom „natürlichen Biorhythmus“

• Zeiteinteilung abhängig von Arbeitgebern, Maschinen etc.

„die von ihnen [den Fabrikarbeitern] geforderte Pünktlichkeit auf die Minute, aber auch die kontinuierliche dem Rhythmus der Maschine angepasste, von minimalen Pausen unterbrochene Arbeit verlangte eine grundlegende Umstellung. Sie warf sowohl für Arbeiter als auch für die Betriebsleitung komplizierte, langwierige Probleme der Gewöhnung und Disziplinierung auf“ (H.U. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte)

Krupp beklagt noch 1876: „Die Arbeiter kommen nicht regelmässig an die Arbeit und legen dieselbe nieder vor der Zeit, um sich zu waschen, Pfeife anzuzünden und unter ähnlichen Vorwänden.“ (Deutschmann 1985)

„Die Zeit wird rationalisiert, Arbeitszeit ist nicht mehr gelebte Zeit, sie wird mit Uhren, Signalen und Steuermechanismen gemessen: Zeit wurde zu Geld und veränderte das Leben des Menschen!“ (Wetzel, 1998)

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Einkommensverhältnisse 1

• Akkordlohn -> Leistungslohn

• Taglohn -> Zeitlohn (allerdings nicht täglich, sondern meist wöchentlich ausbezahlt)

Bsp. Eisenbahnbau: „[…] alle Kunstbauten, nämlich Mauern, Brücken und Durchlässe müssen im Taglohn ausgeführt werden.“ Erdarbeiten, Beschotterung etc. hingegen im Akkord.

• Nachteile des Akkordlohn: -> physisch harte Beanspruchung, Überhastung des Arbeitstempos, geringe Qualitätsgarantie

• Vorteile des Akkordlohns: -> Anreize zur Leistungssteigerung, keine Überwachung notwendig

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Einkommensverhältnisse 2

• Schwierigkeit: Sehr viele Daten unterschiedlichster Art

Jahr nominal Preise real

1830 46 72 64

1835 41 72 57

1840 47 66 71

1845 48 67 72

1850 54 70 77

1855 58 81 72

(1875 = 100)

(Quelle: Gruner)

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Arbeits- und Lebensbedingungen um 1850

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Einkommensverhältnisse 3: Stundeverdienste

0.0

20.0

40.0

60.0

80.0

100.0

120.0

140.0

Jahr

Index

Reallohn

Quelle: swiss online economic and social history database

Index: 1913 = 100

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Einkommensverhältnisse 4

Verdienst: 1200.- + 300.-

Fehlend: Putzmittel, Faden, Garn, Tabak etc.

(Quelle: Gruner)

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Ernährung und Hygiene 1

• Hungerkrise in den späten 40er Jahren

• sprunghafter Anstieg der Preise von Grundnahrungsmitteln

• Nahrung ist der grösste Budgetposten (ca. 70%)

• Nicht zu vernachlässigen: Alkoholismus

zeitgenössische Schilderung:

Das Essen einer Arbeiterfamilie bestand hauptsächlich aus Brot und Brühe, welche „aus einer Abkochung von Rüben oder Zichorien mit Milch besteht und welche in der Regel zweimal des Tages, 6 Uhr früh und mittags 1 Uhr genossen wird. […] Erst abends nach vollbrachter Tagesarbeit wird eine Suppe oder einfaches Gemüse, die Hauptmahlzeit des Tages, eingenommen. Fleischnahrung ist selten.“ (Hildebrand 1853)

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Ernährung und Hygiene 2

• höhere Säuglingssterblichkeit in industriellen Gebieten

• Bericht aus Basel:

• Relativierung: Verhältnisse offensichtlich nicht viel schlechter als in der Landwirtschaft -> Gesamtwirtschaftliche Lage/Wohnverhältnisse als Einflussfaktoren

• Erste Anzeichen von Verbesserungen: - Errichtung von Badehäusern- Erste Fabrikärzte

25% der Kranken in Basler Spitälern litten an einer Art Erschöpfungszustand, „hervorgerufen durch allzu grosse Anstrengung einerseits, von schlechter Nahrung, schlechten Arbeitslokalen, schlechter Wohnung andererseits“ (Adler 1885)

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Wohnverhältnisse 1, Beispiel Basel

• Bevölkerungsentwicklung am Beispiel der Stadt Basel

1815 1837 1847 1860

10‘000

20‘000

30‘000

40‘000

16‘674

37‘915

(Quelle: Trevisian 1989)

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Wohnverhältnisse 2, Beispiel Basel

• 1815: 2119 Häuser

• 1860: 2608 Häuser

-> Verdoppelung der Wohndichte von 7 auf 14 – 15 Personen/Haus (kleine Häuser)

„Die Wohnungen vieler Tausender von Arbeitern sind eigentlich in einem solchen Zustande, dass es fast als eine Satyre erscheinen muss, wenn man einen solchen Aufenthaltsort nur mit dem Namen Wohnung belegt. Ein Rossstall ist ein Palast, verglichen damit.“ (Winterthur 1855)

• Verschlechterung der Wohnqualität:

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Wohnverhältnisse 3

• Kleine Wohnungen überproportional teuer

• Ineffiziente Heizungen & schlechter Bauzustand erhöhen Nebenkosten

• Ausgaben für Wohnen insgesamt 20 bis 35 % des Einkommens

• Vermietung von Betten an „Schlafgänger“ -> finanzieller Zuschuss

„Sie [die Schlafmädchen] schlafen dann in der Regel mit einem der Kinder in einem Bette, was bei dem lockeren Leben vieler dieser Mädchen fast mit Notwendigkeit zu einer frühzeitigen Verderbnis der Kinder solcher Arbeiterfamilien führen muss.“ (Wörishoffer 1891)

• Insgesamt sehr hohe Personenkonzentration auf engem Raum, sechsköpfige Arbeiterfamilien auf 15qm keine Seltenheit

• Abhängigkeitsverhältnis Mieter/Hausbesitzer

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Wohnverhältnisse 4, Impressionen

Der Copyright-Hinweis ist rechtlich nicht haltbar, da die Quelle, aus der digitalisiert wurde, inzwischen public domain ist.

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Ende

• Ausführlichere Bibliografie siehe Handout

• Swiss economic and social history online database / „Historische Statistik der Schweiz“ Zugang?

• Impressionen -> http://www.authentichistory.com/postcivilwar/riis/contents.html -> Trevisan, Luca. Das Wohnungselend der Basler Arbeiter- bevölkerung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert. Basel 1989.

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