Argumentationsprozesse im Mathematikunterricht. Theoretische Grundlagen und Fallstudien

2
171 Ralph Schwarzkopf Argumentationsprozesse im Mathematikunterricht. Theoretische Grundlagen und Fallstudien. Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades des Doktors der Erziehungswissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Datum der mündlichen Prüfung: 17.01.2000 Argumentieren gilt als ein allgemeines Lernziel des Mathematikunterrichts. Allerdings gibt es bisher nur wenige Arbeiten, in denen Argumentationen aus dem frühen Mathematikunterricht untersucht werden. Insbesondere fehlt eine genügend präzise Begrifflichkeit für die Argumentations-Analyse. In der Arbeit werden Argumentationsprozesse aus dem Mathematikunterricht analysiert. Unter einem Argumentationsprozess wird ein zwischenmenschlicher Prozess verstanden, in dem zum einen ein Begründungsbedarf explizit angezeigt wird und in" dem zum anderen versucht wird, diesen Begründungsbedarf zu befriedigen. Der theoretische Schwerpunkt der Arbeit liegt in der Entwicklung von Begriffen, durch die sich Argumentationsprozesse im Unterricht systematisch beschreiben und analysieren lassen. Es sollen zum einen Argumente mathematikspezifisch analysiert und zum anderen soziale Regelmäßigkeiten der Argumentationsprozesse beschrieben werden. Die Theorieentwicklung geschieht anhand empirischer Phänomene aus Fallstudien. Es werden dazu u.a. Methoden und Theorieansätze der interpretativen Unterrichtsforschung herangezogen. Zunächst werden einige zentrale Arbeiten aus der Mathematikdidaktik zur Argumentation und zum Beweisen diskutiert. Schließlich wird ein Schema aus der Wissenschaftsphilosophie vorgestellt, durch das Begründungen in argumentativ- funktionale Bestandteile zerlegt werden können. Das Schema erwies sich im Forschungsprozess der vorliegenden Arbeit als ein geeignetes Analysemittel, um die "Mikrostruktur von Argumenten" im Mathematikunterricht herauszuarbeiten: Wie schließendie am UnterrichtBeteiligtenaus einer anerkannten Aussage auf die Gültigkeit einer begründungsbedürftigen Aussage? Auf weIche Argumentationsbasen stützen sich die Beteiligten? Zur Analyse von sozialen Regelrnäßigkeiten der Argumentationsprozesse werden desweiteren zwei Ansätze aus der Pragmalinguistik diskutiert. Zentrale Fragestellungen sind hierbei: Wie kommt eine Argumentation im Unterricht zustande? Von wem werden Argumente hervorgebracht? Welche Absichten verfolgen die Beteiligten in den Argumentationen und welche faktischen Funktionen kann man Argumentationen im Unterrichtsprozess zuschreiben? Den empirischen Teil dieser Arbeit bilden die Analysen von neun Unterrichtsepisoden, in denen Argumentationen zwischen Lehrperson und Schülern stattgefunden haben. Die Untersuchung wurde im regulären Mathematikunterricht von vierten Klassen (Grundschule) und fiinften Klassen(erste Jahrgangsstufe des Gymnasiums) durchgefiihrt. Der Unterricht wurde per Videokamera dokumentiert und in Wortprotokolle umgewandelt. Inhalte der zugehörigen Unterrichtsstunden waren z.B. Teilbarkeit, (JMD 22 (2001) H. 2, S. 171-172)

Transcript of Argumentationsprozesse im Mathematikunterricht. Theoretische Grundlagen und Fallstudien

Page 1: Argumentationsprozesse im Mathematikunterricht. Theoretische Grundlagen und Fallstudien

171

Ralph Schwarzkopf

Argumentationsprozesse im Mathematikunterricht.

Theoretische Grundlagen und Fallstudien.

Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades des Doktors derErziehungswissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster

Datum der mündlichen Prüfung: 17.01.2000

Argumentieren gilt als ein allgemeines Lernziel des Mathematikunterrichts. Allerdingsgibt es bisher nur wenige Arbeiten, in denen Argumentationen aus dem frühenMathematikunterricht untersucht werden. Insbesondere fehlt eine genügend präziseBegrifflichkeit für die Argumentations-Analyse.

In der Arbeit werden Argumentationsprozesse aus dem Mathematikunterricht analysiert.Unter einem Argumentationsprozess wird ein zwischenmenschlicher Prozess verstanden,in dem zum einen ein Begründungsbedarf explizit angezeigt wird und in" dem zumanderen versucht wird, diesen Begründungsbedarf zu befriedigen. Der theoretischeSchwerpunkt der Arbeit liegt in der Entwicklung von Begriffen, durch die sichArgumentationsprozesse im Unterricht systematisch beschreiben und analysieren lassen.Es sollen zum einen Argumente mathematikspezifisch analysiert und zum anderensoziale Regelmäßigkeiten der Argumentationsprozesse beschrieben werden. DieTheorieentwicklung geschieht anhand empirischer Phänomene aus Fallstudien. Eswerden dazu u.a. Methoden und Theorieansätze der interpretativen Unterrichtsforschungherangezogen.

Zunächst werden einige zentrale Arbeiten aus der Mathematikdidaktik zurArgumentation und zum Beweisen diskutiert. Schließlich wird ein Schema aus derWissenschaftsphilosophie vorgestellt, durch das Begründungen in argumentativ­funktionale Bestandteile zerlegt werden können. Das Schema erwies sich imForschungsprozess der vorliegenden Arbeit als ein geeignetes Analysemittel, um die"Mikrostruktur von Argumenten" im Mathematikunterricht herauszuarbeiten: Wieschließendie am UnterrichtBeteiligtenaus einer anerkannten Aussage auf die Gültigkeiteiner begründungsbedürftigen Aussage? Auf weIche Argumentationsbasen stützen sichdie Beteiligten?

Zur Analyse von sozialen Regelrnäßigkeiten der Argumentationsprozesse werdendesweiteren zwei Ansätze aus der Pragmalinguistik diskutiert. Zentrale Fragestellungensind hierbei: Wie kommt eine Argumentation im Unterricht zustande? Von wemwerden Argumente hervorgebracht? Welche Absichten verfolgen die Beteiligten in denArgumentationen und welche faktischen Funktionen kann man Argumentationen imUnterrichtsprozess zuschreiben?

Den empirischen Teil dieser Arbeit bilden die Analysen von neun Unterrichtsepisoden,in denen Argumentationen zwischen Lehrperson und Schülern stattgefunden haben. DieUntersuchung wurde im regulären Mathematikunterricht von vierten Klassen(Grundschule) und fiinften Klassen(erste Jahrgangsstufe des Gymnasiums) durchgefiihrt.Der Unterricht wurde per Videokamera dokumentiert und in Wortprotokolleumgewandelt. Inhalte der zugehörigen Unterrichtsstunden waren z.B. Teilbarkeit,

(JMD 22 (2001) H. 2, S. 171-172)

Page 2: Argumentationsprozesse im Mathematikunterricht. Theoretische Grundlagen und Fallstudien

172 Dissertationen/Habilitationen

Rechenverfahren und Sachaufgaben (vierte Klasse), bzw. Rechenverfahren,Termumformungen und Rechengesetze (filnfte Klasse). Das Hauptinteresse des Forschersliegt darauf, die hervorgebrachten Argumente mit Hilfe des theoretisch entwickeltenArgumentationsschemas herauszuarbeiten.

Zum Abschluss der Arbeit werden die empirischen Erkenntnisse zusammengefasst. Eswerden u.a. verschiedene Argumentationsbasen vorgestellt, die in den analysiertenEpisoden herausgearbeitet werden konnten. Hierbei werden auch Unterschiedeaufgezeigt, die zwischenden Argumentationen der vierten und denen der fiinften Klassebeobachtetwerden konnten.

Erstgutachter: Prof. Dr. Jörg VoigtZweitgutachter: Prof. Dr. Martin Stein

Die Arbeit ist im Verlag Franzbeckererschienen(ISBN 3-88120-317-6).

Dr. Ralph SchwarzkopfUniversität DortmundFB MathematikInstitut für Entwicklungund Erforschungdes MathematikunterrichtsVogelpothsweg8744221 DortmundEmail: [email protected]