Balladen Maybebob · Der Schwarze hatte einen Tagesteller bestellt. Jetzt stand er vor der Kasse,...

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Liebe 8c, hoffentlich geht es euch und euren Familien gut! Wir haben uns schon lange nicht mehr sehen können und, so wie es aussieht, dauert es auch noch eine Weile, bis der achte Jahrgang wieder zur Schule gehen darf. Ich schicke euch deshalb heute Arbeitsmaterial, das ihr zu Hause bearbeiten sollt. Das Materialpaket ist thematisch zweigeteilt. Der erste Teil gehört zum Thema Inhaltsangabe, der zweite zum Thema Lyrik. Wir haben ja schon vor den Ferien alles Wichtige zum Thema Inhaltsangabe eines literarischen Textes durchgenommen. An drei Texten konntet ihr euch üben. Auch das Beurteilen fertiger Texte und das Überarbeiten der Erstfassungen habt ihr geübt. Eigentlich sollte ja schon vor den Ferien die Klassenarbeit geschrieben werden. Ob und wann die Arbeit nun tatsächlich geschrieben werden kann, wird sich zeigen. Sobald ihr jedenfalls persönlich in die Schule kommen werdet, steht sie auf dem Plan. Deshalb enthält dieses Arbeitspaket eine weitere Kurzgeschichte. Bearbeitet sie nach bewährtem Schema: zweimal lesen, Sinnabschnitte bilden, Paraphrasen zu den Sinnabschnitten notieren, Notizen für den Einleitungssatz anfertigen, Text verfassen. Wenn ihr möchtet, könnt ihr auch die Hörfassung abspielen, die ich für euch eingesprochen habe. Ihr findet sie in dieser PDF- Datei, wenn ihr das Büroklammersymbol am linken oberen Dokumentrand anklickt. Lyrik haben wir gemeinsam noch nicht behandelt. In der siebten Klasse müsstet ihr eine intensive Einheit zum Thema Balladen durchgeführt haben. Eine sehr schöne Form von Gedicht, weil richtige Geschichten in Versform erzählt werden. Oft sind Balladen vertont worden, sicher habt ihr Beispiele im Unterricht angehört. Wenn nicht, empfehle ich euch dringend, z.B. die Version des Erlkönigs von der Gruppe Maybebob auf Youtube anzuhören. Ich hoffe, ihr habt gelernt, dass Gedichte eigentlich eher nicht geschrieben werden, um analysiert zu werden. Sie sind Werke der Sprachkunst, die mal mehr, mal weniger verschlüsselt, uns ansprechen, uns berühren können und sollen. Manche packen uns sofort, manche erst Jahre nach dem ersten Hören, manche vielleicht nie. Manche verstehen wir auch nicht beim ersten Hören. Das kann an mehreren Dingen liegen. Manchmal benötigt man Informationen darüber, was zur Entstehungszeit eines Gedichts in der Welt passiert ist. Manchmal braucht man auch Informationen darüber, welche Bedeutung bestimmte verwendete Symbole gemeinhin haben. Und manchmal hilft es, wenn man Anknüpfungspunkte zum eigenen Erfahrungsschatz findet. Aber auch wenn Gedichte nicht geschrieben werden, damit wir sie im Deutschunterricht analysieren, so ist es dennoch oft sehr hilfreich für ein umfassendes Verständnis, wenn wir es tun. Dabei gilt, dass zunächst das inhaltliche Verständnis im Mittelpunkt steht. Wenn ihr also ein Gedicht vor euch habt, beginnt eure Arbeit genau wie bei der Inhaltsangabe. Ihr lest es mindestens zweimal durch, wenn möglich laut. Sinnabschnitte müsst ihr bei den meisten Gedichten nicht bilden. Ihr erinnert euch, dass auch bei vielen literarischen Texten die Vorstrukturierung der Autoren mittels Absätzen hilfreich war. So ist es auch bei vielen Gedichten. Meist gibt es eine Aufteilung der Verse in Strophen. Den Inhalt jeder Strophe paraphrasiert ihr. Das hilft euch dabei, das Thema bzw. die Kernaussage des Gedichts zu verstehen. Und jetzt geht es immer noch weiter wie bei der Inhaltsangabe. Ihr schreibt den Einleitungssatz nach denselben Regeln, fügt einen Absatz ein und schreibt dann eine knappe Inhaltsangabe des Gedichts. Klingt einfach? Ist es oft auch. Schwierig wird es allerdings, wenn der Inhalt so verschlüsselt ist, dass man ihn nicht richtig versteht. Und dann hilft die Form- und

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Page 1: Balladen Maybebob · Der Schwarze hatte einen Tagesteller bestellt. Jetzt stand er vor der Kasse, und - wahrhaftig 65 - er bezahlte! Heinz schniefte. „Verrückt!“, dachte er.

Liebe 8c,

hoffentlich geht es euch und euren Familien gut! Wir haben uns schon lange nicht mehr sehen

können und, so wie es aussieht, dauert es auch noch eine Weile, bis der achte Jahrgang wieder zur

Schule gehen darf. Ich schicke euch deshalb heute Arbeitsmaterial, das ihr zu Hause bearbeiten sollt.

Das Materialpaket ist thematisch zweigeteilt. Der erste Teil gehört zum Thema Inhaltsangabe, der

zweite zum Thema Lyrik.

Wir haben ja schon vor den Ferien alles Wichtige zum Thema Inhaltsangabe eines literarischen Textes

durchgenommen. An drei Texten konntet ihr euch üben. Auch das Beurteilen fertiger Texte und das

Überarbeiten der Erstfassungen habt ihr geübt. Eigentlich sollte ja schon vor den Ferien die

Klassenarbeit geschrieben werden. Ob und wann die Arbeit nun tatsächlich geschrieben werden

kann, wird sich zeigen. Sobald ihr jedenfalls persönlich in die Schule kommen werdet, steht sie auf

dem Plan. Deshalb enthält dieses Arbeitspaket eine weitere Kurzgeschichte. Bearbeitet sie nach

bewährtem Schema: zweimal lesen, Sinnabschnitte bilden, Paraphrasen zu den Sinnabschnitten

notieren, Notizen für den Einleitungssatz anfertigen, Text verfassen. Wenn ihr möchtet, könnt ihr

auch die Hörfassung abspielen, die ich für euch eingesprochen habe. Ihr findet sie in dieser PDF-

Datei, wenn ihr das Büroklammersymbol am linken oberen Dokumentrand anklickt.

Lyrik haben wir gemeinsam noch nicht behandelt. In der siebten Klasse müsstet ihr eine intensive

Einheit zum Thema Balladen durchgeführt haben. Eine sehr schöne Form von Gedicht, weil richtige

Geschichten in Versform erzählt werden. Oft sind Balladen vertont worden, sicher habt ihr Beispiele

im Unterricht angehört. Wenn nicht, empfehle ich euch dringend, z.B. die Version des Erlkönigs von

der Gruppe Maybebob auf Youtube anzuhören.

Ich hoffe, ihr habt gelernt, dass Gedichte eigentlich eher nicht geschrieben werden, um analysiert zu

werden. Sie sind Werke der Sprachkunst, die mal mehr, mal weniger verschlüsselt, uns ansprechen,

uns berühren können und sollen. Manche packen uns sofort, manche erst Jahre nach dem ersten

Hören, manche vielleicht nie. Manche verstehen wir auch nicht beim ersten Hören. Das kann an

mehreren Dingen liegen. Manchmal benötigt man Informationen darüber, was zur Entstehungszeit

eines Gedichts in der Welt passiert ist. Manchmal braucht man auch Informationen darüber, welche

Bedeutung bestimmte verwendete Symbole gemeinhin haben. Und manchmal hilft es, wenn man

Anknüpfungspunkte zum eigenen Erfahrungsschatz findet.

Aber auch wenn Gedichte nicht geschrieben werden, damit wir sie im Deutschunterricht analysieren,

so ist es dennoch oft sehr hilfreich für ein umfassendes Verständnis, wenn wir es tun. Dabei gilt, dass

zunächst das inhaltliche Verständnis im Mittelpunkt steht. Wenn ihr also ein Gedicht vor euch habt,

beginnt eure Arbeit genau wie bei der Inhaltsangabe. Ihr lest es mindestens zweimal durch, wenn

möglich laut. Sinnabschnitte müsst ihr bei den meisten Gedichten nicht bilden. Ihr erinnert euch,

dass auch bei vielen literarischen Texten die Vorstrukturierung der Autoren mittels Absätzen hilfreich

war. So ist es auch bei vielen Gedichten. Meist gibt es eine Aufteilung der Verse in Strophen. Den

Inhalt jeder Strophe paraphrasiert ihr. Das hilft euch dabei, das Thema bzw. die Kernaussage des

Gedichts zu verstehen. Und jetzt geht es immer noch weiter wie bei der Inhaltsangabe. Ihr schreibt

den Einleitungssatz nach denselben Regeln, fügt einen Absatz ein und schreibt dann eine knappe

Inhaltsangabe des Gedichts. Klingt einfach? Ist es oft auch. Schwierig wird es allerdings, wenn der

Inhalt so verschlüsselt ist, dass man ihn nicht richtig versteht. Und dann hilft die Form- und

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Sprachanalyse sehr dabei, die passenden Schlüssel zu finden, mit denen ihr das Gedicht für euch

aufschließen / erschließen könnt.

Jetzt wird also das Gedicht genau untersucht. Wie ist es aufgebaut? Und was bewirkt der vorliegende

Aufbau? Welche sprachlichen Finessen werden vom Dichter eingesetzt? Und wie ist ihre Wirkung?

Ihr könnt davon ausgehen, dass die Autoren von Gedichten ihre Kunstwerke komplett

durchkomponieren. In der Regel passiert nichts aus Versehen.

Um aber überhaupt erkennen und benennen zu können, welche formalen und sprachlichen Mittel

verwendet werden, muss man diese wie Vokabeln zunächst einmal lernen. Und da ich nicht in einer

Einführungsstunde zum Thema Lyrik herausfinden kann, was ihr schon alles könnt, habe ich ein

bisschen gesucht, was ich euch nach Hause schicken kann. Fündig geworden bin ich beim

Landesbildungsserver Baden-Württemberg. Die entsprechenden Seiten findet ihr im zweiten

Dokument. Inhaltlich geht es um folgende formale Merkmale: Verse und Strophen / Reimarten /

lyrisches Ich / Metrum. Auf den Seiten findet ihr immer wieder Links, die euch zu Lernvideos oder zu

Übungsseiten im Internet führen. Falls die Links beim Anklicken nicht funktionieren sollten, kopiert

sie und fügt den Inhalt in die Befehlszeile eures Browsers ein.

Alles in allem soll ich euch für die nächsten zwei Wochen Arbeit im Umfang von 240 Minuten, also

vier vollen Stunden geben. Falls ihr mit den Lyrikinhalten auf Stand seid, müsste das bei vielen

hinkommen. Wenn es viel länger dauern sollte, dürft ihr auch aufhören, ohne fertig geworden zu

sein. Wer aber noch Zeit und Kraft hat, macht weiter.

Wer irgendetwas auch nach mehrfachem Versuchen nicht versteht oder mir auch einfach nur so

etwas schreiben möchte, kann mich unter meiner Mailadresse erreichen: [email protected]

Nach zwei Wochengibt es dann weitere Aufgaben zur Lyrik.

Bis dahin wünsche ich euch nur das BESTE!

Grüßt eure Eltern!

Herzliche Grüße von

Eurer Frau Sander

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Federica de Cesco

Spaghetti für zwei

Heinz war bald vierzehn und fühlte sich sehr cool. In der Klasse und auf dem Fußballplatz hatte er das Sagen. Aber richtig schön würde das Leben erst werden, wenn er im nächsten Jahr seinen Töff bekam und den Mädchen zeigen konnte, was für ein Kerl er war. Er moch-te Monika, die Blonde mit den langen Haaren aus der Parallelklasse, und ärgerte sich über seine entzündeten Pickel, die er mit schmutzigen Nägeln ausdrückte. Im Unterricht machte 5

er gerne auf Verweigerung. Der Lehrer sollte bloß nicht auf den Gedanken kommen, dass er sich anstrengte. Mittags konnte er nicht nach Hause, weil der eine Bus zu früh, der ande-re zu spät abfuhr. So aß er im Selbstbedienungsrestaurant, gleich gegenüber der Schule. Aber an manchen Tagen sparte er lieber das Geld und verschlang einen Hamburger an der Stehbar. Samstags leistete er sich dann eine neue Kassette, was die Mutter natürlich nicht 10

wissen durfte. Doch manchmal - so wie heute - hing ihm der Big Mac zum Hals heraus. Er hatte Lust auf ein richtiges Essen. Einen Kaugummi im Mund, stapfte er mit seinen Cow-boystiefeln die Treppe zum Restaurant hinauf. Die Reißverschlüsse seiner Lederjacke klimperten bei jedem Schritt. Im Restaurant trafen sich die Arbeiter aus der nahen Möbel-fabrik, Schüler und Hausfrauen mit Einkaufstaschen und kleinen Kindern, die Unmengen 15

Cola tranken, Pommes frites verzehrten und fettige Fingerabdrücke auf den Tischen hinter-ließen. Viel Geld wollte Heinz nicht ausgeben; er sparte es lieber für die nächste Kassette. „Italienische Gemüsesuppe“ stand im Menü. Warum nicht? Immer noch seinen Kaugummi mahlend, nahm Heinz ein Tablett und stellte sich an. Ein schwitzendes Fräulein schöpfte die Suppe aus einem dampfenden Topf. Heinz nickte zufrieden. Der Teller war ganz or-20

dentlich voll. Eine Schnitte Brot dazu, und er würde bestimmt satt. Er setzte sich an einen freien Tisch, nahm den Kaugummi aus dem Mund und klebte ihn unter den Stuhl. Da merkte er, dass er den Löffel vergessen hatte. Heinz stand auf und holte sich einen. Als er zu seinem Tisch zurückstapfte, traute er seinen Augen nicht: Ein Schwarzer saß an seinem Platz und aß seelenruhig seine Gemüsesuppe! 25

Heinz stand mit seinem Löffel fassungslos da, bis ihn die Wut packte. Zum Teufel mit die-sen Asylbewerbern! Der kam irgendwo aus Uagadugu, wollte sich in Europa breit machen, und jetzt fiel ihm nichts Besseres ein, als ausgerechnet seine Gemüsesuppe zu verzehren! Schon möglich, dass so was den afrikanischen Sitten entsprach, aber hierzulande war das eine bodenlose Unverschämtheit! Heinz öffnete den Mund, um dem Menschen lautstark 30

seine Meinung zu sagen, als ihm auffiel, dass die Leute ihn komisch ansahen. Heinz wurde rot. Er wollte nicht als Rassist gelten. Aber was nun? Plötzlich fasste er einen Entschluss. Er räusperte sich vernehmlich, zog einen Stuhl zurück und setzte sich dem Schwarzen ge-genüber. Dieser hob den Kopf, blickte ihn kurz an und schlürfte ungestört die Suppe wei-ter. Heinz presste die Zähne zusammen, dass seine Kinnbacken schmerzten. Dann packte er 35

energisch den Löffel, beugte sich über den Tisch und tauchte ihn in die Suppe. Der Schwarze hob abermals den Kopf. Sekundenlang starrten sie sich an. Heinz bemühte sich, die Augen nicht zu senken. Er führte mit leicht zitternder Hand den Löffel zum Mund und tauchte ihn zum zweiten Mal in die Suppe. Seinen vollen Löffel in der Hand, fuhr der Schwarze fort, ihn stumm zu betrachten. Dann senkte er die Augen auf seinen Teller und 40

aß weiter. Eine Weile verging. Beide teilten sich die Suppe, ohne dass ein Wort fiel. Heinz versuchte nachzudenken. „Vielleicht hat der Mensch kein Geld, muss schon tagelang hun-gern. Dann sah er die Suppe da stehen und bediente sich einfach. Schon möglich, wer weiß? Vielleicht würde ich mit leerem Magen ähnlich reagieren? Und Deutsch kann er an-scheinend auch nicht, sonst würde er ja nicht dasitzen wie ein Klotz. Ist doch peinlich. Ich 45

an seiner Stelle würde mich schämen. Ob Schwarze wohl rot werden können?“ Das leichte Klirren des Löffels, den der Afrikaner in den leeren Teller legte, ließ Heinz die Augen heben. Der Schwarze hatte sich zurückgelehnt und sah ihn an. Heinz konnte seinen Blick nicht deuten. In seiner Verwirrung lehnte er sich ebenfalls zurück. Schweißtropfen perlten auf seiner Oberlippe, sein Pulli juckte, und die Lederjacke war verdammt heiß! Er 50

versuchte, den Schwarzen abzuschätzen. „Junger Kerl. Etwas älter als ich. Vielleicht sech-zehn oder sogar schon achtzehn. Normal angezogen: Jeans, Pulli, Windjacke. Sieht eigent-

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lich nicht wie ein Obdachloser aus. Immerhin, der hat meine halbe Suppe aufgegessen und sagt nicht einmal danke! Verdammt, ich habe noch Hunger!“ Der Schwarze stand auf. Heinz blieb der Mund offen. „Haut der tatsächlich ab? Jetzt ist aber das Maß voll! So eine 55

Frechheit! Der soll mir wenigstens die halbe Gemüsesuppe bezahlen!“ Er wollte aufsprin-gen und Krach schlagen. Da sah er, wie sich der Schwarze mit einem Tablett in der Hand wieder anstellte. Heinz fiel unsanft auf seinen Stuhl zurück und saß da wie ein Ölgötze. „Also doch: Der Mensch hat Geld! Aber bildet der sich vielleicht ein, dass ich ihm den zweiten Gang bezahle?“ Heinz griff hastig nach seiner Schulmappe. „Bloß weg von hier, 60

bevor er mich zur Kasse bittet! Aber nein, sicherlich nicht. Oder doch?“ Heinz ließ die Mappe los und kratzte nervös an einem Pickel: Irgendwie wollte er wissen, wie es weiter-ging. Der Schwarze hatte einen Tagesteller bestellt. Jetzt stand er vor der Kasse, und - wahrhaftig - er bezahlte! Heinz schniefte. „Verrückt!“, dachte er. „Total gesponnen!“ 65

Da kam der Schwarze zurück. Er trug das Tablett, auf dem ein großer Teller Spaghetti stand, mit Tomatensoße, vier Fleischbällchen und zwei Gabeln. Immer noch stumm, setzte er sich Heinz gegenüber, schob den Teller in die Mitte des Tisches, nahm eine Gabel und begann zu essen, wobei er Heinz ausdruckslos in die Augen schaute. Heinz' Wimpern flat-terten. Heiliger Strohsack! Dieser Typ forderte ihn tatsächlich auf, die Spaghetti mit ihm zu 70

teilen! Heinz brach der Schweiß aus. Was nun? Sollte er essen? Nicht essen? Seine Gedan-ken überstürzten sich. Wenn der Mensch doch wenigstens reden würde! „Na gut. Er aß die Hälfte meiner Suppe, jetzt esse ich die Hälfte seiner Spaghetti, dann sind wir quitt!“ Wü-tend und beschämt griff Heinz nach der Gabel, rollte die Spaghetti und steckte sie in den Mund. Schweigen. Beide verschlangen die Spaghetti. „Eigentlich nett von ihm, dass er mir 75

eine Gabel brachte“, dachte Heinz. „Da komme ich noch zu einem guten Spaghetti-Essen, das ich mir heute nicht geleistet hätte. Aber was soll ich jetzt sagen? Danke? Saublöde! Ei-nen Vorwurf machen kann ich ihm auch nicht mehr. Vielleicht hat er gar nicht gemerkt, dass er meine Suppe aß. Oder vielleicht ist es üblich in Afrika, sich das Essen zu teilen? Schmecken gut, die Spaghetti. Das Fleisch auch. Wenn ich nur nicht so schwitzen würde!“ 80

Die Portion war sehr reichlich. Bald hatte Heinz keinen Hunger mehr. Dem Schwarzen ging es ebenso. Er legte die Gabel aufs Tablett und putzte sich mit der Papierserviette den Mund ab. Heinz räusperte sich und scharrte mit den Füßen. Der Schwarze lehnte sich zu-rück, schob die Daumen in die Jeanstaschen und sah ihn an. Undurchdringlich. Heinz kratzte sich unter dem Rollkragen, bis ihm die Haut schmerzte. „Heiliger Bimbam! Wenn 85

ich nur wüsste, was er denkt!“ Verwirrt, schwitzend und erbost ließ er seine Blicke umher-wandern. Plötzlich spürte er ein Kribbeln im Nacken. Ein Schauer jagte ihm über die Wir-belsäule von den Ohren bis ans Gesäß. Auf dem Nebentisch, an den sich bisher niemand gesetzt hatte, stand - einsam auf dem Tablett - ein Teller kalter Gemüsesuppe. Heinz erleb-te den peinlichsten Augenblick seines Lebens. Am liebsten hätte er sich in ein Mauseloch 90

verkrochen. Es vergingen zehn volle Sekunden, bis er es endlich wagte, dem Schwarzen ins Gesicht zu sehen. Der saß da, völlig entspannt und cooler, als Heinz es je sein würde, und wippte leicht mit dem Stuhl hin und her. „Äh ...“, stammelte Heinz, feuerrot im Gesicht. „Entschuldigen Sie bitte. Ich...“ Er sah die Pupillen des Schwarzen aufblitzen, sah den Schalk in seinen Augen schimmern. Auf einmal warf er den Kopf zurück, brach in dröh-95

nendes Gelächter aus. Zuerst brachte Heinz nur ein verschämtes Glucksen zu Stande, bis endlich der Damm gebrochen war und er aus vollem Halse in das Gelächter des Afrikaners einstimmte. Eine Weile saßen sie da, von Lachen geschüttelt. Dann stand der Schwarze auf, schlug Heinz auf die Schulter. „Ich heiße Marcel“, sagte er in bestem Deutsch. „Ich esse jeden Tag hier. Sehe ich dich 100

morgen wieder? Um die gleiche Zeit?“ Heinz' Augen tränten, sein Zwerchfell glühte, und er schnappte nach Luft. „In Ordnung!“, keuchte er. „Aber dann spendiere ich die Spaghet-ti!“

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Gedichtinterpretation

Klasse 7

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Sichere die Ergebnisse deiner Arbeit auf dem Arbeitsblatt auf der übernächsten Seite

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Schritt 1: Formale Merkmale I(Strophen, Verse, Silben)

Gedichte haben Strophen und Verse, die Wörter sind in Silben unterteilt. Oft reimen sich die letzten Silben der Verse.

• Sieh dir das Lernvideo auf ivi-education an (Dauer: 4.40 min):

https://ivi-education.de/video/formale-merkmale-teil-1/

• Mache dir auf deinem Arbeitsblatt Notizen zu den einzelnen Aspekten.

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Arbeitsauftrag zu den formalen Merkmalen I

Notiere dir, • was ein Vers ist. (Vers = _______________)• was eine Strophe ist. (Strophe = __________)• wie Silben bestimmt werden. (Silben

bestimmt man, indem…)• was ein Reim ist. (Reim = _______________)

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Schritt 2: Formale Merkmale II(Reimarten)

Die Verse von Gedichten können sich reimen. Es gibt verschiedene Reime. Die Verse, die sich am Ende reimen, werden mit Buchstaben gekennzeichnet. Man beginnt mit „a“ und gibt jedem neuen Reimwort einen neuen Buchstaben.• Kreuzreim • Paarreim • Umarmender Reim • Haufenreim • Schweifreim

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Sieh dir das Lernvideo von „Wortwuchs“ auf YouTube an und trage die Buchstaben richtig in die Klammern auf deinem Arbeitsblatt auf der nächsten Seite ein. (Dauer: 4.43 min).https://www.youtube.com/watch?v=r6I-r94_8rM

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Arbeitsblatt zur Sicherung der Ergebnisse

Formale Merkmale im Gedicht

Jedes Gedicht besteht aus mindestens einer Strophe (= ______________) und

Versen (= __________________). Die Wörter werden in Silben aufgeteilt. Man

bestimmt sie, indem man___________________.

Am Ende reimen sich die Verse häufig. Es gibt verschiedene Reime, gleiche

Reimwörter werden mit dem gleichen Buchstaben abgekürzt:

• Kreuzreim (abab)

• Paarreim (_ _ _ _)

• Umarmender Reim (_ _ _ _)

• Haufenreim (_ _ _ _)

• Schweifreim (_ _ _ _ _ _)

Jedes Gedicht besteht aus mindestens einer Strophe (= ______________) und

Versen (= __________________). Die Wörter werden in Silben aufgeteilt. Man

bestimmt sie, indem man___________________.

Am Ende reimen sich die Verse häufig. Es gibt verschiedene Reime, gleiche

Reimwörter werden mit dem gleichen Buchstaben abgekürzt:

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Bilder: https://pixabay.com/de/illustrations/t%C3%A4nzer-t%C3%A4nzerin-hopfen-hopsen-1825656/https://pixabay.com/de/illustrations/t%C3%A4nzer-t%C3%A4nzerin-hopfen-hopsen-1825660/

Jetzt machst du eine Pause

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Übung zu den Reimarten

• Überprüfe dein Wissen zu den Reimen nun auf folgender Seite:

https://online-lernen.levrai.de/deutsch-uebungen/gedichtinterpretation/karussel_gedichtinterpretation/04_reimschema_gedichtinterpretation_uebung.htm

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Schritt 3: Das lyrische Ich

• Sieh dir das Lernvideo von „Musstewissen“ auf YouTube an (Dauer: 3.12 min):

https://www.youtube.com/watch?v=63E_GY1DDb0

• Schreibe auf dein Arbeitsblatt einen kurzen Merksatz, was man unter dem lyrischen Ich versteht.

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Schritt 4: Das Rezept für das Metrum

Viele Gedichte haben ein Metrum. Dieses kann man bestimmen, indem man systematisch vorgeht.Sieh dir das Lernvideo von „musstewissen“ (Dauer: 2.55 min) auf YouTube zum Metrum an und notiere dir auf deinem Arbeitsblatt die Arbeitsschritte.https://www.youtube.com/watch?v=04qvuuwKmgU

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Super, du bist fertig

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