Bangr nooma 2009

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In Burkina Faso kämpft seit 1998 der Verein Bangr-Nooma mit großem Erfolg gegen Genital- verstümmelung. Dabei werden traditionelle Autoritäten als Verbündete einbezogen, junge Frauen und Mädchen beraten und ehemalige Beschneiderinnen umgeschult. TERRE DES FEMMES (TDF) unterstützt dieses Projekt, informiert in Deutschland und sammelt dazu Spenden. Anfang 2009 besuchte Regine Bouédibéla, TDF-Projektkoordinatorin, Bangr-Nooma in Burkina Faso. Sie konnte sich vor Ort ein Bild über die bisherigen Erfolge machen. Dennoch bleibt noch viel zu tun, denn im- mer mehr Dörfer möchten mit Bangr Noo- ma zusammenarbeiten. Wie alles begann … Nach Angaben der Weltgesundheitsorga- nisation sind über 70% der weiblichen Be- völkerung im westafrikanischen Burkina Faso an ihren Genitalien verstümmelt. Die Regierung hat den 18. Mai zum "Tag des Kampfes gegen die Beschneidung" erklärt, verfügt jedoch nicht über die Mittel für eine breite Kampagne. Daher hält sich die Praktik vor allem in den ländlichen Gebie- ten, in denen die Mehrzahl der Bevölke- rung lebt. An vorderster Front gegen Genitalver- stümmelung kämpft seit 1998 Rakieta Poyga. Nachdem sie in ihrem Heimatdorf mit der Aufklärungsarbeit begonnen hatte, gründete sie mit fünf Frauen den Verein Bangr-Nooma. Mittlerweile sind hier mehr als 300 engagierte Frauen und Männer eh- renamtlich tätig. Bangr-Nooma heißt soviel wie "es gibt nichts Besseres als Wissen". Daher stehen Aufklärungskampagnen ge- gen die genitale Verstümmelung im Mit- telpunkt der Arbeit von Bangr-Nooma. Diese auf mindestens drei Jahre ausge- richteten Aufklärungskampagnen richten sich vor allem an Mädchen und Frauen, aber auch an traditionelle und religiöse Au- toritäten wie zum Beispiel Dorfchefs, Leh- rer sowie an alle jene, die in ihren Ge- meinschaften Ansehen genießen. Die Erfolge Eine wichtige Anlaufstelle für benachtei- ligte Mädchen und Frauen ist die Ge- schäftsstelle von Bangr-Nooma (Associati- on Bangr-Nooma, kurz ABN), die mit Hilfe von TERRE DES FEMMES im Jahr 2005 auf- gebaut wurde. Mädchen, die vor einer drohenden Genitalverstümmelung fliehen, finden dort Beratung und Schutz. Aber auch Mädchen und Frauen, die vergewal- tigt wurden oder HIV-positiv sind, suchen in der Beratungsstelle Zuflucht. Die Arbeit von Bangr-Nooma ist somit in dieser Si- tuation unerlässlich und nicht mehr weg- zudenken. In der Geschäftsstelle werden täglich, bis auf Sonntag, gefährdete Mädchen und Frauen beraten und unter- stützt. Es wird, wenn möglich, einmal am Tag Essen für die Zuflucht Suchenden aus- gegeben. Bangr-Nooma stellt Medika- mente für die erste Hilfe bereit und orga- nisiert Filmabende zu Sexualität, Aids, Früh- und Zwangsheirat. In den letzten elf Jahren konnte Bangr- Nooma mehr als 32.000 Mädchen nach- weislich vor einer genitalen Verstümme- lung bewahren. Dank Bangr-Nooma gibt es heute in knapp 760 Dorfgemeinschaf- ten Komitees gegen diese Praktik und es finden dort auch keine Genitalverstümme- lungen mehr statt. Über 200 Beschneide- rinnen und ihre Assistentinnen gaben ihr Handwerk auf und schlossen sich teilwei- se der Kampagne an. Knapp 160 von ih- nen bekamen von Bangr-Nooma einen Kleinkredit, um sich eine neue Existenz aufzubauen. Insgesamt erreichte der Ver- ein Bangr-Nooma mit seinem Engagement etwa 730.000 Menschen. TERRE DES FEMMES 24 Frauensolidarität 3/2009 Bangr-Nooma – nichts Besseres als Wissen Aufklärung als Schlüssel gegen Genitalverstümmelung Regine Bouédibéla und Sabrine Gasmi Treffen der AnimateurInnen von Bangr-Nooma

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Page 1: Bangr nooma 2009

In Burkina Faso kämpft seit 1998der Verein Bangr-Nooma mitgroßem Erfolg gegen Genital-verstümmelung. Dabei werdentraditionelle Autoritäten alsVerbündete einbezogen, jungeFrauen und Mädchen beratenund ehemalige Beschneiderinnenumgeschult. TERRE DES FEMMES(TDF) unterstützt dieses Projekt,informiert in Deutschland undsammelt dazu Spenden.

Anfang 2009 besuchte Regine Bouédibéla,TDF-Projektkoordinatorin, Bangr-Noomain Burkina Faso. Sie konnte sich vor Ort einBild über die bisherigen Erfolge machen.Dennoch bleibt noch viel zu tun, denn im-mer mehr Dörfer möchten mit Bangr Noo-ma zusammenarbeiten.

Wie alles begann …Nach Angaben der Weltgesundheitsorga-nisation sind über 70% der weiblichen Be-völkerung im westafrikanischen BurkinaFaso an ihren Genitalien verstümmelt. DieRegierung hat den 18. Mai zum "Tag desKampfes gegen die Beschneidung" erklärt,verfügt jedoch nicht über die Mittel füreine breite Kampagne. Daher hält sich diePraktik vor allem in den ländlichen Gebie-ten, in denen die Mehrzahl der Bevölke-rung lebt. An vorderster Front gegen Genitalver-stümmelung kämpft seit 1998 RakietaPoyga. Nachdem sie in ihrem Heimatdorfmit der Aufklärungsarbeit begonnen hatte,gründete sie mit fünf Frauen den VereinBangr-Nooma. Mittlerweile sind hier mehrals 300 engagierte Frauen und Männer eh-renamtlich tätig. Bangr-Nooma heißt sovielwie "es gibt nichts Besseres als Wissen".

Daher stehen Aufklärungskampagnen ge-gen die genitale Verstümmelung im Mit-telpunkt der Arbeit von Bangr-Nooma.Diese auf mindestens drei Jahre ausge-richteten Aufklärungskampagnen richtensich vor allem an Mädchen und Frauen,aber auch an traditionelle und religiöse Au-toritäten wie zum Beispiel Dorfchefs, Leh-rer sowie an alle jene, die in ihren Ge-meinschaften Ansehen genießen.

Die ErfolgeEine wichtige Anlaufstelle für benachtei-ligte Mädchen und Frauen ist die Ge-schäftsstelle von Bangr-Nooma (Associati-on Bangr-Nooma, kurz ABN), die mit Hilfevon TERRE DES FEMMES im Jahr 2005 auf-gebaut wurde. Mädchen, die vor einerdrohenden Genitalverstümmelung fliehen,finden dort Beratung und Schutz. Aberauch Mädchen und Frauen, die vergewal-tigt wurden oder HIV-positiv sind, suchenin der Beratungsstelle Zuflucht. Die Arbeitvon Bangr-Nooma ist somit in dieser Si-tuation unerlässlich und nicht mehr weg-

zudenken. In der Geschäftsstelle werdentäglich, bis auf Sonntag, gefährdeteMädchen und Frauen beraten und unter-stützt. Es wird, wenn möglich, einmal amTag Essen für die Zuflucht Suchenden aus-gegeben. Bangr-Nooma stellt Medika-mente für die erste Hilfe bereit und orga-nisiert Filmabende zu Sexualität, Aids,Früh- und Zwangsheirat.In den letzten elf Jahren konnte Bangr-Nooma mehr als 32.000 Mädchen nach-weislich vor einer genitalen Verstümme-lung bewahren. Dank Bangr-Nooma gibtes heute in knapp 760 Dorfgemeinschaf-ten Komitees gegen diese Praktik und esfinden dort auch keine Genitalverstümme-lungen mehr statt. Über 200 Beschneide-rinnen und ihre Assistentinnen gaben ihrHandwerk auf und schlossen sich teilwei-se der Kampagne an. Knapp 160 von ih-nen bekamen von Bangr-Nooma einenKleinkredit, um sich eine neue Existenzaufzubauen. Insgesamt erreichte der Ver-ein Bangr-Nooma mit seinem Engagementetwa 730.000 Menschen.

TERRE DES FEMMES

24 Frauensolidarität 3/2009

Bangr-Nooma – nichts Besseres alsWissen Aufklärung als Schlüssel gegen Genitalverstümmelung

Regine Bouédibéla und Sabrine Gasmi

Treffen der AnimateurInnen von Bangr-Nooma

Page 2: Bangr nooma 2009

Besuch der ProjektkoordinatorinAm 8. März 2009, dem InternationalenFrauentag, organisierte Bangr-Nooma einFrauenfußballturnier. Dieses wurde im An-denken an TERRE DES FEMMES und UlrikeSülzle abgehalten. Die 2008 verstorbeneFilmemacherin portraitiert in ihrem Film„Maimouna – la vie devant moi“ die Ani-matrice Maimouna. Der Film wurde 2008im Rahmen einer Rundreise in 14 deut-schen Städten gezeigt und ist überwww.frauenrechte.de erhältlich. Am 8.März 2008 wurde der Film auch in UlrikeSülzles Heimatstadt Ludwigsburg aufge-führt, wo die Filmemacherin am selbenTag ein Frauenfußballturnier organisierte,um die Arbeit von Bangr-Nooma und Mai-mouna zu unterstützen.Das diesjährige Frauenfußballturnier inBurkina Faso war wieder ein Erfolg und alleMädchen und Frauen spielten mit großemEngagement – zum Erstaunen der männli-chen Zuschauer. Nach dem Turnier fandenalle zu einem gemeinsamen Festessen zu-sammen. Regine Bouédibéla, TDF-Projektkoordina-torin in Deutschland, konnte bei ihremAufenthalt in Burkina Faso Anfang 2009nur einen Teil der Dörfer besuchen, in de-nen Bangr-Nooma arbeitet. Sie berichtetvon ihrem Projektbesuch: „Wir wurdenim Dorf Languaru vom traditionellen Kö-nig der Kassena empfangen. Nach seinerAnsicht trägt die gesamte Gesellschaft fürden Kampf gegen Genitalverstümme-lung die Verantwortung. Früher habeman für die Entlohnung der Beschneide-

rinnen sparen müssen und diese hattendurch die Genitalverstümmelungen ihrAuskommen. Heute gibt es Alternativenfür die ehemaligen Beschneiderinnendurch Alphabetisierung, Weiterbildungund Kleinkredite für den Start in eineneue Tätigkeit. Der König erklärte aus-drücklich seine Zustimmung zum Projekt.Dies ist besonders wichtig, weil ohne dieEinbeziehung der traditionellen Herrschereine positive Entwicklung nicht zu be-werkstelligen ist. Nach dem Besuch beim König trafen wirunter einem riesigen Mangobaum mit wei-teren Delegationen aus den Dörfern, dies-mal vor allem Männer, zusammen. Hierwurde der Animateur Timoté vorgestellt.Als Timoté bei Bangr-Nooma anfing, standfür das damalige Projekt keine Frau als Ani-matrice zur Verfügung, da diese von Bil-dung ausgeschlossen waren. Dies siehtheute glücklicherweise anders aus. Geni-talverstümmelung ist zwar in Burkina Fasogesetzlich verboten, aber ohne Aufklärungändert sich nichts. Den Müttern wird durchdie Kampagnen aufgezeigt, welche ge-sundheitlichen Konsequenzen Genitalver-stümmelung haben kann. Diese Folgensind unter anderem Zysten, Wucherungenund Geburtskomplikationen, die bis zumTod führen können. Bangr-Nooma unterstützt betroffene Frau-en auch durch die Übernahme von Kostenfür die medizinische Behandlung be-schneidungsbedingter Komplikationen. BeiOperationen werden die Kosten für eineBegleitperson und den Klinikaufenthalt

übernommen, wenn von einem Frauenarztattestiert wurde, dass die Behandlung we-gen einer Genitalverstümmelung erforder-lich ist. Auf diese Weise konnte bereits 30Frauen durch erfolgreiche Operation ge-holfen werden. Leider konnten wir keine weiteren Dörfermehr besuchen, da es noch keine Straßengibt. Die Wege sind schwer befahrbar. Indieser Region ist es besonders wichtig, einMotorrad für den Animateur Timoté be-reitzustellen, um die Anleitung und Über-wachung der neuen Animateure abzusi-chern. Weiter werden fünf Fahrräder fürdie neuen Animateure und Animatricenbenötigt, damit diese die Verbindung zuden Dörfern aufrechterhalten können.“ Die bisherigen Erfolge führen dazu, dassweitere Dörfer auf Bangr-Nooma zugehenund mit der Organisation zusammenarbei-ten möchten. Darum hat Bangr-Noomabeschlossen, die Aufklärungskampagnenauf weitere Dörfer auszuweiten. Deshalbist Bangr-Nooma auch in Zukunft auf IhreUnterstützung angewiesen! Bitte spendenSie unter dem Stichwort „Burkina Faso“auf folgendes Konto: Kontonummer: 244299, Kreissparkasse Tübingen, BLZ 641500 20.

Anmerkung:Verheerende Überschwemmungen in BurkinaFaso: Anfang September erreichte TERRE DES FEM-MES ein verzweifelter Hilferuf von Bangr-Noo-ma. Die Straßen und Wege der Hauptstadt Oua-gadougou waren nach schweren Regenfällenteilweise hüfthoch überflutet. Durch die Flutenwurden mehr als 20.000 Häuser zerstört und150.000 Menschen wurden obdachlos. Über-gangsweise sind viele Familien, die alles verlorenhaben, in Schulen, Kirchen und Moscheen un-tergebracht. Da die Regierung mit der Katastro-phe überfordert war, leisteten Organisationenwie Bangr-Nooma Hilfe und verteilten Lebens-mittel, Decken und Medikamente. Die erstenSpenden wurden unverzüglich nach BurkinaFaso weitergeleitet und damit konnte Bangr-Nooma Lebensmittel, Medikamente, Deckenund Töpfe an diejenigen verteilen, die durch die Überschwemmung alles verloren haben. Wir bedanken uns ganz herzlich für die rascheHilfe.

Zu den Autorinnen: Regine Bouédibéla-Barro ist ehrenamtliche Koordinatorin des von TERRE DES FEMMES un-terstützten Projektes Bangr-Nooma. Sie besuchtdas Projekt in regelmäßigen Abständen und in-formiert über die jeweiligen Fortschritte. Sie lebtin Berlin.Sabrine Gasmi studiert Islamwissenschaft undSoziologie. Sie ist Praktikantin bei TERRE DESFEMMES im Referat gegen Genitalverstümme-lung. Sie lebt in Stuttgart.

TERRE DES FEMMES

Frauensolidarität 3/2009 25

Frauenfußballturnier in Burkina Faso im Andenken an Ulrike Sülzle