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Beginn der Industrialisierung Dortmunds Die Auflösung des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation bedeutete auch das Ende der Reichsstadt Dortmund. Unter Fürst Wilhelm von Oranien-Nassau und unter französicher Herrschaft wurden Verwaltung und Rechtswesen modernisiert. Unter anderem wurden das städtische Kataster, das Einwohnermelderegister (Registrierung aller Geburten, Heiraten, Todesfälle) und die Vergabe von Hausnummern eingeführt. 1806 wurde mit dem Rückbau der Stadtmauer begonnen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse entwickelten sich allerdings zu Beginn des 19. Jahrhunderts erst langsam. 1815 war Dortmund mit 4000 Einwohnern noch landwirtschaftlich geprägt, nur kleine Manufakturen für Eisen- und Baumwollwaren waren angesiedelt. Besonders wichtig für die Industrialisierung Dortmunds waren drei Sparten: die Kohle-, die Eisen- und die Brauindustrie.1845 wurde die bayrische Braumethode eingeführt, die eine industrielle Bierproduktion möglich machte. Mit der Einführung der Dampfmaschine zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Tiefbau möglich, 1837 konnte die 100 Meter dicke Mergeldecke überwunden werden. Auch das Puddelverfahren, bei dem Holzkohle durch Steinkohle im Eisenschmelzverfahren ersetzt wurde, zählte zu den entscheidenen Errungenschaften. Weitere Faktoren der Industrialisierung werden in dem zeitgenössischen Lexikonartikel aus „Meyers Konversationslexikon“ deutlich (Q1). Q1 Lexikonartikel über Dortmund aus dem Jahr 1888: „Dortmund (lat. Tremonia, altfranz. Tremoigne), Stadt (Stadtkreis), im preuß. Regierungsbezirk Arnsberg, an der Emscher, liegt in der unter dem Namen Hellweg bekannten fruchtbaren Ebene zwischen der Lippe und dem Haarstrang und ist ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt der Köln- Mindener, der Bergisch-Märkischen, der Rheinischen, der Westfälischen Staatsbahn und der D.- Gronau-Enscheder Bahn. [...] Beachtenswerte neuere Gebäude sind: die kathol. Liebfrauenkirche, das Oberbergamt, das städtische Krankenhaus, das Gymnasium, das Landgerichtsgebäude, der Vieh- und Schlachthof. Die Stadt, welche 1846 erst 8732 Einw. besaß, zählte 1880: 66,544 und 1884: 75,500 Einw. (42,500 Evangelische, 31,200 Katholiken, l000 Juden,800 Altkatholiken). Sie verdankt ihren Aufschwung ihrer Lage inmitten des westfälischen Kohlenbeckens; die im Stadtbezirk belegenen Steinkohlenzechen Friedrich Wilhelm, Vereinigte Westfalia und Tremonia förderten 1883: 518,884 Ton. Darauf gestützt, entwickelte sich eine großartige Eisenindustrie, vertreten durch Hochöfen, Eisen- und Stahlwerke, Maschinenfabriken. Das größte Werk dieser Art ist die Union, Aktiengesellschaft für Bergbau und Eisen-und Stahlindustrie [...] Spezialitäten sind Fabriken für Bergwerksbedarf, Drahtseilerei, Werkzeugmaschinen, feuerfeste Schränke, Nähmaschinen. Die 30 Brauereien, welche 1884 ca. 480,000 hl Bier im Wert von 8,640,000 Mk. produzierten, arbeiten stark für das Ausland. Seit 1872 besitzt D. auch eins der großartigsten Wasserwerke in Deutschland, welches das Wasser aus dem Ruhrthal bei Schwerte zuführt, hat Gasleitung und Kanalisation sowie Straßenbahnen mit Pferde- und Dampfbetrieb. [...] D. ist Sitz des westfälischen Oberbergamtes, der Eich- und Fabrikinspektion für Westfalen, eines Hauptsteueramtes, eines Eisenbahnbetriebsamtes, ferner eines Landgerichts [...], einer Reichsbankhauptstelle [...], des Dortmunder Bankvereins und einer Handelskammer für Stadt und Kreis. [...]“ Artikel „Dortmund“ in: Meyers Konversations-Lexikon. Eine Encyklopädie des allgemeinen Wissens. Bd. 5, Leipzig und Wien 4 1888-1890. Frage: 1. Durch welche Faktoren wird die Industrialisierung Dortmunds deutlich?

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Beginn der Industrialisierung Dortmunds

Die Auflösung des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation bedeutete auch dasEnde der Reichsstadt Dortmund. Unter Fürst Wilhelm von Oranien-Nassau und unterfranzösicher Herrschaft wurden Verwaltung und Rechtswesen modernisiert. Unteranderem wurden das städtische Kataster, das Einwohnermelderegister (Registrierungaller Geburten, Heiraten, Todesfälle) und die Vergabe von Hausnummern eingeführt.1806 wurde mit dem Rückbau der Stadtmauer begonnen. Die wirtschaftlichenVerhältnisse entwickelten sich allerdings zu Beginn des 19. Jahrhunderts erst langsam.1815 war Dortmund mit 4000 Einwohnern noch landwirtschaftlich geprägt, nur kleineManufakturen für Eisen- und Baumwollwaren waren angesiedelt. Besonders wichtig fürdie Industrialisierung Dortmunds waren drei Sparten: die Kohle-, die Eisen- und dieBrauindustrie.1845 wurde die bayrische Braumethode eingeführt, die eine industrielleBierproduktion möglich machte. Mit der Einführung der Dampfmaschine zur Mitte des 19.Jahrhunderts wurde der Tiefbau möglich, 1837 konnte die 100 Meter dicke Mergeldeckeüberwunden werden. Auch das Puddelverfahren, bei dem Holzkohle durch Steinkohle imEisenschmelzverfahren ersetzt wurde, zählte zu den entscheidenen Errungenschaften.Weitere Faktoren der Industrialisierung werden in dem zeitgenössischen Lexikonartikelaus „Meyers Konversationslexikon“ deutlich (Q1).

Q1 Lexikonartikel über Dortmund aus dem Jahr 1888:

„Dortmund (lat. Tremonia, altfranz. Tremoigne), Stadt (Stadtkreis), im preuß. RegierungsbezirkArnsberg, an der Emscher, liegt in der unter dem Namen Hellweg bekannten fruchtbaren Ebenezwischen der Lippe und dem Haarstrang und ist ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt der Köln-Mindener, der Bergisch-Märkischen, der Rheinischen, der Westfälischen Staatsbahn und der D.-Gronau-Enscheder Bahn. [...] Beachtenswerte neuere Gebäude sind: die kathol. Liebfrauenkirche,das Oberbergamt, das städtische Krankenhaus, das Gymnasium, das Landgerichtsgebäude, derVieh- und Schlachthof. Die Stadt, welche 1846 erst 8732 Einw. besaß, zählte 1880: 66,544 und1884: 75,500 Einw. (42,500 Evangelische, 31,200 Katholiken, l000 Juden,800 Altkatholiken). Sieverdankt ihren Aufschwung ihrer Lage inmitten des westfälischen Kohlenbeckens; die imStadtbezirk belegenen Steinkohlenzechen Friedrich Wilhelm, Vereinigte Westfalia und Tremoniaförderten 1883: 518,884 Ton. Darauf gestützt, entwickelte sich eine großartige Eisenindustrie,vertreten durch Hochöfen, Eisen- und Stahlwerke, Maschinenfabriken. Das größte Werk dieser Artist die Union, Aktiengesellschaft für Bergbau und Eisen-und Stahlindustrie [...] Spezialitäten sindFabriken für Bergwerksbedarf, Drahtseilerei, Werkzeugmaschinen, feuerfeste Schränke,Nähmaschinen. Die 30 Brauereien, welche 1884 ca. 480,000 hl Bier im Wert von 8,640,000 Mk.produzierten, arbeiten stark für das Ausland. Seit 1872 besitzt D. auch eins der großartigstenWasserwerke in Deutschland, welches das Wasser aus dem Ruhrthal bei Schwerte zuführt, hatGasleitung und Kanalisation sowie Straßenbahnen mit Pferde- und Dampfbetrieb. [...] D. ist Sitzdes westfälischen Oberbergamtes, der Eich- und Fabrikinspektion für Westfalen, einesHauptsteueramtes, eines Eisenbahnbetriebsamtes, ferner eines Landgerichts [...], einerReichsbankhauptstelle [...], des Dortmunder Bankvereins und einer Handelskammer für Stadt undKreis. [...]“Artikel „Dortmund“ in: Meyers Konversations-Lexikon. Eine Encyklopädie des allgemeinenWissens. Bd. 5, Leipzig und Wien 41888-1890.

Frage: 1. Durch welche Faktoren wird die Industrialisierung Dortmunds deutlich?

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Bevölkerungsentwicklung und soziale Frage

Zwischen 1850 und 1920 wuchs die Bevölkerung Dortmunds in einem bis datounbekannten Maße an (B1). Dies ist eng mit der Zuwanderung von Arbeitskräften undderen Familien verbunden. Waren es bis zur Reichsgründung 1871 hauptsächlich Arbeiteraus dem Rheinland und aus Westfalen, so kamen danach zunehmend Migranten auswestlichen Gebieten Preußens und aus Polen, das unter preußischer Verwaltung stand.Zwangsläufig entstanden Probleme hinsichtlich der Unterbringung und Versorgung. Meistkam es zur sozialen Aufteilung in verschiedene Stadtviertel. Der Sozial- undWirtschaftshistoriker Clemens Zimmermann beschreibt dieses Phänomen in seinem Buch„Die Zeit der Metropolen“ (Q2), Gustav Luntowski speziell für Dortmund (Q3).Ebenfalls machte diese Entwicklungeine Veränderung der Infrastrukturnötig, durch neue technischeErrungenschaften wurde sie möglich.Ein Beispiel ist die im Jahr 1894 vonder Dortmunder Straßenbahn-gesellschaft zum Teil elektrifizierte altePferdebahn (B2).

B2 Dortmunder Pferdebahn von 1890, aus: Heimatbuch für Dortmund, Braunschweig 1965.

B1 Bevölkerungswachstum von 1780-1920.

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50000

100000

150000

200000

250000

1780 1800 1820 1840 1860 1880 1900 1920

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Q3 Die Industriebevölkerung in Dortmund:

„Eine Infrastruktur im modernen Sinne mußte von Grund auf neu aufgebaut werden. [...] 1845wohnten durchschnittlich neun Personen in einem Haus, 1871 schon 17 Menschen. DieZuwandernden mußten sich fortan vorwiegend vor den Mauern der Stadt niederlassen. Von 1051Wohnhäusern, die 1849 in Dortmund gezählt wurden, befanden sich 68 vor den Stadtmauern,1873 gab es 1807 Wohnhäuser vor der Stadt und 1480 innerhalb der Wälle. In den schnellemporschießenden Neubauvierteln nördlich und westlich der alten Wälle nahe den Standorten derIndustrie, die sich vorwiegend an der Linienführung der Köln-Mindener und der Bergisch-Märkischen Eisenbahn orientierten, herrschten die unerfreulichsten Verhältnisse. In demtiefgelegenen und feuchten Baugebiet kam es zu regelloser und spekulativer Wohnbebauung ohneStraßen, ohne Wasseranschluß, ohne Licht und ohne Kanalisation. [...]1868 heißt es, daß der Fahrer des Leichenwagens sich geweigert habe, in das Schlammeer derStraßen der Westentor-Vorstadt einzufahren, Ärzte und Geistliche könnten ihren Amtspflichtennicht mehr nachkommen, und nachts herrsche eine ägyptische Finsternis. Am bedenklichstenwirkten sich diese Zustände in sanitärer Hinsicht aus, denn die Schmutzkloaken bildeten ständigeine Quelle epidemischer Erkrankungen. [...]So bot das, was sich an neuen Siedlungen vor den Mauern der alten Reichsstadt angesammelthatte, ein Bild, das offenbar durchaus dem der Slums der englischen Industriestädte ähnelte, dochbegann seit den 1870er Jahren allmählich eine aktive Infrastrukturpolitik zu greifen, wenn sieauch vom finanziellen Rahmen her zunächst noch recht begrenzt blieb. Von 1871 bis 1876 ist dasSanierungsprogramm mit dem Namen des Oberbürgermeisters Hermann Becker, des „rotenBecker" von 1848, verbunden. Das 1871 bis 1872 erbaute Wasserwerk nimmt im Folgejahr seinenBetrieb auf, die Bau- und Straßenpolizeiordnung tritt 1871, das Ortsstatut 1875 in Kraft.Mit einer Gasversorgung und -straßenbeleuchtung hatte man bereits ab 1857 angefangen. In den1880er Jahren macht dann der Ausbau der Infrastruktur weitere Fortschritte. Seit dem 1. Juni1881 verkehrt eine Pferdebahn zwischen Steinplatz und Fredenbaum als Vorläufer der 1894elektrifizierten Dortmunder Straßenbahn. Ebenfalls 1881 wird mit der Kanalisation der Stadtbegonnen, 1885 nehmen Viehmarkt und Schlachthof ihren Betrieb auf. Die Anlage der Rieselfelderan der Lippe 1895 ermöglicht die längst überfällige Installation von Kläranlagen, und mit derInbetriebnahme des städtischen Elektrizitätswerks an der Weißenburger Straße 1897 kommen dieInvestitionen im öffentlichen Versorgungsbereich der Stadt vorläufig zum Abschluß. In denVororten hatten vielfach die dortigen Zechen die notwendigen Versorgungseinrichtungen,insbesondere für Gas und Wasser, für die ansässige Bevölkerung vorgehalten, teils waren auchkleinere regionale Gesellschaften entstanden, die später mit den Dortmunder Werken fusionierten.Zu einem Dauerproblem war die Wohnungsnot geworden. [...] 1874 wurden im Stadtgebiet vonDortmund insgesamt 3708 Wohngebäude gezählt. Dem stand eine Wohnungsnachfrage von rund55 000 Einwohnern gegenüber. Als in der Zeit von 1876 bis 1885 lediglich 151 neueWohngebäude errichtet wurden, die Bevölkerung inzwischen auf rund 76 000 Einwohnergestiegen war, führte das zu einer enormen Verschärfung der Wohnungsnot. Eine besondere Rollespielte auf dem Wohnungsmarkt das Angebot an Werkswohnungen. Die meisten größerenIndustrieunternehmen hatten seit den 1850er Jahren für ihre Belegschaften werkseigeneWohnungen, meist in der Form von „Kolonien", errichten lassen. Von 1856 bis1886 waren 222werkseigene Wohnhäuser fertiggestellt worden, in denen 3297 Personen wohnten. [...] DieKoloniehäuser, meist anderthalb- bis zweigeschossige Ziegelbauten mit vier bis sechs Wohnungenzu durchschnittlich drei bis vier Wohnräumen, waren in der Regel noch mit Stallungen fürKleinvieh und Gartenland ausgestattet. In der Bewirtschaftung von Land und in dem Halten vonVieh sah man einen wirksamen „Hebel zur Besserung der wirtschaftlichen und sittlichen Güterauch der industriellen Arbeiterbevölkerung". [...]“

Luntowski, Gustav, Kleine Wirtschaftsgeschichte von Dortmund, Dortmund 1988, S. 266-68.

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Q2 „Citybildung und soziale Segregation“:

„Das Wachstum besonders der großen Industriestädte ging mit der Entstehung verschiedenerFunktionsbereiche einher, die in der »Citybildung« ihren Ausdruck fand. Die Innenstädte wurdendichter bebaut und reicherten sich mit Geschäften, Banken, Büros und Verwaltungsstellen an.Gleichzeitig verließ ein Teil der Wohnbevölkerung die neue City. Diese funktionalenDifferenzierungsprozesse waren von unterschiedlichen, sich gegenseitig bedingenden Faktorenbeeinflusst und hatten in den einzelnen Städten unterschiedliches Gewicht. So wie sich im Zugeder großstädtischen Entwicklung die räumliche Verteilung ökonomischer Funktionen änderte,besondere Geschäftsviertel und Produktionsszenen entstanden, bildeten sich charakteristischeMuster heraus, von wem die Stadtviertel bewohnt wurden. [...] In welchem Grade funktionaleDifferenzierung von der sozialen Entmischung der Wohnbevölkerungen im Stadtgebiet begleitetwar, ist eine Frage von großer Aktualität. Die Entwicklung der internen städtischenRaumstrukturen des 19. Jahrhunderts lief wenigstens der Tendenz nach auf soziale Segregation, d.h. auf die Herausbildung berufs- und schichtenspezifischer Stadtviertel hinaus. In einem Teil derdeutschen Großstädte, vor allem in Berlin oder in Breslau, ging soziale Entmischung mit derAusbreitung der sogenannten Mietskasernen einher, was die Wohndichte ebenso erhöhte wie diein Städten mit kleineren Haustypen vielfach gepflegte Praxis, vorhandenen Wohnraum aufzuteilen,der von stadtauswärts ziehenden Mittel- und Oberschichten verlassen worden war. ZurAusbildung von Arbeitervierteln kam es außerdem durch Umwandlung bisher »guter« Stadtviertelentlang von Straßenbahn und Eisenbahnlinien. [...]“ Zimmermann, Clemens, Die Zeit der Metropolen. Urbanisierung und Großstadtentwicklung, S.26ff.

Fragen:1. Wie wirken sich die industriellen Veränderungen auf das Wohnverhalten aus?2. Welche Konsequenzen für die Infrastruktur werden genannt?

Die Bedeutung der Eisenbahn für Dortmund

Über die Bedeutung der Eisenbahn für Dortmund schreibt Ingrid Trocka-Hüslken imKatalog zur Ausstellungs und Veranstaltungsreihe „150 Jahre Köln-Mindener Eisenbahn“(Q4).

B3 oben: Bahngelände der Bergisch-Märkischen und Köln-MindenerEisenbahn um 1890. (Stadtarchiv Dortmund)

B4 links: Fahrplan der Köln-Mindener 1847, abgedruckt imDortmunder Wochenblatt. (Stadtarchiv Dortmund)

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Q4 „Das moderne Dortmund – eine Schöpfung der Eisenbahn“:

Das Vorhandensein der Eisenbahn führte dazu, daß sich zahlreiche Firmen in Dortmundansiedelten, etliche, die - was naheliegend war - für die Ausrüstung des Verkehrs sorgten. DieEisen- und Hüttenwerke fanden in der Bahn einen starken Abnehmer, so daß sie ihrHerstellungsprogramm entsprechend ausrichteten. Die Hermannshütte war das erste große Werk,das notwendiges Equipment für die Bahn herstellte. [...] Ein bedeutender Gewerbezweig, dessenEntwicklung eng mit der Eisenbahn verknüpft war, ist der Brückenbau. Dem starken Anwachsendes Verkehrs waren die alten Brückenkonstruktionen nicht mehr gewachsen, ihre Funktionübernahmen Brücken aus Eisen und Stahl. [...]Die Bahn sorgte auch mittelbar für die Ausgestaltung der Dortmunder Industrie. In derUmgebung des Bahnhofs entstanden umfangreiche Einrichtungen der Bahn, eine Werkstätte fürden Maschinenbau, eine Kokerei und eine Eisenbahnwagenfabrik. 1857 war die Bahn der größteArbeitgeber, gut 1.200 Menschen waren hier beschäftigt. [...]Da andere Städte mittlerweile auch über Anschlüsse verfügten, war der Entschluß derRheinischen Bahn, nach Dortmund zu kommen, wesentlich für die Stadt, die nun Knotenpunktdreier Bahnen war. Durch die Rheinische Bahn, die mit billigen Frachttarifen arbeitete und denAbsatzmarkt für die Industrie erweiterte, erhielt Dortmund einen zweiten wichtigen Bahnhof, denBahnhof „Dortmund-Süd".Dortmund besaß in den 80er Jahren das größte Eisenbahnnetz des Ruhrgebiets. Seine Bahnlinienführten in zehn Richtungen,16 fast ebenso viele gingen von Berlin aus. Die Verbindung zumNordosten waren gut, aber die nicht ausgebaute Nord-Süd-Achse war ein großes Manko. Es fehlteder Anschluß nach Schwerte, Münster, Arnsberg. Erst 1874 wurde die Strecke Dortmund-Lünenund 1928 die Verlängerung nach Münster gebaut. Dortmund konnte seine Vorrangstellung ab den80er Jahren nicht mehr behaupten und geriet gegenüber Essen ins Hintertreffen. [...]Nicht nur die Zechen und die Eisen- und Hüttenindustrie profitierten von der Bahn. Die Stadtwurde in den 60er Jahren ein bedeutender Handelsplatz für Getreide und Vieh. [...]Die Nähe zur Bahn wußte auch die Post einzuschätzen, und verlegte 1852 das bis dato auf demWestenhellweg gelegene Postamt in die Bahnstation. Erst fünf Jahre später siedelte sie in eineigenes Gebäude auf dem Bahngelände um. [...]Die Eisenbahn und Industrie benötigten Arbeitskräfte, die in großer Zahl nach Dortmundströmten. Dies führte zu einem starken Bevölkerungswachstum, dadurch bedingt entstanden neueWohnräume, vor allem außerhalb der Wälle. Entscheidend für den Wohnungsbau war dieFirmennähe. Es entstanden neue Stadtgebiete, die Nordstadt entwickelte sich: zunächst entstandin der Nähe des Bahnhofs, „die Krim", danach bildeten sich die Unionvorstadt längs desSunderholzes und das Hoeschviertel heraus. Außerhalb der Stadtmauern gab es in den 20er und30er Jahren rund 30 Wohnhäuser mit 170 Bewohnern. Ende der 40er Jahre wohnten hier 1.051Personen in 68 Häusern. 1867 hatte die Stadt 2.265 Gebäude, von denen 1.354 Häuser innerhalbder Wälle und 911 außerhalb lagen. So war die Bahn das Schlüsselereignis für dieIndustrialisierung und für die Entstehung der Nordstadt. [...]Die Nordstadt wurde von der Altstadt durch ein breites Schienennetz getrennt. [...]Nach dem Umbau des Bahnhofes, des Vorplatzes und der damit verbunden Anlegung neuerStraßenzüge verlief das Straßenleben ungestört, die Zweiteilung der Stadt war aufgehoben.Trocka-Hülsken, „Das moderne Dortmund - eine Schöpfung der Eisenbahn“, in: Ellerbrock, Karl-Peter / Schuster, Martina (Hrsg.), 150 Jahre Köln-Mindener Eisenbahn, Essen 1997, S. 105ff.

Frage:1. Skizzieren Sie die angesprochenen Vorteile für die industrielle Entwicklung durch die

Eisenbahn.

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Der Dortmunder Hafen im Zeitalter der Eisenbahn

Binnenschifffahrtsprojekte haben in Westfalen eine lange Tradition. Das Münsterlandwurde z. B. zwischen 1724 und 1731 durch den Bau des Max-Clemens-Kanals mit demRhein verbunden. Während der napoleonischen Verwaltungsperiode wurde der Bau einerVerbindung zwischen Rhein und Elbe geplant, allerdings nicht verwirklicht. Im April 1856

wurde die Idee von einem Komitee (siehe B5) unter derLeitung des Dortmunder Kreisbaumeisters Carl von Hartmannwieder aufgegriffen und in Form einer Denkschrift (Q5)thematisiert. Der Kanal sollte demnach von Dortmundausgehend in westlicher Richtung durch das Tal der Emscherzum Rhein geführtwerden. Über Unna,Soest, Lippstadt undPaderborn sollte inöstlicher Richung dieWeser erreicht werden.Stellung zu diesemVorhaben nahm u. a.die bergbaulicheZeitschrift „DerBerggeist“ (Q6).

B5 Hinweis auf eine Veranstaltung des Canal-Bau-Comités 1856. (StadtarchivDortmund)

Q5 „Denkschrift eine Canal-Anlage zwischenRhein und Elbe betreffend“:

„Man vertraute [...] den durch die fertigen undprojecirten Eisenbahnen gebotenen Wegen undTransportmitteln, übersah aber, dass bei solch'ausserordentlicher Kraftentwicklung eine derartigeMasse von Producten und Fabrikaten erzielt werdenmüsse, dass jene Transportmittel, so vielfältig sie sind,unzulänglich bleiben werden, den Absatz coulant undmit Vortheilen zu vermitteln. Dieser, so langeunbeachtet gelassene Uebelstand dürfte vor allemAnderen auf unser Haupterzeugniss, die Steinkohlen amdrückensten wirken, da deren Production den grösserenUmfang nimmt und bald mit der Consumtion nicht mehr im Einklange stehen wird. Dafürbesonders muss also schon ein neuer Markt aufgesucht werden! - Diesen Markt bieten dieöstlichen Provinzen des Preussischen Staats, sofern es gelingt, der englischen Kohle Concurrenzzu bieten. Dieses Gelingen aber ist durch billigere Frachten und stärkere Transportmittel bedingt,als die Eisenbahnen je werden bieten können. Unter solchen Voraussetzungen ist es einleuchtend,dass man auf die Idee kommen muss, wo möglich, einen Wasserweg, einen Canal, behufs desgrösseren Verkehrs mit Gütern nach Osten und Westen herzustellen.“ Canal-Bau-Comité Dortmund (Hrsg), Denkschrift eine Canal-Anlage zwischen Rhein und Elbebetreffend, Dortmund 1856, S. 4.

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Q6 Reaktionen auf die Denkschrift:

„Unserer Meinung nach dürfte dem indessen abgeholfen werden, ohne dass man sich gerade indie Nothwendigkeit versetzt sehen würde, zu dem genannten Kanale seine Zuflucht zu nehmen, undwerden die zur Theilnahme an dem Unternehmen bewegten Herren auch wohl bessere Gründedafür anzugeben haben.“ Der Berggeist 1 (1856), S. 218.

„Aber Canäle? Ist dies nicht ein längst überwundener Standpunkt? Wird man durch sie nicht andie Zeiten des Mittelalters erinnert, wo der Verkehr, mit Schneckenlangsamkeit über holprigeLandwege und wenige seichte Wasserstrassen sich fortschleppend, noch in der ersten Kindheitlag, wo man weder Eisenbahnen, noch Dampfschiffe, noch elektrische Telegraphen hatte?Bewahre der Himmel!“ Der Berggeist 3 (1858), S. 457.

Fragen:2. Welche Notwendigkeiten für den Bau eines Kanals zwischen Rhein und Elbe führt das

Komitee an?3. Welches sind die Kritikpunkte, die der Berichterstatter der Zeitschrift „Der Berggeist“

anführt?

Nicht nur aufgrund des Streites um die Notwendigkeit eines Kanalprojekts, sondern auchwegen lang andauernden Interessenkonflikten innerhalb des Ruhrgebiets, ruhte dasProjekt bis zur Gründung des Deutschen Reiches 1871. Nachdem ein Gesetzentwurf1883 noch im Preußischen Abgeordnetenhaus scheiterte, wurde einem neuen, der imZusammenhang mit anderen Kanalprojekten entstand, am 27. Mai 1886 zugestimmt.Eröffnet wurde der Dortmund-Ems-Kanal am 11. August durch Kaiser Wilhelm II.Gustav Luntowski bewertet dieses Ereignis sowie die Rentabilität des Kanals (Q7).

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Q7 Gustav Luntowski zum Bau des Weser-Ems-Kanals:

„In Dortmund hat seinerzeit die Eröffnung des Hafens am Endpunkt des Dortmund-Ems-Kanals,zu dessen Einweihung der deutsche Kaiser Wilhelm II. in der Stadt weilte, eine gewaltigeEuphorie hervorgerufen. Dortmund war erstmals in seiner tausendjährigen Geschichte Hafenstadtgeworden. Dieses Ereignis hatte in der Stadt eine Art Hansa-Renaissance hervorgerufen. Derneugeschaffene Wasserweg, der der Stadt den Zugang zu den großen Wegen der Weltwirtschafteröffnete, hat die Erinnerung an Dortmunds hanseatische Vergangenheit überall geweckt. Damalswurde das alte Rathaus am Markt mit großem Aufwand restauriert, um in ihm den Kaiserbegrüßen zu können. Reiche Bürger stifteten einen Dortmunder Silberschatz nach mittelalterlichenVorbildern. Mit der Anlage des Hafens, der zum größten Teil auf städtische Kosten gebaut wurde,hatte die Stadt an Großzügigkeit nichts missen lassen. Das aufwendig gebaute alte Hafenamt legtnoch heute davon Zeugnis ab. Der Dortmunder Hafen wurde bald zum ausgedehntesten deutschenKanalhafen überhaupt. Doch die volkswirtschaftliche Bedeutung der Kanalbauten, namentlich derwichtigsten und ältesten unter ihnen, des Dortmund-Ems-Kanals, war zunächst stark überschätztworden. Zu Tal wurden überwiegend Kohle, zu Berg Erze verfrachtet. Die Erztransporte setztenjedoch nur zögernd ein, weil die Dortmunder Hüttenindustrie in großem Umfang für dieEisenbahn arbeitete und ihrem Großkunden keine Konkurrenz schaffen wollte. Erst mit derEinfuhr der neu entdeckten schwedischen phosphorhaltigen Erze begann sich die Situation zuändern. Bis 1911 hatte der Dortmunder Hafen mit damals 1,5 Mill. t Jahresumschlag die HäfenKönigsberg, Danzig und Köln überflügelt. Im Jahre 1913 kamen in Dortmund insgesamt 1 373688 t Güter an, während die Ausfuhr lediglich 431 290 t betrug. Der Kanal entwickelte sich fürDortmund einseitig als Einfuhrstraße, die Leerfahrten zu Tal wuchsen von Jahr zu Jahr. Währendder Kohlenumschlag im Dortmunder Hafen im Durchschnitt der Jahre 1901—1912 18 % desGesamtumschlags betrug, erreichte der Erzumschlag einen Anteil von 74 %. Ein wichtiger Grundfür die geringe Auslastung des Dortmund-Ems-Kanals durch den Kohleexport war die Errichtungdes Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikats von 1893, das den einzelnen Bergbaubetrieben denAbsatz abnahm und nach vielen Richtungen langfristige Lieferungsverträge für Kohlenabfuhrenabschloß. Für die Ausfuhrkohle bevorzugte das Kohlesyndikat aber eindeutig die Rheinhäfen.1913 wurden nur 1,5 % der Förderung des Ruhrkohlebergbaus auf dem Dortmund-Ems-Kanalverschifft, dagegen betrug der Versand aus den Rhein-Ruhrhäfen 18,7 %. Diese Zahlen zeigendeutlich, wie wenig der Dortmund-Ems-Kanal mit dem Rhein in Wettbewerb zu treten vermochte.Der Ausgleich der Standortnachteile für das östliche Revier und namentlich Dortmund als dessenMittelpunkt gegenüber der Rheinlage ist zumindest nicht in dem Maße eingetreten, das man sichdurch den Kanalbau erhofft hatte. Zugleich relativiert sich die Bedeutung der Wasserwegegegenüber dem Transport auf der Schiene, der immer noch gut zwei Drittel der gesamtenKohleausfuhr bewältigte. Für die Dortmunder Industrie blieb der Kanal vor allem als Regulativgegenüber der Eisenbahn und deren Tarifen von bleibender Bedeutung.“ Luntowski, Gustav, Kleine Wirtschaftsgeschichte von Dortmund, Dortmund 1988, S. 266-68.

Frage: 1. Welche Bedeutung misst Luntowski dem Kanal zu?

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