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Beihefte der Francia Bd. 60 2005 Copyright Das Digitalisat wird Ihnen von perspectivia.net, der Online-Publi- kationsplattform der Stiftung Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland (DGIA), zur Verfügung gestellt. Bitte beachten Sie, dass das Digitalisat urheberrechtlich geschützt ist. Erlaubt ist aber das Lesen, das Ausdrucken des Textes, das Herunterladen, das Speichern der Daten auf einem eigenen Datenträger soweit die vorgenannten Handlungen ausschließlich zu privaten und nicht- kommerziellen Zwecken erfolgen. Eine darüber hinausgehende unerlaubte Verwendung, Reproduktion oder Weitergabe einzelner Inhalte oder Bilder können sowohl zivil- als auch strafrechtlich ver- folgt werden.

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Beihefte der Francia

Bd. 60

2005

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JAROSLAV P Â N E K , MILOSLA V P O L Ï V K A

Die böhmischen Adelsreisen und ihr Wandel vom Mittelalter zur Neuzei t

Die Reisefreudigkei t de r Bevölkerung de s mittelalterlichen Böhme n un d Mähre n is t mit der regen Reisetätigkeit der Einwohner mancher westeuropäischen Länder schwer zu vergleichen. Insbesondere mit dem Eifer der Italiener, Spanier, Franzosen, Nieder -länder und Engländer als Bewohner der Länder, die auch Seemächte waren, kann man sie kaum messen , abe r auc h nich t mi t de m de r Bewohne r jene r Gebiete , di e a n di e großen europäische n Flüss e angeschlossen waren , wie zum Beispie l der Rhein- ode r Donauländer. Dies hat mehrere Ursachen. Das Königreich Böhmen hatte zwar - rei n geographisch gesehen - fü r de n Transithandel und für da s Reisen eine relativ günstige Lage, da sich hier - i m Herzen Europa s - , mehrer e wichtige Handelswege kreuzten , die den Weste n mi t de m Oste n un d teilweis e auc h de n Norde n mi t de m Süde n de s Kontinents verbanden . Umso meh r gal t dies für di e Nord-Ost-Achse, di e die Mark -grafschaft Mähre n durchquert e un d Pole n mi t Italie n verband . E s ga b jedoc h be -stimmte Hindernisse, die für Jahrhunderte eine rasche Entwicklung der Reisetätigkei t der Bewohner der böhmischen Länder und umgekehrt die der ausländischen Besucher in diesem Raum bremsten. Zum Hindernis wurden nicht nur die um beide Länder lie-genden Gebirge , di e den Transpor t erschwerten , sonder n auc h di e im Vergleich mi t westeuropäischen Länder n weniger , bzw . späte r entwickelt e Wirtschaft . Dies e öko -nomische Verspätung hatte unvermeidliche Folgen für den Aufbau de r für das Reisen nötigen Infrastruktur 1.

Die s o bedingt e relativ e Abgeschlossenhei t de r böhmische n Lände r wa r jedoc h nicht unveränderlich . I n Zeiten de r wirtschaftlichen Prosperitä t un d de s politische n Aufschwungs de r Böhmischen Krone öffnete sic h dieser Raum umso mehr den inter -

1 Zu m Vergleic h de r gesamte n geographische n Dispositio n de r böhmische n un d de r westeuropäische n Länder vgl . einerseit s Mireille PASTOUREAU , Voie s Océane s d e l'ancie n au x nouveau x mondes , Pari s 1990, andererseit s Jaroslav PUR S (Hg.) , Atlas ceskoslovenskych dëjin (Atlas der tschechoslowakische n Geschichte), Prag 1965 , insbesondere die Karten Nummer 4-12 . Weiterhin kann hier nur auf die Lite-ratur hingewiesen werden, die sich mit der tschechischen Thematik beschäftigt und sprachlich meist dem ausländischen Publikum entgegenkommt . Auf di e Angaben über allgemeine ausländische Literatur z u diesem Thema mußte verzichtet werden, sie würden den Umfang dieses Artikels weit überschreiten. Zu den Reiseaktivitäte n de r Bewohne r de r böhmische n Lände r Jose f KUNSKY , Cestî cestovatel é (Die böhmischen Reisenden) , Bd. I, Prag 1961 ; Zderik a TICH Ä (Hg.) , Jak starf Cechové poznâvali svët (Wie die alten Tschechen die Welt kennengelernt haben), Prag 1985 ; Lenk a BOBKOVÄ, Michaela NEUDERTOV Ä (Hg.), Cesty a cestoväni v zivotë spolecnosti - Reise n im Leben der Gesellschaft, Üst i nad Labern 1995 (Acta Universitati s Purkynianae , Philosophica e t historica, Studia historica II); Jin MARTINEK , Milo -slav MARTINEK, Kdo byl kdo. Nasi cestovatelé a geografové (Wer war wer. Unsere Reisenden und Geo-graphen), Prag 1997.

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nationalen Kontakten , was die Reisetätigkeit der böhmischen Geschäftsleut e un d de r Geistlichkeit un d i n eine m besonderem Ma ß auc h der Angehörigen de s königliche n Hofes und des anderen Adels förderte .

Der gefestigt e Staa t der letzten Premysliden im 13 . Jahrhunder t orientiert e sich in seiner Expansion nach Süden, insbesondere in Richtung auf die österreichischen Län -der bis zur Adriaküste , wo die traditionellen Straße n nach Italien lagen. Davon wur -den teilweis e di e Reiseinteressen de s Adels bestimmt , au s dessen Reihe n einig e vor -nehme Repräsentanten unter der Regierung Premysl Otakars II. zu Vertretern der kö-niglichen Mach t i n de n Alpenländer n ernann t wurden 2. De n Reisende n öffnete n jedoch auc h di e nach Nordoste n gerichtete n Ambitione n de r Premysliden di e Wege nach Polen und Preußen 3. Noch deutliche r zeigt e sich diese Tendenz i n der Luxem -burgerzeit, vor allem in der Regierungszeit Karls IV., dessen diplomatische Interesse n in den dreißiger bis siebziger Jahren des H.Jahrhunderts viele böhmische Adelige auch nach Italien und Frankreich führten4. An erster Stelle standen in seiner Zeit die mit der Reichs Verwaltung in Zusammenhang stehende n Reise n seiner adeligen Beamten un d Hofleute i n di e deutsche n Länder , insbesonder e i n di e Rheingebiete , i n di e Reichs -städte, nach Brandenburg und Neuböhmen. Diese Situation blieb unverändert bis zur Absetzung Wenzels IV als römischer König und bis zum Ausbruch der Hussitenkriege im Jahre 1419.

Die kriegerischen Ereignisse der zwanziger und dreißiger Jahre des 15 . Jahrhundert s brachten einen Umbruch in der bisherigen Entwicklung und zugleich eine Spaltung in der geographische n Orientierun g un d i n den Forme n de r adelige n Reisen . In eine m nicht üblichen Maße intensivierten sich diejenigen Reisen , die militärischen Zwecke n dienen sollten . Inde m di e Kreuzzüg e vo r alle m de n deutsche n Ade l alle r soziale n Schichten nac h Böhme n brachten , nahme n a n den hussitische n große n Heerfahrte n (»spanilé jizdy«) die utraquistischen Hochadeligen , abe r viel mehr noc h di e Nieder -adeligen teil . Der böhmische katholisch orientiert e Hochadel verstärkte jedoch sein e Reisekontakte mit den von König Sigismund und seinem Schwiegersohn Albrecht von Habsburg regierten Ländern , das heißt mit Österreich und Ungarn . In beiden Fälle n bedeutete dies e Entwicklun g ein e wesentlich e Einschränkun g - sowoh l i m inhalt -lichen, als auch im geographischen Sinn - au f die Reisekontakte der Böhmen und Mäh-rer mit den benachbarten Ländern Mitteleuropas 5.

2 Jose f 2EMLICKA , Stoletî poslednfch Premyslovcû. Cesky stâ t a spolecnost ve 13 . stoleti (Das Jahrhun-dert der letzten Premysliden. Der böhmische Staat und die Gesellschaft im 13 . Jahrhundert), Prag 21998.

3 Jaroslav GOLL, Cech y a Prusy ve stredovëku (Böhmen un d Preuße n i m Mittelalter), Prag 1897 ; Jose f MACÛREK (Hg.), Cesi a Polâci v minulosti (Di e Tschechen un d di e Polen in der Vergangenheit) , Pra g 1964, S . 62-118.

4 Ferdinan d TADRA , Kulturni styky Cech s cizinou az do vâlek husitskych (Die kulturellen Beziehunge n Böhmens mit dem Ausland bi s zu den Hussitenkriegen), Prag 1897.

5 Frantise k SMAHEL , Die Hussitische Revolution, I—III, Hannover 2002 (Schriften de r Monumenta Ger -maniae Historica, Bd. 43). In dieser grundlegenden Monographie is t die Fachliteratur z u der Entwick -lung der böhmischen Lände r während de r hussitischen Revolutio n angeführt . Ei n konkretes Beispie l bringt Gerhard SCHLESINGER , Die Hussiten in Franken. Der Hussiteneinfall unter Prokop dem Großen im Winter 1429/30, seine Auswirkung sowie sein Niederschlag in der Geschichtsschreibung, Kulmbac h 1974.

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Legende zu Abb. 2

die üblichsten Reiserouten (v.a. der Aristokratie und der Geschäftsleute)

-<«<C Richtunge n der Kriegszüge nach Ungarn (1566,1594 u.a.)

1546 - di e Reise Oldfichs Prefat von Vikanov (Venedig, Palästina)

1551 - di e Reise des böhmischen Adels nach Italien (Linz, Innsbruck, Trient, Mantua, Mailand, Genua, e'm Teil der Reisenden zieht danach nach Valladolid, bzw. nach Rom)

-*—•—•-- 155 3 - di e Reise der böhmischen Adligen nach Polen (Krakau)

——•— 1562/156 3 - di e Reise Peter Woks von Rosenberg in die Niederlande und nach England (Frankfurt, Köln, Aachen, Antwerpen, Brüssel, Gent, Brügge , London, Brüssel, Utrecht und Amsterdam)

1563/66 - di e Studienreise Simons Proxenus und Julius Schliks in die Niederlande und nach Frankreich (Löwen, Antwerpen, Paris und Orléans)

1572/1573 - di e Reise der böhmischen Diplomaten zu Verhandlungen über die Habsburgerkandidatur nach Polen (Warschau, Knyszyn und Urzedöw)

++++++- 157 6 - di e Reise der böhmischen Diplomaten zu Verhandlungen über die Habsburgerkandidatur nach Polen (Jçdrzejôw)

1578 - di e diplomatische Reise Wenzels Budowetz von Budow in das Osmanenreich (Buda, Beograd, Sofia und Istanbul)

1579/1587 - Studienreise n Kar l des Älteren von 2erotin (Straßburg , Basel, Genf, Orléans,

Heidelberg, Leiden und London)

1591 - di e diplomatische Reise Wenzels Wratislaw von Mitrowitz in das Osmanenreich (wie 1578)

1591 /1599 - Studienreise n Ladislavs Velen von Éerotin (1. Reise 1591 -94 nach Straßburg, Basel

und Heidelberg; 2. Reise 1595-99 nach Genf, Padua, Siena und Florenz)

1593/1594 - di e Reise Friedrichs von Dohna (Venedig, Florenz, Rom und Neapel)

1593/1594 - di e Reise Heinrichs Hieserle von Chody in die Niederlande (Frankfurt, Brüssel, Antwerpen und Brüssel)

« • * 1592/159 6 - di e Studienreise Wilhelms Slawata nach Italien (Venedig, Padua, Florenz, Siena, Rom, Neapel, Sizilien und Malta)

1598 - di e Reise Christophs Harant von Poltschitz und Wesseritz nach Palästina und Ägypten (Venedig, Schiffahrt auf der Adria und auf dem Mittelmeer)

—°—o— 1609/161 1 - di e Studienreise Johannes Smil von Michalowitz und Johannes Jessenius (Greifswald, Rostock, Leipzig und Altdorf)

• 161 3 - di e Reise Daniels Strejc-Vetter nach Island (Bremen, Schiffahrt nach Island)

1616/1618 - di e diplomatische Reise Hermanns Czernin von Chudenitz in das Osmanenreich (wie 1578)

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1 Abb. 2: Ausgewählte Reisen der Böhmen und Mährer im Europa des 16. und beginnenden 17 . Jahrhunderts Anmerkung: Breslau = Wrociaw, Brunn = Brno, Olmütz = Olomouc, Prag = Praha (Karte: Jaroslav Pänek).

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Das wa r de r Ausdruc k eine r vie l breitere n Provinzialisierun g de s böhmische n Raumes in der Hussitenzeit, der charakteristisch für die Entwicklung der adeligen Rei-setätigkeit bis zum ersten Drittel des 16 . Jahrhunderts wurde. In der nachhussitische n Periode unternah m zwa r de r böhmisch e Ade l einig e Versuche , dies e Isolierun g z u durchbrechen. Es handelte sich um die diplomatischen Missionen im Dienste des utra-quistischen Königs Georg von Podiebrad, mit denen die westeuropäischen Herrsche r und ihr e Höf e mi t de m Vorschla g de r Bildun g eine r Friedensorganisatio n de r eu -ropäischen Staaten in den Jahren 1464-1467 unterrichtet werden sollten6. Während der Reisen, die unter de r Leitun g des Albrecht Kostk a von Postupitz , bzw. des Leo vo n Rozmital unternomme n wurden , kame n di e böhmische n Aristokrate n un d Nieder -adeligen i n Kontak t mi t de m höfischen , adelige n un d bürgerliche n Milie u i n Süd -deutschland, den Niederlanden, in Südostengland, Westfrankreich, Spanien , Portuga l und Norditalien7. Obwohl diese großzügig organisierten Reisen zu den west- und süd-europäischen Residenzen seinerzeit ein breites gesellschaftliches und literarisches Echo fanden, bedeutete dies aber keinesfalls den Durchbruch der politischen Blockade Böh-mens. Im Gegentei l setzt e sic h allmählich i n einer veränderten geopolitische n Situa -tion nach dem Herrschaftsantritt de r Jagiellonen die Orientierung nach Osten durch , die den böhmische n Ade l de m kurzfristige n Einflu ß eine s frühen Sarmatismu s pol -nisch-ungarischen Charakter s aussetzte 8.

Noch deutlicher spiegelte sich der entscheidende Einfluß der Herrscherdynastie auf die Reisetätigkeit der böhmischen Adligen im ersten Jahrhundert de r habsburgische n Regierung wider. Es war eine dramatische Zeit vom Erwerb der böhmischen Königs -kröne durch Ferdinand I. im Jahre 1526 bis zur entscheidenden Niederlage der böhmi-schen Stände in der Schlacht am Weißen Berg im November 1620 , als es zu einer letz-ten Blüte der adelig geprägten Ständegesellschaft i n Böhmen und Mähren kam und als zugleich die Spätgotik, die Renaissance und de r Manierismus i m Kulturleben aufein -ander folgten . I n diese m Zeitrau m führte n di e strategische n Interesse n de r öster -reichischen Habsburger den Adel aus Böhmen und Mähren vorwiegend nach dem Sü-

6 Adol f BACHMAN N (Hg.), Böhmen und seine Nachbarländer unter Georg von Podiebrad, Prag 1878 ; Ru -dolf URBÄNEK , Ceské dëjiny III/4. Vëk podëbradsky (Böhmische Geschichte , Bd. III/4. Zeitalter Ge -orgs vo n Podiebrad) , Pra g 1962 , S . 696-770, insbes . S . 755-764; Jir f KEJR , Vâclav VANËCE K (Hg.), Vseobecnâ mirovâ organisace podle nävrhu ceského krâle Jinho z let 1462/1464 (Allgemeine Friedens-organisation de s böhmische n König s Georg s vo n Podiebra d au s de n Jahren 1462/1464) , Pra g 1964 , S. 59-82.

7 Rudol f URBÄNEK , V e sluzbäch krâle Jiriho. Deniky Jaroslava a Vâclava Saska z Birkova (In den Dien -sten von König Georg. Die Tagebücher von Jaroslav und Wenzel Sasek von Birkov), Prag 1940 . Dazu weiter M. Alain van GRUITEN, Un voyageur de Bohême à la Cour de Bourgogne, in: Cahiers bruxelloi s 21 (1976) S. 61-68; Michael STOLZ , Die Reise des Leo von Rozmital. Wandlungen der Pilgeridee in ei-nem deutschen Bericht des Spätmittelalters, in: Klaus HERBER S (Hg.) , Deutsche Jakobspilger und ihr e Berichte, Tübingen 1988 , S. 97-121; neu z u diesem Thema Jutta M. HUESMANN , Übe r einig e Aspekt e des Aufenthaltes Leo s von Rozmital am Hof Philipp s des Guten von Burgund (1466) , in: Stredocesky sbornik historicky 25 (1999 ) S. 49-62 (mit Zusammenfassung de r Quellen und der älteren und neuesten Literatur).

8 Z u diese r weni g erforschte n Problemati k vgl . Jaroslav PÄNEK, Pamëti ceskéh o slechtice z polovin y 16. stoleti . »Sarmacie « Jana Zajic e z Häzmburka (Di e Memoiren eine s böhmische n Adelige n au s de r Mitte des 16 . Jahrhunderts . Die »Sarmatie« des Jan Zajfc vo n Hasenburg), in: Folia Historica Bohemi -ca 14 (1990) S. 17-98.

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den un d Weste n de s Kontinents , namentlich nac h Italie n un d Spanien , wodurch di e bisherige Beschränkun g au f Mitteleurop a überwunde n wurde . Die Reiseaktivitäte n des Adels erreichten ein bisher unbekanntes Niveau im qualitativen und quantitative n Sinn. Auch ihre Reflexion in den schriftlichen Quelle n verdichtete sich dermaßen, daß erst in diesem Zeitraum fast alle bedeutenden Aspekte der böhmischen Adelsreisen zu verfolgen sind 9.

Die Veränderungen i m geographische n Horizon t un d i n der Interessensorientie -rung, aber auch das kulturelle Nivea u de r Reisenden spiegelte n sic h in den Quellen , die im Zusammenhang mit ihren Reisen entstanden sind. Für das ganze Mittelalter, so-gar bis zur Mitte des 15 . Jahrhunderts, gibt es für unser Thema fast ausschließlich nar-rative Quellen10. Die meisten Informationen biete n die annalistischen und chronika -lischen Werke. Zu den wichtigsten zählen das Chronicon Bohemorum des Cosmas von Prag11, das Chronicon Aulae Regiae12, die Berichte vom Weg zum Konstanzer Konzi l des Petr von Mladoiiovic13 und das Tagebuch des Peter von Saaz14. Seit dem 14 . Jahr -hundert kamen dazu seltene autobiographische Werke wie die Vita Caroli15 mit ihren Hinweisen au f di e Adelsreisen nac h Italien , und sei t der Mitt e de s 15 . Jahrhunderts Reisebeschreibungen, die von den adligen Reisenden verfaßt wurden (der Ritter Jaro-slav und Vaclav/Wenzel/ Sasek von Birkov)16.

Während die ältesten aus dem böhmischen Milieu stammenden Quellen dieses Typs nur kurz die militärischen Züge und Schlachten, die Aufnahme a n den fürstlichen un d geistlichen Höfen, di e Reisen in das Heilige Land und kirchlich e Wunder erwähnen , spiegeln diese sich in den neueren Quellen schon viel ausgeprägter, aber mehr Beach -tung gil t dem Alltag der Reisenden, namentlich de n Kontakten mi t der Bevölkerun g der besuchten Länder , den dortigen Lebensgewohnheiten , Besonderheiten der Land -schaft un d imme r auc h den militärischen Einrichtungen . Fü r all e diese Quellenarte n ist ihr subjektiver Charakte r typisch .

Seit de m Anfan g de r Neuzei t veränder t sic h grundsätzlic h di e Quellenlage . Di e Chroniken bringen nur partielle, ergänzende Informationen, dagege n rückt unter den

9 Jaroslav PÄNEK, Reisende aus Böhmen in Europa der Renaissance. Reisen als kultureller Faktor und als Katalysator de r politischen Integration , in : Bohemia 3 2 (1991) S . 338-367 (dor t auc h di e wichtigere n Quelleneditionen und Beiträge zur Geschichte des Reisens im 16. und zu Beginn des 17 . Jahrhunderts) ;

10 Mari e BLÄHOVÄ, Moznosti a formy cestovan i ve stredovëkych Cechâch a jejich odraz v soudobé histo-riografii (Die Möglichkeiten und Formen des Reisens im mittelalterlichen Böhmen im Spiegel der zeit -genössischen Geschichtsschreibung) , in: BOBKOVÄ, NEUDERTOV Ä (wie Anm. 1) S. 39-53.

11 Bertol d BRETHOL Z (Hg.), Die Chronik der Böhmen des Cosmas von Prag, Berlin 1923 , Münche n 21995. 12 Jose f EMLE R (Hg.) , Chronico n Aula e Regiae , in : Fonte s Reru m Bohemicaru m IV, Prag 1884 ,

S. V-XXVIII und Edition S. 21-337. 13 Vâclav NOVOTNY (Hg.) , Petri de Mladoniowicz relati o de Magistro Johanne Hus , Fontes Rerum Bo -

hemicarum VIII, Prag 1932, S. 25-149 (lateinisch und tschechisch), S. 150-22 1 (zeitgenössische deutsche Übersetzung).

14 Frantise k PALACK Y (Hg.), Liber diurnus d e gesti s Bohemoru m i n concili o Basiliensi , in : Monument a Conciliorum generaliu m saecul i decimi quinti I, Wien 1857 . Die tschechische Übersetzung von Fran -tisek HERMANSKY wurde von Josef MACE K in Denik Petra Zateckého (Das Tagebuch des Peter von Saaz), Prag 1953, kommentiert.

15 Euge n HILLEBRAN D (Hg.) , Vita Caroli IV. Die Autobiographie von Kar l IV, Stuttgart 1979 . 16 Kare l HRDINA (Hg.) , Commentarius brevi s et iucundus itineris atque peregrinationis e t religionis cau-

sa susceptae ab illustri domino, domino Leone, libero barone de Rosmital et Blatna, Prag 1951 . Z u den Editionen und Bearbeitungen diese r Reise neu HUESMAN N (wi e Anm. 7) S. 49-51.

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Quellen des subjektiven Charakters die Reisebeschreibung in den Vordergrund. Größ-tenteils sind diese als künstlerische Werke verfaßt, di e für ei n breiteres Publikum be -stimmt sind, dem sie neben den eigenen Erlebnissen und Erkenntnissen auc h tradier -te Schemen anbieten, die aus den zeitgenössischen Kosmographie n und Reiseführer n bekannt waren 17. Einer seh r viel geringeren Stilisierun g unterlagen di e dem private n oder fü r de n Familiengebrauc h bestimmte n subjektive n Quellen , wi e Tagebücher , Stammbücher und Kaiendarien18. Vor allem die letztgenannten Quellen , die unmittel-bar im Laufe der Reisen entstanden sind, gehen von einer ganz anderen Zeitauffassun g aus, nämlic h einer nicht mehr zyklischen, sondern linearen, und zugleich von einer an-deren Raumvorstellung , inde m si e viele genaue Entfernungen anführen , di e die Rei-senden bewältigen mußten. Sie sind durch eine relativ große Genauigkeit und das Ver-ständnis für Details gekennzeichnet, zu denen die aktuelle Wetterlage oder der Zustand der Wege und der Reisemittel (Wagen, Pferde und anderer Tiere) gehörten. Die Auto-ren dieser subjektiven Berichte notierten weiterhin die Krankheiten und Todesfälle, die die Reisenden quälte n und verschiedene Gefahren , wi e Kriminalität , Verfolgung de r politischen Feinde oder Andersgläubigen. Die frühneuzeitlichen Quelle n registriere n schon die Sorgen, die sich ihre Verfasser bei m Kontakt mi t der einheimischen Bevöl -kerung machen mußten, etwa wegen sprachlicher und kultureller Schwierigkeiten, bei der Suche nach Unterkunft, angesicht s der stets wechselnden Währungen und bei der allgemeinen Kommunikation mi t Leuten verschiedener sozialer Herkunft. Di e Auto-ren registrierten ihr e privaten Erlebniss e und drückte n ihr e inneren Gefühl e aus , die aus dem Kontakt mi t einem neuen, unbekannten Milieu entstanden, und die auch mit der Angstbewältigung zusammenhingen und die die empfänglichen unter den Reisen-den soga r z u eine r Konversio n brachten . I n de r Folg e von diese n Eigenschafte n er -möglichen solch e Quelle n i n eine m frühe r nich t vorstellbare n Ma ß di e historiogra -phische Rekonstruktion nich t nur der einfachen Itinerare , sondern auch der komple -xen Umstände des Reisens der böhmischen Adeligen dieser Zeit19.

17 Besonder s große Bedeutung hatte die Cosmographie des Sebastian Münster, die in der Mitte des 16 . Jahr -hunderts von Zikmund von Puchov in die tschechische Sprache übersetzt und ergänzt wurde. Sie blieb Jahrzehnte grundlegende Quelle der geographischen Informationen fü r di e Reisenden aus den böhmi-schen Ländern; vgl. Sebastian MÜNSTER , Kozmograffi a ceskä , Prag 155 4 (Neudruck de r ausgewählte n Teile: Gerd FREIDHO F [Hg.] , Zikmund z PUCHOVA, Kozmograffi a Czeskä , Bd. I—II, München 1988) .

18 Di e Mehrheit diese r Quellen blie b bisher unediert un d wir d i n den böhmische n un d mährische n Ar -chiven und Bibliotheken aufbewahrt; zu den wichtigsten zählen: Nationalbibliothek de r Tschechischen Republik i n Pra g (u.a . Bibliothe k de r Lobkowic z z u Raudnitz) , Mährische s Landesarchi v i n Brno/Brünn (Familienarchi v der Fürsten von Dietrichstein), Landesarchiv in Opava/Troppau, Zweig -stelle Olomouc/Olmütz (di e sog. Kopialbücher de r Olmützer Bischöfe) , Staatliches Regionalarchiv in Trebon/Wittingau (Familienarchiv e der Herren von Rosenberg und der Herren von Hradec/Neuhaus ) und Staatliche s Regionalarchi v Litomerice/Leitmeritz , Zweigstell e 2itenice/Sittenit z (Familienarchi v der Lobkowicz z u Raudnitz) .

19 Mi t dieser Problematik beschäftigte n sich Jin KROUPA, Dietrichstëjnov é v pol. 17 . stoletf a model tzv . kavalirské cesty (Di e Dietrichstein s i n der Mitt e des 17 . Jahrhunderts un d da s Modell de r sog . Kava-liersreisen), in: Historickâ Olomouc a jeji soucasné problémy 4 (1983) S. 109-117; Zdenëk HOJDA, »Ka -valirské cesty« v 17. stoleti a zajem ceské slechty o Itâlii (Die »Kavalierstouren« im 17 . Jahrhundert un d das Interess e de r böhmische n Adelige n u m Italien) , in : Italie, Cech y a stredni Evropa , Pra g 1986 , S. 216-239; DERS, »Voyages de chevaliers« de Bohême au XVIIe siècle, in: Zeszyty Naukowe Uniwer -sytetu Jagiellonskiego. Prace Historyczne 8 8 (1989) S. 99-105; DERS., Z katolického exil u do zäpadni Evropy. »Velkä cesta« Jiriho Adama z Martinic v letech 1620-162 5 (Aus dem katholischen Exi l in das

Die böhmischen Adelsreisen und ihr Wandel vom Mittelalter zur Neuzeit 6 1

Als eine besondere Art eine r subjektiven Aussage über das Reisen gelten die Brie-fe. I m böhmischen Milieu kommen solche Belege vereinzelt seit dem Hochmittelalte r vor, aber sei t dem zweiten Dritte l des 15 . Jahrhundert s trete n diese , obwohl nur aus-nahmsweise erhalten, in ganzen Serien auf. Dies belegen die Nachlässe der Aristokra-ten Ulrichs II. von Rosenberg20 oder Wilhelms von Pernstein21. Seit dem 16 . Jahrhun -dert sin d zahlreich e Korrespondenzbeständ e de s böhmischen Adel s erhalte n geblie -ben, die dessen Reisetätigkeit betreffen . Z u den ausgiebigsten zählen die Bestände der Rosenberger, Pernsteiner , Lobkowiczer , Zierotine r ode r de r Fürstbischöf e vo n Ol -mütz22. Die Briefe ermögliche n oft , di e unmittelbaren Erlebniss e und di e Stimmun g der Reisenden kennenzulernen. Gegenüber den anderen, oben erwähnten Quellen is t der Vorteil der adeligen Korrespondenz gerad e ihr serienmäßiger Charakter . Solang e solche Reihe n kontinuierlic h erhalte n sind , is t e s möglich , di e Reiseaktivitäte n de s Adels auf mehreren Ebenen zu verfolgen. Die erste ist der Nutzen des Reisens für da s Familienprestige, die politische Stellung der einzelnen Adeligen im Lande, bzw. in der Habsburgermonarchie un d im Dienst der königlichen Politik; in diesem Sinne haben die unlängst edierte n Registe r de r Herre n vo n Pernstei n au s de r Mitt e de s 16 . Jahr-hunderts23 einen außerordentlichen Wert . Die lückenhaft erhaltene , trotzdem aber die Jahrzehnte gu t belegende Korrespondenz de r letzten Herren von Rosenberg ermög -licht es, die internationalen Beziehunge n der europäischen Aristokratie, die diploma-tische Bedeutung der Adelsreisen und des Kulturtransfers i n der Zeit der Renaissance zu rekonstruieren24. Extrem umfangreiche Resultate der epistolographischen Tätigkeit der mährischen Adeligen , in der zweiten Hälft e de s 16 . Jahrhundert s z u den Olmüt -zer Fürstbischöfen erwählt , erlauben den Forschern die Bedeutung der Reisen für di e transkontinentale Nachrichten - und Machtverbindung de r katholischen Aristokrati e und Hierarchie in der Zeit der Reformation un d der Rekatholisierung zu begreifen 25.

Westeuropa. Die »Länderreise « de s Georg Adam I. von Martinitz i n den Jahren 1620-1625) , in: BOB -KOVÄ, NEUDERTOVÄ (wi e Anm. 1) S. 301-306; Jaroslav PÄNEK, Vyprava ceské slechty do Italie v letech 1551-1552 (Die Reise des böhmischen Adels nach Italien in den Jahren 1551-1552) , Prag 1987.

20 Blazen a RYNESOV Ä (Hg.) , Listâf a listinâr Oldricha z Rozmberka (Urkunde n un d Brief e Ulrich s vo n Rosenberg), Bd. I-IV, Prag 1929-1954. Zu Ulrich von Rosenberg vgl . zuletz t Miloslav POLIVKA, Ulrich von Rosenberg und seine Umgebung, in: Adelige Welt und familiäre Beziehung. Aspekte der »private n Welt« des Adels in böhmischen, polnischen und deutschen Beispielen vom 14. bis zum 16 . Jahrhundert , Potsdam 2000, S. 59-72.

21 Di e Quellen und die Literatur zu den Pernsteinern wurde zuletzt von Petr VOREL (Hg.), Pernstejnové v ceskych dëjinâch (Die Pernsteiner in der böhmischen Geschichte) , Pardubice 1995 , erfaßt.

22 Z u den Archiven und Bibliotheken vgl. Anm. 18. 23 Pet r VORE L (Hg.) , Ceskâ a moravskä aristokraci e v polovinë 16. stoletî. Edic e registe r list û bratr i z

Pernstejna z let 1550-1551 (Die Aristokratie in Böhmen und Mähren in der Mitte des 16 . Jahrhunderts . Edition der Briefregister de r Brüder von Pernstein aus den Jahren 1550-1551) , Pardubice 1997 .

24 Jaroslav PÄNEK, Posledni Rozmberkové. Velmozi ceské renesance (Die letzten Herren von Rosenberg . Magnaten der böhmischen Renaissance) , Prag 1989, S. 67-83,116-124 un d die Karte »Reisen der letz -ten Herren von Rosenberg« (S . 389); DERS., Zahranicni cesty poslednfch Rozmberkû a jejich kontakt y s evropskym dvorskym prostredim (Di e Auslandsreisen der Herren von Rosenberg im 16 . und zu Be-ginn des 17 . Jahrhunderts und ihre Kontakte mit dem europäischen höfischen Milieu) , in: Opera histo-rica. Editio Universitatis Bohemiae Meridionalis 3 (1993) S. 9-32.

25 Jaroslav PÄNEK, Olomouck y bisku p Stanislav Pavlovsky a ceskâ slechta (Stanislav Pavlovsky, Bischof von Olmütz, und der böhmische Adel), in: Okresni archiv v Olomouci, Olomouc 1989 , S. 35-58.

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Für ein komplexes Bild der Reisen der böhmischen Adeligen sind von besondere r Wichtigkeit di e sei t de m Anfan g de r Neuzei t überlieferte n Quelle n objektive r Art . Darunter werden alle Quellen verstanden, die ohne direkten Anteil der reisenden Ade-ligen entstanden sind . Es handelt sic h um die Reiseinstruktionen26, di e vor dem Rei -sebeginn die Ziele der Reise formuliert hatten , weiterhin Pässe , die seit der Mitte des 16. Jahrhundert s i n ganze n Sammlunge n erhalte n sind , und di e die Vorstellung übe r Motive, Rechtsschutz un d di e Reisemöglichkeiten widerspiegeln 27. Auch die Eintra -gungen in den zentral geführten Landtafel n (das heißt Amtsbüchern der Landtage und Landgerichte i n Böhme n un d Mähren ) un d königliche n Register n biete n wertvoll e Auskünfte übe r die sozialen und rechtlichen Zusammenhänge des Reisens28.

Ähnlich illustriere n di e Eintragunge n i n de n europäische n Universitätsmatrikel n die Orientierung de r adligen Studienreisen un d dami t auc h di e im Hinblick au f ver -schiedene Länder wirksamen Kulturinteressen29. Die größte Aussagekraft behalte n je-doch die in den Adelsarchiven erhalten gebliebenen Reiserechnungen, die etwa bei der oben erwähnte n Famili e de r Rosenberge r besonder s reichlic h un d systematisc h ge -führt wurden . Aufgrund de r systematischen Rechnungsbelege können auch die ande-ren nich t ode r nich t vollständig dokumentierte n Reise n rekonstruier t werden 30. Di e

26 Insbesonder e im Staatlichen Regionalarchiv Trebon/Wittingau, Fond Historica , Nr. 4821-4824, 4834; vgl. auc h Josef MACÛREK, Cechové a Polâci v 2. pol. XVI. stoleti (1573-1589). Tri kapitoly z dëjin cesko-polské politick é vzâjemnost i (Tschechen un d Pole n i n de r zweite n Hälft e de s 16 . Jahrhundert s [1573-1589]. Drei Kapitel aus der Geschichte der tschechisch-polnischen Wechselseitigkeit) , Prag 1948, S.217,Anm.7-8.

27 Viel e Reisepässe der böhmischen Reisende n aus dem 16 . und 17 . Jahrhunder t sin d im Staatlichen Zen -tralarchiv Prag, Fond Alte Manipulation, Sign. P 264/1 aufbewahrt; vgl . PÂNEK (wie in Anm. 19) S. 30, 147,Anm.45.

28 Ein e Reihe von konkreten Beispielen, die mit einer großen Expedition des böhmischen Adels nach Ita -lien zusammenhängen, interpretier t PÀNEK, Vyprava ceské slechty do Italie (wie Anm. 19) S. 29-57.

29 Mi t der Analyse der Matrikelbücher de r ausländischen Universitäten , a n denen die adligen Studente n studiert habe n (ode r diese nur fü r kürzer e Zei t besuchten) , beschäftigen sich mehrere Artikel ; zu de n wichtigsten zählen : Josef V. SIMÄK, Student i z Cech, Moravy a Slezska n a nëmeckych universitäch v XV.-XVIII. stoleti (Die Studenten aus Böhmen, Mähren und Schlesien an den deutschen Universitäte n vom 15.-18 . Jahrhundert), in : Casopi s Muse a Krâlovstvi ceskéh o 79 (1905 ) S. 290-297, 419-424 , 8 0 (1906) S. 118-123,300-305,510-539; Karel HRDINA, Studenti z ceskych zemi na vysokych skoläch v ci-zinë (Die Studenten aus den böhmischen Ländern an den ausländischen Hochschulen), in: Vëstnfk Ces -ké akademie vëd a umënî 28-29 (1919-1920 ) S. 32-66, 179-182 ; Marie L . CERNA, Studenti z e zem i ceskych na université v Orléansu a na nëkterych jinych francouzskych universitäc h (Die Studenten aus den böhmische n Länder n i n Orléans und a n anderen französischen Universitäten) , in: Cesky casopi s historicky 40 (1934) S. 347-366, 548-564; Ludëk REJCHRT, Bratrst i student i na reformovanych akade -misch pred Bilou horou (Die Studenten aus der Brüderuniversität an den kalvinistischen Akademien im Zeitalter vor dem Jahre 1620) , in: Acta Universitatis Carolina e - Histori a Universitati s Carolina e Pra -gensis 13 (1973) S. 43-82; Jirf PESEK , David SAMAN , Les étudiants de Bohême dans les universités et les académies de l'Europe central e et occidentale entre 1596 et 1620, in: Dominique JULIA, Jacques REVEL , Roger CHARTIE R (Hg.) , Les universités européennes du XVIe au XVIIIe siècle. Histoire sociale des po-pulations étudiantes I, Paris 1986, S. 89-111.

30 Z u den interessanten Beispielen gehört die Rosenbergische Dokumentation z u den Reisen der böhmi-schen Adeligen nach Italien 1551-155 2 und zu r Kavalierstou r Pete r Woks von Rosenberg nach West -europa 1562-1563 ; vgl. Jaroslav PÄNEK, The Expedition of the Czech noblemen to Italy within period 1551-1552 (A contribution to history o f internationa l relations in the field o f culture, politics an d fi-nances in the 16th Century), in: Historica 30 (1990) S. 29-95; DERS., Spedizione délia nobiltà boema neg-li anni 1551-155 2 e contatti tr a le Terre boeme e il Mediterraneo, in : Raffaele BELVEDER I (Hg.) , Rap-

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täglichen Zahlungsangabe n biete n di e Möglichkeit , da s Itinera r festzustellen , abe r auch die Angaben über die Infrastruktur de s Reisens zu gewinnen. Es geht insbeson -dere u m di e sozial e Struktu r de r Reisegruppe , benutzt e Transportmittel , Unter -kunftsmöglichkeiten, Nahrung , Unterhaltun g un d kulturell e Interessen . Mittel s de r verschenkten und erhaltenen Geschenke kann das Niveau der gesellschaftlichen Kon -takte mi t de r fremde n Aristokratie , de r Geistlichkei t un d de n nichtadlige n soziale n Schichten festgestellt werden 31.

Die enorme Erweiterung der Quellenlage für die Frühneuzeit gegenüber dem Spät-mittelalter stell t uns vor di e Frage, ob be i dem Vergleich de s Reiseniveaus vo r End e des 15 . und nach dem Anfang des 16 . Jahrhunderts das Forschungsergebnis nicht schon mit diesem Unterschied i n der Quellenbasis determinier t ist . Vom methodologische n Standpunkt forder t ei n solcher Vergleich eine gewisse Vorsicht, um nicht zu übertrie -benen Vorstellunge n übe r di e »Modernisierung « de s frühneuzeitliche n Reisen s z u kommen. Dennoch kann man wohl bei der komplexen Auswertung der Quellen un d in Hinsicht auf alle Mängel der bisherigen Erkenntnisse sagen, daß es im böhmische n Raum zumindest zur Änderung der sozialpolitischen und technischen Voraussetzun -gen für di e adligen Reiseaktivitäten gekomme n ist .

Auf der technischen Seite verbesserten sich die Voraussetzungen dieser Mobilität in mehrfacher Hinsicht . Bei dem schlechten Zustand der Wege brachte die nach dem Jah-re 1526 verbesserte Organisation einen bedeutenden Fortschrit t durch die Errichtung der Postverbindungen, di e dem einzelnen oder kleineren Gruppen von Reisenden ei-ne schneller e un d bequemer e Transportmöglichkei t gab 32. Die Reisevorbereitunge n wurden wesentlich durch den Aufbau eine s Netzes erleichtert, das Nachrichten aus al-len europäischen Metropolen un d teilweis e aus Übersee vermittelte und i n Form ge -schriebener Wochenzeitunge n verbreitete 33. Zugleic h stärkt e di e Reisesicherhei t di e

porti Genov a - Mediterrane o - Atlantic o nell'età moderna, Genov a 1990 , S. 511-525; zu de r zweite n erwähnten Reise vgl. Anm. 51.

31 I n der tschechischen Literatur wurde diese Thematik ausführlich i n folgenden Publikatione n interpre -tiert: Frantisek HRUBY , Lev Vilém z Kounic, baroknf kavalfr . Jeho denfk z cesty do Italie a Spanëlska a osudy kounick é rodin y v letech 1550-1650 (Le o Wilhem von Kaunitz , de r Barockkavalier . Seine Be-schreibung der Reise nach Italien und Spanien und die Geschichte der Familie Kaunitz 1550-1650), Brno 1987, S . 67-180; PÄNEK (wie Anm. 19) S. 43-134.

32 Zu r Geschichte der nach dem Jahre 1526 systematisch ausgebauten Postverbindung in den böhmischen Ländern vgl. Frantisek ROUBIK , K vyvoji postovnictvi v Cechäch 16.-18 . stoletf (Zu r Entwicklung des Postwesens i n Böhmen vom 16.-18 . Jahrhundert), in : Sbornik Archiv u ministerstv a vnitra Republik y ceskoslovenské 10 (1937) S. 164-302; Miroslav POLISENSKY, Postovnf spoje a postovnf stanice v ceskych zemfch v letech 1526-162 0 (Postverbindungen un d Poststatione n i n den böhmischen Länder n in de n Jahren 1526-1620) , in: Sbornik Postovnfho muzea , Prag 1982, S. 113-134; DERS., Postovnf itineräfe do-by pfedbëlohorské a jejich vyznam pro dëjiny postovnictvi v ceskych zemfch (Die Kursbücher aus der Zeit vor de r Schlach t a m Weißen Berg und ihr e Bedeutung fü r di e Geschichte de s Postwesens i n de n böhmischen Ländern) , in: Archivnf prameny k dejinäm postovnictvi , Prag 1983, S. 40-50.

33 Di e Entwicklung des Nachrichtenwesens im 16. und 17 . Jahrhundert analysierte systematisch in seinen grundlegenden Studie n Zdenëk SIMECEK, L'Amérique au XVIe siècle à la lumière des nouvelles du ser -vice de renseignements d e la famille d e Rozmberk, in : Historica 11 (1965) S. 53-93; DERS., Rozmber -ské zpravodajstvf o novych zemfc h Asi e a Afriky v 16. stoletf (Die Rosenbergische Berichterstattung über die neuentdeckten Länder Asiens und Afrikas im 16 . Jahrhundert), in: Ceskoslovensky casopis hi-storicky 1 3 (1965) S. 428-443; DERS., Linz und die Nachrichtenvermittlung nac h Böhmen vom 15 . bis zum 17 . Jahrhundert , in: Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 1969 , Linz 1970 , S. 269-290; DERS., N O -

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Möglichkeit, Reisescheck s i n Umlauf zwische n böhmische n Länder n einerseits , und Süddeutschland, Tirol, Italien und den Niederlanden andererseits zu bringen34. Als ei-ne der Folgen der allseitigen Intensivierung der aristokratischen Reisetätigkeit ins Aus-land, der wachsenden inländische n Adelsmobilitä t un d de r Reisen des ausländische n Adels nach Böhmen und Mähren bildete sich im Laufe des 16 . Jahrhundert s ei n Netz von Transitstädten , dere n Einwohne r berei t waren , Unterkunftsdienst e i n große m Umfang anzubieten. Offensichtlich ha t sich im Laufe des 16 . Jahrhunderts in Böhmen für das Reisen ein solcher Typ von Infrastruktur gebildet , der schon früher i n italieni-schen Städten funktioniert hatte 35.

Aus typologischer Hinsicht stellt sich die Frage, ob sich am Anfang der Neuzeit die Grundtypen de r adlige n Reise n i m Vergleic h zu m Spätmittelalte r veränderten . Ei n Grundtyp des Reisens waren die Handelsreisen, die die gesamte Infrastrukur fü r ein e allgemeinere Mobilität mit sich brachten. Wie im späten Mittelalter, so blieben die Ade-ligen auch in der frühen Neuzei t nu r bloße Auftraggeber, ware n jedoch nicht die ak-tiven Teilnehme r solche r Unternehmungen . Nichtsdestowenige r ware n di e Folge n dieser Entwicklun g fü r de n Ade l wichtig , denn di e Landwege ware n allgemei n un d auch auf dem Territorium de s böhmischen Staate s in relativ schlechtem Zustand un d deshalb schuf nu r die - de n Handelsbeziehungen dienend e - verbessert e Organisati -on der Pferdewechslung di e Voraussetzung für schnellere s und effizientere s Reisen 36.

Für die aktive Teilnahme des Adels am Reisewesen war die politischen und diplo -matischen Zielen dienende Mobilität bedeutend. Innerhalb der einzelnen böhmische n

vinové zpravodajstvi v pfedbëlohorskych (Sechach (Di e Zeitungsberichterstattung i n Böhmen i n de r Zeit vor der Schlacht am Weißen Berge), in: Folia Historica Bohemica 1 1 (1987) S. 287-303; DERS., Ge -schriebene Zeitungen i n den böhmischen Länder n um 160 0 und ih r Entstehungs- und Rezeptionszu -sammenhang mi t den gedruckten Zeitungen , in : Presse und Geschicht e I L Neue Beiträg e zur histori -schen Kommunikationsforschung, Münche n u. a. 1987, S. 71-82.

34 PÀNEK (wie Anm . 19) S . 110-134; Pet r VOREL , Uvër, penize a financnî transakce ceské a moravsk é aristokracie pri cestâch do zahranicî v polovinë 16. stoletî (Kredite, Geld und finanzielle Transaktione n der böhmische n un d mährische n Aristokraten be i ihren Auslandsreisen i n der Mitte des 16 . Jahrhun -derts), in: Cesky casopis historicky 96 (1998) S. 754-778.

35 Da s Netz de r Transitstädte bleib t bisher fast unerforscht ; einig e Aspekte dieses Themas behandel t di e Studie über ein e der mittelböhmischen Städte : Jaroslav PÀNEK , Benesov - tranzitn f mësto poslednich Rozmberku (Benescha u - ein e Transitstad t de r letzte n Herre n vo n Rosenberg) , in : Sborni k vlastivëdnych pracî z Podblanicka 25 (1984) S. 187-209.

36 De n Handelswege n i n den böhmischen Länder n wurde bishe r nicht so intensive Aufmerksamkeit ge -widmet, wie z. B. de m berühmten Transitweg Brügge - Novgorod: Ferdinand SEIBT , Ulrich BORSDORF , Heinrich Theodor GRÜTTE R (Hg.), Transit Brügge - Novgorod. Eine Straße durch die europäische Ge-schichte, Essen 1997 . Teilergebnisse bringen die regionalhistorischen Arbeite n sowi e Studien über di e Eingliederung der Hauptstädte Böhmens und Mährens (Prag und Olmütz) in den internationalen Han -del; vgl . Frantisek ROUBIK , Spor y jihoceskyc h mëst o smër obchodnfch ces t ve 14 . az 17 . stoleti (Di e Streitigkeiten de r südböhmische n Städt e u m di e Orientierun g de r Handelsweg e i m 14 . bis 17 . Jahr-hundert), in: Jihocesky sbornik historicky 40 (1971 ) S. 1-18 ; DERS., K vyvoji postovnictvi (wie Anm. 32); Josef JANÄCEK, Dëjiny obchodu v predbëlohorské Praze (Handelsgeschichte Prags im 16 . und a m An-fang des 17 . Jahrhunderts) , Prag 1955; Ludmila SPÄCILOVÄ , Zahranicnf obcho d v predbëlohorské Olo-mouci (Der Außenhandel von Olmütz i m 16 . und a m Anfang de s 17 . Jahrhunderts) , in: Folia Histori -ca Bohemica 1 3 (1990) S. 131-157. Einen synthetischen Überblick de r Problematik biete t zum ersten -mal da s grundlegend e Wer k au s der Geschicht e de r materielle n Kultu r un d de s Alltagslebens i n de n böhmischen Ländern in der Frühneuzeit an: Josef PETRA N U. a., Dëjiny hmotné kultury (Geschichte der materiellen Kultur) , Bd. U/2, Prag 1997 , S. 909-951.

Die böhmischen Adelsreisen und ih r Wandel vom Mittelalter zur Neuzeit 6 5

Länder wa r di e Intensitä t de r adelige n Reise n vo n de r Frequen z de r Landtag e un d Landgerichte abhängi g und wurd e durch deren Sit z und Tätigkei t geprägt . Währen d im Spätmittelalter Adelsreisen in die Landeshauptstädte relativ selten vorkamen, wur-den sie nach 1526 infolge der Bürokratisierung der Verwaltung und der jährlichen Sit-zungen de r Landtage zur regelmäßigen Angelegenheit 37. Die Ausbildung von Perso -nalunionen (Böhmen-Ungar n unte r de n Jagiellonen i n de n Jahren 1490-1526 , bzw . Böhmen-Österreich-Ungarn i n der Habsburger Regierungszei t sei t 1526) , in die der böhmische Staa t eingeglieder t wurde , hatte zur Folge , daß die Adeligen den königli -chen Ho f i n de r provisorische n Siedlungsstad t (nac h 149 0 Buda/Ofen , 1526-158 2 Wien, 1583-161 2 Pra g und späte r wieder Wien) häufig besuchten . Dies e im engere n mitteleuropäischen Rahme n empfundene Mobilitä t änderte allmählich die Mentalität des böhmischen Adels, und zwar in dem Sinne, daß der Adel sich aus seiner provinzi-ellen Beschränkthei t befreit e un d begann , da s politisch e Geschehe n i m zwischen -staatlichen, bzw. mitteleuropäischen Kontex t zu begreifen 38.

Jedoch war für di e Gewinnung eine r breiteren europäische n Einsich t di e Teilnah-me a n de n große n diplomatische n Reise n bedeutend . Währen d di e i n de r Zei t de s 14. un d 15 . Jahrhunderts ausnahmsweis e organisierte n diplomatische n Reise n fas t keine dauerhaften Spure n im politischen Denke n de s Adels hinterlassen hatten , ver -änderte sich die Lage nach dem Regierungsantritt de r Habsburger grundsätzlich . Die von der königlichen Dynastie veranstalteten Reisen führten di e vielköpfigen Gruppe n der böhmischen Herre n un d Ritte r nac h Polen-Litauen , Italien , Spanien, ins Rhein -land, in die Niederlande un d soga r in das Osmanische Reich , und ermöglichte n die -sen, sich mit der dortigen materiellen , geistigen und insbesonder e politischen Kultu r bekanntzumachen39.

Dieser neu gewonnene Blick ermöglichte den Adeligen im 16 . Jahrhundert - vo r al-lem den protestantischen unter ihnen - sic h von der leitenden Initiative des Herrschers zu entferne n un d politisch e un d diplomatisch e Reise n selbständi g z u unternehmen . Die böhmischen Nichtkatholiken wählten andere Reiserichtungen, wobei sie diejeni-gen Länder bevorzugten, wo sie ihre Glaubensgenossen treffen konnte n (insbesonde -re in Sachsen, in der Pfalz, in den niederländischen Provinzen, in England und in West-frankreich)40.

37 Jaroslav PÄNEK, Da s politische Syste m de s böhmischen Staate s im ersten Jahrhundert de r habsburgi -schen Herrschaf t (1526-1620) , in: Mitteilungen de s Institut s fü r österreichisch e Geschichtsforschun g 97 (1989) S. 53-83, insbes . S. 64-68; DERS. , K üloze byrokratizac e pr i prechodu o d stavovské k abso-lutnf monarchi i (Zur Rolle der Bürokratisierung im Übergangsprozeß von der ständischen zur absolu -tistischen Monarchie), in: Acta Universitatis Carolinae - Philosophic a e t historica 3 (1989), Studia Hi -storica 36, Prag 1991 , S. 75-85.

38 PANE K (wie Anm . 9 ) S . 343-365. 39 Di e kartographisch e Auswertun g de r Reise n de s böhmische n Adel s be i J. PUR S (wie Anm. 1), Karte

Nr. 8/i, und J. PÂNEK, Vybrané cesty Cechû po Evropë v predbëlohorské dobë (Die ausgewählten Rei-sen der Böhmen in Europa vor dem Jahre 1620), in: Josef PETRA N U. a., Dëjiny Ceskoslovenska I (do ro-ku 1620) , Prag 1990 , S. 520.

40 Z u den Reisen der böhmischen protestantischen Adeligen vgl. u . a. Josef LUKASEK , Jachym Ondf ej hrabë §lik (Joachim Andreas Graf von Schlick), Prag 1913 , S. 8; Otakar ODLOZILIK , Cest y z Cech a Moravy do Velké Britänie 1563-1620 (Die Reisen aus Böhmen und Mähren nach Großbritannien in den Jahren 1563 bis 1620) , in: Casopis Matice moravské 41 (1935) S. 241-320; Noemi REJCHRTOVÄ , Vaclav Budo-vec z Budova (Vaclav Budovec von Budov), Prag 1984 , S. 16-23.

66 Jaroslav Pänek, Miloslav Polivka

Einige hervorragende Aristokraten entschiede n sic h im Laufe ihre r Reisen für ein e selbständige Außenpolitik , di e eine n verborgene n ode r offene n antihabsburgische n Charakter hatte. So bewarb sich der mächtigste böhmische Adlige Wilhelm von Rosen-berg in den siebziger Jahren des 16 . Jahrhundert s al s Gegenkandidat Kaise r Maximili -ans IL um die polnische Krone41 und der bedeutende mährische Magnat Karl von Ziero-tin unterstützte militärisch und finanziell den französischen Köni g Heinrich IV.42 In der Kombination de r unmittelba r bei m Reise n erworbene n Erkenntniss e mi t de m Aus -tausch von politischen Ideen und aktuellen Nachrichten bildete sich der böhmische Adel früher gan z unvorstellbare Ansichte n übe r di e machtpolitischen Konstellatione n un d Konflikte. Diese Vorstellungen gingen in die sogenannte Konföderationsbewegung a m Anfang des 17 . Jahrhunderts und in den böhmischen Ständeaufstand 1618-162 0 ein43.

Die spätmittelalterliche n Quelle n biete n nu r fragmentarisch e Vorstellunge n übe r die militärischen Reisen und konzentrieren sic h einseitig auf die kriegerischen Ereig -nisse. Das 15 . Jahrhundert wurde durch die Hussitenkriege und -züge charakterisiert , wobei Hunderte von Niederadligen in ausländische Militärdienste eingetreten waren . Sie fanden ihre n Söldnerdiens t vo r alle m in Polen, in Ungarn un d au f de m Balkan 44. Eine ähnliche Tendenz setzt e sich im 16 . Jahrhunder t fort , un d zwa r unter dem Ein -druck de r ständigen Türkengefahr. Fü r diese Zeit kennen wir nicht nur die Zahl und das soziale Profil de r Teilnehmer, es stehen sogar detaillierte Angaben über ihre Mo-bilität, Versorgung und über ihr Alltagsleben zu r Verfügung. I n der Zeit der größte n Militärkampagne wurde mehr als ein Prozent der Landesbewohner mobilisiert , die an den Züge n z u de n ungarische n Kampfstätte n teilnahmen . Obwoh l Bürge r un d Un -tertanen in diesen Heeren einen wesentlichen Teil bildeten, wurden alle wichtigen Po-sten von Adeligen eingenommen. Da im Laufe des 16 . Jahrhunderts in den böhmischen Ländern keine größeren militärischen Konflikte ausgetrage n wurden, wurden für de n böhmischen Ade l gerade die Reisen nach Ungarn und teilweise nach Westeuropa zu r Hauptquelle ihrer Erfahrungen übe r Militärtechnik und -organisation45.

41 MACÛREK (wie Anm . 26) S . 67-136; Jaroslav PÄNEK, Osobowos c Wilhelma z Rozemberka , polityk a czeskiego doby Renesansu i kandydata do korony polskiej (Wilhel m von Rosenberg, ein Politiker de r Renaissancezeit in Böhmen und Kandidat der polnischen Königskrone) , in: Kultura staropolska - kul -tura europejska . Prac e ofiarowan e Januszow i Tazbirow i w 7 0 rocznic e urodzin , Warscha u 1997 , S. 287-295 (dort auch die weiterführende Literatur) .

42 Pete r von CHLUMECKY , Car l von Zieroti n un d sein e Zeit 1564-1615 , Brunn 1862 , S. 128-182; Otaka r ODLOZILIK, Kare l starzi ze Zerotina, Prag 1936, S. 39-41, 71-85.

43 Rudol f STANKA , Die böhmischen Conföderationsakte vo n 1619 , Berlin 1932 ; Karel MALY, Zmëny stät-niho zrizeni v ceském stavovské m povstân i (Veränderungen de r staatliche n Ordnun g währen d de s böhmischen Ständeaufstandes) , Foli a Historic a Bohemic a 8 (1985 ) S . 63-88; Karolin a ADAMOVÄ , K otäzce konfederacnic h sna h v ceské m State n a pocätk u 17 . stolet i (Zu r Frag e de r konföderative n Bemühungen i m böhmische n Staa t z u Begin n de s 17 . Jahrhunderts), in : Prâvnëhistorické Studie 2 7 (1986) S. 57-96; Josef VÄLKA , Morava ve stavovské konfederaci rok u 161 9 (Mähren in der Ständekon -föderation i m Jahre 1619) , in: Folia Historic a Bohemic a 1 0 (1986) S. 333-349; Joachim BAHLCKE , Re -gionalismus un d Staatsintegratio n i m Widerstreit . Die Länder de r Böhmischen Kron e im ersten Jahr-hundert der Habsburgerherrschaft (1526-1619) , München 1994 , S. 400-445.

44 Milosla v POLIVKA, La transformation de l'armée populaire pendant la révolution hussite dans les années 1419-1434, in: Gli aspetti economici délia guerra in Europa secc. XIV-XVIII (Att i délie »Settimane di Studi« e altri convegni in CD-rom), Prato 1984, S. 1-34.

45 Lydi a PETRANOV Ä U. a. (Hg.) , Prîbëh y Jindrich a Hyzrl a z Chod ù (Die Begebenheite n des Jindric h Hyzrle von Chody), Prag 1979 ; Jaroslav PÄNEK, Die antiosmanischen Feldzüge aus Böhmen nach Un-

Die böhmischen Adelsreisen und ih r Wandel vom Mittelalter zur Neuzei t 67

Die religiös motivierte n Reise n habe n ihr e Wurzel i m frühen Mittelalter . Da s gil t für di e Pilgerfahrten nac h Palästina und a n andere mit wichtigen Heiligen verbunde -ne Orte46, aber auch für di e Reisen der Geistlichen adelige r Herkunft nac h Rom un d in die Ordenszentralen. Obwoh l uns keine statistischen Angaben zur Verfügung ste -hen, können wir voraussetzen, daß sich die Intensität dieses adeligen Reisens auch am Anfang de r Frühneuzeit nich t verringerte. Man kann sogar die Steigerung der Reise-frequenz nach Palästina nicht ausschließen, da gegen Ende des 16 . Jahrhunderts in Prag in tschechischer Sprache zwei biblische Topographien erschiene n sind, die gerade bei solchen Reisen oder wenigstens bei der Vorbereitung solcher Reisen nützlich waren47. Die Reformation un d die Gegenreformation brachte n jedoch neue Motive für Reise n mit religiösen Zielen. Einerseits waren es nun Reisen in die Zentren des Protestantis -mus (Genf, Heidelberg usw.), andererseits vermehrten sic h Reisen in die neuen Zen -tren des Katholizismus wie Loreto, Altötting und Tschenstochowa 48.

Die wesentlichsten Veränderungen zwischen dem Mittelalter und der frühen Neu -zeit sind be i den Studienreisen zu beobachten . Bevor die Prager Universität 134 8 ge-gründet wurde, war der Anteil der studierenden Adligen gering. Man schätzt, daß un-ter einigen Dutzenden im Ausland studierenden Personen nur vier Prozent Adlige wa-ren, di e überwiegen d i n Italie n un d Frankreic h weilten 49. Auc h späte r wurde n Studienaufenthalte de r Adelige n i m Auslan d nich t zu r Regel , abe r fü r da s 16 . Jahr-hundert sind schon Dutzende Studenten adeliger Herkunft belegt , die mit der Prage r utraquistischen Universität nicht zufrieden waren , und die Universitäten in den deut -schen Ländern , i n Frankreich , Italie n un d i n den Niederlande n besuchten . Obwoh l sich Studente n di e Universitäte n nac h ihre r Konfessio n auswählten , nutzte n si e

garn in der zweiten Hälfte de s 16 . Jahrhunderts, in: Rapports, co-rapports, communications tchécoslo -vaques pour le VIe Congrès de l'Association international e d'Études d u Sud-Est européen , Prag 1989, S. 67-101; Vaclav BÛZEK, Das Generalat Peter Woks von Rozmberk im habsburgisch-türkischen Krie g im Jahre 1594 , in: ibid., S. 103-124.

46 Fü r den ältesten religiös motivierten Reisenden böhmischer Herkunft wir d der heilige Adalbertus (de r zweite Bischof von Prag (992-996, gestorben 997) gehalten, der am Ende des 10 . Jahrhunderts die deut-schen Länder, Italien, Polen und Preußen durchreiste; vgl. Ferdinan d SEIBT , Die Wege des heiligen Adal-bert, in : Han s LEMBERG , Ferdinan d SEIB T U . a. (Hg.) , Kaise r un d Kirche . Aufsätz e au s de n Jahre n 1978-1997. Festgabe zu m 70 . Geburtstag, München 199 7 (Veröffentlichungen de s Collegium Caroli -num, 88) , S. 59-84.

47 Beid e Werke (C. ANDRICHOMIUS, Vypsâni mësta Jezuzaléma i pf edmësti jeho [Beschreibung der Stadt Jerusalem und ihrer Vorstädte], Prag 1592; H. BUETING , Itinerarium Sacrae scripturae, Prag 1592) soll-ten nicht nur dem Reisenden dienen, sondern auch dem Leser, der keine Reisemöglichkeit hatte, das Hei-lige Land vorstellen; vgl. auch Zdenëk BENES, Cesta do Svaté zemë Krystofa Harant a jako kosmogra -ficky obraz svëta (Die Krystof Harant s Reise ins Heilige Land als ein kosmographisches Bild der Welt), in: BOBKOVÄ , NEUDERTOV Ä (wi e Anm . 1 ) S . 137-149 .

48 Daz u PÄNE K (wie in Anm. 9) S. 347-349. Mit Reisen in die religiös kontroversen Gebiet e waren an der Wende des 16. und 17 . Jahrhunderts zahlreiche Beispiele der Konversion politisch ambitiöser Adelige n verbunden. Dies e Themati k wurd e vo n Thoma s WINKELBAUER , Konfes e a konverze. Siechtick e promëny vyznäni v ceskych a rakouskych zemic h od sklonku 16 . do poloviny 17 . stoleti (Konfessio n und Konversion. Adelskonversionen in den böhmischen und österreichischen Ländern vom ausgehen-den 16 . bis zur Mitte des 17 . Jahrhunderts) , in: (Sesky casopis historicky 98 (2000) S. 476-540, ausführ -lich erforscht .

49 Frantise k SMAHEL , Prazské univerzitni studentstv o v predrevolucnfm obdobî 1399-1419. Statisticko-sociologickä Studi e (Di e Prage r Universitätsstudente n i n de r Zei t vo r de r Hussitenrevolutio n 1399-1419. Eine statistisch-soziologische Untersuchung) , Prag 1967.

68 Jaroslav Pânek, Miloslav Polîvk a

manchmal ihre formelle Eingliederung in die Universitätsnationen nich t nur für ihr e Ausbildung, sonder n u m gesellschaftlich e Kontakt e z u knüpfe n un d s o eine rechtli -che Sicherung im Ausland zu finden 50.

Besonders für di e Hochadeligen und in der Folge auch für de n Niederadel, waren vor allem die Kavalierstouren anziehend. Angefangen mi t der vorbildhaften Reis e des südböhmischen Aristokrate n Pete r Woks von Rosenber g in s Rheinland , i n die Nie -derlande und nach England in den Jahren 1562-1563, wurde die Kavalierstour zum fast unentbehrlichen Tei l der hohen adlige n Erziehung. Das Programm diese r Reisen sah meist nicht das Studium an Universitäten vor, konzentrierte sich aber auf die Besuche der vornehmsten Fürstenhöfe , aristokratische r Residenzen , bedeutende r Städt e un d geistlicher Zentren, insbesondere der wichtigsten Wallfahrtsorte . Be i dieser Gelegen -heit lernten di e Adeligen au f Grun d eigene r Erfahrungen di e Ausstattung de r reich -sten aristokratischen Sitze, pompöse Feiern und das Alltagsleben der höchsten Schich-ten in den besuchten Ländern kennen. Sie rezipierten die Verhaltensmodelle und Mo-dewellen, die sie dann zu Hause nachahmten. Diese auf Erfahrung un d Nachahmun g gegründete »außeruniversitäre « Ausbildun g beschleunigt e de n Kulturtransfe r un d trug zur partiellen Unifizierung der Ansprüche der Adeligen im umfangreichen Rau m Süd-, West- und Mitteleuropas bei 51.

Auch der geographische Horizont der Adelsreisen wandelte sich im Laufe der Jahr-hunderte. I m Spätmittelalte r besuchte n di e Adlige n vorwiegen d Sachsen , Bayern , Österreich und Polen, weiter Norditalien und Rom, gelegentlich Aachen und Jerusa-lem52. In der Hussitenzeit beschränkten sich die vor allem militärisch motivierten Rei-sen auf die Nachbarländer. Im Zusammenhang mi t der Erneuerung der europäische n Stellung de s Böhmische n Königreich s i n de r Regierungszei t Georg s vo n Podiebra d verbreiterte de r Horizon t sic h wiede r au f West - un d Südeuropa . Sei t dem 16 . Jahr-hundert kann man bei den viel intensiveren Auslandsreisen über einen vierfachen Ho -rizont sprechen :

1. Grenznahes Reisen zeichnete sich durch eine sehr große Intensität aus, jedoch ist es in den Quellen nur sparsam belegt; es spielte sich in täglichen Kontakten des böhmi-schen mit dem benachbarten Adel ab.

50 Frantise k SMAHEL , Miroslav TRUC , Studie k dëjinâm University Karlov y v letech 1433-162 2 (Studie n zur Geschichte der Karls-Universität i n den Jahren 1433-1622) , in: Acta Universitatis Carolina e - Hi -storia Universitatis Carolinae Pragensis 4/2 (1963) S. 7-60; Frantisek SMAHEL , Regionälni pûvod, pro-fesionâlni uplatnën i a sociâlnî mobilita graduovanych studentû prazské univerzity v letech 1433-162 2 (Die regionale Herkunft , di e professionelle Betätigun g und di e soziale Mobilität de r graduierte n Stu -denten der Prager Universität in den Jahren 1433-1622), in: Zpräv y Archivu University Karlovy 4 (1982) S. 3-28; Frantisek KAVKA , Josef PETRÄN , Michal SVATO S (Hg.), Dëjiny University Karlovy (Geschicht e der Karls-Universität), Bd. I, Prag 1995 , S. 205-289 (mit der weiterführenden Literatur) .

51 Jaroslav PÂNEK , »Die niderlendische raiss« Peter Wok's von Rosenberg - ein e unbekannte böhmisch e Reisebeschreibung Rheinlands , de r Niederland e un d Englands , in : Jifî K. KOUP A (Hg.) , Septuagint a Paulo Spunar oblata, Prag 2000, S. 553-560. Vgl. auch die in den Anm. 9, 19, 24 und 30 zitierte Litera -tur.

52 Jose f DOSTÄL (Hg.), Cesty do Svaté zemë. Vybor ze starych ceskych cestopisû (Pilgerfahrten in das Hei-lige Land. Auswahl au s den alte n tschechische n Reisebeschreibungen) , Pra g 1948 , insbes. S. 243-248. Zur Pilgerstätte zwischen Böhmen und Jerusalem wurde auch das Rosenbergische Hospitz in Rom; vgl. Mathias PANGERL , Zur Geschichte des böhmischen Hospitals in Rom, in: Mitteilungen des Vereins fü r Geschichte de r Deutsche n i n Böhmen 1 2 (1874) S . 205-212; Frantisek MARES, Cesk y hospi c v Rim e (Böhmisches Hospitz in Rom), in: Casopis Musea Krâlovstvi ceského 64 (1890) S. 65-100.

Die böhmischen Adelsreisen und ih r Wandel vom Mittelalter zur Neuzei t 69

2. Der enger e mitteleuropäisch e Horizon t nah m da s ganz e Gebie t de r Habsbur -germonarchie, de s Reich s un d Polen s ei n (zwische n Straßburg , Berlin , Kraka u un d Innsbruck). In diesem Krei s bewegten sic h die böhmische Aristokrati e un d di e An -gehörigen des Ritterstandes ganz regelmäßig, bei einigen von ihnen ist sogar eine lan-ge Reihe solcher Reisen belegt .

3. Ei n breitere r europäische r Horizon t schlo ß auc h Nord - un d Mittelitalien , di e Schweiz, Frankreich, die Niederlande und Südostengland ein, sowie den östlichen Teil Polens und Litauens . In diesem von London , Rom und Warscha u bestimmte n Drei -eck bewegte sich nur ein kleinerer Teil der Adeligen, die spezifische politische , diplo-matische Ziele oder auch Studienziele verfolgten .

4. Da s Hinausgreife n übe r diese n übliche n europäische n Horizon t führt e nac h Süditalien und Malta, in das Osmanische Reich, nach Rußland oder über Venedig nach Palästina. Die Reisen in diese Richtungen bildeten jedoch einen kleinen Bruchteil de r gesamten Mobilität, aber ihres exotischen Charakters wegen sind sie relativ gut in den literarischen Quellen belegt .

Zusammenfassung: Die zwischen Mittelalter und früher Neuzeit eingetretenen Ver-änderungen i n Charakte r un d Nivea u de s Reisens i n den böhmische n Länder n sin d trotzdem deutlich , auc h wenn e s dazu stufenweis e gekomme n ist . Zweifellos verän -derte sich - dan k de r bessere n Organisatio n de s Nachrichtenwesens, de r Transport -mittel und der Unterkunftsmöglichkeiten - i m Laufe des 16 . Jahrhundej^wjesendid * die Infrastruktur de s Reisens. Obwohl uns keine statistischen Angaben zur Verfügun g stehen, kan n ma n doc h berechtigterweis e voraussetzen , da ß dies e verbesserte Infra -struktur di e Teilnahme eine r viel höheren Zah l der Adeligen a n Reisen ermöglichte . Von dem etwa einen Prozent de r Bevölkerung in den böhmischen Ländern , das dem Adel angehörte, beteiligten sich in der frühen Neuzei t an Reisen in absoluten Zahle n mehr Angehörige des Adels als vorher.

Der reisend e Adel , de r noc h i m späte n Mittelalte r i n bestimmte n Ma ß vo n de r Initiative des Herrschers abhängig war, lehnte auch in der ^rühen Neuzeit nicht die von der königlichen Dynastie kommenden Impulse ab, im allgemeinem handelte er jedoch selbständiger. Manche Adelige verhielten sich beim Reisen als autonome Subjekte und die vornehmsten Repräsentante n de r böhmische n un d mährische n Aristokrati e be -trieben im Zusammenhang mit ihrer europäischen Mobilität sogar eine eigene Außen-politik. Ähnlich wie im Mittelalter blie b auch in der Frühneuzeit da s Reisen ein akti-ver Fakto r de r zeitgenössische n Kulturrezeptio n un d de s Kulturtransfers , abe r mi t Hinsicht au f di e neuen Kommunikationsmöglichkeite n hatte n di e durch Reise n ge -wonnenen Erfahrungen eine n deutlicheren Einfluß au f die Herausbildung eines eige-nen Selbstbilde s un d zugleic h de s Bildes vom anderen . Diese Tatsache bracht e nich t nur positiv e Folgen , sonder n führt e auc h z u eine r verstärkte n Diskriminierun g de s Fremden, das heißt in der Konfessionalisierungszeit de s Andersgläubigen. Für ein bes-seres Welterkennen , breiter e geographisch e Horizont e un d fü r di e Verdichtung de r Kontakte mit dem Ausland zahlte die böhmische Gesellschaft a m Anfang des 17. Jahr-hunderts mi t eine r rasc h wachsende n konfessionell-politische n Polarisierung . Di e Rechnung fü r de n durch Reise n vermittelten Kosmopolitismu s un d zugleic h fü r di e konfessionelle Diskriminierun g mußt e di e böhmisch e un d mährisch e Adelsgesell -schaft i m Dreißigjährigen Krie g begleichen .