Beiträge zum Studium der Protoplasmahysteresis und der hysteretischen Vorgänge. (Zur Kausalität...

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Aus dem Institut fiir allg. Biologicu. exp.Morphologied. Karls-Universit~ in Prag. Vorstand: Prof. Dr. Vlad. Rh~idka.) Beitr~tge zum Studium der Protoplasmahysteresis und der hysteretischen Vorgitnge. (Zur Kausalititt des Alterns.) VIII. Versuche zur Theorie der vitalen-letalen F:~trbung und ihres Zusammenhanges mit den hysteretischen Vorg:,ingen. Von Dr. Erwin Bauer, Assistent am Institut. (Eingeganff.en am 24. Juli 1923.) Als vitale-letale Firbung kann eino Methodo bezeichnet werden, welehe einen Farbuntersehied zwisehen lebenden und toten Zellen anzeigt; also eine Firbung, gegeniiber welcher die Substanz der lebenden und toten Zellen sich verschieden verhilt. Die Bedeutung einer solehen i~r liegt darin, dag sic eventuell einen SchluB auf das Wesen des Unterschiedes zwisehen lebendem und totem Protoplasma, und auf gewisse wesentliehe Bedingungen des ZeUebens fiberhaupt gestattet. Im Jahre 1904/5 publizierte R~igka (Zeitsehr. f. allg. Physiol. Bd. 4, S. 1411, 1904; Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 107, S. 497, 1905; Zeitschr. I. wiss. Mikrosk. Bd. 22, S. 91, 1905) eine solehe Methode, welche auf der Tatsaehe beruht, dab die lebenden Zellen aus einem Gemisohe yon Neutralrot und Methylenblau aussehliel~lieh das Rot aufnehmen, sowie sie aber absterben, das Rot sehwindet und die Zellen sich blau firben. Dieses Ergebnis ist sti~ndig und gilt allgemein. Auf Grund ausgedehnter Versuehe und Erfahrungen kam R~gidka, dessen Befunde yon den verschiedensten Seiten bestitigt wurden, zum Sehlusse, dab die Rotf~rbung mit Neutr~lrot eine tats~chliche vitale Reaktion darstellt. Das heiBt, dab die rotgef~trbten Zellen infolge dieser FSrbung nJch~ absterben, dab also ihre Funktionen, die das Leben bedingen, un- gestSrt sind und hauptsichlich, dab diese ungest6rten Lebensfunktionen die Bedingung der gotfirbung darstellen. Dieser Umstand ist der wesentliehste. Wollen wir ni~mlich auf Grund der Fi~rbeerscheinungen irgendwelche Schliisse auf die Eigensehaften des lebenden Protoplasmas ziehen, so ist es unbedingt notwendig, dab diese Erseheinung tatsitch- lieh eine vitale Reaktion sei im angefiihrten Sinne. Dieser Umstand allein gestattet allerdings noch keine Schliisse auf die Eigenschaften des lebenden Plasmas, hierzu w~re es noch nStig, das Wesen des Fi~r- bungsprozesses zu kennen. Wenn wir das Wesen der einzelnen F~rbungs-

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Aus dem Institut fiir allg. Biologic u. exp. Morphologie d. Karls-Universit~ in Prag. Vorstand: Prof. Dr. Vlad. Rh~idka.)

Beitr~tge zum S tud ium der P r o t o p l a s m a h y s t e r e s i s und de r hys t e r e t i s chen Vorgi tnge . (Zur Kausa l i t i t t des Al terns . )

VIII. Versuche zur Theorie der vitalen-letalen F:~trbung und ihres Zusammenhanges mit den hysteretischen Vorg:,ingen.

V o n

Dr. Erwin Bauer, Ass is ten t a m I n s t i t u t .

(Eingeganff.en am 24. Juli 1923.)

Als vitale-letale Firbung kann eino Methodo bezeichnet werden, welehe einen Farbuntersehied zwisehen lebenden und toten Zellen anzeigt; also eine Firbung, gegeniiber welcher die Substanz der lebenden und toten Zellen sich verschieden verhilt. Die Bedeutung einer solehen i~r liegt darin, dag sic eventuell einen SchluB auf das Wesen des Unterschiedes zwisehen lebendem und totem Protoplasma, und auf gewisse wesentliehe Bedingungen des ZeUebens fiberhaupt gestattet.

Im Jahre 1904/5 publizierte R~igka (Zeitsehr. f. allg. Physiol. Bd. 4, S. 1411, 1904; Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 107, S. 497, 1905; Zeitschr. I. wiss. Mikrosk. Bd. 22, S. 91, 1905) eine solehe Methode, welche auf der Tatsaehe beruht, dab die lebenden Zellen aus einem Gemisohe yon Neutralrot und Methylenblau aussehliel~lieh das Rot aufnehmen, sowie sie aber absterben, das Rot sehwindet und die Zellen sich blau firben. Dieses Ergebnis ist sti~ndig und gilt allgemein. Auf Grund ausgedehnter Versuehe und Erfahrungen kam R~gidka, dessen Befunde yon den verschiedensten Seiten bestitigt wurden, zum Sehlusse, dab die Rotf~rbung mit Neutr~lrot eine tats~chliche vitale Reaktion darstellt. Das heiBt, dab die rotgef~trbten Zellen infolge dieser FSrbung nJch~ absterben, dab also ihre Funktionen, die das Leben bedingen, un- gestSrt sind und hauptsichlich, dab diese ungest6rten Lebensfunktionen die Bedingung der gotfirbung darstellen. Dieser Umstand ist der wesentliehste. Wollen wir ni~mlich auf Grund der Fi~rbeerscheinungen irgendwelche Schliisse auf die Eigensehaften des lebenden Protoplasmas ziehen, so ist es unbedingt notwendig, dab diese Erseheinung tatsitch- lieh eine vitale Reaktion sei im angefiihrten Sinne. Dieser Umstand allein gestattet allerdings noch keine Schliisse auf die Eigenschaften des lebenden Plasmas, hierzu w~re es noch nStig, das Wesen des Fi~r- bungsprozesses zu kennen. Wenn wir das Wesen der einzelnen F~rbungs-

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vorgt~nge kennen wiirden, so wiiBten wir, welche Eigenschaften das Plasma besitzen mul3 um sieh rot zu fttrben, welehe es also im Leben besitzt, und welehe Eigensehaften es verliert, wenn es abst irbt und sich blau f~rbt.

Die Theorie der Farbungsvorgi~nge ist zwar noch nieht soweit fort- geschritten, daft sic auf diese Fragen eine allgemeine Antwort geben k51mte, aber wit kennen doch schon einige Hauptbedingungen, die erfiillt sein mfissen, damit gewisse Farben unter dem Mikroskop sicht- bar werden. Auf Grund dieser Kermtnisse haben wir eine gewisse beschri~nkte Anzahl yon Eigenschaften des Plasmas zur Auswahl, yon denen wir wissen, dab die vitale-letale F~trbung auf ihrer Anderung beruhen kann. Die Auswahl wird uns durch die Kenntnis gewisser J(nderungen des Plasmazustandes beim ~bergange zum Tode erleieh- tert. Beruht niimlich der Verlust der. Farbe bzw. die verschiedene Ft~rbung auf dieser J~nderung des Zustandes, so mul3 der F~rbungs- vorgang ebenfalls auf denjenigen Bedingungen beruhen, welehe durch diese Zustands~tnderung sich ~ndern, was aueh experimentell in vitro kontrollierbar ist.

Um eine solehe experimentelle Kontrolle in diesem Sinne vorzu- nehmen, wollen wir aus den ~ISglichkeiten, die uns die F~trbetheorie bietet, auf Grund der bekazmten Zustands~nderungen des Plasmas eine Auswahl treffen.

Naehdem es sieh bei der vitalen-letalen Fhrbung nach Ra~.idka um das Erseheinen einer vorher unsiehtbar~n Farbe beim Absterben (blau) und um das Verschwinden einer im Leben siehtbaren Farbe (rot). handelt, soll vor allem auf einen Umstand aufmerksam gemacht werden, welcher vielleicht zwar bekamlt ist, jedoch oft vergessen und nie erw~hnt wird und welcher h~ufig d~zu fiihrte, dal3 die F~rbevorg~nge unrichtig ge- deutet wurden. Dieser Umstand ist der folgende : die in L6sung befind- lichen Farben kSnnen bei den gew6hnlichen Konzentrat ionen in den Zellen unter dem Mikroskope in der in Betracht kommenden Schicht- dicke iiberhaupt nieht gesehen werden, wobei es gleiehgiiltig ist, ob diese Farben molekular oder kolloid gelSst sind. DieSer Umstand er- kli~rt sich dadurch, dal3 die Schichten der FarblSsungen so dtirm sind, dab die gelSsten Farbstoffe im durchfallenden Lichte nieht die genfigende Absorptionsf~higkeit besitzen. DaB dem tats~tchlieh so ist, das k6nnen wit dutch einen sehr einfachen Versueh zeigen: geben wir einen Tropfen e iner FarblSsung auf den Objekttr~ger und decken denselben mit einem Deekglas zu, so erkennen wir die Farbe dieser Sehieht im auffallenden Lichte, z. B. auf weil3em Grunde, geben wit aber dieses ~)Pr~parat(( unter das ~ikroskop, so erkermen wir im durehfallenden Lichte ent- weder iiberhaupt keine Farbe, o d e r n u r in einer so geringen Intensit~t, .welehe derjenigen der gef~rbten Pr~parate aueh entfernt nieht nahe

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kommt. Wenn wir uns vor Augen halten, dab diesc Sehicht noch immer unvergleichlich dicker ist als die Dimensionen dcr grSl]eren Zellen, Protisten u. a., welche sich in dieser Schicht noch frei bewegen, so ist es klar, daB, wenn wir irgendwelche Zellteile im Mikroskope gefitrbt sehen, diesc Fhrbung nicht yon ether Farbe in gel6stem Zustande her- s tammen kann. Diese Tatsachc ist auch in vollem Einklange rait den, durch die F~irbetheorie gegebencn M6glichkeiten: 1. Die gel6stc Farbe bilde~ rail den gefSrbten Plasmateilen einc unl6sliche farbigc Vcrbin- dung; 2. die gelSste Furbe wird an der OberflSche der gef:,trbten Teile ausgefiillt; 3. die ]~arbe adsorbiert sieh an der OberflSche der gefSrbteu Teile und bilde~ dort eine stark konzentrierte Schicht. Allc drei M6g- lichkeiten besagen also, dal~ die Farbe, wclche sich an dcr FSrbung dcr Plasmateile beteiligt, aus der Farbl6sung verschwindet und sieh in den einzelnen gefitrbten Plasmateilen anh~tuft, wodurch diese Tcilchcn gc- fi~rbt erschcinen.

Obwohl also der Satz, dub die gel6sten Farben unter dem Mil~roskopc n icht sichtbar sind - - wic aus dem Angcfiihrten crsichtlich - - in vollem Einklange mit den Theorien des Fhrbevorgangcs steht, treffcn wir doch h~iufig auf Sehlfisse, welchc den Fchlcr bcsitzen, dal~ sic diesen Umstand nicht in Betracht zogen. Einer der wichtigsten dcrartigcn Schlfisse ist z. B. dcrjcnige, daft die Farben, welche nach der Injekt ion ill (tell Organismus in den Zellcn nicht sichtbar sind, in dicsc nicht cindrangcn. Auf Grund dessen wurde dann wetter auf die versehiedenc DurchlSssig- keit dicscr Zellcn und auf die Existcnz you Zclhnembranen, sowic auf die physikalische und chemischc Eigcnsehaft dieser letzteren geschlossen (Ovzrtonsche Theorie usw.). DaB dicse Schliisse nicht immcr stich- haltig sind, ist klar, denn die Farben kSnnen in die Zellen eindringen, ohne sichtbar zu werden, tI ierzu ist auch noch nStig, d~B dicse Farbell sich adsorbieren, ausflocken, oder ehemiseh gebunden werden. Auch der Umstand, dab gewisse Farben, gewisse Zellen nur wShrcnd des Lebens, andere wieder nur nach dem Absterben dersclbcn fSrben, wurdc oft damit crklSr~, dal~ die Durchl~tssigkeit der angcnommencn Membran sich naeh dem Tode :,Lndcr~.

Diese Theorien der vitalcn-letalen ]t'Srbung brauchen wir allerdings bet unserer Auswahl nicht in Betracht zu zichen, da sic auf nicht zwingcn- den Sehlfissen beruhcn und wit keine derartige Anderung des Plasmas nach dem Tode kennen, welche fflr eine J~nderung der Durchlitssigkcit sprechen wiirde.

Diese M6gliehkeit ether vcrschicdcncn DurchlSssigkcit hat schon R~i~ka in seiner Arbeit (1905) ausgesehlossen, und zwar auf Grund des Umstandes, dab die Unterschiede in dcm Molekulargewichte beider Farbstoffe sehr gering sind (Neutralrot: 252,32; Methyleublau: 284,36), sowie auf Grund seiner Beobachtungen, welche, wie ]~)'i~ka sclbst

Archly f. mikr. Anat . u. En twickhmgsmcchan ik Bd. 101. 34

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hervorhebt, nur durch die Annahme erkl5rbar sind, dab das Methylen- blau schon w~hrend des Lebens der Zelle iu derselben enthalten war, abet in unsichtbarer Form. Diese Unsichtbarkei t kbnnen wir verstehen, wenn wir uns das ebcn Angcffihrte fiber die Unsichtbarkei t der Farb- 16sungen im durchfallenden Lichte vor Augen halten. Das Methylen- blau war in der Zelle nicht sichtbar, d~ es gel6st blieb. Es brauchte sich abet nicht gehndert zu haben.

Wir wollen uns jetzt den _Anderungen zuwenden, welche beim Ab- sterben dcs Protoplasmas in demselben stattfinden, um zu sehen, ob dieselben es gestatten, unsere Frage: welche der oben angeftihrten M6glichkeiten es bedingt, dab die wiihrend des Lebens sichtbare Farbe nach dem Tode verschwindet, zu entscheiden.

Die erste M6glichkeit, dab die Farbstoffe ,nit den gcfiirbten Teilen des Protoplasmas in chemische Verbindungeu eintreten, setzt voraus, dab die chemische Zusammensetzung des Plasmas beim Absterben sieh 5ndert. Diese Voraussetzung kann aber in keiner Weise experimente]l kontrolliert werden. Eine chemische Analyse des lcbenden Plasmas ist~ unm6glich. Eine versehiedcne Reaktionsf/ihigkeit kann aber auch ohne die Annahme irgcndeiner J~nderung der chemischer• Zusammen- setzung erkl/irt werden. So erwtthnt z. B. O. L6w (Chemiker-Zeitg. Nr. 68, 1920), dab das Absterben der Zellen keineswcgs eine chemische Zersetzung der Substanzen bedeutet, sondern nur den [~berg~ng in eine stabilere Form. Die chemische Energie und dig Affinit~it der Ver- bindungen kbnnen sich ohne eine Anderung der St ruktur ~ndern. 33e- sonders die Koagulation, die bei jedem Absterben stattfindet, mul~ nicht mit einer chemischen _~nderung einhergehen. O. L6w stellt sich vor, dab der labile Zustand und die gr6gere l~eaktionsf~higkeit des lebenden Plasmas auf gewissen iu den EiweiBmolek(ilcn enthaltenen Gruppen beruht und mcint, dab es sich am ehesten urn Aldehydgruppeu handcln k6nnte. So ftihrt er z. B. ~ls Sttitze seiner Ansicht an, da[~ das Asparagindi~ldehyd, welches scincr Ansicht nach cinen Baustein des lebenden Plasmas darstellt, nach der Methode R ~ i 5 k a s ebenfalls eine rote I~eaktion gibt. Die .Anderung der chemischen Affinit:~tt setzt aber andere physikalisch-chemisehe ~;tnderungen voraus, wie dies ~uch L6w annimmt. Physikalisch-chemische Anderungen, die einen solchen W~ndel der chemischen Affiniti~t bedingen k6nnten und die beim Absterben immer stattfinden, sind fiun t~tsi~chlich bekannt.

Die chemische Affinitiit der Substanzen ist yon der elektrolytischen Dissoziationsf~higkeit und yon dem Grade derselben abh~ingig. Die Eiweil3kbrper des Plasmas besitzen auch Dissoziationsf~higkeit und verllalten sich wie Ampholyte. Der Grad dieser Dissoziation ~ndert sich aber mi t dem Alter und beim Absterben und zwar in dcr Weise, dab beim Absterben die Konzentrat ion der Anionen und Kat ionen sich

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ausgleicht, was den Verlust der elektri:ehen Ladung der Kolloidc zur Folge hat. Nhhere Angaben fiber diese J/Lnderungen des Plasmas und beim Absterben, die R ~ i ~ k a als ~)Pr(:,rc.i:,lasmahysterese(( bezeichnete, finden sich in den Arbeiten R~2~ie!'ka,,. Eine thermodynamischc Ab- leitung derselben aus meinen Prinzipie~t versuchtc ich in einer anderen Arbeit zu geben (Die physikalischen Voraussetzungen der hysteretisehen Ver~nderungen. Dicses Heft S. 483).

Als wir fiber diesen Gegenstand systematisch zu arbeiten begannen, tauchte auch dic Frage auf, ob die vitale-ietale FSrbung Rh,+idkas sich nicht auch mit Hilfe der Protoplasmahystercse crkl:~trcn litl3t, wcml wir - - wenigstens in diesem Falle - - vorausse*:zen, dab der FSrbevorgang im wesentlichen auf Adsorption und Ausflockung des Farbstoffcs bc- ruht. Entgegengesetzt geladene Kolloide f~llen sieh aus; die Plasma- kolloide besitzen cinc ncgative Ladung. demnach mfi6ten das Neutral- rot und das 5~[ethylenblau beide eine positive Ladung besitzen. Hiervon fiberzeugten wit uns dutch den fo]gende,:~ einfachen Versuch: in fiinf l~eagenzglSser gaben wir Neutralrot , in weiterc ffinf die gleiche Mcnge ~[ethylenblau. I n beide Reihen wird der Reihenfolgc nach ~/,,, l/s, 1/~, 1/2 1 ]~[enge der FarblSsung irgendeirer elektropositiven LSsung, z. B. Ferrum oxyda tum dialysatum zugegeben. Ausflockung t r i t t in keinem der Reagenzglitser wcder in der Rot- noch in der Blaurcihc tin. Fiihren wir aber denselben Versu,:h mit irgendeiner elektronega- riven LSsung, z. B. mit Mastix aus, so erha~.ten wir in beidcn Reihen, je nach der Konzentrat ion, yon gewissen Reagcnzgl:,isern angefangcn eine Ausflockung. Beide Farbstoffe habea ,a l so tatsSchlich eine positive Ladung und falls sie in das Plasma gera• so kSnnen sic dort durch das negativ geladene Plasma ausgefloek~ werden. Die Bcdingungen der Ausflockung sind aber bci den bciden Farbstoffen nicht dicsclbcn; dies ist auch aus dcm angeffihrten Versuc}m zu crschen, in dem es sich zeigt, dab zur Ausflockung des Neutralrotcs eine gcringcre Menge dcr elektronegativen LSsung nStig ist, als zur Ausflockung des Methylen- blaues. Dies bcdcutct, dab obzwar bcide cinc positivc Ladung besitzen, ein quant i ta t iver Unterschied im Potentiale besteht, und zwar in dem Sinne, daI~ das Potent ial beira 5~[ethylenblau ein grSl3eres ist, es also eincr grSlteren Energie bedarf, wenn das Mcthylenblau entladen wet- den soll.

Zu demselben Ergebnis ffihrt auch dcr Ausflockungsversuch im alkalischen 5~Iedium. Da beide LSsungen elektropositiv sind, miisscn beide in alkalischem Medium ausflocken, und zwar muB n a c h dem Obigen day Neutralrot schon bei einer OI t ' -Konzent ra t ion ausfloeken, bei welcher das 5'[ethylenblau noch nieht ausflockt. Stellen wir uns eine Reihe yon ]~cagenzglhsern mit :PufferlSsungcn verschicdcncr t t ' -Konzent ra t ion auf (Ptl = 5,3--7,6) und f(igen in jcdes eine kleine

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Mengc der Farbstoffe hinzu, so sehen wit, dal3 in der saueren Reihe keiner der beiden Farbstoffe ausgefloekt wird, wahrend in der alkali- sehen /~eihe das 2geutralrot bei schon lax, -:- 7,3, das Methylenblau dagegen erst bei einem viel hSheren Alkalittttsgrade ausflockt.

Auf Grund dieser Tatsachen kSnnte das Ergebnis der vitalen-letalen Fitrbung wie folgt erkl~trt werden: bei der Ft~rbung dringen beide Farb- stoffe in die lebende Zelle ein; da das Neutralrot eine geringere Ladung besitzt, wird es an den starker ncgativ geladenen Plasmateilehen aus- gefgllt, welche hierdurch rot gefhrbt erseheinen. Beim Absterben ver- liert aber das Plasma seine Ladung unct das Neutralrot geht wieder in L6sung, an seiner 8telle konzentriert sich dann, wie fiberall an den Grenzflaehen, das Methy]enblau.

Diese Erklgrung enthhlt aber noch drei unbewiescne Voraus- setzungen:

]. DaB das clektroncgative Kolloid in der 5~[isehung yon 2~'eutral- rot u n d Methylenblau tatsgehlich den geringer geladenen Farbstoff, also das /~ot bevorzugt;

2. dab das Rot sich tatsgchlieh wieder 15st, wenn die negative La- dung verschwindet;

3. daB, falls keine Ladung vorhanden ist, sich das Methylenblau an den Grenzf]gchen anhguft.

Diese drei Voraussetzungen kSnnen aber an einfaehen ~Iodell- versuehen besthtigt werden:

ad 1. Wenn wir zu einer feinen Tierkohlencmulsion, die bekanntlieh eine negative Ladung besitzt, eine Mischung yon Neutralrot und ~[e- thylenblau zugeben, so adsorbiert sich zuerst alas Rot. Dies ersehen wir daraus, dab wenn wir nach einer kurzen Weile abfiltrieren, das Filtrat einen blauen Ton hat. Der rote Ton verschwand aus dem Filtrate, zum Zeichen, daI3 der rote Farbstoff sich adsorbierte. Lassen wir das Gemisch lgngere Zeit stehen, so ist das Filtrat farblos, es sehwin- det dann also aueh das ]31au, es wird also ebenfalls adsorbiert, aber spgter, das Rot wird also tats~tchlieh bevorzugt. Dieselbe F, rscheinung kann anch so beobachtet werden, dal~ wir auf einem Objekttri~ger einen Tropfen der Tierkohlenemulsion mit dem Farbengemisctl zusammen- bringen, dann sehen wit auf einem weil~en Untergrunde, da~ aus dem Tropfen dcr rote Ton zuerst sehwindet~).

1) Dieselbe Erscheinung kann oft auch bei der Anfertigung von Pr~paraten lebender Objekte, z. B. in Tropfen yon Infusoricnaufgfissen, die auf die trockene Farbschioht nach meiner Methode gebracht worden sind, beobaehtet werden. Hat sich in dem Tropfen die Farbsehieht aufgel6st, so kann man regelm$1~ig konstatieren, dab die Farbl5sung rein blau gef~irbt ist, obwohl beide Farbstoffe in ihr gelSsg waren, jedenfalls, well der rote sofort yon den Infusorien adsor- biert wird.

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ad2 . Geben wir in den vorangehenden Versuchen zur Koblen- emulsion etwas SSure, so sehen wir die rote t~arbe im Fi l t ra te bzw. im Tropfen w i d e r erseheinen. Das heigt das Ro t geht tatsSchlieh wicder in l,Ssung.

ad 3. I s t keine Ladung an den GrenzflSehen vorhanden, so ist die Zellfliissigkeit alkaliseh, die Alkalitiit n immt mi t dem Altar und mit der Steigerung der Protoplasmahysterese zu, im alkalisehen Medimn wird abet aus dem Gemiseh ein grfinblauer Niederschlag yen dem- selben Tone ausgef5llt, wie wir ihn in den absterbenden Zellen (besonders im Beginne des Verganges) unter dem Mikroskop beobaehten. Dieser wird dann siehtbar.

Dieser Erkliirungsversueh soll nattirlieh keincswegs die Bedeutung eventueller ehemischer VorgSnge (insbesondere aueh von 0xydat ionen und Reduktionen) bei der Erseheinung der vitalen-letalen I~Srbung in Abrede stellen, da j a die Wirksamkei t derselben bei der technischen Flit- bung versehiedener Fttden erwiesen ist, or soll nur zcigen, dall die phy- sikaliseh-ehemisehen J~nderungen des absterbenden Plasmas, die uns die Protoplasmahysterese kennen lernte, zum VerstSndnis auch dieser Erseheinung beizutragen vermSgen.