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XXX. Besprechungen. I. Ein Beitrag zur Behandlung der Synovitis hyperplastica granulosa mittelst Carbolinjeetionen. Von Dr. Joh. Schmidt. Greifswald 1875. Als Erwiderung auf die in der Strassburger Dissertation von KnSry, sowie in der Bonner yon Die trich enthaltenen Veriiffentlichungen fiber die Resultato der Carbolinjectionen bet , fung(isen" Gelenkentztindungen (Synov. hyperpl, granulosa) theilt S c h mid t in seiner Dissertation unter dam obigen Titel sechs Falle mit~ bet welchen durchgehends gute Erfolge mit der genannten Behandlung erzie[t wurden. Dieselben wurden zufallig zu glei- cher Zeit in der Klinik behandelt. In einer vorausgeschickten kritisehen Besprechung der beiden genann- ten Dissertationen wendet sich Verf. gegen (tie ungiinstige Beurtheilung, welche besonders in tier Strassburger Dissertation den Carbolinjectionen zu Theil geworden ist. Er liefert in ether eingehenden Betrachtung der einzelnen F~tlle den Nachweis, dass in diesen selber eine Berechtigung zu dem absprechenden Urtheile nicht gegeben ist. Denn einmal seien noto- risch eini~e Besserungen und eine Heilung nach den Carbolinjectionen eingetreten, andererseits aber mehrere augenscheinlich ungeeignete Fiille (eiterige Ge[enkentziindungen) der Injectionsbehandlung unterworfen wor- den. Auf die vorhandene F~iterung kann begreiflich die hljectionsbehand- lung keinen Einfiuss haben und hat Hueter selber keineswegs die cite- rigen Gelenkentztindungen als geeignet fiir die Behandlung mit Carbolin- jectionen angegeben. -- Endlich macht Schm id t darauf aufmerksam~ dass in einer Anzahl yon Fallen die Injecti0nen eine Zeit lang (wi~hrend der Ferien) in wenig zweckentsprechender Weise dutch einen Gypsverband er- setzt worden seien. Die nach Entfernung des Verbandes beobachtete Ver- schlimmerung kann unmiiglich den Carbolinjeetionen zugeschrieben werden. iNaeh alledem ergibt sieh aus den angeftihrten Fallen in Wirklichkeit nichts, was gegen die Carbolinjectionen spricht. -- Aus den Bonner Ver- suehen mit Carbolinjectionen, welche tibrigens nur bet 3 Patienten gemacht wurden, hat sieh wenigstens das herausgestellt, dass die Injectionen keinen Schaden brachten. In einem Falle trat tiberdies eine Besserung ein.

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XXX.

Besprechungen.

I.

Ein Beitrag zur Behandlung der Synovitis hyperplastica granulosa mittelst Carbolinjeetionen. Von Dr. Joh. Schmid t . Greifswald 1875.

Als Erwiderung auf die in der Strassburger Dissertation von KnSry , sowie in der Bonner yon Die t r i ch enthaltenen Veriiffentlichungen fiber die Resultato der Carbolinjectionen bet , fung(isen" Gelenkentztindungen (Synov. hyperpl, granulosa) theilt S c h mid t in seiner Dissertation unter dam obigen Titel s e c h s Falle mit~ bet welchen durchgehends gute Erfolge mit der genannten Behandlung erzie[t wurden. Dieselben wurden zufallig zu glei- cher Zeit in der Klinik behandelt.

In einer vorausgeschickten kritisehen Besprechung der beiden genann- ten Dissertationen wendet sich Verf. gegen (tie ungiinstige Beurtheilung, welche besonders in tier Strassburger Dissertation den Carbolinjectionen zu Theil geworden ist. Er liefert in ether eingehenden Betrachtung der einzelnen F~tlle den Nachweis, dass in diesen selber eine Berechtigung zu dem absprechenden Urtheile nicht gegeben ist. Denn einmal seien noto- risch eini~e Besserungen und eine Heilung nach den Carbolinjectionen eingetreten, andererseits aber mehrere augenscheinlich ungeeignete Fiille (eiterige Ge[enkentziindungen) der Injectionsbehandlung unterworfen wor- den. Auf die vorhandene F~iterung kann begreiflich die hljectionsbehand- lung keinen Einfiuss haben und hat H u e t e r selber keineswegs die cite- rigen Gelenkentztindungen als geeignet fiir die Behandlung mit Carbolin- jectionen angegeben. - - Endlich macht Schm id t darauf aufmerksam~ dass in einer Anzahl yon Fallen die Injecti0nen eine Zeit lang (wi~hrend der Ferien) in wenig zweckentsprechender Weise dutch einen Gypsverband er- setzt worden seien. Die nach Entfernung des Verbandes beobachtete Ver- schlimmerung kann unmiiglich den Carbolinjeetionen zugeschrieben werden. iNaeh alledem ergibt sieh aus den angeftihrten Fallen in Wirklichkeit nichts, was gegen die Carbolinjectionen spricht. - - Aus den Bonner Ver- suehen mit Carbolinjectionen, welche tibrigens nur bet 3 Patienten gemacht wurden, hat sieh wenigstens das herausgestellt, dass die Injectionen keinen Schaden brachten. In einem Falle trat tiberdies eine Besserung ein.

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Die t~ F~IIe der Greifswalder Klinik betreffen zu dreien das ttiiftge- lenk, zu dreien das Kniegelenk. Von der ersten Gruppe litt der eine Patient, ein 16jahriger Junge zugleich an Lungencavernen. Gleichwoh[ wurde die Coxitis dureh 3 Monate fortgesetzte Injectionen so erheblich ge- bessert, dass Patient entlassen werden konnte. Im zweiten Falle bet einem llj~thrigen Jungen mit betr~tchtlicher Sehwellung, Gehbehinderung, hef- tigen Schmerzen im rechten Hfiftgelenk vermochte Patient naeh 20 In- jeetionen wieder am Stoeke umherzugehen. Der dritte Fall von Coxitis bet einem neunj~thrigeu M~tdchen mit gleichen StSrungen wie der vorher- gehende wurde nach dreimonatlicher injeetionsbehandlung vollkommen geh- fiihig und geheilt entlassen. - - Von der zweiten Gruppe hatte der eine Patient, ein .23j~thriger Knecht in Folge eines Traumas seit 5 Jahren eine chronische granulirende Gelenkentziindung acquirirt. Vollstii, ndige Bewe- gungslosigkeit, starke Schwellung nnd Schmerzen. Nach 21/u Monateu Hei- lung dureh Carbolinjectionen. Der zweite Patient, cin 23j~thriger Weber, mit eiuer alien granulSseu Gelenkentztindung des rechten Knies, welche sehon einmal zur Eiterung geffihrt hatte, wurde dutch 7 Monate fortge- setzte Injectioncn geheilt, so dass er wieder am Stoeke geheu konnte. Der dritte Fall betraf ein vierj~hriges M~tdchen mit starker Synov. hyperpl. granul, des rechten Knies. Nach viermonatlieher Behandlung mit Carbol- injectionen (du,'ch ei~en gefensterten Gypsverbaud) trat lteilung ein.

hi allen diesell F~t/IeH waren vorher anderweitig verschiedene Behand- lungsweiseu erfolglos versucht worden. - - Die CarbolsSure wirkt wesent- lich exacter ul,d milder wie die Jodtinctur. Die Jodinjectioneu sind nach S e h m i d t bet der Synov. hyperl)l, granulosa zu verwerfen, dagegen die Carbolinjeetionen vorzuziehen. Dieselben wirken nicht blos aniisthesirend, sondern auch entziindmlgswidrig.

S c h m i d t findet, dass weder auf der Strassburger noch auf der Bon- net t,:linik die 1)asseudsteu F~tlle zur Priifung der intraarticuliiren Carbol- inje('tio~ gewiihlt worden stud. Die Behandlung auf der Strassburger Klinik ist ~ficht mit tier niithigen Ausdaucr und nicht mit der Beriicksichtigung' der Complicationei~ (bet o~teomyelitschen IIerden intraosseale lnjeetionen!) durchgef(thrt worden. Fiir nieht exsudative Gelenkentziindungeu stud, wie die Greifswaldr F~tlle zeigen, die Carbolinjeetionen yon vorztiglichem Werthe; ob auch bet del~ exsudativen Formen, l/isst sich zur Zcit noch nicht entscheiden. Dr. S c h it I 1 e r.

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U n t e r s u c h u n g e n t iber p a t h o l o g i s c h e B i n d e g e w e b s - und Ge- f ~ t s sne ub i l dung . Von Dr. ErHst Z i e g l e r . (Wtirzburg, Verlag der J. Staudinger'schen Buchhandiung 1876.)

Unsere bis jetzt gangbaren Anschauungen iiber die Histogenese neu- gebildeten Bindegewebes und neugebildeter Oef~tsse sind das Resultat viel- facher experimenteller Untersuehungen hauptsiichlieh in der Weise ange- stellt, dass Thieren Wundcn angclegt und successive in den verschiedel~en

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Zeitriiumen der Verheilung die neugebildeten Granulationen, oder die Narbe an feinen Schnitten untersucht wurden. Von der Ueberzeugung ausgehend, dass jedes neugebildete Bindegewebe sammt Gefitssen vorztlglich ein Pro- duct aus den Gefitssen ausgewanderter, farbloser Blutkfrperchen set, hat Verf. von ether Beobachtung R i n d f l e i s c h ' s , dass sich Wanderzellen haufig in den Poren eines in die Leibesh/ihle von Thieren eingelegten Kork- stiickchens vorfinden, eine h~ichst sinnreiche hnwendung gemaeht, um auf eine neue und mehr directe Weise die Umwandlung der Wanderzellen zu Bindegewebe und Gef'ttssen beobaehten zu k(innen. Durch Zusammenkit- tung zweiet; dfinnen, kleinen Glaspl/ittehen in /iusserst geringer Entfernung von einander wurde ein durchsichtiger, capillarer Raum gebildet~ derartige Pliittchen Hunden unter die Haut gebracht, letztere fiber den Plii.ttchen vern/iht und dieselben verschiedene Zeit lang liegen gelassen. In diesen capillaren Raum wandern nach Verf. Angaben die farblosen Biutzellen ein und machen verschiedene gewebs- und gef/issbildende Ver/inderungen durch~ welche vom 25. bis 70. Tage untersucht den Hauptinhalt vorstehender Ab- handlung bilden.

Die Wandlungen, welche zwischen den Glaspl/ittchen an den farblosen ZeUen vom 1. bis 25. Tage sich vollziehen, finden sich in einer frilheren Arbeit 1) des Verf., an welche die vorliegende sich eng anschliesst, ein- gehend beschrieben. Es hatte sich dort das auffallende Resultat ergeben, dass man neben unver/inderten~ farblosen Blutzellen grSssere~ einkernige, epithelioide und noch griissere mehrkernige Riesenzellen findet. Die Kerne beider Arten sind gr(isser als die der Wanderzellell~ das Protoplasma star- ker gek(irnt. Sp~ter zwischen dem 30. und 50. Tage soll man in gelun- genen Priiparaten die farblosen BlutkSrperchen als solche gar nicht mehr finden, sondern nur zellige Elemente, welche die Charaktere von epithe- lioiden und Riesenzellen an sich tragen.

Da es unm~iglich ist, auf die Beschreibung der einzelnen Priiparate, die Verf. in Begleitung yon zahlreichen Abbildungen vorftihrt, n/iher ein- zugehen, so miissen wir uns begntigen unter Hinweis auf das Original die yon dem Verf. aus den Praparaten gezogenen Schltisse wiederzugeben.

,Bald nach ihrer Einwanderung in den capillaren Raum, der yon Er- nahrungsfltissigkeit umspiilt ist, vergrOssert sich ein Thei[ der Zellen auf Kosten der benachbarten, indem sie deren Protoplasma sich aneignen, wer- den sie kiirniger, und zeigen einen oder mehrere grosse bl/ischenfSrmige Kerne mit Kernkiirperchen. Diese grossen Zellen sind anfangs rund, sp/iter nehmen sie verschiedeno Formen an~ die erstgebildeten werden keulen-, spindel- und sternfOrmig und schicken lange Forts/itze aus~ die sich netz- fSrmig mit einander verbinden. Zwischen diesen ersten Gewebsanlagen bilden sich immer neue grosse Zellen durch Wachsthum einzelner kleiner. Nach einiger Zeit erscheinen Gef/isse und zwar soweit erkennbar an Stelle des urspriinglichen Zellnetzes. Diese Gef/isse vermehren sich wahrschein- Itch dutch Kanalisation der Zellsprossen~ wenigstens findet man dieselben hiiufig mit den Gefassen in Verbindung oder sieht fret endende Sprossen an den Gefasswiinden. Mittlerweile nimmt die Zahl der grossen ein- und

1) Experimentelle Untersuchungen tiber die Herkunft der Tuberkelelemente m~t besonderer Berticksichtigung der Histogenese der Riesenzellen.

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mehrkernigen Zellen immer mehr zu, so dass sie dicht an einander zu liegen kommen, die kleinen nehmen immer mehr ab und verschwinden and- lich ganz. Die grossen Zellen verbinden sich mit einander dutch Fort- siitze, wiihrend zwischen sie neue sich einschieben. Aus den dieht bei- sammen liegenden Zellen bildet sich alsdann homogene oder fascrige Zwischensubstanz. Letztere entsteht einfach durch eine Differenzirung im Protoplasma der Zelle~, am deutlichsten tritt dies innerhalb der sogenann- ten Riesenzellen hervor, bei welchen es durch diese Differenzirung secundiir zu Bildung einkerniger durch Zwischensubstanz getrennter Zellen kommt.

Um aus dieser Art der Gewebsbildung auf die aus Granulationen sich entwickelnde schliessen zu kSnnen, mussten an normalen Granulationen Vergleiche angestelit werden. Z i e g l e r uutersuchte zu diesem Zwecke die Grauulationell, welche an der Innenfi~tche der bindegewebigen Kapseln um die Pli~ttchen herum sich gebildct batten. Es gelaug ibm an diesen be- sonders in den tieferen Schichten derselben nicht nur das Vorkommen grosser ein- und mehrkerniger Zeilen, die stellenweise vSllig die kleinen farblosen verdritngt hatte~, sonderu auch fast ganz dieselbe Art des Auf- baues yon Bindegewebe und Gefitssen aus denselben naehzuweisen. Auch bier werden die kleinen lymphatischen Rundzellen zu gr~isseren~ runden, stert~- und spitldelfSrmigen ,Bildungszellen", aus welchen sich einerseits GefiissanlageJl in Form solider sich unter einander und mit Gefiissen ver- bindender Zellsprosscn, welche sp~tter hohl werden, andererseits fibrilliires Bindegewebe dutch Umwandlung des Zeliprotoplasma in Fibrillen ent- wickeln. Bei letzterem Process wird ein grosser Theil des Protoplasmas aufg'ebraucht, der Rest persistirt als tixe Zelle; entspreehend diesen einge- lagerten Zellen bleiben die Fibrillenbtindel getrennt und entsteht so im 5Iarbel~gewebe eine Reihe yon Spalten als Gewebs[iicken (Saftkanalsystem). Die aus den einzehlen Zellen und deren Si)rossen hervorgegangenen Ge- fasse crhalten spiiter eine adventitielle Umscheidung von Seiten der Zellen des Grtmdgewebes.

l)as wesentlich neue und von vielen t'riiheren Forschern abweichende Ergeblliss, der auf diesem experimentellen Wege verfolgten Untersuchungen bezieht sich demnach auf die Wandhmgeu der Wanderzellen, wclche die- selben eingehen um zu Bindegewebe einerseits, zu Gefiissen andererseits verbraucht zu werden. Es sollen die WanderzelIen als solche nicht direct Bindegewebe und Gefiisse bilden~ sondern dieselbeu durchlaufen zuerst eine Durchgangsstufe dadurch, dass mehrere kleinere Zellen zu ein- oder mehr- kernigen grSsseren , Bildungszellen" verschmelzen. Nur letztere sind das Material, aus welchem sich~ falls (tie Umst/tnde gtinstig sind, d. h. wenn eine rechtzeitige und ausgiebige Vascularisation eintritt, das bTarbengewebe (Bindegewebe) aufbaut. Alle neu hinzukommenden Wanderzellen werden entweder zu Bildungszeilen umgewandelt, oder kehren in die cireulirenden S~tfte zuriick. Die Gef/tssueubildung ist in den Pllittchenpr~tparaten und nach den soustigen Untersuehungsobjecten Z i e g l e r ' s vorherrschend durch Zellsprossen zu Stande gekommeu; letztere, die theilweise yon den die Ge- fiisse coi~stituirenden Zellen, theils yon den die Gefi~sse umgebenden Bil- dm~gszellen ausgeheu, verbinden sich antereinander und werden, indem dieselben hohl werden, zu Gefiissen. Die GefSssbildung ist demnach eine i n t r a c e I l u l i t r e . Obwohl der stricte b~achweis, dass die Zellsprossen

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hohl werden, iiusserst schwer gegeben werden kann, so halt Verf. diese Art der Gefassvermohrung dennoeh besondcrs aus dem Umstande fiir die in Granulationen vorherrschende, well sich derartige Sprossen vielfach mit Gefltssen verbinden. Verf. sehliesst jedoch auch eine i n t e r e e l l u l i i r e Gef~tssbildung nieht ganz aus, wenn er aueh die rein mechanisehe vom Blutdruek abhiingige Ursache derselben nicht anerkennt.

Van ganz besonderem Interesse sind schliesslieh Z ieg ler ' s Anschauun- gen fiber die sogenannten localen tuberculiisen Entztindungen und iiber die anatomische Bedeutung der Tuberkel iiberhaupt. Es sind ja bekanntlich die fungiisen (tubereul6sen), yen normalen Grauulationea durch das beson- dere Aussehen der dieselben zusammensetzenden Granulationszellen und das Auftreten cireumscripter gef~tssloser Zellherde (Tuberkel) eharakterisirt. Die Zellen fung(iser Granulationen sind gr0sser, oft mehrkerlfig, starker gek6rnt, aueh finden sich mehr rundliche und weniger veri~stelte Zellen, als in normalen Granulationen. Da nun Z i e g l e r aus dem :Naehweis, dass die grossen epithelioiden und Riesenzellen aus kleinen, farblosen Blutzeilen entstehen, und dass nur aus den ersteren Bindegewebe und Gefiisse sich bilden, dieselben~ wo er sie antrifft, als die Bildungszellen zuktinftigen Bindegewebes anspricht, so ist es nut eine Consequenz dieser Ansicht, wenn er aueh in den griisseren, vielkernigen Zellen und Zellhaufen, wie dieselben sich in den fungiisen Granulationen pr~isentiren, nichts Beson- deres, niehts Specifisehes sieht. Wie in normalen Grauulationen die farb- losen Blutzellen die Durehgangsstufe der gr6sseren epithelioiden Zellen durchlaufend sich zu Bindegewebe umwandeln, so haben aueh die Zellen der fung6sen Granulationen die Absicht zu Bindegewebe und Gefassen zu werden, allein diese Tendenz wird vereitelt durch eine ungenfigende oder zu spat eintretende Vascularisation. Mag nun letztere in einer Itinfallig- keit der Bildungszellen selbst, oder einer localen oder allgemeinen Gewebs- oder Constitu.tionsanomalie begrtindet sein, genug, die Zellen bleiben auf einer gewissen ttahe ihrer Entwiekelung stehen und gehen zum Theil zu Grunde. Die Besonderheit fungiiser Granulationen und was denselben den Mangel einer tubercul6sen Entztiudung erst aufdrfickt, die eigenthtimliche Gruppirung der Bildungszellen zu gef~sslosen, rundlichen Iterden, erkl~i.rt sich aus ihrer Beziehung zu den Gefassen. Dieselben haben sich zwischen vaseularisirten Theilen an gefiissloser Stelie angehauft, da ihre Ernahrung hier am meisten gefMlrdet sein muss, werden sie auf einer bestimmten Entwickelungsstufe zu Grunde gehen mtissen. Die rundliehe Form der Zellhaufen entsteht aus dem Bestreben des umliegenden Gewebes den sich vergriissernden Herd auf ein m/iglichs~ kleines Volumen zusammenzudriin- gem Eine etwas andere, jedoch iihnliche Bedeutung hat die Tuberkelent- wickelung bei den secundaren Formen, hier hiingt die Kniitchenbildung mit der localen Besehaffenheit des Reizes zusammen; es stellt das Knatchen den Gesammteffeet der Reizung dar. In diesem kleinen Entzfindungsherd verfolgen die zelligen Elemente den gewahnliehen Entwickelungsgang, wel- chef jedoch auch hier wiederum durch den mangelnden Eintritt der El'- nithrung (Vascularisation) gehemmt wird, und zum schliesslichen Untergang, zur Verk~tsung des Knatchens f[ihrt.

Die Auffassung der Tuberkel als solcher als niehts Speeifisches, son- dern als der eigenthiimliche, histologisch ithnliche Ausdruck' anomal vet-

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laufender Entziindungen, deren Ursaehen jedoch sehr differente sein k6n- nen, ist gewiss eine fiusserst bereehtigte und der faetisehen Beobaehtung vOllig entspreehende. Sie muss vor allen Dingen Denjenigen willkommen sein, welche sieh nieht nur mit den anatomisehen Krankheitsprodueten, wie dieselben sieh am Seetionstisehe darstellen, sondern speeiell aueh mit den Krankheitsersel~einmlgen am lebenden Organismus, deren Folge erstere sind, beseh~tftigen, da dieselbe (lie Klufl, welelle dureh die aus morpholo- gisehen Riicksiehten entsprungene Auffassung der Tuberkel als etwas Be- sonderem sieh zwisehen der anatomisehen und kliniseheu Ansehaunng zu bilden drohte, auszufiillen und die Brtieke zu gegenseitigem Verstandniss herzustellen geeignet erseheint. Dr. J. Mareuse .

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Mittelbare Dilatation der Harnr6hrenstrieturen. Von Dr. L a n g l e b e r t. (Dilatation mddiate des rdtr,~cissements de l 'uri~thre.- Gazette des H6pitaux. 1876. No. 16.)

Der Verfasser, welcher die Curmethoden der Urethralstenosen in der Absicht, fausses routes zu verh0.ten und die allen bisher tibliehen derar- tigen Eneheiresen anhaftenden gr6sseren und geringeren Sehmerzen m6g- lichst abzuschw~iehen, um eine neue bereichert hat, nennt dieselbe mittel- bare Dilatation.

Was zun~,tehst den dazu n0thigen Instrumentenapparat betrifft, so be- steht dersclbe I) aus mehreren oliv/tren Bougies yon versehiedenen nach der C l ta r r i6re ' schen Fililn'e gemessenen Dieke, dutch welehe soweit in ihrcr ganzen l~/inge cine Spalte geht, dass nur das Vesiealende in einer L~tnge vm~ (~--7 Cm. gesehlossen bleibt, uud 2) aus mehreren elfenbeiner- nen bezaglich des Kalibers ebenso wie die eben erwithnten Instrumente besehaffenen Mandrins mit eincr 2--3 Cm. langen Olive.

Anlangend die Ausf@rung dieses Dilatationsverfahrens, so wird naeh Erforsehung des Sitzes tier fragliehen l(:malisationsstSrung vermittelst ether bougie exploratriee "~ boule in die Urethra eine dem Knopfe jener Explo- rationssonde entspreehend dieke Bougie mit naeh oben geriehteter Spalte gefiihrt mid in dieselbe an ihrem freien Mauubriumende sodann ein Man- drin gleieher Cireumferenz dergestalt vorgesehoben, dass seine Olive ge- fade in die Verengerung zu liegen kommt.

Dis hierdureh erzielte, einen Millimeter betragende Erweiterung der- selben l~tsst sieh in dieser Sitzung mit den eorrespondirenden h6heren Boug'ie- und M~ndrin-Nummern noeh verdoppeln und verdreifaehen, um in ether folgenden Session auf gleiehe Weise zu einer solehen endgiiltigen Lumenvergr6sserung zu gelangen, wie sie das Gelingen der Cur erheiseht.

Dr. Carl Pau l i .

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Ueber den Nutzen der Sonde ~, demeure bei der Behandlung gewisser Harnr0hrenstricturen. Von Prof. Dr. Dubui . (De l'utilit~! de la sonde .~ demeure dans lc traitement de certains rdtrgcissements de l'ur~thre. - - Gazette des H0pitaux. 1876. :Nr. 18.)

Wie hcute wohl von allen Seiten mit Rccht zugestanden wird, ist die temporlire Dilatation die 5este Curmethode der einfachen HarnrShrenver- engerungen.

Erweisen sigh diesclbcn jedoeh schr refractiir, so plaidiren die mei- sten Chirurgen ftir die inhere Urcthrotomie, deren Vorztige, da jene in Folge der verbesserteu Instrumente und einer zweekentsprechenderen bTach- behandlung kaum noch Gefahren involvirt, auch dcr Verf. anerkennt.

b~ichtsdestoweniger will er ihr die alte~ so oft mit dem besten Er- folge ~etibte permanente Erweiterung vermittelst elastischer Bougies nicht allein gleiehgesetzt, sondern auch unter Umstiinden vorgezogen wissen~ eine Ansicht, welche er durch einen glticklich geheilten Fall zu beweisen sueht.

Dcrselbe war, abgesehen yon seiner grossen Hartnii, ckigkeit - - die "8trictur hatte fiber 30 Jahre bestanden - - d a d u r c h ausgezeichnet, dass

sich trotz retablirter Passage der Urethra die Harnblase wegen Verlustes ihrer Contractilitiit nicht vollstiindig bei der Miction e~tleerte, der Art, dass sogleieh hiernaeh mit dem Katheter jedes Mal eine Menge von circa 70 Gramm Urin abgenommen werdeu konute, und dass die auf diese Weise hervorgerufenen Uebelstitnde die titgliche kiinstliche Ableitung di(-es Excrets dringend geboten.

Hier sei nun, bemerkt der Verf., eiu Recurs an die diese Bedingung zugleich mit erftillcnde Sonde "h demeure, womit auch der zu dem erw~thn- ten Falle mit hinzugezogene R i co rd fibereinstimmte, und wie die erzielten Curresultate bestens bestiitigten, vielmehr indicirt gewesen, als die Ure- throtomia interna, die nur allein die KanalisationsstSrung beseitige, nicht aber den dadurch gesetzten fibleu Conscquenzen Reehnung trage.

Dr. Carl P a a l i .

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Chirurgie vor 100 Jahren. Historische Studie. Von Dr. Georg F i s c h e r . Leipzig, Verlag von F. C. W. Vogel. 1876. 12 Mark.

Wenn der Vcrf. die Absicht hatte, Sinn und Intercsse ftir die Ver- gangenheit, ftir die Gesehichte dcr Chirurgie zu wecken, so konnte er wohl kaum eine bessere Form als die vorliegende dazu wiihlen, nlimlich in Form einer Skizze uns dell grossen Aufschwuug, so zu sagen die gliin- zende Wiedergeburt der Chirurgie vor Augen zu fiihren uud in anregen- der Weise jene Periode zu schildern, in der man zuerst anfing wissen- sehaftlich Chirurgie zu treiben. Wir kSnnen in dcr That mit dem Verf. nur bedauern, und yon maucher Seite ist diescr Mangel ja auch hervor- gehoben worden, dass die Gcschichte der Wissenschaften, also z. B. auch der Chirurgie, so sehr vernachl~tssigt wird. Wenn man bedenkt, wie ge-

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wShnlieh der Student eine gauze Reihe yon l~lamen bedeutender und un- bedeutender Chirurgen zu behalten angehalten wird, und froh und stolz ist, wenu er eine grosse Anzahl yon Chirurgen als Erfinder von Methoden, Instrumenteu oder deren Moditlcationen hinziihlen kann, dabei abet kaum weiss~ warm die betreffenden Erfinder gelebt haben, und welche Bedeutung nnd Stel[ung i]lnen zukommt, so wird man kaum begreifen, zu welchem Zwecke eigentlich das Ged~tchtniss mit alle den blamen belastet wird, und mit Recht hat schon B il 1 rot h darauf hingewiesen, class alle Vorlesungen eigentlich yon historischem Geiste durchdruug'en sein sollten, l~ur ant solche Weise wird auch der Student dis Bedeutung ether Methode und seines Erfinders nach dem Zeitalter, in dem er lebte, bemessen k6nnen. Um speciell nun das Interesse fiir Entwickelung und Geschichte der Chir- urgie bet dem Praktiker zu weckeu, fiir den Verf. eigentlich schreibt, hat letzterer wohl gethan, die sonst so beliebten Iqoten und Commentare des Textes gaJ~z wegzulassen~ um die Lecttire des Werkes um so angenehmer und nicht ermiidend zu machen.

Weiin nun der Verf. den Werth des Geschiehtsstudiums haupts~tchlich in dem Umstande sieht, dass am Beispiel hervorragender Miinner und zu- real an deren grosset Arbeitskraft der sinkende Muth des Praktikers neu belebt werde, so glauben wit, hat der Praktiker doch noeh audere Vor- theile durch dasselbe. Denn zun/ichst werden ihm durch das Studium der Geschichte die Ziele und die Fortschritte moderner Chirurg% klar vor die Augen tveten uud er wird neue Lust gewinnen, ftir dieselben und in ihrem Sinl~e zu wirken und zu arbeiten. Ferner wird er finden, dass Vieles l~tngst ausgesp~'oehen oder eri'uuden ist, was Andere spi~ter als eigene Waare auf den Markt brillgen, und die Geschichte zeigt ihm die Vorli~ufer grosset Entdeekungen, you denen bekanntlich keine unvorbereitet ist. Dutch die Erkenntniss, dass die Lehren, die fiir den Augenblick von Jedermaun angenommen werden, oft nach wenigen Jahren wieder verwor- fen werden, wird er selber vorsichtig und wird priifenden Sinnes das Neue aut fassen, um selber sich durch Beobachtung und Erfahrung eiu Urtheil dartiber zu bildcn.

Die Epoche vor 100 Jahreu ist entschieden ftir die Entwickelung der Chil'urgie von grossem lnteresse. Wem~ aueh speeieli in Deutschland diese Kindeljahre der Chirurgie nieht viel Bedeutendes aufzuweisen haben und die Leistnngen deutscher Forscher etwas erblassell neben deneu der Nach- barv61ker, so ist cs doch hiichst fesse[ud gerade in jener Zeit, wo Deutsch- land seine tiefsten Denker, seine besten Dichter und Musiker zur Welt brachte, den Aufschwung wahrzunehmen, der sich auf anderen Gebieten darthut, wenn aueh hier die Fvtichte erst spi~ter reifen sollten. Zum Theil hing es ja auch yon der politisehen Stellung Deutsch[ands ab, dass seine wissenschaftlichen Leistuugeu wenig Beachtung fanden und dass dig deut- seheu Forscher damals speeiell Alles, was yore Auslande kam, hfher schi~tzteJl, "ds eigene Leistungen. Spiiter allerdings konnteu sie dadurch um so glii~ze~der das Ausland wiederum iiberholen. Freilich gab es auch damals i~merhalb der deutschen Chirurg'ie kein eigentliches Genie. Wir fiudeu viele Mi~nuer vor von grossem Scharfsinn und bedeutendem Fleiss% abet es war Keiner da, der eiLte Heue Balm, eine neue Methode den Uebri- gen zu weisen im Stande gewesen w~re.

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Die Anordnung des Buches ist eine sehr zweckmiissige. ~Nachdem eine Schilderung der Zeit mit der Stellung der Aerzte vor 100 Jahren ge- geben ist, werden die Vertreter der Hauptschulen, sowie die bedeutendsten Chirurgen der Deutschen, Franzosen und Englander in fesselnder Weise charakterisirt und besprochen. Die ersten Capitel, welche tiber das Ver- hiiltniss yon Doctor und Barbier, tiber Marktschreier, Schwindler und Quacksalber uns berichten, enthalten Munches, was uns nur gar zu sehr noch an unseren heutigcn Zustand erinnert. Die Charlatanerie bliiht in t~nserem Zeitalter noeh ebenso tippig,' wie vor 100 Jahren, man braucht nut den Annoncentheil irgend ether beliebigen Zeitung in der Hinsicht durchzumustern, Sehwindel und Marktschreierei ist wie frfiher, nur unter anderer Folm und anderem Gewandc, vorhanden, so dass man sich in der That fragen kann, ob der Schwindel und die Quacksalberei als ein un- tilgbares Uebel anzusehen stud. Dieselben vollstiindig zu verbannen~ wird wohl schwer halten, aber als bestes Mittel, sic in engere Grenzen zu wet- sen, muss das allmlihlich wachsende Vertrauen des Publikums zum Arzte angesehen werden. Dahin muss jeder Praktiker naeh Kriiften wirken, vor Allem muss er auch zu dem Zwecke die Collegialitiit als wesentlichstcn Factor zur Erreichung des Zweckes fiirdern; auch in dieser Beziehung wird der praktische Arzt in den betreffenden Capiteln manchen Wink und manche Mahnung finden.

Es folgt die Geschichte des chirurgischen Standes mit ether Ftille interessanter Einzelheiten. Wenn man bedenkt, dass bereits vor 100 Jahren P r i n g l e den Werth der frischen Luft und Ventilation in tIospi- tiilern lehrte~ B r o c h l e s b y zuerst die Bg'acken und Graf S t a i r den ersten Vertrag mit dem Feinde zum Schutze der Verwundeten abschloss~ so wundert man sich, dass die~es Alles nicht schon langst Gemeingut der Viilker geworden ist. - - Die bedeutendste Entwickelung der Chirurgie fand im vorigen Jahrhundert in Frankreieh und England start. In Deutschland waren die Fortsehritte theils aus bereits vorher angefiihrten Grtinden ge- ringer, zum Theil auch wob! aus d e m Grunde~ weil den deutschen Chirur- gen Beobachtungsmaterial absolut fehlte~ und zwar wegen der mangelhaften und unzureichenden Einrichtung der Spitiiler, deren sich auch nur wenige Orte zu erfreuen batten (die meisten deutschen Universit~iten besassen in der Mitte des vorigen Jahrhunderts noch keine Spitiiler), und ferner wegen des grossen Mangels an Leiehen. Soll doch noch A. G. R i c h t e r in Giittingen die Amputationen an grossen Rtiben gezcigt habcn.

Nach einem k~lrzen Ueberblic, k fiber deutsche Medicin, tiber die Pe- riode der Systeme folgt die Geschichte der chirurgisehen Wissenschaft in sieben Capiteln. Aueh hier ist eine reiehe Ffiile des Interessanten.

Wir wollen nicht darauf eingeben, ob nach unserer Ansicht der eine oder andere Chirurg zu viel oder zu wenig hervorgehoben ist, diese oder jene Methode mehr hlitte berticksichtigt werden kSnnen, im Grossen and Ganzen ist die Skizze des betreffenden Zeitalters als hSchst gelungen zu bezeiehnen und frisch und lebendig gesehrieben. So kSnnen wir das Bueh jedem Arzte auf das Beste empfehlen. Er wird selbst nach schwerer und ermtidender Tagesarbeit dasselbe sicher noch mit Vergniigen lesen.

Dr. S o n n e n b u r g .

Druck von J. B. H i r s c h f e l d in Leipzig.