Bestandsaufnahme und Psychogramm der ... - Wallenberg · Wallenberg. Zsolt Németh,...

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D er heimatverbliebene Deut- sche Otto Peschka, Jahrgang 1933, hat bereits einmal auf sich aufmerksam gemacht, als er 2004 über den Kulturverband tsche- chischer Bürger deutscher Natio- nalität den Titel „Verwehte Ver- gißmeinnicht“ in deutscher und tschechischer Sprache herausge- geben hat. Diemal drang der ge- bürtige Tetschener tiefer in die historischen Zusammenhänge ein, die zur Vertreibung seiner engsten Verwandten und Freun- de geführt hatten. Als Ergebnis präsentierte er Peter Barton, Leiter des Sude- tendeutschen Büros in Prag, sein neues Buch „Jak to bylo dooprav- dy“ (Wie es wirklich war). Es er- schien im tschechischen Ver- lag Paprsky und bedient sich nur der tsche- chischen Sprache. Peschka il- lustrierte sein neu- es Werk mit zahl- reichen Bildern. Es enthält aber auch Beiträge anderer Autoren zum sel- ben The- ma. WISSENSCHAFT · AKTUELL Sudetendeutsche Zeitung Folge 16 | 20. 4. 2012 14 Seit mehr als zwei Jahren war Sieghard Gall, ein aus dem Kreis Hohenelbe stammender Landsmann und Meinungsfor- scher, unterwegs, um die heuti- gen Standpunkte von ehemals in Böhmen, Mähren und Sude- tenschlesien ansässigen Betrof- fenen zu erkunden. Man muß dem Autor sehr dankbar sein für seine Bemühungen, ist doch die sogenannte Erlebnisgenerati- on inzwischen mehrheitlich re- duziert auf Menschen, die etwa zwischen 1925 und 1945 geboren wurden. I hre Erlebnisse und Erfahrun- gen in der Heimat, betreffend das deutsch-tschechische Ver- hältnis im letzten Jahrzehnt der Ersten Republik, die Protekto- ratszeit und vor allem auch die Vertreibung und schließlich ihre Ankunft in Deutschland erfuhren sie als Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Der Autor be- fragte mehr als 200 Teilnehmer in Gruppen von je acht bis zwölf Männern und Frauen, welche ih- re Reaktion auf die etwa 200 Fra- gen mit einem einfach zu be- dienenden Gerät aufzeichneten und einem Rechner zuführten. Dann folgte noch eine kompak- te, thematisch beschränkte Be- fragung mit etwa 250 Teilneh- mern. Der Autor verdient hohes Lob für die inhaltliche Qualität seiner Fragen, welche sicherlich vor al- lem aufgrund ihrer Relevanz zu überzeugenden und stichhalti- gen Ergebnissen geführt haben. Ob eine derartige Untersuchung auch von einem Nicht-Lands- mann hätte konzipiert werden können, ist zweifelhaft. Sieghard Gall befaßt sich auch mit der Rezeption des deutsch- tschechisch-österreichischen Spielfilms „Habermann“ durch die Erlebnisgeneration, in wel- chem der tschechische Regisseur Juraj Herz die schwierigen Ver- hältnisse im gemischtnationalen Sudetenland zwischen 1937 und 1945 erstmals auf eine beiden Seiten möglichst gerecht werden- de Weise darstellt. Schließlich enthält das Buch 16 ausgewähl- te Erinnerungstexte, in welchen Betroffene die noch heute ausge- prägte Intensität der Erlebnisse von 1945 bis in die späten vierzi- ger Jahre dokumentieren – oh- ne emotionale Polemik und doch überzeugend –, ein Beweis da- für, daß die Vertreibung bei den Zeitzeugen bis heute spürbare tiefe Spuren hinterlassen hat. Das Buch ist eine Bestandsauf- nahme der geistigen oder seeli- schen Verfassung der direkt Be- troffenen nahezu sieben Jahr- zehnte seit ihrem erzwungenen Verlassen der Heimat. Es belegt auf sehr sachliche, zurückhalten- de Weise die teilweise ähnlichen, teilweise aber auch unterschied- lichen Ansichten verschiede- ner Gruppen, welche der Lands- mannschaft, dem Witikobund, der Ackermann-Gemeinde und der Seliger-Gemeinde naheste- hen. Und es geht dabei um The- men und Begriffe wie Heimat, die Einstellung zur Ersten Repu- blik, die Gründe für den mäßigen Erfolg der aktivistischen Partei- en und für die Entwicklung hin zur Sudetendeutschen Partei, die Einschätzung der tschechischen Haltung damals und heute, das Nebeneinander der Ethnien und schließlich um die Beurtei- lung von so komplexen Themen wie „Opfer, Täter, Unrecht und Schuld.“ Daß die Beteiligten zu letzteren Themen keine annä- hernd einheitliche Einschätzung erkennen ließen, dürfte kaum überraschen. Für den überwiegenden Teil der Befragten ist das Thema Ver- treibung nicht abgeschlossen. Je stärker bei den Befragten noch heute die Empfindungen von Verlust und Trauer sind, gezeich- net von Verbitterung in Verbin- dung mit den Erlebnissen von 1945/1946, um so weniger ist die Vertreibung oder gar ein Schluß- strich unter die Vergangenheit für die Beteiligten hinnehmbar. Und die noch immer vielfach ne- gativ erinnerte Aufnahme der Vertriebenen in der „neuen Hei- mat“ ist noch heute ein verstär- kendes Moment der Verbitte- rung. Das Buch erfordert konzen- trierte Lektüre. Es ist eine wert- volle und gültige Bestandsauf- nahme der derzeitigen Verfas- sung der Erlebnisgeneration. Sieghard Galls Buch ist der Mehr- heit der Landsleute zu empfeh- len; für Funktionsträger der su- detendeutschen Organisationen enthält es besonders wertvolle Erkenntnisse. Martin K. Bachstein Sieghard Gall: „Erinnerung, Ansich- ten, Einsichten. Ein Psychogramm Vertriebener aus Böhmen“. Reac- tos-Medienforschung, München 2012; 182 Seiten, 24 Euro. Erhältlich bei der Sudetendeutschen Verlags- gesellschaft, Hochstraße 8, 81669 München, Telefax (0 89) 48 00 03 83, eMail [email protected] Neues Buch über das Schicksal der Sudetendeutschen Wie es wirklich war Buchautor und Meinungsforscher Dr. Sieghard Gall als Referent beim Sudetendeutschen Tag 2011 in Augsburg. Bild: Herbert Fischer Bestandsaufnahme und Psychogramm der Erlebnisgeneration Sudetendeutsche Empfindungen Z u Pfingsten erwartet die Landsleute ein Sudetendeutscher Tag der kurzen Wege mit modernster Technik, hel- len Hallen und bester Akustik. Zu dem diesmal von uns genutzten östlichen Bereich des Nürnberger Messezen- trums pendelt von der U-Bahn-Station aus ein „Shuttlebus“. Für Autofahrer stehen ausreichend Parkplätze bereit. Pavel Kuča, Toman Brod, Oldřich Stránský, Peter Barton und István Buczkó. Peter Barton, Leiter des Sude- tendeutschen Büros in Prag, be- suchte in Begleitung Oldřich Stránskýs, Mitglied des Verban- des politischer Häftlinge und Ex-Häftling in den KZ Theresi- enstadt und Auschwitz, Pavel Kučas, Mitglied der Bürgerinitia- tive Jägerndorfer Synagoge und Redakteur der jüdischen Zeit- schrift „Maskil“, sowie Toman Brods, Schriftsteller, Historiker und ebenfalls einst Häftling in Theresienstadt und Auschwitz, die Ausstellung „Ember az em- bertelenségben“ (In der Zeit der Unmenschlichkeit ein Mensch sein) der Ungarischen Botschaft in Prag. D er Gesandte István Bucz- kó empfing Barton, Stránský und Brod in der Botschaft und führte sie kundig durch die Aus- stellung, die noch nicht öffent- lich zugänglich ist. Bereits ein erster Blick auf die Exponate überraschte Brod: Er habe nicht gewußt, daß im Vorkriegsun- garn wichtige jüdische Vertreter Mitglied des ungarischen Parla- ments gewesen seien. Das sei in der tschechischen Gesellschaft so gut wie unbekannt, und dage- gen wolle er etwas tun. Die Do- kumentation von Ungarns Hilfe bei der Rettung gefährdeter Ju- den überraschte ihn ebenfalls. Sinn des Besuchs war, die Aus- stellung weiterzuempfehlen. Zu den Persönlichkeiten, die sich um die Rettung von Juden wirk- lich verdient gemacht haben, ge- hörte auch Raoul Wallenberg, der in der Ausstellung besonders geehrt wird. Außerdem war es der ungari- sche Held János Graf Esterházy, der als einziger Abgeordneter des Slowakischen Parlaments – er war auch der einzige Ungar im Parlament der ersten Slowaki- schen Republik von 1939 bis 1945 – gegen die Transporte der Ju- den aus der Slowakei in Vernich- tungsslager protestierte. Später verurteilte die Tschechoslowakei Esterházy zu lebenslanger Haft. 1957 starb er im ČSR-Gefängnis Mürau an unmenschlichen Haft- bedingungen. Natürlich gilt der Dank des ungarisches Volkes zuerst dem schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg. Zsolt Németh, par- lamentarischer Staatssekretär im ungarischen Außenministerium, schreibt im Vorwort zu der Pu- blikation seines Hauses „Ungari- sche Ritter der Humanität“: „Un- garn wird niemals erlauben, daß Antisemitismus, Rassismus und Vorurteile die Oberhand gewin- nen, oder Intoleranz und Diskri- minierung, die auf Volksgrup- penzugehörigkeit, religiösem Glauben oder politischen Über- zeugungen gründen. Nur so kann Raoul Wallenbergs würdig gedacht werden. Wallenbergs noch immer unklares Schicksal offenbart eine erstaunliche Ähn- lichkeit mit dem eines anderen Retters: mit dem Ungarn János Esterházy.“ Die Begegnung in der Bot- schaft hatte einen ausgesprochen Arbeitscharakter. Peter Barton betonte als Vertreter der Sude- tendeutschen Volksgruppe, daß die Sudetendeutschen immer an der Seite der Entrechteten und Ausgestoßenen stünden. Hier se- he er einen politischen Auftrag. Seine Arbeit richte sich nicht nach der Sprache oder Volkszu- gehörigkeit seiner Partner, ob- wohl er natürlich immer zuerst mit den Menschen spreche, die sich auf das Deutschtum in der heutigen Tschechischen Repu- blik beriefen. Mit seiner Arbeit für die Su- detendeutsche Volksgruppe ver- suche er, Barton, immer größe- re Kreise zu schlagen. Manch- mal suche er auch das Gespräch mit absolut unterschiedlichen Gesprächspartner in der Tsche- chischen Republik. Dazu gehör- ten beispielsweise Roma oder Ju- den, die Nachkommen der russi- schen Emigranten aus dem Jahr 1917 oder diplomatische Ver- tretungen. Nicht um leere Flos- keln oder „Small talk“ gehe es also, sondern um die Einleitung eines ernsthaften Gesprächs, in dem die Gesprächspartner über die sudetendeutschen Anliegen informiert und danach vielleicht gemeinsame Projekte begonnen würden. Ungarn habe öfter Stellung zum ungerechten Schicksal der Sudetendeutschen bezogen, viel- leicht auch deswegen, weil es und seine Bevölkerung ähnli- ches hätten erleiden müssen. Seit 1918/1919 lebten zahlreiche Un- garn im Ausland, wo sie – wie in der Slowakei – harter Assi- milierungspolitik ausgesetzt sei- en. Der Anteil der bekennenden Ungarn in der Slowakei habe sich in den letzten 20 Jahren auf gera- dezu gefährliche Weise von mehr als zehn auf 8,5 Prozent der Be- völkerung verringert. Barton, der mütterlicherseits ungarische Vorfahren hat, zeigte mit diesem Besuch in der ungari- schen Vertretung auch, daß sich die Sudetendeutschen nicht nur für andere Schicksale interessie- ren, sondern auch manches ver- mitteln können. Deswegen kam er nicht allein in die Botschaft, sondern nahm engagierte jüdi- schen Mitbürger mit. Die Men- schen zusammenzubringen sei sein „Auftrag Nummer eins“, so Barton. Mit den Ungarn gehe das besonders gut. Sudetendeutsches Büro in Prag vermittelte Ausstellung der Ungarischen Botschaft Raoul Wallenberg und János Graf Esterházy Vor der Ausstellungstafel „Wallen- berg in Ungarn“. Otto Peschka: „Jak to bylo doopravdy“ (Wie es wirklich war). Verlag Paprsky, Aus- sig 2011; 300 Seiten, 269 Kronen. (ISBN 978-80-904552-1-4) Peter Barton und Otto Peschka. Geländeplan Messezentrum Nürnberg Karl-Schönleben-Straße Karl-Schönleben-Straße Otto-Bärnreut he r-St raß e M ü nc he n e r S t r a ß e West Einfahrt . Access Ost Einfahrt . 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Page 1: Bestandsaufnahme und Psychogramm der ... - Wallenberg · Wallenberg. Zsolt Németh, par-lamentarischer Staatssekretär im ungarischen Außenministerium, schreibt im Vorwort zu der

Der heimatverbliebene Deut-sche Otto Peschka, Jahrgang

1933, hat bereits einmal auf sich aufmerksam gemacht, als er 2004

über den Kulturverband tsche-chischer Bürger deutscher Natio-nalität den Titel „Verwehte Ver-gißmeinnicht“ in deutscher und tschechischer Sprache herausge-geben hat. Diemal drang der ge-bürtige Tetschener tiefer in die historischen Zusammenhänge ein, die zur Vertreibung seiner engsten Verwandten und Freun-de geführt hatten.

Als Ergebnis präsentierte er Peter Barton, Leiter des Sude-tendeutschen Büros in Prag, sein neues Buch „Jak to bylo dooprav-dy“ (Wie es wirklich war). Es er-schien im tschechischen Ver-lag Paprsky und bedient sich nur

der tsche-chischen Sprache. Peschka il-lustrierte sein neu-es Werk mit zahl-reichen Bildern. Es enthält aber auch Beiträge anderer Autoren zum sel-ben The-ma.

WISSENSCHAFT · AKTUELL Sudetendeutsche ZeitungFolge 16 | 20. 4. 201214

Seit mehr als zwei Jahren war Sieghard Gall, ein aus dem Kreis Hohenelbe stammender Landsmann und Meinungsfor-scher, unterwegs, um die heuti-gen Standpunkte von ehemals in Böhmen, Mähren und Sude-tenschlesien ansässigen Betrof-fenen zu erkunden. Man muß dem Autor sehr dankbar sein für seine Bemühungen, ist doch die sogenannte Erlebnisgenerati-on inzwischen mehrheitlich re-duziert auf Menschen, die etwa zwischen 1925 und 1945 geboren wurden.

Ihre Erlebnisse und Erfahrun-gen in der Heimat, betreffend

das deutsch-tschechische Ver-hältnis im letzten Jahrzehnt der Ersten Republik, die Protekto-ratszeit und vor allem auch die Vertreibung und schließlich ihre Ankunft in Deutschland erfuhren sie als Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Der Autor be-fragte mehr als 200 Teilnehmer in Gruppen von je acht bis zwölf Männern und Frauen, welche ih-re Reaktion auf die etwa 200 Fra-gen mit einem einfach zu be-dienenden Gerät aufzeichneten und einem Rechner zuführten. Dann folgte noch eine kompak-te, thematisch beschränkte Be-fragung mit etwa 250 Teilneh-mern.

Der Autor verdient hohes Lob für die inhaltliche Qualität seiner Fragen, welche sicherlich vor al-lem aufgrund ihrer Relevanz zu überzeugenden und stichhalti-gen Ergebnissen geführt haben. Ob eine derartige Untersuchung auch von einem Nicht-Lands-mann hätte konzipiert werden können, ist zweifelhaft.

Sieghard Gall befaßt sich auch mit der Rezeption des deutsch-tschechisch-österreichischen Spielfi lms „Habermann“ durch die Erlebnisgeneration, in wel-chem der tschechische Regisseur Juraj Herz die schwierigen Ver-hältnisse im gemischtnationalen Sudetenland zwischen 1937 und 1945 erstmals auf eine beiden Seiten möglichst gerecht werden-de Weise darstellt. Schließlich

enthält das Buch 16 ausgewähl-te Erinnerungstexte, in welchen Betroffene die noch heute ausge-prägte Intensität der Erlebnisse von 1945 bis in die späten vierzi-ger Jahre dokumentieren – oh-ne emotionale Polemik und doch überzeugend –, ein Beweis da-für, daß die Vertreibung bei den Zeitzeugen bis heute spürbare tiefe Spuren hinterlassen hat.

Das Buch ist eine Bestandsauf-nahme der geistigen oder seeli-

schen Verfassung der direkt Be-troffenen nahezu sieben Jahr-zehnte seit ihrem erzwungenen Verlassen der Heimat. Es belegt auf sehr sachliche, zurückhalten-de Weise die teilweise ähnlichen, teilweise aber auch unterschied-lichen Ansichten verschiede-ner Gruppen, welche der Lands-mannschaft, dem Witikobund, der Ackermann-Gemeinde und der Seliger-Gemeinde naheste-hen. Und es geht dabei um The-men und Begriffe wie Heimat, die Einstellung zur Ersten Repu-blik, die Gründe für den mäßigen Erfolg der aktivistischen Partei-en und für die Entwicklung hin zur Sudetendeutschen Partei, die Einschätzung der tschechischen Haltung damals und heute, das Nebeneinander der Ethnien und schließlich um die Beurtei-lung von so komplexen Themen wie „Opfer, Täter, Unrecht und Schuld.“ Daß die Beteiligten zu letzteren Themen keine annä-hernd einheitliche Einschätzung erkennen ließen, dürfte kaum überraschen.

Für den überwiegenden Teil der Befragten ist das Thema Ver-treibung nicht abgeschlossen. Je stärker bei den Befragten noch heute die Empfi ndungen von Verlust und Trauer sind, gezeich-net von Verbitterung in Verbin-dung mit den Erlebnissen von 1945/1946, um so weniger ist die Vertreibung oder gar ein Schluß-strich unter die Vergangenheit für die Beteiligten hinnehmbar. Und die noch immer vielfach ne-gativ erinnerte Aufnahme der Vertriebenen in der „neuen Hei-mat“ ist noch heute ein verstär-kendes Moment der Verbitte-rung.

Das Buch erfordert konzen-trierte Lektüre. Es ist eine wert-volle und gültige Bestandsauf-nahme der derzeitigen Verfas-sung der Erlebnisgeneration. Sieghard Galls Buch ist der Mehr-heit der Landsleute zu empfeh-len; für Funktionsträger der su-detendeutschen Organisationen enthält es besonders wertvolle Erkenntnisse.

Martin K. Bachstein

Sieghard Gall: „Erinnerung, Ansich-ten, Einsichten. Ein Psychogramm Vertriebener aus Böhmen“. Reac-tos-Medienforschung, München 2012; 182 Seiten, 24 Euro. Erhältlich bei der Sudetendeutschen Verlags-gesellschaft, Hochstraße 8, 81669 München, Telefax (0 89) 48 00 03 83, eMail [email protected]

� Neues Buch über das Schicksal der Sudetendeutschen

Wie es wirklich war

Buchautor und Meinungsforscher Dr. Sieghard Gall als Referent beim Sudetendeutschen Tag 2011 in Augsburg. Bild: Herbert Fischer

� Bestandsaufnahme und Psychogramm der Erlebnisgeneration

SudetendeutscheEmpfi ndungen

Zu P� ngsten erwartet die Landsleute ein Sudetendeutscher Tag der kurzen Wege mit modernster Technik, hel-len Hallen und bester Akustik. Zu dem diesmal von uns genutzten östlichen Bereich des Nürnberger Messezen-

trums pendelt von der U-Bahn-Station aus ein „Shuttlebus“. Für Autofahrer stehen ausreichend Parkplätze bereit.

Pavel Kuča, Toman Brod, Oldřich Stránský, Peter Barton und István Buczkó.

Peter Barton, Leiter des Sude-tendeutschen Büros in Prag, be-suchte in Begleitung Oldřich Stránskýs, Mitglied des Verban-des politischer Häftlinge und Ex-Häftling in den KZ Theresi-enstadt und Auschwitz, Pavel Kučas, Mitglied der Bürgerinitia-tive Jägerndorfer Synagoge und Redakteur der jüdischen Zeit-schrift „Maskil“, sowie Toman Brods, Schriftsteller, Historiker und ebenfalls einst Häftling in Theresienstadt und Auschwitz, die Ausstellung „Ember az em-bertelenségben“ (In der Zeit der Unmenschlichkeit ein Mensch sein) der Ungarischen Botschaft in Prag.

Der Gesandte István Bucz-kó empfi ng Barton, Stránský

und Brod in der Botschaft und führte sie kundig durch die Aus-stellung, die noch nicht öffent-lich zugänglich ist. Bereits ein erster Blick auf die Exponate überraschte Brod: Er habe nicht gewußt, daß im Vorkriegsun-garn wichtige jüdische Vertreter Mitglied des ungarischen Parla-ments gewesen seien. Das sei in der tschechischen Gesellschaft so gut wie unbekannt, und dage-gen wolle er etwas tun. Die Do-kumentation von Ungarns Hilfe bei der Rettung gefährdeter Ju-den überraschte ihn ebenfalls.

Sinn des Besuchs war, die Aus-stellung weiterzuempfehlen. Zu den Persönlichkeiten, die sich um die Rettung von Juden wirk-lich verdient gemacht haben, ge-hörte auch Raoul Wallenberg, der in der Ausstellung besonders geehrt wird.

Außerdem war es der ungari-sche Held János Graf Esterházy, der als einziger Abgeordneter des Slowakischen Parlaments – er war auch der einzige Ungar im Parlament der ersten Slowaki-schen Republik von 1939 bis 1945 – gegen die Transporte der Ju-den aus der Slowakei in Vernich-tungsslager protestierte. Später verurteilte die Tschechoslowakei Esterházy zu lebenslanger Haft. 1957 starb er im ČSR-Gefängnis

Mürau an unmenschlichen Haft-bedingungen.

Natürlich gilt der Dank des ungarisches Volkes zuerst dem schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg. Zsolt Németh, par-lamentarischer Staatssekretär im ungarischen Außenministerium, schreibt im Vorwort zu der Pu-blikation seines Hauses „Ungari-sche Ritter der Humanität“: „Un-garn wird niemals erlauben, daß Antisemitismus, Rassismus und Vorurteile die Oberhand gewin-

nen, oder Intoleranz und Diskri-minierung, die auf Volksgrup-penzugehörigkeit, religiösem Glauben oder politischen Über-zeugungen gründen. Nur so kann Raoul Wallenbergs würdig gedacht werden. Wallenbergs noch immer unklares Schicksal offenbart eine erstaunliche Ähn-lichkeit mit dem eines anderen Retters: mit dem Ungarn János Esterházy.“

Die Begegnung in der Bot-schaft hatte einen ausgesprochen Arbeitscharakter. Peter Barton betonte als Vertreter der Sude-tendeutschen Volksgruppe, daß die Sudetendeutschen immer an der Seite der Entrechteten und Ausgestoßenen stünden. Hier se-he er einen politischen Auftrag. Seine Arbeit richte sich nicht

nach der Sprache oder Volkszu-gehörigkeit seiner Partner, ob-wohl er natürlich immer zuerst mit den Menschen spreche, die sich auf das Deutschtum in der heutigen Tschechischen Repu-blik beriefen.

Mit seiner Arbeit für die Su-detendeutsche Volksgruppe ver-suche er, Barton, immer größe-re Kreise zu schlagen. Manch-mal suche er auch das Gespräch mit absolut unterschiedlichen Gesprächspartner in der Tsche-chischen Republik. Dazu gehör-ten beispielsweise Roma oder Ju-den, die Nachkommen der russi-schen Emigranten aus dem Jahr 1917 oder diplomatische Ver-tretungen. Nicht um leere Flos-keln oder „Small talk“ gehe es also, sondern um die Einleitung eines ernsthaften Gesprächs, in dem die Gesprächspartner über die sudetendeutschen Anliegen informiert und danach vielleicht gemeinsame Projekte begonnen würden.

Ungarn habe öfter Stellung zum ungerechten Schicksal der Sudetendeutschen bezogen, viel-leicht auch deswegen, weil es und seine Bevölkerung ähnli-ches hätten erleiden müssen. Seit 1918/1919 lebten zahlreiche Un-garn im Ausland, wo sie – wie in der Slowakei – harter Assi-milierungspolitik ausgesetzt sei-en. Der Anteil der bekennenden Ungarn in der Slowakei habe sich in den letzten 20 Jahren auf gera-dezu gefährliche Weise von mehr als zehn auf 8,5 Prozent der Be-völkerung verringert.

Barton, der mütterlicherseits ungarische Vorfahren hat, zeigte mit diesem Besuch in der ungari-schen Vertretung auch, daß sich die Sudetendeutschen nicht nur für andere Schicksale interessie-ren, sondern auch manches ver-mitteln können. Deswegen kam er nicht allein in die Botschaft, sondern nahm engagierte jüdi-schen Mitbürger mit. Die Men-schen zusammenzubringen sei sein „Auftrag Nummer eins“, so Barton. Mit den Ungarn gehe das besonders gut.

� Sudetendeutsches Büro in Prag vermittelte Ausstellung der Ungarischen Botschaft

Raoul Wallenbergund János Graf Esterházy

Vor der Ausstellungstafel „Wallen-berg in Ungarn“.

Otto Peschka: „Jak to bylo doopravdy“ (Wie es wirklich war). Verlag Paprsky, Aus-sig 2011; 300 Seiten, 269 Kronen. (ISBN 978-80-904552-1-4)Peter Barton und Otto Peschka.

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